Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
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<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />
Stand 01.08.2012<br />
Zuweisungsdiagnostik und Angebotskonkretisierung im Prozess der individuellen Hilfeplanung<br />
In komplexen und arbeitsteilig ausdifferenzierten Gesundheits- und Sozial- und Bildungssystemen<br />
kommt der Hilfebedarfsermittlung/ Diagnostik die Funktion einer Zuweisungs- oder<br />
Begründungsdiagnostik zu. Als solche hat sie die Aufgabe, aus einer basalen, alle relevanten<br />
Bereiche umfassenden Diagnostik, eine fachlich begründete Auswahl von Hilfe- und Unterstützungsangeboten<br />
abzuleiten. Der individuelle Hilfeplan besteht dann in dieser fachlich begründeten<br />
Angebotsauswahl mit mehr oder weniger konkreten und differenzierten Zielvorgaben<br />
für die tatsächliche Leistungserbringung.<br />
Mit dieser fachlich begründeten Angebots- oder Programmauswahl wird zugleich die Funktion<br />
der Zugangssteuerung (gate-keeper-Funktion) der individuellen Hilfeplanung realisiert.<br />
Kostenträger behalten es sich deshalb allermeist vor, letztinstanzlich durch eigene fachliche<br />
Begutachtung die fachliche Begründetheit der Angebotsauswahl zu prüfen oder prüfen zu<br />
können (z.B. das Sozialamt durch das Gesundheitsamt oder spezielle Stabsstellen oder die<br />
Krankenkassen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen).<br />
Beispiele für solche fachlich begründeten Angebotsauswahlen auf der Grundlage einer Zuweisungsdiagnostik<br />
sind:<br />
• die medizinische Indikation für ein bestimmtes Heilmittel<br />
• die Indikation für eine Komplexleistungsmaßnahme im Bereich interdisziplinärer<br />
Frühförderstellen und Sozialpädiatrischer Zentren<br />
• die Feststellung eines behinderungsbedingten Mehraufwandes als Grundlage für eine<br />
Integrationsmaßnahme im Bereich der Kindertagesstätten<br />
• die Feststellung der Schulreife/ Schulfähigkeit<br />
• die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfes als Grundlage für eine<br />
Sonderbeschulung<br />
• die Ermittlung von Hilfebedarfsgruppen im Wohnheimbereich<br />
• die Eingruppierung in Pflegestufen<br />
Diese Angebots- oder „Programmauswahlen“ bedürfen dann im Prozess der individuellen<br />
Hilfeplanung in den Einrichtungen, Diensten und ggf. Einzelpraxen einer auf den einzelnen<br />
Klienten bezogenen, d.h. fallspezifischen Konkretisierung und Übersetzung (Oevermann<br />
1993 a, 2000d, 2002). Diese Konkretisierung und Umsetzung der Angebotsauswahl in konkrete<br />
fachliche Handlungsansätze und Konzepte erfolgt in den Einrichtungen und Diensten auf<br />
der Grundlage der je besonderen fachlichen und organisatorischen Routinen sowie der je<br />
besonderen konzeptionellen und ggf. gesetzlichen Vorgaben und hat besitzt auch eine je besondere<br />
bereichsspezifische Form. Bereichsspezifisch kann diese Konkretisierung und Umsetzung<br />
auch auf Basis einer expliziten fachlichen Förderdiagnostik erfolgen, die ihrerseits<br />
auf der basalen Zuweisungsdiagnostik aufruht und diese differenziert, fortführt und zugleich<br />
überprüft.<br />
Die Funktion der prozessbezogenen Evaluation der Leistungserbringung<br />
55 © <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005