Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach

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Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 Exkurs: Abkürzende Verfahren von Perspektivenermittlung und Fallverstehen unter praktischem Handlungsdruck In der Interventionspraxis beruflicher sozialer Arbeit hat die getrennte Wahrnehmung und zugleich angemessene Berücksichtigung unterschiedlicher Positionen und Perspektiven unter praktischem Handlungsdruck zu erfolgen. Hier können z.B. auch eigene Gefühle der Fachkraft gegenüber Klient und Eltern daraufhin reflektiert werden, ob und inwieweit sie möglicherweise Auskunft über die besonderen Perspektiven und Positionen von Klient, Eltern oder Fachkraft selbst geben, inwieweit sie also im Sinne einer besonderen Reaktion und Antwort zu verstehen sind. Diese Reflexion eigener Gefühle kann in der Interventionspraxis dann einem abkürzenden Fallverstehen unter praktischem Handlungsdruck dienen, ist aber zur Kontrolle und damit als Qualitätsmerkmal notwendig an qualifizierte psychodynamisch und beziehungsdynamisch orientierte Supervision in Ausbildung und Berufspraxis gebunden (vgl. Baumann 1987, Wölpert 1997). Im Rahmen einer fachlichen Kunstlehre beruflicher sozialer Arbeit können entsprechend drei erkenntnisleitende Fragen herangezogen werden, die die Fachkräfte in ihrer Berufspraxis und die Eltern in ihrer kollektiven und individuellen Lebenspraxis hinsichtlich der Trennungsfähigkeit der Perspektiven unterstützen (vgl Baumann 1991): Für die Fachkraft: • Wie geht es mir mit dem anderen (meinem Klienten, seinen Eltern)? • Wie glaube ich, geht es dem anderen (meinem Klienten, seinen Eltern)? • Wie geht es mir mit mir selbst? Für das Elternpaar: • Wie geht es uns mit dem anderen (unserem Kind, ggf. seiner Fachkraft)? • Wie glauben wir, geht es dem anderen (unserem Kind, ggf. seiner Fachkraft)? • Wie geht es uns mit uns selbst? Für das einzelne Elternteil: • Wie geht es mir mit dem anderen (meinem Kind, meinem Gatten/ Partner)? • Wie glaube ich geht es dem anderen (meinem Kind, meinem Gatten/ Partner)? • Wie glaube ich geht es mir selbst? Die Erfassung phasentypischer Entwicklungsaufgaben Die Lebenspraxis des einzelnen Klienten sowie die Lebenspraxis der Eltern / Familie sind im individuellen Lebenszyklus bzw. Familienlebenszyklus vor phasentypische Entwicklungsaufgaben gestellt (vgl. Fachliche Rahmenkonzeption des Vereins Behindertenhilfe 2003, 62). Im Berufsleben der einzelnen Fachkraft selbst stellen sich ebenfalls phasentypische berufliche Entwicklungsaufgaben. Berufliche soziale Arbeit ist als stellvertretende Bewältigung lebenspraktischer Krisen beständig mit der Bewältigung von individuellen wie auch Familienentwicklungsaufgaben konfrontiert und hat hierzu ob implizit oder explizit immer auch normativ praktisch Stellung zu beziehen. Darüber hinaus hat sie auch zu den eigenen phasentypischen beruflichen Entwicklungsaufgaben praktisch Stellung zu beziehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005 Kapitel 1, Anhang 7 8

Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 Gegenüber dem außerberuflichen Handeln unterliegt berufliche soziale Arbeit dabei einer gesteigerten Begründungsverpflichtung hinsichtlich der Angemessenheit ihrer Interventionen und ihrer fachlichen und fachlich-organisatorischen Routinen und hierin liegt ein wesentlicher Grund für die Notwendigkeit einer differenzierteren und weitergehenderen Auseinandersetzung mit phasentypischen Entwicklungsaufgaben und ihnen korrespondierenden Entwicklungsmodellen. Aus diesen Gründen ist es ein inhaltlich-konzeptioneller Grundgedanke der Arbeitshilfe, in einer „Gesamtschau der wesentlichen Voraussetzungen des Arbeitsbündnisses“ zu einer Überblick verschaffenden Sichtung und Zusammenfassung wesentlicher phasentypischer und immer auch normativer Entwicklungsaufgaben anzuregen, mit denen Klient, Eltern und Fachkraft arbeitsfeldspezifisch notwendig konfrontiert werden. Zur Unterstützung können beispielhaft die Entwicklungstaxonomien im Anhang der Fachlichen Rahmenkonzeption herangezogen werden. Eine differenziertere Betrachtung der phasentypischen in einer Gesellschaft gegebenen und immer auch normativen Entwicklungsaufgaben vor allem von Klient und Eltern ist aber nicht nur wichtig unter dem Gesichtspunkt der Begründung einzelinterventionsbezogener oder angebotsbezogener Ziele, Pläne und Konzeptionen. Sie erinnert auch daran, in welchem Ausmaß eine Gesellschaft und ihre Fachkräfte angesichts bestimmter Erschwernisse und Einschränkungen der Nutzer grundsätzlich in der Lage oder auch gewillt sind, Normalität und Normalisierung zu ermöglichen und zu unterstützen oder eben auch nicht. Interne Differenzierung der arbeitsfeldspezifischen Herausforderungen beruflicher sozialer Arbeit unter prozessbezogenen und personenbezogenen Gesichtspunkten Ein inhaltlich-konzeptioneller Grundgedanke der Arbeitshilfe ist die Differenzierung der Untersuchung und Reflexion der arbeitsfeldspezifischen Herausforderungen beruflicher Hilfebeziehungen unter prozess- und personengruppenbezogenen Gesichtspunkten. Das Arbeitsbündnis als eigenlogische Beziehungspraxis stellt ein prozesshaftes Geschehen dar, das in die Phasen der Einrichtung, der Entfaltung und Differenzierung sowie der Beendigung unterteilt werden kann. Bezogen auf die Hilfe- bzw. Unterstützungsmaßnahme insgesamt, kommt diesen Phasen eine jeweils besondere Bedeutung zu und die Herausforde-rungen beruflicher Hilfebeziehungen erfahren in ihrer Multipositionalität und Multiperspekti-vität eine phasentypische Ausprägung und Akzentuierung (vgl. Fachliche Rahmenkonzeption des Vereins Behindertenhilfe 2003, 42 f). Diesem Zusammenhang entsprechend unterscheidet die Arbeitshilfe zwischen einer vorklärenden und orientierenden Gesamtschau einerseits und einer phasenbezogenen Evaluation andererseits. Die phasenbezogene Evaluation kann dann jeweils für die Einrichtungsphase, die Phase der Entfaltung und Differenzierung sowie die Beendigungsphase getrennt durchgeführt werden. Als weiteren Grundgedanken sieht die Arbeitshilfe die Möglichkeit einer differenzierten Untersuchung der arbeitsfeldspezifischen Herausforderungen von Hilfebeziehungen für typische Untergruppen von Klienten, Eltern und Fachkräften vor, die dann selbst wiederum phasenbezogen erfolgen kann. 9 © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005 Kapitel 1, Anhang 7

<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />

Stand 01.08.2012<br />

Exkurs: Abkürzende Verfahren von Perspektivenermittlung und Fallverstehen unter<br />

praktischem Handlungsdruck<br />

In der Interventionspraxis beruflicher sozialer Arbeit hat die getrennte Wahrnehmung und<br />

zugleich angemessene Berücksichtigung unterschiedlicher Positionen und Perspektiven unter<br />

praktischem Handlungsdruck zu erfolgen. Hier können z.B. auch eigene Gefühle der Fachkraft<br />

gegenüber Klient und Eltern daraufhin reflektiert werden, ob und inwieweit sie möglicherweise<br />

Auskunft über die besonderen Perspektiven und Positionen von Klient, Eltern oder<br />

Fachkraft selbst geben, inwieweit sie also im Sinne einer besonderen Reaktion und Antwort<br />

zu verstehen sind. Diese Reflexion eigener Gefühle kann in der Interventionspraxis dann einem<br />

abkürzenden Fallverstehen unter praktischem Handlungsdruck dienen, ist aber zur Kontrolle<br />

und damit als Qualitätsmerkmal notwendig an qualifizierte psychodynamisch und beziehungsdynamisch<br />

orientierte Supervision in Ausbildung und Berufspraxis gebunden (vgl.<br />

Baumann 1987, Wölpert 1997).<br />

Im Rahmen einer fachlichen Kunstlehre beruflicher sozialer Arbeit können entsprechend drei<br />

erkenntnisleitende Fragen herangezogen werden, die die Fachkräfte in ihrer Berufspraxis und<br />

die Eltern in ihrer kollektiven und individuellen Lebenspraxis hinsichtlich der Trennungsfähigkeit<br />

der Perspektiven unterstützen (vgl Baumann 1991):<br />

Für die Fachkraft:<br />

• Wie geht es mir mit dem anderen (meinem Klienten, seinen Eltern)?<br />

• Wie glaube ich, geht es dem anderen (meinem Klienten, seinen Eltern)?<br />

• Wie geht es mir mit mir selbst?<br />

Für das Elternpaar:<br />

• Wie geht es uns mit dem anderen (unserem Kind, ggf. seiner Fachkraft)?<br />

• Wie glauben wir, geht es dem anderen (unserem Kind, ggf. seiner Fachkraft)?<br />

• Wie geht es uns mit uns selbst?<br />

Für das einzelne Elternteil:<br />

• Wie geht es mir mit dem anderen (meinem Kind, meinem Gatten/ Partner)?<br />

• Wie glaube ich geht es dem anderen (meinem Kind, meinem Gatten/ Partner)?<br />

• Wie glaube ich geht es mir selbst?<br />

Die Erfassung phasentypischer Entwicklungsaufgaben<br />

Die Lebenspraxis des einzelnen Klienten sowie die Lebenspraxis der Eltern / Familie sind im<br />

individuellen Lebenszyklus bzw. Familienlebenszyklus vor phasentypische Entwicklungsaufgaben<br />

gestellt (vgl. Fachliche Rahmenkonzeption des Vereins <strong>Behindertenhilfe</strong> 2003, 62). Im<br />

Berufsleben der einzelnen Fachkraft selbst stellen sich ebenfalls phasentypische berufliche<br />

Entwicklungsaufgaben.<br />

Berufliche soziale Arbeit ist als stellvertretende Bewältigung lebenspraktischer Krisen beständig<br />

mit der Bewältigung von individuellen wie auch Familienentwicklungsaufgaben konfrontiert<br />

und hat hierzu ob implizit oder explizit immer auch normativ praktisch Stellung zu<br />

beziehen. Darüber hinaus hat sie auch zu den eigenen phasentypischen beruflichen Entwicklungsaufgaben<br />

praktisch Stellung zu beziehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.<br />

© <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005 <strong>Kapitel</strong> 1, Anhang 7 8

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