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MARKTCHANCEN Der Fachanwalt für Versicherungsrecht hat Zukunft S eitdem die Satzungsversammlung im Frühjahr des letzten Jahres die Einführung des neuen Fachanwaltstitels für Versicherungsrecht eingeführt hat, ist ein wahrer „Run“ auf die entsprechenden Fachanwaltskurse ausgebrochen. Derzeit gibt es bundesweit zwar erst 20 bis 30 frisch ernannte Fachanwälte. Doch bereits über 1.000 Anwältinnen und Anwälte haben sich zu einem der Fachanwaltskurse, in denen 120 Stunden Fachwissen vermittelt werden, angemeldet oder den Lehrgang erfolgreich abgeschlossen, berichtet der Kölner Rechtsanwalt Hubert van Bühren, der sich als Vorsitzender des Ausschusses Versicherungsrecht im DAV und ausgewiesener Spezialist im Versicherungsrecht nicht den Mühen einer Fachanwaltsausbildung unterziehen musste. Erheblicher Beratungsbedarf Angesichts dieses enormen Booms liegt allerdings die Frage nahe, ob es sich für bisher unentschiedene Kollegen überhaupt lohnt, noch auf den Zug aufzuspringen? Doch bereits ein Blick auf die nackten Marktdaten verdeutlicht das immense Potenzial. Denn bei 50 Mio. Schadensabwicklungen pro Jahr wird deutlich, wie groß der Beratungsbedarf ist. Jeder Deutsche verfügt im Schnitt über 10 Versicherungsverträge. Und sowohl bei der Anbahnung, Durchführung und der Beendigung der verschiedensten Versicherungsverträge kommt es immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen. Die Rechtsmaterie erfreut sich auch deshalb zunehmender Beliebtheit, weil der Bundesgerichtshof in den letzten Jahren eine Vielzahl verbraucherfreundlicher Urteile verkündet hat, die zugleich als weiterer Beleg für die Konfliktträchtigkeit im Versicherungsrecht stehen. Viele unnütze Versicherungsverträge Hubert van Bühren vergleicht die Versicherungsbranche in weiten Teilen mit der Apothekerzunft, die nach dem Motto verfährt „Viel hilft viel!“ Und so unterzeichnen Verbraucher immer wieder völlig nutzlose Verträge, wie etwa Unfallversicherungsverträge. „Man kann auch ohne Blinddarm leben, nur die Chirur- 16 anwaltsreport 4 / 2004 gen nicht“, spielt van Bühren auf die satten Provisionen der Versicherungsmakler an, die umso üppiger ausfallen, je nutzloser der Versicherungsvertrag für den Verbraucher tatsächlich ist. Und da 70 bis 80 Prozent aller Versicherungsverträge über Versicherungsmakler abgeschlossen werden, wartet so mancher Versicherungsvertrag auf eingehende juristische Überprüfung. Das zeigen auch die vielen Eingaben an den Ombudsmann für Versicherungsrecht, den ehemaligen BGH- Richter Prof. Wolfgang Römer, der eigentlich Aufgaben wahrnimmt, die zur Kernkompetenz der Anwaltschaft gehören. Denn letztlich geht es darum, zwischen den Versicherungskonzernen und den einzelnen Versicherten Waffengleichheit zu schaffen. Und da nach der kurz bevorstehenden Reform des Versicherungsvertragsgesetzes künftig alle Versicherungsvertreter eine qualifizierte Ausbildung nachweisen müssen, wenn sie Versicherungsverträge makeln wollen, ist es nur konsequent, dass sich auch die Anwaltschaft Spezialkenntnisse verschafft und damit ihre Marktpositionierung verbessert. Haftungsrisiken nicht unterschätzen Neben dem Verbrauchermarkt ergeben sich für Fachanwälte für Versicherungsrecht aber auch gute Chancen bei gewerblichen Mandanten. Versicherungen für große Krankenhäuser und deren Bedienstete oder auch für Industriebetriebe sind meist extrem kompliziert. Auch in die- Wie man Fachanwalt für Versicherungsrecht wird § 14 a FAO – Nachzuweisende besondere Kenntnisse im Versicherungsrecht Für das Fachgebiet Versicherungsrecht sind besondere Kenntnisse nachzuweisen in den Bereichen: 1. Allgemeines Versicherungsvertragsrecht und Besonderheiten der Prozessführung 2. Recht der Versicherungsaufsicht 3. Grundzüge des internationalen Versicherungsrechts 4. Transport- und Speditionsversicherungsrecht 5. Sachversicherungsrecht (insbesondere das Recht der Fahrzeug-, Gebäude-, Hausrat-, Reisegepäck-, Feuer-, Einbruchdiebstahl- und Bauwesenversicherung) 6. Recht der privaten Personenversicherung sem Segment arbeiten Makler – oft sehr gut geschult und ohne feste Bindung an einen Versicherer. Hier ist vor allem das Verhandlungsgeschick des Anwalts gefragt, wenn es darum geht, möglichst alle Risiken zu annehmbaren Konditionen mit dem Versicherer auszuhandeln. Geht da etwas schief, drohen dem Anwalt insbesondere bei Unternehmens- oder Managerversicherungen hohe Regressforderungen. Unabhängig bleiben Neu in das Versicherungsgeschäft einsteigende Rechtsanwälte sollten allerdings auf ihre Unabhängigkeit bedacht sein. Zwar gibt es alt eingesessene Kanzleien, wie etwa Bach, Langheid in Köln, die damit werben, ausschließlich Versicherungsunternehmen zu beraten. Ob das aber noch dem Berufsethos des Anwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege entspricht, ist fraglich. Versicherungsexperte Hubert van Bühren jedenfalls plädiert für ein ausgewogenes Mandantenverhältnis: „Ich arbeite zwar für 10 Versicherungsunternehmen, aber die anderen 420 verklage ich!“ (insbesondere Lebens-, Kranken-, Reiserücktritts-, Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung) 7. Haftpflichtversicherungsrecht (insbesondere Pflichtversicherungsrecht, private Haftpflicht, betriebliche Haftpflicht, Haftpflichtversicherung der freien Berufe, Umwelt- und Produkthaftpflicht, Bauwesenversicherung) 8. Rechtsschutzversicherungsrecht 9. Grundzüge des Vertrauensschadens- und Kreditversicherungsrechts § 5 FAO (Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse) wird durch h) ergänzt: Versicherungsrecht: 80 Fälle, davon mindestens zehn gerichtliche Verfahren. Die Fälle müssen sich auf mindestens drei verschiedene Bereiche des § 14 a FAO beziehen.
Sparen „ ist für deutsche Anwälte ein Fremdwort“, titelte kürzlich die Financial Times Deutschland unter Berufung auf eine Untersuchung des Instituts für Angewandtes Wissensmanagement (IAW). In dem Beitrag setzt Rudolf Haibach von der Arbeitsgemeinschaft Anwaltsmanagement beim Deutschen Anwaltverein gleich noch eins drauf. Er lässt sich mit den Worten zitieren: „Es gibt kein Kostenbewusstsein. Die Kollegen reden zwar darüber, wissen aber nicht, was das ist.“ Starke Worte zwar - aber die darin enthaltene Pauschalierung und Einbeziehung der kleineren Kanzleien und Einzelanwälte ist völlig unzutreffend und schadet dem Ansehen der Anwaltschaft insgesamt. Denn wo Anwälte vermeintlich Geld verprassen, da vermutet die Öffentlichkeit, dass dies auf Kosten der Mandanten gehe. Und so schreibt denn auch Nicola de Paoli in dem FTD-Beitrag darüber, dass Anwälte ihre Mandanten mit vermeintlich überzogenen Forderungen verprellen. Großkanzleien und Anwaltsboutiquen gefährdet Dass insbesondere die gewerblichen Mandanten bei den Anwaltshonoraren verstärkt den Rotstift ansetzen, ist längst bekannt. Daneben drückt die Großkanzleien und die aufstrebenden Anwaltsboutiquen eine immense monatliche Kostenlast, die nicht nur aus den Gehältern der zahlreichen angestellten Anwälte und Partner ergibt. Da die führenden Wirtschaftskanzleien meist in 1a-Standorten deutscher Großstädte residieren, zahlen sie Unsummen an Miete und Unterhaltslast für die Kanzleistandorte. Doch mit dieser Kostenfalle müssen sie wohl oder übel leben. „Schlechtere Räume“, mahnt Kanzleiberater Professor Christoph Hommerich aus Bergisch Gladbach, „wirken sich sofort negativ auf den Umsatz aus.“ Controlling in der Anwaltschaft noch ein Fremdwort Der Autor der IAW-Studie Dieter Baumert hat durch Befragungen in der Anwaltschaft herausgefunden, dass zwei Drittel der Anwälte noch nicht einmal über eine eigene Auslastungsstatistik ver- CONTROLLING Wo Anwälte noch sparen können Kostentabelle Einzelkanzlei örtliche Sozietät Großkanzleien (55 % der (35 % der (10 % der Anwaltschaft) Anwaltschaft) Anwaltschaft) Persönlicher Jahreshonorarumsatz pro Rechtsanwalt in Euro 1 56.242, 11 122.710,05 209.629,67 Kosten insgesamt 33.745,26 67.490,53 132.905,21 Raumkosten 4.780,58 10.430,35 20.962,97 Sachkosten darunter: 13.779,32 23.314,99 52.197,79 • geringwertige Wirtschaftsgüter 674,91 1.104,39 2.576,91 • bewegliche Anlagegüter 1.237,33 2.576,91 4.402,22 • Versicherungsprämien 843,63 1.717,94 3.144,45 • Reisekosten 4.161,92 6.258,21 13.206,67 • Verbrauchsmaterial, Reparaturen etc. 1.462,29 2.454,20 4.821,48 • Porto, Telefon 2.530,89 4.294,85 7.756,30 • externe Buchführung, EDV etc. 506,18 736,26 3.563,70 • Kosten für Fort- und Weiterbildung 899,87 1.349,81 6.288,89 • sonstige Sachkosten 1.462,92 2.822,33 6.288,89 Personalkosten 15.185,37 33.131,71 59.744,46 persönlicher Jahresüberschuss pro Rechtsanwalt Einkommensteuer nach 22.496,84 56.242,11 76.693,78 ESt-Grundtabelle 2000 4.358,76 18.177,45 28.582,75 Jahresüberschuss nach ESt 2 18.138,08 38.064,66 48.111,03 Nettoeinkommen monatlich in Euro 1.511,51 3.172,05 4009,25 1 alle Zahlen beziehen sich auf das Wirtschaftsjahr 2000 2 nicht berücksichtigt sind die Aufwendungen für Krankenversicherung, Rentenversicherung etc. fügen. Und auf dem Deutschen Anwaltstag in Hamburg legte Baumert noch einmal nach: „Trotz der besonderen Bedeutung sind viele Kanzleien nicht in der Lage, wichtige Daten wie die Summe aller bestehenden Fremdgeldverpflichtungen oder der existierenden Forderungen der Mandanten zu ermitteln. Dies müsste zumindest in Kanzleien, die selber buchen, anders sein.“ Und in der Tat: Die Kosten- und Einnahmeseite stets auf aktuellem Stand zu halten, wäre eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dazu bedarf es nicht mehr als einer Excel-Datei, in welcher alle Kostenarten den verschiedenen Einnahmequellen gegenübergestellt und mit den Zahlen der Vergangenheit und den Planzahlen für die weitere Zukunft verglichen werden. Nur aus dieser Gesamtschau können die richtigen Schlussfolgerungen für das weitere unternehmerische Handeln abgeleitet werden – auch hinsichtlich etwaiger Sparmaßnahmen. Kostenquote als wichtiger Indikator „Sofern eine Kanzlei eine Kostenquote von unter 50 Prozent erreicht“, erläutert Dieter Baumert, „bewegt sie sich auf einem TOP-Niveau, das eigentlich nur von einer Law-Firm mit sehr guten Mandanten noch unterboten werden kann. Für den Einzelkämpfer bis zur Kanzlei mittlerer Größe mit bis zu 10-12 Anwälten ist eine Quote unter 50 Prozent ein Traumergebnis und wird nur selten erreicht.“ Die meisten Kanzleien erreichen laut Baumert aber nur ein Ergebnis zwischen 60 und 70 Prozent, das, „je nachdem wie nahe es an 70 Prozent liegt, als befriedigend bis unzureichend bezeichnet werden muss.“ Bei einer Kostenquote oberhalb von 70 oder gar 80 Prozent sollten in jeder Kanzlei die Alarmglocken läuten. Keine Frage, Kanzleien bedürfen, wie andere Unternehmen auch, der betriebswirtschaftlichen Steuerung. Deshalb warnt Christoph H. Vaagt, Deutschland- Geschäftsführer der internationalen Unternehmensberatung Hildebrandt International: „Kanzleien, die de facto aufgrund mangelnder unternehmerischer Selbstführung durch die Anwälte durch das Sekretariat geführt werden – das ist in kleinen wie in großen Kanzleien anzutreffen -, werden mittelfristig nur die Mandanten haben, die die Sekretärin akzeptiert.“ 4 / 2004 anwaltsreport 17
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