Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
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<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />
Stand 01.08.2012<br />
1.3 Die Einbettung von Arbeitsbündnissen<br />
1.3.1 Das klientenbezogene Arbeitsbündnis und seine mögliche Einbettung<br />
in ein Arbeitsbündnis mit Eltern oder gesetzlichen Betreuern<br />
In Konstellationen, in denen der Nutzer/ Klient nicht in der Lage ist, selbständig und eigenverantwortlich<br />
ein Arbeitsbündnis aufgrund eines spezifischen Hilfebedarfs zu begründen, ist<br />
das Arbeitsbündnis mit ihm in ein Arbeitsbündnis mit einem legitimierten Vertreter des Klienten/<br />
Nutzers eingebunden Die Bereiche von Pädagogik und Kinder-therapie und der Bereiche<br />
der Arbeit mit Menschen mit geistiger und/ oder seelischer Behinderung fallen unter diese<br />
Bestimmung.<br />
Hierdurch entsteht eine triadische Beziehungsstruktur zwischen der Fachkraft, dem Klienten<br />
und seinen legitimierten Vertretern, strukturähnlich der familialen Sozialisation. Im einbettenden<br />
Arbeitsbündnis zwischen Fachkraft und Eltern/ gesetzlichen Betreuern fungieren diese<br />
vom Grundsatz her nicht als Klienten, sondern i.S.v. Hilfe-, Erziehungs- oder Unterstützungspartnern<br />
mit der Gleichzeitigkeit diffus-spezifischer Beziehungskomponenten.<br />
In unterschiedlicher Art und unterschiedlichem Umfang müssen die Eltern/ gesetzlichen Betreuer<br />
strukturell erzwungen Verantwortung und Autorität partiell an die Fachkraft delegieren<br />
und ihr dabei notwendig einen gewissen Vertrauensvorschuss entgegenbringen, da sie Kompetenz<br />
und Zuverlässigkeit der Fachkraft formal nicht zureichend kontrollieren können. In<br />
dieser strukturell erzwungenen partiellen Delegation von Verantwortung und Autorität liegt<br />
zugleich die strukturelle Wurzel für die latente Konkurrenz zwischen Fachkraft und Eltern<br />
(Vgl. Oevermann 1997, 171 ff).<br />
Will die Fachkraft diese Konstellation nicht von vornherein verleugnen und das Arbeitsbündnis<br />
gefährden, so hat sie die Eltern in der Schwierigkeit der partiellen Delegation von<br />
Verantwortung und Autorität anzuerkennen und anzunehmen und die wechselseitige Vertrauensherstellung<br />
und -sicherung als wichtigen Teil ihrer beruflichen Tätigkeit einzubeziehen.<br />
Entsprechend können Eltern von den Fachkräften innerhalb ihrer spezifischen Berufsrolle<br />
erwarten, dass sie nicht nur über eine besondere fachliche Kompetenz im engeren<br />
Sinne, sondern auch über Einfühlung und Erfahrungen verfügen, wie es Eltern typischerweise<br />
in bestimmten Lebens- und Krisensituationen mit ihrem Kind geht. In diesen besonderen<br />
Formen der Vertrauensbildung und – sicherung kommt die diffuse Beziehungskomponente in<br />
der Beziehung Fachkraft – Eltern zum Ausdruck (vgl. Oevermann 1997, 171 ff).<br />
Die Behinderung oder Krankheit eines Kindes macht dessen Eltern nicht automatisch zu erziehungsinkompetenten<br />
Eltern wie auch die Inanspruchnahme ärztlicher oder heilpädagogisch-therapeutischer<br />
Leistungen für die Kinder keine grundsätzliche Infragestellung der elterlichen<br />
Erziehungskompetenz darstellt. Ebenso wenig bedeutet die Delegation von Erziehungs-,<br />
Bildungs- Betreuungs- und Förderaufgaben in entwickelten arbeitsteiligten Gesellschaften<br />
ein elterliches Autonomiedefizit, welches per se eine Klientenrolle der Eltern begründen<br />
könnte.<br />
© <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005 44