Vereinshandbuch Band 3 Kapitel 1 - Behindertenhilfe Offenbach

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Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 „Es bietet sich an, die Anerkennungstheorie als begriffliches Gerüst zur Analyse der gesellschaftlichen Lage von Menschen mit Behinderung zu nutzen. Institutionelle Strukturen und konkrete Interaktionen wären in allen drei Dimensionen des Anerkennungsbegriffes daraufhin zu untersuchen, welche Chancen der Anerkennung sie eröffnen bzw. welche Formen der Missachtungen sie implizit oder explizit transportieren.“ (Katzenbach, D., S. 134) Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass im Kontext von Behinderung die Begründungszusammenhänge hinsichtlich der Solidarität anders, als von Honneth ursprünglich vorgetragen, begründet werden muss (vgl. Schmid Noerr, G., S. 82 f). Bei Honneth wird die Solidarität nach dem Muster der Arbeitersolidarität noch gruppenspezifisch definiert und ist an Voraussetzungen (z.B. gemeinsames Interesse und Bewusstsein, gemeinsame Fähigkeiten, soziale Kampferfahrung) gebunden (vgl. Schmid Noerr, G.,S. 88) . Das modifizierte Verständnis von Solidarität im Kontext von Behinderung hat eine universelle Begründung. „Der neue Typus der Solidarität unterscheidet sich vom hergebrachten nicht zuletzt dadurch, dass er innerhalb und zusammen mit individualisierten Lebensformen verwirklicht wird. Dieses solidarische Handeln erfolgt freiwillig, vielseitig, zeitlich und räumlich begrenzt in sozialen Netzwerken aller Art“ (vgl. Schmid Noerr, G., S. 90). In dieser universellen Begründung und Kennzeichnung des neuen Typs von Solidarität leuchtet auf, warum der Bezug zu einer sich entwickelnden zivilen Bürgergesellschaft mit seinen sozialräumlichen Netzwerken für das Gelingen des „Zukunftsprojektes Inklusion“ wesentlich ist. Bei den sozialräumlichen Netzwerken wird häufig die direkte Nachbarschaft als wesentlicher sozialgestaltender Faktor genannt. Die soziale Wirklichkeit belehrt uns, dass dieser Nachbarschaftsbegriff erweitert werden muss in Richtung „Entlokalisierung“. Denn für viele Bürger ist die Verbindung, die gleiche Absichten und gleiche Orientierungen stiftet, bedeutsamer als die räumliche Nähe, zumal die Mobilität diese Entlokalisierung auch praktisch ermöglicht. Es ist klar geworden, dass für die BRK das Zusammentreffen und Zusammenspiel der rechtlichen, ethischen und politischen Implikationen typisch ist (vgl. Lindmeier, C., S. 4). Ein abschließender Hinweis in diesem Unterkapitel betrifft die Weiterentwicklung der Institutionen der sozialen Arbeit und deren professionelles Selbstverständnis. Zugleich werden in Wissenschaft und Praxis geeignete Modelle didaktischen/ methodischen Handelns zu entwickeln sein, um in den verschiedenen Praxisfeldern beruflicher-sozialer Arbeit Inklusion als politisch gesellschaftliche Wertorientierung zu realisieren. Wie dargelegt hat der Diskurs um die in der UN-BRK (re-)formulierten Menschenrechte für Menschen mit Behinderung und der Verwirklichung Fahrt aufgenommen. „Alle reden derzeit von Inklusion – dem Heilsversprechen unserer Zeit - … der Veränderungsdruck ist enorm.“ (Fornefeld, B., S. 400) Wie bei allen Heilsversprechen gilt es achtsam zu sein und - wie es Otto Speck treffend formuliert- jeder ist aufgerufen, es nach wie vor zu wagen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen (vgl. Speck. O., S. 84-91). © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005 104
Vereinshandbuch Band 3 Stand 01.08.2012 Es kann nicht um einen hektischen Aktionismus gehen, sondern darum, wahrzunehmen, dass Inklusion als Zukunftsprojekt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, die ein auf Dauer gestelltes abgestimmtes Zusammenwirken aller Akteure erforderlich macht. (vgl. auch Seifert, B. S. 398). Dieser Prozess braucht Elan und zugleich Augenmaß, Klugheit und Geduld. Einer dieser Akteure ist der Verein. Auf dem Feld beruflich-sozialer Arbeit hat er sich einen festen Platz erarbeitet. Im Kapitel 3.6 des VHB werden wir näher auf die Relevanz dieser gesellschaftlichen Entwicklung für den Verein im Besonderen eingehen. Literaturangaben: Aichele, V., Die UN-Behindertenrechtskonvention und ihr Fakultativprotokoll. Ein Beitrag zur Ratifikationsdebatte. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2008 Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, alle inklusive!, Die neue UN- Konvention … und ihre Handlungsaufträge. Ergebnisse der Kampagne alle inklusive, Berlin, Mai 2009 Degener, T., Die neue UN Behindertenrechtskonvention aus der Perspektive der Disability Studies, in: Behindertenpädagogik 3/2009, S. 263 - 283 Fornefeld, B., Ausschluss von Menschen mit komplexer Behinderung – Inklusion oder einfach mehr Gerechtigkeit?! in: Behindertenpädagogik Heft 4/2010, S. 400 - 416 Frühauf, T., Das Ende der lebenslänglichen sonderpädagogischen „Umklammerung“ in Reichweite, in: Teilhabe Heft 3/10, S. 100 – 101 Hinz, A. Inklusive Pädagogik in der Schule – veränderter Orientierungsrahmen für die schulische Sonderpädagogik!? Oder doch deren Ende?? in: Zeitschrift für Heilpädagogik Heft 5/2009 S. 171 - 179 Honneth, A., „Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte“, Frankfurt a.M., erweiterte Auflage 2003, Katzenbach, D., Anerkennung, Missachtung und geistige Behinderung, in: Ahrbeck, B., Rauh, B., (Hrsg). Behinderung zwischen Autonomie und Angewiesenheit, Stuttgart, 2004, S. 127 -144 Katzenbach, D., unveröffentlichtes Handout, Fachtag Inklusion Lebenshilfe Hessen, Frankfurt am Main, 1. Juli 2010, ohne Seitenangabe Klauß, T., Inklusive Bildung: Vom Recht aller, alles Wichtige über die Welt zu erfahren, in: Behindertenpädagogik Heft 4/210, S. 341-374 Lachwitz, K., u. Trenk-Hinterberger, P., „Zum Einfluss der Behindertenkonventionen (BRK) der Vereinten Nationen auf die deutsche Rechtsordnung“, in: Rechtsdienste der Lebenshilfe, Nr. 2/10, S. 45 - 52 Lindmeier, C., Teilhabe und Inklusion, in: Teilhabe Heft 1/2009, S. 4-10 Netzwerk Artikel 3 e.V. , Schattenübersetzung, Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Behindertenrechtskonvention - BRK, Berlin, 2009 105 © Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V., Offenbach 2005
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