Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach

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Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 Dieser die Vielfalt von Positionen und Perspektiven im Arbeitsbündnis berücksichtigende Arbeitsansatz lässt sich auch durch folgende Fragestellungen veranschaulichen: • In welche typischen objektiven Handlungssituationen (Handlungsproblematiken) sind die jeweiligen Positionsinhaber (Klient, Eltern, Fachkraft) im Arbeitsbündnis gestellt? • Welche typischen Beziehungsaufgaben in Bezug auf die jeweils anderen Positionsinhaber stellen sich hierbei notwendig und überindividuell? • Wie könnte es einem Positionsinhaber mit einem typischen Unterstützungsbedarf und typischen Entwicklungsaufgaben subjektiv in einer solchen Handlungssituation typischerweise gehen? Oder anders: Welche subjektiven Themen, Vorstellungen, Wünsche und Gefühle könnten durch eine solche objektive Situation typischerweise nahegelegt werden? • Berücksichtigen und integrieren die Einzelinterventionen und die fachlichen und fachlichorganisatorischen Routinen in angemessener Weise diese verschiedenen Handlungsproblematiken und Beziehungsaufgaben im Arbeitsbündnis? Bezüglich der objektiven Handlungsproblematiken im Arbeitsbündnis kann eine weitere Differenzierung vorgenommen werden. Es lassen sich positionsspezifische objektive Handlungsproblematiken , die ein Arbeitsfeld insgesamt charakterisieren, von solchen unterscheiden, die innerhalb eines Arbeitsfeldes für die einzelnen Phasen des Arbeitsbündnisses charakteristisch sind. (Gleiches gilt dann auch für die überindividuellen Beziehungsaufgaben, die notwendig mit einer jeweiligen Position verbunden sind). Im Bereich der Wohnheime bedeutet die typische, das gesamte Arbeitsfeld charakterisierende objektive Handlungsproblematik des Klienten z.B., dass sich seine Wohnung und sein nahes Wohnumfeld als einem der zentralsten und intimsten Bereiche privater Lebensführung innerhalb einer nicht-privaten sozialen Organisation befinden, dies oft für die Dauer und Perspektive eines ganzen Erwachsenenlebens gegeben ist und der Bewohner darüber hinaus Wohnheim und ggf. auch Zimmer mit anderen Klienten/ Nutzern teilen muss. Kehrseitig bedeutet dies für die Fachkräfte, dass sie täglich, auch an Wochenenden und Feiertagen und dies ggf. für eine sehr lange Zeit, auch Alter und Krankheit begleitend, unmittelbar im Privatbereich ihres Klienten tätig sind und dabei Anforderungen und Bedürfnisse von Klient, Klientengruppe und sozialer Organisation zu berücksichtigen und zu integrieren haben. Kontrastierend hierzu stellen sich z.B. die Verhältnisse im Bereich der Kindertagesstätten dar. Hier besteht die typische, das Arbeitsfeld insgesamt charakterisierende objektive Handlungsproblematik des Erziehungsklienten darin, dass er für eine klar umrissene Zeitspanne von i.d.R. maximal drei Jahren die Kindertagesstätte als ersten Ort institutionalisierter außerfamilialer Erziehung, Bildung, Förderung und Betreuung besucht. Dabei muss er sich mit einer für ihn grundsätzlich berechenbaren täglichen räumlichen und personellen Trennung von Elternhaus und Familie auseinandersetzen, ohne dass es hierbei aber zu einer Überschneidung von privatem und nicht-privatem Raum wie im Wohnheimbereich kommt, er muss sich hier die Betreuung durch nicht-familiale Bezugspersonen gefallen lassen und dies alles in einem Gruppenzusammenhang mit anderen Kindern. © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005 Kapitel 1, Anhang 7 6

Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 Für die Fachkräfte besteht im Bereich Kindertagesstätten kehrseitig hierzu die das Arbeitsfeld insgesamt kennzeichnende objektive Handlungsproblematik darin, dass sie innerhalb einer öffentlichen Erziehungs- , Bildungs- und Betreuungseinrichtung auf Dauer eine offene Gruppe von kleinen Erziehungsklienten zu betreuen haben, die sich potentiell jedes Jahr verändern kann und spätestens nach drei Jahren vollständig ausgewechselt ist. Dabei begegnen die Fachkräfte den Kindern und ihren Eltern nicht, wie beispielsweise auch oftmals im Bereich früher Hilfen, in einem privaten Bereich, sondern im Bereich „ihrer“ Einrichtung. In den Phasen der Einrichtung, der Entfaltung und Differenzierung sowie der Beendigung von Arbeitsbündnissen erhalten die das Arbeitsfeld insgesamt charakterisierenden objektiven Handlungsproblematiken nochmals eine phasenbezogene Ausprägung und Differenzierung. Mit den verschiedenen Positionen und positionalen Handlungsproblematiken im Arbeitsbündnis sind jeweils typische Beziehungsaufgaben verbunden, die sich im Hinblick auf die anderen Positionen ergeben und die sowohl in einem charakterisierenden Überblick über ein Arbeitsfeld als auch in ihrer phasenbezogenen Differenzierung und Ausprägung betrachtet werden können. Als erläuterndes Beispiel soll der Bereich der Kindertagesstätten im Überblick herangezogen werden. In der Position des kleinen Erziehungs- und Bildungsklienten ergeben sich hier für das Kind beispielsweise folgende typische Beziehungsaufgaben: In der Beziehung mit den Eltern muss das Kind weitere Ablöseschritte vollziehen und dabei seine Beziehung zugleich aufrechterhalten und transformieren. Hinsichtlich der Fachkräfte muss das Kind neue Beziehungen eingehen, entwickeln und erstmals auch beenden, es überträgt dabei zunächst in nichtpathologischer Weise seine familalen Beziehungserfahrungen und Beziehungsmuster auf die Fachkräfte und muss sukzessive lernen, die Fachkräfte in ihrer „Berufsrolle“ mit den anderen Kindern zu teilen. Hinsichtlich der Kindergruppe besteht die positionale Beziehungsaufgabe darin, Mitglied einer Gruppe zu werden, neue Beziehungen und Freundschaften einzugehen und dabei einer unter gleichen und dennoch besonders zu sein als Vorgriff auf späteres erwachsenes Rollenhandeln. Analog lassen sich die typischen Beziehungsaufgaben in den Positionen von Fachkraft und Eltern ausarbeiten und wie die Handlungsproblematiken auch einer phasenbezogenen Untersuchung unterziehen. Dieser Multipositionalität und Multiperspektivität berücksichtigende Arbeitsansatz entspricht der fachlichen Erfahrung und Erkenntnis, dass fachlich angemessene berufliche soziale Arbeit sowohl die Fähigkeit zur getrennten Wahrnehmung der unterschiedlichen Positionen und Perspektiven als auch zu ihrer angemessenen handlungspraktischen Einbeziehung durch die Fachkraft selbst erfordert (vgl. z.B. Baumann 1987, Baumann 1991, Wölpert 1985, Wölpert 1997). Während die konkrete Arbeit im Arbeitsbündnis hierbei unter einem oftmals hohen praktischen Handlungsdruck steht, zielt die Arbeitshilfe ESOFAB auf eine Erfassung und Reflektion von Multipositionalität und Multiperspektivität in einer Situation praktischer Handlungsentlastetheit. 7 © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005 Kapitel 1, Anhang 7

<strong>Vereinshandbuch</strong> <strong>Band</strong> 3<br />

Stand 01.08.2012<br />

Für die Fachkräfte besteht im Bereich Kindertagesstätten kehrseitig hierzu die das Arbeitsfeld<br />

insgesamt kennzeichnende objektive Handlungsproblematik darin, dass sie innerhalb<br />

einer öffentlichen Erziehungs- , Bildungs- und Betreuungseinrichtung auf Dauer eine offene<br />

Gruppe von kleinen Erziehungsklienten zu betreuen haben, die sich potentiell jedes Jahr verändern<br />

kann und spätestens nach drei Jahren vollständig ausgewechselt ist. Dabei begegnen<br />

die Fachkräfte den Kindern und ihren Eltern nicht, wie beispielsweise auch oftmals im Bereich<br />

früher Hilfen, in einem privaten Bereich, sondern im Bereich „ihrer“ Einrichtung.<br />

In den Phasen der Einrichtung, der Entfaltung und Differenzierung sowie der Beendigung von<br />

Arbeitsbündnissen erhalten die das Arbeitsfeld insgesamt charakterisierenden objektiven<br />

Handlungsproblematiken nochmals eine phasenbezogene Ausprägung und Differenzierung.<br />

Mit den verschiedenen Positionen und positionalen Handlungsproblematiken im Arbeitsbündnis<br />

sind jeweils typische Beziehungsaufgaben verbunden, die sich im Hinblick auf die<br />

anderen Positionen ergeben und die sowohl in einem charakterisierenden Überblick über ein<br />

Arbeitsfeld als auch in ihrer phasenbezogenen Differenzierung und Ausprägung betrachtet<br />

werden können. Als erläuterndes Beispiel soll der Bereich der Kindertagesstätten im Überblick<br />

herangezogen werden.<br />

In der Position des kleinen Erziehungs- und Bildungsklienten ergeben sich hier für das Kind<br />

beispielsweise folgende typische Beziehungsaufgaben: In der Beziehung mit den Eltern muss<br />

das Kind weitere Ablöseschritte vollziehen und dabei seine Beziehung zugleich aufrechterhalten<br />

und transformieren. Hinsichtlich der Fachkräfte muss das Kind neue Beziehungen<br />

eingehen, entwickeln und erstmals auch beenden, es überträgt dabei zunächst in nichtpathologischer<br />

Weise seine familalen Beziehungserfahrungen und Beziehungsmuster auf die<br />

Fachkräfte und muss sukzessive lernen, die Fachkräfte in ihrer „Berufsrolle“ mit den anderen<br />

Kindern zu teilen. Hinsichtlich der Kindergruppe besteht die positionale Beziehungsaufgabe<br />

darin, Mitglied einer Gruppe zu werden, neue Beziehungen und Freundschaften einzugehen<br />

und dabei einer unter gleichen und dennoch besonders zu sein als Vorgriff auf späteres erwachsenes<br />

Rollenhandeln. Analog lassen sich die typischen Beziehungsaufgaben in den Positionen<br />

von Fachkraft und Eltern ausarbeiten und wie die Handlungsproblematiken auch einer<br />

phasenbezogenen Untersuchung unterziehen.<br />

Dieser Multipositionalität und Multiperspektivität berücksichtigende Arbeitsansatz entspricht<br />

der fachlichen Erfahrung und Erkenntnis, dass fachlich angemessene berufliche soziale Arbeit<br />

sowohl die Fähigkeit zur getrennten Wahrnehmung der unterschiedlichen Positionen und Perspektiven<br />

als auch zu ihrer angemessenen handlungspraktischen Einbeziehung durch die<br />

Fachkraft selbst erfordert (vgl. z.B. Baumann 1987, Baumann 1991, Wölpert 1985, Wölpert<br />

1997). Während die konkrete Arbeit im Arbeitsbündnis hierbei unter einem oftmals hohen<br />

praktischen Handlungsdruck steht, zielt die Arbeitshilfe ESOFAB auf eine Erfassung und<br />

Reflektion von Multipositionalität und Multiperspektivität in einer Situation praktischer<br />

Handlungsentlastetheit.<br />

7 © <strong>Behindertenhilfe</strong> in Stadt und Kreis <strong>Offenbach</strong> e.V., <strong>Offenbach</strong> 2005 <strong>Kapitel</strong> 1, Anhang 7

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