Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach

Vereinshandbuch Band 3
Stand 01.08.2012
1.6 Aspekte der Leiter/innen-Mitarbeiter/innen-Beziehungen, ihrer sozialen
Rahmung und ihrer Bedeutung für das Arbeitsbündnis
Leistungsgemeinschaft und Personengemeinschaft und soziale Rahmung
Dienste und Einrichtungen im Bereich beruflicher sozialer Arbeit sind soziale Organisationen
mit einer mehr oder weniger ausgeprägten arbeitsteiligen und hierarchischen Struktur zur Erbringung
sozialer Dienstleistungen für bestimmte Klienten/ Nutzern. Sie können insofern als
Leistungsgemeinschaften gekennzeichnet werden. Unter dem Gesichtspunkt der Leistungsgemeinschaft
beziehen sich die Organisationsmitglieder als Rollenträger aufeinander unter der
Bedingung der Austauschbarkeit des Personals.
Die Organisationsmitglieder sind als Rollenträger innerhalb ihrer Rolle zugleich ganze Personen
mit bestimmten besonderen Wünschen, Bedürfnissen, Vorlieben, Erwartungen, Schwierigkeiten,
Eigenheiten etc. . Unter diesem Gesichtpunkt bildet die soziale Organisation zugleich
eine Personengemeinschaft, in welcher die Rollenbeziehungen auch eine je besondere
personale und gruppenspezifische Ausgestaltung und Einfärbung erhalten (zum Spannungsfeld
von Leistungsgemeinschaft und Personengemeinschaft vgl. Lotmar/ Tondeur 1996). (7)
Die LeiterInnen-MitarbeiterInnen-Beziehungen sind bezüglich der Dimensionen von
Einflußnahmemöglichkeiten, Macht und Verantwortung asymmetrisch. Dies befördert strukturell
die Tendenz einer gefühlsmäßigen Einfärbung der Rollenbeziehungen sowohl auf Seiten
der Mitarbeiter/innen wie der Leitung nach den jeweiligen Mustern früherer familialer
Beziehungserfahrungen.
Will Leitungshandeln der Gleichzeitigkeit von Leistungs- und Personengemeinschaft gerecht
werden, dann hat es sich auf die Mitarbeiter/innen immer als Rollenträger und zugleich als
ganzer Personen innerhalb einer Rolle zu beziehen. Leitungshandeln setzt sich aus dieser
Sicht deshalb immer aus aufgabenorientierten und beziehungsorientierten Interventionen zusammen
(vgl. Weigand 1994).
(7) Eine Besonderheit in den Feldern beruflicher sozialer Arbeit kann zudem darin bestehen, dass sich die MitarbeiterInnen
der Einrichtungen und Dienste gleichzeitig als Mitglieder der Organisation und als Mitglieder einer
mehr oder weniger organisierten kollektiven beruflichen Praxis, d.h. z.B. als therapeutische oder pädagogische
KollegInnen aufeinander beziehen. Dieser gleichzeitige kollegiale Bezug ist auch von erheblicher Bedeutung für
die LeiterInnen-MitarbeiterInnen-Beziehungen (vgl. Oevermann 1993).
Eine weitere Besonderheit im Bereich beruflicher sozialer Arbeit ist eine oftmals festzustellende Entkoppelung
von sozialem Status und fachlicher Qualifikation, anders als z.B. im Bereich der Industrieproduktion. Zwar gilt,
dass mit fallendem sozialen Status die formale Verantwortung abnimmt, nicht aber die im Arbeitsbündnis praktisch
abgeforderte Problemlösungskompetenz in der stellvertretenden Bewältigung von Krisenkostellationen
(vgl. Oevermann 2000a, 63 f).
Die Rahmenarbeit der Leitung i. S. d. Einrichtung, Aufrechterhaltung und ggf. Beendigung
der Rahmenbedingungen für die Arbeit des einzelnen Mitarbeiters und der sozialen Organisa-
57 © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005