Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
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<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />
Stand 01.08.2012<br />
Innerhalb dieser Praxisform geht es einerseits um eine stellvertretende Bewältigung lebenspraktischer<br />
Krisen eines Klienten durch eine Fachkraft oder Fachkräfte, da der Klient aufgrund<br />
einer Einschränkung seiner Autonomie oder aufgrund fortgeschrittener spezialisierter<br />
Wissensbestände (wie z.B. im Bereich der Medizin) zu einer selbständigen Krisenbewältigung<br />
nicht oder nicht angemessen in der Lage ist (vgl. Oevermann 2002, 22 ff).<br />
Andererseits geht es im Arbeitsbündnis aber auch darum, fallangemessen und grundsätzlich<br />
nicht-standardisierbar an den je besonderen Möglichkeiten und Ressourcen des Klienten anzuknüpfen<br />
und seine autonomen Entwicklungs- und Selbstheilungskräfte zu respektieren und<br />
bindend in das Arbeitsbündnis i. S. e. Hilfe zur Selbsthilfe einzubeziehen, damit die Hilfestellung<br />
nicht zu einer weiteren Deautonomisierung führt (vgl. Oevermann 2002, 25 ff). Dieser<br />
Zusammenhang stellt ja das grundlegende Paradoxon beruflicher sozialer Arbeit als stellvertretender<br />
Bewältigung lebenspraktischer Krisen dar.<br />
Voraussetzung für eine angemessene autonomiefördernde Handhabung des Arbeitsbündnisses<br />
ist eine möglichst umfassende und differenzierte Erfassung der Problemlage des Klienten als<br />
ganzer Person, d.h. als einer biopsychosozialen Einheit mit einer je eigenen Geschichte und je<br />
besonderen Möglichkeiten und Ressourcen.<br />
Das Arbeitsbündnis bedarf zu seiner Einrichtung, Aufrechterhaltung und Gestaltung eines<br />
Rahmens, einer sozialen Rahmung, die sich gleichzeitig auf mindestens drei Ebenen bezieht:<br />
1. Die kontraktuelle Ebene (Vereinbarungen und Absprachen)<br />
2. Die fachliche Ebene (fachliche Überlegungen und Standards)<br />
3. Die sozialisatorische und resozialisatorisch- therapeutischeEbene (Herstellung<br />
eines Schutz- und Entwicklungsraumes strukturähnlich der primären<br />
familialen Sozialisation und deshalb mit entsprechenden sozialisatorischen<br />
und symbolischen Qualitäten)<br />
Eine solchermaßen professionalisierungstheoretisch geleitete Sichtweise sozialer<br />
Dienstleistungen stellt konsequent den einzelnen Klienten als ganzen Menschen mit seinem je<br />
individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarf sowie die Besonderheiten, Dynamiken und<br />
Paradoxien von Hilfebeziehungen in den Mittelpunkt der Bestimmung dessen, was im Kern<br />
die besondere Qualität beruflicher sozialer Arbeit ausmacht.<br />
Diese Sichtweise grenzt sich einerseits deutlich von sogenannten „Kundenmodellen“ ab, die<br />
die Besonderheiten beruflicher sozialer Arbeit von vorne herein begrifflich unterlaufen und<br />
angesichts immer knapper werdender Ressourcen im Sozial- , Gesundheits- und Bildungsbereich<br />
einen zynischen Beigeschmack erhalten. Sie grenzt sich andererseits von eher<br />
organisationslastigen Konzeptualisierungen der Qualität sozialer Dienstleistungen ab, die an<br />
der Struktur- und Prozessqualität sozialer Dienstleistungen ansetzen, ohne einen zureichenden<br />
Begriff beruflicher sozialer Arbeit auch auf der Mikroebene entwickelt zu haben (vgl. Schädler,<br />
1999, 16).<br />
„Von einem professionalisierungstheoretischen Standpunkt aus sind solche Konzepte, die<br />
nicht aus der Profession selbst kommen, sondern ihr aufgezwungen werden, wie das mit der<br />
79 © <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005