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<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong><br />
Das Wichtige im Überblick<br />
Haftungs- und Versicherungsrecht<br />
Arzthaftung: Beweislastumkehr nur bei groben<br />
Diagnosefehlern (OLG Koblenz)<br />
Familien- und Erbrecht<br />
„Scheinvaterschaften“: Gesetzentwurf zur<br />
Anfechtung (BMJ)<br />
Arbeitsrecht<br />
Änderungskündigung: Keine Annahmeerklärung<br />
nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist (BAG)<br />
Sozialrecht<br />
GmbH-Geschäftsführer: Mangelnder Gesellschafterstatus<br />
ist kein zwingender Ausschlussgrund für<br />
Befreiung von der Sozialversicherungspflicht<br />
(Hessisches LSG)<br />
Bankrecht<br />
Kreditsicherung: Sittenwidrige Ehegattenbürgschaft<br />
trotz Bezeichnung des Bürgen als “ Zweiter<br />
Darlehnsnehmer“ (OLG Dresden)<br />
Wettbewerbsrecht und Gewerblicher<br />
Rechtsschutz<br />
Verdrängungs-Dumping: Nicht kostendeckende<br />
Preispolitik eines Marktführers ist unzulässig<br />
(EuGH)<br />
Aus dem Inhalt:<br />
03/07<br />
Zwangsvollstreckung und Insolvenz<br />
Vollstreckungsschutz: Dauerhafte Pfändungsfreistellung<br />
für ALG II - Überweisungen (BGH)<br />
Gebühren und Kosten<br />
Mandatsumfang: Auftrag an Sozietät umfasst regelmäßig<br />
keine sozietätsangehörigen Patentanwälte<br />
(OLG Frankfurt/M.)<br />
Berufsrecht<br />
Rechtsberatung: Rechtsdienstleistungsgesetz in<br />
erster Lesung (BMJ)<br />
Strafrecht und OWi<br />
„Online-Durchsuchung“: Verdeckter Zugriff auf<br />
Computerinhalte ist unzulässig (BGH)<br />
Steuerrecht<br />
Steuerfahndung: Auskunftsverpflichtung Dritter<br />
(BFH)<br />
Erbschaftsteuerrecht: Verfassungswidrig (BVerfG)
<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 03/07 Inhalt<br />
Haftungs- und Versicherungsrecht<br />
Nur ein grober ärztlicher Diagnosefehler führt zur<br />
Beweislastumkehr<br />
OLG Koblenz 30.11.2006, 5 U 209/06 4<br />
Bundestag bringt das neue Versicherungsvertragsrecht<br />
auf den Weg 4<br />
Familien- und Erbrecht<br />
Bundestag bringt Anfechtung von „Scheinvaterschaften“<br />
auf den Weg 5<br />
Arbeitsrecht<br />
Änderungskündigung: Annahme des Änderungsangebots<br />
nach Drei-Wochenfrist aber vor Ablauf der<br />
Kündigungsfrist ist zu spät<br />
BAG 1.2.2007, 2 AZR 44/06 5<br />
Arbeitgeber müssen bei individuellen Gehaltserhöhungen<br />
nicht alle Arbeitnehmer gleich behandeln<br />
LAG Rheinland-Pfalz 20.7.2006, 4 Sa 325/06 6<br />
Sozialrecht<br />
GmbH-Geschäftsführer ohne Gesellschaftsanteile<br />
sind nicht in jedem Fall sozialversicherungspflichtig<br />
Hessisches LSG 5.2.2007, L 1 KR 763/03 6<br />
Bundestag hat Gesundheitsreform beschlossen 7<br />
Handels- und Gesellschaftsrecht<br />
Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments<br />
bringt Richtlinie zur „elektronischen Hauptversammlung“<br />
auf den Weg 7<br />
Bundeskabinett hat Entwurf eines Zweiten Mittelstands-Entlastungsgesetzes<br />
beschlossen 7<br />
Bankrecht<br />
Von Ehefrau unterschriebener Kreditvertrag als<br />
„zweite Darlehensnehmerin“ kann eine sittenwidrige<br />
Ehegattenbürgschaft darstellen<br />
OLG Dresden 6.12.2006, 12 U 1394/06 8<br />
Wettbewerbsrecht und Gewerblicher<br />
Rechtsschutz<br />
Eine nicht kostendeckende Verdrängungspreispolitik<br />
des Marktführers ist unzulässig<br />
EuG 30.1.2007, T-340/03 8<br />
Bundesregierung will geistiges Eigentum besser<br />
schützen - <strong>Anwalt</strong>liche Abmahngebühren sollen<br />
gedeckelt werden 9<br />
Zwangsvollstreckung und Insolvenz<br />
Der in § 850 k ZPO für Arbeitseinkommen geregelte<br />
Pfändungsschutz gilt auch für Arbeitslosengeld II<br />
BGH 20.12.2006, VII ZB 56/06 10<br />
Gebühren und Kosten<br />
Mandatsauftrag mit <strong>Anwalt</strong>ssozietät erfasst regelmäßig<br />
keine sozietätsangehörigen Patentanwälte<br />
OLG Frankfurt a.M. 17.7.2006, 6 W 69/06 10<br />
Berufsrecht<br />
Steuerberater müssen die Anlage zum Bundessteuerblatt<br />
über die beim BFH anhängigen Verfahren<br />
nicht „auswendig wissen“<br />
KG Berlin 8.9.2006, 4 U 119/05 11<br />
Bundestag berät über Neuregelung des Rechtsberatungsrechts<br />
11<br />
Verwaltungs- und Verfahrensrecht<br />
Altersgrenze für Verkehrspiloten von 65 Jahren ist<br />
verfassungsgemäß<br />
BVerfG 26.1.2007, 2 BvR 2408/06 12
<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 03/07 Inhalt<br />
Rheinland-pfälzische Hochschullehrer müssen Einkünfte<br />
aus einer Nebentätigkeit an das Land abliefern<br />
BVerfG 16.1.2007, 2 BvR 1188/05 12<br />
Strafrecht und OWi<br />
Verdeckte Online-Durchsuchungen sind unzulässig<br />
BGH 31.1.2007, StB 18/06 13<br />
Gefängnisseelsorgern steht hinsichtlich außerhalb<br />
eines seelsorgerischen Gesprächs erlangten Kenntnissen<br />
kein Zeugnisverweigerungsrecht zu<br />
BVerfG 25.1.2007, 2 BvR 26/07 13<br />
Auch im Adhäsionsverfahren können Richter wegen<br />
Befangenheit abgelehnt werden<br />
BVerfG 27.12.2006, 2 BvR 958/06 14<br />
Steuerrecht<br />
Dritte müssen Steuerfahndern auch ohne direkten<br />
Kontakt zum möglichen „Steuerhinterzieher“ Auskunft<br />
erteilen<br />
BFH 5.10.2006, VII R 63/05 14<br />
Geldwerte Vorteile aus einem Aktienoptionsprogramm<br />
sind regelmäßig tarifbegünstigt zu besteuern<br />
BFH 19.12.2006, VI R 136/01 15<br />
Das geltende Erbschaftsteuerrecht ist verfassungswidrig<br />
BVerfG 7.11.2006, 1 BvL 10/02 15<br />
Wirtschaftsprüfer sind bei treuhänderischen Tätigkeiten<br />
für Immobilienfonds regelmäßig gewerbesteuerpflichtig<br />
BFH 18.10.2006, XI R 9/06 16<br />
Verlag<br />
Impressum<br />
Verlag Dr. Otto Schmidt KG in Kooperation mit dem <strong>Anwalt</strong>-<strong>Suchservice</strong><br />
Gustav-Heinemann-Ufer 58<br />
50968 Köln<br />
Geschäftsführender Gesellschafter: Dr. h.c. Karl-Peter Winters<br />
Amtsgericht Köln, HRA 5237<br />
USt-Ident-Nr. DE 123047975<br />
Zitierweise<br />
<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> Jahrgang, Ausgabe, Seite<br />
ISSN 1613-8090<br />
Schriftleitung und Verlagsredaktion:<br />
Petra Rülfing, Ass.jur; Imke Sawitzky, Ass.jur; Rüdiger Donnerbauer (verantw.)<br />
Redaktion <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong>, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln-Marienburg<br />
E-Mail: anwaltswoche@otto-schmidt.de<br />
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Inhalte<br />
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die übrigen Teile des Dokumentes in ihrem Inhalt und ihrer Gültigkeit<br />
davon unberührt.
Haftungs- und<br />
Versicherungsrecht<br />
Nur ein grober ärztlicher Diagnosefehler<br />
führt zur Beweislastumkehr<br />
OLG Koblenz 30.11.2006, 5 U 209/06<br />
Ärzte begehen keinen groben Diagnosefehler, wenn sie auf einer<br />
Computertomographie (CT) einen Tumor nicht erkennen, der in<br />
dieser Lokalisation nur äußerst selten vorkommt. In einem solchen<br />
Fall ist lediglich von einem „Aufmerksamkeitsfehler“ auszugehen,<br />
der keine Umkehr der Beweislast zugunsten des Patienten<br />
zur Folge hat. Daher muss der Patient beweisen, dass die Schäden,<br />
die er erlitten hat, auf der fehlerhaften Diagnose des Arztes<br />
beruhen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger ist seit 1990 wegen Beschwerden im HNO-Bereich in<br />
fachärztlicher Behandlung. Sein behandelnder Arzt überwies ihn<br />
1995 an den Beklagten, der eine coronare Computertomographie<br />
(CT) erstellte. Hierbei übersah er einen Tumor in den Nasennebenhöhlen<br />
des Klägers. Als sich der Kläger 1998 in eine Universitätsklinik<br />
begab, ergaben die dort durchgeführten Untersuchungen<br />
einen bösartigen Befund. Der vom Kläger angerufene Schlichtungsausschuss<br />
der Landesärztekammer kam zu dem Schluss,<br />
dass die CT vom Beklagten „vermeidbar fehlerhaft befundet“<br />
worden sei.<br />
Der Kläger verlangte vom Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld.<br />
Er trug vor, dass der Beklagte bereits 1995 eine Empfehlung<br />
zur Operation hätte aussprechen müssen. Der Tumor hätte dann<br />
bereits im Anfangsstadium behandelt werden können mit der Folge,<br />
dass der nach zwei Operationen eingetretene vollständige Verlust<br />
des Geruchssinns und weitgehende Verlust des Geschmackssinns<br />
hätten vermieden werden können. Das gelte auch für weitere<br />
Folgeschäden und ständig notwendige Behandlungen.<br />
Die Klage hatte keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz<br />
und Schmerzensgeld. Der insoweit beweisbelastete<br />
Kläger konnte nicht nachweisen, dass die Schäden, die er erlitten<br />
hat, auf der fehlerhaften Diagnose des Beklagten beruhen.<br />
Dem Kläger kommen auch keine Beweiserleichterungen zugute.<br />
Im Hinblick auf Beweiserleichterungen ist zwischen zwei Fallgestaltungen<br />
zu unterscheiden. Zum einen kann ein Verstoß des<br />
Arztes gegen die Pflicht zur Erhebung und Sicherung des Befundes<br />
die Umkehr der Beweislast bewirken. Zum anderen kommt<br />
dies in Betracht, wenn der Arzt den erhobenen Befund - wie vorliegend<br />
- falsch auswertet. Zu einer Beweislastumkehr führt dies<br />
aber nur, wenn ein fundamentaler Diagnosefehler im Sinn eines<br />
groben Behandlungsfehlers vorliegt.<br />
Im Streitfall liegt kein grober Behandlungsfehler vor. Der vom<br />
Gericht berufene Sachverständige hat darauf verwiesen, dass<br />
eine Tumorerkrankung in dieser Lokalisation äußerst selten vorkommt.<br />
Der Sachverständige hat die CT-Aufnahmen acht weiteren<br />
Kollegen gezeigt und nur die Hälfte hat eine Veränderung<br />
und damit einen möglichen Befund erkannt. Daher beruht die<br />
Fehldiagnose des Beklagten lediglich auf einem für die Beweislastumkehr<br />
unbeachtlichen „Aufmerksamkeitsfehler.<br />
Bundestag bringt das neue Versicherungsvertragsrecht<br />
auf den Weg<br />
Der Bundestag hat am 1.2.2007 in erster Lesung über den Gesetzentwurf<br />
zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (VVG)<br />
beraten. Hiernach müssen Versicherungen ihre Kunden vor Vertragsabschluss<br />
umfassend beraten und die Gespräche dokumentieren.<br />
Außerdem sieht das neue Versicherungsrecht umfangreiche<br />
Änderungen bei der Beteiligung der Versicherten an stillen<br />
Reserven des Versicherers und bei der Berechnung des Rückkaufwerts<br />
von Lebensversicherungen vor. Das Gesetz soll zum<br />
1.1.2008 in Kraft treten.<br />
Der Gesetzentwurf beinhaltet die folgenden Kernpunkte:<br />
Beteiligung an stillen Reserven<br />
Die Versicherten sollen künftig einen Anspruch auf Überschussbeteiligung<br />
haben. Dazu gehören dann erstmals auch die so genannten<br />
stillen Reserven. Damit haben die Versicherten Anspruch auf<br />
Beteiligung an den Gewinnen, die nicht realisiert wurden, soweit<br />
sie durch ihre Beiträge erwirtschaftet worden sind.<br />
Außerdem sollen die Versicherten, die ihre Lebensversicherung<br />
wenige Jahre nach dem Vertragsschluss kündigen, einen höheren<br />
Rückkaufwert als bisher üblich erhalten. Derzeit verrechnen die<br />
Versicherungen die gezahlten Prämien häufig in den ersten beiden<br />
Vertragsjahren mit den Abschlusskosten des Vertrags. Künftig soll<br />
die Verrechnung auf die ersten fünf Jahre gestreckt werden.<br />
Mit diesen Vorgaben wird der Entscheidung des BVerfG vom<br />
26.7.2005 (Az.: BvR 80/95) zur Überschussbeteiligung bei<br />
Lebensversicherungen und der Entscheidung des BGH vom<br />
12.10.2005 zur Berechnung von Mindestrückkaufwerten (Az.: IV<br />
ZR 162/03) Rechnung getragen, worin die Gerichte eine Überschussbeteiligung<br />
der Versicherten beziehungsweise eine Änderung<br />
der Berechnung von Rückkaufwerten eingemahnt hatten.<br />
Beratung und Information der Verbraucher<br />
Versicherungen müssen ihren Kunden künftig vor der Unterzeichnung<br />
des Vertrags alle relevanten Unterlagen aushändigen.<br />
Außerdem müssen die Kunden über Vertragsdetails wie Staffelungen<br />
und Laufzeiten vorab informiert werden. Die Beratung<br />
muss dokumentiert werden. Verletzen die Versicherungen diese<br />
Beratungs- und Dokumentationspflichten, machen sie sich schadensersatzpflichtig.<br />
Der Versicherungsnehmer kann allerdings<br />
auch auf Beratung und Dokumentation verzichten.<br />
Außerdem muss der Kunde vor der Vertragsunterzeichnung nur<br />
noch diejenigen Umstände angeben, nach denen der Versicherer<br />
schriftlich gefragt hat. Damit liegt das Risiko einer Fehleinschätzung,<br />
ob ein Umstand für das versicherte Risiko erheblich ist,<br />
nicht mehr beim Kunden.<br />
Direktanspruch in der Pflichtversicherung<br />
Bei allen Pflichtversicherungen wird der Geschädigte künftig<br />
einen Direktanspruch gegen den Versicherer erhalten. Die Regelung<br />
des für die Kraftfahrzeugversicherung geltenden Pflichtversicherungsgesetzes<br />
wird in das VVG übernommen und gilt künftig<br />
für alle Pflichtversicherungen.<br />
Allgemeines Widerrufsrecht<br />
Künftig können alle Versicherungsverträge unabhängig vom Vertriebsweg<br />
und ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Bisher<br />
galt das nur bei Fernabsatzverträgen. Außerdem können nach<br />
dem neuen Recht alle Versicherungsnehmer ihre Vertragserklärung<br />
widerrufen, also nicht nur Verbraucher, sondern zum Beispiel<br />
auch Handwerker und Freiberufler. Die Widerrufsfrist beträgt zwei<br />
Wochen, bei der Lebensversicherung 30 Tage. Die Frist beginnt<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 4
erst zu laufen, wenn dem Versicherungsnehmer sämtliche Vertragsbedingungen<br />
und Informationen übermittelt worden sind.<br />
Versicherungsschutz auch bei grob fahrlässigem Verhalten<br />
Die Versicherung kann den Versicherungsschutz selbst bei grob<br />
fahrlässigem Verhalten des Kunden nicht mehr komplett versagen.<br />
Vielmehr können die Versicherungen die Leistungen nur noch<br />
nach der Schwere des Verschuldens kürzen. Einfach fahrlässige<br />
Verstöße bleiben für den Versicherungsnehmer folgenlos.<br />
Die so genannte Unteilbarkeit der Prämie wird abgeschafft<br />
Der Versicherungsvertrag kann im Laufe des Versicherungsjahres<br />
von der Versicherung gekündigt oder durch Rücktritt beendet<br />
werden. Nach geltendem Recht muss der Versicherte trotz Kündigung<br />
die volle Jahresprämie zahlen. Ab dem 1.1.2008 muss<br />
der Versicherungsnehmer die Prämie nur bis zum Zeitpunkt der<br />
Kündigung zahlen.<br />
Wegfall der Klagefrist<br />
Nach derzeit geltendem Recht muss der Versicherungsnehmer seinen<br />
Anspruch auf die Versicherungsleistung binnen sechs Monaten<br />
geltend machen, nachdem der Versicherer die Leistung schriftlich<br />
abgelehnt hat (§ 12 Abs.3 VVG). Diese Regelung entfällt.<br />
Linkhinweis:<br />
- Für eine auf den Webseiten des BMJ veröffentlichte Pressemitteilung<br />
mit einigen Beispielsfällen klicken Sie bitte hier.<br />
- Den Regierungsentwurf finden Sie hier.<br />
- Für die auf den Webseiten des BVerfG veröffentlichte Entscheidung<br />
des BVerfG vom 26.7.2005 klicken Sie bitte hier.<br />
- Die auf den Webseiten des BGH veröffentlichte Entscheidung<br />
des BGH vom 12.10.2005 finden Sie hier.<br />
Familien- und Erbrecht<br />
Bundestag bringt Anfechtung von „Scheinvaterschaften“<br />
auf den Weg<br />
Der Bundestag hat am 1.2.2007 in erster Lesung einen Gesetzentwurf<br />
beraten, mit dem Behörden das Recht eingeräumt werden<br />
soll, „Scheinvaterschaften“ anzufechten, wenn der Anerkennung<br />
des Kindes weder eine sozialfamiliäre Beziehung noch<br />
eine leibliche Vaterschaft zugrunde liegt. Hiermit sollen Missbrauchsfälle<br />
verhindert werden, in denen die Vaterschaft nur<br />
anerkannt wird, um Vorteile im Staatsangehörigkeits- und Ausländerrecht<br />
zu erlangen.<br />
Die Neuregelung soll beispielsweise in Fällen greifen, in denen<br />
alleinerziehende ausländische Mütter, deren Aufenthaltsgenehmigung<br />
ausläuft, einen Deutschen - womöglich gegen Zahlung<br />
eines Geldbetrags - veranlassen, die Vaterschaft für das Kind<br />
anzuerkennen. Dies hat zur Folge, dass das Kind Deutsche(r)<br />
wird und die Mutter in Deutschland bleiben darf. Bislang<br />
bestand in solchen Fällen für Behörden keine Möglichkeit, die<br />
Vaterschaft zu überprüfen.<br />
Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs im Überblick:<br />
- Die Regelungen der Vaterschaftsanfechtung in den §§ 1600<br />
ff BGB sollen um ein Anfechtungsrecht für eine öffentliche<br />
Stelle erweitert werden.<br />
- Welcher Behörde (unter Beteiligung des Jugendamts) das<br />
Anfechtungsrecht zustehen soll, bestimmen die Länder.<br />
- Von der Neuregelung sollen nur Missbrauchsfälle im Bereich<br />
des Staatsangehörigkeits- und Ausländerrechts erfasst werden.<br />
Daher setzt das Anfechtungsrecht voraus, dass durch die<br />
Vaterschaftsanerkennung die Voraussetzungen für die erlaubte<br />
Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines<br />
Elternteiles erfüllt werden.<br />
- Die Anfechtung ist erfolgreich, wenn zwischen dem Kind und<br />
dem vermeintlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung<br />
besteht.<br />
- Gibt das Familiengericht der Anfechtungsklage statt, entfällt<br />
die Vaterschaft des Anerkennenden mit Rückwirkung auf den<br />
Tag der Geburt des Kindes.<br />
Arbeitsrecht<br />
Änderungskündigung: Annahme des Änderungsangebots<br />
nach Drei-Wochenfrist aber<br />
vor Ablauf der Kündigungsfrist ist zu spät<br />
BAG 1.2.2007, 2 AZR 44/06<br />
Die Drei-Wochen-Frist für die Annahme des Änderungsangebots<br />
unter Vorbehalt aus § 2 S. 2 KSchG gilt als Mindestfrist auch für<br />
die Möglichkeit einer vorbehaltslosen Annahme. Das gilt selbst<br />
dann, wenn der Arbeitgeber eine kürzere Annahmefrist bestimmt<br />
hat. Liegt eine solche Fristsetzung vor, müssen Arbeitnehmer<br />
das Änderungsangebot innerhalb der Drei-Wochenfrist annehmen.<br />
Es reicht dagegen nicht aus, wenn die Annahme innerhalb<br />
der längeren Kündigungsfrist erfolgt.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger war seit 1972 bei der Beklagten als Elektriker<br />
beschäftigt. Am 2.8.2004 sprach die Beklagte eine Änderungskündigung<br />
zum 28.2.2005 mit dem Ziel aus, eine bisher vereinbarte<br />
individuelle Entfernungszulage zu streichen. Im Kündigungsschreiben<br />
hieß es, dass der Kläger umgehend mitteilen<br />
solle, ob er das Änderungsangebot annehme. Anderenfalls ende<br />
das Arbeitsverhältnis mit Fristablauf.<br />
Der Kläger nahm das Änderungsangebot erst am 2.11.2004 an.<br />
Die Beklagte teilte ihm daraufhin mit, dass die Annahmeerklärung<br />
zu spät abgegeben worden sei und das Arbeitsverhältnis<br />
daher zum 28.2.2005 beendet werde.<br />
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage verlangte der Kläger<br />
seine Weiterbeschäftigung zu den geänderten Bedingungen. Er<br />
habe das Änderungsangebot noch rechzeitig angenommen. Insoweit<br />
reiche es aus, wenn der Arbeitgeber vor Ablauf der Kündigungsfrist<br />
über die Annahme oder Ablehnung des Änderungsangebots<br />
in Kenntnis gesetzt werde. Die Beklagte machte dagegen<br />
geltend, dass sie klar zum Ausdruck gebracht habe, dass sie eine<br />
rasche Entscheidung erwarte, um planen zu können. Die erst<br />
drei Monate nach dem Änderungsangebot erklärte Annahme sei<br />
daher zu spät erfolgt.<br />
ArbG und LAG gaben der Klage statt. Auf die Revision der<br />
Beklagten hob das BAG die Vorentscheidungen auf und wies die<br />
Klage ab.<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 5
Die Gründe:<br />
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist zum 28.2.2005 beendet<br />
worden, weil der Kläger das Änderungsangebot der Klägerin<br />
nicht rechtzeitig angenommen hat. Die Beklagte hat eine wirksame<br />
Annahmefrist nach § 148 BGB bestimmt, die der Kläger<br />
nicht eingehalten hat.<br />
Zwar war die gesetzte Frist („umgehend“) zu kurz. Denn die für<br />
die Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt einer<br />
erfolglosen Änderungskündigungsschutzklage geltende Drei-<br />
Wochen-Frist aus § 2 S. 2 KSchG gilt als Mindestfrist auch für<br />
die Möglichkeit einer vorbehaltslosen Annahme. Dies führt im<br />
Streitfall jedoch lediglich dazu, dass die zu kurze Frist an die<br />
dreiwöchige gesetzliche Mindestfrist anzupassen war. Der Kläger<br />
hätte daher das Angebot der Beklagten innerhalb von drei<br />
Wochen nach Ausspruch der Änderungskündigung annehmen<br />
müssen.<br />
Arbeitgeber müssen bei individuellen<br />
Gehaltserhöhungen nicht alle Arbeitnehmer<br />
gleich behandeln<br />
LAG Rheinland-Pfalz 20.7.2006, 4 Sa 325/06<br />
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist zwar grundsätzlich auch im<br />
Bereich der Vergütung anwendbar. Das gilt aber nur für generelle<br />
Gehaltserhöhungen, von der einzelne Arbeitnehmer nur<br />
aus sachlichen Gründen ausgeschlossen werden dürfen. Liegt<br />
dagegen eine individuelle Gehaltserhöhung vor, haben die nicht<br />
begünstigten Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gleichbehandlung.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger ist bei der Beklagten als außertariflicher Angestellter<br />
beschäftigt. Nachdem er im Frühjahr 2002 die Kündigung<br />
des Arbeitsverhältnisses angedroht hatte, erhielt er eine deutliche<br />
Gehaltserhöhung, die ihn zum best bezahlten „Technical Area<br />
Manager“ der Beklagten machte.<br />
Im Jahr 2005 gab es eine konzernweite Vorgabe für die Gehaltserhöhungen<br />
bei den außertariflichen Angestellten von 2,5 Prozent.<br />
Die Beklagte gewährte nicht jedem Angestellten eine Gehaltserhöhung<br />
um 2,5 Prozent, sondern erhöhte bei einigen Angestellten<br />
das Gehalt gar nicht, bei anderen um bis zu 4,5 Prozent. Sie<br />
berücksichtigte bei der Entscheidung über die Gehaltserhöhung<br />
die Leistung, die bisherige Gehaltshöhe und das Entwicklungspotential<br />
der Arbeitnehmer.<br />
Der Kläger erhielt eine Gehaltserhöhung um 0,5 Prozent. Mit<br />
seiner Klage verlangte er eine weitere Erhöhung um 2,0 Prozent,<br />
da alle Angestellten durchschnittlich eine Gehaltserhöhung um<br />
2,5 Prozent erhalten hätten. Die Beklagte machte dagegen geltend,<br />
dass sie keine generelle, sondern eine individuelle Gehaltserhöhung<br />
vorgenommen habe. Beim Kläger habe sie berücksichtigt,<br />
dass er unter den vergleichbaren Arbeitnehmern bereits das<br />
höchste Gehalt beziehe, obwohl er nicht zu den Leistungsstärksten<br />
gehöre.<br />
Die Klage auf Zahlung einer weiterer Gehaltserhöhung hatte<br />
sowohl vor dem ArbG als auch vor dem LAG keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine<br />
weitere Gehaltserhöhung. Arbeitnehmer können sich grundsätzlich<br />
zwar auch im Bereich der Vergütung auf den Gleichbehand-<br />
lungsgrundsatz berufen. Das gilt aber nur, wenn der Arbeitgeber<br />
eine generelle Gehaltserhöhung gewährt. Hierfür muss er die<br />
Gehälter nach einem erkennbar generalisierbaren Prinzip aufgrund<br />
einer abstrakten Regelung erhöhen.<br />
Im Streitfall liegt keine generelle, sondern eine individuelle<br />
Gehaltserhöhung vor, so dass dem Kläger kein Anspruch auf<br />
Gleichbehandlung zusteht. Die Beklagte hat nicht alle Gehälter<br />
der leitenden Angestellten um 2,5 Prozent erhöht, sondern innerhalb<br />
dieser Gruppe nach den Kriterien Leistung, Gehaltshöhe<br />
und Entwicklungspotential differenziert. Hierin liegt eine individuelle<br />
Bewertung der einzelnen Arbeitnehmer, die bei einigen<br />
Arbeitnehmern sogar zu einer „Null-Runde“ geführt hat.<br />
Dass die Gehälter entsprechend der konzernweiten Vorgabe um<br />
durchschnittlich 2,5 Prozent gestiegen sind, begründet für den<br />
einzelnen Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine entsprechende<br />
Gehaltserhöhung.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage der<br />
Justiz Rheinland-Pfalz veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
Sozialrecht<br />
GmbH-Geschäftsführer ohne Gesellschaftsanteile<br />
sind nicht in jedem Fall sozialversicherungspflichtig<br />
Hessisches LSG 5.2.2007, L 1 KR 763/03<br />
Geschäftsführer, die am Kapital der Gesellschaft nicht beteiligt<br />
sind und auch keine familiären Bindungen zu den Gesellschaftern<br />
haben, stehen zwar in der Regel in einem abhängigen und<br />
damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.<br />
Etwas anderes gilt aber, wenn sie faktisch einen beherrschenden<br />
Einfluss auf das Unternehmen ausüben. In diesem Fall ist auch<br />
ohne Gesellschafterstatus von einer versicherungsfreien selbständigen<br />
Tätigkeit auszugehen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger ist Bankkaufmann und Betriebswirt. Direkt nach<br />
Studienende wurde er Geschäftsführer einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft.<br />
Er hielt zwar keine Anteile an der GmbH und<br />
war laut Arbeitsvertrag dem Direktionsrecht der Gesellschafter<br />
unterworfen. Faktisch unterlag er aber keinem Weisungsrecht<br />
und führte das Unternehmen allein nach seinen Vorstellungen.<br />
Die beklagte Krankenkasse stufte den Kläger als sozialversicherungspflichtigen<br />
Arbeitnehmer ein. Die hiergegen gerichtete<br />
Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg. Wegen der grundsätzlichen<br />
Bedeutung der Sache ließ das LSG allerdings die Revision<br />
zum BSG zu.<br />
Die Gründe:<br />
Im Streitfall liegen besondere Umstände vor, die trotz der fehlenden<br />
Gesellschafterstellung des Klägers auf eine sozialversicherungsfreie<br />
selbständige Tätigkeit schließen lassen.<br />
Der Kläger war zwar formal dem Direktionsrecht der Gesellschafter<br />
unterworfen, unterlag aber faktisch weder in organisato-<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 6
ischer oder finanzieller noch in administrativer Hinsicht einem<br />
Weisungsrecht. Er hat das Unternehmen allein nach seinen Vorstellungen<br />
geführt. Außerdem war er der einzige, der über das<br />
nötige Fachwissen im Bereich Anlagenberatung verfügte, und<br />
daher hierfür auch alleine zuständig war. Aufgrund dieses faktisch<br />
beherrschenden Einflusses auf das Unternehmen, muss der<br />
Kläger als selbständig gelten.<br />
Linkhinweis:<br />
Das Urteil wird demnächst in die Entscheidungsdatenbank des<br />
Hessischen LSG eingestellt.<br />
Bundestag hat Gesundheitsreform<br />
beschlossen<br />
Der Bundestag hat am 2.2.2007 in zweiter und dritter Lesung<br />
das Gesundheitsreformgesetz verabschiedet. Vorbehaltlich der<br />
Zustimmung des Bundesrats, der sich am 16.2.2007 mit dem<br />
Gesetzesvorhaben befassen wird, soll ein Großteil der Neuregelungen<br />
zum 1.4.2007 in Kraft treten. Die Einführung des<br />
Gesundheitsfonds und die meisten Änderungen in der Privaten<br />
Krankenversicherung sollen allerdings erst zum 1.1.2009 wirksam<br />
werden.<br />
Die Kernpunkte der Gesundheitsreform im Überblick:<br />
1. Versicherungspflicht: Künftig besteht grundsätzlich für<br />
jedermann die Pflicht, eine Krankenversicherung abzuschließen.<br />
Wer den Versicherungsschutz verloren hat, kehrt in seine frühere<br />
(gesetzliche oder private) Krankenversicherung zurück. Für<br />
Versicherte, die sich gesetzlich versichern müssen, besteht die<br />
Versicherungspflicht bereits ab dem 1.4.2007. Für diejenigen,<br />
die in die private Versicherung zurückkehren, gilt die Versicherungspflicht<br />
erst ab dem 1.1.2009. Ab dem 1.7.2007 besteht die<br />
Möglichkeit, sich ohne Risikoprüfung und -zuschläge zu einem<br />
Standardtarif (später: Basistarif) wieder privat zu versichern.<br />
2. Medizinische Versorgung: Krankenhäuser dürfen künftig<br />
auch die ambulante Versorgung von Patienten mit seltenen oder<br />
schweren Krankheiten wie Krebs oder Aids übernehmen. Außerdem<br />
werden empfohlene Impfungen und Mutter(Vater)-Kind-<br />
Kuren Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.<br />
Weitere Schwerpunkte sind Verbesserungen im Bereich der Palliativmedizin,<br />
ein Anspruch auf Rehabilitation sowie ein Anspruch<br />
auf häusliche Krankenpflege für ältere Menschen, die in Wohngemeinschaften<br />
oder anderen neuen Wohnformen leben.<br />
3. Arzneimittelversorgung: Für Arzneimittel wird eine Kosten-Nutzen-Bewertung<br />
eingeführt. Hierdurch soll verhindert<br />
werden, dass die begrenzten Mittel für fragwürdige Therapien<br />
ausgegeben werden. Außerdem dürfen spezielle, hochinnovative<br />
Medikamente erst nach Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung<br />
verschrieben werden.<br />
4. Private Krankenversicherung: Ab dem 1.1.2009 müssen<br />
die privaten Krankenversicherungen einen Basistarif anbieten,<br />
der in seinem Leistungsumfang mit dem Leistungskatalog der<br />
gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sein muss und<br />
den Höchstbetrag in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht<br />
überschreiten darf. In diesen Basistarif können für eine Übergangszeit<br />
auch die schon bislang privat Versicherten wechseln.<br />
Die privaten Kassen sind verpflichtet mit denjenigen, die die<br />
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, ohne Risikoprüfung Verträge<br />
abzuschließen.<br />
5. Gesundheitsfonds: Der Gesundheitsfonds startet zum<br />
1.1.2009. In den Fonds fließen die Beiträge von Arbeitgebern und<br />
Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen sowie Steuermittel.<br />
Die Krankenkassen-Beiträge werden dann im ganzen Bundesgebiet<br />
einheitlich festgesetzt. Die Krankenkassen erhalten künftig<br />
aus dem Fonds für jeden Versicherten eine Grundpauschale.<br />
Kommen sie hiermit nicht aus, so dürfen sie einen Zusatzbeitrag<br />
in Höhe von maximal einem Prozent des steuerpflichtigen Einkommens<br />
verlangen. Kommt es zu einer solchen Beitragserhöhung,<br />
können die Versicherten die Kasse wechseln.<br />
6. Übergangsregelung: Der 2.2.2007 (Tag der zweiten und dritten<br />
Lesung im Bundestag) ist der Stichtag für den Wechsel von<br />
freiwillig gesetzlich Versicherten in die private Krankenversicherung.<br />
Wer nach dem Stichtag in die private Krankenversicherung<br />
wechseln will, muss in drei aufeinanderfolgenden Jahren<br />
die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten haben.<br />
Linkhinweis:<br />
Das Bundesgesundheitsministeriums hat unter http://www.diegesundheitsreform.de<br />
ausführliche Informationen zum Thema<br />
veröffentlicht.<br />
Handels- und<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments<br />
bringt Richtlinie zur „elektronischen<br />
Hauptversammlung“ auf den Weg<br />
Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (JURI) hat<br />
am 30.1.2007 einem Richtlinienvorschlag des Europäischen Parlaments<br />
und des Rats zugestimmt, wonach börsennotierte Aktiengesellschaften<br />
künftig eine „elektronische Hauptversammlung“<br />
abhalten müssen. Den Aktionären soll damit die Möglichkeit<br />
gegeben werden, über das Internet an den Hauptversammlungen<br />
der Aktiengesellschaften teilzunehmen.<br />
Neben der Einführung der „elektronischen Hauptversammlung“<br />
enthält die Richtlinie weitere Maßnahmen, welche die Hauptversammlungspräsenz<br />
erhöhen sollen. Beispielsweise sollen Aktionäre<br />
jede Person ihrer Wahl mit einer Stimmrechtsvollmacht<br />
ausstatten dürfen. Außerdem sollen die Gesellschaften ihre Aktionäre<br />
grenzüberschreitend über Hauptversammlungen und die<br />
genauen Teilnahmemöglichkeiten informieren.<br />
Die Europäische Kommission hatte den Richtlinienvorschlag<br />
Anfang letzten Jahres vorgelegt. Nun muss das Plenum des<br />
Europäischen Parlaments dem Vorschlag noch zustimmen, bevor<br />
er vom Rat verabschiedet werden kann. Hiermit wird im Februar<br />
2007 gerechnet.<br />
Bundeskabinett hat Entwurf eines Zweiten<br />
Mittelstands-Entlastungsgesetzes<br />
beschlossen<br />
Das Bundeskabinett hat am 24.1.2007 den Entwurf des „Zweiten<br />
Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesonde-<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 7
e in der mittelständischen Wirtschaft „ (MEG II) beschlossen.<br />
Der Entwurf knüpft an das erste Mittelstands-Entlastungsgesetz<br />
an und sieht 17 Maßnahmen zur Vereinfachung oder Abschaffung<br />
von Informations- und Erlaubnispflichten vor. Hiervon sind<br />
Statistik-, Buchführungs-, Berichts- und Genehmigungspflichten<br />
betroffen. Die Unternehmen sollen hierdurch Bürokratiekosten<br />
in Höhe von insgesamt 58,8 Millionen Euro einsparen können.<br />
Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs im Überblick:<br />
Vereinfachung des Auskunftsverfahren für Daten aus dem<br />
Gewerberegister: Die bislang erforderlichen Auskunftsanträge<br />
sollen ganz entfallen oder durch automatisierte Verfahrensabläufe<br />
erheblich vereinfacht werden.<br />
Weniger Befragungen für statistische Zwecke: In der Dienstleistungskonjunkturstatistik<br />
sollen verstärkt die bereits vorhandenen<br />
Verwaltungsdaten genutzt werden, so dass für etwa 33.000<br />
kleinere Dienstleistungsunternehmen die vierteljährliche Befragung<br />
entbehrlich wird.<br />
Erleichterungen für Existenzgründern: Existenzgründer sollen<br />
in den ersten drei Jahren von den statistischen Meldepflichten<br />
entlastet werden.<br />
Vereinfachung der steuerlichen Bilanzierungspflicht: Die<br />
Gewinnschwelle soll von 30.000 auf 50.000 Euro angehoben<br />
werden, so dass künftig mehr Steuerpflichtige als bislang anstelle<br />
einer Bilanz eine Einnahmeüberschussrechnung erstellen können.<br />
Einführung der Datenübertragung für Arbeitgeberbescheinigungen:<br />
Durch die Einführung der Datenübertragung für<br />
Arbeitgeberbescheinigungen bei Entgeltersatzleistungen sollen<br />
bei die Kosten für die Kranken-, Verletzten-, Mutterschafts- und<br />
Kinderkrankengeld-Bescheinigungen entfallen. Außerdem soll<br />
die bisher übliche Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers für die<br />
Vorausberechnung der Rente durch eine automatisch erzeugte<br />
Sozialversicherungsmeldung ersetzt werden.<br />
Der Hintergrund:<br />
Zum 1.1.2007 ist bereits das erste Mittelstands-Entlastungsgesetz<br />
in Kraft getreten. Danach unterliegen nur noch solche<br />
Unternehmen der steuerlichen Buchführungspflicht, die 500.000<br />
Euro Umsatz pro Jahr verzeichnen. Außerdem gilt die Statistikpflicht<br />
im Produzierenden Gewerbe nur noch für Unternehmen<br />
mit mindestens 50 Beschäftigten und müssen nur noch solche<br />
Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten bestellen, die mindestens<br />
zehn statt bisher fünf Mitarbeiter beschäftigen.<br />
Bankrecht<br />
Von Ehefrau unterschriebener Kreditvertrag<br />
als „zweite Darlehensnehmerin“ kann eine<br />
sittenwidrige Ehegattenbürgschaft darstellen<br />
OLG Dresden 6.12.2006, 12 U 1394/06<br />
Unterschreibt eine Ehefrau den Kreditvertrag ihres Mannes auf<br />
Drängen der Bank als „zweite Darlehensnehmerin“, so kann<br />
hierin trotz der anderslautenden Bezeichnung eine Bürgschaft<br />
liegen. Diese ist sittenwidrig, wenn die Ehefrau nach ihren finanziellen<br />
Verhältnissen nicht zur Rückzahlung der Darlehenssumme<br />
in der Lage ist und sie dem Verlangen der Bank nach einer<br />
Absicherung des Darlehens nur aus emotionaler Verbundenheit<br />
zu ihrem Ehemann nachgekommen ist.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Klägerin, eine Bank, hatte dem Ehemann der Beklagten im<br />
Jahr 2001 ein Darlehen in Höhe von 10.000 Euro gewährt. Den<br />
Kreditvertrag hatte die Beklagte auf Drängen der Klägerin als<br />
„zweite Darlehensnehmerin“ mitunterschrieben. Ihr Ehemann<br />
benötigte die Kreditsumme für die Errichtung einer Versicherungsagentur,<br />
mit der er sich selbständig machen wollte.<br />
Zunächst konnte der Ehemann die Darlehensraten vereinbarungsgemäß<br />
zurückzahlen. Als dann aber die Geschäfte schlechter liefen<br />
und die Beklagte ihre Stelle als Verkäuferin verlor, blieben<br />
die Zahlungen aus. Daraufhin kündigte die Klägerin den Kreditvertrag<br />
und verlangte von den Eheleuten die Rückzahlung der<br />
Restschuld in Höhe von 6.000 Euro. Während der inzwischen<br />
ebenfalls arbeitslose Ehemann dies akzeptierte, trat die Beklagte<br />
der Forderung entgegen.<br />
Die Beklagte machte geltend, dass sie trotz der anderslautenden<br />
Bezeichnung mit der Klägerin keinen Kreditvertrag, sondern<br />
einen Bürgschaftsvertrag geschlossen habe. Dieser sei nach den<br />
Grundsätzen zur Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften<br />
nichtig. Sie sei angesichts eines Jahresverdienstes als Verkäuferin<br />
in Höhe von rund 10.000 Euro und ihrer Unterhaltspflichten<br />
für zwei minderjährige Kinder niemals zur Rückzahlung des<br />
Kredits in der Lage gewesen.<br />
Das LG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten hob<br />
das OLG diese Entscheidung auf und wies die Klage ab.<br />
Die Gründe:<br />
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung<br />
der restlichen Darlehensschuld. Die Parteien haben trotz<br />
der anderslautenden Bezeichnung keinen Kreditvertrag, sondern<br />
einen Bürgschaftsvertrag geschlossen. Dieser ist nach den von<br />
der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Ehegattenbürgschaft<br />
sittenwidrig und damit nichtig.<br />
Die Beklagte wäre angesichts ihres niedrigen Einkommens<br />
und der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern voraussichtlich<br />
nicht zur Rückzahlung des Darlehens in der Lage gewesen.<br />
Außerdem diente der Kredit allein den Interessen ihres Ehemannes.<br />
Dem steht nicht entgegen, dass das berufliche Fortkommen<br />
ihres Ehemannes auch in ihrem Interesse gewesen sein mag.<br />
Dennoch ist sie dem Verlangen der Bank nach einer Absicherung<br />
des Darlehens nur aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem<br />
Ehemann nachgekommen.<br />
Wettbewerbsrecht<br />
und Gewerblicher<br />
Rechtsschutz<br />
Eine nicht kostendeckende Verdrängungspreispolitik<br />
des Marktführers ist unzulässig<br />
EuG 30.1.2007, T-340/03<br />
Wer auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung<br />
innehat (hier: die France Telecom hinsichtlich des Breitband-<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 8
Internetzugangs in Frankreich) darf keine Verdrängungspreispolitik<br />
betreiben, bei der weder die variablen Kosten noch die Vollkosten<br />
gedeckt werden. Eine solche Preispolitik begründet den<br />
Missbrauch einer beherrschenden Stellung. Das gilt unabhängig<br />
davon, ob das Unternehmen die Verluste aufgrund seiner günstigen<br />
Marktpositionierung auf Dauer wieder ausgleichen kann.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Klägerin ist eine Gesellschaft der France-Telekom-Gruppe und<br />
mit allen Internet-Aktivitäten der Unternehmensgruppe befasst.<br />
Die Zahl der Privatkunden, die bei ihr einen Breitband-Internetzugang<br />
abonniert haben, beträgt mehr als das Achtfache der Abonnentenzahl<br />
des erfolgreichsten Mitbewerbers in Frankreich.<br />
Im Rahmen einer branchenweiten Untersuchung stellte die EU-<br />
Kommission fest, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Strategie<br />
zur Vereinnahmung des neuen Marktes für Breitband-Internetzugänge<br />
diese zu einem Preis angeboten hatte, mit dem sie weder<br />
ihrer variablen Kosten noch ihre Vollkosten decken konnte.<br />
Die Kommission sah hierin einen Missbrauch der marktbeherrschenden<br />
Stellung der Klägerin auf dem französischen Markt für<br />
den Breitband-Internetzugang von Privatkunden und verhängte<br />
deshalb eine Geldbuße in Höhe von 10,35 Millionen Euro. Die<br />
hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem EuG keinen Erfolg.<br />
Die Klägerin kann gegen diese Entscheidung allerdings noch<br />
Rechtsmittel zum EuGH einlegen.<br />
Die Gründe:<br />
Die Klägerin hat mit ihrer nicht kostendeckenden Verdrängungspolitik<br />
ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für<br />
den Breitband-Internetzugang von Privatkunden in Frankreich<br />
missbraucht. Ihre marktbeherrschende Stellung folgt zum einen<br />
aus ihrem äußerst hohen Marktanteil und zum anderen aus ihrer<br />
Anbindung an den alteingesessenen Telekommunikationsanbieter<br />
in Frankreich, der France Telekom.<br />
Missbräuchliche Verdrängungspreise liegen vor, wenn die Preise<br />
unter den durchschnittlichen variablen Kosten liegen oder die<br />
durchschnittlichen Gesamtkosten unterschreiten. Die Kommission<br />
hat gewichtige Indizien dafür vorgelegt, dass im Streitfall solche<br />
Verdrängungspreise vorliegen. Es bedurfte darüber hinaus<br />
keiner Darlegung, ob die Klägerin eine Chance hatte, die Verluste<br />
aufgrund des Dumpingpreises auf Dauer auszugleichen.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />
EuGH veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
Bundesregierung will geistiges Eigentum<br />
besser schützen - <strong>Anwalt</strong>liche Abmahngebühren<br />
sollen gedeckelt werden<br />
Die Bundesregierung hat am 24.1.2007 den Entwurf eines Gesetzes<br />
zur Umsetzung der EU-Durchsetzungs-Richtlinie beschlossen.<br />
Das Gesetz soll den Schutz des geistigen Eigentums stärken<br />
und den Behörden das Vorgehen gegen Produktpiraterie erleichtern.<br />
Der Gesetzentwurf enthält zudem eine zentrale Regelung<br />
zum anwaltlichen Abmahnrecht. Künftig soll der Kostenerstattungsanspruch<br />
für eine anwaltliche Abmahnung in einfach gelagerten<br />
Fällen auf 50 Euro beschränkt werden.<br />
Das Gesetz setzt die Richtlinie 2004/48/EG um. Hierzu sollen<br />
mehrere Gesetz geändert werden, darunter das Patentgesetz,<br />
das Gebrauchsmustergesetz, das Markengesetz, das Halbleiterschutzgesetz,<br />
das Urheberrechtsgesetz, das Geschmacksmustergesetz,<br />
und das Sortenschutzgesetz.<br />
Durch das Gesetz soll das deutsche Recht außerdem an die neue<br />
EG-Grenzbeschlagnahme-Verordnung angepasst werden. Diese<br />
Verordnung sieht ein vereinfachtes Verfahren zur Vernichtung<br />
von Piraterieware nach Beschlagnahme durch den Zoll<br />
vor. Darüber hinaus enthält der Entwurf eine Anpassung an eine<br />
EG-Verordnung zum Schutz von geographischen Angaben und<br />
Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel<br />
und schließt hinsichtlich der unberechtigten Verwendung von<br />
geographischen Herkunftsangaben eine Strafbarkeitslücke.<br />
Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs im Überblick:<br />
<strong>Anwalt</strong>liche Abmahnung bei Urheberrechtsverletzungen:<br />
Bei einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen<br />
Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs werden<br />
die erstattungsfähigen <strong>Anwalt</strong>sgebühren für die Abmahnung auf<br />
50 Euro begrenzt.<br />
Auskunftsansprüche: Künftig sollen Rechtsinhaber unter<br />
bestimmten Voraussetzungen einen Auskunftsanspruch gegen<br />
Dritte haben. Der Rechtsinhaber soll damit die Möglichkeit erhalten,<br />
den Rechtsverletzer mit zivilrechtlichen Mitteln zu ermitteln,<br />
um so seine Rechte gerichtlich besser durchsetzen zu können.<br />
Nach derzeit geltendem Recht hat der Rechtsinhaber lediglich<br />
einen Anspruch gegen denjenigen, der die Verletzung des geistigen<br />
Eigentums begangen hat (zum Beispiel: § 101a UrhG).<br />
Der Auskunftsanspruch gegen den Dritten soll schon im Vorfeld<br />
eines gerichtlichen Verfahrens bestehen, damit der Rechtsinhaber<br />
einen etwaigen Prozess besser vorbereiten kann. Die Auskunft<br />
über Telekommunikationsdaten soll dabei nur nach richterlicher<br />
Anordnung möglich sein.<br />
Vorlage und Sicherung von Beweismitteln: Der Rechtsinhaber<br />
soll zur Sicherung von Beweismitteln gegen den Verletzer einen<br />
Anspruch auf die Vorlage von Bank-, Finanz,- und Handelsunterlagen<br />
haben. Diese Beweismittel sollen auch in einem einstweiligen<br />
Rechtsschutzverfahren durch den Erlass einer einstweiligen<br />
Verfügung gesichert werden können.<br />
Schadensersatz: Der Verletzte soll ein Wahlrecht haben, ob die<br />
Höhe des Schadensersatzes nach dem Gewinn des Verletzers oder<br />
nach einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr berechnet wird.<br />
Schutz geographischer Herkunftsangaben: Durch eine Änderung<br />
des Markengesetzes soll ein strafrechtlicher Schutz für<br />
solche geographische Angaben und Ursprungsbezeichnungen<br />
geschaffen werden, die auf europäischer Ebene nach der Verordnung<br />
(EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20.3.2006 zum Schutz<br />
von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für<br />
Agrarerzeugnisse und Lebensmittel geschützt sind.<br />
EU-Grenzbeschlagnahme-Verordnung: Mit der Umsetzung<br />
dieser Verordnung soll verhindert werden, dass Waren in die EU<br />
eingeführt werden, die in Verdacht stehen, Rechte des geistigen<br />
Eigentums zu verletzen. Die Verordnung regelt auch die Vernichtung<br />
von Piraterieware.<br />
BRAK kritisiert Deckelung der Abmahngebühren Die<br />
BRAK kritisiert das Vorhaben der Bundesregierung, die anwaltlichen<br />
Abmahngebühren bei einfach gelagerten Fällen auf 50<br />
Euro zu begrenzen. Damit werde das bei Pflichtverletzungen<br />
in Deutschland geltende Prinzip des Schadenersatzes durchbrochen.<br />
Obwohl das Gesetz den Schutz der Rechteeigentümer<br />
bezwecke, werde derjenige, der sein Urheberrecht durchsetzen<br />
wolle, faktisch bestraft, so die BRAK.<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 9
Darüber hinaus sei zu befürchten, dass es durch die zahlreichen<br />
unbestimmten Begriffe in der Vorschrift zu Rechtsunsicherheiten<br />
und zu einer Mehrbelastung der Gerichte komme. So müsse<br />
beispielsweise erst durch die Gerichte geklärt werden, wann ein<br />
nur „einfach gelagerter Fall“ vorliege oder ob es sich um eine<br />
„nur unerhebliche Rechtsverletzung“ handele.<br />
Linkhinweis:<br />
- Für den auf den Webseiten des BMJ veröffentlichten Gesetzentwurf<br />
klicken Sie bitte hier (pdf-Datei).<br />
Zwangsvollstreckung und<br />
Insolvenz<br />
Der in § 850 k ZPO für Arbeitseinkommen<br />
geregelte Pfändungsschutz gilt auch für<br />
Arbeitslosengeld II<br />
BGH 20.12.2006, VII ZB 56/06<br />
Bei der laufenden Pfändung von Arbeitseinkommen kann nach §<br />
850 k ZPO auf Antrag des Schuldners für die gesamte Dauer der<br />
Pfändung ein Pfändungsschutz für den der Pfändungsfreigrenze<br />
unterfallenden Betrag erreicht werden. Diese Vorschrift ist auch<br />
auf Sozialleistungen, wie beispielsweise das Arbeitslosengeld II<br />
anwendbar mit der Folge, dass der Sozialleistungsempfänger die<br />
Unpfändbarkeit des Restguthabens nicht jeden Monat mit einem<br />
Rechtsbehelf geltend machen muss.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Gläubigerin wollte einen noch offenen Betrag vom Schuldner<br />
eintreiben und hatte zu diesem Zweck einen Pfändungs- und<br />
Überweisungsbeschluss hinsichtlich seines Bankkontos erwirkt.<br />
Auf dieses Konto wurde das monatlich für den Schuldner<br />
bestimmte Arbeitslosengeld II in Höhe von 742,50 Euro gezahlt.<br />
Die Pfändung betraf dabei auch die laufende Kontoverbindung<br />
und wirkte sich somit auf die künftig erfolgenden Gutschriften<br />
der Sozialleistung aus.<br />
Der Schuldner wollte Pfändungsschutz erreichen und vertrat<br />
insoweit die Auffassung, dass die eigentlich nur für Arbeitseinkommen<br />
geltende Vorschrift des § 850 k ZPO auch auf Sozialleistungen<br />
anwendbar sei. Der BGH bestätigte diese Auffassung.<br />
Die Gründe:<br />
§ 850 k ZPO ist auch auf Sozialleistungen anwendbar.<br />
Laufende Sozialleistungen sind grundsätzlich nach § 54 Abs.4<br />
SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbar. Werden sie auf ein Bankkonto<br />
geleistet, ist das Kontoguthaben gemäß § 55 Abs.1 SGB<br />
I für die Dauer von sieben Tagen seit der Gutschrift unpfändbar.<br />
Hat der Schuldner bis zum Ablauf dieser Frist nicht vollständig<br />
über die Gutschrift verfügt, wird der verbliebene Betrag<br />
von der Pfändung erfasst. Der Schuldner darf darüber ohne<br />
eine abweichende gerichtliche Entscheidung nicht mehr verfügen,<br />
auch wenn die Sozialleistung insgesamt die Pfändungsfreigrenzen<br />
der §§ 850 c ff. ZPO für Arbeitseinkommen nicht<br />
übersteigt und der auf dem Konto verbliebene Betrag daher nach<br />
§ 55 Abs.4 SGB I unpfändbar ist.<br />
Bisher wurde die Meinung vertreten, dass der Schuldner die<br />
Freigabe des unpfändbaren Restguthabens nur nach Ablauf der<br />
Sieben-Tage-Frist mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend<br />
machen und damit nur die jeweils aktuelle monatliche Sozialleistungs-Überweisung<br />
angreifen könne. Dies hatte zur Folge,<br />
dass er die Unpfändbarkeit des Restguthabens jeden Monat mit<br />
einem Rechtsbehelf geltend machen muss.<br />
Um diese Konsequenz für Arbeitseinkommen zu vermeiden, hat<br />
der Gesetzgeber in § 850 k ZPO die Möglichkeit geschaffen, auf<br />
Antrag des Schuldners von vornherein und für die gesamte Dauer<br />
der Pfändung den durch die wiederkehrenden Zahlungen auf das<br />
Konto gelangenden Betrag im Umfang der Pfändungsfreigrenzen<br />
von der Pfändung freizustellen. Diese Vorschrift ist auch<br />
auf wiederkehrende Sozialleistungen anzuwenden. Anderenfalls<br />
würden Sozialleistungsempfänger in nicht hinnehmbaren Maß<br />
daran gehindert, mit dem ihnen pfändungsfrei zustehenden Kontoguthaben<br />
am heute üblichen bargeldlosen Zahlungsverkehr<br />
teilzunehmen.<br />
Gebühren und Kosten<br />
Mandatsauftrag mit <strong>Anwalt</strong>ssozietät erfasst<br />
regelmäßig keine sozietätsangehörigen<br />
Patentanwälte<br />
OLG Frankfurt a.M. 17.7.2006, 6 W 69/06<br />
Der in einer Markensache einer <strong>Anwalt</strong>ssozietät erteilte Mandatsauftrag<br />
beinhaltet regelmäßig nicht die Beauftragung eines<br />
ebenfalls sozietätsangehörigen Patentanwalts, weil hierdurch<br />
weitere Kosten entstehen. Hat die Partei den Patentanwalt nicht<br />
ausdrücklich beauftragt, kann sie daher keine Erstattung der<br />
Kosten für dessen Mitwirkung verlangen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Antragstellerin hatte einer <strong>Anwalt</strong>ssozietat in einer Auseinandersetzung<br />
um Markenrechte das Mandat erteilt. Zu der Sozietät<br />
gehört auch ein Patentanwalt, der ebenfalls in die Bearbeitung<br />
der Sache einbezogen worden war.<br />
Die Antragstellerin begehrte die Festsetzung der Kosten für die<br />
Mitwirkung des Patentanwalts (§140 Abs.3 MarkenG). Ihr hierauf<br />
gerichteter Antrag hatte keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Die Antragstellerin kann keine Erstattung der Kosten verlangen,<br />
die ihr durch die Mitwirkung des Patentanwalts entstanden sind.<br />
Grundsätzlich führt der einem Rechtsanwalt aus einer Sozietät<br />
erteilte Auftrag zwar zu einem Mandatsverhältnis mit allen Mitgliedern<br />
der Sozietät. Denn bei der Beauftragung einer Sozietät<br />
haben sowohl der Mandant als auch der Rechtsanwalt den Willen,<br />
das Mandatsverhältnis mit allen Mitgliedern der Sozietät zu<br />
begründen. Dies ist für den Mandanten kostenneutral. Bei der Einschaltung<br />
eines Patentanwalts entstehen aber weitere Kosten (§140<br />
Abs.3 MarkenG). Insoweit kann dem Mandanten nicht mehr ohne<br />
weiteres das Einverständnis in die Mitwirkung des Patentanwalts<br />
unterstellt werden. Er muss den Patentanwalt somit ausdrücklich<br />
beauftragen. Da die Antragstellerin hierzu nichts vorgetragen hat,<br />
kann sie mangels Beauftragung keine Kostenerstattung verlangen.<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 10
Berufsrecht<br />
Steuerberater müssen die Anlage zum Bundessteuerblatt<br />
über die beim BFH anhängigen<br />
Verfahren nicht „auswendig wissen“<br />
KG Berlin 8.9.2006, 4 U 119/05<br />
Steuerberater müssen gegen den Bescheid eines Finanzamts Einspruch<br />
einlegen, wenn sie wissen, dass in einem anderen ähnlich<br />
gelagerten Verfahren von dem FG die Revision zugelassen worden<br />
ist (hier: Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Spekulationsgewinnen).<br />
Es kann von Steuerberatern allerdings nicht<br />
erwartet werden, dass sie jede Anlage zum Bundessteuerblatt,<br />
in der die beim BFH, BVerfG und EuGH anhängigen Verfahren<br />
aufgenommen werden, exakt durchlesen oder sogar „auswendig<br />
wissen“.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Kläger verlangte von den beklagten Steuerberatern Schadensersatz<br />
aus positiver Vertragsverletzung wegen Schlechterfüllung<br />
des Steuerberatervertrags.<br />
Der Kläger hatte im Jahr 1998 Einkünfte aus Wertpapiergeschäften<br />
erzielt und musste aufgrund eines Steuerbescheids vom<br />
19.12.2001 Spekulationssteuer in Höhe von rund 47.000 Euro<br />
zahlen. Er wirft den Beklagten vor, dass sie gegen diesen Steuerbescheid<br />
Einspruch hätten einlegen müssen, weil das Schleswig-Holsteinische<br />
FG am 23.9.1999 (FG Schleswig-Holstein<br />
23.9.1999, Az.: V 7/99) in einem die Verfassungswidrigkeit der<br />
Besteuerung von Spekulationsgewinnen betreffenden Verfahren<br />
die Revision zugelassen hatte. Nach Einlegung der Revision war<br />
das Verfahren am 10.4.2000 in die Liste der beim BFH anhängigen<br />
Verfahren aufgenommen und als Beilage im Bundessteuerblatt<br />
veröffentlicht worden.<br />
Die Schadensersatzklage hatte keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz<br />
aus positiver Vertragsverletzung wegen Schlechterfüllung<br />
des Steuerberatungsvertrages. Den Beklagten ist keine<br />
Pflichtverletzung vorzuwerfen.<br />
Grundsätzlich müssen Steuerberater ihre Mandanten im Rahmen<br />
des ihnen erteilten Auftrags umfassend beraten und ungefragt<br />
über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen aufklären.<br />
Dazu ist es erforderlich, dass der Steuerberater gegebenenfalls<br />
neue oder geänderte Rechtsnormen ermittelt und seine Mandanten<br />
auf eine bestimmte Entwicklung in der höchstrichterlichen<br />
Rechtsprechung hinweist.<br />
Im Streitfall kann eine Schadensersatzpflicht der Beklagten daher<br />
nur dann bestehen, wenn die Beklagten das streitige Verfahren<br />
vor dem Schleswig-Holsteinischen FG hätten kennen müssen.<br />
Dies konnte von ihnen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses<br />
des Steuerbescheids Ende 2001 nicht erwartet werden. Die<br />
Entscheidung des FG Schleswig-Holstein war nur in den „Entscheidungen<br />
der FG” abgedruckt, die unstreitig nicht zur Pflichtlektüre<br />
von Steuerberatern gehören.<br />
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Entscheidung<br />
im April 2000 in die Liste der beim BFH anhängigen Verfahren<br />
aufgenommen worden war. Diese liegt dem Bundessteuerblatt<br />
bei, welches zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters<br />
gehört. Hieraus folgt aber nicht ohne weiteres, dass die Beklagten<br />
die Entscheidung kennen mussten. Denn die vierteljährlich<br />
erscheinenden Beilagen zum Bundessteuerblatt umfassen regelmäßig<br />
rund 175 Seiten, auf denen jeweils eine Vielzahl von Verfahren<br />
aufgeführt sind, wobei die Rechtsfrage, um die es geht,<br />
jeweils in einer Art Leitsatz unverbindlich umschrieben ist.<br />
Auch wenn das Bundessteuerblatt zur Pflichtlektüre des Steuerberaters<br />
gehört, so kann es ihm nicht zur Pflicht gemacht werden,<br />
sämtliche Leitsätze der Beilage zu lesen, sich zu merken<br />
und sie jederzeit abrufbereit im Gedächtnis zu haben. Im Streitfall<br />
ist zudem keine andere Quelle ersichtlich, der die Beklagten<br />
die Entscheidung hätten entnehmen können oder woraus sie<br />
die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung hätten<br />
abschätzen können.<br />
Bundestag berät über Neuregelung des<br />
Rechtsberatungsrechts<br />
Der Bundestag hat am 1.2.2007 in Erster Lesung über den Regierungsentwurf<br />
für das neue Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)<br />
beraten. Hiermit soll das Rechtsberatungsrecht umfassend reformiert<br />
werden. Das <strong>Anwalt</strong>smonopol soll nur noch für die Vertretung<br />
vor Gericht beibehalten werden. Im außergerichtlichen<br />
Bereich soll dagegen die gesamte unentgeltliche, altruistische<br />
Rechtsberatung freigegeben und Nichtanwälten im Zusammenhang<br />
mit einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit das Erbringen<br />
juristischer Nebenleistungen erlaubt werden.<br />
Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs im Überblick:<br />
Teilweise Beibehaltung des <strong>Anwalt</strong>monopols: Umfassende<br />
Rechtsdienstleistungen und dabei insbesondere die gerichtliche<br />
Vertretung von Mandanten bleiben den Anwälten vorbehalten.<br />
Diplom-Wirtschaftsjuristen und Absolventen des ersten juristischen<br />
Staatsexamens bleiben daher weiterhin außen vor. In Verfahren,<br />
in denen kein <strong>Anwalt</strong>szwang besteht, soll allerdings auch<br />
die Vertretung durch Arbeitnehmer der Prozesspartei oder durch<br />
unentgeltlich tätige Familienangehörige, Volljuristen oder Streitgenossen<br />
zulässig sein.<br />
Nichtanwälte dürfen juristische Nebendienstleistungen<br />
erbringen: Nichtanwälte sollen künftig immer dann zur Erbringung<br />
von Rechtsdienstleistungen befugt sein, wenn diese als<br />
Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild oder zur vollständigen<br />
Erfüllung der mit ihrer Haupttätigkeit verbundenen<br />
Pflichten gehört. So sollen etwa Diplom-Betriebswirte, -Kaufleute<br />
und –Juristen zur Sanierungs- und Insolvenzberatung,<br />
Architekten zur Beratung über Fragen des Baurechts oder der<br />
Sachmängelhaftung und Banken zur Beratung über Gestaltungsmöglichkeiten<br />
bei der Vermögens- oder Unternehmensnachfolge<br />
berechtigt sein.<br />
Rechtsanwälte dürfen mit Angehörigen anderer Berufe<br />
zusammenarbeiten: Rechtsanwälte sollen künftig mit Angehörigen<br />
anderer Berufe, wie zum Beispiel Unternehmensberatern,<br />
nichtanwaltlichen Mediatoren, Architekten und Ärzten,<br />
fest zusammenarbeiten dürfen. Dabei muss allerdings gewährleistet<br />
sein, dass sie selbständig und eigenverantwortlich arbeiten.<br />
Unternehmensjuristen dürfen daher auch in Zukunft keine<br />
Rechtsdienstleistungen erbringen.<br />
Zulässigkeit von unentgeltlichen Rechtsdienstleistungen:<br />
Alle unentgeltlichen Rechtsdienstleistungen, die auch nicht im<br />
Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeiten stehen, sollen<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 11
künftig grundsätzlich erlaubt sein. Hiervon ist etwa die Rechtsberatung<br />
im Familien- und Freundeskreis oder durch karitative<br />
Einrichtungen betroffen. Allerdings muss die Rechtsdienstleistung<br />
unter Anleitung eines Volljuristen erbracht werden. Auch<br />
Vereine dürfen unter Anleitung eines Volljuristen ihre Mitglieder<br />
rechtlich beraten.<br />
<strong>Anwalt</strong>liche Verrechnungsstellen zulässig: Rechtsanwälte sollen<br />
berechtigt sein, ihre Honorarforderungen zu Einziehungszwecken<br />
abzutreten oder an Dritte zu veräußern, wenn der Mandant<br />
der Abtretung nach vorheriger Aufklärung ausdrücklich<br />
schriftlich zugestimmt hat. Damit können künftig nach dem Vorbild<br />
der ärztlichen Verrechnungsstellen auch anwaltliche Verrechnungsstellen<br />
tätig werden.<br />
Linkhinweise:<br />
- Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat auf seinen Webseiten<br />
weitere Informationen zum Thema veröffentlicht:<br />
- Der Gesetzentwurf der Bundesregierung im Volltext (PDF-<br />
Datei).<br />
- Die Eckpunkte des RDG<br />
Verwaltungs- und<br />
Verfassungsrecht<br />
Altersgrenze für Verkehrspiloten von 65<br />
Jahren ist verfassungsgemäß<br />
BVerfG 26.1.2007, 2 BvR 2408/06<br />
Die in der Luftverkehrszulassungsverordnung vorgeschriebene<br />
Altersgrenze für Verkehrspiloten bei gewerbsmäßigen Flugunternehmen<br />
von 65 Jahren ist verfassungsgemäß. Die Altersgrenze<br />
greift zwar in die durch Art. 12 Abs.1 GG geschützte Berufsfreiheit<br />
von Piloten ein. Der Eingriff ist aber zum Schutz der<br />
Allgemeinheit vor altersbedingt möglicherweise nicht mehr voll<br />
leistungsfähigen Piloten gerechtfertigt.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Beschwerdeführer ist als Verkehrspilot bei einem gewerbsmäßigen<br />
Flugunternehmen beschäftigt. Seit Vollendung seines<br />
65. Lebensjahrs im August 2006 darf er aufgrund der Bestimmungen<br />
der Luftverkehrszulassungsverordnung nicht mehr als Verkehrspilot<br />
eingesetzt werden. Sein hiergegen gerichteter Antrag<br />
auf Gewährung von Eilrechtsschutz hatte vor den Verwaltungsgerichten<br />
keinen Erfolg. Die daraufhin erhobene Verfassungsbeschwerde<br />
nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an.<br />
Die Gründe:<br />
Die in der Luftverkehrszulassungsverordnung vorgesehene pauschale<br />
Altersgrenze für gewerbsmäßig fliegende Verkehrspiloten<br />
von 65 Jahren verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem<br />
Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs.1 GG.<br />
Die gesetzliche Altersgrenze knüpft in erster Linie an medizinische<br />
Tatbestände und Erkenntnisse an. Sie ist gerechtfertigt,<br />
weil die Eignung eines Verkehrspiloten maßgeblich von seiner<br />
körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit abhängt und diese<br />
wiederum Voraussetzung für die Sicherheit und körperliche<br />
Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen ist. Die insoweit<br />
bestehende Schutzbedürftigkeit der Allgemeinheit im Zusammenhang<br />
mit der Sicherheit des gewerblichen Flugverkehrs stellt<br />
einen wichtigen Gemeinwohlbelang dar, der eine Einschränkung<br />
der Berufsfreiheit rechtfertigt.<br />
Der Hintergrund:<br />
Das BVerfG musste im Jahr 2004 schon einmal über die Verfassungsmäßigkeit<br />
von Altersgrenzen für Piloten entscheiden. Im<br />
damaligen Verfahren ging es allerdings um die tarifvertragliche<br />
Altersgrenze für Piloten von 60 Jahren. Selbst gegen diese frühere<br />
Altersgrenze hatte das BVerfG keine verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken, weil Passagiere vor altersbedingten Ausfallerscheinungen<br />
von Piloten geschützt werden müssten. (Beschluss vom<br />
25.11.2004, Az.: 1 BvR 2459/04)<br />
Linkhinweise:<br />
- Die Entscheidungen sind auf den Webseiten des BVerfG<br />
veröffentlicht.<br />
- Für den Volltext der aktuellen Entscheidung mit dem Aktenzeichen<br />
2 BvR 2408/06 klicken Sie bitte hier.<br />
- Die Entscheidung vom 25.11.2004 mit dem Aktenzeichen 1<br />
BvR 2459/04 finden Sie hier.<br />
Rheinland-pfälzische Hochschullehrer müssen<br />
Einkünfte aus einer Nebentätigkeit an<br />
das Land abliefern<br />
BVerfG 16.1.2007, 2 BvR 1188/05<br />
Rheinland-pfälzische Hochschullehrer müssen die Einkünfte<br />
aus der Ausübung einer Nebentätigkeit bis zu einem gewissen<br />
Teil an das Land abliefern. Eine solche Vergütungsablieferungspflicht<br />
liegt im Interesse einer sparsamen Haushaltsführung und<br />
dient der Vermeidung einer Doppelbesoldung aus öffentlichen<br />
Mitteln.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Beschwerdeführer ist beamteter Hochschullehrer im Fachbereich<br />
„Wirtschaftswissenschaften, Studiengang Steuerwesen“<br />
an einer Fachhochschule in Rheinland-Pfalz. Er übt eine genehmigte<br />
Nebentätigkeit für eine Steuerberaterkammer aus, bei welcher<br />
er unter anderem Vorträge für Steuerberater hält.<br />
Im Jahr 1998 erhielt der Beschwerdeführer von der Steuerberaterkammer<br />
eine Vergütung in Höhe von 45.000 DM. Hiervon sollte<br />
er 33.000 DM an das Land abliefern. Das Land berief sich insoweit<br />
auf die Nebentätigkeitsverordnung, nach der für Vergütungen<br />
aus Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst eine Ablieferungspflicht<br />
besteht, wenn bestimmte Beträge überschritten werden.<br />
Die gegen den entsprechenden Bescheid gerichtete Klage hatte<br />
vor den Fachgerichten keinen Erfolg. Die daraufhin erhobene<br />
Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung<br />
an.<br />
Die Gründe:<br />
Die rheinland-pfälzische Nebentätigkeitsverordnung ist verfassungsrechtlich<br />
nicht zu beanstanden. Der Landesgesetzgeber<br />
durfte den Anreiz zur Übernahme von Nebentätigkeiten durch<br />
die Vergütungsablieferungspflicht einschränken und dies auf den<br />
öffentlichen Dienst beschränken.<br />
Die Beschränkung der Vergütungsablieferungspflicht auf den<br />
öffentlichen Dienst stellt keinen Verstoß gegen den in Art. 3<br />
Abs.1 GG normierten Gleichheitssatz dar. Sie liegt im Interes-<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 12
se einer sparsamen Haushaltsführung und dient der Vermeidung<br />
einer Doppelbesoldung aus öffentlichen Mitteln. Außerdem kann<br />
die Vergütungsablieferungspflicht dazu beitragen, dass Beamte<br />
ihr Hauptamt nicht vernachlässigen, weil sie ein gut dotiertes<br />
Nebenamt angeboten bekommen.<br />
Linkhinweis:<br />
- Für die auf den Webseiten des BVerfG veröffentlichte Entscheidung<br />
klicken Sie bitte hier.<br />
Strafrecht und OWi<br />
Verdeckte Online-Durchsuchungen sind<br />
unzulässig<br />
BGH 31.1.2007, StB 18/06<br />
Verdeckte Online-Durchsuchungen, bei denen mit Hilfe eines<br />
Programms, das ohne das Wissen des Beschuldigten auf dessen<br />
Computer gespielt wird, die von ihm gespeicherten Dateien<br />
durchsucht werden können, sind unzulässig. Solche Online-Durchsuchungen<br />
sind von der StPO nicht gedeckt, weil hier<br />
lediglich offene Durchsuchungen geregelt sind.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Generalbundesanwältin Monika Harms hatte die so genannte<br />
Online-Durchsuchung des Computers eines unter Terrorverdacht<br />
stehenden Verdächtigen beantragt. Bei dieser Art der Durchsuchung<br />
werden mit Hilfe eines Programms, das ohne das Wissen<br />
des Beschuldigten auf dessen Computer gespielt wird, die von<br />
ihm gespeicherten Dateien durchsucht.<br />
Der Ermittlungsrichter des BGH wies den Antrag zurück. Die<br />
hiergegen gerichtete Beschwerde der Generalbundesanwältin<br />
hatte keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Der BGH-Ermittlungsrichter hat den Antrag der Generalbundesanwältin<br />
zu Recht zurückgewiesen, weil es für verdeckte Online-Durchsuchungen<br />
an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt.<br />
Verdeckte Online-Durchsuchungen sind insbesondere nicht von<br />
§ 102 StPO (Durchsuchung beim Verdächtigen) gedeckt, weil<br />
die Durchsuchung in der StPO ausschließlich als eine offen<br />
durchzuführende Ermittlungsmaßnahme vorgesehen ist. Dies<br />
ergibt sich zum einen aus mehreren Vorschriften des Durchsuchungsrechts<br />
zu Gunsten des Beschuldigten, wie zum Beispiel<br />
das Anwesenheitsrecht (§ 106 Abs.1 S.1 StPO) und der Anspruch<br />
auf Zuziehung von Zeugen (§ 105 Abs.2, § 106 Abs.1 S.2 StPO),<br />
deren Befolgung als zwingendes Recht nicht zur Disposition der<br />
Ermittlungsorgane steht.<br />
Zum anderen folgt dies aus einem Vergleich mit den Ermittlungsmaßnahmen,<br />
die, wie zum Beispiel die Überwachung der<br />
Telekommunikation (§§ 100 a, b StPO) oder die Wohnraumüberwachung<br />
(§§ 100 c, d StPO) ohne Wissen des Betroffenen durchgeführt<br />
werden können, für die aber deutlich höhere formelle<br />
und materielle Anforderungen an die Anordnung und Durchführung<br />
bestehen.<br />
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat die Entscheidung<br />
des BGH begrüßt. Online-Durchsuchungen seien durch die wei-<br />
ten Einsatzmöglichkeiten besonders sensibel zu handhaben. So<br />
könnten nicht nur Kommunikationsverbindungen, wie der E-<br />
Mail-Verkehr kontrolliert werden, sondern auch online geführte<br />
Akten durchsucht und sogar Computermikrofone und Webcams<br />
aktiviert und so ganze Räume überwacht werden.<br />
Die BRAK warnt davor, Online-Durchsuchungen durch eine<br />
einfache Änderung der StPO zu ermöglichen. Das Eindringen<br />
in einen fremden Computer sei ein tiefer Eingriff in die individuellen<br />
Persönlichkeits- und Freiheitsrechte, für den besonders<br />
strenge und überprüfbare Voraussetzungen gelten müssten.<br />
Der Gesetzgeber müsse daher dafür Sorge tragen, dass die vom<br />
BVerfG in seinem Urteil zur akustischen Wohnraumüberwachung<br />
aufgestellten Maßstäbe strikt eingehalten würden (Urteil<br />
des BVerfG vom 3.4.2004, Az.: 1 BvR 2378/98 u.a. „großer Lauschangriff“).<br />
Linkhinweis:<br />
- Das auf den Webseiten des BVerfG veröffentlichte Urteil des<br />
BVerfG zum „großen Lauschangriff“ finden Sie hier.<br />
Gefängnisseelsorgern steht hinsichtlich<br />
außerhalb eines seelsorgerischen<br />
Gesprächs erlangten Kenntnissen kein<br />
Zeugnisverweigerungsrecht zu<br />
BVerfG 25.1.2007, 2 BvR 26/07<br />
Gefängnisseelsorger können sich im Hinblick auf Kenntnisse,<br />
die sie außerhalb eines seelsorgerischen Gesprächs erlangt<br />
haben, nicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs.1<br />
Nr.1 StPO berufen. In einem solchen Fall kann das Strafgericht<br />
notfalls gegen den Seelsorger auch eine Beugehaft zur Erzwingung<br />
der Aussage anordnen. Dem steht nicht entgegen, dass<br />
durch die Preisgabe solchen Wissens möglicherweise das Vertrauensverhältnis<br />
zwischen dem Seelsorger und den Gefangenen<br />
beeinträchtigt wird.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Beschwerdeführer ist Gefängnisseelsorger. In einem Strafverfahren<br />
gegen mehrere Angeklagte, denen in großem Umfang<br />
Betrugstaten zum Nachteil von Versicherungen vorgeworfen<br />
werden, war der Beschwerdeführer als Zeuge geladen. Die Angeklagten<br />
sollen die Taten begangen haben, um die Versicherungssummen<br />
dem Terrornetzwerk Al Qaeda zukommen zu lassen.<br />
Der Beschwerdeführer hatte mit einem der Angeklagten Gespräche<br />
geführt. Im Rahmen seiner Zeugenvernehmung verweigerte<br />
er eine Auskunft darüber, ob er für den Angeklagten im<br />
Internet Adressen von Versicherungen recherchiert habe. Zur<br />
Begründung berief er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht<br />
als Seelsorger. Daraufhin ordnete das OLG gegen ihn Beugehaft<br />
zur Erzwingung der Aussage an. Die hiergegen gerichtete<br />
Beschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.<br />
Die daraufhin eingelegte Verfassungsbeschwerde nahm das<br />
BVerfG nicht zur Entscheidung an.<br />
Die Gründe:<br />
Dem Beschwerdeführer steht hinsichtlich der Kenntnisse, die er<br />
aus dem Gespräch mit dem Angeklagten über die Adressen verschiedener<br />
Versicherungen erlangt hat, kein Zeugnisverweigerungsrecht<br />
zu. Er ist daher zur Zeugenaussage verpflichtet. Vor<br />
diesem Hintergrund ist es verfassungsrechtlich nicht zu bean-<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 13
standen, dass das OLG eine Beugehaft angeordnet hat, um die<br />
Erfüllung dieser Pflicht zu erzwingen.<br />
Ein Zeugnisverweigerungsrecht des Beschwerdeführers ergibt<br />
sich insbesondere nicht aus § 53 Abs.1 Nr.1 StPO. Hiernach dürfen<br />
Seelsorger lediglich die Aussage über Tatsachen verweigern,<br />
die ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden<br />
sind. Geschützt wird daher nur der Inhalt von seelsorgerischen<br />
Gesprächen. Außerhalb solcher Gespräche erlangte Kenntnisse<br />
fallen dagegen nicht unter das Zeugnisverweigerungsrecht. Nach<br />
diesen Grundsätzen kann sich der Beschwerdeführer nicht auf<br />
§ 53 Abs.1 Nr.1 StPO berufen, da ein Gespräch über Versicherungsadressen<br />
objektiv nicht zur Seelsorge zählt.<br />
Ein Zeugnisverweigerungsrecht des Beschwerdeführers lässt<br />
sich auch nicht unmittelbar aus der Verfassung ableiten. Der<br />
fragliche Gesprächsinhalt berührt nicht den Kernbereich seiner<br />
privaten Lebensgestaltung.<br />
Daneben ist zwar mittelbar die Berufsausübungsfreiheit des<br />
Beschwerdeführers betroffen, da durch die Aussage möglicherweise<br />
sein Vertrauensverhältnis zum Angeklagten und den anderen<br />
Gefangenen beeinträchtigt wird. Dies ist im Interesse einer<br />
funktionierenden Strafrechtspflege aber hinzunehmen. Im Übrigen<br />
wird die etwaige Vertrauenseinbuße bereits dadurch abgemildert,<br />
dass der Beschwerdeführer sein Wissen nicht freiwillig<br />
preisgeben würde, sondern nur aufgrund der – auch zwangsweise<br />
durchsetzbaren – Zeugnispflicht.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />
BVerfG veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
Auch im Adhäsionsverfahren können Richter<br />
wegen Befangenheit abgelehnt werden<br />
BVerfG 27.12.2006, 2 BvR 958/06<br />
Die Opfer einer Straftat dürfen Richter in einem Adhäsionsverfahren<br />
wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Das<br />
Adhäsionsverfahren eröffnet dem Opfer die Möglichkeit, bereits<br />
im Strafverfahren Schadensersatzansprüche gegen den Täter geltend<br />
zu machen. Die Möglichkeit, einen Richter abzulehnen, ist<br />
weitestgehend ein Bestandteil des Opferschutzes, weil das Opfer<br />
nicht durch ein etwaiges parteiliches Verhalten eines Richters<br />
benachteiligt werden darf.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Der Beschwerdeführer machte in einem so genannten Adhäsionsverfahren<br />
gegen den Angeklagten einen Anspruch auf Zahlung<br />
von Schadensersatz in Höhe von rund 38.000 Euro geltend.<br />
Der Beschwerdeführer lehnte den Richter wegen der Besorgnis<br />
der Befangenheit ab. Das AG verwarf das Ablehnungsgesuch als<br />
unzulässig, weil das Gesetz ein Ablehnungsrecht des Adhäsionsklägers<br />
nicht vorsehe. Das LG verwarf die hiergegen gerichtete<br />
Beschwerde. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers<br />
hatte Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Der Beschwerdeführer hat das Recht, den Richter wegen der<br />
Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zwar ist ein solches<br />
Recht nicht ausdrücklich in der StPO normiert. Die gesetzliche<br />
Ausgestaltung des Adhäsionsverfahrens ist aber dahingehend<br />
verfassungskonform auszulegen, dass auch dem Adhäsionskläger<br />
ein Ablehnungsrecht zusteht.<br />
Mit den Änderungen durch das Opferrechtsreformgesetz vom<br />
24.6.2004 beabsichtigte der Gesetzgeber, die Durchführung des<br />
Adhäsionsverfahrens zum Regelfall der Durchsetzung zivilrechtlicher<br />
Ansprüche der Opfers zu machen. Vor diesem Hintergrund<br />
muss dem Opfer auch die Möglichkeit gegeben werden,<br />
seine Rechte im Adhäsionsverfahren adäquat durchzusetzen.<br />
Dies wäre nicht gewährleistet, wenn sich das Opfer, durch ein<br />
parteiliches Verhalten des Richters veranlasst, auf ein neues und<br />
kostenintensives Zivilverfahren verweisen lassen müsste.<br />
Linkhinweis:<br />
- Für die auf den Webseiten des BVerfG veröffentlichte Entscheidung<br />
klicken Sie bitte hier.<br />
Steuerrecht<br />
Dritte müssen Steuerfahndern auch ohne<br />
direkten Kontakt zum möglichen „Steuerhinterzieher“<br />
Auskunft erteilen<br />
BFH 5.10.2006, VII R 63/05<br />
Dritte (hier: ein Pharmaunternehmen) können gegenüber der<br />
Steuerfahndung auch dann zur Auskunftserteilung verpflichtet<br />
sein, wenn sie zu den möglichen „Steuerhinterziehern“ (hier:<br />
Ärzten) in keiner unmittelbaren Beziehung stehen. Das gilt<br />
jedenfalls dann, wenn bei einzelnen Betriebsprüfungen Steuerverkürzungen<br />
aufgedeckt worden sind, die durch bestimmte für<br />
die Berufsgruppe typische Geschehensabläufe begünstigt worden<br />
sind, und die begehrte Auskunft zur Aufdeckung weiterer<br />
Verkürzungen geeignet ist.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Klägerin ist die in Deutschland führende Herstellerin von<br />
Hormonspiralen.<br />
Gynäkologen setzen die Spiralen, die sie zuvor bei einer Apotheke<br />
einkaufen, nur gegen Bar- oder Scheckleistung der Patientinnen<br />
ein, da die Krankenkassen für diese Behandlung nicht<br />
aufkommen. Bei sechs Betriebsprüfungen war aufgefallen, dass<br />
Gynäkologen den Vorgang nicht beziehungsweise nicht vollständig<br />
in ihrer Buchführung erfasst hatten. Daraufhin forderte die<br />
Steuerfahndung die Klägerin auf, zunächst die 50 Apotheken zu<br />
benennen, an die sie in den Jahren 1999 bis 2003 die meisten<br />
Spiralen geliefert hatte.<br />
Die Klägerin verweigerte die Auskunft. Sie machte geltend, dass<br />
die festgestellten sechs Fälle nicht ausreichen würden, um eine<br />
Sammelauskunft zu rechtfertigen. Außerdem stehe sie in keinerlei<br />
Beziehung zu den Ärzten, die die Spiralen einsetzen. Ihre<br />
gegen das Auskunftsersuchen gerichtete Klage hatte sowohl vor<br />
dem FG als auch vor dem BFH keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Das Auskunftsersuchen der Steuerfahndung ist rechtmäßig. Es<br />
liegt keine unzulässige Ermittlung „ins Blaue hinein“ oder Rasterfahndung<br />
vor. Aufgrund der Ergebnisse der Betriebsprüfungen<br />
in den gynäkologischen Arztpraxen gab es vielmehr einen<br />
hinreichenden Anlass für die Aufnahme von Ermittlungen.<br />
03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 14
Wenn in sechs zeitlich eng aufeinanderfolgenden Prüfungen festgestellt<br />
wird, dass Ärzte Einnahmen aus dem Einsetzen von Spiralen<br />
bei übereinstimmenden Geschehensabläufen (Einkauf der<br />
Spiralen bei nicht ortsansässigen Apotheken und Begleichung<br />
des Arzthonorars in bar oder per Scheck) nicht ordnungsgemäß<br />
verbuchen, liegt die Annahme nahe, dass auch noch andere<br />
Gynäkologen entsprechend verfahren. Damit ist ein Verdachtsgrad<br />
erreicht, der Vorfeldermittlungen mindestens rechtfertigt,<br />
wenn nicht gar gebietet.<br />
Der Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens steht auch nicht<br />
entgegen, dass nicht die Apotheken, sondern deren Kunden der<br />
Steuerhinterziehung verdächtigt werden, und die Klägerin zu<br />
den Ärzten keine unmittelbare Geschäftsbeziehung unterhält.<br />
Die Auskunftspflicht Dritter ist nicht auf Personen beschränkt,<br />
zu denen sie in einer unmittelbaren Beziehung stehen. Der<br />
Gesetzgeber hat dem Einzelnen die Auskunftspflicht nicht aufgrund<br />
seiner Kontakte und seines Vorverhaltens auferlegt, sondern<br />
aus Gründen des Allgemeinwohls als allgemeine staatsbürgerliche<br />
Pflicht.<br />
Die Frage nach den belieferten Apotheken ist zudem geeignet,<br />
weitere Steuerverkürzungen aufzudecken, da nur die Apotheken<br />
wissen, welcher Arzt in welchen Mengen Spiralen gekauft hat.<br />
Diese Informationen können dann mit den verbuchten Einnahmen<br />
der Ärzte abgeglichen werden.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH<br />
veröffentlicht.<br />
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
Geldwerte Vorteile aus einem Aktienoptionsprogramm<br />
sind regelmäßig tarifbegünstigt<br />
zu besteuern<br />
BFH 19.12.2006, VI R 136/01<br />
Geldwerte Vorteile aus einem Aktienoptionsprogramm stellen<br />
im Regelfall eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar.<br />
Die Vergütung in Höhe des Werts der erhaltenen Aktien ist daher<br />
gemäß § 34 Abs.3 EStG mit der so genannten Drittelungsregelung<br />
(heute: Fünftelregelung nach § 34 Abs.1 EStG) ermäßigt zu<br />
besteuern.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Klägerin war seit 1991 bei der X. GmbH beschäftigt. Sie beteiligte<br />
sich zum Ende ihres Einstellungsmonats an einem Aktienoptionsprogramm<br />
der Muttergesellschaft der X. GmbH. Hieraus<br />
erwarb die Klägerin ein Bezugsrecht für 325 X. Aktien. Das Optionsrecht<br />
konnte innerhalb von zehn Jahren, spätestens aber ein Jahr<br />
nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers ausgeübt werden.<br />
Nachdem die Klägerin bereits 1993 und 1994 das Optionsrecht in<br />
Anspruch genommen hatte, übte sie es nach ihrem Ausscheiden aus<br />
dem Beschäftigungsverhältnis im Jahr 1997 noch einmal aus. Das<br />
Finanzamt erfasste den geldwerten Vorteil aus der Ausübung der<br />
Option als Arbeitslohn, lehnte aber eine tarifbegünstigte Besteuerung<br />
für außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs.3 EStG ab. Die<br />
gegen den entsprechenden Bescheid gerichtete Klage hatte Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Die Einkünfte der Klägerin aus der Ausübung des Aktienoptionsrechts<br />
sind ermäßigt zu besteuern.<br />
Nach § 34 Abs.3 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden<br />
Fassung bemisst sich die tarifliche Einkommensteuer auf Einkünfte<br />
für eine mehrjährige Tätigkeit nach der so genannten Drittelungsregelung<br />
(heute: Fünftelregelung nach § 34 Abs.1 EStG).<br />
Voraussetzung für die Anwendung der Tarifermäßigung ist folglich,<br />
dass der Steuerpflichtige eine Vergütung für eine mehrjährige<br />
Tätigkeit erhalten hat.<br />
Aktienoptionsrechte stellen grundsätzlich als Anreizlohn eine<br />
Vergütung für die Laufzeit der Option bis zu ihrer Erfüllung<br />
und damit eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar.<br />
Sie werden regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der Vergangenheit<br />
erbrachte Leistungen abzugelten, sondern um eine<br />
besondere Erfolgsmotivation der Mitarbeiter für die Zukunft zu<br />
bewirken. Mehrjährigkeit setzt dabei voraus, dass zwischen der<br />
Einräumung und der Erfüllung der Aktienoption ein Zeitraum<br />
von mehr als zwölf Monaten liegt. Etwas anderes kommt lediglich<br />
in Betracht, wenn sich im Einzelfall feststellen lässt, dass<br />
mit der eingeräumten Option konkrete frühere Arbeitsleistungen<br />
zusätzlich entlohnt werden sollten.<br />
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin eine Vergütung für<br />
eine mehrjährige Tätigkeit erhalten. Dem steht auch nicht entgegen,<br />
dass ihr Arbeitgeber die Option wiederholt eingeräumt<br />
hat und die Klägerin sie nicht in vollem Umfang einheitlich ausgeübt<br />
hat. Denn bei entsprechender Laufzeit stellen die Vorteile<br />
aus jeder dieser Optionen eine Vergütung für eine mehrjährige<br />
Tätigkeit dar.<br />
Linkhinweis:<br />
- Für die auf den Webseiten des BFH veröffentlichte Entscheidung<br />
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Das geltende Erbschaftsteuerrecht ist verfassungswidrig<br />
BVerfG 7.11.2006, 1 BvL 10/02<br />
Das Erbschaftsteuerrecht ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung<br />
verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss sich auf der Bewertungsebene<br />
einheitlich am gemeinen Wert orientieren und darf<br />
erst in einem zweiten Schritt den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände<br />
begünstigen. Diesen Anforderungen genügt<br />
das geltende Recht nicht, da Grundbesitz, Betriebsvermögen und<br />
Anteile an Kapitalgesellschaften teilweise mit einem erheblich<br />
unter dem gemeinen Wert liegenden Betrag bewertet werden.<br />
Der Gesetzgeber muss bis zum 31.12.2008 eine verfassungsgemäße<br />
Neuregelung treffen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist die Alleinerbin der im<br />
Juli 1997 verstorbenen E. Diese hatte 1994 eine Eigentumswohnung<br />
gekauft und noch vor ihrem Tod den Kaufpreis bezahlt.<br />
Kurze Zeit später wurde die Auflassung erklärt. Die Grundbuchumschreibung<br />
erfolgte allerdings erst nach dem Tod der E.<br />
Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Klägerin lediglich den<br />
Anspruch auf Überlassung der Wohnung und nicht die Wohnung selbst<br />
geerbt habe. Es besteuerte deshalb den vollen Kaufpreis und nicht den<br />
um rund 40 Prozent niedrigeren Bedarfswert der Eigentumswohnung.<br />
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem FG Erfolg.<br />
Auf die Revision des Finanzamts setzte der BFH das Verfahren<br />
aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob die Sonderregelun-<br />
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gen für die Bewertung von Immobilien, Betriebsvermögen und<br />
Anteilen an Kapitalgesellschaften verfassungsgemäß sind. Nach<br />
Auffassung des BFH verstoßen diese Vorschriften gegen den<br />
Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs.1 GG, weil danach<br />
beispielsweise vererbte Immobilien durchschnittlich nur mit 50<br />
Prozent ihre Verkehrswerts besteuert werden, während vererbtes<br />
Geldvermögen oder Wertpapiere mit ihrem vollen Nennwert<br />
versteuert werden müssen.<br />
Das BVerfG entschied, dass das geltende Erbschaftsteuerecht<br />
verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber muss nunmehr bis zum<br />
31.12.2008 eine verfassungsgemäße Neuregelung schaffen. Bis<br />
dahin gilt das bisherige Recht weiter.<br />
Die Gründe:<br />
Das Erbschaftsteuerrecht verstößt in seiner derzeitigen Ausgestaltung<br />
gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs.1 GG, da es an<br />
Werte anknüpft, die bei Betriebsvermögen, Grundvermögen und<br />
Anteilen an Kapitalgesellschaften teilweise erheblich unter dem<br />
gemeinen Wert der Vermögensgegenstände liegen.<br />
Der Gesetzgeber muss sich zumindest auf der Bewertungsebene<br />
einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel<br />
orientieren. Denn die Bewertungsebene ist aus verfassungsrechtlichen<br />
Gründen bereits vom Ansatz her ungeeignet<br />
zur Verfolgung außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele.<br />
Daher darf der Gesetzgeber erst in einem zweiten Schritt<br />
bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe den Erwerb<br />
bestimmter Vermögensgegenstände begünstigen.<br />
Das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerecht genügt diesen<br />
verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Im Einzelnen gilt Folgendes:<br />
1. Bewertung von Betriebsvermögen<br />
Beim Betriebsvermögen verhindert die weitgehende Übernahme<br />
der Steuerbilanzwerte die Annäherung an den gemeinen Wert.<br />
Denn durch bilanzpolitische Maßnahmen können stille Reserven<br />
gebildet werden, die bei der Bewertung des Betriebsvermögens<br />
nicht berücksichtigt werden. Außerdem fließen auch immaterielle<br />
Wirtschaftsgüter wie etwa der Firmen- oder Geschäftswert<br />
eines Unternehmens nicht in die erbschaftsteuerliche Bewertung<br />
ein. Diese Bewertungsmethode führt insbesondere bei ertragstarken<br />
Unternehmen dazu, dass der Steuerwert weit hinter dem<br />
gemeinen Wert zurückbleibt.<br />
2. Bewertung von unbebauten und bebauten Grundstücken<br />
Auch die Wertermittlung für Grundstücke bildet die Wertverhältnisse<br />
nicht realitätsgerecht ab. Bei bebauten Grundstücken wird<br />
eine Bewertung mit dem gemeinen Wert durch das gesetzlich<br />
angeordnete vereinfachte Ertragswertverfahren verfehlt. Diese<br />
Bewertungsmethode führt durchschnittlich zu Grundstückswerten,<br />
die nur 50 Prozent des gemeinen Werts erreichen. In Einzelfällen<br />
werden Grundstücken mit weniger als 20 Prozent oder<br />
über 100 Prozent des gemeinen Werts bewertet. Der Bewertung<br />
haftet somit Zufälliges und Willkürliches an.<br />
Die Wertermittlung für unbebaute Grundstücke führt ebenfalls zu<br />
Ergebnissen, die nicht dem gemeinen Wert entsprechen. Grund<br />
hierfür ist in erster Linie die bis Ende 2006 geltende Festschreibung<br />
der Wertverhältnisse auf den 1.1.1996.<br />
3. Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften<br />
Auch die Erbschaftsbesteuerung der Erwerber von Anteilen an<br />
Kapitalgesellschaften ist nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbar.<br />
Bei den zu schätzenden, nicht börsennotierten Anteilen führt<br />
der vom Gesetzgeber angeordnete Steuerbilanzwertansatz zu<br />
Steuerwerten, die im Regelfall deutlich hinter der Teilbewertung<br />
zurückbleiben. Da die Gesellschaften in sehr unterschiedlichem<br />
Maß in der Lage sind, von den Bilanzierungsmöglichkeiten<br />
Gebrauch zu machen, bewirkt die Bewertungsmethode zwangsläufig<br />
eine große Streubreite der Steuerwerte im Verhältnis zu<br />
den Verkehrswerten.<br />
Linkhinweis:<br />
- Die umfangreiche Pressemitteilung sowie der Volltext der Entscheidung<br />
sind auf den Webseiten des BVerfG veröffentlicht.<br />
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- Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.<br />
Wirtschaftsprüfer sind bei treuhänderischen<br />
Tätigkeiten für Immobilienfonds<br />
regelmäßig gewerbesteuerpflichtig<br />
BFH 18.10.2006, XI R 9/06<br />
Wirtschaftsprüfer üben regelmäßig eine gewerbliche und keine<br />
freiberufliche Tätigkeit aus, wenn sie im Rahmen von Immobilienfonds<br />
als Treuhänder tätig werden. Treuhandtätigkeiten gehören,<br />
obwohl nach der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) ausdrücklich<br />
erlaubt, nicht zu den berufstypischen Aufgaben von<br />
Wirtschaftsprüfern. Betreut der Wirtschaftsprüfer eine Vielzahl<br />
von Anlegern, so liegt auch keine sonstige selbständige Tätigkeit<br />
nach § 18 Abs.1 Nr.3 EStG vor.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der<br />
die beiden Wirtschaftsprüfer und Steuerberater A. und B. angehörten.<br />
Sie war in den Streitjahren 1991 bis 1998 im Rahmen<br />
von geschlossenen Immobilienfonds ausschließlich als Treuhänderin<br />
für die (künftigen) Anleger und nicht auch als Wirtschaftsprüferin<br />
oder Steuerberaterin für die Fonds tätig.<br />
Die Tätigkeiten der Klägerin beschränkten sich auf die Anfangsphase<br />
der jeweiligen Beteiligungsgesellschaft und endeten mit<br />
der Fondsschließung, frühestens mit dem Erwerb oder der Herstellung<br />
der Immobilien. Zu ihren Aufgaben gehörte etwa die<br />
Überprüfung der Ertragsfähigkeit der künftigen Fondsgesellschaft,<br />
der beabsichtigten Finanzierung sowie der vom Fondsinitiator<br />
zusammengestellten Prospektunterlagen. Die Klägerin<br />
betreute in den Streitjahren zwischen 1.551 Zeichner aus acht<br />
Fonds und 11.235 Zeichner aus 19 Fonds.<br />
Das Finanzamt beurteilte die Tätigkeit der Klägerin als gewerblich<br />
und erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide. Mit<br />
ihrer hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend,<br />
dass die Wahrung fremder Interessen und die treuhänderische<br />
Verwaltung – anders als bei Rechtsanwälten oder Steuerberatern<br />
– gemäß § 2 Abs.3 Nr.2 WPO ausdrücklich zum Berufsbild der<br />
Wirtschaftsprüfer gehöre. Ihre Treuhandtätigkeit sei daher als<br />
freiberuflich zu beurteilen. Die Klage hatte in allen Instanzen<br />
keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
Das Finanzamt hat die Treuhandtätigkeit der Klägerin zu Recht<br />
als gewerblich beurteilt. Zwar üben Wirtschaftsprüfer gemäß §<br />
18 Abs.1 Nr.1 S.2 EStG grundsätzlich eine freiberufliche Tätigkeit<br />
aus. Das gilt aber nur für die berufstypischen Aufgaben, wie<br />
beispielsweise die Durchführung von Jahresabschlüssen. Dazu<br />
gehört die hier vorliegende Treuhandtätigkeit im Rahmen eines<br />
geschlossenen Immobilienfonds nicht.<br />
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Übernahme<br />
von Treuhandtätigkeiten seit 1995 nicht mehr nur „mit dem<br />
Berufsbild der Wirtschaftsprüfer vereinbar“ ist, sondern Wirtschaftsprüfer<br />
hierzu – im Gegensatz zu Rechtsanwälten und<br />
Steuerberatern - gemäß § 2 Abs.3 Nr.3 WPO n.F. ausdrücklich<br />
befugt sind. Aus dieser Neufassung der WPO ergibt sich für die<br />
steuerliche Beurteilung einer Tätigkeit kein gravierender Unterschied.<br />
Außerdem würde eine steuerliche Bevorzugung von<br />
Wirtschaftsprüfern gegenüber treuhänderisch tätigen Rechtsanwälten<br />
und Steuerberatern gegen den Gleichheitssatz verstoßen.<br />
Die Klägerin hat auch keine sonstige selbständige Arbeit im Sinn<br />
von § 18 Abs.1 Nr.3 EStG ausgeübt. Dieser Tatbestand erfasst<br />
nur vermögensverwaltende und gelegentliche Tätigkeiten. Der<br />
Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin lag nicht in der treuhänderischen<br />
Verwaltung des Vermögens der künftigen Anleger.<br />
Außerdem kann angesichts der Vielzahl der Anleger, die die Klägerin<br />
in den Streitjahren betreut hat, auch nicht mehr von einer<br />
nur gelegentlichen Tätigkeit ausgegangen werden.<br />
Linkhinweis:<br />
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH<br />
veröffentlicht.<br />
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