Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 oder entwickelt relativiert und die Fragen nach Autonomie, Authentizität und Identität der Lebenspraxis gerade angesichts der jeweils besonderen Möglichkeiten und Einschränkungen treten als Bewertungskriterien für die Ergebnisqualität hinzu. Dieser Modus eines nichtnormativen Vorher-nachher-Vergleiches ist notwendig an die Operation individuellen Fallverstehens gebunden. 1.10.3 Die indirekte Bewertung der Ergebnisqualität beruflicher sozialer Arbeit über die Bewertung der Qualität ihrer Abläufen und Strukturen im Focus des Arbeitsbündnisses Man kann aber auch versuchen, über einen indirekten Weg, d.h. über die Bewertung der Abläufe und Strukturen, die im Rahmen beruflicher sozialer Arbeit wirksam werden, zu einer Bewertung von Ergebnisse zu gelangen: In dem Maße, in dem diese Abläufe und Strukturen zur angemessenen Handhabung der oben umrissenen basalen Strukturproblematiken beitragen, in dem Maße ist auch von einer Qualität der Ergebnisses auszugehen: Die angemessene Handhabung dieser Strukturproblematiken bedeutet ja angemessene, Autonomie respektierende und fördernde stellvertretende Krisenbewältigung, sie signalisiert innerhalb eines geschützten Rahmens „Stimmigkeit“ im Dialog zwischen Klienten und Fachkraft als Grundlage von Entwicklung und Begleitung. (Zum Konzept der Stimmigkeit vgl. v. Lüpke, 2002). „Damit verschiebt sich auch die Zuschreibung von pathologisch. Der Dialog mit einem Menschen im Koma (siehe Ziegner 1998), das Spiel mit einem Kind, ein Gespräch zwischen Erwachsenen, der Austausch mit einem Menschen im Zustand geistiger Verwirrung können unter diesen Aspekten auf einer Stufe stehen. Die Stimmigkeit innerhalb der Gesamtsituation ist entscheidend,... ( v. Lüpke 2002, 316 f). Überprüfung und Bewertung der Ergebnisse beruflicher sozialer Arbeit im Focus des Arbeitsbündnisses kann in dieser Sichtweise also auch bedeuten, in einer nachträglichen Reflexion auf den Interventionsverlauf zu prüfen, ob und inwieweit die basalen Strukturproblematiken beruflicher sozialer Arbeit angemessen gehandhabt wurden bzw. strukturell angemessen zu handhaben waren. 1.11 Aktuelle gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen beruflicher sozialer Arbeit 1.11.1 Veränderungen und Tendenzen in Leistungsverwaltung und Sozialrecht Im Rahmen von Verwaltungsreform und New Public Management ist es zu einer zunehmenden Übernahme betriebswirtschaftlicher Modellvorstellungen in die Binnenstruktur der Leistungsverwaltungen gekommen (vgl. Naschhold/ Bogumil 1998). Dies führt zu einer folgenreichen Infragestellung des klassischen Bürokratiemodells und des traditionellen Selbstverständnisses der Leistungsverwaltung (vgl. Schütte 2001). © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005 86
Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 Parallel hierzu ist im deutschen Sozialrecht ein Übergang von einem Regulierungs- und Fürsorgemodell zu einem Konsum-Modell festzustellen. „Der Übergang vom Regulierungs- oder Fürsorgemodell zum Konsum-Modell bringt es mit sich, dass sich der Staat auch mit seinen rechtlichen Mitteln aus der unmittelbaren Steuerung des Leistungsgeschehens zurück-zieht. Er überlässt die Feinsteuerung weitgehend der Selbstkoordinierung von Leistungs-anbietern und Nachfragern im Rahmen des Privatrechts und zieht sich auf die Kontrolle von „Ausreißern“ im Ordnungsrecht zurück. Das erhöht die Flexibilität vor Ort, lässt allerdings die Genauigkeit des Leistungsanspruches eher schwinden“ (Schütte 2001, 72). Kommunale Sozialpolitik und Gesundheitsversorgung sind, in der öffentlichen Debatte meist noch nicht in der vollen Tragweite bemerkt, Vorreiter der Umgestaltung des Systems sozialer Sicherung: „ Teilweise erteilt der Gesetzgeber die Aufträge oder ermöglicht die Aktionsräume, indem er Verteilungskonflikte und Gestaltungsaufgaben nach unten weitergibt. Aufträge an die Trägerverbände, Normdelegation an die Verwaltungen und Vorgaben für Vertragskonstruktionen ersetzen zunehmend die direkte gesetzliche Definition der Leistungsansprüche. Ausgründungen von ehemals staatlichen Verwaltungsabteilungen fördern die Bildung sektoraler Dienstleistungsmärkte mit neuen Betriebsformen, neuen Konkurrenzen und neuen Angeboten. Wenn der Dienstleistungsempfänger persönlich dazu in der Lage ist, mutiert er zum Kunden, wenn nicht, ist sein Leistungsanspruch gefährdet. Noch haben die Akteure ihre neuen Rollen nicht recht gefunden. Vor allem der Bundesgesetzgeber schwankt je nach Sachbereich zwischen widerstreitenden Konzepten: Grundsicherung vs. Statussicherung; Bedarfsdeckung vs. Budgetierung; bürokratische Reglementierung vs. verbandliche Selbststeuerung; Verrechtlichung vs. Kontraktbeziehungen. Im „Neuen Sozialstaat“ werden flexible Teilmärkte die meisten Unterstützungs- und Förderbedarfe der meisten Bürger gut bedienen. Doch die Gewährleistungsfunktion des Staates als Normgeber und Ausführer wird brüchig, je mehr sich die soziale Politiken auf Finanzierungs-, Koordinierungs- und Überwachungsaufgaben zurückziehen. Agile und flexible Kunden und Dienstleister werden von diesem Rückbau des Staates profitieren. Doch wird damit eine neue Debatte nötig sein: wie der traditionelle und egalitäre Sozialstaat mit der von ihm selbst zugelassenen neuen Ungleichheit umzugehen gedenkt“ (Schütte 2001, 72). Angesichts dieser umrissenen Entwicklungen und Tendenzen auf einer gesellschaftlichen Meso- und Makroebene wird deutlich, in welchem Ausmaß die Wandlungen des Klienten und Nutzers zum Kunden im fachlichen und öffentlichen Diskurs auch den stetig zunehmenden Verteilungs-, Steuerungs- und Legitimationsproblemen im Sozial- und Gesundheitsbereich zu verdanken sind. Gerade deshalb ist es bedeutsam, aus strukturtheoretisch-professionalisierungstheoretischer Perspektive die Besonderheiten beruflicher sozialer Arbeit, d.h. vertrauensvoller beruflicher Hilfe- und Unterstützungsbeziehungen auf der Mikro-Ebene sozialer Beziehungen genauer ins Blickfeld zu nehmen, um dadurch einer Verbetriebswirtschaftlichung, fachlichen-inhaltlichen Verarmung und Entautonomisierung beruflicher sozialer Arbeit entgegenzuwirken. 87 © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005
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<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />
Stand 01.08.2012<br />
Parallel hierzu ist im deutschen Sozialrecht ein Übergang von einem Regulierungs- und Fürsorgemodell<br />
zu einem Konsum-Modell festzustellen. „Der Übergang vom Regulierungs- oder<br />
Fürsorgemodell zum Konsum-Modell bringt es mit sich, dass sich der Staat auch mit seinen<br />
rechtlichen Mitteln aus der unmittelbaren Steuerung des Leistungsgeschehens zurück-zieht.<br />
Er überlässt die Feinsteuerung weitgehend der Selbstkoordinierung von Leistungs-anbietern<br />
und Nachfragern im Rahmen des Privatrechts und zieht sich auf die Kontrolle von „Ausreißern“<br />
im Ordnungsrecht zurück. Das erhöht die Flexibilität vor Ort, lässt allerdings die Genauigkeit<br />
des Leistungsanspruches eher schwinden“ (Schütte 2001, 72).<br />
Kommunale Sozialpolitik und Gesundheitsversorgung sind, in der öffentlichen Debatte meist<br />
noch nicht in der vollen Tragweite bemerkt, Vorreiter der Umgestaltung des Systems sozialer<br />
Sicherung: „ Teilweise erteilt der Gesetzgeber die Aufträge oder ermöglicht die Aktionsräume,<br />
indem er Verteilungskonflikte und Gestaltungsaufgaben nach unten weitergibt. Aufträge<br />
an die Trägerverbände, Normdelegation an die Verwaltungen und Vorgaben für Vertragskonstruktionen<br />
ersetzen zunehmend die direkte gesetzliche Definition der Leistungsansprüche.<br />
Ausgründungen von ehemals staatlichen Verwaltungsabteilungen fördern die Bildung<br />
sektoraler Dienstleistungsmärkte mit neuen Betriebsformen, neuen Konkurrenzen und<br />
neuen Angeboten. Wenn der Dienstleistungsempfänger persönlich dazu in der Lage ist, mutiert<br />
er zum Kunden, wenn nicht, ist sein Leistungsanspruch gefährdet.<br />
Noch haben die Akteure ihre neuen Rollen nicht recht gefunden. Vor allem der Bundesgesetzgeber<br />
schwankt je nach Sachbereich zwischen widerstreitenden Konzepten: Grundsicherung<br />
vs. Statussicherung; Bedarfsdeckung vs. Budgetierung; bürokratische Reglementierung<br />
vs. verbandliche Selbststeuerung; Verrechtlichung vs. Kontraktbeziehungen.<br />
Im „Neuen Sozialstaat“ werden flexible Teilmärkte die meisten Unterstützungs- und Förderbedarfe<br />
der meisten Bürger gut bedienen. Doch die Gewährleistungsfunktion des Staates als<br />
Normgeber und Ausführer wird brüchig, je mehr sich die soziale Politiken auf Finanzierungs-,<br />
Koordinierungs- und Überwachungsaufgaben zurückziehen. Agile und flexible Kunden und<br />
Dienstleister werden von diesem Rückbau des Staates profitieren. Doch wird damit eine neue<br />
Debatte nötig sein: wie der traditionelle und egalitäre Sozialstaat mit der von ihm selbst zugelassenen<br />
neuen Ungleichheit umzugehen gedenkt“ (Schütte 2001, 72).<br />
Angesichts dieser umrissenen Entwicklungen und Tendenzen auf einer gesellschaftlichen<br />
Meso- und Makroebene wird deutlich, in welchem Ausmaß die Wandlungen des Klienten und<br />
Nutzers zum Kunden im fachlichen und öffentlichen Diskurs auch den stetig zunehmenden<br />
Verteilungs-, Steuerungs- und Legitimationsproblemen im Sozial- und Gesundheitsbereich zu<br />
verdanken sind. Gerade deshalb ist es bedeutsam, aus strukturtheoretisch-professionalisierungstheoretischer<br />
Perspektive die Besonderheiten beruflicher sozialer Arbeit, d.h. vertrauensvoller<br />
beruflicher Hilfe- und Unterstützungsbeziehungen auf der Mikro-Ebene sozialer<br />
Beziehungen genauer ins Blickfeld zu nehmen, um dadurch einer Verbetriebswirtschaftlichung,<br />
fachlichen-inhaltlichen Verarmung und Entautonomisierung beruflicher sozialer<br />
Arbeit entgegenzuwirken.<br />
87 © <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005