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Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach

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<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />

Stand 01.08.2012<br />

1.7 Das Arbeitsbündnis und die Autonomie der Lebenspraxis<br />

1.7.1 Ein strukturtheoretisches Modell der Autonomie der Lebenspraxis<br />

Der Ansatz einer strukturtheoretischen Professionalisierungstheorie verweist auf ein strukturtheoretisches<br />

Modell von Lebenspraxis und ihrer Autonomie (Oevermann 1995, 1997c,<br />

2001a, 2001b).<br />

Autonomie und Bewährungsdynamik menschlichen Lebens als widersprüchliche Einheit<br />

von Entscheidungszwang und Begründungsverpflichtung<br />

• Die stellvertretende Übernahme von Entscheidungszwang und Begründungsverpflichtung<br />

in der Praxis beruflicher sozialer Arbeit wie in der primären familialen Sozialisation verweist<br />

auf strukturelle Grundbestimmungen, die für jede Lebenspraxis, sei es die Lebenspraxis<br />

eines einzelnen Individuums, die einer Familie, einer sozialen Gemeinschaft oder<br />

einer ganzen Gesellschaft gelten: Angesichts knapper materieller und psychosozialer Ressourcen<br />

und einer Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Zeit ist jede Lebenspraxis<br />

beständig und dauerhaft unter einen lebenspraktischen Entscheidungszwang gestellt.<br />

• Nicht-Entscheidung kann diesen Entscheidungszwang nicht grundsätzlich unterlaufen, da<br />

sich damit gleichsam automatisch bestimmte Konsequenzen und damit die Selektion von<br />

Handlungsmöglichkeiten einstellen. In den handlungspraktischen Routinen des Alltags<br />

verbirgt sich dieser Entscheidungszwang praktisch meist unbemerkt, dramatisch zum<br />

Ausdruck kommt er dagegen in lebenspraktischen Krisensituationen, in denen als Bestandteil<br />

der Krisensituation gerade nicht auf Entscheidungsregeln zurückgegriffen werden<br />

kann.(8)<br />

• Die Autonomie einer Lebenspraxis erweist, bewährt und entwickelt sich nun gerade darin,<br />

dass sie in einer praktischen Krisensituation, in der ja bestimmte Entscheidungsregeln<br />

nicht mehr greifen, dennoch eine Entscheidung trifft und dabei den Anspruch auf<br />

Begründbarkeit, auch wenn er zeitgleich gerade nicht einlösbar ist, grundsätzlich nicht<br />

aufgibt. Diese widersprüchliche Einheit von Entscheidungszwang und Begründungsverpflichtung,<br />

im Bereich z.B. ärztlichen professionalisierten Handelns noch deutlich gesteigert,<br />

macht die Bewährungsdynamik einer jeden Lebenspraxis aus.<br />

______________________________<br />

(8) „In diesem Modell ist natürlich auch eine Entscheidung durch Zufall ausgeschlossen. Sie wäre in zentralen<br />

Fragen der Lebensführung nicht nur explizit irrational im Sinne der Verleugnung der Autonomie als Lebensaufgabe,<br />

sondern auch die Sittlichkeit der Sozialität zerstörend. Würde man z.B. einem Ehepartner nachträglich<br />

eröffnen, man habe über die Heiratsentscheidung letztlich gewürfelt, so würde man der gemeinsamen Lebenspraxis<br />

damit ihren bindenden Grund entziehen und zugleich den Partner entwürdigen. Dieser könnte dann über<br />

ein daraus folgendes Scheidungsbegehren, sollte er darüber noch im Zweifel sein, seinerseits nicht würfeln,<br />

wenn er nicht die Verletzung seiner Würde und der Sittlichkeit der Sozialität als solche reproduzieren will. Einfacher<br />

formuliert: Der in seiner Würde verletzte Partner kann nicht zurückwürfeln, sondern nur zurück-schlagen“<br />

(Oevermann 1995, S.39.)<br />

61 © <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005

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