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<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong><br />

Das Wichtige im Überblick<br />

Vertragsrecht<br />

Reisemängel: Reiseveranstalter können trotz Versäumung<br />

der Ausschlussfrist haften (BGH)<br />

Gaspreise: Verbraucher können Preiserhöhungen<br />

gerichtlich überprüfen lassen (BGH)<br />

Mietrecht<br />

Mieterhöhung: Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete<br />

nicht erforderlich (BGH)<br />

Presserecht<br />

Prominente: Fotos von Lebensgefährten dürfen<br />

nicht ohne weiteres publiziert werden (BGH)<br />

Familienrecht<br />

Düsseldorfer Tabelle: Weniger Unterhalt für<br />

Trennungskinder<br />

Arbeitsrecht<br />

Zum Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte<br />

Arbeitnehmer (BAG)<br />

Unterstützungsstreiks können zulässig sein (BAG)<br />

Änderungskündigung: Beweislastumkehr im Kündigungsrecht<br />

gilt auch hier (BAG)<br />

Aus dem Inhalt:<br />

13/07<br />

Sozialrecht<br />

Langzeitarbeitslose: Bundeskabinett beschließt Einführung<br />

von Lohnkostenzuschüssen<br />

Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

Filmfonds: Prospekte müssen auf Risiko des Totalverlustes<br />

hinweisen (BGH)<br />

Wettbewerbsrecht<br />

Bundesnetzagentur: Auskunftsverlangen gegenüber<br />

Gasnetzbetreibern war rechtmäßig (BGH)<br />

Verwaltungs- und Verfassungsrecht<br />

Abschiebungshaft: Zulässig ausschließlich zur<br />

Sicherung der Abschiebung (BVerfG)<br />

Steuerrecht<br />

Übernahme von Unfallkosten durch Arbeitgeber:<br />

Keine Abgeltung durch Ein-Prozent-Regelung (BFH)


<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 13/07 Inhalt<br />

Vertragsrecht<br />

Reiseveranstalter können auch bei Versäumung der<br />

Ausschlussfrist für Reisemängel haften<br />

BGH 12.6.2007, X ZR 87/06 4<br />

Verbraucher können Gaspreiserhöhungen regelmäßig<br />

gerichtlich überprüfen lassen<br />

BGH 13.6.2007, VIII ZR 36/06 4<br />

Verkäufer von Bausätzen zur Selbstmontage müssen<br />

Käufer auf erforderliche Fachkenntnisse hinweisen<br />

BGH 13.7.2007, VIII ZR 236/06 5<br />

Mietrecht<br />

Mieterhöhung setzt keinen Anstieg der ortsüblichen<br />

Vergleichsmiete voraus<br />

BGH 20.6.2007, VIII ZR 303/06 5<br />

Wohnung ist größer als vertraglich vereinbart: Vermieter<br />

dürfen Mieterhöhungen nur nach der vertraglichen<br />

Wohnungsfläche berechnen<br />

BGH 23.5.2007, VIII ZR 138/06 6<br />

Haftungs- und Versicherungsrecht<br />

Presse darf nicht ohne weiteres Fotos von Lebensgefährtin<br />

eines Prominenten veröffentlichen („Grönemeyer“)<br />

BGH 19.6.2007, VI ZR 12/06 6<br />

Familien- und Erbrecht<br />

Neue Düsseldorfer Tabelle tritt ab 1.7.2007 in Kraft<br />

– erstmals weniger Unterhalt für Trennungskinder 7<br />

Arbeitsrecht<br />

Zum Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte<br />

Arbeitnehmer<br />

BAG 19.6.2007, 2 AZR 94/06 7<br />

Unterstützungsstreiks können zulässig sein<br />

BAG 19.6.2007, 1 AZR 396/06 8<br />

Beweislastumkehr im Kündigungsrecht gilt auch für<br />

Änderungskündigungen<br />

BAG 19.6.2007, 2 AZR 304/06 8<br />

Erst nachträglich erfolgte schriftliche Fixierung einer<br />

zuvor mündlich vereinbarten Befristung verstößt<br />

gegen das Schriftformerfordernis<br />

BAG 13.6.2007, 7 AZR 700/06 9<br />

Sozialrecht<br />

Bundeskabinett bringt Lohnkostenzuschüsse für<br />

Langzeitarbeitslose auf den Weg 9<br />

Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

Beteiligung an Filmfonds: Prospekte müssen eindeutig<br />

auf Risiko des Totalverlustes hinweisen<br />

BGH 14.6.2007, II ZR 185/05 10<br />

Bundesregierung plant Wagniskapitalbeteiligungsgesetz<br />

11<br />

EU-Rat hat Richtlinie über die Ausübung von<br />

Aktionärsrechten verabschiedet 11<br />

Wettbewerbsrecht und Gewerblicher<br />

Rechtsschutz<br />

Lottogesellschaften dürfen Internetangebote<br />

vorläufig weiterhin regional begrenzen<br />

BGH 8.5.2007, KVR 31/06 12<br />

Auskunftsverlangen der Bundesnetzagentur gegenüber<br />

Gasnetzbetreibern war rechtmäßig<br />

BGH 19.6.2007, KVR 16/06 u.a. 12<br />

Gebühren und Kosten<br />

Niederlage für so genannte „Berufsaktionäre“:<br />

Nebenintervenienten profitieren nicht von Kostenvergleich<br />

der Hauptparteien<br />

BGH 18.6.2007, II ZB 23/06 13


<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 13/07 Inhalt<br />

Verwaltungs- und Verfassungsrecht<br />

Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären<br />

sind verfassungsgemäß<br />

BVerfG 30.5.2007, 1 BvR 390/04 14<br />

Abschiebungshaft ist ausschließlich zu Sicherung<br />

der Abschiebung zulässig<br />

BVerfG 16.5.2007, 2 BvR 2106/05 14<br />

Steuerrecht<br />

Übernahme von Unfallkosten durch Arbeitgeber:<br />

Keine Abgeltung durch Ein-Prozent-Regelung<br />

BFH 24.5.2007, VI R 73/05 15<br />

Provisionen selbständiger Kreditvermittler können<br />

umsatzsteuerfrei sein<br />

EuGH 21.6.2007, C-453/05 15<br />

Vorlage an den EuGH: Verstößt die „doppelte Buchwertverknüpfung“<br />

beim grenzüberschreitenden<br />

Anteilstausch gegen das EU-Recht?<br />

BFH 7.3.2007, I R 25/05 16<br />

Sonderzahlungen im Konzernverbund sind keine<br />

steuerfreien Trinkgelder<br />

BFH 3.5.2007, VI R 37/05 16<br />

Verlag<br />

Impressum<br />

Verlag Dr. Otto Schmidt KG in Kooperation mit dem <strong>Anwalt</strong>-<strong>Suchservice</strong><br />

Gustav-Heinemann-Ufer 58<br />

50968 Köln<br />

Geschäftsführender Gesellschafter: Dr. h.c. Karl-Peter Winters<br />

Amtsgericht Köln, HRA 5237<br />

USt-Ident-Nr. DE 123047975<br />

Zitierweise<br />

<strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> Jahrgang, Ausgabe, Seite<br />

ISSN 1613-8090<br />

Schriftleitung und Verlagsredaktion:<br />

Petra Rülfing, Ass.jur; Imke Sawitzky, Ass.jur; Rüdiger Donnerbauer (verantw.)<br />

Redaktion <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong>, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln-Marienburg<br />

E-Mail: anwaltswoche@otto-schmidt.de<br />

Tel.: +49 (0) 221-93738-501<br />

Fax: +49 (0) 221-93738-951<br />

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Haftungsausschluss<br />

Inhalte<br />

Die Inhalte der <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> werden sorgfältig geprüft und nach bestem<br />

Wissen erstellt. Jedoch kann keinerlei Gewähr für die Korrektheit, Vollständigkeit,<br />

Aktualität oder Qualität der bereitgestellten Informationen übernommen<br />

werden. Haftungsansprüche gegen den Verlag Dr. Otto Schmidt, welche<br />

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Rechtswirksamkeit des Haftungsausschlusses<br />

Sofern Teile oder einzelne Formulierungen dieses Textes der geltenden<br />

Rechtslage nicht, nicht mehr oder nicht vollständig entsprechen sollten, bleiben<br />

die übrigen Teile des Dokumentes in ihrem Inhalt und ihrer Gültigkeit<br />

davon unberührt.


Vertragsrecht<br />

Reiseveranstalter können auch bei Versäumung<br />

der Ausschlussfrist für Reisemängel<br />

haften<br />

BGH 12.6.2007, X ZR 87/06<br />

Reiseveranstalter haften nach § 651g Abs.1 S.2 BGB auch bei<br />

Versäumung der einmonatigen Ausschlussfrist für Reisemängel,<br />

wenn dem Reisenden an der Fristversäumung kein Verschulden<br />

trifft. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Reiseveranstalter<br />

nicht auf die Ausschlussfrist hingewiesen hat oder der Reisende<br />

zunächst von einer harmlosen Verletzung ausgehen durfte, die<br />

sich erst nach Ablauf der Ausschlussfrist als schwerwiegend herausgestellt<br />

hat.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin hatte bei dem beklagten Reiseveranstalter einen<br />

Urlaub in einem Ferienclub gebucht. Dort besuchte sie eine<br />

Animationsveranstaltung, in deren Rahmen eine Animateurin<br />

die Zuschauer aufforderte, ihre Schuhe auf die Bühne zu werfen.<br />

Dabei wurde die in der ersten Reihe sitzende Klägerin von<br />

einem Schuh mit einem hohen, spitzen Absatz am Hinterkopf<br />

getroffen.<br />

Der Hausarzt der Klägerin stellt nach ihrer alsbaldigen Heimkehr<br />

eine Gehirnerschütterung fest. Zwei Wochen nach dem Unfall<br />

hatte die Klägerin zwar keine Beschwerden mehr. Einige Monate<br />

später traten bei ihr aber Kopfschmerzattacken sowie Sprach-<br />

und Koordinationsstörungen auf. Daraufhin verlangte die Klägerin<br />

von dem Beklagten Schadensersatz. Zur Begründung machte<br />

sie geltend, dass sie bei dem Vorfall im Ferienclub ein Schädel-<br />

Hirn-Trauma erlitten habe. Dieses habe ein Anfallsleiden ausgelöst,<br />

das sich zu einer bleibenden Epilepsie entwickeln könne.<br />

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision<br />

des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und<br />

wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an<br />

das OLG zurück.<br />

Die Gründe:<br />

Es kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob der<br />

Klägerin gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch<br />

zusteht.<br />

Das OLG hat eine vertragliche Haftung des Beklagten gemäß §<br />

651f allerdings vom rechtlichen Ansatz her zu Recht bejaht. Die<br />

Animateurin hätte die Gefahr erkennen und das Schuhewerfen<br />

daher verbieten müssen. Hierbei handelt es sich um einen Reisemangel,<br />

für den der Beklagte, deren Erfüllungsgehilfin die Animateurin<br />

war, dem Grunde nach einstehen muss.<br />

Der Anspruch ist auch nicht wegen Versäumung der einmonatigen<br />

Ausschlussfrist gemäß § 651g Abs.1 S.1 BGB ausgeschlossen.<br />

Die Fristversäumung ist gemäß § 651g Abs.1 S.2 BGB<br />

unschädlich, wenn dem Reisenden hieran kein Verschulden trifft.<br />

So liegt der Fall hier, da der Beklagte die Klägerin nicht, wie<br />

gesetzlich vorgeschrieben, auf die Ausschlussfrist hingewiesen<br />

hatte. Außerdem durfte die Klägerin, solange sie an eine harmlose<br />

Gehirnerschütterung glauben konnte, auf die Anmeldung von<br />

Ansprüchen verzichten.<br />

Die Sache ist aber noch nicht entscheidungsreif, weil das OLG<br />

noch keine tragfähigen Feststellungen dazu getroffen hat, ob der<br />

Unfall für das spätere Anfallleiden der Klägerin ursächlich war.<br />

Die Sache war daher an das OLG zurückzuverweisen.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den<br />

Webseiten des BGH veröffentlicht.<br />

- Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.<br />

Verbraucher können Gaspreiserhöhungen<br />

regelmäßig gerichtlich überprüfen lassen<br />

BGH 13.6.2007, VIII ZR 36/06<br />

Gaspreiserhöhungen unterliegen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle<br />

nach § 315 BGB, wenn der Gasversorger die Preise einseitig<br />

erhöht. Weist das Unternehmen allerdings nach, dass es mit der<br />

Preiserhöhung lediglich gestiegene Bezugskosten an seine Kunden<br />

weitergibt, gilt die Erhöhung als angemessen. Die gerichtliche<br />

Billigkeitskontrolle erstreckt sich außerdem nur auf Erhöhungen<br />

und nicht auf die Angemessenheit des Gesamttarifs als solchen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten<br />

vorgenommenen Gaspreiserhöhung zum 1.10.2004. Der Kläger<br />

ist Tarifgastkunde der Beklagten, die die Endverbraucher im<br />

Bereich der Stadt Heilbronn mit Erdgas versorgt. Am 30.9.2004<br />

gab die Beklagte in der örtlichen Presse eine Erhöhung der Gastarife<br />

bekannt, die sich in der für den Kläger geltenden Tarifgruppe<br />

auf 0,37 Cent pro Kilowattstunde belief. Die Beklagte<br />

begründete die Preiserhöhung mit den gestiegenen Bezugskosten<br />

für Erdgas.<br />

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass die<br />

Preiserhöhung unbillig und damit unwirksam sein. Das AG gab<br />

der Klage statt; das LG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete<br />

Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Der Kläger muss die Gaspreiserhöhung hinnehmen.<br />

Die Erhöhung von Gastarifen unterliegt zwar der gerichtlichen<br />

Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB, wenn sie - wie hier –<br />

durch eine einseitige Änderung des Gasversorgers erfolgt. Denn<br />

das den Gasversorgern in § 4 Abs.1, 2 AVBGasV eingeräumte<br />

Recht, die allgemeinen Tarife durch öffentliche Bekanntmachung<br />

einseitig zu ändern, stellt ein gesetzliches Leistungsänderungsrecht<br />

dar, auf das § 315 BGB Anwendung findet. Im<br />

Streitfall ist die Preiserhöhung aber nicht unbillig, weil die<br />

Beklagte gestiegene Bezugskosten ohne weiteres an ihre Kunden<br />

weitergeben darf.<br />

Es war nicht zu prüfen, ob die von der Beklagten bereits vor<br />

der Preiserhöhung geforderten Tarife unbillig waren. Die Billigkeitskontrolle<br />

erstreckt sich nur auf die Preiserhöhung.<br />

Soweit es sich bei dem zuvor geltenden Gesamtpreis um die<br />

bei Vertragsschluss geltenden Anfangspreise handelt, findet §<br />

315 BGB unmittelbar keine Anwendung, weil dieser Tarif mit<br />

Abschluss des Vertrags zum vereinbarten Preis geworden ist und<br />

es damit an einer einseitigen Leistungsbestimmung fehlt. Auch<br />

eine entsprechende Anwendung von § 315 Abs.3 BGB scheidet<br />

in diesem Fall aus. Sie wäre nur gerechtfertigt, wenn Gaslieferanten<br />

über eine Monopolstellung verfügen würden, was wegen<br />

der alternativen Angebote, mit Fernwärme, Strom, Heizöl oder<br />

Kohle zu heizen, nicht der Fall ist.<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 4


§ 315 BGB findet auch keine Anwendung, soweit es sich bei der<br />

vor der Preiserhöhung geltenden Tarife um solche gehandelt hat,<br />

die in der Vergangenheit durch einseitige Preiserhöhungen der<br />

Beklagten zustande gekommen sind. Solche Preiserhöhungen<br />

unterliegen zwar grundsätzlichen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.<br />

Das gilt aber nicht, wenn die Kunden – wie hier der<br />

Kläger – die auf den erhöhten Tarifen basierenden Rechnungen<br />

unbeanstandet bezahlt haben.<br />

Linkhinweis:<br />

Der Volltext der Entscheidung wird demnächst als PDF-<br />

Datei auf den Webseiten des BGH veröffentlicht. Für die Original-Pressemitteilung<br />

des BGH klicken Sie bitte hier.<br />

Verkäufer von Bausätzen zur Selbstmontage<br />

müssen Käufer auf erforderliche Fachkenntnisse<br />

hinweisen<br />

BGH 13.7.2007, VIII ZR 236/06<br />

Verkäufer von Bausätzen zur Selbstmontage (hier: eine Solarheizungsanlage)<br />

müssen die Käufer vor Abschluss des Kaufvertrags<br />

darauf aufmerksam machen, dass die Montageanweisung<br />

des Herstellers der Anlage Fachkenntnisse für die Montage<br />

voraussetzt. Diese Hinweispflicht besteht selbst dann, wenn der<br />

Verkäufer die Montageanweisung für falsch hält. Weist der Verkäufer<br />

die Käufer nicht auf einen solchen Hinweis in der Montageanleitung<br />

des Herstellers hin, verletzt er seine vorvertraglichen<br />

Aufklärungspflichten.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin hatte den Beklagten im September 2003 auf einer<br />

Verbrauchermesse eine Solarheizungsanlage als Komplettbausatz<br />

zur Selbstmontage für das Dach ihres Wohnhauses verkauft.<br />

Bei dem Verkaufsgespräch erklärten Mitarbeiter der Klägerin,<br />

dass die Anlage auch von Laien montiert werden könne, weil die<br />

Klägerin umfangreiche Montage- und Verlege-Anleitungen zur<br />

Verfügung stelle.<br />

In der Montageanweisung, die den Beklagten später übergeben<br />

worden war, war allerdings folgender Hinweis des Herstellerunternehmens<br />

enthalten: „Die in dieser Montageanweisung<br />

beschriebenen Tätigkeiten setzen Fachkenntnisse entsprechend<br />

einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Gas-/Wasserinstallationshandwerk<br />

voraus.“<br />

Die Beklagten erklärten gegenüber der Klägerin die Anfechtung<br />

des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und machten geltend,<br />

dass sie als Laien nicht in der Lage seien, die Solaranlage<br />

an ihrem Haus zu montieren. Die Klägerin verlangte Zahlung des<br />

Kaufpreises. Ihre hierauf gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung<br />

des Kaufpreises. Es sind zwar keine hinreichenden Anhaltspunkte<br />

dafür vorhanden, dass die Beklagten von den Mitarbeitern<br />

der Klägerin arglistig getäuscht worden sind. Die Mitarbeiter der<br />

Beklagten haben aber fahrlässig ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten<br />

verletzt.<br />

Käufer eines Bausatzes für die Selbstmontage einer Solarheizungsanlage<br />

müssen vom Verkäufer zwar nicht ausdrücklich<br />

darauf hingewiesen werden, dass die Montage der Solaranlage<br />

ein gewisses handwerkliches Geschick voraussetzt. Denn dies<br />

versteht sich von selbst und ist dem verständigen Käufer daher<br />

bekannt. Die Käufer können aber nicht damit rechnen, dass die<br />

Montageanweisung des Herstellers der Anlage Fachkenntnisse<br />

entsprechend einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Gas-<br />

/Wasser-Installationshandwerk fordert. Dieser Umstand ist aber<br />

für sie bei Vertragsschluss von wesentlicher Bedeutung, da dies<br />

maßgeblich ihre Kaufentscheidung beeinflussen kann.<br />

Verkäufer müssen die Käufer deshalb selbst dann auf einen solchen<br />

Hinweis des Herstellers in der Montageanweisung aufmerksam<br />

machen, wenn der Verkäufer der Auffassung ist, dass<br />

die Montageanweisung in diesem Punkt falsch ist. Da die Mitarbeiter<br />

der Klägerin die Beklagten vorliegend nicht auf den Hinweis<br />

des Herstellers aufmerksam gemacht haben, haben sie ihre<br />

vorvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt.<br />

Linkhinweis:<br />

- Die Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des<br />

BGH veröffentlicht.<br />

- Für die Original-Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte<br />

hier.<br />

Mietrecht<br />

Mieterhöhung setzt keinen Anstieg der ortsüblichen<br />

Vergleichsmiete voraus<br />

BGH 20.6.2007, VIII ZR 303/06<br />

Nach den §§ 558 ff BGB können Vermieter von ihren Mietern<br />

unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung zu einer<br />

Mieterhöhung bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete<br />

verlangen. Dieser Anspruch setzt nach Wortlaut und Sinn und<br />

Zweck der gesetzlichen Regelung nicht voraus, dass die ortsübliche<br />

Vergleichsmiete seit Vertragsschluss gestiegen ist.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger vermietete an die Beklagten mit Vertrag vom<br />

19.8.2004 eine Wohnung. Die Miete betrug zunächst vier Euro<br />

pro Quadratmeter und lag damit 0,60 Euro unter der seinerzeit<br />

geltenden ortsüblichen Vergleichsmiete.<br />

Mit Schreiben vom 26.9.2005 verlangte der Kläger von den<br />

Beklagten - bei unveränderter ortsüblicher Vergleichsmiete - die<br />

Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 0,26 Euro pro Quadratmeter<br />

ab dem 1.12.2005. Das AG wies die hierauf gerichtete<br />

Klage ab; das LG gab ihr statt. Die hiergegen gerichtete Revision<br />

der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Der Kläger kann von den Beklagten gemäß §§ 558 ff. BGB die<br />

Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung verlangen. Ein<br />

Mieterhöhungsverlangen setzt nach dem Wortlaut und Sinn und<br />

Zweck der gesetzlichen Regelung nicht voraus, dass die ortsübliche<br />

Vergleichsmiete seit Vertragsschluss gestiegen ist. Es reicht<br />

vielmehr aus, dass die ursprünglich vereinbarte Miete unter der<br />

ortsüblichen Miete liegt.<br />

Wer eine besonders günstige, unter der ortsüblichen Vergleichsmiete<br />

liegende Miete zu entrichten hat, muss nach dem gesetzlichen<br />

Vergleichsmietensystem mit einer stufenweisen Anhebung<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 5


der Miete bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete rechnen,<br />

wenn er mit dem Vermieter keine die Mieterhöhung ausschließende<br />

Vereinbarung getroffen hat. Mieter werden hierdurch<br />

nicht unangemessen benachteiligt. Ihren Interessen wird<br />

durch die Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete, die 15monatige<br />

Wartezeit zwischen zwei Mieterhöhungen und die<br />

Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs.3 BGB hinreichend Rechnung<br />

getragen.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den<br />

Webseiten des BGH veröffentlicht.<br />

- Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.<br />

Wohnung ist größer als vertraglich vereinbart:<br />

Vermieter dürfen Mieterhöhungen nur<br />

nach der vertraglichen Wohnungsfläche<br />

berechnen<br />

BGH 23.5.2007, VIII ZR 138/06<br />

Ist eine vermietete Wohnung größer als im Vertrag angegeben,<br />

so richtet sich der Umfang einer nach § 558 BGB zulässigen<br />

Mieterhöhung regelmäßig nach der im Vertrag angegebenen<br />

Wohnfläche. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Wohnflächenabweichung<br />

nicht mehr als zehn Prozent beträgt. Erst wenn diese<br />

Grenze überschritten ist, kann dem Vermieter ein Festhalten an<br />

der Vereinbarung über die Wohnungsgröße nicht mehr zugemutet<br />

werden.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin ist Eigentümerin einer in Berlin gelegenen 131,80<br />

Quadratmeter großen Wohnung, die sie an die Beklagte vermietet<br />

hat. Im Mietvertrag war die Wohnfläche mit 121,49 Quadratmetern<br />

angegeben. Mit Schreiben vom 31.5.2005 verlangte die<br />

Klägerin - auf der Grundlage der tatsächlichen Wohnungsgröße<br />

- die Zustimmung der Beklagten zu einer Erhöhung der Bruttokaltmiete<br />

von 494,24 Euro auf 521,80 Euro.<br />

Die Beklagte verweigerte ihre Zustimmung, da es für die Mieterhöhung<br />

nicht auf die tatsächliche, sondern auf die im Mietvertrag<br />

angegebene Wohnungsfläche ankomme. Die daraufhin<br />

erhobene Klage auf Zustimmung der Beklagten zur Mieterhöhung<br />

hatte vor dem AG und dem LG Erfolg. Auf die Revision<br />

der Beklagten hob der BGH diese Entscheidungen auf und wies<br />

die Klage ab.<br />

Die Gründe:<br />

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf<br />

Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung.<br />

Ob ein Mieterhöhungsverlangen gerechtfertigt ist, richtet sich<br />

gemäß § 558 BGB unter anderem danach, ob die ortsübliche<br />

Vergleichsmiete überschritten ist, was gemäß § 558 Abs.2 S.1<br />

BGB maßgeblich von der Größe der Mietwohnung abhängt. Die<br />

Klägerin ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass es für diese<br />

Berechnung auf die tatsächliche Größe der Wohnung ankommt.<br />

Im Streitfall ist vielmehr die vertraglich vereinbarte Wohnfläche<br />

entscheidend.<br />

Die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag stellt regelmäßig<br />

keine unverbindliche Objektbeschreibung dar, sondern eine<br />

rechtsverbindliche Vereinbarung über die Beschaffung der Wohnung.<br />

Hieran muss sich der Vermieter grundsätzlich auch fest-<br />

halten lassen, wenn die Wohnung tatsächlich größer ist als vereinbart.<br />

Das gilt jedenfalls dann, wenn die Abweichung nicht<br />

mehr als zehn Prozent beträgt.<br />

Im Streitfall war die Zehn-Prozent-Grenze nicht überschritten.<br />

Die zulässige Mieterhöhung war daher nach der im Mietvertrag<br />

angegebenen Wohnfläche zu berechnen.<br />

Der Hintergrund:<br />

Der BGH hatte bereits mit Urteil vom 7.7.2004 (Az.: VIII ZR<br />

192/03) in einem Fall, in dem die Wohnung kleiner war als im<br />

Mietvertrag angegeben, entschieden, dass der Mieter die überzahlte<br />

Miete nur zurückverlangen kann, wenn die Abweichung<br />

der tatsächlichen von der angegebenen Wohnfläche mehr als<br />

zehn Prozent beträgt. Mit der nunmehr vorliegenden Entscheidung<br />

hat der BGH klargestellt, dass Gleiches für den umgekehrten<br />

Fall gilt, dass die Wohnung größer ist als im Mietvertrag<br />

angegeben.<br />

Linkhinweise:<br />

- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den<br />

Webseiten des BGH veröffentlicht. Für die Pressemitteilung<br />

des BGH klicken Sie bitte hier.<br />

- Für den ebenfalls auf den Webseiten des BGH veröffentlichten<br />

Volltext des Urteils vom 7.7.2004 (Az.: VIII ZR 192/03)<br />

klicken Sie bitte hier (PDF-Datei).<br />

Haftungs- und<br />

Versicherungsrecht<br />

Presse darf nicht ohne weiteres Fotos von<br />

Lebensgefährtin eines Prominenten veröffentlichen<br />

(„Grönemeyer“)<br />

BGH 19.6.2007, VI ZR 12/06<br />

Die Lebensgefährtin eines Prominenten (hier: des Musikers<br />

Herbert Grönemeyer) kann der Presse die Veröffentlichung von<br />

Fotos untersagen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Fotos die<br />

Lebensgefährtin erkennbar in einer privaten Situation zeigen, die<br />

in keinem Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis<br />

steht. Das gilt auch, wenn der Prominente Teile seines Privatlebens<br />

im Rahmen seiner Song-Texte künstlerisch verarbeitet<br />

hat.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin ist die Lebensgefährten des Sängers Herbert Grönemeyer.<br />

Die Beklagte veröffentlichte in ihrer Illustrierten „BUN-<br />

TE“ zwei Fotos des Paares, die bei einem Rom-Besuch aufgenommen<br />

worden waren.<br />

Das erste Bild zeigt die Klägerin in einem Café, während sie<br />

ihren Lebensgefährten anblickt. In der Bildunterschrift hieß es:<br />

„DIE BLICKE DER LIEBE … Grönemeyer und seine Freundin<br />

S. zeigen sich öffentlich in einem römischen Café“.<br />

Das zweite Bild zeigt das Paar beim Bummeln in der Einkaufszone.<br />

In dem Text hierzu hieß es: „Herbert Grönemeyer...“Männer<br />

brauchen viel Zärtlichkeit“ das gilt auch für ihn ...(er) flaniert<br />

mit seiner Schweizer Liebe S. F., 32, durch Rom. Der Krebstod<br />

seiner Ehefrau ... hatte Grönemeyer nach London in die Isolation<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 6


getrieben. Aber dann hat er sich wohl an einen eigenen Text erinnert:<br />

„Der Mensch heißt Mensch, weil er sich anlehnt und vertraut<br />

und weil er lacht, weil er lebt.“ Das Ergebnis ist auf diesen<br />

Seiten zu besichtigen.“<br />

Die Klägerin verlangte von der Beklagten, die erneute Veröffentlichung<br />

der Fotos zu unterlassen. Ihre hierauf gerichtete Klage<br />

hatte in allen Instanzen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte<br />

Unterlassungsanspruch zu. Die beanstandeten Fotos zeigen die<br />

Klägerin erkennbar in einer privaten Situation, die in keinem<br />

Zusammenhang zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis steht.<br />

Denn weder den Fotos noch dem beigefügten Text ist ein Beitrag<br />

zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse oder eine Information<br />

über ein zeitgeschichtliches Ereignis zu entnehmen.<br />

Die Klägerin muss auch nicht deshalb einen Eingriff in ihre Privatsphäre<br />

hinnehmen, weil ihr Lebensgefährte Teile seines Privatlebens<br />

im Rahmen seiner Song-Texte künstlerisch verarbeitet hat.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den<br />

Webseiten des BGH veröffentlicht.<br />

- Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.<br />

Familien- und Erbrecht<br />

Neue Düsseldorfer Tabelle tritt ab 1.7.2007<br />

in Kraft – erstmals weniger Unterhalt für<br />

Trennungskinder<br />

Am 20.6.2007 ist die neue Düsseldorfer Tabelle zur Berechnung<br />

der Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder vorgestellt worden.<br />

Die neue Tabelle tritt zum 1.7.2007 in Kraft. Die Neufassung<br />

war wegen einer Änderung der Regelbeträge, die Ausgangspunkt<br />

der Berechnungen sind, erforderlich geworden. Nach der<br />

neuen Tabelle bekommen Kinder erstmals weniger Unterhalt als<br />

in den vergangenen Jahren. Grund hierfür ist der Rückgang der<br />

Nettolöhne, auf deren Grundlage das Bundesjustizministerium<br />

die Regelbeträge berechnet.<br />

Um ein Prozent niedrigere Regelbeträge<br />

Die Regelbeträge werden ab dem 1.7.2007 um cirka ein Prozent<br />

reduziert. Sie betragen dann 202 Euro (statt 204 Euro) für Kinder<br />

bis fünf Jahren, 245 Euro (statt 247 Euro) für Kinder bis elf<br />

Jahren und 288 Euro (statt 291 Euro) für Kinder von 12 bis 17<br />

Jahren. Diese Unterhaltsbeträge werden in der niedrigsten Nettoeinkommensgruppe<br />

des Unterhaltspflichtigen (bis 1.300 Euro<br />

im Monat) fällig und steigen mit höherem Einkommen auf bis<br />

zu 629 Euro.<br />

Keine Änderungen beim Studentenunterhalt<br />

Der Studentenunterhalt beträgt unverändert 640 Euro. Allerdings<br />

ist nunmehr geregelt, dass Studiengebühren in diesem Betrag<br />

nicht enthalten sind.<br />

Schon bald neue Anpassungen erforderlich<br />

Die neue Düsseldorfer Tabelle wird möglicherweise nur wenige<br />

Monate anwendbar sein. Denn die anstehende Unterhaltsreform<br />

hat voraussichtlich auch Auswirkungen auf die Düsseldor-<br />

fer Tabelle. Künftig müssen unterhaltsberechtigte Kinder nach<br />

Angaben des OLG Düsseldorf mit weiteren Einschnitten rechnen,<br />

da sich die neue Tabelle voraussichtlich am steuerlichen<br />

Existenzminimum orientieren werde.<br />

Neufassung der Süddeutschen Leitlinien aufgeschoben<br />

Die Familiensenate der Oberlandesgerichte Bamberg, Karlsruhe,<br />

München, Nürnberg, Stuttgart und Zweibrücken haben die<br />

ebenfalls anstehende Neufassung der Süddeutschen Leitlinien<br />

auf die Zeit nach Verabschiedung der Unterhaltsreform aufgeschoben.<br />

Zunächst sollen weiter die Süddeutschen Leitlinien in<br />

der Fassung vom 1.1.2005 und ab dem 1.7.2007 die Bedarfs-<br />

und Selbstbehaltswerte der neuen Düsseldorfer Tabelle angewandt<br />

werden.<br />

Linkhinweis:<br />

Für die auf den Webseiten des OLG Düsseldorf veröffentlichte<br />

neue Düsseldorfer Tabelle klicken Sie bitte hier.<br />

Arbeitsrecht<br />

Zum Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte<br />

Arbeitnehmer<br />

BAG 19.6.2007, 2 AZR 94/06<br />

Schwerbehinderten Arbeitnehmern kann nach dem SGB IX nur<br />

mit Zustimmung des Integrationsamts gekündigt werden, wenn<br />

das Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate ununterbrochen<br />

bestanden hat. Insoweit können auch Zeiten eines früheren<br />

Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber anzurechnen<br />

sein, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen<br />

Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht.<br />

Ob dies der Fall ist, beurteilt sich insbesondere nach dem Anlass<br />

und der Dauer der Unterbrechung sowie der Art der Weiterbeschäftigung.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die schwerbehinderte Klägerin ist ausgebildete Lehrerin für<br />

Sonderpädagogik. Das beklagte Land stellte sie zunächst für<br />

die Dauer eines Schulhalbjahres und mit 18 Pflichtstunden an<br />

einer Schule für Lernbehinderte ein. Nach den Sommerferien<br />

erhielt die Klägerin einen unbefristeten Arbeitsvertrag über<br />

die Beschäftigung an einer in einem anderen Schulamtsbezirk<br />

gelegenen Schule für geistig Behinderte mit 27,5 Pflichtstunden.<br />

Rund fünf Monate später kündigte das Land das Arbeitsverhältnis,<br />

ohne zuvor die Zustimmung des Integrationsamts eingeholt<br />

zu haben.<br />

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend,<br />

dass die Kündigung mangels Zustimmung des Integrationsamts<br />

unwirksam sei. Sie habe die sechsmonatige Wartezeit<br />

für den Sonderkündigungsschutz gemäß §§ 90 Abs.1 Nr.1, 85<br />

SGB IX erfüllt, da die beiden lediglich durch die Sommerferien<br />

unterbrochenen Arbeitsverhältnisse zusammenzurechnen seien.<br />

Ihre Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die streitige Kündigung ist mangels vorheriger Zustimmung des<br />

Integrationsamts unwirksam.<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 7


Nach §§ 85, 90 Abs.1 Nr.1 SGB IX bedarf die Kündigung schwerbehinderter<br />

Arbeitnehmer der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts,<br />

wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des<br />

Zugangs der Kündigung ohne Unterbrechung mindestens sechs<br />

Monate bestanden hat. Wird das Arbeitsverhältnis allerdings<br />

allein auf Veranlassung des Arbeitgebers für einen verhältnismäßig<br />

kurzen Zeitraum unterbrochen, können auf die Wartezeit<br />

auch die Zeiten des früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben<br />

Arbeitgeber anzurechnen sein.<br />

Voraussetzung für eine solche Anrechnung ist, dass das neue<br />

Arbeitsverhältnis mit dem früheren Arbeitsverhältnis in einem<br />

engen sachlichen Zusammenhang steht. Ob dies der Fall ist,<br />

beurteilt sich maßgeblich nach dem Anlass und der Dauer der<br />

Unterbrechung sowie der Art der Weiterbeschäftigung.<br />

Nach diesen Grundsätzen war die sechsmonatige Wartezeit im<br />

Streitfall erfüllt. Das unbefristete Arbeitsverhältnis bestand zwar<br />

bei Zugang der Kündigung noch keine sechs Monate. Die Zeit<br />

des vorhergehenden befristeten Arbeitsverhältnisses war aber<br />

auf die Wartezeit anzurechnen. Denn zwischen diesen beiden<br />

Arbeitsverhältnissen bestand ein enger sachlicher Zusammenhang.<br />

Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte die Klägerin<br />

während der Schulferien nicht beschäftigt hat und der Einsatz<br />

an verschiedenen Schulen in verschiedenen Schulamtsbezirken<br />

erfolgt ist.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten<br />

des BAG veröffentlicht.<br />

- Für die Original-Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte<br />

hier.<br />

Unterstützungsstreiks können zulässig sein<br />

BAG 19.6.2007, 1 AZR 396/06<br />

Gewerkschaften dürfen grundsätzlich auch zu einem Streik aufrufen,<br />

der der Unterstützung eines in einem anderen Tarifgebiet<br />

geführten Hauptstreiks dient. Ein solcher Unterstützungsstreik<br />

muss allerdings - wie andere Arbeitskampfmaßnahmen auch<br />

- verhältnismäßig sein. Er ist daher rechtswidrig, wenn er zur<br />

Unterstützung des Hauptarbeitskampfs offensichtlich ungeeignet,<br />

nicht erforderlich oder unangemessen ist.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Druckereiunternehmen,<br />

das 60 Prozent seines Umsatzes aus dem Druck der Zeitung<br />

eines zum selben Konzern gehörenden Verlagshauses erzielt.<br />

Dort führte die beklagte Gewerkschaft ver.di Anfang 2004 einen<br />

Arbeitskampf, um den Abschluss eines neuen Tarifvertrags für<br />

Redakteure der Tageszeitungen zu erreichen. Die Beklagte rief<br />

die Mitarbeiter der Klägerin zur Unterstützung dieses Streiks<br />

auf, woraufhin 20 Arbeitnehmer der Klägerin für die Dauer einer<br />

Nachtschicht ihre Arbeit niederlegten.<br />

Durch diesen Unterstützungsstreik entstand der Klägerin ein<br />

Schaden in Höhe von 2.500 Euro. Diesen verlangte sie von der<br />

Beklagten ersetzt. Zur Begründung machte sie geltend, dass der<br />

Streik rechtswidrig gewesen sei, weil ihre Arbeitnehmer an den<br />

Ergebnissen des Arbeitskampfs nicht partizipierten und auch<br />

keine enge wirtschaftliche Verflechtung zur Verlagsgesellschaft<br />

bestanden habe.<br />

ArbG und LAG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten<br />

hob das BAG diese Entscheidungen auf und wies die Klage ab.<br />

Die Gründe:<br />

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz.<br />

Die Beklagte durfte die Mitarbeiter der Klägerin zu einem Unterstützungsstreik<br />

aufrufen. Die durch Art. 9 Abs.3 GG geschützte<br />

Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften umfasst auch das Recht,<br />

zu Streiks aufzurufen, die der Unterstützung eines in einem<br />

anderen Tarifgebiet geführten Hauptarbeitskampfs dienen. Art.<br />

9 Abs.3 GG schützt alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen<br />

und überlässt den Koalitionen daher auch die Wahl der Mittel,<br />

mit denen sie ihr Ziel erreichen wollen. Zu diesen Mitteln gehört<br />

auch der Unterstützungsstreik.<br />

Ein Unterstützungsstreik muss allerdings - wie andere Arbeitskampfmaßnahmen<br />

auch - verhältnismäßig sein. Er muss daher<br />

zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfs geeignet, erforderlich<br />

und angemessen sein. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt.<br />

Die Beklagte durfte den Unterstützungsstreik für geeignet und<br />

erforderlich zur Unterstützung ihres Hauptarbeitskampfs halten.<br />

Der Streik war unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der<br />

Klägerin auch nicht unangemessen.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten<br />

des BAG veröffentlicht.<br />

- Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.<br />

Beweislastumkehr im Kündigungsrecht gilt<br />

auch für Änderungskündigungen<br />

BAG 19.6.2007, 2 AZR 304/06<br />

Nach § 1 Abs.5 KSchG wird vermutet, dass Kündigungen durch<br />

betriebliche Erfordernisse bedingt sind, wenn ein Interessenausgleich<br />

mit Namensliste vorliegt. Diese Beweislastumkehr gilt<br />

auch für betriebsbedingte Änderungskündigungen. Außerdem ist<br />

auch in diesem Fall die Sozialauswahl - wie bei Beendigungskündigungen<br />

- nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin war seit 1993 bei der Beklagten in einem Bahnhof<br />

in Dresden beschäftigt. Mitte 2004 beschloss die Beklagte eine<br />

Umstrukturierung, die zu einem erheblichen Personalabbau führte,<br />

und vereinbarte in der Folgezeit mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich<br />

sowie eine Namensliste, die die zu kündigenden<br />

Arbeitnehmer – darunter auch die Klägerin – benannte.<br />

Mit Schreiben vom 27.10.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis<br />

mit der Klägerin zum 31.3.2005 und bot ihr gleichzeitig<br />

eine Weiterbeschäftigung als Servicemitarbeiterin in Dortmund<br />

an. Die Klägerin lehnte das Änderungsangebot ab. Mit ihrer Klage<br />

begehrte sie die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch<br />

die Kündigung nicht aufgelöst worden sei. Sie stützte die Klage in<br />

erster Linie darauf, dass die Beklagte keine dringenden betrieblichen<br />

Gründe für die Kündigung vorgetragen habe.<br />

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wirksam<br />

gekündigt. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass es keine<br />

dringenden betrieblichen Gründe für die Kündigung gab.<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 8


Im Kündigungsschutzprozess muss gemäß § 1 Abs.2 S.4 KSchG<br />

zwar grundsätzlich der Arbeitgeber die Tatsachen beweisen,<br />

die die Kündigung bedingen. Etwas anderes gilt aber, wenn die<br />

Kündigung aus Anlass einer Betriebsänderung erfolgt und der<br />

Arbeitgeber zuvor mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich<br />

mit Namensliste geschlossen hat. In diesem Fall wird gemäß §<br />

1 Abs.5 KSchG vermutet, dass die Kündigungen durch dringende<br />

betriebliche Gründe gerechtfertigt sind. Außerdem kann die<br />

Sozialauswahl dann nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft<br />

werden.<br />

Die Beweislastumkehr gemäß § 1 Abs.5 KSchG gilt auch für<br />

Änderungskündigungen aus Anlass einer Betriebsänderung,<br />

soweit ein Interessenausgleich samt Namensliste vorliegt.<br />

Zudem ist auch in diesem Fall die Sozialauswahl nur auf grobe<br />

Fehlerhaftigkeit zu überprüfen.<br />

Nach diesen Grundsätzen ist die Kündigung der Beklagten wirksam,<br />

da die Klägerin die gesetzliche Vermutung der Betriebsbedingtheit<br />

nicht widerlegen konnte. Sie hat auch keinen anderen<br />

freien Arbeitsplatz als den ihr angebotenen benannt. Zudem war<br />

die Sozialauswahl nicht grob fehlerhaft.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten<br />

des BAG veröffentlicht.<br />

- Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.<br />

Erst nachträglich erfolgte schriftliche Fixierung<br />

einer zuvor mündlich vereinbarten<br />

Befristung verstößt gegen das Schriftformerfordernis<br />

BAG 13.6.2007, 7 AZR 700/06<br />

Nach § 14 Abs.4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags<br />

zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Hierfür reicht es<br />

nicht aus, dass die Parteien die Befristung vor Arbeitsaufnahme<br />

lediglich mündlich vereinbaren und diese Vereinbarung erst nach<br />

Arbeitsaufnahme in einer schriftlichen Befristungsabrede fixieren.<br />

Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Inhalt der schriftlichen<br />

Befristungsabrede von der mündlichen Vereinbarung abweicht. In<br />

diesem Fall ist dem Schriftformerfordernis Genüge getan.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger hatte sich bei dem beklagten Krankenhaus-Betreiber<br />

um eine Stelle als Assistenzarzt in der Weiterbildung für Neurochirurgie<br />

beworben. Die Parteien einigten sich zunächst mündlich auf<br />

eine Befristung vom 23.2.2004 bis zum 22.2.2005. Am 23.2.2004<br />

nahm der Kläger seine Tätigkeit auf. Am 26.2.2004 schlossen die<br />

Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag, nach dem das Arbeitsverhältnis<br />

vom 23.2.2004 bis zum 19.2.2005 befristet sein sollte.<br />

Der Kläger verlangte mit seiner Klage die Feststellung, dass das<br />

Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung geendet habe, und<br />

begehrte seine Weiterbeschäftigung. Er hielt die Befristungsvereinbarung<br />

für unwirksam, weil sie erst nach Arbeitsantritt<br />

schriftlich vereinbart worden sei. ArbG und LAG gaben der Klage<br />

statt. Auf die Revision der Beklagten hob das BAG die Entscheidungen<br />

der Vorinstanzen auf und wies die Klage ab.<br />

Die Gründe:<br />

Die Parteien haben in dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom<br />

26.2.2004 eine dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs.4<br />

TzBfG genügende Befristung zum 19.2.2005 vereinbart. Eine<br />

Befristungsabrede ist zwar grundsätzlich unwirksam, wenn die<br />

Parteien - wie hier - zunächst nur mündlich die Befristung des<br />

Arbeitsvertrags vereinbaren. Etwas anderes gilt aber, wenn der<br />

nach Arbeitsaufnahme geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag<br />

diese mündliche Befristungsabrede nicht nur wiederholt, sondern<br />

einen anderen Inhalt als die mündliche Befristungsabrede<br />

hat. In diesem Fall enthält der Arbeitsvertrag eine eigenständige,<br />

dem Schriftformerfordernis genügende Befristung.<br />

Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall eine formwirksame<br />

Befristung vor. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom<br />

26.2.2004 ist nicht lediglich die bereits zuvor formunwirksam<br />

vereinbarte Befristung schriftlich niedergelegt worden. Denn die<br />

Parteien haben vor Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags<br />

keine mündliche oder konkludente Befristungsabrede zum<br />

19.2.2005 getroffen.<br />

Die Befristung ist durch einen der in § 1 Abs. 1 ÄArbVertrG<br />

genannten Sachgründe gerechtfertigt. Sie verstößt auch nicht<br />

gegen die sonstigen befristungsrechtlichen Bestimmungen des<br />

ÄarbVertrG und ist daher wirksam.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten<br />

des BAG veröffentlicht.<br />

- Für die Original-Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte<br />

hier.<br />

Sozialrecht<br />

Bundeskabinett bringt Lohnkostenzuschüsse<br />

für Langzeitarbeitslose auf den<br />

Weg<br />

Das Bundeskabinett hat am 13.6.2007 die Einführung von Lohnkostenzuschüssen<br />

für Langzeitarbeitslose und für junge Arbeitslose<br />

beschlossen. Wer Langzeitarbeitslose mit Vermittlungshemmnissen<br />

einstellt, soll danach einen Beschäftigungszuschuss<br />

in Höhe von bis zu 75 Prozent des Gehalts erhalten. Die Eingliederunsgzuschüsse<br />

für junge Arbeitslose sollen bis zu 50 Prozent<br />

des Bruttogehalts und maximal 1.000 Euro monatlich betragen.<br />

Entsprechende Gesetzentwürfe sollen in der kommenden Woche<br />

in den Bundestag eingebracht werden. Am 1.10.2007 sollen die<br />

Gesetze in Kraft treten.<br />

Die wesentlichen Inhalte der Gesetzentwürfe im Überblick:<br />

1. Beschäftigungszuschuss für Langzeitarbeitslose:<br />

Voraussetzungen: Der Beschäftigungszuschuss soll Arbeitgebern<br />

zustehen, die einen über 25-jährigen Langzeitarbeitslosen<br />

mit Vermittlungshindernissen einstellen. Vermittlungshindernisse<br />

liegen beispielsweise bei einer fehlenden beruflichen<br />

Qualifikation, gesundheitlichen Einschränkungen oder Schuldenproblemen<br />

vor. Der Zuschuss wird nur bewilligt, wenn die<br />

Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur mindestens sechs<br />

Monate lang erfolglos waren und eine Integration in den Arbeitsmarkt<br />

innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht zu erwarten ist.<br />

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Höhe: Der Beschäftigungszuschuss soll maximal 75 Prozent<br />

des gezahlten tariflichen beziehungsweise ortsüblichen Bruttoentgelts<br />

betragen. Außerdem wird der pauschalierte Anteil des<br />

Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzüglich<br />

des Beitrags zur Arbeitsförderung übernommen. Daneben können<br />

Kostenzuschüsse für eine begleitende Qualifizierung gezahlt<br />

werden. Die geförderte Beschäftigung unterliegt nicht der Versicherungspflicht<br />

zur Arbeitslosenversicherung.<br />

Dauer: Der Beschäftigungszuschuss soll als Ermessensleistung<br />

für in der Regel 24 Monate und bei weiterem Vorliegen der Fördervoraussetzungen<br />

auch wiederholt gewährt werden können.<br />

Ziele: Mit Hilfe des Beschäftigungszuschusses sollen bis Ende<br />

2009 etwa 100.000 Langzeitarbeitslose in sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigungsverhältnisse vermittelt werden.<br />

2. Eingliederungszuschüsse für unter 25-Jährige:<br />

Voraussetzungen: Der Eingliederungszuschuss soll Arbeitgebern<br />

zustehen, die unter 25-jährige Arbeitslose mit Berufsabschluss<br />

einstellen. Der Qualifizierungszuschuss zielt dagegen<br />

auf Jugendliche unter 25 Jahren ohne Berufsabschluss ab.<br />

Die Betroffenen müssen jeweils seit mindestens sechs Monaten<br />

arbeitslos gemeldet sein.<br />

Höhe: Beide Zuschüsse sollen Ermessensleistungen sein. Der<br />

Eingliederungszuschuss soll 25 bis 50 Prozent und der Qualifizierungszuschuss<br />

50 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts betragen,<br />

wobei hier 15 Prozent für die weitere berufliche Qualifizierung<br />

verwendet werden müssen. Die Förderung beläuft sich maximal<br />

auf 1.000 Euro monatlich.<br />

3. Einstiegsqualifizierung für junge Arbeitslose:<br />

Inhalt: Die Bundesregierung will außerdem die Förderung von<br />

jeweils 40.000 Plätzen bei der Einstiegsqualifizierung Jugendlicher<br />

für die kommenden drei Jahre sicherstellen.<br />

Voraussetzungen: Gefördert werden sollen Arbeitgeber, die<br />

eine betriebliche Einstiegsqualifizierung für Ausbildungsbewerber<br />

mit eingeschränkten Vermittlungsperspektiven oder Jugendliche<br />

mit unzureichender Ausbildungsbefähigung durchführen.<br />

Zur Zielgruppe der Förderung gehören auch lernbeeinträchtigte<br />

und sozial benachteiligte Jugendliche.<br />

Höhe: Neben einem Zuschuss in Höhe von 192 Euro soll ein<br />

pauschalierter Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag<br />

gezahlt werden.<br />

Dauer: Die Einstiegsqualifizierung soll für die Dauer von sechs<br />

bis zwölf Monate gefördert werden.<br />

4. Stärkere Begleitung von Jugendlichen:<br />

Außerdem soll eine Arbeitgeberförderung für die sozialpädagogische<br />

Begleitung und organisatorische Unterstützung bei der<br />

betrieblichen Berufsausbildung und Berufausbildungsvorbereitung<br />

eingeführt werden. Gefördert werden sollen Maßnahmen<br />

der sozialpädagogischen Begleitung, die die Integration benachteiligter<br />

Jugendlicher in den Arbeitsprozess stabilisieren. Außerdem<br />

sollen Klein- und Mittelbetriebe bei der Administration und<br />

Organisation der Berufsausbildung benachteiligter junger Menschen<br />

unterstützt werden.<br />

Linkhinweise:<br />

Die Vorschläge des Bundesarbeitsminsteriums (BMAS), so<br />

genannte Formulierungshilfen, sind auf den Webseiten des<br />

Bundesarbeitsminsteriums veröffentlicht.<br />

Die Formulierungshilfe für ein Zweites Gesetz zur Änderung des<br />

Zweiten Buches Sozialgesetzbuch finden Sie hier (PDF-Datei).<br />

Für die Formulierungshilfe für ein Viertes Gesetz zur Ände-<br />

rung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch klicken Sie bitte hier<br />

(PDF-Datei).<br />

Weiterführende Informationen des Bundesarbeitsminsteriums<br />

zur Einstiegsqualifizierung Jugendlicher finden Sie hier.<br />

Handels- und<br />

Gesellschaftsrecht<br />

Beteiligung an Filmfonds: Prospekte müssen<br />

eindeutig auf Risiko des Totalverlustes<br />

hinweisen<br />

BGH 14.6.2007, II ZR 185/05<br />

Anleger können gegen die Prospektverantwortlichen einen<br />

Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn der Prospekt (hier: für<br />

den Filmfonds der Vif Babelsberger Filmproduktion GmbH & Co.<br />

KG) keinen eindeutigen Hinweis auf das Risiko des Totalverlustes<br />

enthält. Gegebenenfalls kann sich der Schadensersatzanspruch<br />

auch gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft richten, die den<br />

Prospekt geprüft und hierüber einen Bericht verfasst hat.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Kläger beteiligten sich im Herbst 2000 an dem Filmfonds der<br />

Vif Babelsberger Filmproduktion GmbH & Co. KG. Der Prospekt<br />

enthielt in dem Abschnitt „Risiken der Beteiligung“ im Hinblick<br />

auf eine dort vorgenommene und mit einer Beispielsberechnung<br />

versehenen Restrisikobetrachtung (worst-case-Szenario) keinen<br />

ausdrücklichen Hinweis auf das Risiko des Totalverlustes.<br />

Im Jahr 2002 geriet die Fondsgesellschaft im Zusammenhang mit<br />

der Insolvenz ihrer Produktionsdienstleisterin in wirtschaftliche<br />

Schwierigkeiten. Es stellte sich heraus, dass die an die Produktionsdienstleisterin<br />

überwiesenen Gelder nicht zurückzuerlangen<br />

waren. Es waren auch keine Erlösausfallversicherungen abgeschlossen<br />

worden, mit denen die Risiken der Anleger eigentlich<br />

hätten begrenzt werden sollen.<br />

Die Kläger nahmen die beiden Beklagten wegen Prospektmängel<br />

auf Schadensersatz in Anspruch. Bei der Beklagten zu 1) handelt<br />

es sich um die Tochtergesellschaft einer international tätigen<br />

Großbank, die unter anderem für die Beratung der Fondsgesellschaft,<br />

die gesamte Koordination des Eigenkapitalvertriebs, die<br />

Erstellung des Prospektentwurfs und die Entgegennahme der<br />

Anlegergelder verantwortlich war. Die Beklagte zu 2) ist eine<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die den Prospekt geprüft und<br />

hierüber einen Bericht verfasst hat.<br />

Die Klagen auf Rückzahlung der Kommanditeinlagen Zug um<br />

Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung hatten<br />

in den Vorinstanzen keinen Erfolg, weil der Prospekt inhaltlich<br />

nicht zu beanstanden sei. Auf die Revision der Kläger hob der<br />

BGH die Vorentscheidungen auf und wies die Sachen zur erneuten<br />

Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsgerichte<br />

zurück. In zwei der drei Verfahren wies der BGH allerdings die<br />

gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klagen ab.<br />

Die Gründe:<br />

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen liegt im Streitfall<br />

ein Prospektmangel vor. Dieser liegt darin, dass der Prospekt<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 10


im Abschnitt „Risiken der Beteiligung“ keinen Hinweis darauf<br />

enthält, dass den Anlegern ein Risiko des Totalverlustes droht.<br />

Außerdem ist klärungsbedürftig, ob die Beklagte zu 1) bereits<br />

im Jahr 1999 wusste, dass bei einem Vorgängerfonds ebenfalls<br />

schon vor Abschluss einer Erlösausfallversicherung mit den Produktionen<br />

begonnen worden und der Abschluss der Einzelversicherungen<br />

letztenendes gescheitert war.<br />

Die Verfahren waren an die Berufungsgerichte zurückzuverweisen,<br />

damit diese weitere Festsellungen dazu treffen können, ob<br />

die Beklagte zu 1) als Mitinitiatorin, Hintermann oder wegen<br />

unerlaubter Handlung für die Prospektmängel verantwortlich<br />

gemacht werden kann.<br />

Hinichtlich der Beklagten zu 2) ist zwar eine Prospekthaftung<br />

als Garantin zu verneinen, da der Prospekt keine Erklärung der<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft enthält, sondern nur die Ankündigung,<br />

dass eine namhafte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit<br />

der Beurteilung des Prospekts beauftragt worden sei. Es kommt<br />

allerdings eine Haftung auf der Grundlage eines Vertrags mit<br />

Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht, soweit die Anleger<br />

den Prospektprüfungsbericht der Beklagten zu 2) vor ihrer<br />

Anlageentscheidung angefordert haben.<br />

Voraussetzung einer Haftung der Beklagten zu 2) ist, dass ihr<br />

Bericht für die Anlageentscheidung zumindest mitursächlich<br />

war. Insoweit reicht es nicht aus, dass der Anleger die allgemeine<br />

Vorstellung hatte, dass der Vertrieb das Gutachten zur Kenntnis<br />

nehmen und bei Bedenken von einer Vermittlung absehen werde.<br />

Daher waren die Klagen der Anleger, die von der Existenz des<br />

Gutachtens keine Kenntnis und über seinen Inhalt auch nicht mit<br />

dem Vermittler gesprochen hatten, abzuweisen.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten<br />

des BGH veröffentlicht.<br />

- Für die Pressemitteilung des BGH im Volltext klicken Sie hier.<br />

Bundesregierung plant Wagniskapitalbeteiligungsgesetz<br />

Die Bundesregierung will noch in diesem Sommer den Entwurf<br />

eines Wagniskapitalbeteiligungsgesetzes verabschieden. Dies<br />

geht aus einer am 22.6.2007 veröffentlichten Antwort der Bundesregierung<br />

auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor.<br />

Parallel hierzu soll das Gesetz über Unternehmensbeteiligungen<br />

novelliert werden. Außerdem ist ein Gesetz über die Begrenzung<br />

der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken geplant.<br />

Dreigleisige Strategie zur Förderung von Private Equity<br />

und Venture Capital<br />

Das federführende Bundesfinanzministerium hat in seinem Eckpunktepapier<br />

eine dreigleisige Strategie vorgestellt:<br />

1.) Die Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Wagniskapital<br />

an junge Unternehmen sollen erheblich verbessert und<br />

so Unternehmensgründungen gefördert werden. Diesem Zweck<br />

soll das neue Wagniskapitalbeteiligungsgesetz dienen.<br />

2.) Die Finanzierung des breiten Mittelstands mit Beteiligungskapital<br />

soll auch in Zukunft gewährleistet werden. Hierzu sollen<br />

die Regelungen des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungen<br />

flexibilisiert und an neue Entwicklungen angepasst werden.<br />

3.) Die mit der Tätigkeit der Finanzinvestoren verbundenen Risiken<br />

sollen begrenzt werden.<br />

Gesetzentwürfe für Sommer/Herbst 2007 geplant<br />

Die Verabschiedung des Wagniskapitalgesetzes und des Gesetzes<br />

über Unternehmensbeteiligungen durch das Bundeskabinett<br />

soll im Sommer 2007 erfolgen, so dass die Neuregelungen zum<br />

1.1.2008 in Kraft treten können. Der Entwurf eines Risikobegrenzungsgesetzes<br />

soll im Herbst/Winter 2007 vom Kabinett<br />

verabschiedet werden, so dass die Neuregelungen im Frühjahr<br />

2008 in Kraft treten können.<br />

Linkhinweis:<br />

Für den auf den Webseiten des Bundestags veröffentlichten<br />

Volltext der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage<br />

der FDP-Fraktion (BT-Drs.: 16/5590) klicken Sie bitte hier<br />

(PDF-Datei).<br />

EU-Rat hat Richtlinie über die Ausübung<br />

von Aktionärsrechten verabschiedet<br />

Der Rat der EU hat am 12.6.2007 die Richtlinie über die Ausübung<br />

bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten<br />

Gesellschaften verabschiedet. Mit der Neuregelung soll gebietsfremden<br />

Aktionären der rechtzeitige Zugang zu den Informationen<br />

über die Hauptversammlungen erleichtert werden. Außerdem<br />

soll die Ausübung der Stimmrechte ohne persönliche<br />

Anwesenheit auf der Hauptversammlung ermöglicht werden.<br />

Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie nun bis zum Sommer<br />

2009 in nationales Recht umsetzen.<br />

Die wichtigsten Inhalte der Richtlinie im Überblick:<br />

Mitteilungsfrist: Für die meisten Hauptversammlungen<br />

besteht künftig eine Mitteilungsfrist von mindestens 21 Tagen.<br />

Diese kann auf 14 Tage verringert werden, wenn die Aktionäre<br />

auf elektronischem Wege abstimmen können und die Hauptversammlung<br />

der Fristverkürzung zustimmt.<br />

Internet-Veröffentlichungen: Die Einladung und die vorzulegenden<br />

Unterlagen sind spätestens 21 Tage vor der Hauptversammlung<br />

im Internet zu veröffentlichen.<br />

Aktiensperre: Die Aktiensperre wird abgeschafft und in allen<br />

Mitgliedstaaten ein Stichtag eingeführt, der höchstens 30 Tage<br />

vor der Hauptversammlung liegen darf.<br />

Elektronische Hauptversammlung: Die Mitgliedstaaten müssen<br />

die etwaig bestehenden Hindernisse für die Teilnahme an der<br />

Hauptversammlung mit elektronischen Mitteln (einschließlich<br />

der elektronischen Abstimmung) beseitigen.<br />

Die Richtlinie sieht zudem Mindestanforderungen hinsichtlich<br />

der Frage-, Vorschlags- und Beschlussvorlagerechte vor. Außerdem<br />

werden die Beschränkungen hinsichtlich der Voraussetzungen<br />

für Stimmrechtsvertreter und die hohen Anforderungen an<br />

die Ernennung des Stimmrechtsvertreters abgeschafft. Des Weiteren<br />

müssen die Abstimmungsergebnisse künftig auf den Internetseiten<br />

des Emittenten veröffentlicht werden.<br />

Linkhinweise:<br />

- Auf den Webseiten der EU-Kommission sind umfangreiche<br />

Informationen zum Thema veröffentlicht.<br />

- Hier finden Sie auch den vorläufigen Text der Richtlinie<br />

(PDF-Datei).<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 11


Wettbewerbsrecht<br />

und Gewerblicher<br />

Rechtsschutz<br />

Lottogesellschaften dürfen Internetangebote<br />

vorläufig weiterhin regional begrenzen<br />

BGH 8.5.2007, KVR 31/06<br />

Der landesrechtliche Erlaubnisvorbehalt für den Internetvertrieb<br />

staatlicher Lottogesellschaften bleibt vorläufig bestehen. Der<br />

Internetvertrieb über die Landesgrenzen hinaus darf allerdings<br />

nur aus ordnungsrechtlichen und nicht aus wettbewerblichen<br />

Gründen untersagt werden. Soweit die Länder ihre Zustimmung<br />

zu einem überregionalen Tätigwerden auch untersagen können,<br />

um Wettbewerb unter den Lottogesellschaften zu unterbinden,<br />

verstößt der Lotto-Staatsvertrag gegen europäisches Recht.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Das Bundeskartellamt hatte den Lottogesellschaften der Bundesländer<br />

mit sofortiger Wirkung untersagt, bei der Ausdehnung<br />

ihres Internetvertriebs den Erlaubnisvorbehalt gemäß §<br />

5 Abs.3 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland<br />

zu beachten. Hiernach dürfen die Lottogesellschaften in einem<br />

anderen Bundesland nur mit Zustimmung von dessen Behörden<br />

tätig werden. Diese Regelung wird von § 2 des Blockvertrags<br />

der Lottogesellschaften flankiert, wonach die Tätigkeit jeder<br />

Lottogesellschaft auf das Gebiet des jeweiligen Bundeslandes<br />

beschränkt ist.<br />

Die Lottogesellschaften haben gegen die Untersagungsverfügung<br />

Beschwerde eingelegt und beantragt, einstweilig die aufschiebende<br />

Wirkung der Beschwerde anzuordnen, damit das<br />

Verbot bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit<br />

nicht vollzogen werden kann. Das OLG hat den Eilantrag<br />

überwiegend abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde<br />

hatte teilweise Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Es ist zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das OLG<br />

einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln des Gemeinschaftsrechts<br />

bejaht hat, weil die Länder nach § 5 Abs.3 des Staatsvertrags<br />

ihre Zustimmung zu einem überregionalen Tätigwerden<br />

auch untersagen können, um Wettbewerb unter den Lottogesellschaften<br />

zu unterbinden. Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung<br />

ist aber insoweit ernstlich zweifelhaft, als die Bundesländer<br />

danach die Tätigkeit von fremden Lottogesellschaften<br />

auch nicht aus ordnungsrechtlichen Gründen präventiv untersagen<br />

dürfen.<br />

Ein präventives Verbot aus ordnungsrechtlichen Gründen ist<br />

gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Hierin liegt kein Verstoß<br />

gegen die gemeinschaftsrechtlich geschützte Niederlassungs-<br />

oder Dienstleistungsfreiheit, da diese Grundfreiheiten nur zwischen<br />

den Mitgliedstaaten gelten und nicht im Verhältnis zwischen<br />

staatlichen Lottogesellschaften eines Mitgliedstaats.<br />

Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf Seiten<br />

der Länder berechtigte ordnungspolitische Gründe bestehen, den<br />

Internetvertrieb durch Lottogesellschaften aus anderen Bundesländern<br />

von vornherein zu verbieten oder einzuschränken.<br />

Auch steht derzeit noch nicht fest, ob ein staatliches Monopol für<br />

Glücksspiele und Lotterien gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt.<br />

So lange ein solcher Verstoß nicht festgestellt ist, dürfen<br />

sich die Länder im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit<br />

für oder gegen ein solches Monopol entscheiden und dieses dann<br />

auch präventiv durchsetzen.<br />

Nach diesen Grundsätzen dürfen die Länder autonom entscheiden,<br />

ob sie ihren Internetvertrieb auf andere Bundesländer ausdehnen<br />

und eine entsprechende Genehmigung einholen wollen.<br />

Die Genehmigung darf allerdings nur aus ordnungspolitischen<br />

und nicht aus wettbewerblichen Gründen untersagt werden.<br />

Der Hintergrund:<br />

Inzwischen hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 8.6.2007<br />

(Az.: VI-Kart 15/06 (V)) auch in der Hauptsache über die<br />

Beschwerde der Lottogesellschaften entschieden und dabei die<br />

Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts im Wesentlichen<br />

bestätigt. Die Lottogesellschaften können hiergegen Rechtsbeschwerde<br />

zum BGH einlegen.<br />

Linkhinweise:<br />

Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten<br />

des BGH veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des<br />

BGH klicken Sie bitte hier.<br />

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 8.6.2007 ist in der<br />

Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW unter www.nrwe.<br />

de veröffentlicht. Um direkt zu dem Volltext der Entscheidung<br />

zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Auskunftsverlangen der Bundesnetzagentur<br />

gegenüber Gasnetzbetreibern war<br />

rechtmäßig<br />

BGH 19.6.2007, KVR 16/06 u.a.<br />

Die Bundesnetzagentur durfte von den Betreibern von Gasversorgungsnetzen<br />

Auskünfte über ihre Netzstrukturen und Kosten<br />

verlangen. Die Datenerhebung diente der Vorbereitung eines<br />

Berichts zur Einführung der Anreizregulierung, den die Bundesnetzagentur<br />

der Bundesregierung bis zum 1.7.2006 vorlegen<br />

musste. Das Auskunftsverlangen war verhältnismäßig und durfte<br />

sich auch auf Geschäftsgeheimnisse beziehen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um mehrere Betreiber<br />

von Gasversorgungsnetzen. Sie waren - wie alle anderen<br />

Gasversorgungsnetzbetreiber auch - im Dezember 2005 Adressaten<br />

einen Auskunftsverlangens der Bundesnetzagentur über<br />

ihre Netzstrukturen und Kosten. Die Bundesnetzagentur hatte<br />

das Auskunftsverlangen nicht einzeln zugestellt, sondern in<br />

ihrem Amtsblatt veröffentlicht.<br />

Grund für das Auskunftsverlangen war die gemäß § 112 Abs.1<br />

S.1 EnWG bestehende Verpflichtung der Bundesnetzagentur, der<br />

Bundesregierung bis zum 1.7.2006 einen Bericht zur Einführung<br />

der Anreizregulierung nach § 21a EnWG vorzulegen und die zur<br />

Vorbereitung des Berichts erforderlichen Maßnahmen zu treffen.<br />

Nachdem das OLG Düsseldorf die Eilanträge gegen das Auskunftsverlangen<br />

zurückgewiesen hatte, übermittelten die<br />

Beschwerdeführer die verlangten Daten. Am 28.7.2006 wies das<br />

OLG die Beschwerden zurück, woraufhin die Bundesnetzagentur<br />

wenige Tage später ihren (End-)Bericht nach § 112a EnWG<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 12


veröffentlichte. Die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung<br />

des OLG hatte ebenfalls keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Das Auskunftsverlangen der Bundesnetzagentur war rechtmäßig.<br />

Zwar hätte die Bundesnetzagentur die Auskunftsverfügung nach<br />

den Vorschriften des VwZG zustellen müssen. Hiernach lagen<br />

die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vor,<br />

da die Bundesnetzagentur nicht geltend gemacht hat, dass sie<br />

nicht in der Lage gewesen wäre, die Adressen der Betroffenen<br />

zu ermitteln. Dieser Zustellungsmangel ist jedoch gemäß § 9<br />

VwZG a.F. (jetzt: § 8 VwZG) als geheilt anzusehen, weil die<br />

betroffenen Betreiber der Gasversorgungsnetze das Amtsblatt<br />

mit der Auskunftsverfügung erhalten und die Verfügung zur<br />

Kenntnis genommen haben.<br />

Das Auskunftsverlangen war auch materiell rechtmäßig. Die Bundesnetzagentur<br />

war befugt, die zur Vorbereitung des Berichts nach<br />

§ 112 Abs.1 S.1 EnWG erforderlichen Auskünfte einzuholen. Die<br />

verlangten Auskünfte gingen auch nicht über das hinaus, was<br />

angesichts des Zwecks der Untersuchung erforderlich war. Das<br />

gilt auch, soweit die geforderten Auskünfte Geschäftsgeheimnisse<br />

umfassten. Hierin lag keine Verletzung der durch Art. 12 Abs.1<br />

GG geschützten Berufsfreiheit, da der Gesetzgeber dem Geheimhaltungsbedürfnis<br />

der Befragten durch eine Reihe gesetzlicher<br />

Bestimmungen hinreichend Rechnung getragen hat.<br />

Die Bundesnetzagentur war zudem berechtigt, die Auskünfte<br />

auch von überregionalen Gasfernleitungsnetzbetreibern verlangen,<br />

die für sich in Anspruch nehmen, selbst wirksamem Wettbewerb<br />

ausgesetzt und daher nicht Adressaten der Regulierung<br />

zu sein. Denn die Behörde durfte sich im Interesse einer validen<br />

Datenbasis an alle Unternehmen wenden, die ihr die erforderlichen<br />

Auskünfte geben konnten. Außerdem war zum Zeitpunkt<br />

der Auskunftsanordnung noch nicht geklärt, welche Fernleitungsnetzbetreiber<br />

zu einem überwiegenden Teil wirksamem<br />

Wettbewerb ausgesetzt waren.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten<br />

des BGH veröffentlicht.<br />

- Für die Pressemitteilung des BGH im Volltext klicken Sie hier.<br />

Gebühren und Kosten<br />

Niederlage für so genannte „Berufsaktionäre“:<br />

Nebenintervenienten profitieren nicht<br />

von Kostenvergleich der Hauptparteien<br />

BGH 18.6.2007, II ZB 23/06<br />

Einigt sich der klagende Aktionär mit der beklagten Gesellschaft<br />

darauf, dass er die Klage zurücknimmt und die Beklagte im<br />

Gegenzug alle Gerichts- und Rechtsanwaltskosten trägt, so gilt<br />

diese Kostenregelung nicht gleichermaßen für einen als Nebenintervenienten<br />

aufgetretenen weiteren Aktionär. Der Grundsatz<br />

der Kostenparallelität findet bei der streitgenössischen Nebenintervention<br />

keine Anwendung. Der Nebenintervenient muss seine<br />

Rechtsanwaltskosten daher selbst tragen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger ist Aktionär der beklagten Aktiengesellschaft. Er<br />

hatte sich mit seiner Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen<br />

einen Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten gewandt.<br />

Ein weiterer Aktionär der Beklagten war dem Rechtsstreit als<br />

Nebenintervenient auf Seiten des Klägers beigetreten.<br />

Nachdem der Kläger und die Beklagte einen Vergleich geschlossen<br />

hatten, mit dem sich der Kläger zur Rücknahme der Klage<br />

und die Beklagte zur Übernahme der dem Kläger entstandenen<br />

Gerichts- und Rechtsanwaltskosten verpflichtet hatte, beantragte<br />

der Nebenintervenient, auch seine Rechtsanwaltskosten der<br />

Beklagten aufzuerlegen. Das LG lehnte diesen Antrag ab; das<br />

OLG gab ihm statt. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde<br />

der Beklagten hatte Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Der Nebenintervenient muss seine Rechtsanwaltskosten selbst tragen.<br />

Entgegen der Auffassung des OLG findet der Grundsatz der<br />

Kostenparallelität, wonach der Streithelfer kostenrechtlich ebenso<br />

zu behandeln ist wie die von ihm unterstützte Hauptpartei, im<br />

Streitfall keine Anwendung. Der Grundsatz gilt nur für die einfache<br />

Streitgenossenschaft und kann nicht auch auf die hier vorliegende<br />

streitgenössische Nebenintervention angewandt werden.<br />

Mit einer derartigen Ausdehnung des Grundsatzes der Kostenparallelität<br />

würden die durch §§ 69, 62 ZPO vorgegebenen grundlegenden<br />

Unterschiede zwischen der einfachen und der notwendigen<br />

Streitgenossenschaft übergangen. Mehrere Aktionäre, die<br />

Hauptversammlungsbeschlüsse gerichtlich angreifen wollen,<br />

sind wegen der in diesen Klageverfahren für und gegen alle Mitglieder<br />

der Gesellschaft eintretenden Urteilswirkungen notwendige<br />

Streitgenossen.<br />

Für notwendige Streitgenossen sieht das Gesetz in §§ 101 Abs.2,<br />

100 ZPO eine von der für die einfachen Streitgenossen geltende<br />

abweichende Kostenregelung vor. Diese betrifft explizit zwar<br />

nur den Fall des Unterliegens der Hauptpartei. Soweit diese Sonderregelung<br />

nicht greift, gelten aber die allgemeinen Kostenregelungen.<br />

Dies ist hier § 269 ZPO, wonach die Kosten einer<br />

zurückgenommenen Klage vom Kläger zu tragen sind.<br />

Anmerkung:<br />

Nach diesem Beschluss des BGH können Nebenintervenienten<br />

von so genannten „Berufsaktionären“, deren Mitwirkung sich oft<br />

auf eine schlichte Bestellung auf Seiten des Klägers und eine<br />

Bezugnahme auf dessen Schriftsätze beschränkt, in Zukunft<br />

nicht mehr erwarten, an einem Vergleich der Hauptparteien in<br />

Form der Vereinnahmung von <strong>Anwalt</strong>shonoraren „verdienen“ zu<br />

können.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den<br />

Webseiten des BGH veröffentlicht.<br />

- Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 13


Verwaltungs- und<br />

Verfassungsrecht<br />

Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären<br />

sind verfassungsgemäß<br />

BVerfG 30.5.2007, 1 BvR 390/04<br />

Die Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären<br />

(„Squeeze-out“) gemäß den §§ 327a ff. AktG sind verfassungsrechtlich<br />

nicht zu beanstanden. Das gilt auch, soweit der<br />

Hauptaktionär im Freigabeverfahren trotz Anfechtungsklage der<br />

Minderheitsaktionäre die Eintragung des Übertragungsbeschlusses<br />

in das Handelsregister erreichen kann. Ohne das Freigabeverfahren<br />

bestünde die Gefahr, dass das „Squeeze-out“ weitgehend<br />

wirkungslos bliebe.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Beschwerdeführer waren Minderheitsaktionäre einer börsennotierten<br />

Aktiengesellschaft. Auf Antrag des Hauptaktionärs,<br />

der 98,36 Prozent des Kapitals hielt, beschloss die Gesellschaft<br />

den Ausschluss der Minderheitsaktionäre. Hiergegen erhoben<br />

die Beschwerdeführer Anfechtungsklage. Daraufhin erwirkte<br />

die Gesellschaft im Wege des Freigabeverfahrens einen gerichtlichen<br />

Beschluss über die vorzeitige Eintragung des Ausschlusses<br />

in das Handelsregister.<br />

Mit ihrer hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerde machten<br />

die Beschwerdeführer geltend, dass sie durch die Vorschriften<br />

des AktG über den Ausschluss von Minderheitsaktionären<br />

in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs.1 GG verletzt<br />

würden. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur<br />

Entscheidung an.<br />

Die Gründe:<br />

Die Vorschriften in den §§ 327a ff. AktG über den Ausschluss<br />

von Minderheitsaktionären auf Antrag eines Hauptaktionärs, der<br />

mindestens 95 Prozent des Grundkapitals der Gesellschaft hält,<br />

sind verfassungsgemäß.<br />

Die Vorschriften verletzen insbesondere nicht das Eigentumsrecht<br />

der Minderheitsaktionäre. Der Gesetzgeber mit den Regelungen<br />

den legitimen Zweck, den Hauptaktionär vor einer<br />

Behinderung der Unternehmensführung durch die Minderheitsaktionäre<br />

zu schützen. Diese können unternehmerischen Entscheidungen<br />

zwar regelmäßig nicht verhindern, aber erheblich<br />

verzögern. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der von<br />

privaten Anlegern mit Kleinstbesitz erhobenen Anfechtungsklagen<br />

seit Anfang der 1980er Jahre signifikant angestiegen ist.<br />

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Kleinstbeteiligungen<br />

typischerweise eher eine Kapitalanlage als eine unternehmerische<br />

Beteiligung darstellen. Der Gesetzgeber durfte daher die<br />

Schutzvorkehrungen zugunsten der Minderheitsaktionäre auf<br />

die vermögensrechtliche Komponente der Anlage beschränken.<br />

Insoweit gewährleisten die angegriffenen Regeln einen angemessenen<br />

Wertersatz. Dies wird insbesondere durch die Überprüfung<br />

der Angemessenheit der Abfindung durch einen Sachverständigen<br />

und die Möglichkeit der Überprüfung dieser Einschätzung<br />

im Spruchverfahren gewährleistet.<br />

Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass<br />

der Hauptaktionär trotz einer Anfechtungsklage im Freigabeverfahren<br />

die vorzeitige Handelsregistereintragung erreichen und<br />

damit die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses herbeiführen<br />

kann. Ohne ein solches Freigabeverfahren bestünde die<br />

Gefahr, dass das „Squeeze-out“ weitgehend wirkungslos bliebe,<br />

da Minderheitsaktionäre weiterhin in der Lage wären, die<br />

Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen durch die Erhebung<br />

von Anfechtungsklagen zu verzögern.<br />

Linkhinweis:<br />

Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BVerfG veröffentlicht.<br />

Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Abschiebungshaft ist ausschließlich zu<br />

Sicherung der Abschiebung zulässig<br />

BVerfG 16.5.2007, 2 BvR 2106/05<br />

Gerichte dürfen keine Fortdauer der Abschiebehaft anordnen,<br />

wenn dies allein dem Zweck dient, die Wiedereinreise des<br />

Ausländers zu verhindern. Gemäß § 62 AufenthaltsG darf die<br />

Abschiebungshaft ausschließlich der Sicherung der Abschiebung<br />

dienen. Die Anwendung dieser Vorschrift auf andere Fallkonstellationen<br />

verstößt gegen das Grundrecht auf Freiheit der<br />

Person.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der in Deutschland geborene Beschwerdeführer ist spanischer<br />

Staatsangehöriger. Nach seiner Ausweisung 1997 war er wieder<br />

in die Bundesrepublik eingereist. In der Folgezeit war er rund<br />

fünfzehn Mal abgeschoben worden. Die zuletzt vom AG im Februar<br />

2005 angeordnete Abschiebungshaft dauerte drei Monate.<br />

Der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, dass die Dauer<br />

der Abschiebungshaft wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsverbot<br />

rechtswidrig gewesen sei. Seinen Antrag auf Feststellung<br />

der Rechtswidrigkeit lehnte das AG ab und begründete<br />

dies damit, dass die Ausländerbehörde zusammen mit dem spanischen<br />

Generalkonsulat versucht habe, dem Beschwerdeführer<br />

in Spanien einen Aufenthaltsort zu vermitteln. Aus diesem<br />

Grund sei eine sofortige Abschiebung nicht möglich gewesen.<br />

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hatte<br />

vor dem OLG keinen Erfolg. Das OLG wies zwar darauf hin,<br />

dass die Abschiebungshaft grundsätzlich nur zur Sicherung der<br />

Abschiebung zulässig sei. Hier hätten aber wegen der Bemühungen<br />

der Ausländerbehörde besondere Umstände vorgelegen, die<br />

eine Ausnahme rechtfertigten. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde<br />

war erfolgreich.<br />

Die Gründe:<br />

Die angegriffenen Entscheidung verletzen den Beschwerdeführer<br />

in seinem durch Art.2 Abs.2 S.2 in Verbindung mir Art. 104<br />

Abs.1 S.1 GG geschützten Grundrecht auf Freiheit der Person.<br />

Gemäß § 62 AufenthaltsG darf die Abschiebungshaft ausschließlich<br />

der Sicherung der Abschiebung dienen. Die Gerichte waren<br />

nicht berechtigt, die Abschiebungshaft auch auf andere Fallkonstellationen<br />

(zur Verhinderung weiterer illegaler Einreisen des<br />

Beschwerdeführers) auszudehnen. Denn nach Art. 104 Abs.1 S.1<br />

GG darf die Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen<br />

Gesetzes beschränkt werden und muss eine Freiheitsentziehung<br />

zu jedem Zeitpunkt von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt<br />

sein. Dies verbietet eine entsprechende Anwendung von § 62<br />

AufenthaltsG auf nicht im Gesetz geregelte Fälle.<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 14


Linkhinweis:<br />

- Für die auf den Webseiten des BVerfG veröffentlichte Entscheidung<br />

klicken Sie bitte hier.<br />

Steuerrecht<br />

Übernahme von Unfallkosten durch Arbeitgeber:<br />

Keine Abgeltung durch Ein-Prozent-<br />

Regelung<br />

BFH 24.5.2007, VI R 73/05<br />

Verursacht ein Arbeitnehmer mit einem auch zur privaten Nutzung<br />

überlassenen Firmenwagen einen Unfall, so werden die<br />

Unfallkosten von der Ein-Prozent-Regelung nicht erfasst. Die<br />

Kosten stellen daher bei einem Verzicht des Arbeitgebers auf<br />

Schadensersatz einen geldwerten Vorteil dar. Dieser führt allerdings<br />

nur dann zu einer höheren Einkommensteuerbelastung,<br />

wenn die Begleichung der Schadensersatzforderung nicht zum<br />

Werbungskostenabzug berechtigen würde.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger erzielte im Streitjahr 1997 Einkünfte aus nichtselbständiger<br />

Arbeit aus einer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer<br />

einer GmbH. Diese hatte ihm einen Firmenwagen überlassen,<br />

den er auch zu privaten Zwecken nutzen durfte. Im April<br />

1997 verursachte er mit dem Firmenwagen unter Alkoholeinfluss<br />

einen Unfall, der zum Totalschaden führte. Die GmbH verzichtete<br />

insoweit gegenüber dem Kläger auf Schadensersatz.<br />

Das Finanzamt erfasste die Differenz zwischen dem Zeitwert<br />

des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt und dem nach dem Unfall<br />

erzielten Verkaufserlös als steuerpflichtiges Arbeitseinkommen.<br />

Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem FG Erfolg. Das FG<br />

begründete seine Entscheidung damit, dass dem Kläger durch<br />

den Verzicht der GmbH auf die Geltendmachung der Schadensersatzforderung<br />

kein zusätzlicher Arbeitslohn zugeflossen sei.<br />

Die Unfallkosten würden vielmehr bereits durch die Ein-Prozent-Regelung<br />

abgegolten.<br />

Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH die Vorentscheidung<br />

auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung<br />

an das FG zurück.<br />

Die Gründe:<br />

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die streitigen<br />

Unfallkosten von der Ein-Prozent-Regelung gemäß §§ 8 Abs.2<br />

S.2, 6 Abs.1 Nr.4 S.2 EStG erfasst werden. Hierdurch werden<br />

nur solche Kosten abgegolten, die unmittelbar durch das Halten<br />

und den Betrieb des auch zur privaten Nutzung überlassenen Firmenwagens<br />

veranlasst sind und typischerweise bei seiner Nutzung<br />

anfallen. Dazu zählen Unfallkosten nicht.<br />

Verzichtet der Arbeitgeber daher - wie hier – nach einem vom<br />

Arbeitnehmer verursachten Unfall auf Schadensersatz, so stellt<br />

dies einen zusätzlichen geldwerten Vorteil dar, der als steuerpflichtiger<br />

Arbeitslohn zu erfassen ist. Ein solcher Vorgang führt<br />

allerdings nur dann zu einer Steuererhöhung, wenn und soweit<br />

die Begleichung der Schadensersatzforderung durch den Arbeitnehmer<br />

nicht zum Werbungskostenabzug berechtigen würde.<br />

Ein Werbungskostenabzug kommt selbst bei einem grob fahrlässigen<br />

oder vorsätzlichen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften in<br />

Betracht. Er scheidet jedoch aus, wenn das auslösende Moment<br />

für den Unfall die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Arbeitnehmers<br />

war. Hierzu hat das FG – aus seiner Sicht konsequent<br />

– bislang keine Feststellungen getroffen. Die Sache war daher<br />

zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG<br />

zurückzuverweisen.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BFH veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Provisionen selbständiger Kreditvermittler<br />

können umsatzsteuerfrei sein<br />

EuGH 21.6.2007, C-453/05<br />

Provisionen, die ein selbständiger Kreditvermittler von einer<br />

Finanzdienstleistungsgesellschaft dafür erhält, dass er einen<br />

Kredit zwischen dem Kunden und einer Bank vermittelt, sind<br />

umsatzsteuerfrei, wenn die Vermittlung der Kredite die Hauptleistung<br />

darstellt. Die Steuerbefreiung setzt keine vertraglichen<br />

Beziehungen des Kreditvermittlers zu den Parteien des Kreditvertrags<br />

voraus. Der Kreditvermittler muss auch nicht mit beiden<br />

Parteien des Kreditvertrags unmittelbar in Kontakt treten.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger war als selbständiger Kreditvermittler und Vermögensberater<br />

für eine Finanzdienstleistungsgesellschaft, die Deutsche<br />

Vermögensberatung AG (DVAG), tätig. Er nahm Kontakt<br />

mit Kreditinteressenten auf, analysierte ihre Finanzsituation<br />

und unterbreitete ihnen gegebenenfalls ein Kreditangebot, das<br />

die DVAG zuvor mit einer Bank ausgehandelt hatte. Für jeden<br />

Abschluss eines Kreditvertrags zahlte die Bank der DVAG eine<br />

Provision. Diese wiederum zahlt dem Kläger eine Provision. Für<br />

die Kunden war die Kreditvermittlung kostenlos.<br />

Das Finanzamt hielt die Provisionen für umsatzsteuerpflichtig<br />

und erließ entsprechende Steuerbescheide. Dies begründete es<br />

damit, dass Provisionen für die Vermittlung von Krediten nach<br />

der Rechtsprechung des BFH nur dann steuerfrei seien, wenn<br />

der Kreditvermittler mit dem Kreditnehmer oder der Bank einen<br />

Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen habe. Hieran fehle<br />

es im Streitfall.<br />

Auf die hiergegen gerichtete Klage setzte das FG das Verfahren<br />

aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor,<br />

ob in der hier vorliegenden Konstellation eine steuerfreie Kreditvermittlung<br />

vorliegen kann. Der EuGH bejahte dies.<br />

Die Gründe:<br />

Eine steuerfreie Vermittlung von Krediten im Sinn von Art. 13<br />

Teil B Buchst. d Nr.1 der Sechsten Richtlinie kann auch vorliegen,<br />

wenn der Kreditvermittler - wie hier - lediglich in vertraglichen<br />

Beziehungen zum Hauptvermittler steht und mit der kreditgebenden<br />

Bank nicht unmittelbar in Kontakt tritt.<br />

Im Streitfall steht der Steuerbefreiung nicht entgegen, dass der<br />

Kläger nicht nur Kredite vermittelt, sondern die Kunden auch in<br />

Bezug auf ihre Finanzsituation beraten hat. Die Vermittlungsleistung<br />

ist hier als Hauptleistung und die Beratung als bloße Nebenleistung<br />

anzusehen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleis-<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 15


tung teilt. Denn der Kläger hat nur dann eine Vergütung erhalten,<br />

wenn er einen Kredit vermittelt hat. Die Kreditvermittlung stellte<br />

auch für die Kunden und für die Bank die entscheidende Leistung<br />

dar, die durch die Beratung lediglich vorbereitet wurde.<br />

Eine Kreditvermittlung im Sinn von Art. 13 Teil B Buchst. d<br />

Nr.1 der Sechsten Richtlinie setzt auch keinen Geschäftsbesorgungsvertrag<br />

des Kreditvermittlers mit dem Kreditnehmer oder<br />

der Bank voraus. Die von der Steuer befreiten Umsätze werden<br />

lediglich durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht<br />

durch die Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert. Auf<br />

diese wird in der Vorschrift in keiner Weise Bezug genommen.<br />

Folglich hängt die Steuerbefreiung nicht davon ab, dass ein Vertragsverhältnis<br />

zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung<br />

und einer Partei des Kreditvertrags besteht.<br />

Die Steuerbefreiung setzt zudem nicht voraus, dass der Kreditvermittler<br />

als Untervertreter des Hauptvertreters mit beiden Parteien<br />

des Kreditvertrags unmittelbar in Kontakt tritt.<br />

Der Hintergrund:<br />

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom<br />

9.10.2003, Az.: V R 5/03) liegt eine steuerfreie Kreditvermittlung<br />

nur vor, wenn die Leistung an eine Partei des Kreditvertrags<br />

(Kreditgeber oder Kreditnehmer) erbracht und von dieser<br />

als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Der BFH setzt<br />

danach einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen<br />

dem Kreditvermittler und dem Kreditgeber oder Kreditnehmer<br />

voraus. Dem ist der EuGH im Streitfall entgegengetreten.<br />

Linkhinweise:<br />

- Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext<br />

der EuGH-Entscheidung klicken sie bitte hier.<br />

- Den auf den Webseiten des BFH veröffentlichten Volltext<br />

des BFH-Urteils vom 9.10.2003 (Az.: V R 5/03) finden Sie<br />

hier.<br />

Vorlage an den EuGH: Verstößt die „doppelte<br />

Buchwertverknüpfung“ beim grenzüberschreitenden<br />

Anteilstausch gegen das<br />

EU-Recht?<br />

BFH 7.3.2007, I R 25/05<br />

Der BFH hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt,<br />

ob die „doppelte Buchwertverknüpfung“ beim grenzüberschreitenden<br />

Tausch von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft<br />

gemäß § 20 Abs.4 S.1 UmwStG 1995 gegen das Gemeinschaftsrecht<br />

verstößt. Inlands- und Auslandssachverhalte werden insoweit<br />

zwar gleichbehandelt. Der BFH hält aber dennoch einen<br />

Verstoß gegen die EU-Fusions-Richtlinie und die Grundfreiheiten<br />

des EG-Vertrags für möglich.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Die Klägerin ist eine inländische AG. Sie hielt im Streitjahr 2000<br />

89,5 Prozent der Anteile an der inländischen C-GmbH. Im April<br />

2000 brachte die Klägerin diese Beteiligung gegen Gewährung<br />

einer bestimmten Anzahl neuer Aktien im Wege der Kapitalerhöhung<br />

in eine französische société anonyme, die C-S.A. ein.<br />

Die erworbenen Aktien, deren Börsenkurs in der Folgezeit stark<br />

absank, mussten aufgrund börsenaufsichtsrechtlicher Verpflichtungen<br />

binnen fünf Jahren veräußert werden.<br />

Da die Anteile der C-GmbH von der C-S.A. in der Handels- und<br />

Steuerbilanz nicht mit dem Buchwert der Anteile, sondern mit<br />

deren im Einbringungsvertrag angesetzten Verkehrswert angesetzt<br />

wurden, verweigerte das Finanzamt der Klägerin unter Hinweis<br />

auf § 23 Abs.4 S.1 und § 20 Abs.4 S.1 UmwStG 1995 die<br />

Fortführung der Buchwerte, sah den Einbringungsvorgang als<br />

steuerpflichtig an und besteuerte dementsprechend einen Einbringungsgewinn<br />

in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen<br />

den ursprünglichen Anschaffungskosten und dem Verkehrswert.<br />

Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG statt. Auf die Revision<br />

des Finanzamts setzte der BFH das Verfahren aus und<br />

legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die<br />

„doppelte Buchwertverknüpfung“ beim grenzüberschreitenden<br />

Tausch von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gemäß § 20<br />

Abs.4 S.1 UmwStG 1995 gegen die EU-Fusions-Richtlinie oder<br />

gegen die durch Art. 43 und Art. 56 EG geschützten Grundfreiheiten<br />

verstößt.<br />

Die Gründe:<br />

Nach deutschem Recht wäre die Klage abzuweisen, da der übernehmenden<br />

Kapitalgesellschaft im Streitjahr bei einem Anteilstausch<br />

grundsätzlich ein Wahlrecht zustand, ob sie die eingebrachten<br />

Anteile mit ihren Buchwerten oder mit höheren Werten<br />

ansetzen wollte. Dabei war gemäß § 20 Abs.4 S.1 UmwStG 1995<br />

ein übereinstimmender Wertansatz sowohl beim Einbringenden<br />

als auch beim Übernehmenden erforderlich. Beim Ansatz der<br />

Buchwerte sollte dadurch sichergestellt werden, dass die stillen<br />

Reserven in den Anteilen jedenfalls einmal besteuert wurden<br />

(„doppelte Buchwertverknüpfung“).<br />

Es ist zweifelhaft, ob diese „doppelte Buchwertverknüpfung“<br />

mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Inlands- und Auslandseinbringungen<br />

werden insoweit zwar gleichbehandelt. Es<br />

liegt aber dennoch möglicherweise ein Verstoß gegen die Fusions-Richtlinie<br />

der EU sowie gegen die Niederlassungsfreiheit<br />

gemäß Art.43 und die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art.56 EG<br />

vor.<br />

Der Hintergrund:<br />

Die Streitfrage ist nur noch für Altfälle von Bedeutung, da im<br />

neuen UmwStG vom 7.12.2006 die „doppelte Buchwertverknüpfung“<br />

wegen der europarechtlichen Bedenken nicht mehr<br />

verlangt wird.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BFH veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

Sonderzahlungen im Konzernverbund sind<br />

keine steuerfreien Trinkgelder<br />

BFH 3.5.2007, VI R 37/05<br />

Sonderzahlungen der Konzernmutter an Arbeitnehmer der Konzerntochter<br />

stellen keine steuerfreien Trinkgelder dar. Ein Trinkgeld<br />

setzt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein gast- oder<br />

kundenähnliches Rechtsverhältnis voraus, in dessen Rahmen der<br />

Arbeitnehmer von einem Dritten eine freiwillige und persönliche<br />

Zuwendung als eine Art honorierende Anerkennung erhält. Diese<br />

Voraussetzungen sind bei Sonderzahlungen innerhalb eines<br />

Konzernverbunds nicht erfüllt.<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 16


Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2002 als Arbeitnehmer der X-<br />

GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Y-Holding-<br />

AG hielt zunächst 90,01 Prozent der Anteile an der GmbH. Im<br />

Streitjahr veräußerte sie diese Anteile und zahlte den Arbeitnehmern<br />

der GmbH als Dank und Anerkennung zwei zusätzliche<br />

Monatsgehälter.<br />

Das Finanzamt behandelte die Sonderzahlung als steuerpflichtigen<br />

Arbeitslohn. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte<br />

der Kläger geltend, dass die Sonderzahlung ein steuerfreies<br />

Trinkgeld im Sinn von § 3 Nr.51 EStG darstelle. Dritter im Sinn<br />

dieser Vorschrift könne jeder sein, der nach zivilrechtlicher Wertung<br />

nicht Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sei.<br />

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Das Finanzamt hat die Sonderzahlung zu Recht als steuerpflichtigen<br />

und nicht nach § 3 Nr.51 EStG als steuerfreien Arbeitslohn<br />

qualifiziert, weil die streitige Zahlung kein „Trinkgeld“ im Sinn<br />

dieser Vorschrift darstellt.<br />

Ein Trinkgeld liegt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch<br />

nur vor, wenn dem Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast eine<br />

zusätzliche Vergütung gewährt wird, die als freiwillige und typischerweise<br />

persönliche Zuwendung eine Anerkennung in der<br />

Form eines kleinen Geldgeschenks darstellt. Der Trinkgeldempfänger<br />

steht in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält<br />

daher auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt für seine<br />

Arbeitsleistung und das Trinkgeld als Entgelt für eine anlässlich<br />

dieser Arbeit zusätzlich erbrachte und vom Kunden honorierte<br />

Leistung.<br />

Hiernach stellt die dem Kläger von der Konzernmutter geleistete<br />

Sonderzahlung kein steuerfreies Trinkgeld dar. Denn die Rechts-<br />

und Leistungsbeziehung zur Konzernmutter ist nicht als gast-<br />

oder kundenähnliches Dienstleistungs- und Hauptvertragsverhältnis<br />

zu qualifizieren. Der Kläger ist auch nicht anlässlich einer<br />

Arbeitsleistung im Sinn von § 3 Nr.51 EStG für seine Arbeitgeberin<br />

und zugleich gegenüber der Konzernmuttergesellschaft in<br />

einer Weise tätig geworden, die die Sonderzahlung als honorierende<br />

Anerkennung seiner Mühen erscheinen lassen könnte.<br />

Linkhinweis:<br />

- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des<br />

BFH veröffentlicht.<br />

- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />

13/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 17

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