Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach

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Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 „Die Ermöglichung und Unterstützung von Selbstvertretung und Selbstorganisation sowie von Partizipation bei Entscheidungsprozessen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung von Autonomie und Handlungsfähigkeit der Fachkräfte und Einrichtungen stellt eine wichtige Handlungsorientierung dar. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang Elternvertretungen und Selbsthilfegruppen zu (Leitlinien des Vereins Behindertenhilfe). Diese Positionierung wird auch gestützt durch die Befunde der Publik Health-Forschung, die in Orientierung an einer salutogenetischen Perspektive den Blick auf Bewältigungs- und Widerstandsressourcen gerichtet und dabei vor allem die Relevanz netzwerkbezogener Ressourcen herausgearbeitet haben. „Soziale Unterstützung im eigenen sozialen Beziehungs-gefüge ist von großer Bedeutung bei der Bewältigung von Krisen, Krankheiten und Behin-derungen sowie bei der Formulierung und Realisierung selbstbestimmter Lebensentwürfe. Gerade die Kräfte, die durch die Vernetzung von gleich Betroffenen entstehen können, sind von besonderer Qualität. Weil das so ist, wird die Stiftung und Unterstützung selbst-organisierter Betroffenengruppen zunehmend zu einem zentralen Aufgabenfeld profes-sioneller Praxis“ (Keupp 2002, 37). © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005 90
Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 1.11.5 Das Verhältnis von Pflege und Eingliederungshilfe/Pädagogik Einleitung: Die Ausführung dieses für die berufliche soziale Arbeit in den Diensten und Einrichtungen im Verein Behindertenhilfe zukunftsträchtigen Kapitels wurde wegen seiner Bedeutung immer wieder verschoben, um den neuesten fachlichen Sachstand und vor allem auch eine grundlegende, sozialgesetzliche Klärung im Verhältnis dieser beiden getrennt nebeneinander existierenden Leistungssysteme abzuwarten und dann angemessen, evt. sogar abschließend beschreiben und berücksichtigen zu können. Diesem Vorhaben wird - nach Auffassung des Autors - jedoch auch in absehbarer Zeit nicht entsprochen werden können. Aus diesem Grund erfolgt hier eine Ist-Beschreibung des augenblicklichen Sachstandes, die zwar Aussichten eröffnet, aber über deren gesetzgeberische Umsetzung vor Ablauf der nächsten Legislaturperiode vor 2013 kaum etwas Sicherndes zu sagen sein wird. Bereits durch das Juli 2008 in Kraft getretene Pflegeweiterentwicklungsgesetz ist es zu Verbesserungen der Leistungen für einen erweiterten Kreis der Leistungsberechtigten im SGB XI gekommen. Dennoch hat diese Teil-Reform am grundsätzlichen Verhältnis von Eingliederungshilfe nach dem SGB XII und der Pflege(-versicherung) gemäß SGB XI nichts geändert. Der bereits im Herbst 2006 von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt gemäß Koalitionsbeschluss eingesetzte Beirat aus Verbänden und Wissenschaftlern zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Zusammenhang mit einem neuen Begutachtungsverfahren hat in der Tat relevante Ergebnisse hervorgebracht, die aus unserer Sicht entscheidende Frage jedoch nach dem zukünftigen Verhältnis beider Leistungsarten und die für unsere Arbeit mit Menschen mit Behinderung relevante Frage der leistungsrechtlichen Abgrenzung nicht beantwortet bzw. nicht beantworten können. So steht auch jetzt schon in Frage, ob mit der avisierten Reform ein Manko aus der Einführung der Pflegeversicherung behoben werden kann, nämlich, dass alle wesentlich behinderten Menschen auch die Pflegeleistungen erhalten, die sie benötigen (s. u.a. § 43a SGB XI). Ein neues, erweitertes Verständnis von Pflegebedürftigkeit Die fachwissenschaftliche Begründung und Fundierung eines neuen Verständnisses von Pflegebedürftigkeit und seine Umsetzung in einem veränderten Sozialleistungsrecht wird allgemein als notwendig angesehen und damit in der Folge auch ein neues bundesweit einheitliches und reliables Begutachtungsinstrument zur Feststellung des Pflegebedarfs. Der gegenwärtige Begriff der Pflegebedürftigkeit steht in der Kritik, weil er sich auf lebensbereichbezogene Verrichtungen konzentriert und allgemeine soziale und kommunikative Aspekte der Betreuung, Beaufsichtigung, Anleitung, aber auch der Kommunikation und sozialen Teilhabe nicht ausreichend berücksichtigt. Der spezielle Bedarf für Menschen „mit eingeschränkter Alltagskompetenz“ war auch bereits Regelungsgegenstand und Anlass zur gesetzlichen Leistungsausweitung im Rahmen des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes vom Juli 2008. Die vom Beirat vorgestellte ganzheitliche wie auch nachhaltige Weiterentwicklung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit greift dabei die aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse ebenso auf wie auch die gesellschaftlichen bzw. gesellschaftspolitischen Veränderungen und Entwicklungen. Von ganz besonderer Art und Herausforderung stellt sich diese Aufgabe als Problematik in leistungsrechtlicher Hinsicht dar. 91 © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005
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