Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach
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<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />
Stand 01.08.2012<br />
Die Beziehungsebene<br />
• Auf der Beziehungsebene stellt sich berufliche soziale Arbeit als widersprüchliche Einheit<br />
diffuser und spezifischer Beziehungskomponenten dar (besondere personale Nähe bei<br />
fachlich geforderte Distanz). Das Arbeitsbündnis ist die fachliche Bezeichnung für diese<br />
besondere und besonders zu gestaltende Beziehungspraxis, d.h. für einen besonderen Beziehungstypus<br />
neben dem Typus rollenförmig-spezifischer und dem Typus diffus-familialer<br />
Beziehungen.<br />
• Bezüglich der Gleichzeitigkeit von Spezifität und Diffusität ist das Arbeitsbündnis symmetrisch.<br />
Bezüglich des Autonomieproblems, d.h. hinsichtlich des Hilfe- Unterstützungs-<br />
oder Erziehungsbedarfs ist das Arbeitsbündnis asymmetrisch, denn diese Asymmetrie ist<br />
ja gerade die Grundlage für das Zustandekommen des Arbeitsbündnisses.<br />
• Aufgrund des Autonomieproblems/ der Problemlage des Klienten/ Nutzers, d.h. aufgrund<br />
einer bestimmten Krisenkonstellation kommt es zu einer Vereinbarung, die die Erbringung<br />
der Hilfeleistung sowie beiderseitige Bedingungen und Voraussetzungen der Leistungserbringung<br />
regelt. Die hiermit eingerichtete soziale Beziehung ist grundsätzlich<br />
kündbar und die beteiligten Personen sind grundsätzlich austauschbar (rollenförmigspezifische<br />
Beziehungskomponente).<br />
• Alleine aufgrund des Handlungsproblems Hilfe- bzw. Unterstützungsbedürftigkeit des<br />
Klienten/ Nutzers kommt es zu einer strukturell erzwungenen praktischen Realisierung<br />
diffus-familialer Beziehungskomponenten, die situationsbedingt die Übertragung kindheitsbestimmter<br />
Haltungen und Konstellationen sowohl des Klienten/Nutzers als auch der<br />
Fachkraft fördern:<br />
• Der Klient/Nutzer wird aus seiner je besonderen Problemlage und Hilfebedürftigkeit heraus<br />
strukturell gezwungen, sich der Fachkraft in besonderer Weise anzuvertrauen, dabei<br />
nicht nur psychische, sondern ggf. auch körperliche Nähe zuzulassen oder auch zu suchen,<br />
ohne dass er die kompetente Verwirklichung des beruflichen Handelns der Fachkraft<br />
wirklich vollständig kontrollieren könnte (diffus-familiale Beziehungs-komonenet:<br />
besondere Formen der Vertrauensbildung). Diese besondere Situation im Innenraum einer<br />
spezifischen Rollenbeziehung ähnelt strukturell frühen Eltern-Kind-Beziehungen und<br />
fördert deshalb situationsbedingt die Aktualisierung und Übertragung kindheitsbestimmter<br />
Haltungen und Konstellationen des Klienten.<br />
• Die Fachkraft ihrerseits muss sich auf den Klienten als ganzen Menschen beziehen, will<br />
sie ihn nicht, schon im Ansatz inhuman, auf eine Problemlage, eine Krankheit, ein Verhaltensproblem,<br />
eine Behinderung, eine Entwicklungsstörung, einen Hilfebedarf usw. reduzieren.<br />
Hierfür muss sie sich von der Situation des Klienten anrühren lassen und sich in<br />
diesen einfühlen, sie muss, ähnlich der Gattenbeziehung oder der Beziehung der Eltern zu<br />
ihren Kindern, den anderen als ganze Person wahrnehmen, mitdenken und mitberücksichtigen<br />
(Vgl. Allert 1998, S. 227 ff). Damit wird in je unterschiedlichem Ausmaß strukturell<br />
gewissermaßen eine innerliche Verwirklichung diffus-familialer Beziehungselemente<br />
auch auf Seiten der Fachkräfte erzwungen.<br />
25 © <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005