Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
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<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />
Stand 01.08.2012<br />
Das diagnostische Arbeitsbündnis bedarf hierzu ebenso wie das auf die tatsächliche Hilfeerbringung<br />
bezogene Arbeitsbündnis eines besonderen Rahmens und einer besonderen Rahmenarbeit<br />
auf Seiten der Fachkraft. Auf der fachlichen Ebene kommt der Fachkraft dabei die<br />
letzte Verantwortung für die Herstellung, Gestaltung und Beendigung des Arbeits-bündnisses<br />
zu (Oevermann 1997, S.121 f). Mit der Qualität der Rahmenarbeit, insbesondere bei der Einrichtung<br />
von Arbeitsbündnissen, (sowohl diagnostischen als auch hilfeerbringungsbezogenen)<br />
entscheidet sich oftmals schon sehr früh, ob und inwieweit dem Hilfeanliegen des<br />
Klienten angemessen entsprochen werden kann (Allert/ Bieback-Diel, Oberle, Seyfarth 1994,<br />
S.216 ff).<br />
Auf der Beziehungsebene geht es ja folgenreich um die Herstellung einer vertrauensvollen<br />
Beziehung zwischen Fachkraft und Klient als Grundlage der Hilfeerbringung. Auf der Wissensebene<br />
geht es ja folgenreiche um ein angemessenes Verständnis der Problemlage des<br />
Klienten sowie seine besonderen Ressourcen und Möglichkeiten.<br />
Auch aus neuerer bindungstheoretischer Sicht wird deutlich, wie bedeutungsvoll eine fallorientierte<br />
und individualisierende Handhabung der Rahmenbedingungen gerade in der Phase<br />
der Einrichtung von Arbeitsbündnissen ist. Die Bindungsforschung hat eindrücklich nachweisen<br />
können, wie die Qualität von Bindungsmustern und damit von Beziehungen Grundlage<br />
und Voraussetzung für gelingende Entwicklungs- und Lernprozesse ist. Die Sicherheit der<br />
Bindung einerseits und die Lust am Lernen sowie das Lernvermögen andererseits stehen in<br />
engster Wechselwirkung zueinander (zum Überblick: Brisch 1999, Brisch/ Grossmann/<br />
Grossmann/ Köhler 2002, Dornes 2000, Strauß 2000, Suess/ Pfeifer 1999, Suess/ Scheuerer-<br />
Englisch/ Pfeifer 2002).<br />
Die Einrichtung eines Arbeitsbündnisses stellt für den Klienten eine aufgrund einer lebenspraktischen<br />
Krise eingetretene Handlungssituation dar, die verunsichert und ängstigend sein<br />
kann. Aus bindungstheoretischer Sicht ist sie damit eine typische Auslösesituation für typische<br />
Bindungsmuster und damit Beziehungsangebote des Klienten, die in Krisen-situationen<br />
aktiviert werden und die Beziehungsgestaltung und Möglichkeiten von Entwicklungs- und<br />
Lernprozessen im Arbeitsbündnis nachhaltig beeinflussen.<br />
In solchen Situationen kann es für die Fachkraft/ die Fachkräfte hilfreich sein,<br />
• die von der Bindungstheorie beschriebenen typischen Bindungs- und Beziehungsmuster<br />
zu kennen, die in solchen Belastungssituationen beim Klienten typischerweise aktiviert<br />
werden können<br />
• dabei die besonderen Bindungs- und Beziehungsmuster des jeweiligen Klienten zu erkennen<br />
und zu verstehen<br />
• und individualisierend fallverstehend im Prozess der Hilfeplanung und Hilfeerbringung zu<br />
berücksichtigen (Bisch 1999).<br />
53 © <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005