Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />
Stand 01.08.2012<br />
Exkurs: Die Fortschritte der modernen Neurowissenschaften, neuronale und<br />
sprachliche Prädizierung und weitere Ausdifferenzierung der<br />
Dimensionen des Unbewussten<br />
Die Fortschritte der modernen Neurowissenschaften erfordern zum einen eine Neuorientierung<br />
von Grundvorstellungen über Erkenntnisprozesse und entsprechend von Erkenntnistheorie<br />
und führen zugleich zu einer Neuakzentuierung des Unbewussten und<br />
einer weiteren Ausdifferenzierung seiner Dimensionen. (5)<br />
Dies wird nicht ohne Folgen für Theorie und Praxis der verschiedenen Felder beruflicher sozialer<br />
bleiben, da sich zeigt, dass im Krisenbewältigungsprozess ein größerer Anteil, als bisher<br />
angenommen, der neuronalen, unbewusst verlaufenden Prädizierung, d.h. Bedeutungsbildung<br />
zuzurechnen ist.<br />
Als Exkurs sollen zur Verdeutlichung dieser Situation thesenartig Stellungnahmen von<br />
G. Roth, U. Oevermann sowie H. J. Wagner hierzu aufgeführt werden:<br />
• „Auf der Folie von Resultaten der modernen Neurowissenschaften müssen wir – einerseits<br />
dies bestätigend, andererseits darüber hinausgehend – von einer komplexen neuronalen<br />
Prädizierung reden. Denn:‚ Der Übergang von der physikalischen und chemischen Umwelt<br />
zu den Wahrnehmungszuständen des Gehirns stellt einen radikalen Bruch dar. Die<br />
Komplexität der Umwelt wird „vernichtet“ durch ihre Zerlegung in Erregungszu-stände<br />
von Sinnesrezeptoren. Aus diesen muss das Gehirn wiederum durch eine Vielzahl von<br />
Mechanismen die Komplexität der Umwelt, soweit sie für das Überleben relevant ist, erschließen.<br />
Dabei werden durch Kombination auf den vielen Stufen der Sinnessysteme jeweils<br />
neue Informationen, neue Bedeutungen erzeugt’ (Roth, 1997, 115).<br />
Und weiter, auf die Farbwahrnehmung bezogen: ‚ Sehen wir uns als Beispiel für eine<br />
derartige Informationserzeugung durch Kombination das Farbensehen an. Wir können<br />
mehr als eine Million Farbabstufungen (das heißt Unterschiede hinsichtlich Farbton, Sättigung<br />
und Helligkeit) unterscheiden (von Camphausen, 1981). Grundlage dieser erstaunlichen<br />
visuellen Fähigkeit ist das Vorhandensein von mindestens zwei Typen von Zapfen,<br />
die unterschiedlich auf Wellenlängen des Lichtes reagieren, also unterschiedliche spektrale<br />
Empfindlichkeiten aufweisen. Bei uns Menschen und den anderen Säugetieren gibt<br />
es entsprechend der gut bestätigten Young-Helmholtz-Theorie drei Typen von Zapfen.<br />
(...) Unser Farbempfinden kommt entsprechend der Young-Helmholtz-Theorie des triochromatischen<br />
Farbensehens durch Kombination der Aktivitäten dieser drei Farbrezeptoren<br />
zustande. ( ...) Wir sehen also, dass die Information über eine bestimmte Farbe also<br />
keineswegs in den Zapfen der Netzhaut entsteht, sondern durch Kombination der Erregung<br />
von Sinnes- und Nervenzellen und Zellverbänden in einem Prozess, der von Photorezeptoren<br />
bis zu den assoziativen visuellen Arealen der Großhirnrinde reicht. Farbwahrnehmung<br />
ist also das Ergebnis eines komplizierten informationserzeugenden Vorganges’<br />
(Roth, 1997, 115 ff., 121).“ (Wagner, 2001, 181 f.).<br />
(5) Vgl. hierzu im einzelnen: Roth, G. (1997): Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie<br />
und ihre philosophischen Konsequenzen. Frankfurt am Main. Kandel, E.P. / Schwartz, J.H. / Jessell,<br />
Th. M. (Hg.) (1996): Neurowissenschaften. Eine Einführung. Heidelberg. Rock, I. (1985): Wahrnehmung. Vom<br />
visuellen Reiz zum Sehen und Erkennen. Heidelberg.<br />
© <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005 32