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Vertragsrecht<br />

Reiseveranstalter können auch bei Versäumung<br />

der Ausschlussfrist für Reisemängel<br />

haften<br />

BGH 12.6.2007, X ZR 87/06<br />

Reiseveranstalter haften nach § 651g Abs.1 S.2 BGB auch bei<br />

Versäumung der einmonatigen Ausschlussfrist für Reisemängel,<br />

wenn dem Reisenden an der Fristversäumung kein Verschulden<br />

trifft. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Reiseveranstalter<br />

nicht auf die Ausschlussfrist hingewiesen hat oder der Reisende<br />

zunächst von einer harmlosen Verletzung ausgehen durfte, die<br />

sich erst nach Ablauf der Ausschlussfrist als schwerwiegend herausgestellt<br />

hat.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin hatte bei dem beklagten Reiseveranstalter einen<br />

Urlaub in einem Ferienclub gebucht. Dort besuchte sie eine<br />

Animationsveranstaltung, in deren Rahmen eine Animateurin<br />

die Zuschauer aufforderte, ihre Schuhe auf die Bühne zu werfen.<br />

Dabei wurde die in der ersten Reihe sitzende Klägerin von<br />

einem Schuh mit einem hohen, spitzen Absatz am Hinterkopf<br />

getroffen.<br />

Der Hausarzt der Klägerin stellt nach ihrer alsbaldigen Heimkehr<br />

eine Gehirnerschütterung fest. Zwei Wochen nach dem Unfall<br />

hatte die Klägerin zwar keine Beschwerden mehr. Einige Monate<br />

später traten bei ihr aber Kopfschmerzattacken sowie Sprach-<br />

und Koordinationsstörungen auf. Daraufhin verlangte die Klägerin<br />

von dem Beklagten Schadensersatz. Zur Begründung machte<br />

sie geltend, dass sie bei dem Vorfall im Ferienclub ein Schädel-<br />

Hirn-Trauma erlitten habe. Dieses habe ein Anfallsleiden ausgelöst,<br />

das sich zu einer bleibenden Epilepsie entwickeln könne.<br />

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision<br />

des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und<br />

wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an<br />

das OLG zurück.<br />

Die Gründe:<br />

Es kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob der<br />

Klägerin gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch<br />

zusteht.<br />

Das OLG hat eine vertragliche Haftung des Beklagten gemäß §<br />

651f allerdings vom rechtlichen Ansatz her zu Recht bejaht. Die<br />

Animateurin hätte die Gefahr erkennen und das Schuhewerfen<br />

daher verbieten müssen. Hierbei handelt es sich um einen Reisemangel,<br />

für den der Beklagte, deren Erfüllungsgehilfin die Animateurin<br />

war, dem Grunde nach einstehen muss.<br />

Der Anspruch ist auch nicht wegen Versäumung der einmonatigen<br />

Ausschlussfrist gemäß § 651g Abs.1 S.1 BGB ausgeschlossen.<br />

Die Fristversäumung ist gemäß § 651g Abs.1 S.2 BGB<br />

unschädlich, wenn dem Reisenden hieran kein Verschulden trifft.<br />

So liegt der Fall hier, da der Beklagte die Klägerin nicht, wie<br />

gesetzlich vorgeschrieben, auf die Ausschlussfrist hingewiesen<br />

hatte. Außerdem durfte die Klägerin, solange sie an eine harmlose<br />

Gehirnerschütterung glauben konnte, auf die Anmeldung von<br />

Ansprüchen verzichten.<br />

Die Sache ist aber noch nicht entscheidungsreif, weil das OLG<br />

noch keine tragfähigen Feststellungen dazu getroffen hat, ob der<br />

Unfall für das spätere Anfallleiden der Klägerin ursächlich war.<br />

Die Sache war daher an das OLG zurückzuverweisen.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den<br />

Webseiten des BGH veröffentlicht.<br />

- Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.<br />

Verbraucher können Gaspreiserhöhungen<br />

regelmäßig gerichtlich überprüfen lassen<br />

BGH 13.6.2007, VIII ZR 36/06<br />

Gaspreiserhöhungen unterliegen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle<br />

nach § 315 BGB, wenn der Gasversorger die Preise einseitig<br />

erhöht. Weist das Unternehmen allerdings nach, dass es mit der<br />

Preiserhöhung lediglich gestiegene Bezugskosten an seine Kunden<br />

weitergibt, gilt die Erhöhung als angemessen. Die gerichtliche<br />

Billigkeitskontrolle erstreckt sich außerdem nur auf Erhöhungen<br />

und nicht auf die Angemessenheit des Gesamttarifs als solchen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten<br />

vorgenommenen Gaspreiserhöhung zum 1.10.2004. Der Kläger<br />

ist Tarifgastkunde der Beklagten, die die Endverbraucher im<br />

Bereich der Stadt Heilbronn mit Erdgas versorgt. Am 30.9.2004<br />

gab die Beklagte in der örtlichen Presse eine Erhöhung der Gastarife<br />

bekannt, die sich in der für den Kläger geltenden Tarifgruppe<br />

auf 0,37 Cent pro Kilowattstunde belief. Die Beklagte<br />

begründete die Preiserhöhung mit den gestiegenen Bezugskosten<br />

für Erdgas.<br />

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass die<br />

Preiserhöhung unbillig und damit unwirksam sein. Das AG gab<br />

der Klage statt; das LG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete<br />

Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Der Kläger muss die Gaspreiserhöhung hinnehmen.<br />

Die Erhöhung von Gastarifen unterliegt zwar der gerichtlichen<br />

Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB, wenn sie - wie hier –<br />

durch eine einseitige Änderung des Gasversorgers erfolgt. Denn<br />

das den Gasversorgern in § 4 Abs.1, 2 AVBGasV eingeräumte<br />

Recht, die allgemeinen Tarife durch öffentliche Bekanntmachung<br />

einseitig zu ändern, stellt ein gesetzliches Leistungsänderungsrecht<br />

dar, auf das § 315 BGB Anwendung findet. Im<br />

Streitfall ist die Preiserhöhung aber nicht unbillig, weil die<br />

Beklagte gestiegene Bezugskosten ohne weiteres an ihre Kunden<br />

weitergeben darf.<br />

Es war nicht zu prüfen, ob die von der Beklagten bereits vor<br />

der Preiserhöhung geforderten Tarife unbillig waren. Die Billigkeitskontrolle<br />

erstreckt sich nur auf die Preiserhöhung.<br />

Soweit es sich bei dem zuvor geltenden Gesamtpreis um die<br />

bei Vertragsschluss geltenden Anfangspreise handelt, findet §<br />

315 BGB unmittelbar keine Anwendung, weil dieser Tarif mit<br />

Abschluss des Vertrags zum vereinbarten Preis geworden ist und<br />

es damit an einer einseitigen Leistungsbestimmung fehlt. Auch<br />

eine entsprechende Anwendung von § 315 Abs.3 BGB scheidet<br />

in diesem Fall aus. Sie wäre nur gerechtfertigt, wenn Gaslieferanten<br />

über eine Monopolstellung verfügen würden, was wegen<br />

der alternativen Angebote, mit Fernwärme, Strom, Heizöl oder<br />

Kohle zu heizen, nicht der Fall ist.<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 4

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