Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach

Vereinshandbuch Band 3
Stand 01.08.2012
Erzählen hat aber nicht nur eine individuierende, bedeutungsstiftende Funktion und eine zukunftsbezogene
Funktion der Eröffnung und des Entwurfes zukünftiger Handlungsmöglichkeiten.
„Erzählen besitzt auch eine resozialisierende Funktion. Es verleiht dem Individuellen
Bedeutung in der Gemeinschaft, es bringt es in die Gemeinschaft zurück. Damit
kann die erzählte Erfahrung zugleich Nähe und Beziehung stiften.“ (Hildenbrand, zitiert nach
einem Tonbandprotokoll eines Vortrages von Welter-Enderlin auf den 47. Lindauer Psychotherapiewochen
1997).
Grundsätzliche Bedeutung für die Praxis beruflicher sozialer Arbeit
Erzählte Erfahrung kann Klienten unterstützen, Bedeutung, Kontinuität und Identität zu sichern,
Optionen für die Zukunft zu finden, schwierige und auch schmerzliche Erfahrungen zu
verarbeiten und soziale Nähe und Beziehung herzustellen.
Damit erhält das aufmerksame und interessierte Zuhören und das interessierte, aber auch behutsame
und achtsame Fragen seine eigene Begründung, Bedeutung und Würde als wichtiger
fachlicher Routine in den Feldern beruflicher sozialer Arbeit.
Erzählte Erfahrung kann dabei auch auf die Ebenen des Kohärenzgefühls, d.h. auf zentrale
Momente in Krisenbewältigungsprozessen bezogen werden:
• Sie kann Erfahrungen konsistent und zusammenhängend machen als Basis von
Verstehbarkeit.
• Sie kann durch die Klärung neuer Handlungsmöglichkeiten die Handhabbarkeit unterstützen
und
• sie kann durch ihre individuierende und bedeutungsstiftende Funktion Bedeutsamkeit
sichern und fortschreiben.
In jedem Feld beruflicher sozialer Arbeit wäre dementsprechend besonders zu prüfen, welche
Bedeutung hier erzählter Erfahrung zukommen kann, wie viel Raum und Zeit erzählter Erfahrung
tatsächlich eingeräumt wird, in welchen Formen und settings dies erfolgt und welche
möglichen Entwicklungsbedarfe fachlicher Routinen sich hieraus ggf. ergeben können.
Zur Verdeutlichung seine mögliche Arbeitsfelder aufgeführt:
• Die Arbeit mit Migranten,
• die Arbeit mit Kindern,
• die Arbeit mit behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindern,
• die Arbeit mit deren Eltern und Geschwistern,
• die Arbeit mit Menschen mit Behinderung im Bereich Wohnen und ambulante Dienste.
© Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005 76