Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach

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Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 Zentrale, zugleich individuelle und gesellschaftliche Problembereiche: Therapiebeschaffung Konsensbeschaffung Wahrheitsbeschaffung Abb.1: Historische Ausdifferenzierung beruflicher Praxisfelder Historische Ausdifferenzierung beruflicher Praxisfelder: Berufliche Tätigkeiten aus den Bereichen Therapie, Erziehung, Sozialisation, Pflege und institutionalisierter Hilfe (berufliche soziale Arbeit im engeren Sinne) Berufliche Tätigkeiten aus dem Bereich rechtspflegerischen Handelns Berufliche Tätigkeiten aus dem Bereich universitärwissenschaftlichen Handelns 1.1.3 Rollenförmig-spezifische und diffus-familiale soziale Beziehungen Die Gleichzeitigkeit rollenförmig-spezifischer und diffus-familialer Beziehungskomponenten • Ein zentrales Strukturmerkmal beruflicher sozialer Tätigkeit ist die Gleichzeitigkeit diffuser, quasi-familialer Beziehungskomponenten und rollenförmig-spezifischer Beziehungskomponenten, die in einem klientenbezogenen Arbeitsbündnis als einem eigenen Typus sozialer Beziehungen angemessen zu handhaben und zu gestalten sind. Dieses Strukturmerkmal kommt in dem für berufliches soziales Handeln typischen Spannungsverhältnis von besonderer personaler Nähe (diffuse Beziehungskomponente) und beruflich geforderter Distanz (rollenförmig-spezifische Beziehungskomponente) zum Ausdruck. • Ein genaueres Verständnis beruflicher sozialer Arbeit i. S. e. Gleichzeitigkeit diffuser und spezifischer Beziehungskomponenten setzt eine genauere Charakterisierung und Abgrenzung von rollenförmig-spezifischen gegenüber diffus-familialen Beziehungen voraus. © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005 16

Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 Rollenförmig-spezifische soziale Beziehungen • Rollenförmige Beziehungen sind durch aufeinander bezogene Rollendefinitionen gekennzeichnet. In diesen Rollendefinitionen sind institutionalisierte Verhaltens-erwartungen festgelegt und damit auch die Themen, die in dieser Beziehung möglich oder gerade nicht möglich sind. Dabei erfordert Rollenhandeln ein jeweiliges „role- taking“ (Rollenübernahme) und ein „role-making“ (Ausgestaltung der Rolle). • In rollenförmigen Beziehungen beziehen sich die Menschen nicht „diffus“ als ganze Menschen aufeinander, sondern als soziale Rollenträger, d.h. eben nur hinsichtlich spezifischer Rollendefinitionen. Es herrscht die „Bedingung der Austauschbarkeit des Personals“: Rollenförmig–spezifische Sozialbeziehungen behalten ihre strukturelle Identität auch dann, wenn das konkrete Personal wechselt. Damit unterscheiden sie sich deutlich von diffus-familialen Sozialbeziehungen (Gattenbeziehung und Eltern-Kind Beziehung), deren jeweils besondere und an besondere konkrete Personen gebundene Praxis beendet ist, wenn eine der sie bildenden Personen nicht mehr vorhanden ist (Bedingung der Nicht-Austauschbarkeit des Personals.) • Dennoch scheint durch die Rolle auch der ganze Mensch hindurch, der sie ja übernehmen und ausgestalten muss. Hierdurch erhalten Rollenbeziehungen eine mehr oder weniger ausgeprägte personale Einfärbung, entsprechend sind im Rollenhandeln auch soziale und personale Identität auszubalancieren und zur Darstellung zu bringen (vgl. Krappmann 1971). • Im primären familialen Sozialisationssystem eignen sich die Subjekte die elementaren Strukturen der Sozialität an, hier erfahren sie ihre soziale Geburt. Hier erwerben sie diejenigen Grundqualifikationen und Grundprägungen sozialer Handlungs- und Beziehungsfähigkeit, die als Grundlage erwachsenen Rollenhandelns und einer autonomen eigenverantwortlichen Existenz immer vorhanden sind und erhalten bleiben. • In diesem Zusammenhang liegt letztlich die Universalität von sogenannten Übertragungsprozessen begründet, d.h. die Art und Weise, in der sich diese soziale Geburt des Subjektes im primären Sozialisationssystem vollzog, formt und motiviert seine späteren Beziehungen als sozialer Rollenträger (transfamiliäre Übertragung) sowie seine späteren rollenfreien familialen Beziehungen (familiäre Übertragungen) unbewusst mit und gibt ihnen eine bestimmte affektive Tönung (Vgl. Oevermann 1993, Stierlin 1976, Wolf 2000). • Übertragungsprozesse sind damit als grundlegende soziale Tatsache in sozialen Beziehungen in zweifacher Hinsicht zu unterscheiden: Zum einen in einem nichtpathologischen Sinne als grundsätzlich nicht unangemessenes und überall vorkommendes psychisches und psychosoziales Geschehen i. S. e. Verbindung (vgl. Wolf 2000). Zum anderen in einem pathologischen Sinne als Reproduktion und Übertragung kindheitsbestimmter psychischer und psychosozialer Strukturen in einem hierfür unangemessenen aktuellen Kontext. 17 © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005

<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />

Stand 01.08.2012<br />

Rollenförmig-spezifische soziale Beziehungen<br />

• Rollenförmige Beziehungen sind durch aufeinander bezogene Rollendefinitionen gekennzeichnet.<br />

In diesen Rollendefinitionen sind institutionalisierte Verhaltens-erwartungen<br />

festgelegt und damit auch die Themen, die in dieser Beziehung möglich<br />

oder gerade nicht möglich sind. Dabei erfordert Rollenhandeln ein jeweiliges „role-<br />

taking“ (Rollenübernahme) und ein „role-making“ (Ausgestaltung der Rolle).<br />

• In rollenförmigen Beziehungen beziehen sich die Menschen nicht „diffus“ als ganze Menschen<br />

aufeinander, sondern als soziale Rollenträger, d.h. eben nur hinsichtlich spezifischer<br />

Rollendefinitionen. Es herrscht die „Bedingung der Austauschbarkeit des Personals“:<br />

Rollenförmig–spezifische Sozialbeziehungen behalten ihre strukturelle Identität<br />

auch dann, wenn das konkrete Personal wechselt. Damit unterscheiden sie<br />

sich deutlich von diffus-familialen Sozialbeziehungen (Gattenbeziehung und Eltern-Kind<br />

Beziehung), deren jeweils besondere und an besondere konkrete Personen gebundene Praxis<br />

beendet ist, wenn eine der sie bildenden Personen nicht mehr vorhanden ist<br />

(Bedingung der Nicht-Austauschbarkeit des Personals.)<br />

• Dennoch scheint durch die Rolle auch der ganze Mensch hindurch, der sie ja übernehmen<br />

und ausgestalten muss. Hierdurch erhalten Rollenbeziehungen eine mehr oder weniger<br />

ausgeprägte personale Einfärbung, entsprechend sind im Rollenhandeln auch soziale und<br />

personale Identität auszubalancieren und zur Darstellung zu bringen (vgl. Krappmann<br />

1971).<br />

• Im primären familialen Sozialisationssystem eignen sich die Subjekte die elementaren<br />

Strukturen der Sozialität an, hier erfahren sie ihre soziale Geburt. Hier erwerben sie diejenigen<br />

Grundqualifikationen und Grundprägungen sozialer Handlungs- und Beziehungsfähigkeit,<br />

die als Grundlage erwachsenen Rollenhandelns und einer autonomen eigenverantwortlichen<br />

Existenz immer vorhanden sind und erhalten bleiben.<br />

• In diesem Zusammenhang liegt letztlich die Universalität von sogenannten Übertragungsprozessen<br />

begründet, d.h. die Art und Weise, in der sich diese soziale Geburt des<br />

Subjektes im primären Sozialisationssystem vollzog, formt und motiviert seine späteren<br />

Beziehungen als sozialer Rollenträger (transfamiliäre Übertragung) sowie seine späteren<br />

rollenfreien familialen Beziehungen (familiäre Übertragungen) unbewusst mit und gibt<br />

ihnen eine bestimmte affektive Tönung (Vgl. Oevermann 1993, Stierlin 1976, Wolf<br />

2000).<br />

• Übertragungsprozesse sind damit als grundlegende soziale Tatsache in sozialen Beziehungen<br />

in zweifacher Hinsicht zu unterscheiden: Zum einen in einem nichtpathologischen<br />

Sinne als grundsätzlich nicht unangemessenes und überall vorkommendes<br />

psychisches und psychosoziales Geschehen i. S. e. Verbindung (vgl. Wolf 2000). Zum<br />

anderen in einem pathologischen Sinne als Reproduktion und Übertragung kindheitsbestimmter<br />

psychischer und psychosozialer Strukturen in einem hierfür unangemessenen aktuellen<br />

Kontext.<br />

17 © <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005

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