Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
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<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />
Stand 01.08.2012<br />
Charakter normativer Vorstellungen und Entwicklungsmodelle hinzuweisen, die schon notwendig<br />
in die Problemerfassung/ Diagnostik und Indikation Eingang finden, zur Formulierung<br />
von individuellem Hilfeplan und entsprechenden Zielen beitragen und dann auch bei der<br />
Ergebnisbeurteilung herangezogen werden(vgl. z.B. Brisch/ Kächele 1999).<br />
Die Erhebung und Auswertung solcher Daten mit Bezug auf normative Vorstellungen z.B. in<br />
Form von Entwicklungsbeurteilungen oder standardisierten Tests ist insofern bedeutungsvoll,<br />
als z.B. im Bereich der Pädagogik, Entwicklungsrehabilitation und Psychotherapie damit die<br />
gesellschaftlichen Erwartungen an die Klienten und damit ihre Chancen und Risiken in der<br />
Gesellschaft deutlich werden und damit auch die Maßnahmeergebnisse im Lichte dieser gesellschaftlichen<br />
Erwartungen bewertbar werden.<br />
Zwiespältig und alleine nicht ausreichend ist eine solche normorientierte Beurteilung der Ergebnisqualität<br />
aber, weil man bei Problemerfassung wie auch Ergebnisbewertung nicht alleine<br />
äußere Normierungen als Maßstab heranziehen kann, sondern Problemlage wie mögliche<br />
Entwicklungsfortschritte immer auch i. R. d. besonderen Möglichkeiten, Einschränkungen<br />
und der besonderen Geschichte des einzelnen Falles verstanden und be-wertet werden müssen.<br />
In diesem fallbezogenen Verständnis kann dann ein bezogen auf gesellschaftliche Erwartungen<br />
„geringer“ Entwicklungsfortschritt im inneren Kontext eines Falles ein durchaus „großer“,<br />
bedeutsamer und folgenreicher Entwicklungsschritt sein. Umge-kehrt kann aber auch<br />
ein „großer“ Fortschritt in bezug auf gesellschaftliche Normalitäts-vorstellungen im inneren<br />
Kontext eines Falles, d.h. in bezug auf die Autonomie und Authentizität einer Lebenspraxis,<br />
als Entwicklungsgefährdung z.B. durch Überforderung und erzwungene Anpassung an übermächtige<br />
Anforderungen zu bewerten sein (vgl. z.B. Winni-cott 1984, Noam 2001 34-37).<br />
Man sieht es einem Klienten oder einem Klientensystem nicht sofort an, ob ein bestimmter<br />
Entwicklungsschritt das Ergebnis einer primären Anpassung an und Unterwerfung unter äußere<br />
Erwartungen und Bedingungen ist, oder das Ergebnis eines autonom motivierten und authentischen<br />
Erprobens, Variierens, Innehaltens, Wiederholens und Auswählens, in dem das<br />
letztlich als Anpassung Erzwungene doch zugleich auch Aspekte des Eigenen enthält.<br />
Ergänzend zu einem normorientierten Vorher-nachher-Vergleich wäre also auf einen Vorhernachher-Vergleich<br />
wertzulegen, der sich dafür interessiert, ob und in welcher Art und Weise<br />
sich Veränderungen hinsichtlich des Ausdrucks und Wirksamwerdens der autonomen und<br />
authentischen Entwicklungskräfte des Klienten ergeben haben (vgl. v. Lüpke 2000). „Identität<br />
ist von vorne herein möglich, ihre Entwicklung verläuft quer zu den geläufigen Entwicklungsstufen:<br />
nicht die Frage. „Ob“ etwas geleistet wird, stellt sich hier, sondern die Frage „wie“.<br />
An die Stelle des mehr oder weniger mühsamen und verzichtsreichen Lernens tritt das Spiel,<br />
das Ausprobieren. Das Spiel mit den unterschiedlichen Möglichkeiten von Bewegung etwa<br />
lässt die Varianten herausfinden, die als spezifisch eigene empfunden werden und damit Identität<br />
wahrnehmbar machen “ (v. Lüpke, 2000, 87). Damit werden normorientierte Bewertungen<br />
von Entwicklungsergebnissen als niedrig, hoch, primitive, differenziert, einfach<br />
85 © <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005