11.08.2013 Aufrufe

50 Jahre Dorfwettbewerb 1961-2011 - Unser Dorf hat Zukunft - Bund ...

50 Jahre Dorfwettbewerb 1961-2011 - Unser Dorf hat Zukunft - Bund ...

50 Jahre Dorfwettbewerb 1961-2011 - Unser Dorf hat Zukunft - Bund ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> <strong>1961</strong>–<strong>2011</strong>


Inhalt<br />

Vorworte<br />

Ilse Aigner, <strong>Bund</strong>esministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 4<br />

Karl Zwermann, Präsident der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. 5<br />

1. <strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden – <strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> als Teil der ländlichen Entwicklung 8<br />

<strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> und <strong>Dorf</strong>erneuerung haben gemeinsame Vorfahren 10<br />

2. <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

<strong>Dorf</strong>verschönerung vor <strong>1961</strong> 14<br />

<strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> in der ehemaligen DDR 15<br />

2.1 Die Grüne Charta von der Mainau<br />

Vom germanischen Landschaftsraum zu bäuerlicher Kulturlandschaft<br />

Idee und Zielsetzung der Grünen Charta von der Mainau 16<br />

2.2 <strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden<br />

Wie sah das Leben auf dem Land damals aus? 18<br />

Planung und Ästhetik – das erste Jahrzehnt 21<br />

2.3 Die Rahmenbedingungen ändern sich<br />

Der Wettbewerb der <strong>Jahre</strong> 1975 bis 1984 in Niedersachsen 24<br />

Dörfer in Baden-Württemberg 28<br />

Wir in Klein Meckelsen – Zweimaliges Golddorf lüftet das Geheimnis seines Erfolges 30<br />

Wir in Lieberhausen – Eine große Erfolgsgeschichte für ein kleines <strong>Dorf</strong> 32<br />

2.4 Der Wettbewerb erhält Zuwachs<br />

Landeswettbewerb in Sachsen 34<br />

Landeswettbewerb in Sachsen-Anhalt 36<br />

Wir in Rieth 38<br />

Wir in Bertsdorf-Hörnitz 39<br />

2.5 Träger, Initiatoren, Berater<br />

Der Bürgerwettbewerb – Chance für Bayerns Dörfer 40<br />

Die Schule der <strong>Dorf</strong>- und Landentwicklung Thierhaupten 44<br />

Das Zentrum für Ländliche Entwicklung Nordrhein-Westfalen 46<br />

2.6 Die Bewertungskommissionen<br />

Organisation und Aufgaben 48<br />

1976: Vortrag zum Abschluss des <strong>Bund</strong>eswettbewerbs in Bayern <strong>50</strong><br />

2.7 <strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

Anpassung an neue Herausforderungen 52<br />

Erfolgreich gemeinsam Handeln – eine Arbeitshilfe zur Selbstbewertung<br />

dörflicher Aktivitäten 55<br />

Wir in Gersbach – <strong>Dorf</strong>entwicklung für die <strong>Zukunft</strong> 58<br />

Wir in Latrop – Vom Waldarbeiterdorf zum Ferienort 60<br />

2.8 Der Blick nach Europa<br />

Entente Florale Europe 62<br />

Der Europäische <strong>Dorf</strong>erneuerungspreis 64<br />

3. <strong>Zukunft</strong> des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s<br />

Wie verändert sich der ländliche Raum? 68<br />

Vom schöner finden zum besser sein 72<br />

Wir in Banzkow – Strukturen für die <strong>Zukunft</strong> schaffen 74<br />

Wir in Brokeloh – Eine <strong>Zukunft</strong> für unser <strong>Dorf</strong> 76<br />

4. Anhang<br />

Die Grüne Charta von der Mainau 80<br />

Ausschreibung des 1. <strong>Bund</strong>eswettbewerbs 1960/<strong>1961</strong> 82<br />

Ausschreibung des 24. <strong>Bund</strong>eswettbewerbs <strong>2011</strong>/2013 84<br />

Teilnehmerzahlen <strong>1961</strong> bis 2010 90<br />

Weitere Informationen zum <strong>Bund</strong>eswettbewerb und den Landeswettbewerben 90


Vorwort<br />

Sehr geehrte Leserinnen<br />

und Leser,<br />

der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> feiert in diesem Jahr sein<br />

<strong>50</strong>jähriges Bestehen und ist ein fester Bestandteil<br />

ländlicher Entwicklung. Seit <strong>1961</strong> engagieren sich<br />

die Bürgerinnen und Bürger mit großer Begeisterung<br />

für die Verschönerung ihrer Heimat. Begonnen<br />

unter dem Titel „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner<br />

werden“ in der <strong>Bund</strong>esrepublik und in der ehemaligen<br />

Deutschen Demokratischen Republik bekannt<br />

als „Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach<br />

mit“ <strong>hat</strong> sich der Wettbewerb unter dem aktuellen<br />

Motto „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ zu einem Wettstreit<br />

um die besten Ideen für attraktive Dörfer als<br />

Wohn-, Erholungs- und Arbeitsstätte gewandelt.<br />

<strong>2011</strong> ist das europäische Jahr der Freiwilligkeit.<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> stellt ein imposantes Beispiel<br />

dar, was freiwilliges Bürgerengagement bewegen<br />

kann. Mit über 104.000 teilnehmenden Dörfern im<br />

Laufe der letzten fünf Jahrzehnte in ganz Deutschland<br />

schreibt der Wettbewerb eine Erfolgsgeschichte<br />

und ist einer der größten Bürgerbewegungen<br />

in Europa. Er <strong>hat</strong> mit dazu beigetragen, die Dörfer<br />

lebendig und lebenswert zu erhalten sowie den<br />

Herausforderungen der ländlichen Räume zu<br />

begegnen.<br />

Auch in <strong>Zukunft</strong> können unsere Dörfer nur mit<br />

dem Engagement seiner Bewohner gestaltet<br />

werden. Deshalb soll der <strong>Bund</strong>eswettbewerb die<br />

Menschen motivieren, ihre <strong>Zukunft</strong>sperspektiven<br />

zu bestimmen und aktiv an der Verbesserung der<br />

Lebensqualität auf dem Lande mitzuwirken. Gefragt<br />

sind Ideen, wie das Antlitz des eigenen <strong>Dorf</strong>es<br />

verbessert werden kann. Wirtschaft, Infrastruktur<br />

und Baugestaltung stehen ebenso im Mittelpunkt,<br />

wie die Grüngestaltung und das soziale wie kulturelle<br />

Umfeld. Denn für das Leben auf dem Lande<br />

ist die Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen, Kindergärten<br />

und Schulen sowie das Angebot für Kultur<br />

und Freizeit von ebenso großer Bedeutung, wie<br />

eine schöne <strong>Dorf</strong>mitte und attraktive Landschaften.<br />

Ausgehend von einer Rückschau auf die erfolgreiche<br />

Geschichte sollen mit dieser Broschüre neue<br />

Impulse für die <strong>Zukunft</strong> des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s<br />

gesetzt werden. Gemeinsam mit den Ländern und<br />

mitwirkenden Verbänden werden wir den <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

fortführen und an die Herausforderungen<br />

der nächsten Jahrzehnte anpassen.<br />

Den vielen unermüdlichen freiwilligen Helfern,<br />

Verantwortlichen und Akteuren, die am <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

mitgewirkt haben und sich auch in<br />

<strong>Zukunft</strong> einbringen, gilt mein besonderer Dank.<br />

Ihre<br />

Ilse Aigner<br />

<strong>Bund</strong>esministerin für Ernährung, Landwirtschaft<br />

und Verbraucherschutz<br />

4


Vorwort<br />

Sehr geehrte Leserinnen<br />

und Leser,<br />

es waren schon zwei Sternstunden im Leben der<br />

jungen <strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland, die im <strong>Jahre</strong><br />

<strong>1961</strong> von der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft<br />

1822 e.V. ausgingen und die bleibende Verdienste<br />

für die Entwicklung unseres Gemeinwesens bis heute<br />

erbringen.<br />

Graf Lennart Bernadotte <strong>hat</strong> als Präsident der Deutschen<br />

Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. die ‚Grüne<br />

Charta von der Mainau‘ als erstes ‚Umwelt-Credo‘<br />

aus den Mainauer Rundgesprächen konzipiert und<br />

mit dem <strong>Bund</strong>eswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner<br />

werden“ gestartet.<br />

In einer Zeit der raschen wirtschaftlichen und<br />

gesellschaftlichen Veränderungen in unserem Land<br />

sind wir den beherzten Frauen und Männern von<br />

damals besonders dankbar für ihre weitsichtigen<br />

Ideen und deren Verwirklichung. Das Wunderbare<br />

am Wettbewerb ist die Begeisterung der ehrenamtlich<br />

wirkenden Menschen in den Dörfern. Die<br />

dörfliche Gemeinschaft beflügelt den Wettbewerb<br />

in all den <strong>Jahre</strong>n und sie entwickelt eine erstaunliche<br />

Dynamik. Stolz und dankbar sein kann man<br />

auf das Geschaffene für Heimat und Umwelt durch<br />

die enge Zusammenarbeit von Vereinen und Verwaltung.<br />

Als Präsident der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft<br />

1822 e.V. im <strong>50</strong>. Jahr des Wettbewerbs blicke ich<br />

in Dankbarkeit zurück auf die vielen Millionen engagierten<br />

Menschen in unserem Land, die sich um<br />

ihr <strong>Dorf</strong> verdient gemacht haben. Aber auch den<br />

5<br />

vielen Menschen, die in den <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n den Wettbewerb<br />

als Jurymitglieder ehrenamtlich begleitet und<br />

fachlich bewertet haben, möchte ich von ganzem<br />

Herzen meinen besonderen Dank aussprechen.<br />

Dieses <strong>50</strong>jährige Wettbewerbsjubiläum führt uns<br />

die <strong>Zukunft</strong> unserer Dörfer vor Augen. Das großartige<br />

Erbe auch in unsere Zeit erfolgreich weiter zu<br />

tragen, ist Aufgabe und Herausforderung zugleich.<br />

Wecken wir die Begeisterung für das ehrenamtliche<br />

Engagement in den Herzen und Köpfen<br />

unserer Menschen, dann wird „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> eine<br />

gute <strong>Zukunft</strong>“ haben. Wir, die Deutsche Gartenbau-<br />

Gesellschaft 1822 e.V. wollen helfen, den Samen<br />

dafür auszubringen.<br />

Ihr<br />

Karl Zwermann<br />

Präsident der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft<br />

1822 e.V.


<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden –<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>


<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden –<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

Von Anfang an war der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> bedeutender Teil der ländlichen Entwicklung.<br />

Das Wettbewerbsgeschehen vor Ort wurde und wird inhaltlich von den Bürgerinnen und<br />

Bürgern, von den <strong>Dorf</strong>gemeinschaften und örtlichen Vereinen in eigener Verantwortung<br />

und in Selbsthilfe gestaltet. Das <strong>Bund</strong>esministerium für Ernährung, Landwirtschaft und<br />

Verbraucherschutz (BMELV) sowie die zuständigen Ministerien der Länder schreiben den<br />

Wettbewerb aus, stellen die Finanzierung sicher und begleiten ihn organisatorisch.<br />

Mit dem Wettbewerb ist ein Instrument gegeben, das nicht immer konfliktfrei, förmliche<br />

Förder- und Strukturprogramme für Dörfer und Regionen durch aktive Bürgerbeteiligung<br />

ergänzen und eine breite Basis für die Akzeptanz der ländlichen Entwicklung<br />

herstellen kann.<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

als Teil der ländlichen<br />

Entwicklung<br />

Die ländlichen Räume stehen vor besonderen<br />

Herausforderungen: Der fortschreitende Strukturwandel<br />

in der Landwirtschaft und der ländlichen<br />

Wirtschaft, die demografischen Veränderungen<br />

und der gesellschaftliche Wertewandel werden die<br />

<strong>Dorf</strong>entwicklung in den nächsten <strong>Jahre</strong>n prägen.<br />

Daraus ergeben sich Konsequenzen für das Angebot<br />

an Arbeitsplätzen, die Wertschöpfung in den<br />

Regionen, die Siedlungsentwicklung sowie die<br />

Sicherung der Daseinsvorsorge und den Ausbau der<br />

Infrastruktur.<br />

Begleitet wird dieser Wandel durch ein verändertes<br />

soziales Umfeld: In vielen Regionen wird die <strong>Dorf</strong>bevölkerung<br />

weniger, älter und bunter; bäuerliche<br />

Familienstrukturen mit mehreren Generationen auf<br />

dem Hof finden sich immer seltener. Überalterung<br />

und Abwanderung treffen insbesondere die Dörfer<br />

in strukturschwachen peripheren Regionen. Gerade<br />

hier werden viele Ideen und innovative Vorschläge<br />

benötigt.<br />

Die Bürger und Bürgerinnen<br />

sind Akteure und Motoren der<br />

Veränderung<br />

Die <strong>Dorf</strong>entwicklung lebt vom Engagement der<br />

Menschen, von Ideen und Tatkraft. Hier setzt der<br />

Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ an. Die<br />

Kultur des Miteinanders ist in den Dörfern, die am<br />

<strong>Bund</strong>eswettbewerb teilnehmen, besonders ausgeprägt<br />

und bildet oftmals den Kern des dörflichen<br />

Lebens. Dabei sind die Akteure selbst Motor der<br />

Veränderung. Dort, wo sich die Bewohner engagieren,<br />

ihre <strong>Zukunft</strong> selbst in die Hand nehmen und<br />

über die Entwicklung ihres <strong>Dorf</strong>es mitentscheiden,<br />

fühlen sich die Menschen wohl. Dabei ist die Vielfalt<br />

der Regionen eine Chance, unterschiedliche<br />

Konzepte im Wettbewerb zu propagieren.<br />

Viele Verantwortliche in den Verwaltungen und<br />

ehrenamtlich Tätige in den Vereinen und Chören,<br />

in den Freiwilligen Feuerwehren oder in anderen<br />

regionalen Projekten engagieren sich für den<br />

Wettbewerb. Eine besondere Herausforderung<br />

stellt dabei die abnehmende Bindungswirkung der<br />

Vereine und insbesondere die Frage, wie können<br />

junge Menschen begeistert werden, dar. So stösst<br />

gerade dieser Wettbewerb auch bürgerschaftli-<br />

8


ches Engagement an, indem Beispiele engagierter<br />

<strong>Dorf</strong>entwicklung noch besser bekannt gemacht<br />

werden, um Nachahmer in der Region und darüber<br />

hinaus zu finden.<br />

Die Verlagerung der Wettbewerbsschwerpunkte<br />

mit der Neuausrichtung des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s in<br />

den 90er <strong>Jahre</strong>n unter dem Motto „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong><br />

<strong>Zukunft</strong>“ ist dem Wandel in der ländlichen Entwicklung<br />

Rechnung getragen worden. So wurde in<br />

den Bewertungbereichen besonderes Augenmerk<br />

auf Konzepte für die dörfliche Entwicklung, auf<br />

wirtschaftliche Initiativen sowie die sozialen und<br />

kulturellen Aktivitäten im <strong>Dorf</strong> gelegt.<br />

9<br />

Gold<br />

Silber<br />

NW seit <strong>1961</strong><br />

22.225 Teilnehmer<br />

Bronze<br />

Plakette<br />

56 48 27<br />

Gold<br />

Silber<br />

Gold<br />

Bronze<br />

Silber<br />

Bronze<br />

Plakette<br />

RP seit <strong>1961</strong><br />

16.874 Teilnehmer<br />

Plakette<br />

Gold<br />

SH seit <strong>1961</strong><br />

3.831 Teilnehmer<br />

Gold<br />

7 15 10 4 6 3 2<br />

Gold<br />

Silber<br />

23 29 11<br />

Silber<br />

Bronze<br />

Bronze<br />

Plakette<br />

Plakette<br />

Gold<br />

Gold<br />

Gold<br />

NI seit <strong>1961</strong><br />

10.171 Teilnehmer<br />

ST seit <strong>1961</strong><br />

2.042 Teilnehmer<br />

17 25 16<br />

Silber<br />

Bronze<br />

35 28 11<br />

Gold<br />

Plakette<br />

Silber<br />

Bronze<br />

HE seit <strong>1961</strong><br />

7.682 Teilnehmer<br />

36 44 31<br />

SL seit <strong>1961</strong><br />

2.628 Teilnehmer BW seit <strong>1961</strong><br />

15 14 10<br />

7.746 Teilnehmer<br />

Plakette<br />

2 7 11 2<br />

Silber<br />

Bronze<br />

6 5 7 2<br />

Silber<br />

Bronze<br />

Gold<br />

Plakette<br />

Plakette<br />

TH seit 1991<br />

1.945 Teilnehmer<br />

70 48 20<br />

Silber<br />

Bronze<br />

Silber<br />

BY seit <strong>1961</strong><br />

26.138 Teilnehmer<br />

MV seit 1991<br />

868 Teilnehmer<br />

Plakette<br />

Bronze<br />

Gold<br />

Plakette<br />

BE seit 1991<br />

1 Teilnehmer<br />

1<br />

Silber<br />

Bronze<br />

Plakette<br />

Gold<br />

Silber<br />

Bronze<br />

Plakette Gold<br />

Silber<br />

Bronze<br />

Plakette<br />

5 6 5 2<br />

BB seit 1991<br />

1.131 Teilnehmer<br />

SN seit 1991<br />

1.499 Teilnehmer<br />

1<br />

7 7 2<br />

Teilnehmer<br />

und Medaillen (<strong>1961</strong>–2010)<br />

Für den 24. <strong>Bund</strong>esentscheid, der für 2013 ausgelobt<br />

worden ist, sind die Wertungsbereiche:<br />

ó Leitbild und Entwicklungskonzepte,<br />

ó Wirtschaftliche Entwicklung und Initiative,<br />

ó Soziale und kulturelle Aktivitäten,<br />

ó Baugestaltung und -entwicklung,<br />

ó Grüngestaltung und -entwicklung,<br />

ó Das <strong>Dorf</strong> in der Landschaft<br />

vorgegeben. Damit erlangt die konzeptionelle Komponente,<br />

d. h. die Vorstellungen der <strong>Dorf</strong>bewohner<br />

für eine nachhaltige <strong>Zukunft</strong>sgestaltung und deren<br />

Realisierung, ein größeres Gewicht.<br />

Bewertet wird auch der Gesamteindruck, den die<br />

Jury bei ihren Bereisungen unter Berücksichtigung<br />

der individuellen wirtschaftlichen, ökologischen<br />

und sozialen Ausgangsbedingungen erhält.


Für die Besetzung der Jury, die für 2013 berufen<br />

wird, ist ein höherer Anteil von Frauen und<br />

Jugendlichen wünschenswert. Allerdings <strong>hat</strong> sich<br />

das BMELV gemeinsam mit den Ländern und<br />

Verbänden entschieden, das Kriterium für die<br />

teilnahmeberechtigten Dörfer nicht zu erhöhen:<br />

Im 24. <strong>Bund</strong>eswettbewerb sind, wie bisher räumlich<br />

geschlossene Gemeinden oder Gemeindeteile<br />

mit überwiegend dörflichem Charakter mit bis zu<br />

3.000 Einwohnern teilnahmeberechtigt.<br />

Chancen und Stärken der Dörfer<br />

herausstellen<br />

Der Wettbewerb ist eine Erfolgsgeschichte und<br />

das Ziel sollte auch künftig sein, die Akteure zu<br />

motivieren, weit über eine Verschönerung des<br />

Ortsbildes hinaus Perspektiven für ihr <strong>Dorf</strong> zu entwickeln<br />

und umzusetzen. Gleichwohl stellt sich die<br />

Frage, ob der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> in seiner heutigen<br />

Ausprägung noch zeitgemäß ist. Zu hinterfragen<br />

ist, inwieweit sich die Wettbewerbsschwerpunkte<br />

weiter verlagern und ob die Bewertungskriterien<br />

richtig gewichtet sind? Gibt es genügend Unterstützung<br />

durch die Verbände und Verwaltungen<br />

für die Akteure vor Ort? Sind zusätzliche Anreize<br />

für die Teilnahme am <strong>Bund</strong>eswettbewerb sinnvoll?<br />

Ist die Zusammensetzung der Jury und die Art der<br />

Bereisung der teilnehmenden Dörfer zu ändern?<br />

Diese und andere Fragestellungen sollen durch<br />

eine Evaluierung beantwortet werden, verbunden<br />

mit entsprechenden Schlussfolgerungen für die<br />

Weiterentwicklung des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s.<br />

Auch in <strong>Zukunft</strong> soll der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> eine gemeinsame<br />

Plattform für bürgerschaftlich motiviertes<br />

Engagement sein, nicht zuletzt um die Anerkennung<br />

der freiwilligen Leistungen zu würdigen.<br />

Nur wenn es gelingt, die Chancen bzw. Stärken für<br />

das <strong>Dorf</strong> im Dialog auszuloten und die Umsetzung<br />

der Ideen in die eigenen Hände zu nehmen, wird<br />

die <strong>Dorf</strong>entwicklung vorankommen. Dabei stehen<br />

die Wirtschaftspotentiale, die Infrastruktur und<br />

das soziale Umfeld im Mittelpunkt. Denn die Erreichbarkeit<br />

von Arbeitsplätzen, Kindergärten und<br />

Schulen sowie das Angebot für Kultur und Freizeit<br />

ist bereits heute wichtig für die Lebensqualität auf<br />

dem Lande.<br />

Dörfliche Vielfalt ist Grundlage<br />

für Lebensqualität und Heimatempfinden<br />

Das <strong>Bund</strong>esministerium für Ernährung, Landwirtschaft<br />

und Verbraucherschutz wird auch künftig<br />

gemeinsam mit den Ländern und Verbänden den<br />

Wettbewerb durchführen und an die sich verändernden<br />

Rahmenbedingungen anpassen. Damit<br />

leistet er einen Beitrag, freiwilliges Engagement zu<br />

stimulieren, d. h. zugleich Anreiz und Ermutigung<br />

für alle <strong>Dorf</strong>bewohner, die schon aktiv sind oder es<br />

noch werden wollen, ihre Erfahrungen, Kreativität,<br />

Innovationskraft und Zeit für ihre Heimat einzubringen.<br />

Das stärkt das soziale Miteinander und<br />

bringt zusätzliche Lebensqualität in den ländlichen<br />

Räumen. Wichtig ist, dass die <strong>Dorf</strong>bewohner gern<br />

in ihrer Heimatgemeinde leben, um sie attraktiver<br />

zu gestalten. Attraktiv ist die Region, wenn das<br />

gesellschaftliche Leben pulsiert und die Menschen<br />

sich einbringen können. Je reichhaltiger dieses<br />

Leben und je mehr die Menschen darin verankert<br />

sind, umso wohler fühlen sie sich auf dem Lande.<br />

Dr. Ulrich Neubauer,<br />

Referatsleiter „Entwicklung ländlicher Räume“, <strong>Bund</strong>esministerium<br />

für Ernährung, Landwirtschaft und<br />

Verbraucherschutz, Wilhelmstr. 54, 10117 Berlin<br />

Monique Kluge,<br />

Referat „Entwicklung ländlicher Räume“, <strong>Bund</strong>esministerium<br />

für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,<br />

Wilhelmstr. 54, 10117 Berlin<br />

<strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> und<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerung haben<br />

gemeinsame Vorfahren<br />

Gott sei Dank „leisten“ wir uns in Zeiten von<br />

ökonomisch dominierten <strong>Zukunft</strong>sgutachten und<br />

Ländlicher Raum-Diskussionen noch Initiativen,<br />

wo es um „soziale Geborgenheit und Vertrautheit,<br />

Heimatgefühl, um Gemeinsinn oder Schönheit<br />

von Natur und Landschaften“ geht. Weltvergessene<br />

Idealisten oder Traumtänzer mit Rückgriff auf<br />

fürstliches Mäzenatentum à la Pückler-Muskau<br />

oder Franz von Anhalt-Dessau? Nein, die Rede ist<br />

vom <strong>Bund</strong>eswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“,<br />

dessen Entstehung tatsächlich einer noblen Gesinnung<br />

und Haltung zu verdanken ist. Es ging, wie<br />

den Schöpfern der Landesverschönerung Mitte des<br />

19ten Jahrhunderts um Schönheit, um Harmonie<br />

von Funktion und Form. Diese grundrichtige Idee<br />

wurde im Zuge des Wettbewerbs vielfach missverstanden,<br />

weshalb auch der „Blumenschmuckwettbewerb“<br />

diskreditiert und verächtlich gemacht<br />

worden ist.<br />

10


Die örtlichen Vereine entwicklen Ideen und Konzepte<br />

sowohl in der förmlichen <strong>Dorf</strong>erneuerung,<br />

wie auch für den <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>.<br />

Aber alle Kritik konnte dem populären Wettbewerb<br />

nichts anhaben, zu beliebt war er auf dem Lande,<br />

zu stark verankert bei den örtlichen Obst- und<br />

Gartenbauvereinen. Gerade diese wichtigen Träger<br />

ländlicher Kultur <strong>hat</strong>ten allerdings schwer zu<br />

schlucken, als mit der „amtlichen“ <strong>Dorf</strong>erneuerung<br />

ein übermächtiger Konkurrent mit viel Geld und<br />

Professionalität am Horizont auftauchte. Neid und<br />

Konkurrenzgefühle waren die Folge, die beiden<br />

Seiten schwer zusetzten, neu angefacht Anfang der<br />

90er <strong>Jahre</strong> nach der deutschen Wiedervereinigung.<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerung und <strong>Dorf</strong>verschönerung<br />

– ein Widerspruch?<br />

Der Kritik über „Blumenschmuckorgien“ und zu<br />

wenig strategische Ausrichtung und professionelles<br />

Niveau einerseits stand der Vorwurf gegenüber, die<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerung habe mit ihrem vielen Geld und<br />

mehr staatlichen als privaten Initiativen und Planungen<br />

allzu leichtes Spiel. Dieser Vorwurf wurde<br />

noch verschärft durch die Ergebnisse des Wettbewerbs,<br />

bei dem immer mehr staatlich geförderte<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerungen die Medaillenplätze abräumten.<br />

Vom Ausschluss der <strong>Dorf</strong>erneuerungs-Dörfer war<br />

plötzlich die Rede, von unterschiedlichen Kontingenten<br />

und Klassen, die man schaffen sollte etc.,<br />

bis die Vernunft siegte und sich beide Seiten auf<br />

Einladung der Präsidentin der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft<br />

1822 e.V., Gräfin Sonja Bernadotte<br />

auf Schloss Mainau trafen.<br />

Heute ist das Geschichte. Es kam wie es kommen<br />

musste: Der Wettbewerb wurde fortgeschrieben<br />

und umbenannt, behielt aber seine Identität stiftenden<br />

Grundmerkmale bürgerschaftlichen und<br />

viel auf Vereinsarbeit abgestützten Engagements.<br />

11<br />

Die <strong>Dorf</strong>erneuerung nahm eine positive Haltung<br />

zum Wettbewerb ein und betrachtete ihn fortan<br />

als willkommene Ergänzung, ja noch besser, als<br />

motivatorische Vorstufe für den ganzheitlichen<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerungsprozess.<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> ist aktive<br />

Bürgerbeteiligung<br />

Vor diesem Hintergrund, insbesondere vor der<br />

anstehenden Aufgabenteilung zwischen Staat,<br />

Kommunen, Wirtschaft und Bürgern kann der<br />

Wettbewerb wichtige, ja zentrale Beiträge im Sinne<br />

einer Bewegung von unten nach oben auf breitester<br />

Basis leisten:<br />

1. Förderung von zukunftsfähigen, gemeinsam<br />

getragenen Leitbildern,<br />

2. Förderung der Gemeinschaften und des sozialen<br />

Kitts gerade in Dörfern mit Segregationserscheinungen,<br />

3. Stärkung von Engagement, Einbindung sowie<br />

Nutzung des Potentials der älteren Generation<br />

für die ländliche Gesellschaft,<br />

4. Förderung nachhaltigen Denkens und Handelns<br />

sowie vor allem eigenbestimmter Selbstverantwortung,<br />

5. Förderung vielfältiger lokaler und regionaler<br />

Initiativen, wie z. B. auf dem Gebiet erneuerbarer<br />

Energien,<br />

6. Förderung von interkommunalen und regionalen<br />

Zusammenschlüssen,<br />

7. Förderung von nachhaltigem, d. h. flächensparendem<br />

Flächenmanagement, wozu eine behutsame<br />

Innenentwicklung und die Umnutzung von<br />

Gebäuden anstelle des zu schnellen Konsums<br />

unbebauter Flächen gehören.<br />

Viele dieser Maßnahmen können ohne viel Geld,<br />

ohne große staatliche Schützenhilfe erfolgen.<br />

Wichtig sind Freiwilligkeit und Gemeinschaft im<br />

Denken und Handeln. Im Sinne der uralten ländlichen<br />

Weisheit „Schuster bleib bei deinem Leisten“<br />

sollten beide Verwandte, der Wettbewerb und die<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerung, sich ihrer jeweiligen Stärken voll<br />

bewusst sein und noch mehr als bisher zusammenfinden,<br />

um dem ländlichen Raum durch lokale<br />

Initiativen Stärke und Vitalität zu geben und damit<br />

<strong>Zukunft</strong> zu eröffnen.<br />

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Magel,<br />

TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung,<br />

Arcisstraße 21, 80333 München


<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

12


<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

Lange Tradition <strong>hat</strong>te die <strong>Dorf</strong>verschönerung bevor der Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll<br />

schöner werden“ ins Leben gerufen wurde. Musterdörfer und Wettbewerbe für Städte<br />

und Dörfer gab es in allen Teilen Deutschlands.<br />

<strong>Dorf</strong>verschönerung vor <strong>1961</strong><br />

Bereits in den <strong>Jahre</strong>n vor dem Zweiten Weltkrieg<br />

wurde der Versuch unternommen, Musterdörfer<br />

zu finden. Diese Aktion war durch die Nationalsozialistische-Ideologie<br />

bestimmt. So fand ab 1937 in<br />

München-Oberbayern der Wettbewerb „Schönheit in<br />

Stadt und Land“ statt.<br />

Verlar (Kreis Paderborn) in den 30er <strong>Jahre</strong>n: Die<br />

Lippstädter Straße war noch unbefestigt, die<br />

hygienischen und sozialen Bedingungen im <strong>Dorf</strong><br />

waren schwierig.<br />

Er zielte auf vier Kernbereiche:<br />

1. Landschaft und eine möglichst gute Integration<br />

des Ortes in die Umgebung.<br />

2. Sauberkeit, besonders in allen öffentlichen und<br />

privaten Gebäuden und Anlagen.<br />

3. Gemeinschaftsanlagen, wie Friedhöfe, Gaststätten<br />

und vor allem lokale Ortsgruppenhäuser mussten<br />

mit besonderer Sorgfalt errichtet und gepflegt<br />

werden.<br />

4. „Pflege des Erbgutes“ im Sinne der vorherrschenden<br />

Nationalsozialistischen Ideologie, aber auch<br />

Erhaltung der regional typischen figurativen<br />

Elemente, besonders Häuserfassaden, Plastiken<br />

oder Laden schilder.<br />

In der Phase des Wiederaufbaus nach dem Krieg<br />

<strong>hat</strong>ten einige Kreisverwaltungen die Probleme der<br />

Dörfer und ländlichen Regionen erkannt. Dem<br />

Drang der Menschen, in der Nachkriegszeit Missstände<br />

zu beseitigen und dem Harmoniebedürfnis<br />

zu entsprechen, wurde mit neuen Wettbewerben<br />

entsprochen.<br />

ó In Schleswig-Holstein startete der Kreis Herzogtum<br />

Lauenburg 1952 mit dem Wettbewerb<br />

„Schönheit des <strong>Dorf</strong>es“, 1957 folgte der Kreis<br />

Schleswig-Flensburg mit dem Wettbewerb „Das<br />

schöne <strong>Dorf</strong>“ und 1959 der Kreis Eckernförde.<br />

ó In Hessen führte der Lahn-Dill Kreis erstmals<br />

1955 den Kreiswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner<br />

werden“ durch. Das Land Hessen veranstaltete<br />

ab 1958 Landeswettbewerbe.<br />

ó Auch in Bayern wurden bereits <strong>1961</strong> in mehreren<br />

Kreisen Anwesens- und Ortsverschönerungswettbewerbe<br />

veranstaltet.<br />

Sebastian Strube,<br />

Gartenstraße 3, 80809 München<br />

Lutz Wetzlar,<br />

Tulpenstiege 3, 48341 Altenberge<br />

14


<strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> in<br />

der ehemaligen DDR<br />

„Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach<br />

mit!“ war das offizielle Signet des Bürgerengagement<br />

in der DDR. Staatlich gelenkt und in den<br />

Volkswirtschaftsplan integriert war dieses Engagement<br />

ein Instrument zur Inanspruchnahme der<br />

Bürger und Bürgerinnen und wurde in Form eines<br />

sozialistischen Wettbewerbs geführt, mit dem Ziel<br />

der Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität.<br />

Die Bürger wurden so angehalten, in ihrer Freizeit<br />

und an Wochenenden unentgeltliche Arbeitsleistungen<br />

(Subbotnik) vor allem bei der Verschönerung<br />

des Wohnumfelds zu erbringen.<br />

Die Organisation des sozialistischen<br />

Wettbewerbs<br />

Trägerin dieser Initiative war die Nationale Front<br />

(NF), der Zusammenschluss aller politischen Parteien<br />

und Massenorganisationen der DDR. Die NF<br />

kannte keine persönliche Mitgliedschaft, verfügte<br />

aber über ein sehr differenziertes Organisationsnetz.<br />

Auf jeder dieser Ebenen nahmen Bürger und<br />

Bürgerinnen, zumeist ehrenamtlich Funktionen<br />

wahr. Dem Nationalrat oblag es, eine langfristige<br />

Planung für die Mach-mit-Bewegung zu erarbeiten,<br />

die mittelfristig von den Untergliederungen aufgeschlüsselt<br />

wurde und an der Basis kurzfristig und<br />

konkret umzusetzen war.<br />

Aufgabenfelder der Mach-mit-Initiative<br />

ó Bei allen Veröffentlichungen zum Bürgerengagement<br />

standen Leistungen für die Lösung<br />

der Wohnungsfrage als soziales Problem im<br />

Vordergrund. Es ging immer um freiwillige<br />

Arbeitseinsätze in der Freizeit bei allen Machmit-Projekten.<br />

ó Junge Menschen, die einen eigenen Hausstand<br />

gründen wollten, konnten die Wartezeit auf<br />

eine Wohnung durch den Ausbau einer Altbauwohnung<br />

abkürzen. Dies wurde als Beitrag zur<br />

Mach-mit-Initiative gewertet.<br />

ó Die Gestaltung und Pflege der Wohnumwelt<br />

gehörte ebenfalls zum Mach-mit-Bereich. Hierbei<br />

ging es u. a. um Höfe und Vorgärten, um Spielplätze<br />

und Freiflächen, um Parks und Denkmalanlagen<br />

bis zur Erneuerung und Gestaltung von<br />

Straßen und Plätzen.<br />

15<br />

ó Die Sammlung von Sekundärrohstoffen galt als<br />

volkswirtschaftlich höchst wichtige Mach-mit-<br />

Initiative. Die rohstoffarme DDR war auf Schrott,<br />

Altpapier, Alttextilien und Gläser dringend<br />

angewiesen.<br />

Mit diesen Beispielen sind die wichtigsten Aufgabenfelder<br />

umrissen. Nach örtlichen Gegebenheiten<br />

konnten auch andere Projekte einbezogen werden,<br />

so das Anlegen und die Pflege eines Fischteichs,<br />

Regulierung eines kleinen Wasserlaufs, Bau eines<br />

Gemeinschaftshauses für einen Verein.<br />

Engagement und politische Wertung<br />

Die Mach-mit-Initiative bot den Bürgern und<br />

Bürgerinnen in der DDR nicht die Möglichkeit des<br />

spontanen Reagierens. Partei und Staat erwarteten<br />

zwar Engagement, das aber sollte in vorgegebenen<br />

Bahnen ablaufen. Damit blieb für Proteste<br />

gegen staatliche Politik kein Raum, allenfalls die<br />

Befriedigung dringender Bürgerbedürfnisse konnte<br />

eingefordert werden.<br />

Allerdings musste der Bürger damit rechnen, dass<br />

er selbst in Anspruch genommen wurde, dass er<br />

Freizeit und Arbeitskraft zu investieren <strong>hat</strong>te. Mancher<br />

Bürger war zum Engagement bereit, weil anders<br />

Ärgernisse nicht zu beheben waren. Er konnte<br />

auch nicht verhindern, dass seine Bereitschaft als<br />

Beweis für politische und weltanschauliche Übereinstimmung<br />

mit der Führung gewertet wurde. Es<br />

gehörte zum Charakter dieser Bürgerinitiativen,<br />

dass für erbrachtes Engagement Auszeichnungen,<br />

Ehrentitel und Prämien vergeben wurden. Damit<br />

reihte sich auch die Mach-mit-Initiative in das<br />

Gesamtsystem gesellschaftlicher Organisiertheiten<br />

ein: Arbeitskollektiv, Massenorganisation, Hausgemeinschaft<br />

oder Kleingärtnerverband.<br />

Uwe Briese,<br />

Kleiststraße 55, 16552 Schildow


Die Grüne Charta von der Mainau<br />

Die Initiative zu einer „Grünen Charta“ ging von der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft<br />

1822 e.V. (DGG) mit ihrem Präsidenten, Graf Lennart Bernadotte, aus. Die „Grüne Charta<br />

von der Mainau“ war Aufbruch in eine neue Zeit nach dem Krieg mit der Hoffnung auf ein<br />

besseres Leben auf dem Land. Sie war aber auch ein Instrument der Integration, mit der<br />

eine Brücke von der ideologischen Verklärung von Landschaft und <strong>Dorf</strong> als Volksraum zu<br />

sachlich-funktionaler Kulturlandschaft bäuerlicher Prägung der modernen Zeit gebaut<br />

werden konnte.<br />

Vom germanischen Landschaftsraum<br />

zu bäuerlicher<br />

Kulturlandschaft<br />

Idee und Zielsetzung der Grünen<br />

Charta von der Mainau<br />

Zum 5. Mainauer Rundgespräch <strong>hat</strong>ten Graf<br />

Lennart Bernadotte und die DGG am 20. April<br />

<strong>1961</strong> auf die Insel Mainau eingeladen, um über die<br />

<strong>Zukunft</strong> des ländlichen Raumes zu diskutieren. Die<br />

herausgehobene Stellung von Graf Bernadotte und<br />

seine Fähigkeit, die unterschiedlichsten Menschen<br />

zusammenzubringen, ließen dieses Mal neben Parlamentariern,<br />

Wirtschaftsvertretern und Wissenschaftler<br />

selbst den <strong>Bund</strong>espräsidenten anreisen.<br />

Heinrich Lübke übernahm die Aufgabe die „Grüne<br />

Charta von der Mainau“ offiziell vorzustellen. Diese<br />

Charta galt den Anwesenden als wichtigste programmatische<br />

Grundlage für die Neuordnung des ländlichen<br />

Raumes. Damit war sie auch Grundlage für den<br />

Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“. In der<br />

Charta waren die wesentlichen Grundideen zusammengefasst,<br />

die den Wettbewerb in den 1960er und<br />

70er <strong>Jahre</strong>n bestimmten. Zudem war sie einer der<br />

wichtigsten Meilensteine bei der Entwicklung von<br />

einem stark ideologisierten und völkisch begründeten<br />

Landschaft- und Heimatschutz hin zu einem<br />

modernen, am Menschen orientierten Naturschutz<br />

auf ökologisch-wissenschaftlicher Basis.<br />

Die Charta war von einer Kommission unter Vorsitz<br />

von Graf Lennart Bernadotte erarbeitet worden.<br />

Hier fanden sich die wichtigsten Landschaftsgestalter<br />

fast aller Lehrstühle zusammen, die sich in<br />

Westdeutschland der 19<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong> mit dem Thema<br />

Landschaftsschutz beschäftigten. Führende Köpfe<br />

waren die Professoren Werner Lendholt, Hermann<br />

Mattern, Gustav Allinger, Alwin Seifert und auch<br />

Heinrich Wiepking. Sie alle wirkten in der Zeit<br />

zwischen 1933 und 1945 in führenden Positionen<br />

in nationalsozialistischen Landschaftspflege- und<br />

Naturschutzprojekten z. B. Wartegau/Polen, Reichsautobahn,<br />

Generalplan Ost mit.<br />

Vom Generalplan Ost zur<br />

Raumordnung<br />

Dass die Grüne Charta trotz dieser historischen<br />

Belastung zu einem zentralen Dokument des modernen<br />

Umweltschutzgedankens werden und somit<br />

auch grundlegend für den <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> konnte,<br />

<strong>hat</strong>te vor allem zwei Gründe:<br />

ó zum ersten die Abwendung vom volksräumlichen<br />

Denken und<br />

ó zum zweiten der pragmatische und problembezogene<br />

Zugang zu Fragen der Umweltzerstörung<br />

und der Neuordnung des ländlichen<br />

Raumes.<br />

So begriff etwa Heinrich Wiepking den ländlichen<br />

Raum vor allen Dingen als Volksraum. Im Rahmen<br />

seiner Tätigkeit für den Generalplan Ost, also die<br />

geplante deutsche Besiedelung des annektierten<br />

und entvölkerten Russlands schrieb er 1941, dass<br />

„Landschaftsräume […] eine deutsch-germanischer<br />

Wesensart entsprechende Gesamtgestaltung erhalten“<br />

müssten.<br />

Die „deutsch-germanische Wesensart“ zum Leitgedanken<br />

einer Raumordnung der <strong>Bund</strong>esrepublik<br />

zu machen, war allerdings nicht möglich. Stattdessen<br />

löste man sich in den 19<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong>n aus<br />

16


dem völkischen Kontext und begann, verstärkt von<br />

einer „bäuerlichen Volkskultur“ zu sprechen, die<br />

der Träger der ländlichen Entwicklung sein sollte.<br />

Eine neue Generation von Landschaftsgestaltern,<br />

wie etwa Gerhard Olschowy, 1964 bis 1978 Direktor<br />

des <strong>Bund</strong>esamtes für Naturschutz und Mitglied<br />

der <strong>Bund</strong>esbewertungskommission, verstand es,<br />

den Begriff „innovativ“ zu nutzen. Die Bedeutung<br />

der „bäuerlichen Volkskultur“ leitete sich für Olschowy,<br />

der bei Wiepking in Berlin studiert <strong>hat</strong>te,<br />

nicht aus ihrem nationalen oder gar völkischen<br />

Charakter ab, sondern aus dem ressourcenschonenden<br />

Umgang der bäuerlichen Landwirtschaft mit<br />

ihrer Umwelt. Die Kulturlandschaft und das darin<br />

beheimatete <strong>Dorf</strong> zeichneten sich dadurch aus,<br />

dass sich in ihr Umwelt und menschliche Bedürfnisse<br />

nach Wohn- und Wirtschaftsraum in einem<br />

harmonischen Verhältnis befanden.<br />

Beteiligung der lokalen Bevölkerung<br />

Dies war der Grund, aus dem es in den Augen<br />

Olschowys und anderer galt, den bäuerlichen<br />

Kulturraum zu schützen und zu bewahren. Deshalb<br />

wurde im ersten <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> <strong>1961</strong> auch großer<br />

Wert auf die Bewahrung bäuerlicher Hofstellen<br />

und bäuerlicher Kulturlandschaft gelegt. Zudem<br />

ist hier von Anfang an ein zweiter wesentlicher<br />

Moment des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>es verankert: die Beteiligung<br />

der lokalen Bevölkerung. Indem gerade die<br />

traditionellen Praktiken bäuerlichen Wirtschaftens<br />

betont wurden, waren es die ortsansässigen Bauern,<br />

die über die Erfahrung verfügten, ihre Dörfer<br />

zu bewirtschaften und zu gestalten. Gerade im<br />

ersten <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> verfügte dieser bewahrende<br />

Moment über eine noch deutlich stärkere Ausprägung,<br />

als der Anspruch zu modernisieren.<br />

17<br />

Schutz der Natur um der Menschen<br />

Willen<br />

Gleichzeitig ist man sich bewusst, dass der ländliche<br />

Raum auch einen Wirtschafts- und Wohnraum<br />

darstellt, der sich entwickelt und verändert.<br />

Von Anfang an war der Wettbewerb auch darauf<br />

ausgelegt, Entwicklungen zu ermöglichen, dabei<br />

aber negative Folgen zu vermeiden. Auch für die<br />

Grüne Charta ist das Bemühen um einen Ausgleich<br />

zwischen Forderungen nach einer Weiterentwicklung<br />

des ländlichen Raumes und dem Schutz der<br />

Umwelt sowie der natürlichen Ressourcen grundlegend.<br />

Sie will eben nicht den Schutz der Natur nur<br />

um ihrer selbst Willen, sondern um den Bewohnern<br />

der Dörfer die Grundlage für eine nachhaltige<br />

und gesunde Entwicklung zu bewahren.<br />

Im Laufe der 1960er <strong>Jahre</strong> verlor die Idee, die<br />

bäuerliche Landwirtschaft zum Träger einer<br />

nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raumes<br />

zu machen, aufgrund demografischer und volkswirtschaftlicher<br />

Entwicklungen immer weiter an<br />

Bedeutung. Die bäuerliche Landwirtschaft war in<br />

den meisten Dörfern nicht mehr präsent genug,<br />

um hier Träger der gesellschaftlichen Entwicklung<br />

zu sein. So wandte sich auch der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

zunehmend modernen Planungsmethoden zu, wie<br />

sie ebenfalls in der Charta eingefordert wurden.<br />

Grüne Charta und <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

So weit wäre es allerdings ohne Graf Lennart Bernadotte<br />

wahrscheinlich nicht gekommen. Er war<br />

es, der die vielen Persönlichkeiten, die am Wettbewerb<br />

und an der Charta arbeiteten, zusammenbrachte.<br />

Er verstand es, den damaligen <strong>Bund</strong>espräsidenten<br />

Heinrich Lübke davon zu überzeugen,<br />

die Schirmherrschaft über den ersten Wettbewerb<br />

zu übernehmen. Es war das glückliche Zusammenwirken<br />

der Persönlichkeit von Graf Lennart Bernadotte,<br />

der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822<br />

e.V. als tragende Institution und nicht zuletzt der<br />

genius loci der Insel Mainau die es ermöglichten,<br />

dass aus einer Idee ein Wettbewerb wurde, der den<br />

ländlichen Raum der <strong>Bund</strong>esrepublik nachhaltig<br />

bis heute prägt.<br />

Sebastian Strube,<br />

Gartenstraße 3, 80809 München<br />

Graf Lennart Bernadotte, Präsident der Deutschen<br />

Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V.


<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden<br />

Die Situation auf dem Land und in den Dörfern in den 19<strong>50</strong>er und 1960er <strong>Jahre</strong>n war<br />

geprägt von einem hohen Anteil Landwirtschaft und regionaler Selbstversorgung einschließlich<br />

ländlichem Handwerk und kleinen Lebensmittelgeschäften, mangelhaftem<br />

Straßennetz und beschränkter Mobilität. Viele Dörfer waren autark und selbständige<br />

kommunale Einheiten, Schulen und Kirchen gehörten selbstverständlich dazu.<br />

Die ersten <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>e jener Zeit öffneten neue Wege zu modernen attraktiveren<br />

Dörfern, zu mehr Lebensqualität und gleichwertigen Lebensverhältnissen.<br />

Wie sah das Leben auf dem<br />

Land damals aus?<br />

Um die Zielsetzungen des Wettbewerbs und die<br />

Beweggründe für dessen Einführung zu verstehen,<br />

muss man sich die damalige Situation vor Augen<br />

führen. Die Folgen des Zweiten Weltkrieges haben<br />

sich direkt oder indirekt noch immer ausgewirkt,<br />

etwa im Hinblick auf den Renovierungsstau bei<br />

Gebäuden oder die dramatischen Einschnitte in<br />

den Familien. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar,<br />

dass der Wettbewerb die Umgebung<br />

der Menschen verschönern wollte. Sie sollten sich<br />

an ihrer Heimat erfreuen, um sich noch stärker mit<br />

ihr identifizieren zu können. Zugleich war es eine<br />

Zeit des Umbruchs, die auch von der großpolitischen<br />

Lage beeinflusst wurde. Der Bau der Berliner<br />

Mauer verursachte zu Beginn der 60er <strong>Jahre</strong> Angst<br />

und Stagnation. Dieser folgte aber bald der Aufschwung,<br />

angeschoben durch die Unterstützung<br />

der USA.<br />

Die Dörfer Baden-Württembergs waren in erster<br />

Linie von der Landwirtschaft geprägt. Sie war in<br />

der Regel noch die wichtigste Einnahmequelle und<br />

beeinflusste sowohl die Infrastruktur als auch die<br />

Bausubstanz der Dörfer. Einrichtungen wie das<br />

Milchhäusle (die Milchannahmestelle) oder der<br />

Farrenstall (Gebäude zur gemeindeeigenen Vatertierhaltung)<br />

stellten wichtige Bestandteile der<br />

örtlichen Infrastruktur dar. Voraussetzung für die<br />

Großfamilie bei der Hausschlachtung<br />

landwirtschaftliche Produktion waren Scheunen<br />

und Ställe, die das Ortsbild geprägt haben und<br />

heute in der Regel anderweitig genutzt werden.<br />

Die Mechanisierungswelle rollte gerade voll an.<br />

Getreide wurde zwar zum Teil bereits mit dem<br />

Mähdrescher oder dem Bindemäher geerntet,<br />

Schlepper setzten bis dato jedoch nur die größeren<br />

Betriebe ein. In den kleinstrukturierten Familienbetrieben<br />

wurden meist Ochsen oder Pferde für die<br />

Transport- und Feldarbeiten genutzt. Man benötigte<br />

sozusagen jede Hand, einschließlich die der<br />

18


Frauen, älterer Menschen und ab einem gewissen<br />

Alter auch der Kinder. „Urlaub“ war geradezu ein<br />

Fremdwort. Dies spiegelt sich unter anderem in der<br />

Zahl der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft<br />

wider. Diese lag in Baden-Württemberg im<br />

Jahr <strong>1961</strong> bei ca. 16 %. Heute dagegen sind zwischen<br />

1 und 2 % aller Erwerbstätigen in der<br />

Land- und Forstwirtschaft beschäftigt. Der Handwerksbetrieb,<br />

meist mit Nebenerwerbslandwirtschaft,<br />

wie etwa der Schreiner, der Schuhmacher<br />

oder der Flaschner gehörten selbstverständlich<br />

zum <strong>Dorf</strong>bild.<br />

Landflucht<br />

Der industrielle Aufschwung <strong>hat</strong>te aber auch die<br />

Abwanderung junger Menschen in nichtlandwirtschaftliche<br />

Berufe und in gewissem Umfang eine<br />

damit verbundene Landflucht zur Folge. Wurden<br />

junge Frauen in der Vergangenheit zu Hause in der<br />

Landwirtschaft benötigt, so war es mehr und mehr<br />

üblich, eine Ausbildung beispielsweise als Sekretärin,<br />

Verkäuferin oder Friseurin zu absolvieren.<br />

Andere betätigten sich als angelernte Arbeitskräfte<br />

in Fabriken.<br />

Getreideernte in Handarbeit<br />

19<br />

Die Grundversorgung war den damaligen Gegebenheiten<br />

angepasst. Auch kleine Gemeinden mit nur<br />

wenigen Hundert Einwohnern <strong>hat</strong>ten einen oder<br />

mehrere „Tante-Emma-Läden“ und zumindest ein<br />

bis zwei Gastwirtschaften. Das Angebot wurde ergänzt<br />

durch fahrende Händler, den Einkauf in der<br />

nächst gelegenen Stadt oder auf dem Jahrmarkt.<br />

Die Raiffeisengenossenschaft mit angeschlossener<br />

Bank und der Landhandel zählten ebenso dazu. Darüber<br />

hinaus <strong>hat</strong>te die Selbstversorgung mit Obst<br />

und Gemüse aus eigenem Anbau oder mit Produkten<br />

aus der Landwirtschaft große Bedeutung. Mit<br />

der Hausschlachtung war der Fleisch- und Wurstbedarf<br />

größtenteils gedeckt. Brot wurde in der<br />

Regel im Gemeinschaftsbackhaus selbst gebacken.<br />

Auf den Tisch kam, was die Saison bot. Und für<br />

den Winter wurde mit traditionellen Konservierungstechniken<br />

wie das Einmachen von Kraut oder<br />

Bohnen mit Salz, das Räuchern von Wurst und<br />

Fleisch oder durch Einwecken vorgesorgt. Mancherorts<br />

gab es bereits Gemeinschafts-Gefrieranlagen.<br />

Mit der medizinischen Versorgung war es dagegen<br />

meist schlecht bestellt. Ärzte und Apotheken ließen<br />

sich nur in der Stadt oder in größeren Gemeinden<br />

nieder.


Große Familien unter einem Dach<br />

Ein großes Plus der damaligen Zeit war das selbstverständliche<br />

Miteinander der Generationen. Natürlich<br />

barg das Zusammenleben von Großeltern,<br />

Eltern und Kindern auch Konfliktstoff. Andererseits<br />

war aber das „Betreute Wohnen“ älterer Familienmitglieder<br />

gesichert. Sie arbeiteten im Haus und<br />

auf dem Hof nach ihren Kräften mit, bekamen jedoch<br />

bei Bedarf die Hilfestellung, die sie brauchten.<br />

Auch Kinder <strong>hat</strong>ten immer einen Ansprechpartner.<br />

Durch den Geburtenüberschuss <strong>hat</strong>te die Alterspyramide<br />

noch die Form eines Tannenbaumes.<br />

In vielen Häusern lebten die unverheirateten<br />

Geschwister des Bauern mit, die wichtige Arbeitskräfte<br />

darstellten.<br />

Da die meisten Familien unter einem sogenannten<br />

Hausnamen bekannt waren, <strong>hat</strong>ten Nachnamen<br />

in der <strong>Dorf</strong>gemeinschaft nur nachrangige Bedeutung.<br />

So konnte etwa die Urenkelin aus dem Haus<br />

des schon lange verstorbenen Bäckers immer noch<br />

„Becka Klara“ heißen. Die Geschicke des <strong>Dorf</strong>es<br />

wurden von den Honoratioren (Schultheiß bzw.<br />

Bürgermeister, Pfarrer und Lehrer) sowie dem<br />

Gemeinderat gelenkt. Die Stellung des Einzelnen<br />

im <strong>Dorf</strong>gefüge war unter anderem vom Besitz der<br />

Familie sowie von deren Bedeutung abhängig.<br />

Auch das Sozialgefüge befand sich im Umbruch,<br />

insbesondere durch den Zuzug von Flüchtlingen<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />

Die Kinder gingen auf die Volksschule z. T. in jahrgangsübergreifende<br />

Klassen. Nur wenigen war der<br />

Besuch des Gymnasiums vorbehalten. Allerdings<br />

konnte aber jeder schon eine Ausbildung machen.<br />

Die Frauen bekamen die Kinder mit Anfang 20.<br />

Die meisten <strong>Dorf</strong>bewohner waren in die örtlichen<br />

Vereine eingebunden. Große <strong>Dorf</strong>feste waren die<br />

Höhepunkte im Jahr.<br />

Aufwärts mit neuen Straßen,<br />

Kanälen und Wasserleitungen<br />

Langsam setzte sich die Verbesserung der Infrastruktur<br />

mit einer Abwasserbeseitigung über das<br />

Kanalnetz und eine zentrale Wasserversorgung<br />

durch. Der <strong>Dorf</strong>bach wurde vielfach kanalisiert, um<br />

als Vorfluter für ungereinigte Abwässer zu dienen.<br />

Man heizte mit Holz und Kohle. Der Ölofen wurde<br />

erst in den 1960er <strong>Jahre</strong>n eingeführt.<br />

Nach dem Motorroller brachte das Auto in den<br />

1960ern eine zunehmende Mobilität. Die Dampflok<br />

und später die elektrische Eisenbahn brachten die<br />

Arbeiter zu den Fabriken.<br />

Die Gebäude waren noch schlecht isoliert und<br />

wurden mit Vorfenstern im Winter abgedichtet. Es<br />

wurde renoviert, gebaut und aufgestockt. Die landwirtschaftlichen<br />

Betriebe siedelten aus. Flurbereinigungen<br />

machten nun eine großflächige Landwirtschaft<br />

möglich.<br />

In diese Aufbruchstimmung passte der Wettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“. Er lenkte den<br />

Blick nicht nur auf das Überleben, sondern auf die<br />

Schönheit und Kultur des <strong>Dorf</strong>es.<br />

Angelika Appel,<br />

Regierungspräsidium Karlsruhe, Schlossplatz 1-3,<br />

76131 Karlsruhe und<br />

Ingrid Bisinger,<br />

Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz<br />

Baden-Württemberg, Kernerplatz 10,<br />

70182 Stuttgart<br />

Kinder durften überall dabei sein, sie störten<br />

selbst die schweren Erntearbeiten nicht.<br />

20


Planung und Ästhetik – das<br />

erste Jahrzehnt<br />

Der Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“<br />

ist seit seinem Beginn vor fünfzig <strong>Jahre</strong>n zu einer<br />

massenwirksamen Veranstaltung im ländlichen<br />

Raum geworden. Ihm haftete gelegentlich das<br />

Image einer rückwärtsgewandten ästhetisierenden<br />

Blumenschau an. Doch schon in der Frühzeit<br />

bemühten sich die Initiatoren um professionelle<br />

Strukturen, indem sie sowohl die Zielkonzeption<br />

als auch den Kreis der beteiligten Organisationsinstanzen<br />

ausweiteten. Insofern war der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

höchstens zu Beginn jener spießige „Blumenkastenwettbewerb“,<br />

als den ihn ein Teil der<br />

städtischen Öffentlichkeit wahrnehmen mochte.<br />

So fing es an – schöne Dörfer als<br />

touristische Attraktion<br />

Der im zweijährigen Turnus stattfindende <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

mobilisierte im ersten Jahrzehnt<br />

mit stark steigender Tendenz regelmäßig mehrere<br />

Millionen Menschen in tausenden westdeutschen<br />

Dörfern. Die rapide Aufwärtsentwicklung innerhalb<br />

nur eines Jahrzehnts war zunächst vor allem den<br />

touristisch geprägten Regionen fernab der Großstädte<br />

zu verdanken. So waren anfänglich nicht<br />

nur die Beteiligungsquoten in Bayern, Hessen und<br />

Rheinland-Pfalz überproportional hoch, sondern<br />

auch die Erfolge. Zahlreiche Preise gingen in diese<br />

Regionen, was nicht zuletzt mit der Unterstützung<br />

durch die jeweiligen Landesregierungen zusammenhing.<br />

In den übrigen <strong>Bund</strong>esländern stieg die<br />

Zahl der teilnehmenden Dörfer spürbar in den<br />

siebziger <strong>Jahre</strong>n.<br />

Jahr Teilnehmende Dörfer bundesweit<br />

<strong>1961</strong> 1.970<br />

1965 3.447<br />

1969 3.932<br />

1973 4.222<br />

Erstmals entstand in Hessen 1958 ein Landeswettbewerb.<br />

Möglicherweise versuchte man bereits in<br />

dieser frühen Phase, die zunehmende Bautätigkeit<br />

und den damit verbundenen Flächenverbrauch<br />

zu kanalisieren bzw. abzufedern. Immerhin war<br />

das sogenannte Wirtschaftswunder von einem<br />

wachsenden Wohnungsbau im privaten und sozialen<br />

Sektor geprägt, was auch auf den Dörfern zu<br />

spüren war.<br />

21<br />

Straßenbild aus Helsa, (Landkreis Kassel), 1968<br />

Bürgerbeteiligung und Planung<br />

Um das Image des „Blumenkastenwettbewerbs“<br />

zu überwinden, bemühten sich die Verantwortlichen<br />

von Beginn an darum, moderne Gestaltungsprinzipien<br />

einzuführen. Die sachgerechte<br />

Bepflanzung von Gärten und öffentlichen Anlagen<br />

sollte zwar weiterhin ihren Platz behalten, doch<br />

verschoben sich die Ausschreibungs- und Bewertungskriterien<br />

zusehends. So traten im Laufe der<br />

sechziger <strong>Jahre</strong> zu den rein ästhetischen Faktoren<br />

auch gesellschaftspolitische und raumplanerische<br />

Zielvorstellungen hinzu. Identität, Gemeinschaftsbildung,<br />

Erhöhung der Lebensqualität auf dem<br />

Lande – all diese Ziele verband man fortan mit<br />

dem Wettbewerb. DGG-Präsidiumsmitglied, Hans-<br />

Ulrich Schmidt, vertrat 1962 in der Zeitschrift Der<br />

Landkreis gar die Meinung, „[...] dass Ordnung und<br />

Hilfsbereitschaft in der Familie und in der <strong>Dorf</strong>gemeinde<br />

auch ein Beitrag zum Frieden der Welt<br />

sein kann“.


Parallel zur Zielausweitung beteiligten sich immer<br />

mehr Experten aus Verbänden und Verwaltung<br />

in den Jurys auf <strong>Bund</strong>es- und Länderebene. Akademisch<br />

ausgebildete Architekten, Raum- und<br />

Landschaftsplaner gewannen zusehends an Terrain<br />

und sorgten dafür, dass der Bewertungsfaktor „Planung“<br />

in Form von Flächennutzungs- und Bauleitplänen<br />

immer stärkeres Gewicht erhielt.<br />

Neuordnung des Landraumes<br />

Dadurch diente der Wettbewerb der systematischen<br />

Neuordnung des Lebensraumes mithilfe<br />

weitreichender Planungsinstrumente. So schreckten<br />

die Initiatoren auch vor einer missionarischen<br />

Haltung nicht zurück, um „Fehlentwicklungen“ in<br />

den Dörfern zu vermeiden.<br />

Mit diesem starken Vertrauen in die Planbarkeit<br />

gesellschaftlicher Prozesse bewegten sich die Beteiligten<br />

am <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> in einem allgemeinen<br />

Trend: In der <strong>Bund</strong>esrepublik gewannen Planungsexperten<br />

in den sechziger <strong>Jahre</strong>n zunehmend an<br />

Gewicht, beispielsweise in der Politikberatung,<br />

aber auch hinsichtlich volkswirtschaftlicher Steuerungsfragen.<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> eröffnete ein<br />

neues Betätigungsfeld für Experten, die mit ihrem<br />

theoretischen Wissen die Handlungspraxis der<br />

Menschen auf dem Lande und deren ästhetische<br />

Leitvorstellungen zu beeinflussen suchten.<br />

Landschaftsplanung als Teilziel der<br />

Grünen Charta von der Mainau<br />

DGG-Präsident Graf Lennart Bernadotte selbst <strong>hat</strong>te<br />

Planungselementen schon <strong>1961</strong> in der „Grünen<br />

Charta von der Mainau“ grundsätzlich einen hohen<br />

Stellenwert eingeräumt und die Aufstellung von<br />

z. B. Landschaftsplänen gefordert. Die Organisatoren<br />

des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s sahen Planung als wichtigstes<br />

Instrument, um die Natur vor Übergriffen<br />

des Menschen zu schützen. Hiermit meinten sie<br />

in erster Linie die Gefahren der Zersiedelung und<br />

damit verbundene „Bausünden“.<br />

Erste Schritte zur Erhaltung der<br />

natürlichen Lebensgrundlagen<br />

Anfang der 1970er <strong>Jahre</strong> geriet der Natur- und<br />

Landschaftsschutz, wie er auch von der DGG<br />

verstanden wurde, in eine gewisse Konkurrenzsituation<br />

zur Umweltbewegung. Allerdings machte<br />

sich dies bei den Teilnehmerzahlen des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s<br />

zunächst nicht negativ bemerkbar. Die neuen<br />

Bürgerbewegungen gingen mit ihren Forderungen<br />

über die bloße Erhaltung des Lebensraumes<br />

bzw. einzelner Tier- und Pflanzenarten hinaus und<br />

stellten – nach der 1968er Bewegung entsprechend<br />

politisiert – den westlichen Lebensstil generell in<br />

Frage. Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen<br />

war jedoch keineswegs erst ein Thema der<br />

späteren Ökologiebewegung der siebziger <strong>Jahre</strong>.<br />

Im Unterschied zu dieser waren die Natur- und<br />

Landschaftsschutzbemühungen der Sechziger jedoch<br />

institutionell angebunden und setzten damit<br />

eine ältere, aus dem 19. Jahrhundert herrührende<br />

Tradition der bürgerschaftlichen Kooperation mit<br />

staatlichen Organen fort.<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> wird<br />

zum Instrument der „rationalen<br />

Modernisierung“<br />

Auch im Rahmen des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s ging es<br />

darum, das öffentliche Engagement gezielt zu wecken<br />

und in geordnete, d. h. von Planern begleitete<br />

bzw. vorgegebene Bahnen zu lenken. Planung war<br />

für die DGG selbst dann noch ein zentraler Wert,<br />

als andere Institutionen in den siebziger <strong>Jahre</strong>n<br />

begannen, deren Potential eher kritisch unter dem<br />

Aspekt einer zentralistischen Entmündigung zu<br />

betrachten. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass<br />

der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> zur Durchsetzung des Planungsgedankens<br />

und damit zur rationalen Modernisierung<br />

im ländlichen Raum beigetragen <strong>hat</strong>.<br />

Dr. Rainer Pöppinghege,<br />

Priv. Doz. Uni Paderborn, Otto-Weddigen-Straße 9,<br />

48145 Münster<br />

22


Bereits in den Anfangsjahren des Wettbewerbs verfasste die <strong>Bund</strong>esbewertungskommission kurz<br />

gefasste Protokolle, in denen die besonderen Merkmale der Dörfer und deren Leistungen beschrieben<br />

wurden. Nierswalde ist ein typisches Beispiel für die beginnende Planungsorientierung als substanzieller<br />

Beitrag zur Neuorientierung des ländlichen Raumes.<br />

Aus: Deutsche Gartenbaugesellschaft – <strong>Bund</strong>eswettbewerb 1965<br />

23


Die Rahmenbedingungen ändern sich<br />

In den 1970er und 1980er <strong>Jahre</strong>n <strong>hat</strong>ten die Dörfer und Gemeinden in den ländlichen<br />

Regionen mit großen Umwälzungen zu kämpfen. Diese sind Folge struktureller Veränderungen<br />

in der Landwirtschaft – größere Betriebe, Mechanisierung, weniger Beschäftigte<br />

– und bedeutender gesetzlicher Vorhaben in nahezu allen <strong>Bund</strong>esländern: Denkmalpflege-<br />

und Naturschutzgesetze beeinflussen die Entwicklung. Abfallkreislaufwirtschaft<br />

mit Einführung des Recyclings verlangen regionale Konzentrationen, Gesetzgebung zum<br />

Boden- und Wasserschutz und auch Reformen in den Kommunen mit Zusammenlegungen<br />

zu Großgemeinden oder Verwaltungsgemeinschaften verändern das Bild der Dörfer.<br />

Das alles bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen. Wie reagieren<br />

die Beteiligten?<br />

Der Wettbewerb der<br />

<strong>Jahre</strong> 1975 bis 1984 in<br />

Niedersachsen<br />

Chancen für historische Dörfer<br />

Der Wettbewerb <strong>hat</strong>te in den langen <strong>Jahre</strong>n seit<br />

seiner Einführung 1959 bis hinein in das Jahr 1984<br />

gezeigt, dass Dörfer mit ursprünglicher Siedlungsstruktur<br />

und Bausubstanz die größten Chancen<br />

zu hoher Auszeichnung <strong>hat</strong>ten. Zahlreiche Dörfer<br />

Niedersachsens wurden im Zweiten Weltkrieg<br />

schwer beschädigt und mussten schnell wieder<br />

aufgebaut werden. Andere Gemeinden haben<br />

durch die Aufnahme von Flüchtlingen, Umsiedlern<br />

und Zuwanderern eine vielfache Ausdehnung der<br />

ursprünglichen Ortsubstanz erfahren. Die wirtschaftlich-technische<br />

Entwicklung brachte zudem<br />

Baukörper und Anlagen ins <strong>Dorf</strong>, für die es dort<br />

bislang keine Beispiele gab.<br />

Ländlicher Strukturwandel schafft<br />

neue Vorbilder<br />

Diese Entwicklungen waren im <strong>Dorf</strong> auch notwendig,<br />

um der Landwirtschaft Produktivitätssteigerungen<br />

zu ermöglichen, den Einwohnern neue Arbeitsplätze<br />

zu bieten und damit der Abwanderung<br />

entgegenzuwirken. Eine gesunde ökonomische<br />

Basis war schon seinerzeit die Grundlage für die<br />

Erhaltung und Weiterentwicklung des <strong>Dorf</strong>es. Aber<br />

bei der Angliederung von Neubaugebieten, der<br />

Ansiedlung von Gewerbebetrieben und der Einordnung<br />

neuer Großbauten der technisierten Landwirtschaft<br />

entstanden in den Dörfern erhebliche<br />

gestalterische Probleme.<br />

Viele Dörfer trugen an der Last dieser Entwicklung,<br />

die mit einem Verlust an Originalität und Siedlungsqualität<br />

verbunden war. Sie standen vor der<br />

Frage: Was nun? Wie soll es weitergehen?<br />

Der Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“<br />

<strong>hat</strong>te 1975 in Niedersachsen <strong>50</strong>0 Gemeinden oder<br />

Ortsteile erfasst. Und schon damals zeigte sich, dass<br />

immer mehr Bürger in den ländlichen Gemeinden<br />

ihre eigenen Gestaltungsvorstellungen mit den<br />

Zielen des Wettbewerbs gleichsetzten.<br />

Neubaugebiete und städtische<br />

Bauformen drängen aufs Land<br />

Die neuen Anforderungen an unsere Gemeinden<br />

und unseren Lebensraum führten dazu, dass dem<br />

Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“<br />

neue Ziele und Inhalte zuwachsen mussten.<br />

Bis 1975 <strong>hat</strong>te eine stürmische Entwicklung und<br />

starke Ausweisung neuer Wohngebiete die Lage<br />

in den ländlichen Gemeinden beeinflusst.<br />

In die Dörfern drängten sich Siedlungsstrukturen,<br />

Bauformen und Grünordnungsvorstellungen, die<br />

24


auf städtische Räume zugeschnitten waren und<br />

dem ländlichen Raum wenig entsprachen.<br />

Der technische Fortschritt beeinflusste auch die<br />

landwirtschaftlichen Produktionsverfahren, so dass<br />

sich auch die ausgewogenen Bauformen der alten<br />

landwirtschaftlichen Gebäude wandelten.<br />

Das Bestreben der ländlichen Gemeinden, an der<br />

allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung teilzunehmen,<br />

führte zur Ansiedlung von Gewerbebetrieben,<br />

zur Ausweitung des Fremdenverkehrs und zur<br />

Aufstellung von Bebauungsplänen.<br />

25<br />

Das Bewusstsein für eigenständige<br />

Gestaltqualität wächst<br />

Die Erfahrungen haben seinerzeit auch die Grenzen<br />

aufgezeigt. Mit neuen Zielsetzungen wurde<br />

versucht, den Naturhaushalt auszugleichen und<br />

einen Lebensraum zu sichern, wie er der Natur des<br />

Menschen angemessen ist. Schließlich ging es darum,<br />

sich auf die Lebensgestaltung in der Familie<br />

und in einer überschaubaren <strong>Dorf</strong>gemeinschaft zu<br />

besinnen.<br />

Schrift, Präsentation und Wortwahl der Broschüre von 1975 zeigen deutlich, worauf es ankam: Das <strong>Dorf</strong><br />

soll schöner werden.


Zur Erfüllung dieser Zielvorstellungen brachte der<br />

ländliche Raum gute Voraussetzungen mit, die<br />

durch die Raumordnungspolitik des Landes Niedersachsen<br />

und durch neue gesetzliche Rahmenbedingungen<br />

unterstützt wurden. Entwickelte ländliche<br />

Räume sollten bessere Chancen für mehr Lebensqualität<br />

und verstärkte Anziehungskraft erhalten.<br />

Die Ausgestaltung vieler Dörfer war stilbewusster,<br />

landschaftsgemäßer und funktionsgerechter geworden.<br />

Bürgerschaftliche Aktivitäten<br />

erhalten mehr Aufmerksamkeit<br />

Schon 1975 lebte der Wettbewerb durch Aktivität<br />

und Gemeinsinn der Bevölkerung in den ländlichen<br />

Gemeinden. Erstmalig enthielt auch die Ausschreibung<br />

in Niedersachsen Grundsätze für die<br />

Durchführung von Kreis- und Bezirksentscheiden.<br />

Durch solidarischen Einsatz sollte das Bewusstsein<br />

für die eigene Verantwortung bei der Gestaltung<br />

des <strong>Dorf</strong>es als auch die Erfahrung über das dort<br />

Machbare entwickelt werden.<br />

1975 sahen die Bewertungskriterien ihre Schwerpunkte<br />

darin, ländliche Gemeinden, Gemeindeteile<br />

und Ortsteile mit dörflichem Charakter<br />

anzuregen, ihren unmittelbaren Lebensraum und<br />

das Zusammenleben ihrer Bevölkerung auf der<br />

Grundlage bürgerschaftlicher Aktivitäten bewusst<br />

zu entwickeln und zu pflegen. Die stilgemäße<br />

Gestaltung des Ortes im baulichen Bereich, die<br />

gemeinschaftlich getragenen Einrichtungen und<br />

das Gemeinschaftsleben wurden als Bewertungskriterium<br />

mit der Hälfte der zu erreichenden Punkte<br />

ausgestattet. Die Ortsentwicklung, die Gestaltung<br />

des öffentlichen und privaten Grüns, die funktionale<br />

Ausstattung des Ortes mit Einrichtungen der<br />

Grundversorgung, die Einbindung in überregionale<br />

Planungen sowie Aufgabenstellung des Wettbewerbs<br />

unter Berücksichtigung besonderer Probleme<br />

im Ort ergänzten die Bewertungskriterien.<br />

Handel und Gewerbe im <strong>Dorf</strong><br />

gewinnen an Bedeutung<br />

Der Wettbewerb war geprägt von Bestrebungen, in<br />

Dörfern modernen Wohnkomfort unter Einhaltung<br />

angepasster Bauformen und Gestaltungselemente<br />

zu unterstützen. Die Empfehlung von Baugestaltungssatzungen<br />

und Bebauungsplänen wurde immer<br />

wieder betont. Auch bei geringer Gewichtung<br />

in den Bewertungskriterien galt gleiches auch im<br />

Grünbereich. Grünordnungspläne und die Auswahl<br />

standortgerechter Gehölze fanden Eingang<br />

in Berichte zum Wettbewerb. Insbesondere die<br />

Bedeutung der Einbindung in die Landschaft wurde<br />

betont. Auch 1975 war es Ziel, Handel, Gewerbe<br />

und Wirtschaftsbetriebe im <strong>Dorf</strong> zu halten. Wie<br />

noch heute wurde auch seinerzeit auf angepasste<br />

Stilelemente in der Außenwerbung geachtet.<br />

Der Siedlungsentwicklung in den Dörfern sollte<br />

so eine Richtung gegeben werden, deren Ausrichtung<br />

sich an den Ansprüchen günstiger, moderner<br />

Wohnformen orientierte, gleichwohl aber die<br />

ländlich geprägten Bauformen und Stilelemente<br />

berücksichtigte und half, eine zunehmende städtische<br />

Überformung zu vermeiden. Gute Beispiele,<br />

gerade aus dem privaten Bereich sollten aufgezeigt<br />

werden.<br />

Schulen und <strong>Dorf</strong>häuser stärken das<br />

Leben auf dem <strong>Dorf</strong><br />

Es wurde erkannt, dass zahlreiche Einrichtungen<br />

wie z. B. Schulen, kulturelle und soziale Aufgabenbereiche<br />

in die größeren Orte verlagert wurden<br />

und damit Anlauf- und Identifikationspunkte in<br />

den Dörfern verloren gingen. <strong>Dorf</strong>gemeinschaftshäuser<br />

wurden bereits 1975 als wichtige Einrichtungen<br />

angesehen, die örtliche Aktivitäten erhalten<br />

und entwickeln. Diese Ansätze trugen den Wettbewerb<br />

bis Anfang der 1980er <strong>Jahre</strong>.<br />

ABC der <strong>Dorf</strong>gestaltung<br />

Mit den vier Bänden „ABC der <strong>Dorf</strong>gestaltung“ wurden<br />

Anfang der 1980er <strong>Jahre</strong> landschaftstypische<br />

Leitbilder gesetzt. Diese Orientierungshilfe für die<br />

Bürger <strong>hat</strong>te eine besondere Bedeutung zu einem<br />

Zeitpunkt, wo durch das neue niedersächsische<br />

Raumordnungsverfahren den Gemeinden weitgehende<br />

Entscheidungen über ihre Entwicklungen<br />

zurückgegeben wurden. Die Einordnung von Bau-<br />

und Gewerbegebieten in die Dörfer musste wirtschaftlichen<br />

und umweltrelevanten Überlegungen<br />

gerecht werden sowie gestalterisch-ästhetischen<br />

Anforderungen genügen. Die Entwicklung der vergangenen<br />

<strong>Jahre</strong> <strong>hat</strong>te allzu deutlich gezeigt, dass<br />

die ungenügende Berücksichtigung historischer<br />

Gegebenheiten zur Zerstörung vieler ansprechender<br />

Siedlungsbilder geführt <strong>hat</strong>te.<br />

26


Auch die moderne Broschüre lässt Inhalt und Zielsetzung sofort erkennen: individuelle Entwicklung –<br />

kein <strong>Dorf</strong> ist wie das andere!<br />

Individuelle Entwicklung, nicht<br />

Nachahmung ist das Ziel<br />

Das „ABC der <strong>Dorf</strong>gestaltung“ sollte dazu dienen,<br />

aus einzelnen Gestaltungsmerkmalen ein Konzept<br />

für ein verbessertes <strong>Dorf</strong>bild zusammenzusetzen,<br />

so wie aus einzelnen Buchstaben ein Wort, aus<br />

Wörtern ein Satz und damit ein Sinn entsteht.<br />

Dieses Konzept sollte im vertrauensvollen Gespräch<br />

zwischen Bevölkerung und Fachleuten entstehen.<br />

<strong>Unser</strong>e Dörfer mit ihrem übersehbaren Raum und<br />

dem noch engen Kontakt der Menschen untereinander<br />

bieten die Chance zur gemeinsamen Zielfindung.<br />

Wünschenswert wäre, wenn möglichst<br />

viele Dörfer zu eigener Identität zurückfinden<br />

und dabei durch eine Förderung im Rahmen der<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerung unterstützt werden könnten.<br />

Aber auch für diejenigen Dörfer, die durch historische<br />

Strukturen und landschaftliche Vorzüge<br />

27<br />

ausgezeichnet waren, sollte das „ABC der <strong>Dorf</strong>gestaltung“<br />

eine Hilfe sein. In einer Zeit verwirrender<br />

Vielfalt von Möglichkeiten sollten sie bestärkt<br />

werden in dem Grundsatz, durch Einfachheit<br />

und durch Begrenzung in der Wahl ihrer Mittel die<br />

übernommenen Stilelemente ihrer Heimat nicht<br />

zu zerstören. Das „ABC der <strong>Dorf</strong>gestaltung“ mit<br />

seinen Bildern wollte letztlich verständlich machen,<br />

warum einzelne Gestaltungselemente in das eine<br />

<strong>Dorf</strong> hineinpassen, in das andere jedoch nicht. Das<br />

Herausstellen einzelner Gestaltungsmerkmale im<br />

Rahmen des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s hätte leicht zur Nachahmung<br />

geführt, die nicht sinnvoll gewesen wäre.<br />

Ralf Gebken,<br />

Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft,<br />

Verbraucherschutz und Landesentwicklung,<br />

Calenberger Straße 2, 30169 Hannover


Dörfer in Baden-<br />

Württemberg<br />

Vom äußeren Erscheinungsbild zu<br />

nachhaltiger Verbesserung der<br />

Lebensqualität<br />

Der Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ wurde<br />

im Neckar-Odenwald-Kreis und davor in den<br />

Landkreisen Buchen und Mosbach seit <strong>1961</strong><br />

durchgeführt. Zielsetzung, Inhalt und Bewertung<br />

im Besonderen haben in den 1970er und 1980er<br />

<strong>Jahre</strong>n des zurückliegenden Jahrhunderts grundlegende<br />

Veränderungen erfahren. Dabei stellten<br />

der Strukturwandel in der Landwirtschaft, die<br />

Veränderungen in der Denkmalpflege, der Ökologie,<br />

dem Boden-und Grundwasserschutz sowie die<br />

aktuelle Abfallkreislaufwirtschaft neue Herausforderungen<br />

dar. Diese Herausforderungen betrafen<br />

alle Lebensbereiche, waren von tiefgreifender<br />

Natur und prägten nachhaltig und unumkehrbar<br />

den Wettbewerb. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen<br />

erwies sich das <strong>Dorf</strong>entwicklungsprogramm<br />

als wirkungsvolles Instrument.<br />

Abkehr vom ländlichen Idyll<br />

Für den Wettbewerb bedeutete der Strukturwandel<br />

in der Landwirtschaft die endgültige Abkehr vom<br />

ländlichen Idyll. Ein Großteil der Menschen in den<br />

Dörfern arbeitete nicht mehr in der Landwirtschaft<br />

und das Erscheinungsbild der Dörfer wandelte sich<br />

grundlegend. Zum traditionellen Handwerk kamen<br />

Gewerbe, Dienstleistung und auch Industrie hinzu.<br />

Neben und oft auch anstelle der traditionellen<br />

Wirtschaftsgärten entstanden Grünflächen für Freizeitnutzung.<br />

Die Bedürfnisse der Menschen wurden<br />

zum Maßstab in der Bewertung.<br />

Gleichzeitig haben Sanierung und Erhaltung ortsbildprägender<br />

privater und öffentlicher Gebäude<br />

unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten stetig<br />

an Bedeutung gewonnen. Wohnqualität und innerörtliche<br />

Entwicklung rückten anstelle von Neubauflächen<br />

auf der grünen Wiese in den Mittelpunkt.<br />

Auch boten sich Möglichkeiten durch Eigeninitiative<br />

und Gemeinschaftsbewusstsein das unmittelbare<br />

Lebensumfeld mitzugestalten. Eine Mitwirkung der<br />

Bevölkerung war in der ursprünglichen Zielsetzung<br />

des Wettbewerbs ausdrücklich erwünscht, aber weniger<br />

im Sinne einer aus heutiger Sicht kreativen<br />

Art der aktiven Mitgestaltung. Vielmehr lag der<br />

Hollerbach (Stadt Buchen): Hollunderstraße Richtung Oberneudorf vor dem Ausbau 1992<br />

28


Fokus darauf, sich mit dem <strong>Dorf</strong> in eine übergeordnete<br />

und bereits vorgegebene Planung einzufügen.<br />

Der Schutz der Umwelt und ein gestiegenes ökologisches<br />

Bewusstsein angestoßen durch Veränderungen<br />

im Boden- und Grundwasserschutz sowie der<br />

Abfallwirtschaft etablierten sich als fester Bestandteil<br />

des Wettbewerbs und brachten die wachsende<br />

Lebensqualität auf dem Land zum Ausdruck.<br />

Zeitgemäße Begriffe wie „Biotop“ und „Bachpatenschaft“<br />

sowie „Nachhaltigkeit“ und „Naturhaushalt“<br />

fanden Eingang in die Bewertung. Sowohl<br />

Natur und Landschaft als auch deren Wertschätzung<br />

erfuhren eine umfassendere, neue Definition.<br />

Auch war die Natur im <strong>Dorf</strong> auf dem Weg vom<br />

pflegeleichten Einheitsgrün zur standortgerechten<br />

bunten Vielfalt.<br />

Anpassung der Erfordernisse an die<br />

neue Zeit<br />

Zum Ende der 1970er <strong>Jahre</strong> präsentierte sich der<br />

Wettbewerb, damals noch mit dem Titel „<strong>Unser</strong><br />

<strong>Dorf</strong> soll schöner werden“, in seinem zentralen<br />

Anliegen als Schönheitskonkurrenz und wurde<br />

folglich als <strong>Dorf</strong>verschönerungswettbewerb wahrgenommen<br />

und verstanden. Durch die großen Ver-<br />

29<br />

änderungen und die damit einhergehenden neuen<br />

Herausforderungen waren Zielsetzung, Inhalt und<br />

Durchführung des Wettbewerbs in Frage gestellt:<br />

er konnte mit der sich ändernden Lebenswirklichkeit<br />

nicht mehr Schritt halten.Ursprünglich lagen<br />

die Schwerpunkte der Bewertung auf dem äußeren<br />

Erscheinungsbild, auf Sauberkeit, Ordnung und<br />

Blumenschmuck. Heute ist die Bewertung näher<br />

bei den Menschen; sie orientiert sich an deren<br />

Bedürfnissen und Stärken. Eigeninitiative und dörfliches<br />

Gemeinschaftsbewusstsein bildeten die Basis<br />

für die <strong>Zukunft</strong> der Dörfer und ihre regionale Unverwechselbarkeit.<br />

Im Unterschied zu den 1970er<br />

und 1980er <strong>Jahre</strong>n kann eine <strong>Dorf</strong>gemeinschaft<br />

im <strong>Jahre</strong> <strong>2011</strong> der Bewertungskommission genau<br />

darlegen, wie sie ihr Lebensumfeld und <strong>Zukunft</strong>sperspektive<br />

nach ihren ureigenen Bedürfnissen<br />

gemeinsam gestaltet <strong>hat</strong>.<br />

Hollerbach erhielt im 19. Wettbewerb 1996 – 1998<br />

eine Landesgoldmedaille.<br />

Elisabeth Scheuermann,<br />

Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis, Renzstraße 10,<br />

74821 Mosbach<br />

Hollerbach (Stadt Buchen): Hollunderstraße Richtung Oberneudorf nach dem Ausbau 1992


Wir in Klein Meckelsen<br />

Zweimaliges „Golddorf“<br />

lüftet das Geheimnis seines<br />

Erfolges<br />

Der Erfolg des niedersächsischen, zweimaligen<br />

Golddorfes Klein Meckelsen im <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> alten Wettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden – <strong>Unser</strong><br />

<strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ <strong>hat</strong> nichts Geheimnisvolles. Es ist<br />

schlicht das Ergebnis lebenskluger Menschen, die<br />

bereits vor <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n das „<strong>Dorf</strong>“ als Lebensraum für<br />

sich akzeptiert und mit Blick in die <strong>Zukunft</strong> sich<br />

regelmäßig den sich ändernden Rahmenbedingungen<br />

angepasst haben.<br />

Gute Infrastrukturen sichern die<br />

<strong>Zukunft</strong> im <strong>Dorf</strong><br />

Die 1970er, 1980er und 1990er <strong>Jahre</strong> waren eine<br />

Zeit großer Veränderungen. Rat und Einwohner<br />

wollten das <strong>Dorf</strong> nicht ausbluten und zur reinen<br />

Schlafstadt verkommen lassen. Unter Infrastruktur<br />

verstehen die Bauern und Bürger Klein Meckelsens<br />

die <strong>Zukunft</strong> ihrer Kinder im <strong>Dorf</strong> zu sichern, ihr<br />

Wohnumfeld lebenswert zu gestalten und zu erhalten.<br />

Dazu gehören Kindergarten und Schule, <strong>Dorf</strong>jugend,<br />

Freiwillige Feuerwehr, Trachten gruppe,<br />

Turn- und Sportverein, Oldtimer-Frünn, Männer-<br />

Gesang-Verein und viele andere. Sie gestalten und<br />

prägen seit Jahrzehnten aktiv den Lebensmittelpunkt<br />

unseres <strong>Dorf</strong>es.<br />

Beratung „von außen“ ist<br />

unerlässlich<br />

Klein Meckelsen war eines der ersten Dörfer im<br />

Landkreis Bremervörde, das sich am Wettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“ auf Kreis-, Landes-<br />

und <strong>Bund</strong>esebene beteiligt <strong>hat</strong>. Als Berater zogen<br />

die damaligen Baudezernenten über die Dörfer<br />

und motivierten mit „Zuckerbrot und Peitsche“<br />

unsere <strong>Dorf</strong>bürgermeister, zuletzt auch Ilse Ropers<br />

in Klein Meckelsen, sich mit Leidenschaft für die<br />

Teilnahme am <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> zu engagieren.<br />

Und das gelang – nachhaltig! Dabei ging es nie<br />

um Geld. Es ging und geht um den Gemeinsinn,<br />

um das „Wir“, um den ehrenamtlichen Fleiß nach<br />

Feierabend. Um die <strong>Dorf</strong>jugend, die bei allen<br />

wichtigen Aufrufen für Hand- und Spanndienste<br />

bereitsteht.<br />

Individueller Nutzen durch gemeinsame<br />

Verantwortung für das Ganze<br />

Klein Meckelsen bietet jedem, der sich einbringt<br />

eine quicklebendige <strong>Dorf</strong>gemeinschaft, umgeben<br />

von ansehnlichem alten Baumbestand inmitten<br />

einer stillen, schönen Landschaft unweit von<br />

Hamburg. Zu unserem lebendigen <strong>Dorf</strong> zählt z. B.<br />

die „Viererbande“, ein Damenquartett, dass sich<br />

für keine Arbeit zu schade ist. Egal, ob es um die<br />

Pflege des Kriegerdenkmals, das Unkraut jäten auf<br />

öffentlichen Flächen oder um die Organisation<br />

eines Dessert-Bufetts bei „Staatsbesuchen“ geht.<br />

Da ist die Rentner-Gang, die regelmäßig mit Hacke<br />

und Spaten ausrückt, um bei Anlage und Gestaltung<br />

des Friedhofes Gras einzusäen, Beete anzulegen,<br />

Wege zu planieren sowie Bäume, Stauden und<br />

Sträucher zu setzen. Da gab es den „Einsiedler“ am<br />

Rande des <strong>Dorf</strong>es in einer Holzbaracke, der bereits<br />

Windenergie für den Eigenbedarf förderte, als<br />

noch niemand an regenerative Energien dachte.<br />

Und da gab es „Tante-Anni“ mit ihrem Laden, die<br />

der Krieg nach Klein Meckelsen verschlagen <strong>hat</strong>.<br />

Sie bot ein ausgeklügeltes Sortiment von Waren,<br />

das beim Großeinkauf im Supermarkt vergessen<br />

worden war. „Tante Anni“ konnte damit leben,<br />

aber nichts verdienen. Das „Kalthaus“ natürlich<br />

ehrenamtlich betreut, darf getrost als Institution<br />

bezeichnet werden. Es wurde genutzt, als es noch<br />

keine Kühlschränke, wohl aber erntende Frauen und<br />

jagende Männer gab.<br />

Klein Meckelsen ist bis heute Teil der Landschaft<br />

geblieben.<br />

30


Wo junge Familien zu Hause sind, sind die Kinder<br />

„<strong>Zukunft</strong>skapital“<br />

DSL und <strong>Dorf</strong>schnack –<br />

wir brauchen beides!<br />

In Klein Meckelsen <strong>hat</strong> die „Buschtrommel“ zugunsten<br />

eines <strong>Dorf</strong>zettels ausgedient. Er wird von<br />

Haus zu Haus gereicht. Der Schnack von Tür zu<br />

Tür ist programmiert. Die Gemeindeverwaltung,<br />

die Vereine und Verbände nutzen den Zettel noch<br />

heute zur Nachrichten- und Informationsübermittlung<br />

– trotz DSL – mit Rücksicht auf die Alten und<br />

die Technikmuffel.<br />

Das Golddorf Klein Meckelsen <strong>hat</strong> übrigens geschafft,<br />

wovon die Nachbargemeinden noch träumen:<br />

DSL – die schnelle Datenleitung im <strong>Dorf</strong>. In<br />

Klein Meckelsen leben nicht nur die aktiven Landwirte,<br />

die die ersten Boxenlaufställe im Landkreis<br />

bauten, sondern auch eine ganze Reihe von Handwerkern,<br />

mittelständischen Unternehmern und Freiberuflern,<br />

die auf den schnellen Datenaustausch in<br />

einer globalisierten Welt angewiesen sind.<br />

Nicht jeder im <strong>Dorf</strong> ist mit Jedem und Allem<br />

einverstanden, aber es gab und gibt immer den<br />

größeren und aktiveren Teil der Einwohner, der<br />

sich einzeln und gemeinsam für das übergeordnete<br />

Ziel, wie zum Beispiel die zentrale Wasserversorgung<br />

oder die Abwasserbeseitigung einsetzt<br />

und arbeitet. Differenzen zwischen Einheimischen<br />

und Zugezogenen haben beide Seiten gelöst. Die<br />

einheimische Land- und die zugezogene Stadtbevölkerung<br />

identifiziert sich gleichermaßen mit ihrem<br />

„Lütt Meckels“. Gegensätze sind nicht zu erkennen.<br />

31<br />

<strong>Unser</strong> soziales Kapital<br />

Die <strong>Zukunft</strong> des <strong>Dorf</strong>es sind die Kinder. Ihr Spielkreis<br />

wurde zum Kindergarten mit ausgebildeten<br />

Erzieherinnen. Der Bestand der Grundschule<br />

wird gehegt und gepflegt. Wenn die Rektorin zu<br />

Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten bittet,<br />

stehen die Väter auf der Matte. Nahtlos wachsen<br />

die Kinder in den Turn- und Sportverein, in die<br />

Trachtengruppe, in die Freiwillige Feuerwehr, in<br />

die <strong>Dorf</strong>jugend – in die dörfliche Geborgenheit bis<br />

ins Erwachsenenalter hinein.<br />

Die in Kürze ausscheidende Bürgermeisterin Frau<br />

Ilse Ropers erklärt „ihr“ schönes <strong>Dorf</strong>: „Wenn die<br />

<strong>Dorf</strong>gemeinschaft stimmt, wenn sie lebendig ist,<br />

wenn miteinander geredet und nicht (nur) gestritten<br />

wird, dann wird auch miteinander gearbeitet.<br />

Das Ergebnis dieser gemeinsamen Arbeit ist ein<br />

innerlich intaktes Gemeinwesen, dass sich nach<br />

außen von seiner schönsten und blumigsten Seite<br />

zeigt.“<br />

Monica Lohmeyer-Wulf<br />

Marschhorst 3,<br />

27419 Klein Meckelsen<br />

Großer Wandel in „Lütt Meckels“<br />

1965 Das <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> 600 Einwohner<br />

1965 Einweihung einer Mittelpunktschule<br />

für Kinder aus fünf benachbarten<br />

Dörfern<br />

1970 Einführung einer zentralen<br />

Wasserversorgung<br />

1973 Selbsthilfe: Das <strong>Dorf</strong> installiert<br />

die Straßenbeleuchtung<br />

1973 Klein Meckelsen wird an die<br />

zentrale Abfallentsorgung des<br />

Kreises Rotenburg angeschlossen<br />

1992–1994 Ausweisung neuer Baugebiete mit<br />

23 Bauplätzen<br />

1992–1994 Anschluss des ganzen <strong>Dorf</strong>es an die<br />

zentrale Kläranlage der Samtgemeinde<br />

Sittensen<br />

1997 „Lütt Meckels“ erhält eine Erdgasversorgung,<br />

auch im Außenbereich.<br />

2002 Neues Baugebiet mit 27 Bauplätzen<br />

2009 Die <strong>Dorf</strong>gemeinschaft macht Druck:<br />

das <strong>Dorf</strong> wird an das DSL-Datennetz<br />

angeschlossen.<br />

<strong>2011</strong> Das <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> jetzt 965 Einwohner


Wir in Lieberhausen<br />

Eine große Erfolgsgeschichte<br />

für ein kleines <strong>Dorf</strong><br />

Geprägt durch eine starke <strong>Dorf</strong>gemeinschaft mit<br />

330 Einwohnern im Oberbergischen Land und<br />

vielen aktiven Vereinen, allen voran unser Heimatverein,<br />

ist in unserem <strong>Dorf</strong> immer etwas los und<br />

es vergeht kein Monat, in dem nicht irgendetwas<br />

geplant oder unternommen wird.<br />

Aber wie in vielen Dörfern war das auch bei uns<br />

nicht immer so:<br />

In den 1960er bis 1980er <strong>Jahre</strong>n waren es unsere<br />

Eltern, die sich im Heimatverein aktiv und auch an<br />

den Wettbewerben „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“<br />

mit großen Erfolgen beteiligten. Durch den<br />

zwangsläufigen Generationswechsel – die Älteren<br />

waren schon zu alt und die Jüngeren <strong>hat</strong>ten noch<br />

nicht wirklich Interesse – beschränkten sich alle<br />

Aktivitäten auf ein Mindestmaß: Seniorenfahrten<br />

und etliche Aktivitäten für Kinder, aber das war es<br />

dann auch schon fast.<br />

Ein eigenes Kraftwerk für unser<br />

<strong>Dorf</strong><br />

Erst Ende der 1990er kam wieder Bewegung in das<br />

<strong>Dorf</strong>: Abwasserkanäle wurden gebaut und es kam<br />

die Frage, Gas oder gibt es eine Alternative? Das<br />

<strong>Dorf</strong> entschied sich für die Alternative und der<br />

Zungenbrecher „Holzhackschnitzelheizwerk“ wurde<br />

zum festen Bestandteil unseres <strong>Dorf</strong>es.<br />

Nach einjähriger intensiver Planung durch den<br />

Heimatverein wurde dieses Projekt im Zuge des<br />

Kanalbaus realisiert. Die Bürger gründeten eine Genossenschaft,<br />

verlegten ein eigenes Nahwärmenetz<br />

im <strong>Dorf</strong> und beziehen nunmehr seit 2001 Wärme<br />

und Brauchwasser durch das eigene Heizwerk.<br />

Ein Mammutprojekt für das <strong>Dorf</strong> – in unzähligen<br />

ehrenamtlichen Stunden wurde das Heizwerk<br />

als Pilotprojekt in NRW gebaut. Mit den ersten<br />

Ober bergischen Holztagen 2004 mit rund 10.000<br />

Besuchern an zwei Tagen (eine logistische Meisterleistung<br />

des <strong>Dorf</strong>es und der Vereine) wurde uns<br />

erst richtig bewusst, was man gemeinsam so alles<br />

schaffen kann.<br />

Seitdem organisieren wir nun schon zum sechsten<br />

Mal unseren Weihnachtsmarkt immer wieder mit<br />

großem Erfolg.<br />

Die <strong>Dorf</strong>gemeinschaft erfindet<br />

sich neu<br />

Das hört sich alles sicher toll an, aber ganz so war<br />

das nicht:<br />

Die Jüngeren waren zwar nachgerückt, aber durch<br />

ihre vielen Aufgaben in den Vorständen war der<br />

Akku leer und die Aktivitäten ließen nach.<br />

Bewegung entstand erst wieder, als unser Bürgermeister<br />

von Gummersbach uns bat, doch wieder<br />

an dem nun umbenannten und mit neuen Inhalten<br />

versehenen Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

teilzunehmen. Erst lehnten wir ab, wagten dann<br />

aber doch den Schritt, ohne uns der Tragweite<br />

dieses Entschlusses bewusst zu sein. Ohne große<br />

Vorbereitung gingen wir in den Kreiswettbewerb,<br />

direkt mit durchschlagendem Erfolg – Gold!<br />

Damit <strong>hat</strong>ten wir nicht gerechnet – und was, das<br />

geht noch weiter? Nächstes Jahr auf Landesebene?<br />

Was <strong>hat</strong>ten wir uns da nur aufgehalst? Aber wir<br />

begriffen auch, dass unser <strong>Dorf</strong> lebt und großes<br />

Potential in ihm steckt: die tot geglaubte Gemeinschaft<br />

schlief nur, sie musste nur wach geküsst werden!<br />

Die Einladung des NRW Zentrums für Ländliche<br />

Entwicklung (ZeLE) zu einer <strong>Dorf</strong>werkstatt kam<br />

uns da gerade recht. Wir lernten und entwickelten<br />

langfristige Strategien für die <strong>Zukunft</strong>, damit wir<br />

nie wieder in so ein Loch fallen und die Arbeiten<br />

nicht nur an wenigen hängen bleiben.<br />

<strong>Dorf</strong>werkstatt ist Hilfe zur Selbsthilfe<br />

Seit dem <strong>hat</strong> sich viel getan im <strong>Dorf</strong>, es wurden<br />

Projektgruppen gegründet, in denen fleißig Ziele<br />

und Wünsche umgesetzt werden. Auch konnten<br />

neue hochmotivierte Dörfler für den Vorstand gewonnen<br />

werden, so dass sich die Arbeiten nun auf<br />

viele Schultern verteilen.<br />

Der Landeswettbewerb kam und auch dort holten<br />

wir Gold! Nach der ersten Euphorie holte man uns<br />

schnell auf den Boden der Tatsachen zurück, nachdem<br />

wir den Leitfaden zum <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

gelesen <strong>hat</strong>ten. Da standen Sachen drin über die<br />

wir uns noch nie Gedanken gemacht <strong>hat</strong>ten und<br />

auf vieles <strong>hat</strong>ten wir gar keine Antworten. Aber das<br />

war uns egal, denn uns war klar geworden – alles<br />

was wir hier machen, tun wir für uns und nicht für<br />

einen Wettbewerb! Und vor allen Dingen mit viel<br />

Spaß und ohne Druck oder Zwang. Es zeigte sich,<br />

dass man mit der richtigen Motivation und viel<br />

32


Das eigene Holzhackschnitzelkraftwerk versorgt große Teile unseres <strong>Dorf</strong>es dauerhaft, preiswert und<br />

unabhängig mit Wärme.<br />

Spaß Berge versetzen kann. Die Silberplakette im<br />

<strong>Bund</strong>eswettbewerb war dann das Sahnehäubchen<br />

obendrauf und die Bestätigung dafür, dass wir auf<br />

dem richtigen Weg sind.<br />

Mit Energie und Schwung kommt man<br />

ans Ziel!<br />

Als Fazit kann man anderen Dörfern nur den Rat<br />

geben, an sich zu glauben und den Mut zu haben,<br />

sich an dem Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

zu beteiligen. Mit dem richtigen Team an seiner<br />

Seite und einem offenen Ohr für die Wünsche und<br />

Sorgen der <strong>Dorf</strong>bewohner lassen sich durch die<br />

Teilnahme ungeahnte Kräfte freisetzen. Und man<br />

wird sehen, wie viel Spaß das ganze machen kann!<br />

Auch eine Teilnahme an Seminaren des Zentrums<br />

für Ländliche Entwicklung kann für „schlafende“<br />

Dörfer nur von Vorteil sein und einen richtigen<br />

Motivationsschub auslösen.<br />

33<br />

Wir sind noch lange nicht am Ziel, haben noch<br />

längst nicht alles erreicht und noch einige „Baustellen“<br />

offen, aber wir bleiben am Ball, denn<br />

mit Energie und Schwung kommt man ans Ziel!<br />

Auf diesem Wege bedanken wir uns bei dem ganzen<br />

Organisationsteam und den Bewertungskommissionen<br />

und gratulieren herzlich zum <strong>50</strong>jährigen<br />

Bestehen!<br />

Wir freuen uns auf die nächsten Wettbewerbe und<br />

grüßen Sie herzlichst aus dem <strong>Bund</strong>essilberdorf<br />

Lieberhausen.<br />

Christina Reinhold,<br />

Heimatverein Lieberhausen, Kirchplatz 2,<br />

51647 Gummersbach


Der Wettbewerb erhält Zuwachs<br />

Der politische Umsturz im Osten brachte die Deutsche Einheit. Mecklenburg Vorpommern,<br />

Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen versprechen einen „Sc<strong>hat</strong>z“<br />

an interessanten, in ihren baulichen Strukturen weitgehend erhaltenen Dörfern, alten<br />

Traditionen und Perspektiven – eine Bereicherung für einen neuen, größeren <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>.<br />

Wie kommen wir in Ost und West zusammen? Sind Eigenverantwortung und<br />

Selbsthilfe immer noch gefragt?<br />

Landeswettbewerb in<br />

Sachsen<br />

Nach dem Fall der Mauer 1989 wurde am 14. Oktober<br />

1990 der Freistaat Sachsen als eines der fünf<br />

neuen <strong>Bund</strong>esländer gegründet. Große politische<br />

und gesellschaftliche Umgestaltungsprozesse nahmen<br />

ihren Anfang. Die Neuordnung von Eigentums-<br />

und Rechtsfragen, Sicherung von Arbeitsplätzen<br />

und viele Fragen des täglichen Lebens<br />

waren für die Dörfer von vorrangiger Bedeutung.<br />

Freiwillige Leistung wieder gefragt<br />

Trotz vieler Schwierigkeiten wurde bereits in den<br />

<strong>Jahre</strong>n 1990/91 mit der Vorbereitung zur Teilnahme<br />

am <strong>Bund</strong>eswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner<br />

werden“ begonnen – ein Motto, das dem Wunsch<br />

und Anliegen der meisten <strong>Dorf</strong>bewohner entsprach.<br />

Zunächst wollte die Mehrheit nicht „schon<br />

wieder“ einen Wettbewerb, denn den sozialistischen<br />

Wettbewerb „Schöner unsere Städte und<br />

Gemeinden – Mach mit“ mit streng formalistischer<br />

Abrechnung geleisteter freiwilliger Arbeitsstunden,<br />

gesammelter Altstoffe und zusätzlich erbrachter<br />

landwirtschaftlicher Produktion <strong>hat</strong>te man gerade<br />

hinter sich gelassen. Es gab aber auch Dörfer, die<br />

durch kluges Taktieren der engagierten Bürgermeister<br />

die Möglichkeiten dieses Wettbewerbes<br />

nutzten, um den Zusammenhalt der <strong>Dorf</strong>gemeinschaft<br />

sowie gegenseitige Hilfe bei der Erhaltung<br />

der privaten Grundstücke und der Pflege von<br />

Traditionen zu fördern. Das waren für Dörfer, wie<br />

Schwarzkollm und Obercunnersdorf in der Oberlau-<br />

Die jüngste Feuerwehr Deutschlands in<br />

Langenreichenbach<br />

sitz, Hohburg im damaligen Kreis Wurzen, Grüngräbchen<br />

im Kreis Kamenz, Mildenau im Erzgebirge<br />

und andere gute Ausgangsbedingungen.<br />

Erster Landeswettbewerb<br />

Bereits im <strong>Jahre</strong> 1991 wurde ein erster “Landeswettbewerb“<br />

vorläufig ohne Wertung unter großem<br />

Interesse der Öffentlichkeit durchgeführt. In den<br />

<strong>Jahre</strong>n 1992/93 fand dann der erste Sächsische<br />

Landeswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“<br />

von der Sächsischen Staatsregierung ausgelobt,<br />

statt. An dem Wettbewerb beteiligten sich<br />

bereits 236 Dörfer. Über Kreis- und Bezirkswett-<br />

bewerbe wurden die Teilnehmer für den Landeswettbewerb<br />

ermittelt.<br />

34


Kennzeichnend für die neun am Endausscheid<br />

beteiligten Dörfer waren das hohe Maß an bürgerschaftlicher<br />

Eigeninitiative und die starke Ausprägung<br />

des Selbsthilfegedankens. Planungskonzepte<br />

mit langfristiger Wirkung wurden auf den Weg<br />

gebracht. Es gab aber noch große Unterschiede<br />

zu den Dörfern im alten <strong>Bund</strong>esgebiet. Trotzdem<br />

wurde im <strong>Bund</strong>eswettbewerb 1993 das <strong>Dorf</strong> Grüngräbchen,<br />

Landkreis Kamenz, das erste Golddorf<br />

Sachsens im <strong>Bund</strong>eswettbewerb. Ausschlaggebend<br />

waren die aktive <strong>Dorf</strong>gemeinschaft und ein bekannter<br />

Rhododendron-Betrieb, seit 200 <strong>Jahre</strong>n in<br />

Familienbesitz, mit aktivem Einfluss auf Gartenkultur<br />

und Landschaftsbild.<br />

Hohe Auszeichnungen<br />

In den folgenden <strong>Jahre</strong>n bestimmten <strong>Dorf</strong>entwicklung<br />

und Flurneuordnung die Entwicklung der<br />

Dörfer. Im <strong>Bund</strong>eswettbewerb wurden einheitliche<br />

Maßstäbe zur Bewertung angewandt. Die Goldmedaillen<br />

für Hinterhermsdorf 2001 in der Sächsischen<br />

Schweiz und Bertsdorf-Hörnitz im Zittauer<br />

Gebirge 2004 entsprachen bereits diesem hohen<br />

Anspruch für die Gestaltung der <strong>Zukunft</strong> der Dörfer.<br />

Hinterhermsdorf wurde 2002 und Bertsdorf-<br />

Hörnitz 2004 für die hervorragenden Ergebnisse<br />

in der <strong>Dorf</strong>entwicklung mit dem Europäischen<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerungspreis ausgezeichnet. Auch erhielt<br />

Bertsdorf-Hörnitz im <strong>Jahre</strong> 2005 im europäischen<br />

Wettbewerb „Entente Florale“ eine Goldmedaille.<br />

Besondere Anerkennung fanden die denkmalgerechte<br />

Sanierung der historischen Umgebindehäuser<br />

und der behutsame Umgang mit der Umwelt.<br />

35<br />

Mit der Goldmedaille im <strong>Bund</strong>eswettbewerb 2010<br />

für Kirchbach im Erzgebirge wurde ein <strong>Dorf</strong><br />

ausgezeichnet, das sich voll auf die Erhaltung der<br />

vorhandenen <strong>Dorf</strong>struktur, Sanierung und Umnutzung<br />

der wertvollen Bausubstanz der Vierseithöfe<br />

konzentriert <strong>hat</strong>. In vielen Fällen wohnen mehrere<br />

Generationen unter einem Dach und vereinen<br />

Wohnen und Arbeiten auf einem Hof. Die Bewahrung<br />

der Natur, Förderung von Streuobstbewirtschaftung<br />

und Naturerziehung machen das <strong>Dorf</strong><br />

lebenswert für alle Generationen, was sich in konstanten<br />

Bevölkerungszahlen widerspiegelt.<br />

Eigenverantwortung <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

Der Landeswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

wird aber in Sachsen nicht nur von den „Gold-<br />

dörfern“ bestimmt. Es gibt viele Dörfer die mit<br />

hohem Bürgerengagement ihre <strong>Zukunft</strong> in die<br />

eigenen Hände nehmen und sich immer wieder im<br />

Wettbewerb messen. So <strong>hat</strong> z. B. Langenreichenbach<br />

(Landkreis Nordsachsen) ein mehrfach mit<br />

Sonderpreisen ausgezeichnetes reiches Vereinsleben.<br />

Die jüngste Feuerwehr Deutschlands ist nur<br />

ein Beispiel dafür. Der Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong><br />

<strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ setzt große Antriebskräfte für diese<br />

Entwicklung frei.<br />

Klaus Hiltmann,<br />

Mitglied der <strong>Bund</strong>esbewertungskommission,<br />

Kotzschweg 10, 01326 Dresden<br />

Typische Umgebindehäuser<br />

– historische<br />

Weberhäuser in<br />

Bertsdorf-Hörnitz


Landeswettbewerb<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Für die Bevölkerung in Deutschland war die Zeit<br />

ab 1989 eine Zeit des Umbruchs und voll von<br />

Veränderungen. Besonders rasant und dramatisch<br />

änderten sich die Rahmenbedingungen für die<br />

Menschen in der DDR. Aus den 14 Flächen-Bezirken<br />

entstanden wieder die fünf <strong>Bund</strong>esländer, wie<br />

sie bereits bis zum Jahr 1952 existierten. Aus den<br />

Bezirken Magdeburg und Halle entstand wieder<br />

Sachsen-Anhalt. Eine neue Gesellschaftsordnung,<br />

eine neue Wirtschaftsordnung, eine neue Währung,<br />

eine in jeder Beziehung veränderte Lebens-<br />

und Arbeitswirklichkeit ließen kaum die Chance,<br />

die eigene Biografie ohne Brüche fortzusetzen.<br />

Hatte man in einer solchen Zeit des Umbruchs<br />

keine anderen Sorgen, als sich einem Wettbewerb<br />

zuzuwenden, in dem Dörfer um die Ehre streiten?<br />

Engagement das sich lohnt<br />

Doch, die <strong>hat</strong>te man! Aber insbesondere in unruhigen<br />

Zeiten braucht man einen Haltepunkt, einen<br />

Anker. In ländlichen Regionen gab häufig die<br />

<strong>Dorf</strong>gemeinschaft diesen Halt. Und in den Dörfern<br />

wurde der Einzelne mit seinen individuellen<br />

Kenntnissen und Fähigkeiten gebraucht. Hier gab<br />

es die Möglichkeit, gemeinsam mit Anderen in<br />

der <strong>Dorf</strong>gemeinschaft die Geschicke des eigenen<br />

Ortes selbst mitzugestalten. Hier lohnte sich Engagement<br />

und die Ergebnisse des Einsatzes waren<br />

sofort vor Ort spürbar. Und es konnte eine Brücke<br />

von der alten in die neue Zeit geschlagen werden,<br />

denn auch in der DDR gab es einen vergleichbaren<br />

Wettbewerb „Schöner unsere Städte und Gemeinden<br />

– Mach mit“.<br />

Es überrascht daher auch nicht, dass den schwierigen<br />

Verhältnissen zum Trotz die ersten Dörfer<br />

sich sofort für eine Teilnahme am Wettbewerb<br />

entschieden haben. Die Bereitschaft zu lernen,<br />

das Bestreben sich auszutauschen und einfach zu<br />

schauen, wo man steht, motivierten zur Teilnahme.<br />

In den Anfangsjahren standen infrastrukturelle<br />

und bauliche Veränderungen bei der <strong>Dorf</strong>entwicklung<br />

im Vordergrund. In diesen Bereichen <strong>hat</strong>te<br />

man in unserem <strong>Bund</strong>esland erheblichen Nach-<br />

Einbringen der Erntekrone durch den Trachtenund<br />

Brauchtumsverein Ummendorf e.V.<br />

holbedarf. Weniger groß waren die Unterschiede<br />

zu den westlichen <strong>Bund</strong>esländern in anderen,<br />

weniger „augenfälligen“ aber dennoch bedeutenden<br />

Wettbewerbsbereichen: ein „Wir-Gefühl“,<br />

Engagement der <strong>Dorf</strong>bewohner, die Bereitschaft,<br />

gemeinschaftliche Perspektiven zu entwickeln,<br />

das soziale Miteinander, die Stärkung der dörflichen<br />

Identität, das waren die Bereiche, in denen<br />

die Dörfer unseres Landes von Anfang an mithalten<br />

konnten.<br />

36


Neue Ideen helfen weiter<br />

Daher ließen auch erste Erfolge nicht lange auf<br />

sich warten. Bereits 1993 wurde Wickerode auf<br />

<strong>Bund</strong>esebene mit Silber ausgezeichnet und 1998<br />

gab es Gold für Steckby. Das 2001 mit Gold ausgezeichnete<br />

Ummendorf wurde 2004 Wettbewerbssieger<br />

auf europäischer Ebene. Und die positiven<br />

Beispiele bestärkten nicht nur die Teilnehmer,<br />

sondern ermutigten weitere Dörfer.<br />

37<br />

Was sind die Gründe? Funktionierende <strong>Dorf</strong>gemeinschaften<br />

zeigen mit ihrer Innovationskraft<br />

immer wieder, wie man sich den Herausforderungen<br />

der Zeit erfolgreich stellt. Positive Beispiele<br />

regen zum Nachmachen an, Erkenntnisse werden<br />

ebenso verbreitet wie Methodenkompetenz. Der<br />

Wettbewerb <strong>hat</strong> sich zu einer Ideenbörse mit herausragenden<br />

Umsetzungsbeispielen entwickelt. Er<br />

regt zum Nachdenken und auch zum Umdenken<br />

an, ein wichtiger Kontrapunkt zu unreflektierter<br />

Zentralisierung.<br />

Hierbei mitzumachen ist für viele Dörfer Ehre<br />

und Chance zugleich. Dabei verschwimmen die<br />

ehemaligen Grenzen. Der Wettbewerb vereint alle<br />

Dörfer in Deutschland, im Norden wie im Süden,<br />

im Westen wie im Osten.<br />

Ein Urteil der Wettbewerbsjury ist auch für<br />

Gewinner immer ein „Gutachten“ einer neutralen<br />

Stelle. Es betrifft alle Aspekte der ländlichen<br />

Entwicklung, die man vor Ort selbst beeinflussen<br />

kann. Es bietet die Chance zu sehen, wie man von<br />

Außen wahrgenommen wird, es schützt vor einem<br />

„betriebsblinden“ weiter so. Auch diesen Aspekt<br />

haben die Dörfer nicht nur in Sachsen-Anhalt<br />

gesehen.<br />

Brücke zwischen Ost und West<br />

Bei allen Problemen die wir in Sachsen-Anhalt insbesondere<br />

im Zusammenhang mit der demografischen<br />

Entwicklung haben, sind Dörfer gewachsen,<br />

in denen sich Menschen wohlfühlen, wo Menschen<br />

leben wollen und in denen sie bereit sind, sich zu<br />

engagieren und einzubringen.<br />

In diesen Orten braucht man auch nicht von Haltefaktoren<br />

gegen die Abwanderung zu sprechen,<br />

hier gibt es sie. In diesen Orten braucht man nicht<br />

über ehrenamtliches Engagement zu sprechen,<br />

hier ist das selbstverständlich. Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

<strong>hat</strong> hieran seinen Anteil.<br />

Die „größte Bürgerinitiative Deutschlands“ <strong>hat</strong><br />

Zuwachs bekommen. Und in kaum einem anderen<br />

Bereich ist deutlicher geworden, dass uns mehr<br />

verbindet, als trennt. Daher <strong>hat</strong> der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

nicht nur territorial zugelegt, er ist qualitativ<br />

gewachsen.<br />

Johannes A. Wesselmann,<br />

Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt<br />

des Landes Sachsen-Anhalt, Olvenstedter Straße 4,<br />

39108 Magdeburg


Wir in Rieth<br />

Im Süden des Freistaates Thüringen direkt an der<br />

Landesgrenze zu Bayern gelegen, gehörte Rieth vor<br />

der Vereinigung der beiden deutschen Staaten zur<br />

äußersten Sperrzone der DDR-Grenze. Erst heute<br />

können die Bewohner den Restriktionen dieser Zeit<br />

eine gute Seite abgewinnen – die Region und das<br />

<strong>Dorf</strong> blieben in den Jahrzehnten der Abschottung<br />

verschont von zweifelhaften sozialistischen Errungenschaften.<br />

Die soziale und kulturelle Entwicklung<br />

wurde in dieser Zeit so systematisch unterbunden,<br />

wie Gewerbe und Handwerk. Umso intensiver<br />

entfaltet sich die Region seit der Wende. Engagierte<br />

Bürger gingen 1989 neue Wege und gestalteten<br />

Rieth sowie die Kulturlandschaft in der Umgebung<br />

nachhaltig, traditionsbewusst und zukunftsorientiert<br />

im Einklang mit wirtschaftlichen und sozialen<br />

Interessen.<br />

Das <strong>Dorf</strong> beteiligte sich erfolgreich am Wettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“:<br />

ó 2005 Kreiswettbewerb – Sieger<br />

ó 2006 Landeswettbewerb Thüringen – Zweiter<br />

Platz<br />

ó 2007 <strong>Bund</strong>eswettbewerb – Goldmedaille<br />

Höhepunkt und krönender Abschluss war die Nominierung<br />

und Teilnahme am Europawettbewerb<br />

„Entente Florale Europe“ 2008 mit der Erreichung<br />

einer Silbermedaille für Deutschland.<br />

Mit Ideen, Traditionsbewusstsein, Achtsamkeit,<br />

Humor und Selbstbewusstsein stemmen die <strong>Dorf</strong>bewohner<br />

gemeinsam große Projekte so erfolgreich,<br />

wie ihr tägliches Miteinander in einer Gemeinschaft<br />

mit Modellcharakter für gelingendes Zusammenleben<br />

der verschiedenen Generationen.<br />

Das derzeitige Erscheinungsbild ist Ergebnis vieler<br />

Einzelmaßnahmen, die sich in Planung und Umsetzung<br />

auf breite Bürgerbeteiligung berufen<br />

konnten. Maßgeblich waren dabei die Vereine und<br />

viele ehrenamtlich tätigen Bürger und Bürgerinnen<br />

gefordert. Förderprogramme wie das Thüringer<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerungsprogramm, LEADER und Förderung<br />

ländlicher Raum wurden in die Planung und<br />

Finanzierung einbezogen.<br />

Erfolgreich haben <strong>Dorf</strong>erneuerung und <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong><br />

gewirkt: Rieth <strong>hat</strong> neue Lebensqualität<br />

gewonnen.<br />

Die im Rahmen des Wettbewerbs umgesetzten<br />

Projekte sind Bestandteile des täglichen Lebens<br />

geworden, machen stolz auf das Erreichte und<br />

Mut, auch zukünftig große Vorhaben erfolgreich<br />

umzusetzen. Rieth lebt das Prinzip, Altbewährtes<br />

zu erhalten und Möglichkeiten der Entwicklung<br />

zum Nutzen von Mensch und Natur zu erkennen<br />

und zu gestalten. Priorität haben dabei der schonende<br />

Umgang mit den natürlichen Ressourcen<br />

und deren nachhaltige Nutzung. Die Wettbewerbsbeteiligung<br />

<strong>hat</strong> dazu beigetragen, dass kommende<br />

Generationen das intakte <strong>Dorf</strong>leben bewahren<br />

und – die veränderlichen gesellschaftspolitischen<br />

Rahmenbedingungen im Blick – ihr <strong>Dorf</strong> verantwortlich<br />

gestalten.<br />

Eckehard Schmidt,<br />

Schustergasse 45, 98663 Rieth<br />

38


Wir in Bertsdorf-Hörnitz<br />

Im Dreiländereck Deutschland – Polen – Tschechische<br />

Republik am Fuße des kleinsten Mittelgebirges<br />

Deutschland – dem Zittauer Gebirge – liegt unsere<br />

Gemeinde Bertsdorf-Hörnitz mit heute 2.700 Einwohnern<br />

und lebendigem Vereinsleben.<br />

Durch den Zusammenschluss der Ortsteile Bertsdorf<br />

und Hörnitz vor nunmehr 10 <strong>Jahre</strong>n wurde<br />

unsere Gemeinde gegründet. Jeder Ortsteil brachte<br />

seinen eigenen Charme in die kommunale „Ehe“.<br />

Mächtige Linden und hoch aufstrebende Pappeln<br />

beleben das Ortsbild und prägen den Begriff „Ort<br />

der großen Bäume“.<br />

Durch das Engagement der Einwohner bei der Pflege<br />

und Erhalt der regional typischen Oberlausitzer<br />

Umgebindehäuser, des charakteristischen Ortsbil-<br />

Die typischen Umgebindehäuser sind Werkstatt (unten) und Wohnhaus (oben) der ehemals zahlreich in<br />

dieser Region lebenden Weberfamilien.<br />

39<br />

des, der lebendigen Brauchtümer und des gesellschaftlichen<br />

Zusammenlebens erhielten wir 2003<br />

die Auszeichnung zum schönsten <strong>Dorf</strong> Sachsens.<br />

Ein Jahr später folgte eine weitere Goldmedaille<br />

beim <strong>Bund</strong>eswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner<br />

werden – <strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“. Weiterhin wurde<br />

unserer Gemeinde 2004 der Europäische <strong>Dorf</strong>erneuerungspreis<br />

für ganzheitliche, nachhaltige und<br />

mottogerechte <strong>Dorf</strong>entwicklung von herausragender<br />

Qualität verliehen. Der Höhepunkt aller vorausgegangenen<br />

Ehrungen aber war die Nominierung<br />

für den europäischen Wettbewerb „Entente Florale<br />

2005“ und die dort erreichte Goldmedaille.<br />

Der bürgerschaftliche Einsatz der vergangenen<br />

<strong>Jahre</strong> <strong>hat</strong> für uns und unsere Gemeinde bis heute<br />

positiven Einfluss genommen. Wer lebt nicht gern<br />

in einem Erholungsgebiet, das neben Wanderungen,<br />

Natur pur, Badefreizeit, Kultur, Geschichte viel<br />

entdeckenswertes vorzuweisen <strong>hat</strong>.<br />

Dr. Christian Linke,<br />

ehem. Bürgermeister, Neustadt 47, 02763 Zittau


Träger, Initiatoren, Berater<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> ist eine bürgerschaftliche Aktion. Erfolge in den Dörfern, die<br />

Chancen von Mitwirkung und eigener Verantwortung werden am besten von Mund zu<br />

Mund getragen, über Vereine und Verbände sowie der Aktiven im <strong>Dorf</strong>. Nicht ohne Grund<br />

erhält gerade die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. als Dachverband vieler<br />

hunderter Vereine für Gartenbau und Landespflege in den 1960er <strong>Jahre</strong>n den Auftrag<br />

des <strong>Bund</strong>esministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, die<br />

Organisation und Abwicklung des <strong>Bund</strong>eswettbewerbs zu übernehmen.<br />

Die Gartenbauverbände in den Ländern oder die Heimatvereine bieten ihre Fachberater<br />

in den Dörfern an, unterstützt von Fachberatern der Kreisverwaltungen und Landratsämter,<br />

Ämtern für Landwirtschaft oder Landwirtschaftkammern. Heute bei komplexer<br />

werdenden Aufgaben bieten Schulen für <strong>Dorf</strong>- und Landentwicklung, Zentren und Akademien<br />

für ländliche Räume neue fachliche Orientierung und Hilfe, die über die reine<br />

Wettbewerbsteilnahme weit hinausgeht.<br />

Der Bürgerwettbewerb –<br />

Chance für Bayerns Dörfer<br />

Seit dem Beginn im <strong>Jahre</strong> <strong>1961</strong><br />

haben sich in Bayern bisher<br />

26.138 Dörfer am Wettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong> – <strong>Unser</strong><br />

<strong>Dorf</strong> soll schöner werden“ beteiligt<br />

und 68 Goldauszeichnungen<br />

auf <strong>Bund</strong>esebene errungen.<br />

Nur in Bayern lautet der Wettbewerbstitel: „<strong>Unser</strong><br />

<strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong> – <strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“.<br />

Gleichwohl richtet sich dabei der bayerische<br />

Zusatztitel „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“ an<br />

den tragenden Wurzeln des Wettbewerbs aus und<br />

steht für die in Bayern wichtigen Grundsätze des<br />

<strong>Dorf</strong>lebens: landschaftseingebunden, grüngestaltet,<br />

geschichtsbezogen, stilgemäß, lebenswert und in<br />

der Gemeinschaft lebendig – also unverwechselbar.<br />

Der bayerische Wettbewerbsgedanke<br />

Staat und Ehrenamt „Hand in Hand“<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> ist ein staatlicher Wettbewerb,<br />

der von ehrenamtlich tätigen Menschen und bürgernaher<br />

staatlicher Beratung getragen wird.<br />

Nicht Materielles sondern Ideelles bewegt.<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> lebt nicht von staatlichen<br />

Zuschüssen, sondern von dem Motto: „Nicht von<br />

anderen fordern, sondern selbst da anpacken, wo<br />

es Not tut“.<br />

Freiwilligkeit und Eigeninitiative<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> schafft Anreize für die Bürger,<br />

den gemeinsamen Lebensraum in eigener Verantwortung<br />

aktiv zu gestalten. Er motiviert somit<br />

die Menschen, selbst Hand anzulegen und bietet<br />

hierfür Hilfe zur Selbsthilfe.<br />

„Wir-Gefühl“ und positive Beispiele<br />

Er würdigt gemeinschaftliches Handeln und stellt<br />

das Erreichte als nachahmenswert heraus.<br />

40


Sallach (Stadt Geiselhörig): Vielfalt und Lebendigkeit der Dörfer wird in den Gärten, in den Grünstrukturen<br />

und landschaftypischen Häusern und Baumaterialien der Dörfer am deutlichsten sichtbar.<br />

Eigene Stärken und Perspektiven<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> schärft das Bewusstsein für<br />

Werte im eigenen <strong>Dorf</strong> und eröffnet Chancen für<br />

eine zukunftsorientierte Entwicklung der Lebensqualität.<br />

Organisation des bayerischen Landeswettbewerbs<br />

In Bayern ist der Landeswettbewerb dreistufig aufgebaut:<br />

Landkreis-, Regierungsbezirks- und Landesentscheid.<br />

Auslobende Stelle ist das Staatsministerium für<br />

Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wobei die<br />

Zuständigkeit hier beim Referat „Weinbau und<br />

Gartenbau“ liegt.<br />

Auf Landkreisebene wird der Wettbewerb von den<br />

Landratsämtern ausgelobt. Die Kreisfachberatung<br />

für Gartenkultur und Landespflege – eine Abtei-<br />

41<br />

lung innerhalb der Landratsämter – motiviert die<br />

Orte zur Teilnahme.<br />

Sie beruft und leitet die Kreisjury. Diese besteht<br />

aus Vertretern der Landwirtschaft, der Bürgermeister,<br />

des Kreisverbandes für Gartenbau und Landespflege,<br />

der Grünordnung und Landespflege, der<br />

Kreisheimatpflege, der Jugendringe, des Bauwesens<br />

sowie des amtlichen Naturschutzes.<br />

Der Bezirksjury stehen die Leiter der vier Gartenbauzentren<br />

in Bayern vor. Die Juroren entstammen<br />

folgenden Bereichen: Amt für Ländliche Entwicklung,<br />

Bayerischer Gemeindetag, Bezirksverband für<br />

Gartenbau und Landespflege, Bayerische Architektenkammer,<br />

der Bezirksheimatpflege und der<br />

Landwirtschaft.<br />

Auf Landesebene obliegt die Jury-Leitung dem<br />

Referat Weinbau und Gartenbau, die Jurorenbesetzung<br />

gleicht der Bezirksebene.


Altnußberg (Gemeinde Geiersthal): Der bayerische Wettbewerb wird vor allem vom Engagement der<br />

örtlichen Vereine, besonders der Obst- und Gartenbauvereine getragen.<br />

Schwerpunkte und Beratungshilfen<br />

Wichtig für die Bewertung auf allen drei Ebenen<br />

ist die Ausgangslage eines <strong>Dorf</strong>es. So soll hiervon<br />

ausgehend eine gesunde, lebenswerte und erlebnisreiche<br />

Heimat geschaffen werden, aber auch<br />

ein für Tourismus, Landwirtschaft und Gewerbe<br />

interessanter Standort. Die Baugebietsgestaltung<br />

soll auf landschaftstypische Baumaterialien zurückgreifen.<br />

Ausdrücklich heißt es: „Nach alten Vorbildern<br />

Neues schaffen oder Altes, Bewährtes erhalten<br />

und einer bedarfsgerechten Nutzung zuführen“.<br />

Schließlich wird viel Wert gelegt auf die Förderung<br />

einer lebendigen, starken und aktiven <strong>Dorf</strong>gemeinschaft<br />

mit gemeinsamer Freizeitgestaltung, Achtung<br />

vor dem Nächsten und Hilfsbereitschaft.<br />

42


Die Jury achtet auch darauf, inwieweit die Entscheidungen<br />

im <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> durch die Bürger<br />

getroffen, langfristig bedacht und aus eigener<br />

Erfahrung abgewogen werden. Der Wettbewerb soll<br />

die <strong>Dorf</strong>bewohner zu Eigenleistungen motivieren<br />

und auch noch nach der <strong>Dorf</strong>erneuerungsphase bei<br />

der Umsetzung von Planungsideen und Anstößen<br />

helfen. Die höchsten Punkte verteilt die Jury für die<br />

Bau- und Grüngestaltung des <strong>Dorf</strong>es. Diesen beiden<br />

Kriterien folgen direkt die Schwerpunkte „bürgerliche<br />

Aktivitäten und Selbsthilfeleistungen“ sowie<br />

die „Entwicklung des <strong>Dorf</strong>es“. Wichtig ist auch das<br />

Einfügen des <strong>Dorf</strong>es in seine Landschaft.<br />

Mit einer angemessenen Anerkennungskultur und<br />

einem Querschnitts orientierten Sachstandsbericht<br />

der Jurymitglieder werden die erbrachten Leistungen<br />

gewürdigt. Somit erfährt auch das ehrenamtliche<br />

Handeln und Tun eine hohe Wertschätzung.<br />

Trägerschaft des Wettbewerbs<br />

Ein wesentlicher Träger des Wettbewerbsgedankens<br />

ist der Bayerische Landesverband für Gartenbau<br />

und Landespflege Bayern e.V. als Dachverband der<br />

Obst- und Gartenbauvereine.<br />

Unter dem Motto „Gartenbauvereine helfen Mensch<br />

und Natur“ finden sich rund 542.000 Mitglieder in<br />

über 3.300 Vereinen als Ansprechpartner vor Ort.<br />

Gemäß ihrem Ziel “Ganz Bayern ein blühender Garten“<br />

beweisen die Obst- und Gartenbauvereine ihre<br />

Leistungsfähigkeit vor Ort; ohne deren ehrenamtliches<br />

Engagement würde der Wettbewerb in Bayern<br />

nicht gelingen.<br />

Die Kreisfachberatung für Gartenkultur und Landespflege<br />

berät als kommunale Stelle der Landratsämter.<br />

Sie hält Vorträge, führt Ortsbegehungen<br />

durch, berät, empfiehlt und betreut die Umsetzung<br />

der Maßnahmen vor Ort.<br />

43<br />

Auf Regierungsbezirksebene stehen die Fachkräfte<br />

der „Grünordnung im ländlichen Raum“ den Teilnehmerdörfern<br />

unterstützend zur Seite. Deren<br />

Beratung für Fachfragen, Moderation, Information<br />

und Motivation ist an den vier Gartenbauzentren<br />

angesiedelt.<br />

Zusammen mit den <strong>Dorf</strong>erneuerungsschulen initiieren<br />

sie Fortbildungsveranstaltungen, bündeln<br />

und koordinieren die Aufgaben der Landratsämter<br />

und der Multiplikatoren vor Ort.<br />

Das Bindeglied zwischen allen Ebenen bildet die<br />

Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau<br />

in Veitshöchheim. Hier befindet sich die Geschäftsstelle<br />

des Wettbewerbs für die Bezirks- und<br />

Landesebene. Sie erstellt Printmedien und unterstützt<br />

in organisatorischen Belangen.<br />

Die Federführung aller Aktivitäten im Bereich der<br />

„<strong>Dorf</strong>entwicklung“ obliegt dem Bayerischen Staatsministerium<br />

für Ernährung, Landwirtschaft und<br />

Forsten.<br />

Fazit<br />

In Bayern lebt der Wettbewerb als „Wettbewerb der<br />

Menschen“, nicht als ein Instrument der Planungen<br />

und Konzepte.<br />

Wir danken deshalb allen, die diese größte<br />

Bürgerinitiative für den ländlichen Raum aktiv mit<br />

Leben füllen und sie zu einem Wettbewerb der<br />

Menschen machen, der aus Eigenverantwortung<br />

und daraus entstehenden Selbsthilfemaßnahmen<br />

getragen wird.<br />

Stephan Schmöger,<br />

Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten<br />

Landshut, Gartenbauzentrum Bayern Süd-Ost,<br />

Am Lurzenhof 3, 84036 Landshut-Schönbrunn


Die Schule der <strong>Dorf</strong>und<br />

Landentwicklung<br />

Thierhaupten<br />

Gründungsidee<br />

Bereits in den 1980er <strong>Jahre</strong>n vollzog sich in den<br />

ländlichen Räumen ein umfassender Strukturwandel<br />

verbunden mit schleichendem Wertewandel.<br />

Um ländliche Gemeinden und Dörfer in allen <strong>Zukunft</strong>sfragen<br />

zu unterstützen, wurde das Bayerische<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerungsprogramm als Strukturprogramm<br />

aufgelegt. Neu an diesem Programm war der Anspruch,<br />

im Dialog mit den „Betroffenen“ zu planen<br />

und Ideen umzusetzen. Die konsequente Umsetzung<br />

dieses Anspruches mündete in die Gründung<br />

der Schulen der <strong>Dorf</strong>- und Landentwicklung (SDL)<br />

in Bayern. Mit der Konzeption der ersten Seminare<br />

betraten die Verantwortlichen weitgehend Neuland.<br />

Der Erfolg gab ihnen Recht.<br />

Von der Schule zum Forum für den<br />

ländlichen Raum<br />

Für Seminarteilnehmer, Moderatoren, Planer und<br />

Vertreter der Gemeindeverwaltungen waren die<br />

ersten praktischen Erfahrungen sehr motivierend<br />

und bewirkten eine greifbare Aufbruchstimmung.<br />

Komplexe Fragestellung der <strong>Dorf</strong>entwicklung<br />

werden gleichberechtigt diskutiert und Lösungsansätze<br />

entwickelt.<br />

In der Folge haben die Schulen bestehende Seminarmethoden<br />

weiterentwickelt sowie zusätzliche Angebote<br />

konzipiert. Die SDL Thierhaupten versteht<br />

sich heute als Forum der Mitwirkung, der Kreativität<br />

und des Wissensmanagements für Fragen der<br />

Entwicklung des ländlichen Raumes in Oberbayern<br />

und Schwaben.<br />

Angebote der SDL Thierhaupten –<br />

Kommunalentwicklung mit <strong>Zukunft</strong><br />

Egal, ob es um die <strong>Dorf</strong>erneuerung geht oder ob<br />

die Teilnahme an einem Wettbewerb ansteht, es<br />

gibt viele Anlässe für Gemeinden, ein Seminar an<br />

der SDL Thierhaupten zu buchen. In den zweitägigen<br />

Workshops und Klausurtagungen werden<br />

Schlüsselpersonen motiviert, sich an Planungs- und<br />

Entwicklungsprozessen aktiv zu beteiligen.<br />

Die Schule der <strong>Dorf</strong>- und Landentwicklung führt<br />

Kommunalpolitiker und Bürger an die künftigen<br />

Fragestellungen und Aufgaben heran. Ausgefeilte<br />

Arbeitsmethoden und knappe Impulsvorträge<br />

helfen bei der Analyse der komplexen Wirkungszusammenhänge.<br />

Sie schaffen Bewusstsein für die<br />

künftigen Herausforderungen und schulen den<br />

Blick für Entwicklungstendenzen. Dabei geht es<br />

stets um das Finden gemeinsamer Ziele als solide<br />

Handlungsbasis für kommunale Aktivitäten. Nicht<br />

jedes Problem kann künftig auf kommunaler Ebene<br />

gelöst werden. Die SDL Thierhaupten initiiert und<br />

unterstützt auch interkommunale Entwicklungsprozesse<br />

durch individuelle Workshops.<br />

Für jedes gemeindebezogene Seminar werden maßgeschneiderte<br />

und individuelle Seminarkonzepte<br />

ausgearbeitet. Das Rahmenprogramm der SDL beschreibt<br />

verschiedene Typen von Klausurtagungen.<br />

Dennoch <strong>hat</strong> jede Gemeinde, jedes <strong>Dorf</strong> eigene<br />

Schwerpunkte und Themen, die ausschließlich individuelle<br />

Lösungen zulassen.<br />

44


Kloster Thierhaupten<br />

Fachseminare<br />

Neben gemeindebezogenen Klausurtagungen<br />

veranstaltet die SDL Thierhaupten auch praxisbezogene<br />

Fachseminare und Fachexkursionen. In<br />

diesen Veranstaltungen werden Themen vertieft<br />

sowie Informationen und praktische Anregungen<br />

gegeben. Die Spannweite der Themen reicht von<br />

<strong>Dorf</strong>geschichte und Öffentlichkeitsarbeit bis hin<br />

zu Standortmarketing, Nahversorgung, Generationen,<br />

Fundraising/Sponsoring und die Gestaltung<br />

der kommunalen Energiewende. Ein weiterer<br />

Angebotsschwerpunkt der SDL Thierhaupten<br />

sind Veranstaltungen zur sozialen und baulichen<br />

Innenentwicklung. Neben fachlichen Informationen<br />

unterstützt die SDL Kommunalpolitiker im<br />

begleitenden Prozess- und Changemanagement<br />

durch Veranstaltungen zu Arbeits- , Beteiligungs-<br />

und Steuerungstechniken. Im Sinne des Gender<br />

Mainstreaming unterstützt die SDL politisch und<br />

ehrenamtlich engagierte Frauen.<br />

45<br />

Informationsplattform ländlicher<br />

Raum und Landentwicklung<br />

Mit dem Internetportal www.sdl-inform.de <strong>hat</strong> die<br />

SDL Thierhaupten ein weiteres Angebot für Interessierte.<br />

Das Herzstück von SDL-INFORM sind die<br />

Präsentationen besonders gelungener Beispiele<br />

nachhaltiger Entwicklungen in ländlichen Gemeinden<br />

und Regionen aus ganz Bayern. Einzelne Projekte<br />

werden detailliert beschrieben, die wichtigsten<br />

Meilensteine herausgearbeitet.<br />

Im Resümee erfolgt deren zusammenfassende<br />

Bewertung. Zudem kann der Nutzer bei der Suche<br />

nach relevanten Praxisbeispielen aus den Kernthemen<br />

Innenentwicklung, Wirtschaft, Generationen,<br />

Nahversorgung, Landwirtschaft, Klimawandel/<br />

Energie, Infrastruktur und interkommunale Zusammenarbeit<br />

auswählen. Gekoppelt mit dem Seminarangebot<br />

der bayerischen Schulen der <strong>Dorf</strong>- und<br />

Landentwicklung bietet das Portal Wissenstransfer,<br />

Service und Beratung.<br />

Ausblick<br />

Nach 19 <strong>Jahre</strong>n Seminarbetrieb sind die Veranstaltungen<br />

der Schule der <strong>Dorf</strong>- und Landentwicklung<br />

Thierhaupten gefragter denn je. In unserer schnelllebigen<br />

Zeit gilt es, vielen Entwicklungstendenzen<br />

gegenzusteuern bzw. anzupassen, um ländliche<br />

Strukturen und Qualitäten zu erhalten, aber auch<br />

um die künftigen Chancen zu erkennen. Das Land<br />

<strong>hat</strong> Potential, denn stabile soziale Netzwerke,<br />

Bodenständigkeit, das Leben und Arbeiten in kleinen,<br />

übersichtlichen Wirtschaftskreisläufen sind<br />

Modelle der <strong>Zukunft</strong>, die es zu stärken und weiterzuentwickeln<br />

gilt. Dazu brauchen die Gemeinden<br />

und Bürger Unterstützung und Beratung. Die SDL<br />

möchte den ländlichen Raum mit seinen Menschen<br />

stärken und zu einem neuen Selbstbewusstsein<br />

führen.<br />

Gerlinde Augustin,<br />

Geschäftsführerin SDL Thierhaupten, Klosterberg 8,<br />

88672 Thierhaupten


Das Zentrum für ländliche<br />

Entwicklung Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

Nordrhein-Westfalen verfügt über eine Vielzahl<br />

aktiver Dörfer. Dies zeigt die große Beteiligung<br />

am <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> seit vielen <strong>Jahre</strong>n. Landwirtschaftlicher<br />

Strukturwandel und vielfältige Veränderungsprozesse<br />

erforderten neue Ideen, um die<br />

Lebensqualität in den Dörfern attraktiv zu erhalten.<br />

Die wachsende Bereitschaft der Menschen, sich<br />

für ihr ländliches Lebensumfeld zu engagieren,<br />

verlangte nach neuen Ansätzen und Formen der<br />

Unterstützung.<br />

Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2001 das<br />

Zentrum für ländliche Entwicklung (ZeLE) gegründet.<br />

Das ZeLE ist angesiedelt im Ministerium für<br />

Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und<br />

Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />

Diese Einbindung und der zentrale Standort in<br />

Düsseldorf haben sich sehr bewährt.<br />

Das ZeLE gibt seit 10 <strong>Jahre</strong>n den Engagierten und<br />

Interessierten in den ländlichen Regionen des<br />

Landes neue Möglichkeiten zur qualifizierten Information,<br />

zum Austausch und zur Diskussion. Alle<br />

Veranstaltungen finden grundsätzlich dezentral in<br />

den Gemeinden und Dörfern statt. Aktuelle Fragen<br />

des ländlichen Raums, der <strong>Dorf</strong>- und Regionalentwicklung<br />

stehen im Mittelpunkt. Das ZeLE versteht<br />

sich im Hinblick auf seine Ziele und Angebote als<br />

eine Akademie für den ländlichen Raum.<br />

Die Veranstaltungen des ZeLE<br />

Das Themenspektrum des ZeLE umfasst alle Bereiche<br />

der ländlichen Entwicklung, zum Beispiel zur<br />

<strong>Dorf</strong>entwicklung, Regionalentwicklung, Nutzung<br />

nachhaltiger Energien (Holz, Biogas u. a.), landwirtschaftsnahe<br />

Themen (z. B. Diversifizierung,<br />

Umnutzung).<br />

Die Schwerpunkte entwickeln sich ständig weiter.<br />

Aktuelle Herausforderungen durch demografische<br />

Entwicklungen werden aufgegriffen. Seminare zur<br />

Nahversorgung oder zum Breitbandausbau werden<br />

ebenso gut besucht, wie Angebote zur Innenentwicklung<br />

oder Umnutzung. Seit langem werden<br />

auch Fachseminare zum <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> sowie<br />

<strong>Dorf</strong>exkursionen durchgeführt. Bei allen Angebo-<br />

ten des ZeLE stehen nicht nur die fundierten Informationen<br />

von Experten im Fokus, einen ebenso<br />

breiten Raum nehmen Diskussion und Erfahrungsaustausch<br />

ein.<br />

Die Regionalentwicklung ist ein Kernthema für das<br />

ZeLE. Eine wichtige Zielgruppe stellen die 12 Leader-Regionen<br />

im Land dar. Leader-Foren im Frühjahr<br />

und im Herbst halten aktuelle Informationen<br />

für die Engagierten bereit und sollen gleichzeitig<br />

den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen<br />

den Regionen stärken. Das ZeLE fördert damit aktiv<br />

die Vernetzung der Leader- und ILEK-Regionen.<br />

Seit 2008 bietet das ZeLE spezielle „<strong>Dorf</strong>werkstätten“<br />

an. Hier haben Gruppen aus Dörfern die<br />

Aufgabe, an zwei Tagen ein erstes Leitbild zu<br />

erstellen und einen individuellen Aktionsplan in<br />

die Dörfer mitzunehmen. Diese an das Vorbild der<br />

bayerischen Schulen für <strong>Dorf</strong>- und Landentwicklung<br />

angelehnten Veranstaltungen erfahren eine<br />

besonders große Nachfrage.<br />

Nach über 1<strong>50</strong> Veranstaltungen haben seit 2001<br />

über 11.<strong>50</strong>0 Teilnehmer die Angebote des ZeLE<br />

wahrgenommen. Es handelt sich dabei um über<br />

6.000 Personen, von denen viele mehrmals teilgenommen<br />

haben.<br />

Zur Verbesserung der Arbeit des ZeLE wurden die<br />

Teilnehmer befragt. Die Ergebnisse waren überwiegend<br />

sehr positiv, viele Anregungen und Themenvorschläge<br />

wurden eingebracht. Aus den Befragungen<br />

ist auch bekannt, dass bei den interessanten<br />

Themenstellungen durchaus weite Anfahrtswege<br />

in Kauf genommen werden. So fahren 60 % der<br />

Teilnehmenden über <strong>50</strong> Kilometer zum Ort der<br />

Veranstaltung an, viele sogar über 100 Kilometer.<br />

Wettbewerbe und Zusammenarbeit<br />

Um die Möglichkeiten der Umnutzung nicht mehr<br />

benötigter landwirtschaftlicher Gebäude weiter bekannt<br />

zu machen, wurden in den <strong>Jahre</strong>n 2003 und<br />

2008 Wettbewerbe „Gute Ideen für alte Gemäuer“<br />

durchgeführt, die bei den Inhabern der Objekte<br />

auf ein großes Interesse stießen.<br />

Der Austausch mit Partnern bringt für das ZeLE<br />

wichtige Impulse. Das ZeLE arbeitet mit den anderen<br />

deutschen Akademien Ländlicher Raum in<br />

der Arbeitsgemeinschaft „Arge Ländlicher Raum“<br />

zusammen. Seit 2008 richten die Akademien gemeinsam<br />

Veranstaltungen zu aktuellen Themen im<br />

46


<strong>Dorf</strong>werkstätten sind moderierte Prozesse, bei denen Stärken und Schwächen analysiert, Ziele und Projekte<br />

zur Umsetzung entwickelt werden.<br />

Rahmen des „<strong>Zukunft</strong>sforums Ländliche Entwicklung“<br />

bei der Internationalen Grünen Woche in<br />

Berlin aus.<br />

In dem Netzwerk „Europäisches Bildungsforum<br />

ländliche Entwicklung - EBFLE“ arbeitet das ZeLE<br />

auf internationaler Ebene mit Bildungseinrichtungen<br />

für <strong>Dorf</strong>- und Regionalentwicklung aus mehreren<br />

europäischen Staaten und deutschen Ländern<br />

zusammen.<br />

Der Beirat des ZeLE<br />

Zur Unterstützung der Arbeit des ZeLE ist ein<br />

Beirat von insgesamt 20 Personen einberufen.<br />

Dort sind die im ländlichen Raum relevanten<br />

gesellschaftlichen Gruppen vertreten. Der Beirat<br />

wirkt regelmäßig beratend an der Arbeit und der<br />

Aufgabenplanung mit und bringt aktuelle Themen<br />

direkt ein.<br />

47<br />

Zum Schluss<br />

Das Zentrum für ländliche Entwicklung will alle,<br />

die sich für ihre Dörfer und Regionen engagieren,<br />

bei der Umsetzung ihrer Ideen und Projekte unterstützen.<br />

Es werden viele Personen angesprochen,<br />

die bisher von fachlichen Angeboten zur Regional-<br />

und <strong>Dorf</strong>entwicklung nicht erreicht wurden. Bei<br />

den Veranstaltungen steht nicht nur die Information<br />

im Mittelpunkt, sondern die Möglichkeiten<br />

zu neuen Kontakten und Diskussionen sind von<br />

besonderer Bedeutung. Vor dem Hintergrund<br />

weiterer Veränderungen in ihrem direkten Umfeld<br />

werden die Menschen gestärkt, ihre <strong>Zukunft</strong> mit in<br />

die eigene Hand zu nehmen.<br />

Dr. Michael Schaloske,<br />

Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,<br />

Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen, Schwannstraße 3, 40476 Düsseldorf


Die Bewertungskommissionen<br />

Die Bewertungskommissionen sind das „Gesicht“ der Auslober und Träger des Wettbe-<br />

werbsgedankens. Den Stufen des Wettbewerbs entsprechend gibt es Kommissionen für<br />

Landkreise, Regierungsbezirke, Länder und für den <strong>Bund</strong>eswettbewerb. Sie sind unabhängig<br />

voneinander und autonom in ihrer Entscheidung.<br />

Mit Anpassung der Kriterien an sich ändernde Rahmenbedingungen verändern sich<br />

auch die Schwerpunkte der Bewertung und die Blickrichtung der Kommissionen. Wenn<br />

zu Beginn des Wettbewerbs vor allem die Zustandsbewertung der Dörfer im Vordergrund<br />

stand, ist es heute zunehmend eine Prozessbewertung die auch zukünftige Entwicklungsperspektiven<br />

und Änderungen im Blick <strong>hat</strong>.<br />

Organisation und Aufgaben<br />

Der Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ <strong>hat</strong><br />

sich in den letzten <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n zu einem der wichtigsten<br />

Instrumente zur Förderung der dörflichen<br />

Entwicklung herausgebildet. Die Erfolgsgeschichte<br />

des Wettbewerbs wurde nicht zuletzt durch die<br />

engagierte Arbeit der Bewertungskommissionen<br />

und die stetige Anpassung der Bewertungskriterien<br />

erreicht. Die Aufgaben der Kommissionen gehen<br />

dabei weit über die reine Bewertung der Teilnehmerdörfer<br />

hinaus. Mit Ortsbegehungen, Beratungsbriefen<br />

und Abschlussberichten liefern die Kommissionen<br />

nützliche Hinweise für die Akteure auf<br />

Kreis-, Landes- und <strong>Bund</strong>esebene. Die Bewertungskommissionen<br />

sind das „Gesicht“ der Auslober<br />

und Träger des Wettbewerbs. Gleichzeitig haben<br />

sie auch eine wichtige Beratungsfunktion für die<br />

<strong>Dorf</strong>entwicklungsprozesse.<br />

Das dreistufige Verfahren<br />

des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s<br />

Der besondere Reiz für viele Dörfer an dem Wettbewerb<br />

teilzunehmen, ist sein dreistufiges Verfahren.<br />

In 13 <strong>Bund</strong>esländern wird der Wettbewerb auf<br />

Kreis-, Länder- und final auf <strong>Bund</strong>esebene durchgeführt.<br />

Auf der Ebene der Kreise sowie der Landesebene<br />

führen Kommissionen jeweils ein Jahr vor<br />

den Begehungen durch die Bewertungskommission<br />

des <strong>Bund</strong>es eigene Kreis- und Landesentscheide<br />

durch. Je Landkreis bzw. Land variiert die Beteiligung<br />

der Dörfer.<br />

Teilnahmeberechtigt sind räumlich geschlossene<br />

Gemeinden oder Ortschaften mit überwiegend<br />

dörflichem Charakter und mit weniger als 3.000<br />

Einwohnern. Die Teilnahme am <strong>Bund</strong>esentscheid<br />

setzt den Erfolg in einem vorangegangenen<br />

Landeswettbewerb voraus. Die Bewertungen der<br />

Kommissionen erfolgen durch die berufenen Kommissionsmitglieder.<br />

Diese beurteilen unabhängig<br />

und ihr Ergebnis ist endgültig. Der Rechtsweg ist<br />

ausgeschlossen.<br />

Begrüßung der <strong>Bund</strong>esbewertungskommission im<br />

<strong>Dorf</strong> und erste Erläuterungen<br />

48


Die Mitglieder der Kommissionen<br />

Die Berufung der Mitglieder in die Bewertungskommissionen<br />

erfolgt je nach Wettbewerbsebene<br />

und <strong>Bund</strong>esland unterschiedlich. Auf Land kreisebene<br />

werden die Mitglieder der Kommissionen<br />

von den Landkreisen bzw. kreisfreien Städten<br />

bestimmt. Für die Landeswettbewerbe berufen die<br />

zuständigen Ministerien in 13 <strong>Bund</strong>esländern die<br />

Kommissionsmitglieder jeweils für die Dauer einer<br />

Wettbewerbsperiode. Die Landeskommissionen<br />

setzen sich aus Vertretern der am Wettbewerb<br />

beteiligten Verwaltungen, Verbände und Vereine<br />

zusammen. Die Mitglieder der <strong>Bund</strong>esbewertungskommission<br />

werden durch das <strong>Bund</strong>esministerium<br />

für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

(BMELV) berufen.<br />

Bis 1998 <strong>hat</strong>te die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft<br />

1822 e.V. den Vorsitz in der Kommission. Seit dem<br />

<strong>Bund</strong>esentscheid 2001 liegt der Vorsitz in der <strong>Bund</strong>esbewertungskommission<br />

bei dem Bürgermeister<br />

der Gemeinde Weyarn, Michael Pelzer, sowie dem<br />

Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg,<br />

Dr. Reinhard Kubat, das BMELV stellt den stellvertretenden<br />

Vorsitzenden. Diese Änderung in der Organisationsstruktur<br />

spiegelt den Paradigmenwechsel<br />

innerhalb des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s mit stärkerer<br />

Ausrichtung auf „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ wider.<br />

Angesichts der weitreichenden fachlichen und<br />

politischen Anforderungen des Wettbewerbs ist zu<br />

beobachten, dass die Ansprüche an die Kommissionen<br />

in den letzten Jahrzehnten gewachsen sind.<br />

Die Kommissionen bündeln durch ihre Mitglieder<br />

Kompetenzen aus den Bereichen Kommunalpolitik<br />

und Verwaltung, sowie aus den Themenfeldern<br />

ländliche Strukturentwicklung, Architektur,<br />

Naturschutz und Landschaftspflege, Denkmal- und<br />

Heimatpflege, Landwirtschaft und ehrenamtliches<br />

Engagement der örtlichen Gartenbau- und Heimatvereine.<br />

Wandel der Bewertungskriterien<br />

Das Erfolgsrezept des Wettbewerbs „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong><br />

<strong>Zukunft</strong>“ ist die über fünf Jahrzehnte erhaltene Fähigkeit<br />

zum Wandel und zur Anpassung der Kriterien<br />

an neue gesellschaftspolitische Entwicklungen<br />

und strukturelle Herausforderungen.<br />

Stand in den 1960er <strong>Jahre</strong>n unter dem Motto „<strong>Unser</strong><br />

<strong>Dorf</strong> soll schöner werden“ die Zustands- und<br />

Verschönerungsbewertung der Dörfer und Anwesen<br />

im Vordergrund, so richtet sich seit den 1980er<br />

<strong>Jahre</strong>n der Blick vermehrt auf die Baugestaltung<br />

49<br />

Überblick und Detailinformation – beides zusammen<br />

ermöglicht eine sachgerechte Bewertung<br />

und Ökologie eines <strong>Dorf</strong>es. Aspekte der nachhaltigen<br />

Entwicklung der Dörfer und ihrer Umgebung<br />

fanden mit der Lokalen Agenda 21 verstärkt Einzug<br />

in den Wettbewerb. Durch Änderungen der Bewertungskriterien<br />

werden zunehmend grundsätzliche<br />

Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität<br />

von breitem Bürgerengagement getragen und das<br />

Gemeinschaftsleben im Ort erfährt eine stärkere<br />

Gewichtung.<br />

Bereits 1993 im Jahr des 30. Jubiläums des <strong>Bund</strong>eswettbewerbs<br />

wurde der Titel „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

verwendet. Diesen Zusatz <strong>hat</strong> der bisherige<br />

Wettbewerbstitel „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“<br />

im Jahr 1998 erhalten. Mit der Ausschreibung des<br />

22. <strong>Bund</strong>eswettbewerbs 2007 verkürzte sich der<br />

Titel auf „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“. Heute finden<br />

die individuellen Ausgangsbedingungen und<br />

kulturellen Besonderheiten der Dörfer größere<br />

Berücksichtigung. Im Mittelpunkt stehen die<br />

Anforderungen der Lokalen Agenda 21 und einer<br />

zukunftssichernden Infrastruktur, die dem Bedarf<br />

des jeweiligen <strong>Dorf</strong>es angepasst ist. Nachhaltige<br />

Entwicklungen und bürgerschaftliches Engagement<br />

sind wichtige Elemente des Wettbewerbs.<br />

Heute wird das Motto „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

konsequent umgesetzt.<br />

Sören Bronsert,<br />

Geschäftsführer <strong>Bund</strong>eswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong><br />

<strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“, <strong>Bund</strong>esanstalt für Landwirtschaft und<br />

Ernährung, Deichmanns Aue 29, 53179 Bonn


1976: Vortrag zum Abschluss des <strong>Bund</strong>eswettbewerbs in<br />

Bayern<br />

„Sehr geehrter Herr Staatsminister Dr. Eisenmann,<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />

das Bayerische Staatsministerium für Ernährung<br />

Landwirtschaft und Forsten <strong>hat</strong> heute nach Veitshöchheim<br />

geladen, um die Medaillen in Empfang<br />

zu nehmen, die uns anlässlich des <strong>Bund</strong>eswettbewerbs<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“ auf Landesebene<br />

zuerkannt wurden. Ich bin natürlich voller<br />

Glück und Freude, dass ich mit meinem <strong>Dorf</strong> eine<br />

bayrische Goldmedaille heimbringen darf.<br />

Gestatten Sie mir in wenigen Worten die Auswirkung<br />

eines solchen Wettbewerbes im privaten und<br />

kommunalen Bereich zu schildern. Durch die erstmalige<br />

Teilnahme an so einem Wettbewerb wird<br />

ein Ziel gesetzt, das es zu erreichen gilt, nämlich<br />

irgendwann auch in die <strong>Bund</strong>esentscheidung zu<br />

gelangen. Das gibt Auftrieb sofern es gelingt, die<br />

Mitbürger zu begeistern, nicht nur dazu, die Häuser<br />

mit Blumen zu schmücken, sondern auch, dass<br />

Ortsentwicklung zu einer Aufgabe für jeden einzelnen<br />

wird und ist. Durch mehrmalige Teilnahme<br />

rückt die Verantwortung dafür in das Bewusstsein<br />

der Menschen und man spürt es und hört es, wie<br />

die Leute mit offenen Ohren und abschätzenden<br />

Blicken feststellen, wie diese oder jene Dinge in<br />

anderen Dörfern gemacht werden.<br />

Man spürt es, wie viele Leute vom Blumenschmuck<br />

über den gepflegten Garten oder das selbst gemalte<br />

Haus miteinander wetteifern, dass dadurch der<br />

Sinn für das Schöne geweckt und geschult wird.<br />

Man spürt es, wie viele im <strong>Dorf</strong>, im Gemeinwesen<br />

durch die Dauerberieselung Gespür dafür bekommen,<br />

was bei der Gebäuderenovierung vertretbar<br />

ist und was nicht.<br />

Man spürt es, wie die Leute dadurch Gefallen finden<br />

an einem schönen Schindelschirm, an der Freilegung<br />

von Fachwerk, an einer Baumgruppe oder<br />

aber auch an einem alten Bauernhaus, wo der<br />

Besitzer sich entschlossen <strong>hat</strong>, die alten Sprossenfenster<br />

nicht durch flächige Fenster zu ersetzen.<br />

Man spürt es, wie die Leute begeistert sind, wenn<br />

aus all dieser Gemeinschaftsarbeit hier und<br />

dort gar noch ein kleines Heimatmuseum entsteht<br />

und die Senioren sich dort durch Leihgaben oder<br />

Spenden selbst verewigen, oder wie stolz alle sind,<br />

wenn die Pfarrkirche am Tag der Ortbesichtigung<br />

im neuen Glanz erstrahlt.<br />

Man spürt es, wie das Vorbild erzieherisch auf die<br />

Jugend wirkt. Wie sie begeistert mitmacht<br />

und in unbewusster Weise den Sinn fürs Schöne,<br />

das Gepflegte in sich aufnimmt.<br />

Man spürt es, wie solche Aktivität Nachbargemeinden<br />

ansteckt.<br />

Man spürt es, wie nicht zuletzt auch auf dem<br />

gemeindlichen Friedhof die Grabstelleninhaber<br />

miteinander wetteifern, um ein gepflegtes Grab,<br />

um ein schön bepflanztes Grab zu haben, ja dass<br />

der Grabstein nicht nur gefällt, sondern auch in<br />

die Umgebung passt.<br />

1965: Bewertungskommission in Bleichstetten<br />

<strong>50</strong>


Man spürt es, aber auch, dass einer, der nicht mitmacht<br />

doch oft ein schlechtes Gewissen <strong>hat</strong> oder<br />

sich zum Außenseiter stempelt.<br />

Ist es dann eines Tages so weit, dass man sich<br />

profiliert <strong>hat</strong>, und ziemlich weit oben in der Reihe<br />

der Wettbewerber angelangt ist, zieht man Besuchergruppen<br />

an, der Fremdenverkehr gewinnt an<br />

Bedeutung.<br />

Man spürt es, wie anerkennende Worte von <strong>Dorf</strong>besuchern<br />

bei den Ortsansässigen wie Balsam in den<br />

Ohren wirken und man ist glücklich in so einen<br />

<strong>Dorf</strong> zu wohnen, wo jeder Wegziehende es bedauert<br />

und jeder Hinzuziehende glücklich ist irgendwo<br />

zu sein, wo man jemand ist, wo man als „Zugereister“<br />

sofort in die Gemeinschaft aufgenommen ist.<br />

Wo Gottes schöne Welt echt durch das menschliche<br />

Zutun zu einem kleinen Paradies wird, wo<br />

man bedauert, wenn einer aus der Gemeinschaft<br />

ausschert und nicht mitwirkt. Ja man stellt fest,<br />

dass der früher oft etwas geringschätzende ja sogar<br />

bemitleidende Ausdruck einer in der nächsten<br />

Stadt wohnenden Bevölkerung „Ach so Ihr wohnt<br />

ja auf den Land oder in dem Nest“ sich auf einmal<br />

ins Bewundernswerte, ja ins Beneidens- und Nachahmenswerte<br />

verwandelt.<br />

Ich glaube, Herr Minister, meine Damen und Herren,<br />

ihnen mit diesen paar Sätzen einen kleinen<br />

Einblick in das <strong>Dorf</strong>geschehen zu Wettbewerbszeiten<br />

vermittelt zu haben und wenn ich aus eigener<br />

Erfahrung noch feststelle, dass derjenige, der aus<br />

51<br />

diesem Anlass sein Haus mit Blumen schmückt und<br />

dies dann immer tut, so <strong>hat</strong> der Wettbewerb das<br />

Beste gebracht.<br />

Gestatten Sie mir, sehr geehrter Herr Minister, im<br />

Auftrag aller Gemeinden, die heute geladen waren,<br />

ein abschließendes Wort des Dankes zusagen:<br />

Ein Wort des Dankes an Sie, Herr Minister für die<br />

Überreichung der Medaillen und Ihre Laudatio<br />

und dass Sie und Ihr Ministerium diesem <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

auf bayerischer Ebene entsprechendes<br />

Gewicht geben.<br />

Als wohl südlichster Vertreter bei der heutigen Feier<br />

erlaube ich mir, lieber Herr Minister, Ihnen als<br />

Ihr Gast, zugleich im Namen meiner Delegation,<br />

ein Gastgeschenk zu überreichen. Es ist ein bayerischer<br />

Löwe, der symbolisch Sie daran erinnern<br />

soll, woher wir kommen. Wir kommen aus der<br />

Gemeinde, in der Bayern zwischen Österreich und<br />

Württemberg liegt, und wo Bayern nur 2000 Meter.<br />

breit ist. Wo die Farben weiß und blau, wenn auch<br />

am Schwanze des Freistaates, dogmatische Bedeutung<br />

haben, wie das Mascherl am Schwanz dieses<br />

Stoff-Löwen. Und es ist eine kleine Schallplatte<br />

der Musikanten aus unserm kleinen <strong>Dorf</strong>, aus der<br />

aber alles zu entnehmen ist, was dort an Charme,<br />

an kulturellem Gut, an Idealismus, an Liebe und<br />

Humor zu Hause ist.“<br />

Theo Bihler,<br />

Pfänderstraße 10,<br />

88138 Hergensweiler


<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

Besondere Herausforderungen sind auf die Dörfer im letzten Jahrzehnt zugekommen<br />

und sie werden die Dörfer auch weiter beschäftigen: Der Strukturwandel bleibt nicht auf<br />

die Landwirtschaft beschränkt, Handwerk und Gewerbe unterliegen ebenso dem Zwang<br />

zur Konzentration und Anpassung an größere Märkte. Die Lebensmittelnahversorgung<br />

wird schwieriger, Ärzte für die Dörfer sind kaum noch zu gewinnen. Schulen und Kindergärten<br />

fusionieren. Selbst vor den Kirchengemeinden machen der Strukturwandel und<br />

Zusammenlegungen nicht halt, wenn Pfarrer fehlen.<br />

Wie sieht vor diesem Hintergrund moderne, zielführende Beratung aus? Wie meistern<br />

Dörfer diese Situation?<br />

Anpassung an neue<br />

Herausforderungen<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> ist die „Tür“ zu den Bürgern<br />

und Bürgerinnen. Seit der <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

erstmals <strong>1961</strong> mit dem Ziel der <strong>Dorf</strong>verschönerung<br />

und Infrastrukturverbesserung ausgerichtet wurde,<br />

haben sich die Rahmenbedingungen im ländlichen<br />

Raum und seinen Dörfern und Gemeinden in<br />

nahezu allen Lebensbereichen (Leben, Wohnen,<br />

Arbeiten, öffentliche und private Versorgung etc.)<br />

erheblich verändert. Die Herausforderungen sind<br />

immer vielfältiger geworden. Sie sind verursacht<br />

durch den Strukturwandel in Landwirtschaft,<br />

Handwerk, Gewerbe und Wirtschaft sowie die<br />

Globalisierung der Weltmärkte. Folgen des demografischen<br />

Wandels zeigen sich im Geburtenrückgang,<br />

in zunehmender Alterung und Abwanderung<br />

verbunden mit gesellschaftlichem Wertewandel.<br />

Auch der Klimawandel und der Bedarf an erneuerbaren<br />

Energien sind neue Aufgaben, denen es sich<br />

zu stellen gilt. Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> <strong>hat</strong> in fünf<br />

Jahrzehnten immer wieder bewiesen, dass er als Instrument<br />

der <strong>Dorf</strong>entwicklung flexibel genug war,<br />

sich den neuen Herausforderungen und gewandelten<br />

Bedingungen im ländlichen Raum zu stellen.<br />

Die Erweiterung der Bewertungskriterien sowie<br />

die Titelverkürzung auf „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

verdeutlichen dies. Seit den 2000er <strong>Jahre</strong>n stehen<br />

somit grundsätzliche Maßnahmen zur Verbesserung<br />

der Lebensqualität im Fokus des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s.<br />

Die individuellen Ausgangsbedingungen der<br />

Dörfer finden hierbei ebenso wie die kulturellen<br />

Traditionen besondere Berücksichtigung. Im Sinne<br />

der Lokalen Agenda 21 steht eine Infrastruktur im<br />

Vordergrund, die an den Bedürfnissen und den<br />

Erhalt des jeweiligen <strong>Dorf</strong>es angepasst sind.<br />

Fachliche Begleitung und Hilfe<br />

Anders als in anderen westdeutschen <strong>Bund</strong>esländern<br />

ist die demografische Situation im Saarland<br />

seit 1995 nicht allein durch Alterung, sondern<br />

bereits durch Schrumpfung geprägt. Das Saarland<br />

verliert derzeit pro Jahr über 6.000 Einwohner. Notwendige<br />

Anpassungen an den Schrumpfungsprozess,<br />

wie der Rückzug aus der Fläche, der Umbau<br />

und Rückbau der öffentlichen Infrastruktur, etwa<br />

der Abbau der Zahl der Schulen, Aktivierung der<br />

bürgerlichen Selbstinitiative etc. sind unpopulär<br />

und schwer zu vermitteln.<br />

Das erforderliche Umdenken braucht Zeit und<br />

professionelle Begleitung. Seit 1999 bietet die<br />

Agentur ländlicher Raum und das Referat Regionalentwicklung<br />

im ländlichen Raum im Ministerium<br />

für Wirtschaft und Wissenschaft des Saarlandes<br />

52


Beratungshilfe und Unter-stützung für Dörfer und<br />

Gemeinden an.<br />

Unter dem Motto „Es lebe das <strong>Dorf</strong>“ werden Bürgermeister,<br />

Gemeindeverwaltungen, Ortsvorsteher,<br />

Vereine und Bürger bei Fragen der baulichen, ökonomischen,<br />

ökologischen und gesellschaftlichen<br />

<strong>Dorf</strong>entwicklung unterstützt, z. B. durch:<br />

ó <strong>Dorf</strong>beratung und <strong>Dorf</strong>begleitung beim Weg<br />

durch den demografischen Wandel,<br />

ó <strong>Dorf</strong>begehungen, die der Ermittlung der spezifischen<br />

Stärken und Schwächen des Ortes dienen,<br />

ó <strong>Dorf</strong>gespräche, bei denen konkrete Bedürfnisse,<br />

aber auch Missstände benannt und ein Planen<br />

„über die Köpfe hinweg“ vermieden werden soll,<br />

ó Beratungen zu Fördermöglichkeiten,<br />

ó Betreuung von Arbeitsgruppen, die im Rahmen<br />

der <strong>Dorf</strong>gespräche entstehen,<br />

ó Konzeption, Organisation und Umsetzung von<br />

Fortbildungsveranstaltungen und Seminaren zur<br />

<strong>Dorf</strong>entwicklung und dem Leben im ländlichen<br />

Raum für Kommunalverwaltungen, Mandatsträger<br />

in den Kommunen, Vereine und sonstige<br />

Interessierte.<br />

Programm MELaniE<br />

Ergänzend <strong>hat</strong> das Saarland in den vergangenen<br />

<strong>Jahre</strong>n verstärkt aus dem Programm MELaniE<br />

(Modellvorhaben zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs<br />

durch innerörtliche Entwicklung)<br />

über zwanzig Modellprojekte gefördert.<br />

Insbesondere sollen mit MELaniE Projekte gefördert<br />

werden, die beispielhaft für andere Dörfer, Gemeinden<br />

und Organisationen zeigen, wie den Herausforderungen<br />

des demografischen Wandels kreativ<br />

begegnet werden kann.<br />

Modellprojekt „Wir lassen die<br />

Kirche im <strong>Dorf</strong>“<br />

Aus finanziellen Gründen bot die evangelische<br />

Kirchengemeinde Wolfersweiler das Kirchengebäude<br />

in Steinberg-Deckenhardt zum Verkauf an.<br />

Der örtliche Musikverein konnte mit Unterstützung<br />

des Landes das Gebäude erwerben und umbauen,<br />

Verein und Gemeinde haben gemeinsam ein Nutzungskonzept<br />

erarbeitet. Das ehemalige Kirchengebäude<br />

wird heute multifunktional als <strong>Dorf</strong>gemeinschaftshaus,<br />

Vereinshaus des Musikvereins,<br />

zur Feier von Gottesdiensten und für Feierlichkeiten<br />

von Ortsvereinen und der örtlichen Bevölkerung<br />

genutzt.<br />

53<br />

Umnutzung eines Kirchengebäudes in Steinberg-<br />

Deckenhardt<br />

Modellprojekt „Netzwerk Freisen“<br />

In kleineren Gemeinden wird es künftig immer<br />

schwieriger werden, öffentlich oder ehrenamtlich<br />

organisierte Angebote in den Bereichen Freizeit,<br />

Kultur und Soziales anbieten zu können. Vor diesem<br />

Hintergrund <strong>hat</strong> die saarländische Gemeinde<br />

Freisen versucht, sich den vielschichtigen Herausforderungen<br />

in einer Allianz aus Gemeindeverwaltung<br />

und engagierten Bürgern zu stellen und neue<br />

Entwicklungsimpulse für eine nachhaltige und<br />

zukunftorientierte Gemeindeentwicklung zu setzen.<br />

Im Verlauf des Projektes konnten bedeutende<br />

Maßnahmen umgesetzt werden, insbesondere der<br />

Generationentreff und die Bürgerenergiegenossenschaft,<br />

der gemeinschaftliche Internetauftritt der<br />

Freisener Vereine, die Durchführung einer Vereinsbörse<br />

und der Freisener Ac<strong>hat</strong>wanderweg.<br />

Modellprojekt „Platz da!“<br />

In den nächsten <strong>Jahre</strong>n werden in den saarländischen<br />

Kommunen als Folge des demografischen<br />

Wandels zahlreiche Wohngebäude leer stehen. Ein<br />

Teil dieser Häuser wird künftig nicht mehr zu vermarkten<br />

sein, weil teilweise schlechte Bausubstanz<br />

dagegen spricht oder die Nachfrage nach Wohngebäuden<br />

bei schrumpfenden Einwohnerzahlen deutlich<br />

abnehmen dürfte. Die möglichen Folgen betreffen<br />

Eigentümer und Kommune gleichermaßen:<br />

sinkende Immobilienpreise, Beeinträchtigung des


Kommunales Abrissprogramm in Illingen<br />

Ortsbildes, abnehmende Wohnqualität. Die saarländische<br />

Gemeinde Illingen <strong>hat</strong> in Zusammenarbeit<br />

mit dem Land mehrere Modellprojekte zum Thema<br />

„Leerstehende Wohngebäude“ umgesetzt. „Platz<br />

da!“ war das erste kommunale Abrissprogramm für<br />

leerstehende Wohngebäude im Saarland. Neben<br />

dem Beitrag zur Eindämmung des Landschaftsverbrauches<br />

durch innerörtliche Entwicklung war das<br />

Ziel vor allem die Steigerung der Wohnqualität für<br />

die umliegenden Anwohner sowie die Verbesserung<br />

des Ortsbildes.<br />

Modellprojekt „PINK – Projekt<br />

zur Integration Jugendlicher auf<br />

kommunaler Ebene“<br />

Kinder sind die <strong>Zukunft</strong> unserer Dörfer. Besonders<br />

vor dem Hintergrund des demografischen Wandels<br />

und dem damit einhergehenden Bevölkerungsrückgang<br />

ist es für jede Gemeinde wichtig, die Belange<br />

der Kinder und Jugendlichen zu kennen und zu<br />

berücksichtigen. Die saarländische Gemeinde Weiskirchen<br />

<strong>hat</strong>te sich zusammen mit der erweiterten<br />

Realschule Weiskirchen zum Ziel gesetzt, Jugendliche<br />

für die eigene Gemeinde zu sensibilisieren<br />

und Verständnis und Interesse für das <strong>Dorf</strong>leben zu<br />

entwickeln. Zwei <strong>Jahre</strong> haben sich 60 Schüler im<br />

Wahlpflichtfach Pädagogik mit den Freizeitmöglichkeiten<br />

für Kinder und Jugendliche in der Gemeinde<br />

beschäftigt: alle Ortsvorsteher befragt, über<br />

<strong>50</strong> Vereinsvorsitzende über die Jugendarbeit ihrer<br />

Vereine interviewt, eine groß angelegte Befragung<br />

der Kinder und Jugendlichen im Alter von sechs bis<br />

17 <strong>Jahre</strong>n durchgeführt und die Ergebnisse, Ideen<br />

und Vorschläge an die Verantwortlichen herangetragen.<br />

Modellprojekt „Tatort <strong>Dorf</strong>mitte“<br />

Zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements<br />

wurden im Rahmen der Wettbewerbe Tatort <strong>Dorf</strong>mitte<br />

2008 und Tatort <strong>Dorf</strong>mitte 2009 rund 200<br />

Bürgerprojekte in fast der Hälfte aller saarländischen<br />

Dörfer umgesetzt.<br />

Alle Ergebnisse der über zwanzig Modellprojekte<br />

wurden in Form einzelner Broschüren dokumentiert<br />

und den saarländischen Kommunen kostenlos<br />

zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurden die<br />

Folgen des demografischen Wandels in einem Film<br />

behandelt. Er zeigt die graue <strong>Zukunft</strong> des Saarlandes<br />

im Jahr 2030: Die Bevölkerung ist überaltert,<br />

Schulen und Kindergärten stehen leer, Ortskerne<br />

sind verödet. Mit Hilfe des Films konnte insbesondere<br />

den kommunalen Verwaltungen und Mandatsträgern<br />

sowie der dörflichen Bevölkerung die<br />

drohenden Konsequenzen verdeutlicht und damit<br />

ein Beitrag zum Nachdenken, Umdenken und Handeln<br />

geleistet werden.<br />

Thomas Unold,<br />

Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft des Saarlandes,<br />

Franz-Josef-Röder-Straße 17, 66119 Saarbrücken<br />

54


Erfolgreich gemeinsam<br />

Handeln – eine Arbeitshilfe<br />

zur Selbstbewertung<br />

dörflicher Aktivitäten<br />

Die Bewertungsmatrix des Wettbewerbes „<strong>Unser</strong><br />

<strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ ist vor dem Hintergrund der aktuellen<br />

kommunalen Problemlagen anspruchsvoll<br />

und komplex. So wurden beispielsweise in Hessen<br />

die fünf Hauptkriterien einer ganzheitlichen<br />

Ortsentwicklung mit 12 Unter- und 53 Teilkriterien<br />

hinterlegt. Dieses verunsichert zuweilen Ortsbeiräte<br />

und Bewohner. Wenn die Vielschichtigkeit<br />

kommunaler Entwicklung schon für Experten, Politik<br />

und Verwaltung eine Herausforderung ist, wie<br />

können dann die Bewohner als Laien die <strong>Zukunft</strong><br />

ihres Lebensmittelpunktes eigenverantwortlich<br />

mitgestalten?<br />

Vor diesem Hintergrund entstand 2006 die Idee,<br />

eine Arbeitshilfe anzubieten. Diese sollte das Bürgerengagement<br />

methodisch und fachlich unterstützen<br />

sowie die Zusammenarbeit zwischen der<br />

Kommune und den Ortsteilen stärken. Im Ergebnis<br />

versteht sie sich als „Türöffner“ für die innerörtliche<br />

Diskussion. Gleichzeitig kann sie als „Prozessbegleiter“<br />

bei der gemeinsamen Entwicklung<br />

langfristiger und tragfähiger Lösungen eingesetzt<br />

werden.<br />

55<br />

Hessisches Ministerium für Wirtschaft,<br />

Verkehr und Landesentwicklung<br />

Anleitung<br />

zur Selbstbewertung<br />

dörfl icher Aktivitäten<br />

Erfolgreiches<br />

und gemeinsames<br />

Handeln<br />

Eine Arbeitshilfe<br />

Erarbeitet aus der<br />

Praxis und für die Praxis<br />

1<br />

Die Stärken-Schwächen-Analyse<br />

Die Arbeitshilfe „Selbstbewertung dörflicher Aktivitäten“<br />

beinhaltet im Kern einen Test mit einem<br />

Erhebungs- und Auswertungsbogen. Die Einführung<br />

ist in Form einer (Spiel-)Anleitung geschrieben.<br />

Herausgeber ist das Hessische Ministerium für<br />

Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung.<br />

Die Methode der Selbstevaluierung eröffnet den<br />

Beteiligten die Möglichkeit, ihre gegenwärtigen<br />

Aktivitäten selbst zu bewerten. Sie unterstützt die<br />

Bewohner, Antworten zu finden auf die Fragen:<br />

ó Wie ist die gegenwärtige Situation?<br />

ó Wo wollen wir hin?<br />

ó Welche Zwischenziele wurden bisher erreicht?<br />

Die Ergebnisse sollen die Bewohner motivieren,<br />

in ausgewählten Schwerpunkten weiter zu arbeiten.<br />

Diese richten sich beispielsweise darauf, die<br />

innerörtliche Kommunikation zu verbessern oder<br />

Alternativen zur gegenwärtigen Energieversorgung<br />

aufzubauen.<br />

Inhalt, Ziel und Anwendung<br />

Die Selbstbewertung erfolgt unter Einbindung<br />

möglichst vieler Bewohnerinnen und Bewohner.<br />

Hierzu sollten alle innerörtlichen Gruppen, Vereine,<br />

der Kirchenvorstand etc. angesprochen werden.<br />

Im Rahmen einer Bürgerversammlung oder in<br />

Gruppen wird der Test durchgeführt. Die Methode<br />

ist so konzipiert, dass sie ohne externe Hilfe eingesetzt<br />

werden kann.<br />

Eine Situationsbewertung und Zielformulierung<br />

nehmen die Beteiligten gemeinsam vor. Die Mehrheitsmeinung<br />

bildet das Ergebnis. Der Test umfasst<br />

elf thematische Handlungsfelder (HF) von A bis K.<br />

Sie wurden als Erfolgsfaktoren für die dörfliche<br />

Entwicklung herausgestellt. Diese sind:<br />

A Soziales Gefüge und Identifikation<br />

B Kulturelle Vielfalt<br />

C Kommunikation und Mitwirkung<br />

D Motivation<br />

E Örtliche Organisation<br />

F Kommunales Engagement und überörtliche<br />

Vernetzung<br />

G Wirtschaftlich – soziale Initiativen<br />

H Bauliche Entwicklung des Ortes<br />

I Innerörtliche Grün- und Freiflächenentwicklung<br />

J Landschaftsentwicklung und Landschaftsschutz<br />

K Demografische und energetische Entwicklung.


Beispiel<br />

für einen Indikator im Handlungsfeld A<br />

A. Soziales Gefüge und Identifikation<br />

Diese Themen definieren einerseits dörfliche Lebensqualität.<br />

Andererseits weisen sie auf wichtige<br />

Voraussetzungen für das gemeinsame Engagement<br />

hin. Die Selbsteinschätzung und Selbstbewertung<br />

erfolgt über die Fragen „Wo stehen wir?“ und „Wo<br />

wollen wir hin?“. Beispielhaft sind hierzu einige<br />

konkrete Fragen aufgenommen.<br />

Da jedes Handlungsfeld jeweils über fünf Indikatoren<br />

definiert wird, stehen insgesamt 55 Ausschnitte<br />

dörflichen Lebens zur Diskussion. Die jeweilige<br />

Bewertung erfolgt in fünf Skalen von 0% bis 100%.<br />

Problemlos lassen sich die Ergebnisse mehrerer<br />

parallel auswertenden Gruppen zusammenführen.<br />

Beispiel<br />

für das Ergebnis eines Handlungsfeldes<br />

100 %<br />

75 %<br />

<strong>50</strong> %<br />

25 %<br />

0 %<br />

1. Es gibt ein lebendiges und generationsübergreifendes örtliches Miteinander.<br />

Wie ist die Situation? Wo wollen wir hin? Beispielfragen:<br />

Gibt es generations- und geschlechterübergreifende Initiativen und Angebote von Vereinen,<br />

Kirchen etc? Wie werden diese angenommen? Welche Bewohner werden nicht erreicht?<br />

0 %<br />

25 %<br />

1<br />

<strong>50</strong> % 70 % 100 %<br />

1 2 3 4 5<br />

25 %<br />

Die Auswertung ist EDV-unterstützt. Über Netz- und<br />

Säulendiagramme sind die Ergebnisse für alle gut<br />

lesbar. Sie liefern den Beteiligten Hinweise, in welchem<br />

Handlungsfeld (und Indikator) ihr Ort stark<br />

ist und in welchem weniger.<br />

Was für Gründe hierfür verantwortlich sind und<br />

welche Folgerungen daraus gezogen werden können,<br />

dass sollte in anschließenden Diskussionen<br />

erarbeitet werden. In diesem Austausch und in der<br />

Verständigung über Handlungsansätze liegt der<br />

eigentliche Gewinn der Evaluierungsmethode. In<br />

zeitlichen Abständen eingesetzt, z. B. von zwei bis<br />

drei <strong>Jahre</strong>n, lassen sich Veränderungen feststellen.<br />

Für die Durchführung des Tests sind ca. drei bis<br />

vier Stunden zu veranschlagen.<br />

Beispiel<br />

für das Gesamtergebnis<br />

Demografische und<br />

energetische Entwicklung<br />

Landschaftsentwicklung und<br />

Landschaftsschutz<br />

Innerörtliche Grün- und<br />

Freiflächenentwicklung<br />

Bauliche Entwicklung<br />

des Ortes<br />

Wirtschaftlich-soziale<br />

Initiativen<br />

Soziales Gefüge und<br />

Identifikation<br />

Kulturelle Vielfalt<br />

Kommunikation<br />

und Mitwirkung<br />

Motivation<br />

Örtliche Organisation<br />

Kommunales Engagement und<br />

überörtliche Vernetzung<br />

56


Erfahrungen am Beispiel<br />

Cölbe-Schönstadt<br />

Die Methode wurde bisher schwerpunktmäßig in<br />

Orten eingesetzt, die sich am Hessischen Wettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ beteiligten oder<br />

eine Aufnahme als <strong>Dorf</strong>erneuerungsschwerpunkt<br />

anstrebten. Zumeist wurde auf eine externe (neutrale)<br />

Moderation zurückgegriffen. Die Erfahrungen<br />

zeigen, dass über das Stärken-Schwächen-Profil ein<br />

ortspezifisches Handlungskonzept erstellt werden<br />

kann. Dieses wurde im weiteren Prozess um konkrete<br />

Ziele und Projekte zu ausgewählten Schwerpunkten<br />

ergänzt. Für die Umsetzungen konnten<br />

weitere Bewohnerinnen und Bewohner aber auch<br />

die jeweiligen Kommunen gewonnen werden.<br />

In Cölbe-Schönstadt wurden fünf Handlungsfelder<br />

als ortsrelevant definiert. Diese wurden mit Zielen<br />

und konkreten Ansätzen hinterlegt. Beispielhaft sei<br />

das Handlungsfeld „<strong>Zukunft</strong>sthemen aufgreifen“<br />

benannt. Es wurde 2008 mit folgenden drei Schwerpunkten<br />

hinterlegt:<br />

1. Ortsmitte zum lebendigen Ortsmittelpunkt ausbauen<br />

und wirtschaftliche Initiativen ergreifen;<br />

2. Einsatz erneuerbarer Energien verstärken;<br />

3. Informations- und Kommunikationstechniken<br />

verbessern.<br />

Im Zuge der Weiterbearbeitung entstanden vier<br />

Arbeitsgruppen: „Wirtschaftliche Entwicklung“;<br />

„Soziales, Kultur und Sport“; „Umwelt und Ökologie“;<br />

„Schönstadt feiert“. Aus ihnen entwickeln sich seitdem<br />

eine Vielzahl von Projekten unter Einbindung<br />

weiterer Bewohner.<br />

Dem Selbstverständnis entsprechend unterscheiden<br />

sich die Vorhaben hinsichtlich ihrer Themen, ihrer<br />

Komplexität und Umsetzungsdauer. So wurden<br />

nachfolgende Projekte 2008/2009 in Schönstadt<br />

57<br />

realisiert: eine (Neu-)Bürgerbroschüre „Leben in<br />

Schönstadt“, Bewirtungsaktionen für Wanderer,<br />

Anlage des (historischen) Prämienwanderweges,<br />

Baumpatenschaften, Pflanzaktionen, ein Gebäudenutzungskataster,<br />

Internetportal mit Bewohnerschulungen,<br />

Neuausrichtung der <strong>Dorf</strong>kirmes, ein<br />

Energie(beratungs-)Tag, Broschüre mit „Empfehlungen<br />

zur Grüngestaltung und Nutzung alternativer<br />

Energien im <strong>Dorf</strong>“ sowie ein Energieatlas auch mit<br />

Kartierung solartauglicher Dachflächen, Durchführung<br />

einer Bewohnerbefragung zur Nahversorgungssituation<br />

in der Ortsmitte etc. Insbesondere<br />

die zuletzt genannten Aktionen leiteten eine Reihe<br />

von Folgemaßnahmen in den weiteren <strong>Jahre</strong>n ein.<br />

Mit dem Ziel „Bioenergiedorf“ zu werden, konnte<br />

nach knapp dreijähriger Vorbereitung im ersten<br />

Anlauf am 07.04.<strong>2011</strong> die Genossenschaft „Nahwärme<br />

Schönstadt eGiG“ unter großer Beteiligung,<br />

gegründet werden.<br />

Hinweise<br />

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr<br />

und Landesentwicklung (Hg.), 2010: Anleitung<br />

zur Selbstbewertung dörflicher Aktivitäten. Eine<br />

Arbeitshilfe – Erarbeitet aus der Praxis und für die<br />

Praxis. Kassel. Dezember 2010. 2. neu bearbeitete<br />

und erweiterte Auflage.<br />

Die Broschüre mit CD und weitere Informationen<br />

erhalten Sie beim Regierungspräsidium Kassel, Roswitha<br />

Rüschendorf (Telefon: 0561-106-3125; E-Mail:<br />

roswitha.rueschendorf@rpks.hessen.de) und unter<br />

www.rp-kassel.de.<br />

Roswitha Rüschendorf,<br />

Regierungspräsidium Kassel,<br />

Steinweg 6, 34117 Kassel


Wir in Gersbach<br />

<strong>Dorf</strong>entwicklung für die<br />

<strong>Zukunft</strong><br />

Die Herausforderungen des ländlichen Raumes<br />

sind vielfältig. Die Bestrebung zur Rationalisierung<br />

der Verwaltung, der Versorgung und anderer<br />

Dienstleistungen entzieht den Dörfern die Infrastrukturen,<br />

den Pfarrer, den Arzt, den Lehrer, den<br />

Krämer. Der Rückgang der Landwirtschaft <strong>hat</strong> eine<br />

mangelnde Landschaftspflege, einen Rückgang<br />

klassischer Erwerbstätigkeit und Landflucht zur<br />

Folge. Die Anforderungen bezüglich Naturschutz,<br />

Klimaschutz, artgerechter Tierhaltung verteuern<br />

das Leben auf dem Lande. Die Verlockungen des<br />

Ferntourismus lassen die Übernachtungszahlen<br />

dahin schrumpfen. Das politische Gewicht der<br />

Landbevölkerung ist gering im Verhältnis zum politischen<br />

Einfluss aus den Ballungsräumen.<br />

Das Schwarzwalddorf Gersbach mit ca. 700 Einwohnern<br />

auf etwa 900 m Höhe, 16 km entfernt vom<br />

Kernort Schopfheim unten im Wiesental behauptet<br />

sich seit Jahrzehnten. Die Gemeinde umfasst ein zu<br />

pflegendes Gebiet von 2.400 ha in der gebirgigen<br />

Landschaft des Naturparks Südschwarzwald. Es ist<br />

ein noch weitgehend landwirtschaftlich geprägtes<br />

<strong>Dorf</strong> und staatlich anerkannter Erholungsort.<br />

Ein im Jahr 1999 erstellter Landwirtschaftsbericht<br />

war Grundlage für die Gründung des „Arbeitskreises<br />

Landwirtschaft und Tourismus“. Dieser Arbeitskreis<br />

erarbeitete die Konzeption „Weidepark Gersbach“.<br />

Diese Konzeption enthielt über 30 einzelne<br />

Projekte zur Stärkung der Gersbacher Infrastruktur.<br />

Die Förderung des Tourismus beinhaltet die Erschließung<br />

der ausgesprochen schönen Landschaft<br />

mit Wander- und Themenwegen. Es wird ein „sanfter“<br />

Tourismus angestrebt. Durch Messeauftritte<br />

wird die Gastronomie (7 Betriebe) beworben.<br />

Die Teilnahme am Wettbewerb<br />

weckte ungeahnte Kräfte im <strong>Dorf</strong><br />

Auf Grundlage der gemeinsam erarbeiteten<br />

Konzepte und der realisierten Projekte fasste der<br />

Ortschaftsrat nach einer Bürgerversammlung den<br />

Beschluss, am Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner<br />

werden – <strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ im Jahr 2002<br />

teilzunehmen. Das <strong>Dorf</strong> versprach sich hierdurch<br />

eine gewisse Publizität, ein für den Tourismus<br />

günstigeres Erscheinungsbild und die Stärkung<br />

Traditionen im <strong>Dorf</strong> der <strong>Zukunft</strong>: Treffpunkt ist<br />

die Linde in der Ortsmitte<br />

des „Wir-Gefühls“. Gemäß den Zielsetzungen des<br />

Wettbewerbs wurden fünf Arbeitsgruppen, entsprechend<br />

den Hauptkriterien des Wettbewerbs,<br />

gegründet. Dies <strong>hat</strong>te den Vorteil, dass die Arbeitsgruppen<br />

systematisch und methodisch die Wettbewerbskriterien<br />

aufbereiten konnten.<br />

Von Goldmedaille zu Goldmedaille wuchs das<br />

Engagement der Bevölkerung: Erfolg beflügelt!<br />

Günstig war, dass Gersbach eine sehr gut funktionierende<br />

Sozialstruktur <strong>hat</strong>te – vielleicht <strong>hat</strong> sich<br />

insbesondere das Vereinsleben so lebendig entwickelt,<br />

weil die nächsten Kulturzentren so weit entfernt<br />

sind. Die Landfrauen <strong>hat</strong>ten einen wesentlichen<br />

Anteil an den Erfolgen unseres <strong>Dorf</strong>es in den<br />

nationalen Wettbewerben und im europäischen<br />

Wettbewerb „Entente Florale“.<br />

Diskussionen – lästig oder notwendig?<br />

Es gab umfassende Diskussionen und auch unbequeme<br />

Fragen: „Sind die Geranien am Rathaus<br />

wirklich wichtiger als das unkontrollierte Vordringen<br />

des wuchernden indische Springkrauts und des<br />

Himalaya Knöterichs auf Weiden, Wiesen und im<br />

Wald? Ist der Anstrich des Kirchturms wichtiger<br />

oder die Vermeidung von Treibhausgasen?“ Der<br />

Meinungsaustausch führte zu der Einsicht: nicht allein<br />

die Häuser und Straßen sind das <strong>Dorf</strong>, sondern<br />

die gesamte Gemarkung: der Wald, die Bäche und<br />

das Grünland. Nicht allein die Ästhetik ist wichtig,<br />

sondern auch all die Eigenschaften, die sich durch<br />

Messung bestimmen lassen, die Artenvielfalt der<br />

58


hier lebenden Pflanzen, Vögel und Reptilien. Es<br />

entstand ein umfassendes Konzept.<br />

Konzept zur Ortsentwicklung<br />

Der Expertengruppe des <strong>Bund</strong>eswettbewerbs konnte<br />

2004 berichtet werden, dass<br />

ó der Gersbacher Plenterwald von der<br />

Europäischen Forstzertifizierung qualifiziert<br />

wurde und die gesamte Gemarkung in Schutzzonen<br />

aufgeteilt ist (Moore, Biotope, Wasserschutz<br />

gebiete, Vogelschutzwälder etc.),<br />

ó Landwirtschaft entsprechend anerkannter<br />

Standards betrieben und gut ein Drittel der<br />

hier produzierten Milch nunmehr vor Ort zu<br />

hochwertigem Käse veredelt wird,<br />

ó es ein hydrologisches Konzept gibt und die<br />

Funktionalität der Abwasserreinigungsanlage<br />

die Beste im Kreis ist,<br />

ó das Äquivalent der hier benötigten<br />

Elektrizität nachhaltig durch Wasserkraft<br />

erzeugt wird und unsere Solarzellen, Pellet- und<br />

Stückholzheizungen im Vergleich zu Erdöl ca.<br />

ein Drittel der CO 2 -Produktion einsparen<br />

und, und, und.<br />

Die fünf Arbeitsgruppen <strong>hat</strong>ten einen hervorragenden<br />

Job gemacht. 98 von 100 möglichen Punkten<br />

war die Bewertung. Gersbach war Primus. Die<br />

Freude über die Anerkennung war unbeschreiblich<br />

groß. Wem es möglich war, der ist im Januar 2005<br />

mit dem Nachtzug zur Preisverleihung nach Berlin<br />

gereist.<br />

59<br />

Entente Florale – Europagold<br />

Hier bei uns weiß man: Gehender Pflug blinkt –<br />

stehendes Wasser stinkt! So ist es verständlich, dass<br />

sich das <strong>Dorf</strong> auf Anfrage aus Berlin auch bereit<br />

fand, sich für Deutschland der internationalen Jury<br />

der Entente Florale Europe zu stellen.<br />

Das Pflichtenheft ist nicht identisch und zudem<br />

musste alles in Englisch vorgetragen werden. Die<br />

Üppigkeit des Blumenschmucks fehlte – das ist eine<br />

Frage des Geldes und der Sparsamkeit. In Gersbach<br />

ist Sparsamkeit eine Tugend! Trotzdem erhielt<br />

das <strong>Dorf</strong> diskussionslos eine Goldmedaille – die<br />

Goldmedaille der Champions League, wie es 2007<br />

anlässlich der Preisverleihung im nordenglischen<br />

Harrogate hieß. Die telefonisch übermittelte Kunde<br />

veranlasste die Daheimgebliebenen, die Kirchenglocken<br />

zu läuten und so wusste ein jeder: das <strong>Dorf</strong><br />

<strong>hat</strong> die fünfte Goldmedaille in Folge gewonnen.<br />

Anlass für ein spontanes <strong>Dorf</strong>fest!<br />

Summa summarum<br />

Das <strong>Dorf</strong> ist schöner geworden. Die Arbeitsgruppe<br />

„Grün“ pflegt die öffentlichen Anlagen nun schon<br />

in der zehnten Vegetationsperiode unentgeltlich.<br />

Es gibt wieder vermehrt Neubauten, viele Häuser<br />

wurden gemäß dem erarbeiteten Leitfaden isoliert<br />

und renoviert. Insbesondere der Tagestourismus ist<br />

erfreulich angestiegen.<br />

Die Menschen sind zuversichtlicher geworden: Wo<br />

ein Wille ist, ist auch ein Weg! Viel ist geschehen:<br />

Das Umweltbewusstsein ist hoch. Mehrere junge<br />

Familien sind ins <strong>Dorf</strong> gezogen. Eine privat gesponserte<br />

<strong>Dorf</strong>bücherei verleiht Klassiker und moderne<br />

Literatur. Der Kindergarten ist nun in die Schule<br />

integriert. Die Feuerwehr bekam ein neues Gebäude.<br />

Ein Arzt <strong>hat</strong> sich im <strong>Dorf</strong> niedergelassen. Es<br />

gibt einen Apothekendienst.<br />

Die Teilnahme am <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> <strong>hat</strong> mit dazu<br />

beigetragen, dass sich unser <strong>Dorf</strong> Gersbach weiterentwickelt<br />

<strong>hat</strong>. Die Kriterien des Wettbewerbs<br />

sind aktueller denn je, nicht nur in strukturarmen<br />

Gebieten. Die Bevölkerung war und ist gewillt,<br />

die <strong>Zukunft</strong> Gersbachs mitzugestalten. Die Herausforderungen<br />

hören nicht auf – ein <strong>Dorf</strong> ist eben<br />

nie „fertig“.<br />

Ralf Ühlin,<br />

Berghopf 33, 776<strong>50</strong> Schopfheim-Gersbach<br />

Ein Drittel der im Ort produzierten Milch wird zu<br />

hochwertigem Käse verarbeitet.


Wir in Latrop<br />

Vom Waldarbeiterdorf zum<br />

Ferienort<br />

Latrop, Ortsteil der Stadt Schmallenberg, liegt<br />

am Ende eines Tales ohne Durchgangsstraße im<br />

Rothaargebirge auf einer Höhe von 4<strong>50</strong> m. Latrop<br />

ist ein kleiner Ort mit 80 Einwohner, 60 Häusern,<br />

davon ein Hotel, zwei Gasthöfe, ein Café, drei<br />

Pensionen, 30 Ferienwohnungen und ca. 40 fest<br />

vermietete Zweitwohnungen. Ein Ferienort mit 200<br />

frei vermietbaren Gästebetten.<br />

In früheren <strong>Jahre</strong>n war Latrop ein reines Köhler-<br />

und Waldarbeiterdorf. Jedes Haus <strong>hat</strong>te eine<br />

kleine Landwirtschaft mit einer Miste vor der Tür.<br />

Ab 19<strong>50</strong> kamen dann die ersten Gäste aus dem<br />

nahen Ruhrgebiet zur Sommerfrische nach Latrop.<br />

Vorwiegend waren dies Zechenarbeiter und Mitarbeiter<br />

aus großen Firmen. Fast jedes Haus beherbergte<br />

Feriengäste. So wurden neue Einkommen<br />

generiert. Die Ansprüche der Gäste stiegen, nach<br />

und nach wurde renoviert, ausgebaut, frei werdende<br />

Stallungen und Räume zu Pensionszimmern<br />

und Ferienwohnungen umgebaut. Der Ort wurde<br />

attraktiver.<br />

1962 wurde in Latrop der erste Verkehrsverein<br />

gegründet. Seine Aufgaben waren, den Ort zu pflegen<br />

und attraktiver zu gestalten.<br />

Latrop war bis in die 1960er <strong>Jahre</strong> von Forstwirtschaft<br />

geprägt, ein reines Waldarbeiter- und<br />

Köhlerdorf.<br />

Verschönerung durch<br />

<strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>e<br />

Latrop und all die anderen benachbarten Orte<br />

wurden durch die Gemeinden unterstützt, Blumen-<br />

und erste <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>e zur Verschönerung<br />

durchgeführt. Auch Latrop nahm erfolgreich teil.<br />

Es dauerte ein paar <strong>Jahre</strong>, bis wir die Bedeutung<br />

und Chancen der Wettbewerbe richtig erkannten.<br />

Allerdings wurde uns mehrfach zu verstehen<br />

gegeben, dass Latrop nicht die besten Chancen auf<br />

einen der vorderen Plätze haben könne.<br />

Dies aber entfachte unseren Ehrgeiz: „Jetzt erst<br />

recht!“ Der Titel „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“<br />

wurde erweitert durch „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“,<br />

das gab uns neue Perspektiven. Wir konnten auf<br />

die <strong>Zukunft</strong> setzen und die Entwicklung unseres<br />

<strong>Dorf</strong>es Latrop war programmiert: Die <strong>Zukunft</strong> lag<br />

im Tourismus.<br />

Als erster Ort in der Stadt Schmallenberg erstellt<br />

Latrop ein eigenes Tourismuskonzept, wonach sich<br />

der Ort auf Natur und Wandern festlegte und seine<br />

Kraft hierfür einsetzen wollte. Fortan gab es keinen<br />

übereifrigen Aktionismus mehr; alles war auf die<br />

Umsetzung unseres Konzeptes ausgerichtet. Nicht<br />

ohne Stolz können wir heute feststellen, dass hieraus<br />

auch die Schmallenberger Wanderwelt und der<br />

bekannte Rothaarsteig als Premium-Wanderweg<br />

hervorging. Folgerichtig erhielt Latrop im <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

2004 einen Sonderpreis für „ganzheitliche,<br />

nachhaltige und mottogerechte <strong>Dorf</strong>entwicklung<br />

von herausragender Qualität“.<br />

Neue Chancen im Wettbewerb<br />

Hätten wir diese Entwicklung des Ortes auch ohne<br />

den Wettbewerb erreicht?<br />

Hierzu können wir heute sagen: Ja! Aber dieser<br />

Wettbewerb forderte jeden Einzelnen. Durch den<br />

Druck der Wettbewerbstermine waren regelmäßig<br />

große Anstrengungen aller Latroper Bürger und<br />

Bürgerinnen erforderlich, alle Projekte in kurzer<br />

Zeit zu verwirklichen. Dazu setzten wir uns 1998<br />

ein hohes Ziel: „<strong>Bund</strong>esgold 2004“. Uns war schon<br />

immer klar, dass der schnellste Weg zum Ziel Eigenverantwortung<br />

und Selbsthilfe war. Und damit<br />

ging es los.<br />

Die nächsten <strong>Jahre</strong> waren geprägt durch Arbeitseinsätze.<br />

Nicht eine Maßnahme, die von Firmen<br />

ausgeführt wurde und keine Maßnahme, an denen<br />

sich nicht alle Latroper beteiligten und sei es nur<br />

durch Bekochen der Helfer zur wohlverdienten Mit-<br />

60


tagsrast. „Gnadenlos“ wurde ein Projekt nach dem<br />

anderen durchgezogen:<br />

ó Errichtung eines Sportheimes am Sportplatz<br />

ó Abriss des alten Wassertretbeckens und Neubau<br />

eines Fußerlebnisbeckens<br />

ó Erweiterung des Spielplatzes<br />

ó Anlage eines Wanderweges mit Hacke und<br />

Schüppe rund um Latrop<br />

ó Erneuerung aller Schutzhütten<br />

ó Planung neuer Auszeichnungen für die Wanderwege<br />

ó Pflanzung von ortstypischen Pflanzen und Gehölzen<br />

und einer Allee im Ortseingang<br />

ó Errichtung des neuen <strong>Dorf</strong>gartens und Renovierung<br />

der alten Mühle mit Wasserrad<br />

ó Einrichtung des Waldarbeitermuseums in der<br />

alten Mühle und Neugestaltung der Außenanlagen<br />

ó Neugestaltung des <strong>Dorf</strong>hauses, seiner Außenanlagen<br />

und des <strong>Dorf</strong>eingangs<br />

ó Neugestaltung des ortseigenen Friedhofes<br />

Bei allen Projekten mussten wir darauf bedacht<br />

sein, dass die Pflege und Erhaltung der geschaffenen<br />

Einrichtungen nur bei uns lag und liegt.<br />

Mit diesem Erbe wollen wir und auch die nächste<br />

Generation leben.<br />

Jeder Einzelne <strong>hat</strong> in diesen <strong>Jahre</strong>n geholfen, den<br />

Wohnwert von Latrop zu verbessern und mit zu<br />

gestalten. Dies erfüllt uns alle mit Stolz.<br />

Der Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ schafft<br />

in Orten eine Wertschöpfung, die es ohne das<br />

enorme Engagement der Bewohner nicht gäbe.<br />

Soviel für einen einzelnen Ort zu tun ist, wäre<br />

schwerlich eine Stadt im Stande. Und wir können<br />

sagen: „Das haben wir selbst geschafft“. Die Pflege<br />

und Unterhaltung der Anlagen ist ebenfalls viel<br />

einfacher, weil wir selbst Eigentümer sind.<br />

Ein hohes Ziel: <strong>Bund</strong>esgolddorf<br />

Um unser Ziel „<strong>Bund</strong>esgolddorf 2004“ zu erreichen,<br />

war es erforderlich, nicht nur die Aufgaben<br />

unseres Konzeptes zu erfüllen und zu erledigen,<br />

sondern jeder Einzelne musste auch den festen<br />

Willen haben, dieses Ziel zu erreichen. Und der<br />

war da. Zusammenhalten, gemeinsam entwickeln,<br />

gemeinsam erschaffen, gemeinsam Probleme<br />

lösen, gemeinsam stolz sein – das alles bewirkt der<br />

Wettbewerb.<br />

Wer nun denkt, alles wäre ja einfach gewesen, der<br />

irrt. Unzählige Male nahmen wir am Stadtwettbe-<br />

61<br />

Der moderne <strong>Dorf</strong>garten entstand in Eigenleistung<br />

der Latroper und ist heute Mittelpunkt des attraktiven<br />

Ferienortes<br />

werb, zweimal am Landeswettbewerb und dreimal<br />

am Kreiswettbewerb teil, bevor wir zum <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

zugelassen wurden. Hier musste die<br />

Motivation greifen und passen. Immer das Ziel vor<br />

Augen: „<strong>Bund</strong>esgolddorf 2004“.<br />

Dann kam der Tag der Jurybegehung zum <strong>Bund</strong>eswettbewerb.<br />

Alles musste auf die Minute klappen.<br />

Alles wurde mehrfach geübt und durchgesprochen.<br />

Jeder versuchte zwischen den Zeilen der Bemerkungen<br />

der Jury-Mitglieder etwas zu erkennen – keine<br />

Chance. Für uns gab es nur die Wahl zwischen<br />

Gold oder Silber. Es wurde Gold! Ein <strong>Dorf</strong> im Ausnahmezustand.<br />

Mit einer großen Feier wurde das<br />

Erreichte gebührend gefeiert.<br />

Fazit<br />

Die Teilnahme an diesen Wettbewerben bringt in<br />

mehreren Hinsichten größte Vorteile für den Ort.<br />

ó Der Zusammenhalt der Bürger wird gestärkt.<br />

ó Die Identifikation mit dem Ort wird gesteigert.<br />

ó Die Wertschöpfung wird durch den Einsatz der<br />

Bürger vervielfacht.<br />

ó Der Marktwert insbesondere in Hinsicht auf<br />

Tourismus wird gesteigert.<br />

Heute kann man ohne Einschränkungen feststellen,<br />

dass die Entwicklung des Ortes ohne diesen Wettbewerb<br />

nicht so vorangekommen wäre.<br />

Martin Hanses,<br />

Hotel Hanses-Bräutigam, Latrop 27,<br />

57392 Schmallenberg


Der Blick nach Europa<br />

Entente Florale Europe<br />

Jährlich seit 1975 wird zwischen größeren Städten,<br />

Gemeinden und Dörfern der internationale Wettbewerb<br />

Entente Florale Europe ausgetragen. 1975<br />

wurde er erstmalig für englische und französische<br />

Städte und Dörfer eingeführt. Um das hohe Engagement<br />

von Bürgern, Vereinen und Unternehmen<br />

für ihre Stadt zu würdigen, <strong>hat</strong> dieser Wettbewerb<br />

immer mehr Freunde in Europa gefunden.<br />

Seit 2006 sind regelmäßig zwölf Länder beteiligt.<br />

Seither haben sich über 590 Kommunen, jährlich<br />

zwei aus jedem Teilnehmerland dem Votum einer<br />

internationalen Fachjury gestellt.<br />

Entente Florale ist ein Bürgerwettbewerb der<br />

Dörfer, Gemeinden und Städte beteiligt. Viele der<br />

öffentlichen und privaten Wettbewerbsaktivitäten<br />

ergänzen das kommunale Engagement, deren<br />

Konzepte und Investitionen in städtisches Grün<br />

sinnvoll. Die Parallelen zum Wettbewerb „<strong>Unser</strong><br />

<strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ sind unverkennbar. Langfristige<br />

Maßnahmen sind auf die Verbesserung der Lebens-,<br />

Wohn- und Aufenthaltsqualität in Dörfern und<br />

Städten gerichtet.<br />

Mit der Teilnahme an diesem Wettbewerb investieren<br />

die Gemeinden in ihre <strong>Zukunft</strong>. Entente Florale<br />

ist ein Instrument zur Motivation und zur Mobilisierung.<br />

Der Beschluss des Rates einer Gemeinde<br />

zur Teilnahme am Wettbewerb aktiviert bis dahin<br />

oft unerkannte Potentiale: Bürger wollen sich<br />

beteiligen, mit entscheiden, aktiv mitwirken. Allein<br />

die Teilnahme am Wettbewerb löst private und<br />

gemeinschaftliche, auch öffentliche Aktionen von<br />

Vereinen oder Schulen aus, veranlasst Geschäftsleute<br />

und Unternehmen zu spontaner Mitwirkung<br />

oder gibt Anlass zu umfangreichen, auch systematischen<br />

Sponsoringaktionen.<br />

Die Ziele von Entente Florale im Einzelnen sind:<br />

ó Den Unternehmen, Verbänden, Vereinen, Schulen,<br />

Kindergärten wird die soziale, gesundheitliche<br />

und ökologische Bedeutung von „Grün“<br />

im Lebens-, Wohn- und Arbeitsumfeld vermittelt.<br />

Eigenverantwortung und Identifikation mit<br />

der Stadt bzw. dem <strong>Dorf</strong> wird gefördert.<br />

ó Parks, Spiel- und Sportflächen, Wasserflächen,<br />

Friedhöfe, Kleingartenanlagen oder private<br />

Gärten sollen gepflegt, sich laufend verändernden<br />

Anforderungen angepasst oder auch zur<br />

besseren Gestaltung von „Betonlandschaften“<br />

neu geschaffen werden.<br />

ó Die Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen und<br />

deren typische Lebensräume in Stadt und Landschaft<br />

sind durch Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen<br />

nachhaltig zu sichern.<br />

ó Alle sinnvollen Maßnahmen zum Schutz und<br />

zur Entwicklung der belebten und unbelebten<br />

Umwelt wie angepasste Düngung, Reduzierung<br />

von Pflanzenschutzmitteln und Wasserverbrauch<br />

oder zum Schutz des Grundwassers sind<br />

weiterzuentwickeln und einzusetzen.<br />

ó Die Bedeutung eines attraktiven, historischen<br />

aber auch modern gestalteten Ortsbildes ist<br />

zu erkennen und mit geeigneten Programmen<br />

dauerhaft zu fördern und zu stärken.<br />

Wie die Bürger und Bürgerinnen mit entscheiden<br />

und aktiv mitwirken, belegen Beispiele aus Teilnehmerstädten<br />

und -dörfern aus den vergangenen<br />

<strong>Jahre</strong>n eindrucksvoll:<br />

In der Peter-Josef-Lenné Schule haben die Schüler<br />

mit fachlicher Hilfe von Planern und Unternehmern<br />

aus langweiligen Höfen attraktive „Naturerfahrungsorte“<br />

geschaffen. Entsiegelte Flächen,<br />

Schulgärten und „grüne Klassenzimmer“ sind die<br />

sichtbaren Ergebnisse.<br />

62


Cella Monte, ein kleines italienisches Bergdorf<br />

nahm 2006 am Wettbewerb Entente Florale<br />

Europe teil.<br />

Auf dem Weg zum Kindergarten in Rieth, Thüringen,<br />

ist ein Naturlehrpfad eingerichtet, der den<br />

Kindern, quasi im Vorbeigehen, Namen und Bedeutung<br />

heimischer Pflanzen und Gehölze erklärt.<br />

In Gersbach (Südschwarzwald) in Rehringhausen<br />

(Sauerland) und auch in Bertsdorf-Hörnitz, dem<br />

<strong>Dorf</strong> der großen Bäume in der Oberlausitz, finden<br />

jährlich Fachvorträge, Seminare und praktische<br />

Kurse zum Obstbaumschnitt und zur Biotoppflege<br />

statt.<br />

Unternehmen entwickeln oft ein sehr eigenes<br />

Gespür dafür, was zum Vorteil ihres Geschäftsstandortes<br />

ist und von den Kunden auch akzeptiert<br />

wird. So begegnet man auf dem Weg durch die<br />

Weimarer Innenstadt einer „Begrünung“ der besonderen<br />

Art. Überall verteilt stehen grüne Stühle,<br />

als Hingucker, als Ruhepol. Sie beleben ungewohnt<br />

und fantasievoll das Stadtbild. Zusammengerückt<br />

bieten sie die Möglichkeit, „im Grünen“ zu sitzen,<br />

zu plaudern, Musik zu lauschen. Beispiele dieser<br />

Art finden sich in jeder teilnehmenden Stadt und<br />

in jedem <strong>Dorf</strong>.<br />

63<br />

Preisverleihung 2009 in Cardiff (Wales) das<br />

schottische <strong>Dorf</strong> Forres erhielt eine Goldplakette.<br />

In den 12 Mitgliedsländern des internationalen<br />

Trägervereins Association Européenne pour le Fleurissement<br />

et le Paysage (AEFP) mit Sitz in Brüssel<br />

werden Wettbewerbe mit ähnlicher Zielsetzung<br />

durchgeführt. Über 20.000 Städte und Gemeinden<br />

beteiligen sich regelmäßig an den nationalen<br />

Vorentscheiden zu Entente Florale Europe. Jährlich<br />

stellen sich je eine Stadt und ein <strong>Dorf</strong> aus jedem<br />

Teilnehmerland als Sieger aus dem nationalen<br />

Wettbewerb dem Votum einer internationalen Jury.<br />

Die deutschen Teilnehmer am internationalen Contest<br />

sind die Sieger aus dem Wettbewerb „<strong>Unser</strong><br />

<strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ und aus dem Städtewettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong>e Stadt blüht auf“. Verliehen werden Gold-,<br />

Silber- und Bronzeplaketten in einer feierlichen<br />

Schlussveranstaltung an wechselnden Standorten<br />

in Europa.<br />

Dr. Lutz Wetzlar,<br />

Tulpenstiege 3, 48341 Altenberge


Der Europäische <strong>Dorf</strong>erneuerungspreis<br />

Der Wettbewerb um den Europäischen <strong>Dorf</strong>erneuerungspreis<br />

bildet einen weiteren Baustein in der<br />

<strong>Dorf</strong>- und Landentwicklung in Europa. Seit mehr<br />

als zwei Jahrzehnten <strong>hat</strong> er die Intention, herausragende<br />

und beispielhafte Aktivitäten und Initiativen<br />

„vor den Vorhang“ zu bitten und zu prämieren.<br />

Junger Wettbewerb mit Tradition<br />

Der Wettbewerb um den Europäischen <strong>Dorf</strong>neuerungspreis<br />

<strong>hat</strong> längst Tradition. Seit 1990 wird<br />

dieser im zweijährigen Rhythmus von der Europäischen<br />

Arbeitsgemeinschaft Landentwicklung und<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerung (ARGE) mit Sitz in Wien ausgeschrieben.<br />

In den <strong>Jahre</strong>n von 1990 bis 2010 nahmen<br />

276 Dörfer und ländliche Kommunen aus<br />

18 europäischen Ländern an dem europäischen<br />

Wettbewerb teil. In den vergangenen 11 Wettbewerben<br />

gingen fünfmal österreichische, dreimal<br />

deutsche und jeweils einmal Dörfer aus Luxemburg,<br />

den Niederlanden und Italien als Sieger<br />

hervor. Die Einladung zur Teilnahme am 12. Europäischen<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerungspreis 2012 ist aktuell<br />

verschickt worden. Unter dem Wettbewerbsmotto<br />

„Der <strong>Zukunft</strong> auf der Spur“ lädt die Europäische<br />

ARGE die Vertreter ihrer Mitgliedsstaaten, -länder<br />

und -regionen sowie weiterer interessierter Länder<br />

in Europa zur Teilnahme an einer neuen Aus-<br />

schreiberunde ein. Pro Land oder Region kann<br />

sich nur ein <strong>Dorf</strong>, eine (Verbands-)Gemeinde oder<br />

ein interkommunaler Verbund mit maximal<br />

20.000 Einwohnern bewerben. Das Vorschlagsrecht<br />

haben die zuständigen Behörden oder Nicht-Regierungs-Organisationen<br />

(NGOs). Die Teilnahme am<br />

Wettbewerb ist mit einer Gebühr verbunden.<br />

Leitbild des Wettbewerbs<br />

Jeder Wettbewerb benötigt für seine korrekte und<br />

nachvollziehbare Auslobung einen inhaltlichen<br />

sowie formalen Bewertungsrahmen. Die Europäische<br />

ARGE <strong>hat</strong> seit 1996 im Rahmen des 3. Euro-<br />

päischen <strong>Dorf</strong>erneuerungskongresses in Konstanz<br />

das “Leitbild für Landentwicklung und <strong>Dorf</strong>erneuerung<br />

in Europa” verabschiedet. Im Jahr 2009 wurde<br />

das Leitbild aktualisiert. Für den Wettbewerb bildet<br />

das Leitbild mit seinen Grundwerten der Solidarität<br />

und Subsidiarität ein wesentliches Fundament. Im<br />

Wettbewerb stehen die Anstrengungen des <strong>Dorf</strong>es<br />

im Mittelpunkt. Bewertet werden Maßnahmen, die<br />

auf eine dauerhafte, sichtbare ländliche Entwicklung<br />

zielen und in kooperative Aktionen und Pläne<br />

eingebunden sind. Zu diesen Anstrengungen gehören<br />

die Inhalte:<br />

ó Stärkung einer umweltgerechten Land- und<br />

Forstwirtschaft unter Berücksichtigung der<br />

Kulturlandschaft,<br />

ó verantwortungsvoller und umweltverträglicher<br />

Umgang mit den natürlichen Ressourcen und<br />

Nutzung erneuerbarer Rohstoffe,<br />

ó Aktivitäten im Sinne der Gewährleistung von<br />

Nahversorgung und standortverträglichen<br />

Erwerbsmöglichkeiten mit Blick auf regionale<br />

Wertschöpfungsketten,<br />

ó Siedlungsentwicklung gemäß ökonomischer,<br />

ökologischer, kulturräumlicher und gesellschaftlicher<br />

Erfordernisse,<br />

ó Revitalisierung von schützenswerter alter<br />

und Schaffung von qualitätsvoller neuer<br />

Bausubstanz,<br />

ó Schaffung zeitgemäßer sozialer Einrichtungen<br />

und soziokultureller Qualitäten,<br />

ó Stärkung der Identität und des Selbstbewusstseins<br />

der Bevölkerung,<br />

ó Förderung der Befähigung und der Motivation<br />

der <strong>Dorf</strong>bewohner zum gesellschaftlichen<br />

Engagement und<br />

ó Forcierung der Teilhabe aller Generationen,<br />

Nationalitäten und Minderheiten sowie beider<br />

Geschlechter am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen<br />

und kulturellen Leben.<br />

Das Logo der Europäischen Arbeitsgemeinschaft<br />

Landentwicklung und <strong>Dorf</strong>erneuerung<br />

64


Verleihung des Europäischen<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerungspreises<br />

Der Wettbewerb geht mit der Zeit<br />

Eine Besonderheit des Wettbewerbs um den Europäischen<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerungspreis ist das jeweils<br />

wechselnde Motto. So wird den aktuellen Herausforderungen<br />

im ländlichen Raum Rechnung getragen<br />

und der Wettbewerb ein „offenes System“. Der<br />

Wettbewerb begann in den 1990er <strong>Jahre</strong>n unter<br />

dem Motto „Internationaler Erfahrungsaustausch“<br />

und setzte die Wiederentdeckung des <strong>Dorf</strong>es als<br />

Bestandteil der Kulturlandschaft in Europa in<br />

den Mittelpunkt. Ende der 1990er <strong>Jahre</strong> stand der<br />

ganzheitliche Ansatz im Sinne der Nachhaltigkeit<br />

in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Sozialverträglichkeit<br />

in Focus des Wettbewerbs.<br />

Das Thema erneuerbare Energiequellen und die<br />

Umsetzung von Strategien einer erfolgreichen<br />

Kreislaufwirtschaft werden verstärkt diskutiert. Der<br />

ganzheitliche, innovative Ansatz ist auch in den<br />

Mottos „Umfassende <strong>Dorf</strong>erneuerung“ (1996) und<br />

„Kreativ – innovativ – kooperativ“ (1998) wieder zu<br />

finden. Mit dem 21. Jahrhundert werden Lösungsansätze<br />

zu sozialen und ökonomischen Problemfeldern<br />

im ländlichen Raum in den Vordergrund<br />

gesetzt. Mit einer Besinnung auf die spezifischen<br />

Ausgangsbedingungen und die Einzigartigkeit als<br />

65<br />

Die Bewertungskommission bei der Arbeit<br />

Vielfalt der Dörfer in Europa setzt der Wettbewerb<br />

die Akzente. Nicht schablonenartige Lösungen<br />

sind gefragt, sondern ortsspezifische Ansätze.<br />

Die Mottos „ Ohne <strong>Zukunft</strong> keine Vergangenheit“<br />

(2000) und „Aufbruch zur Einzigartigkeit“ (2004)<br />

sind ein Beleg dafür. Die aktuelle Ausschreibung<br />

zum 12. Europäischen <strong>Dorf</strong>erneuerungspreis 2012<br />

läuft unter dem Motto „Der <strong>Zukunft</strong> auf der Spur“.<br />

In diesem Wettbewerb ist die Mitbestimmung und<br />

Teilhabe von <strong>Dorf</strong>bewohnern ein wichtiges Kriterium.<br />

Prämiert werden alle Maßnahmen, die sich<br />

in Bottom-up-Prozessen den aktuellen Herausforderungen<br />

stellen und somit eine zeitgemäße und<br />

zukunftsorientierte Entwicklung in den Dörfern in<br />

Gang gebracht haben. Das Ziel des Wettbewerbs<br />

ist und bleibt die Stärkung der <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit<br />

ländlicher Räume sowie die Steigerung der Lebensqualität<br />

in den Dörfern.<br />

Sören Bronsert,<br />

Geschäftsführer <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

<strong>Bund</strong>esanstalt für Landwirtschaft und Ernährung<br />

Deichmanns Aue 29, 53179 Bonn<br />

Mehr Informationen:<br />

Theres Friewald-Hofbauer<br />

Europäische ARGE Landentwicklung und<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerung<br />

Telefon: +43/1/5338401<br />

E-Mail: friewald@landentwicklung.org“ friewald@<br />

landentwicklung.org<br />

www.landentwicklung.org


<strong>Zukunft</strong> des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s<br />

66


<strong>Zukunft</strong> des <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>s<br />

Die demografischen Veränderungen als europaweites Phänomen werden Städte und<br />

besonders ländliche Regionen auch zukünftig beeinflussen sowie erhebliche Auswirkung<br />

auf Infrastrukturen, Arbeitsplätze und auf private Investitionen in den Dörfern<br />

haben. Kann der Wettbewerb unter neuen, tief greifenden Veränderungen in die Substanz<br />

der ländlichen Regionen und der Lebensqualität der <strong>Dorf</strong>gemeinschaften weiter<br />

bestehen? Wie ist eine Anpassung möglich? Gibt es Beispiele aus Dörfern, die sich bereits<br />

heute auf Veränderungen von morgen einstellen?<br />

Wie verändert sich der<br />

ländliche Raum?<br />

Ländliche Räume sind aufgrund ihrer Heterogenität<br />

schwer zu fassen. Eine Beschreibung des<br />

Ländlichen enthält oft traditionelle Elemente, die<br />

einem Bild des ländlichen Raums entsprechen,<br />

das für viele Regionen nicht (mehr) zutreffend ist.<br />

Die Auswirkungen der Informationsgesellschaft<br />

mit ihren vernetzten Güter- und Informationsströmen<br />

und den zunehmend urbanisierten Lebensstilen<br />

und Konsummustern beeinflussen auch die<br />

ländlichen Räume immer stärker. Es <strong>hat</strong> sich eine<br />

Bandbreite ländlicher Räume entwickelt, die einerseits<br />

durch Merkmale wie Abgelegenheit, niedrige<br />

Bevölkerungsdichte, Überalterung, Abwanderungstendenzen<br />

oder geringe Durchschnittseinkommen<br />

gekennzeichnet ist. Andererseits gehören auch<br />

Aspekte wie Suburbanisierungsdruck, zentrennahe<br />

Lage, attraktive Wohnstandorte, Entstehung neuer<br />

Wirtschaftscluster und zukunftsfähige Fremdenverkehrsgebiete<br />

dazu. Häufig spielen sich die Prozesse<br />

von Wachstum und Schrumpfung im demografischen,<br />

wirtschaftlichen oder baulichen Sinne<br />

in direkter Nähe zueinander ab (vgl. dazu u. a.<br />

Gatzweiler / Milbert 2009).<br />

Herausforderungen für den ländlichen<br />

Raum<br />

Die Problemlagen in ländlichen Räumen haben<br />

vielfältige Ursachen. Einige sind Rahmenbedingungen,<br />

die sich bereits seit Jahrzehnten auswirken,<br />

andere Entwicklungen vollziehen sich zwar ebenfalls<br />

seit längerem, sind aber wie demografischer<br />

Wandel oder Klimawandel erst seit einigen <strong>Jahre</strong>n<br />

ins Bewusstsein der Tages- und leider auch der<br />

Kommunalpolitik gerückt (vgl. u. a. Magel 2005;<br />

ASG 2007). Kritiker sagen, dass man trotz früher<br />

Warnungen die Probleme schlichtweg verschlafen,<br />

zumindest aber verdrängt <strong>hat</strong>.<br />

Als wesentliche aktuelle Herausforderungen für<br />

die ländlichen Räume und die Daseinsvorsorge<br />

gelten folgende Entwicklungen:<br />

ó Strukturwandel in Landwirtschaft, Handwerk<br />

und Gewerbe,<br />

ó Verlust der Nahversorgung,<br />

ó demografischer Wandel mit seinen Komponenten<br />

Geburtenrückgang, Alterung, Migration und<br />

Abwanderung,<br />

ó gesellschaftlicher Wertewandel,<br />

ó sich verändernde finanzwirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

der Kommunen,<br />

ó Klimawandel und Bedarf an erneuerbaren<br />

Energien.<br />

Von diesen Veränderungen sind nahezu alle<br />

Lebensbereiche betroffen: Arbeiten, Wohnen, die<br />

öffentliche und private Versorgung, der kulturelle<br />

68


Herausforderung Innenentwicklung in der <strong>Dorf</strong>mitte von Finsterau<br />

Bereich, das kirchliche und soziale Leben, das Vereinswesen<br />

etc. Lösungsansätze für die soziale und<br />

bauliche Vitalisierung und Innenentwicklung von<br />

Dörfern, für die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge,<br />

für die Verstärkung interkommunaler und<br />

von Stadt-Land-Kooperationen und für den Aufbau<br />

nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen werden benötigt.<br />

Arbeitsplatzentwicklung als zentrales<br />

Problem<br />

Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Agrarsektors<br />

ist in allen hochentwickelten Ländern<br />

in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen.<br />

Die Arbeitsplätze im ländlichen Raum<br />

haben sich entweder in die Bereiche des Industrie-<br />

oder Dienstleistungssektors verschoben oder sie<br />

sind aufgrund des Strukturwandels weggefallen.<br />

Viele Gebiete erfahren unter anderem aufgrund<br />

mangelnder attraktiver Standortfaktoren und<br />

aufgrund des großen internationalen Konkurrenzdrucks<br />

einen weiteren Schrumpfungsprozess. In<br />

der Landwirtschaft wird sich der Trend zu weniger<br />

und flächenmäßig größeren Betrieben fortsetzen.<br />

Dennoch ist die Landwirtschaft u. a. als Eigentü-<br />

69<br />

mer und/oder Hauptnutzer der Flächen im ländlichen<br />

Raum ein bedeutsamer und nicht zu übergehender<br />

Akteur geblieben. Hinzu kommt, dass<br />

durch die zunehmende Bedeutung externer „gesellschaftlicher“<br />

Leistungen, die Aufgabenvielfalt und<br />

Bedeutung der Landbewirtschaftung derzeit wieder<br />

kontinuierlich wachsen und eine Renaissance<br />

erleben. Umwelterhaltung, Landschaftsgestaltung,<br />

Bereitstellung natürlicher Ressourcen für Stadt<br />

und Land, die Produktion qualitativ hochwertiger<br />

Nahrungsmittel, aber auch die Übernahme von<br />

Funktionen in der Versorgung mit Energie und<br />

nachwachsenden Rohstoffen sind Leistungen, die<br />

für die Entwicklung einer gesamten Region von<br />

Bedeutung sein können.<br />

Für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in ländlichen<br />

Räumen sind regionale Lösungsansätze für<br />

die Versorgung mit qualifizierten Fachkräften und<br />

den entsprechenden Zugang zu neuen Kommunikationstechnologien<br />

(Breitband) dringend von<br />

Nöten (vgl. Grontmij <strong>2011</strong>). Es gibt Beispiele für<br />

Wachstumsregionen fernab von Metropolen, die<br />

wichtige Standorte vor allem vieler kleiner und<br />

mittelständischer, z. T. hoch innovativer Unternehmen<br />

sind (vgl. Köhler 2007).


Demografischer Wandel <strong>hat</strong><br />

umfassenden Einfluss<br />

Die traditionell hohe Geburtenraten aufweisenden<br />

ländlichen Räume erfahren eine Trendwende.<br />

Heute liegen wie fast überall in Europa die durchschnittlichen<br />

Geburtenzahlen in den ländlichen<br />

Räumen auf demselben niedrigen Niveau der<br />

Städte (2009 in Deutschland 1,35 Kinder pro Frau;<br />

Statisches <strong>Bund</strong>esamt <strong>2011</strong>). Gerade periphere<br />

ländliche Gebiete spüren die Folgen der demografischen<br />

Entwicklung viel stärker als Verdichtungsräume.<br />

Junge Familien werden weniger, die Bevölkerung<br />

besteht zunehmend aus älteren Menschen,<br />

die teilweise sogar zuwandern, um dort ihren<br />

Lebensabend zu verbringen.<br />

Während der gesellschaftliche Alterungsprozess<br />

ganz Deutschland betrifft, wirkt sich der Bevölkerungsrückgang<br />

in Verbindung mit Wanderungsprozessen<br />

räumlich sehr unterschiedlich aus. In<br />

ostdeutschen Regionen liegt bereits ein deutlicher<br />

Bevölkerungsrückgang vor. Für Regionen in der<br />

monofunktional<br />

strukturschwache Peripherie<br />

Land ohne<br />

Leute<br />

Schlafdorf<br />

Patchwork<br />

<strong>Dorf</strong><br />

Stadt & Land<br />

Hand<br />

in Hand<br />

prosperierender Ballungsraum<br />

multifunktional<br />

Szenarien für die Dörfer der <strong>Zukunft</strong> (vgl. Groß<br />

et al. <strong>2011</strong>)<br />

Nähe von Ballungsräumen werden die nächsten<br />

<strong>Jahre</strong> noch steigende Einwohnerzahlen prognostiziert<br />

(BBSR <strong>2011</strong>).<br />

Die Folgen des demografischen Wandels sind vielfältig<br />

und haben für die Kommunen und Regionen<br />

je nach räumlicher Lage unterschiedliche Auswirkungen<br />

und Intensität. Der demografische Wan-<br />

del ist eine Querschnittsherausforderung für alle<br />

Bereiche einer Kommune (vgl. Ritzinger 2010). Dies<br />

verdeutlichen auch die Szenarien für Dörfer der<br />

<strong>Zukunft</strong>, die im Rahmen des Forschungsprojekts<br />

„<strong>Dorf</strong>erneuerung 2020“ erstellt wurden (vgl. Abb.<br />

2; Groß et al. <strong>2011</strong>).<br />

Die Aufrechterhaltung des bestehenden Angebots<br />

sowie die vorhandenen Einrichtungen der Daseinsvorsorge<br />

wie beispielsweise Schulen, Arztpraxen,<br />

Krankenhäuser, ÖPNV, Nahversorgung sowie Freizeiteinrichtungen<br />

wird gerade in schrumpfenden<br />

Regionen langfristig nicht mehr möglich sein. Problemlösungen<br />

für die Aufrechterhaltung der kommunalen<br />

Infrastruktur, den Tragfähigkeitsverlust<br />

sozialer und kultureller Einrichtungen sowie für<br />

die Leerstände insbesondere im Ortskern sowie den<br />

Verfall der Bausubstanz sind nötig (Büchs / Magel<br />

2010). In wachsenden Regionen sind die Problemlagen<br />

häufig noch vollkommen anders geartet und<br />

lassen daher ein vorausschauendes Handeln als<br />

noch nicht notwendig erscheinen. Aufgrund des<br />

Zuwanderungsdrucks in diesen Regionen haben<br />

ländliche Räume unter anderem mit Auswirkungen<br />

der Suburbanisierung wie steigendem Flächen- und<br />

Wohnungsbedarf, Anpassung bzw. Überlastung der<br />

kommunalen Infrastruktur und Verlust der dörflichen<br />

Identität zu kämpfen.<br />

Qualität und Potentiale ländlicher<br />

Räume<br />

Es wird immer deutlicher, dass jeder Raum und<br />

jede Region eine an seinen geographischen, strukturellen,<br />

ökonomischen, ökologischen, demografischen<br />

oder kulturellen Besonderheiten, Problemen<br />

und Entwicklungspotentialen ausgerichtete<br />

spezifische Entwicklungsstrategie braucht. Grundlage<br />

dafür sind in vielen Planungen zunächst eine<br />

Stärken-Schwächen-Analyse, darauf aufbauend eine<br />

Vision oder ein Leitbild und daraus abgeleitet Ziele<br />

und Strategien, welche die Entwicklung der so<br />

genannten endogenen Potenziale fördern. Als ein<br />

entscheidender Standortvorteil ländlicher Räume<br />

kann – trotz auch hier zunehmender Anonymität<br />

– deren soziale Überschaubarkeit gelten. Sie<br />

gewährleistet eine direkte Kommunikation und<br />

Zusammenarbeit, bürgernahe Entwicklungsprozesse<br />

und eine raschere Umsetzung von Ideen.<br />

Der Rückhalt bei den lokalen Akteuren ist das<br />

zentrale Erfolgskriterium von <strong>Dorf</strong>entwicklung<br />

(vgl. Magel et al. 2010). Zur Aufrechterhaltung<br />

70


der Daseinsvorsorge wird sowohl bei der Strategieentwicklung,<br />

aber auch bei der Erbringung von<br />

Leistungen zunehmend auf die Entwicklung einer<br />

aktiven Bürgergesellschaft, auf die Unterstützung<br />

durch ehrenamtliches Engagement und die Einbindung<br />

von Wirtschaftsunternehmen gesetzt.<br />

Hier spielt auch der Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong><br />

<strong>Zukunft</strong>“ eine wichtige Rolle. Richtig verstanden<br />

und umgesetzt, ist er sogar ein Prototyp der neuen<br />

Verantwortungsgemeinschaft von Staat, Kommunen,<br />

Wirtschaft und Bürgern. Die im Wettbewerb<br />

engagierten Vereine und Bürger werden nicht nur<br />

beteiligt, sondern sind auch Akteure, die konkrete<br />

Verantwortung und gestalterische Aufgaben auf<br />

dörflicher Ebene übernehmen. Diese Verantwortungsübernahme<br />

ist aktueller denn je.<br />

<strong>Dorf</strong>entwicklungsprogramme haben in der Vergangenheit<br />

ebenso wie der Wettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong><br />

<strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ einen großen Beitrag zur Entwicklung<br />

unserer ländlichen Räume geleistet. Die Auswertung<br />

guter Beispiele z. B. aus dem Bayerischen<br />

<strong>Dorf</strong>erneuerungsprogramm <strong>hat</strong> unlängst aufge-<br />

71<br />

Verbesserung der<br />

Agrarstruktur<br />

Erhaltung und<br />

Weiterentwicklung<br />

der Infrastuktur<br />

und der baulichen<br />

Substanz<br />

Ganzheitliche,<br />

?<br />

regionale<br />

Lösungsansätze,<br />

Bürgerbeteilung,<br />

Bewusstseinsbildung<br />

19<strong>50</strong>er/60er <strong>Jahre</strong> 1970er/80er <strong>Jahre</strong> 1990er <strong>Jahre</strong> 2020<br />

Entwicklungsphasen der <strong>Dorf</strong>erneuerung (vgl. Magel et al. 2010)<br />

Literatur<br />

Büchs, S. / Magel, H. (2010): Weniger - aber wie?<br />

Anmerkungen zur strategischen Entwicklung<br />

schrumpfender Dörfer. In: Flächenmanagement<br />

und Bodenordnung - Zeitschrift für Liegenschaftswesen,<br />

Planung und Vermessung, Heft 6,<br />

268-275.<br />

Groß, C. / Ritzinger, A. / Magel, H. (<strong>2011</strong>): Auf der<br />

Suche nach dem <strong>Dorf</strong> von morgen. In: DISP 185,<br />

Heft 2, 44-55.<br />

zeigt, welche Strategien und Methoden Erfolg<br />

versprechend sind, welche Themenbereiche bereits<br />

abgedeckt werden und welche noch stärker einbezogen<br />

werden sollten (vgl. Ritzinger et al. <strong>2011</strong>).<br />

<strong>Unser</strong>e ländlichen Räume stehen vor großen<br />

Herausforderungen. Förderprogramme müssen<br />

innovativ sein, sich weiterentwickeln, wie es das<br />

Bayerische <strong>Dorf</strong>erneuerungsprogramm stets getan<br />

<strong>hat</strong> (vgl. Entwicklungsphasen).<br />

Es gibt viele gute Ansätze und viele engagierte<br />

Menschen, aber auch Regierungen, denen ländliche<br />

Regionen am Herzen liegen. Die Lösungen<br />

vieler Probleme liegen in lokalen Ansätzen. Vor<br />

diesem Hintergrund sollten wir in unserer Arbeit<br />

wieder mehr an Friedrich Hebbel denken, der seherisch<br />

gesagt <strong>hat</strong>: „Das <strong>Dorf</strong> ist die kleine Welt, in<br />

der die große ihre Probe hält.“<br />

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Magel und Dipl.-Geogr. Anne<br />

Ritzinger, TU München, Lehrstuhl für Bodenordnung<br />

und Landendwicklung, Arcisstraße 21, 80333 München<br />

Magel, H. / Ritzinger, A. / Groß, C. (2010): <strong>Dorf</strong>erneuerung<br />

2020 – Neue Wege oder weiter wie<br />

bisher? In: Mitteilungen des DVW Bayern, Heft<br />

3, 373-387.<br />

Ritzinger, A. / Groß, C. / Magel, H. (<strong>2011</strong>): Von<br />

guten Beispielen lernen – Erfahrungswissen für<br />

die <strong>Dorf</strong>erneuerung der <strong>Zukunft</strong>. In: Flächenmanagement<br />

und Bodenordnung - Zeitschrift<br />

für Liegenschaftswesen, Planung und Vermessung,<br />

Heft 2, 74-81.


Vom schöner finden zum<br />

besser sein<br />

Der Titel „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ ist neu. Der<br />

Wettbewerb ist alt. In den letzten drei <strong>Jahre</strong>n des<br />

<strong>Bund</strong>eswettbewerbs, 2001, 2004 und 2007, <strong>hat</strong> sich<br />

der Titel von „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden“<br />

über „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden – unser<br />

<strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ zu „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

entwickelt.<br />

Der ursprüngliche Titel war sicher der richtige Ansatz<br />

Anfang der 1960er <strong>Jahre</strong>. Er war auch von Graf<br />

Lenard Bernadotte theoretisch unterlegt.<br />

Stichpunkte: Aus der Überlebensstrategie nach dem<br />

Krieg durch Schönheitsstreben das Selbstbewusstsein<br />

der Dörfer zu erzeugen. Schon damals war<br />

die These richtig: Nur selbstbewusste Bewohner<br />

schaffen eine gute <strong>Zukunft</strong>. Und Selbstbewusstsein<br />

bekommt man nur, wenn man sich auch selbst<br />

mag. Das wird durch äußere Schönheit erleichtert.<br />

Schön war richtig – <strong>Zukunft</strong><br />

ist richtig<br />

Mit der Zeit <strong>hat</strong> sich allerdings der Wettbewerb<br />

sehr stark in Richtung Gartenschau entwickelt.<br />

Gerade die Gartenbauvereine waren häufig die<br />

Motoren der Teilnahme. Damit verengte sich der<br />

Blickwinkel. In der öffentlichen Diskussion wurde<br />

der Wettbewerb häufig als „Geranienwettbewerb“<br />

verspottet.<br />

So ungerecht das war, so sicher war aber, dass der<br />

ökonomische Entwicklungsteil einer Gemeinde in<br />

diesem Wettbewerb zu kurz kam. Er aber ist neben<br />

den baugestalterischen Aspekten (auch hier ist eine<br />

Entwicklung von der musealen Seite hin zu zeitgemäßen<br />

Bauformen, die an die Traditionen anknüpfen,<br />

zu entdecken) über soziale, d. h. zukunftsorientierte<br />

Aspekte zu beachten. Gerade der Punkt der<br />

Bürgerbeteiligung, also der partizipative Aspekt,<br />

der über eine ganzheitliche Bestandsaufnahme zu<br />

einem tragfähigen Leitbild führt, bringt die Vielfalt<br />

der Bewertungskriterien. Deshalb <strong>hat</strong> die Umbenennung<br />

des Wettbewerbs auch eine Neubewertung<br />

zur Folge.<br />

<strong>Dorf</strong>leitbilder geben Orientierung<br />

Auch wenn bei einem Wechsel des Namens,<br />

manche sich nicht wiederfinden, haben sich die<br />

vorhandenen Teilnehmer sehr konkret auf die neue<br />

Situation eingestellt. Grünordnung wird stärker<br />

unter ökologischen Gesichtspunkten gesehen. Das<br />

Gleichgewicht zwischen Arbeitsplatzbewahrung<br />

und -schaffung einerseits, Wohnumfeld anderseits<br />

und schließlich die dorftypische Baugestaltung<br />

sowie das soziale und kulturelle (identitätsstiftendes)<br />

Engagement wurde auch bei der Präsentation<br />

in den Vordergrund geschoben. Es entsteht zunehmend<br />

der Ansatz einer ganzheitlichen <strong>Dorf</strong>entwicklung.<br />

Was überraschend, aber auch nachdenkenswert<br />

war, war die Tatsache, dass die <strong>Dorf</strong>philosophien<br />

im Sinne einer gemeinsamen Wertehaltung bei<br />

einer Reihe von Dörfern sehr deutlich im Vordergrund<br />

standen. Über diese gemeinsame Wertehaltung<br />

war offensichtlich die Projektdurchführung<br />

konfliktfreier und erfolgreicher. Dörfer, die sich<br />

hier auszeichneten, haben regelmäßig eine intensive<br />

Leitbilddiskussion geführt, die ihrerseits wieder<br />

auf einer klaren und detaillierten Bestandsaufnahme<br />

beruhte.<br />

Partizipation, Eigenverant wortung<br />

und Selbsthilfe bei der <strong>Dorf</strong>entwicklung<br />

Dieser Ansatz war regelmäßig auch eine Teilhabe<br />

am Prozess der Willensbildung. Es handelt sich<br />

hier um den Versuch, über gemeinsame Werte<br />

(z. B.: lebendige Traditionen, lebendiges Christentum,<br />

soziale Netze, die alle auffangen, Willen zu<br />

Subsidiarität) soviel Eigenkraft zu mobilisieren,<br />

dass alle Lebensbereiche partizipativ gestaltet<br />

werden.<br />

Im Ergebnis setzt der neue Titel, wenn er auch für<br />

eine Abnahme der Teilnehmerzahlen gesorgt <strong>hat</strong>,<br />

neue Kräfte bei den teilnehmenden Gemeinden<br />

frei und kann ein Anreiz für viele in der <strong>Zukunft</strong><br />

sein.<br />

Klar wird auch immer mehr, dass eine Voraussetzung<br />

für die <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit die Bereitschaft der<br />

Gewählten und der Wähler zu Selbsthilfe in eigener<br />

Verantwortung ist. Dies ermöglicht eine neue<br />

Demokratie fördernde Politikkultur. Sie ist wichtig,<br />

um Vertrauen in die Politik nachhaltig wachsen zu<br />

lassen.<br />

72


Landesbewertungskommission Baden-Württemberg 2009<br />

Entscheidend ist dabei, wie es gelingt, diesen<br />

Prozess so zu strukturieren, dass die Partizipation<br />

möglich wird und Konflikte zwischen Gewählten<br />

und Engagierten vermieden werden oder zumindest<br />

so früh gelöst werden, wie möglich.<br />

<strong>Zukunft</strong> des Wettbewerbs<br />

Es gibt viele Modelle, aber alle Modelle brauchen<br />

zur Implementierung Zeit. Damit stellt sich die<br />

Frage: Kann der Wettbewerb dazu beitragen, dass<br />

nachhaltig <strong>Zukunft</strong>sorientierung standfest bleibt?<br />

Antwort: Ja, aber:<br />

1. dazu gehört, dass der Wettbewerb als aktivierender<br />

Wettbewerb verstanden wird. Das heißt,<br />

die Wettbewerbsstufen von Kreis über Bezirk zur<br />

Landesebene sind sinnvoll, um einen nachhaltigen<br />

Wettbewerbsdruck in der Gemeinde aufrechtzuerhalten<br />

und über die sichtbaren Erfolge<br />

den Wunsch nach weiteren Erfolgen zu beleben.<br />

2. Es muss dazu kommen, dass die Nachschau<br />

(Evaluation) nach einiger Zeit erfolgt und die<br />

ursprüngliche Bewertung und ihre Grundlagen<br />

dadurch ggf. auch in Frage gestellt werden. Ein<br />

Nachjustieren je nach gesellschaftlichen Entwicklungen<br />

wird so möglich.<br />

73<br />

3. Eine Nachschau sollte nach ca. fünf <strong>Jahre</strong>n feststellen,<br />

inwieweit der Prozess weiterläuft oder<br />

ob er nur ein Strohfeuer war oder ob man sich<br />

zwischenzeitlich auf den Lorbeeren des Goldes<br />

ausruht.<br />

4. Die Bewertung besteht aus positiven Aspekten<br />

und Empfehlungen. Die Empfehlungen sollten<br />

möglichst frühzeitig (drei Monate) nach Bereisung<br />

den Aktiven vor Ort oder in Bürgerversammlungen<br />

von Jurymitgliedern oder anderen<br />

vorgetragen werden.<br />

5. Gleichzeitig scheint es sinnvoll, ein Netzwerk<br />

zwischen den erfolgreichen Gemeinden aufzubauen<br />

(nicht nur innerhalb eines <strong>Bund</strong>eslandes,<br />

sondern länderübergreifend). Dazu braucht man<br />

eine kleine, aber schlagkräftige Organisation,<br />

die entweder bei einem Länderministerium oder<br />

einem der Ämter für Ländliche Entwicklung<br />

o. ä. oder aber auch bei einer NGO, wie z. B.<br />

Bertelsmann-Stiftung etc. angesiedelt sein kann.<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“<br />

kann so bei einer zu beobachtenden Flut von Projektwettbewerben<br />

zu einem Stabilisierungsfaktor<br />

unseres subsidiären demokratischen Gemeinwesens<br />

werden und auch den Weg zu einer solidarischen<br />

Bürgergesellschaft ebnen.<br />

Michael Pelzer,<br />

Bürgermeister, Ignaz-Günther-Straße 5, 83629 Weyarn


Wir in Banzkow<br />

Strukturen für die <strong>Zukunft</strong><br />

schaffen<br />

Banzkow, eine kleine Gemeinde südlich Schwerin,<br />

beging im <strong>Jahre</strong> 2000 seine 700-Jahrfeier. Es war<br />

früher ein typisches Straßendorf mit Büdnern,<br />

Hüfnern und Häuslern, mit Schmied, Zimmer-<br />

mann und Drechsler. Jahrhunderte lang sicherte<br />

die Land- und Forstwirtschaft die Existenz der<br />

Familien.<br />

Ende der 1980er <strong>Jahre</strong> gab es neben der Kirche<br />

und ehemaliger Windmühle mit Gaststätte eine<br />

Schule, Kinderkrippe und Kindergarten, ein altes<br />

Feuerwehrgebäude und einen Konsum. Zu Banzkow<br />

mit 900 Einwohnern gehört Mirow mit ca. 200<br />

Einwohnern. In der Nachbargemeinde Goldenstädt<br />

wohnten 420 Einwohner.<br />

Seit den 1990er <strong>Jahre</strong>n siedelte sich modernes<br />

Handwerk an, auch Gastronomie, Dienstleistungen<br />

sowie Pflege- und Betreuungseinrichtungen. Die<br />

Einwohnerzahlen wuchsen, Banzkow und Mirow<br />

haben heute 2.160 Einwohner, die benachbarten<br />

Ortsteile Goldenstädt und Jamel 620.<br />

Das Tor nach Banzkow – Bürgerprojekt mit den<br />

Studenten der Hochschule Wismar<br />

Bürgerbeteiligung und Kreativität<br />

Das erste Mal nahm Banzkow beim fünften Landeswettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> soll schöner werden –<br />

<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ 2002 und 2004 auf Drängen<br />

des Landkreises teil. Die Banzkower machten<br />

sich und ihre Umgebung fein – nicht nur für sich,<br />

sondern auch für ihre Besucher und Gäste.<br />

Auch die nächsten Wettbewerbe wurden mit Akribie<br />

vorbereitet. 2007 startete die Gemeinde durch<br />

und holte nach dem Titel im Kreis auch Landes-<br />

und <strong>Bund</strong>esgold! Das klingt fast wie ein Märchen,<br />

ist aber wahr.<br />

Die gemeinsame Freude stärkte die Dörfer und ihre<br />

Bewohner. Wieder wurden neue Ideen geboren<br />

und umgesetzt. Und es wurde auch ein großes Vorhaben<br />

umgesetzt, das langfristig durch Studenten<br />

der Hochschule Wismar vorbereitet und ausführlich<br />

mit den Einwohnern diskutiert wurde: die<br />

Neugestaltung der <strong>Dorf</strong>eingänge. Das waren richtige<br />

Alleinstellungsmerkmale für die Gemeinde.<br />

Kommunale Verwaltung straffen<br />

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet...“ Und dieser<br />

Prüfung unterzogen sich auch die benachbarten<br />

Gemeinden Banzkow und Goldenstädt. Neue<br />

finanzielle Belastungen, Politikverdrossenheit, eine<br />

Kreis- und Gebietsreform und noch geringere freie<br />

Finanzspielräume waren schon vorprogrammiert.<br />

Mehr und mehr kristallisierte sich die Vorstellung<br />

heraus, dass nur eine Fusion der Gemeinden die<br />

Lösung sein könne.<br />

Nach intensiver Meinungsbildung innerhalb der<br />

Gemeindevertretung folgten Veröffentlichungen im<br />

Gemeindeblatt und Einwohnerversammlungen. Die<br />

Entscheidung brachte schließlich eine Bürgerbefragung,<br />

bei der sich 75 Prozent der abgegebenen<br />

Stimmen für eine Fusion aussprachen. 2007 konnte<br />

der Bürgermeister von Goldenstädt seiner auserwählten<br />

„Braut“ Banzkow einen „Heiratsantrag“<br />

machen.<br />

Zur Kommunalwahl im Juni 2009 wurde die Eingemeindung<br />

der ehemals selbständigen Gemeinde<br />

Goldenstädt in die Gemeinde Banzkow vollzogen,<br />

aber nicht mit murrigen und langen Gesichtern<br />

und dem Gefühl des Zwanges. Nein! Die Bürger<br />

empfanden die Fusion als etwas Gewolltes, das<br />

dankbar empfangen wurde. Und so wurde in den<br />

Orten der Gemeinde gefeiert.<br />

74


Polterabend und Hochzeit<br />

Wie es sich für eine zünftige Hochzeit gehört, gab<br />

es einen Polterabend im kleinsten Ortsteil der „alten“<br />

Gemeinde Goldenstädt, in Jamel am 12. Juni<br />

2009. Hochzeit gefeiert wurde in Mirow am<br />

14. Juni 2009 im kleinsten Ortsteil der „alten“<br />

Gemeinde Banzkow. Vorbereitet und ausgestaltet<br />

wurden die Feste von den Bürgern und Vereinen<br />

vor Ort. Einbezogen wurden auch die Pastoren<br />

der beiden Kirchgemeinden, zu denen die Dörfer,<br />

und die Verwaltung des Amtes Banzkow gehören.<br />

Die Leitende Verwaltungsbeamtin fungierte gemeinsam<br />

mit dem extra aus Bayern angereisten<br />

Vorsitzenden der Bewertungskommission des<br />

<strong>Bund</strong>eswettbewerbes „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“,<br />

dem Weyarner Bürgermeister Michael Pelzer, als<br />

Standesbeamte. Ihre Ehe besiegelten die beiden<br />

Gemeinden im Juni 2009 freiwillig. Auf diese Feststellung<br />

legen alle Beteiligten Wert.<br />

Nachteile <strong>hat</strong> die Fusion nach Meinung der Bürger<br />

und Bürgerinnen nicht gebracht, eher die Gemeinsamkeiten<br />

verstärkt. Die Bewohner haben die<br />

Wandlung zur größeren Gemeinde aktiv miterlebt<br />

und gestaltet und sie auch deshalb akzeptiert und<br />

unterstützt. Und auch aus Sicht der Wettbewerbe<br />

können sich die Neu-Banzkower durchaus mit den<br />

Alt-Banzkowern messen: 2010 gewannen Goldenstädt<br />

und Jamel eine Silbermedaille im Landeswettbewerb<br />

„<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“. Zu der Zeit als<br />

der Kreiswettbewerb startete, waren sie noch die<br />

„alte“ Gemeinde Goldenstädt und als Kreissieger in<br />

den Landeswettbewerb gestartet.<br />

Neu-Banzkow lebt und <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

Banzkow ist früher wie heute für ein vielseitiges<br />

kulturelles Leben bekannt. 17 Vereine sind die<br />

die Stützen der gemeindlichen kulturellen und<br />

sportlichen Aktivitäten. Das gesellschaftliche<br />

Leben in den Dörfern ist geblieben und <strong>hat</strong> sich<br />

weiterentwickelt. Alle haben ihren ersten großen<br />

gemeinsamen Erfolg mit der Silbermedaille bei Entente<br />

Florale 2010 errungen, dem internationalen<br />

Gemeindewettbewerb, der noch viele <strong>Jahre</strong> Spuren<br />

in der Gemeinde hinterlassen wird.<br />

Denn die Wettbewerbe sind kein Selbstzweck.<br />

Sie sind Ausdruck der weiteren Entwicklung der<br />

Dörfer. Banzkow lebt längst nicht mehr nur von<br />

der Landwirtschaft. Tourismusinformation, Naturlabyrinth,<br />

Naturlehrpfad, Fischtreppe, Kunstgalerie,<br />

Störtal-Museum und Rast- und Grillplätze zeugen<br />

davon, dass die <strong>Dorf</strong>bewohner auch gerne Gästen<br />

und Besuchern ihre Heimat vermitteln wollen.<br />

75<br />

Der jährliche Pflanzmarkt ist bei allen Banzkowern<br />

beliebt.<br />

Vier Dörfer sind sich grün<br />

Dieses Motto der vier Dörfer symbolisiert das „Sich<br />

mögen“ – bestätigt die Gemeindehochzeit vom<br />

Juni 2009, aber auch die wunderschöne Natur, die<br />

die Orte umschließt. Die Lewitz – eine ausgedehnte<br />

Wiesenlandschaft, mit abwechslungsreichem<br />

Mischwald, Karpfenteichen, dem Störkanal und<br />

anderen Kanälen und vor allem anheimelnden Dörfern<br />

mit freundlichen Menschen werben für einen<br />

sanften Natur- und Erlebnistourismus.<br />

Auch die demografische Entwicklung macht um<br />

Banzkow keinen Bogen. Neben altersgerechten<br />

Wohnungen gibt es eine Wohngemeinschaft für<br />

Schwerstpflegebedürftige und in Mirow ein Heim<br />

für geistig Schwerstbehinderte. Die jüngsten Banzkower<br />

werden in einer Kneipp-Kindertagesstätte<br />

mit neuem Krippenbereich betreut. Photovoltaik-<br />

und Biogasanlagen sprechen dafür, dass erneuerbare<br />

Energien ein aktuelles Thema auch in unseren<br />

Orten sind. Überall wird gebaut und gewerkelt.<br />

Und von jedem Treffen mit anderen Kommunen,<br />

von jeder Auswertung eines Wettbewerbes werden<br />

neue Ideen mit nach Hause gebracht. Die Impulse<br />

der Wettbewerbe motivieren und helfen, mit noch<br />

mehr Energie neue Ziele umzusetzen. Die Banzkower<br />

möchten die Erfahrungen und Erkenntnisse,<br />

die ihnen der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> gebracht <strong>hat</strong>, nicht<br />

mehr missen!<br />

Carmen Krooß,<br />

Amt Banzkow, Schulsteig 4, 19079 Banzkow


Wir in Brokeloh<br />

Eine <strong>Zukunft</strong> für unser <strong>Dorf</strong><br />

Ermutigt durch die erfolgreiche Teilnahme an der<br />

1987 durchgeführten <strong>Dorf</strong>erneuerung mit vielen<br />

öffentlichen und privaten Maßnahmen entschloss<br />

sich die <strong>Dorf</strong>gemeinschaft Brokeloh, heute Teil der<br />

Samtgemeinde Landesbergen an der Weser, seine<br />

ganz Kraft in die Teilnahme am Wettbewerb „<strong>Unser</strong><br />

<strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ zu legen.<br />

Der erste Erfolg stellte sich 1995 ein, als Brokeloh<br />

Kreissieger wurde. 2001 kam Brokeloh sogar im<br />

Landeswettbewerb unter die ersten Drei. Alles<br />

klappte bestens. Das <strong>Dorf</strong> war ein eingespieltes<br />

Team. Die Unterstützung der Gemeinde war vorbehaltlos<br />

sicher. Es schien fast unvermeidlich, dass<br />

diese Anstrengungen 2004 im <strong>Bund</strong>eswettbewerb<br />

mit einer Goldmedaille belohnt wurden.<br />

Ganz Brokeloh reist mit Bussen zur Preisverleihung<br />

nach Berlin und konnte sich auch im Rahmen der<br />

Grünen Woche präsentieren. Es war für alle ein<br />

großes Fest. 2006 vertrat Brokeloh mit Erfolg das<br />

Land im Rahmen des europäischen Wettbewerbs<br />

Entente Florale. Die gesamte Einwohnerschaft<br />

stellte ihr bescheidenes Heidedorf Brokeloh der<br />

internationalen Jury vor und wurde mit einer Silbermedaille<br />

ausgezeichnet.<br />

Auslöser für neue Aktivitäten<br />

Die Wandlung eines früher ausschließlich landwirtschaftlich<br />

geprägten <strong>Dorf</strong>es zu einem Ort,<br />

in dem sich heute die verschiedensten kleineren<br />

Wirtschaftsbetriebe entfalten und alle Familien<br />

ihre eigenen Vorstellungen vom Leben auf dem<br />

Land verwirklichen können. Alle <strong>Dorf</strong>bewohner<br />

tragen mit ihrem Anteil zum Erhalt einer lebendigen<br />

<strong>Dorf</strong>gemeinschaft bei. So ist ein hoher Grad an<br />

Identifizierung mit dem <strong>Dorf</strong> entstanden. Dies war<br />

der wichtigste Grund für die außerordentlichen<br />

Erfolge der kleinen <strong>Dorf</strong>gemeinschaft.<br />

Von rd. 390 Einwohnern finden heute mehr als<br />

70 im <strong>Dorf</strong> ihren Arbeitsplatz. Immer noch gibt<br />

es in Brokeloh sieben landwirtschaftliche Vollerwerbs-<br />

und drei Nebenerwerbsbetriebe. Während<br />

der letzten 25 <strong>Jahre</strong> ist dem Strukturwandel der<br />

Landwirtschaft durch Schaffung anderer Betriebe<br />

begegnet worden. In Vollstellen umgerechnet weist<br />

Brokeloh 55 Arbeitsplätze in 15 Betrieben auf, darunter<br />

immerhin noch 35 in der Landwirtschaft mit<br />

Direktvermarktung, einem Hotelbetrieb und Ferienwohnungen,<br />

Reitschule, Hundeschulen und eine<br />

Landschlachterei; alle mit Ausstrahlung weit über<br />

das <strong>Dorf</strong> hinaus. Das Rittergut ist ein touristischer<br />

Glanzpunkt und seit einigen <strong>Jahre</strong>n das Ziel von<br />

bis zu 6.000 Teilnehmern an dem mittelalterlichen<br />

Life-Rollenspiel Mythodea. Der Bickbeerenhof zieht<br />

mit seinem Sommercafé jedes Jahr in der Heidelbeersaison<br />

tausende Besucher an.<br />

Brokeloh ist ein junges <strong>Dorf</strong><br />

Brokeloh an der Weser zwischen Bremen und<br />

Hannover ist kein Schlafdorf mit städtischen Bewohnern<br />

und auch kein einsames <strong>Dorf</strong> in verlassener<br />

Gegend. Brokeloh ist ein junges, lebendiges und<br />

kinderfreundliches <strong>Dorf</strong>, in dem junge Leute bleiben<br />

und sich ansiedeln, weil sie hier eine <strong>Zukunft</strong>sperspektive<br />

haben. Der Anteil der über 65jährigen<br />

ist untypisch gering, der Anteil junger Menschen<br />

entsprechend hoch.<br />

Die <strong>Dorf</strong>gemeinschaft in Brokeloh ist charakterisiert<br />

durch ein reges Leben in den verschiedensten Vereinen<br />

für ganz unterschiedliche Interessen. Es gibt<br />

Angebote auf kulturellen, geschichtlichen, sportlichen<br />

Gebieten und im gesellschaftlichen sowie<br />

im geselligen Bereich. Daher leben in Brokeloh<br />

auch mehr Vereinsmitglieder als Einwohner. Ein<br />

formloser Dachverband aller Vereine und Organisationen<br />

Brokelohs organisiert gemeinsame Veranstaltungen<br />

und setzt sich mit externen Partnern<br />

Die kleine <strong>Dorf</strong>schule in Brokeloh ist Mittelpunkt<br />

für die ganz junge Generation<br />

76


Der alte Herrensitz – das „Rittergut“ ist prägend für das <strong>Dorf</strong>.<br />

auseinander. Die meisten Aktivitäten sind für alle<br />

<strong>Dorf</strong>bewohner offen wie z. B. die Kinderspielgruppen<br />

oder Sportgemeinschaften. Es gibt sogar einen<br />

sehr aktiven Kreis von Pensionären („Rentner-<br />

Band“), die Geselligkeit fördern und auch Hilfeleistungen<br />

für die Gemeinschaft erbringen, insbesondere<br />

beim Schmücken des <strong>Dorf</strong>es vor großen Festen<br />

oder bei der Pflege der letzten Heideflächen.<br />

Brokeloh ist auch ein schönes <strong>Dorf</strong><br />

Alle Einwohner wissen heute um ihr Privileg, in<br />

einer landschaftlich reizvollen Umgebung eingebettet<br />

zu sein und in einem <strong>Dorf</strong> auf einem<br />

Endmoränenrücken zwischen Steinhuder Meer und<br />

Weser zu leben. Bis zu dem Aufkommen moderner<br />

landwirtschaftlicher Methoden waren ertragsarme<br />

Torfmoore und Heideflächen charakteristisch<br />

für die Landschaft um Brokeloh. Restbestände<br />

der Heidekultur („Winkelmanns Heide“) werden<br />

sorgfältig gepflegt. Der auch heute noch bekannte<br />

und beliebte Heimatdichter Hermann Löns beschreibt<br />

Brokeloh vor 1900 als einen „versteckten<br />

Erdenflecken“. Mit der Kutsche von Rehburg kommend,<br />

blickte er auf die „schwarzen Strohdächer<br />

von Brokeloh, mit ihren Schützenscheiben, ihren<br />

Giebellöchern, aus denen der Herdrauch entströmte“.<br />

Er war zu Besuch auf dem alten Herrensitz<br />

77<br />

(„Rittergut“), der auch heute noch das <strong>Dorf</strong> prägt.<br />

Vieles <strong>hat</strong> sich seitdem verändert, aber Brokeloh<br />

ist ein „<strong>Dorf</strong> im Grünen“ geblieben, besc<strong>hat</strong>tet und<br />

geprägt von uralten Eichen. Auch wenn die Strohdächer<br />

verschwunden sind, die alten Bauern- und<br />

Häuslingshäuser sind mit neuem Leben erfüllt und<br />

werden sorgfältig gepflegt.<br />

Brokeloh <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

Brokeloh <strong>hat</strong> trotz großer Umwälzungen in der<br />

Landwirtschaft und neuer Baumaterialien und<br />

Bauweisen sein Gesicht gewahrt und darin einen<br />

eigenständigen Wert erkannt. Seit der Teilnahme<br />

Brokelohs an den <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong>en ist das<br />

Interesse an der Pflege der historischen Gebäude<br />

und der Grünlandgestaltung gestärkt. Eines sollte<br />

besonders hervorgehoben werden: Die Brokeloher<br />

empfinden sich nicht als Bewohner eines Museumsdorfes<br />

und würden eine solche Entwicklung<br />

auch ablehnen. Wichtig ist den Brokelohern, dass<br />

das Prinzip der Nachhaltigkeit erkannt und auch<br />

gelebt wird.<br />

Dr. Klaus Palandt,<br />

Brokeloher Bergstraße 16, 31628 Landesbergen


Anhang<br />

79<br />

Die Grüne Charta von der Mainau<br />

Ausschreibung des 1. <strong>Bund</strong>eswettbewerbs 1960/<strong>1961</strong><br />

Ausschreibung des 24. <strong>Bund</strong>eswettbewerbs <strong>2011</strong>/2013<br />

Teilnehmerzahlen <strong>1961</strong> bis 2010<br />

Weitere Informationen zum <strong>Bund</strong>eswettbewerb und<br />

den Landeswettbewerben


Die Grüne Charta von der Mainau<br />

80


Ausschreibung des 1. <strong>Bund</strong>eswettbewerbs 1960/<strong>1961</strong><br />

82


Ausschreibung des 24. <strong>Bund</strong>eswettbewerbs <strong>2011</strong>/2013<br />

Der <strong>Bund</strong>eswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong> <strong>Zukunft</strong>“ wird durch eine Ausschreibung des <strong>Bund</strong>esministeriums für<br />

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eingeleitet. Die Ausschreibungsrichtlinien sowie die dazugehörenden<br />

Leitfragen, an denen sich jedes <strong>Dorf</strong> orientieren kann, können sich mit jedem Wettbewerb ändern, um<br />

eine zeitgemäße Ausrichtung zu garantieren.<br />

Im folgenden sind beispielhaft die Ausschreibungsrichtlinien des 24. <strong>Bund</strong>eswettbewerbs dargestellt: Bekanntmachung<br />

des BMELV vom 7. Dezember 2010. Veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl, Nr. 85/86<br />

vom 27. Dezember 2010) herausgegeben vom <strong>Bund</strong>esministerium des Innern (BMI) 61. Jahrgang, Nr. 85/86; ISSN<br />

0930-4729; Seite 1768-1773):<br />

1. Inhalte und Ziele –<br />

Wozu dieser Wettbewerb?<br />

Der vom <strong>Bund</strong>esministerium für Ernährung, Landwirtschaft<br />

und Verbraucherschutz (BMELV) ausgeschriebene<br />

<strong>Bund</strong>eswettbewerb „<strong>Unser</strong> <strong>Dorf</strong> <strong>hat</strong><br />

<strong>Zukunft</strong>“ soll die Menschen in den Dörfern motivieren,<br />

ihre <strong>Zukunft</strong>sperspektiven zu bestimmen und<br />

aktiv an der Verbesserung der Lebensqualität<br />

in den ländlichen Räumen mitzuwirken.<br />

Bei der Bewertung der <strong>Dorf</strong>entwicklung stehen die<br />

Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger für<br />

eine nachhaltige <strong>Zukunft</strong>sgestaltung und deren<br />

Realisierung unter Berücksichtigung der individuellen<br />

wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen<br />

Ausgangsbedingungen sowie der Umgang mit<br />

kulturellen Traditionen im Vordergrund.<br />

Besondere Anerkennung finden dabei die vielfältigen<br />

Aktivitäten der <strong>Dorf</strong>gemeinschaft im Sinne<br />

der nachfolgend beschriebenen Bereiche.<br />

Kraft und Erfolg haben Dörfer, deren Bürgerinnen und<br />

Bürger sich engagieren<br />

Der <strong><strong>Dorf</strong>wettbewerb</strong> soll dazu beitragen, das Verständnis<br />

der <strong>Dorf</strong>bevölkerung für ihre eigenen<br />

Einflussmöglichkeiten zu stärken und dadurch die<br />

bürgerschaftliche Mitwirkung zu intensivieren.<br />

So kann der Wettbewerb hervorragende Beispiele<br />

dafür aufzeigen, wie es motivierten und engagierten<br />

<strong>Dorf</strong>bewohnern gemeinsam gelingt, sich ein<br />

lebenswertes Umfeld zu schaffen.<br />

Gemeinschaftliche Perspektiven entwickeln –<br />

Eigenkräfte stärken<br />

Die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmerinnen<br />

und Unternehmer sowie alle in der Gemeinde<br />

Verantwortlichen sollen durch den Wettbewerb<br />

motiviert werden, die individuellen Ausgangsbedingungen<br />

– Stärken und Schwächen, Chancen<br />

und Risiken – ihres Ortes zu bestimmen. Darauf<br />

aufbauend sollen die Perspektiven für das <strong>Dorf</strong><br />

gemeinschaftlich entwickelt und die Eigenkräfte<br />

gestärkt werden.<br />

Die vorhandenen Kräfte und Instrumente bündeln<br />

Wichtiger Erfolgsfaktor für die dörfliche Entwicklung<br />

ist der Gemeinsinn. Das Initiieren und Umsetzen<br />

von isolierten Einzelprojekten reicht alleine<br />

nicht aus. Es ist entscheidend für den Erfolg,<br />

Synergieeffekte aus dem gemeinsamen Handeln zu<br />

nutzen. Große Bedeutung kommt dabei der Abstimmung<br />

zwischen den verschiedenen kommunalen<br />

und staatlichen Institutionen, Vereinen und<br />

anderen Gruppierungen im <strong>Dorf</strong> sowie der überörtlichen<br />

Zusammenarbeit zu.<br />

Auf die verschiedenen Generationen im <strong>Dorf</strong> eingehen<br />

Die Interessen und Bedürfnisse der Menschen vor<br />

Ort zu berücksichtigen heißt, sich mit den <strong>Zukunft</strong>schancen<br />

der Kinder, Jugendlichen und insbesondere<br />

der Frauen auseinanderzusetzen. In einer<br />

alternden Gesellschaft gilt es aber auch, dass Engagement<br />

der älteren Bürgerinnen und Bürger in<br />

die <strong>Dorf</strong>entwicklung einzubeziehen und auf die<br />

veränderten Anforderungen in deren Lebensumfeld<br />

einzugehen.<br />

Die dörfliche Identität stärken<br />

Das soziale Miteinander zwischen den Generationen,<br />

Bevölkerungsgruppen, Alt- und Neubürgern,<br />

die Kommunikationskultur sowie eine entsprechende<br />

„soziale Infrastruktur“ lassen im <strong>Dorf</strong> Identität,<br />

soziale Geborgenheit und Vertrautheit – ein<br />

Heimatgefühl – entstehen. Sie sind wichtiger Teil<br />

der „weichen Standortfaktoren“, die zunehmend an<br />

Bedeutung gewinnen. Willkommen sind auch<br />

Initiativen, um Kinder und Jugendliche zu fördern,<br />

Familien zu entlasten, das „Wir-Gefühl“ mit<br />

neuen Ansätzen und Projekten zu stärken oder den<br />

Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern aus anderen<br />

Kulturkreisen voranzubringen.<br />

84


Natur und Umwelt - pflegen und erhalten<br />

Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und<br />

Landschaft gilt es zu erhalten. Erholungsräume<br />

und Naturerlebnisse in unmittelbarer Nähe zu<br />

haben, sind zentrale Vorzüge ländlichen Lebens.<br />

Auch bedrohte Pflanzen- und Tierarten und ihre<br />

Lebensräume zu schützen, erhöht die Lebensqualität<br />

im <strong>Dorf</strong> und kann Ausgangsbasis für wirtschaftliches<br />

Handeln sein. Aktivitäten im Bereich des<br />

Klimaschutzes, umweltfreundliche Verfahren der<br />

Landnutzung und Initiativen im Sinne der Agenda<br />

21 können ebenfalls zur nachhaltigen <strong>Dorf</strong>entwicklung<br />

beitragen. Dabei gilt es, die natürlichen<br />

Ressourcen sinnvoll und nachhaltig zu nutzen.<br />

2. Teilnahmebedingungen –<br />

Wer darf mitmachen?<br />

Teilnahmeberechtigt sind räumlich geschlossene<br />

Gemeinden oder Gemeindeteile mit überwiegend<br />

dörflichem Charakter mit bis zu 3.000 Einwohnern.<br />

Für Gemeinden oder Gemeindeteile, die eine Goldplakette<br />

beim <strong>Bund</strong>esentscheid 2010 erhalten<br />

haben, ist die Teilnahme an den beiden darauf<br />

folgenden <strong>Bund</strong>esentscheiden nicht möglich.<br />

Voraussetzung für die Meldung zum <strong>Bund</strong>esentscheid<br />

ist die erfolgreiche Teilnahme am vorangegangenen<br />

Landesentscheid entsprechend dem<br />

nachstehenden Schlüssel:<br />

Jedes Land kann bei der Beteiligung<br />

ó von bis zu 100 Teilnehmern: einen Landessieger,<br />

ó von 101 bis 300 Teilnehmern: zwei Landessieger,<br />

ó von 301 bis <strong>50</strong>0 Teilnehmern: drei Landessieger,<br />

ó von <strong>50</strong>1 bis 700 Teilnehmern: vier Landessieger,<br />

ó von 701 bis 900 Teilnehmern: fünf Landessieger,<br />

ó von 901 bis 1.100 Teilnehmern: sechs Landessieger,<br />

ó von 1.101 bis 1.300 Teilnehmern: sieben Landessieger,<br />

ó von über 1.300 Teilnehmern: acht Landessieger<br />

und<br />

ó je zusätzliche 200 Teilnehmer: einen weiteren<br />

Landessieger<br />

melden.<br />

Meldefrist:<br />

Die in den Ländern mit der Durchführung des Landeswettbewerbes<br />

beauftragten Stellen melden die<br />

nach der Ausschreibung in Frage kommenden Landessieger<br />

spätestens bis zum 31. Dezember 2012<br />

an das<br />

85<br />

<strong>Bund</strong>esministerium für Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

Referat 416 „Entwicklung ländlicher Räume“<br />

Dienstsitz Berlin<br />

Wilhelmstraße 54<br />

10117 Berlin.<br />

3. Bewertungsrahmen –<br />

Was ist gefordert?<br />

Die Leistungen der Dörfer werden vor dem Hintergrund<br />

ihrer jeweiligen Ausgangslage und den<br />

individuellen Möglichkeiten der Einflussnahme<br />

bewertet. Es soll deutlich werden, welche Ziele sich<br />

die Bevölkerung für ihr <strong>Dorf</strong> gesetzt <strong>hat</strong> und was<br />

getan wurde, diese Ziele zu erreichen. Besonderer<br />

Wert wird dabei auf Maßnahmen und Aktivitäten<br />

der letzten <strong>Jahre</strong> gelegt.<br />

Leitbild und Entwicklungskonzepte: Was haben wir<br />

erreicht – Was wollen wir?<br />

Die Entwicklung des <strong>Dorf</strong>es in der Region wird<br />

beeinflusst durch neue Herausforderungen und<br />

wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Ausgehend<br />

von einer realistischen Einschätzung der Ausgangssituation<br />

sollen die <strong>Dorf</strong>bewohner den notwendigen<br />

Anpassungsprozess aktiv mitgestalten.<br />

Von Bürgern und Kommunen gemeinsam entwickelte<br />

Leitbilder und Entwicklungsstrategien –<br />

Ideen, Konzepte und Planungen – für die <strong>Zukunft</strong><br />

des <strong>Dorf</strong>es sollen dazu beitragen, den unverwechselbaren<br />

<strong>Dorf</strong>- und Landschaftscharakter zu erhalten,<br />

die wirtschaftlichen Potenziale zu nutzen und<br />

die Lebensqualität im <strong>Dorf</strong> im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie<br />

der <strong>Bund</strong>esregierung zu verbessern.<br />

Die Einbindung der dörflichen Planungen in integrierte<br />

Entwicklungskonzepte spielt hier eine<br />

große Rolle. Besondere Bedeutung kommt der Zusammenarbeit<br />

zwischen den Dörfern der Region<br />

und zwischen den Planungsebenen zu.<br />

Wirtschaftliche Entwicklung und Initiative: Was haben<br />

wir erreicht – Was wollen wir?<br />

Eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ist<br />

die Grundlage für prosperierende Dörfer. Daher<br />

gilt es, Initiativen der Bürgerinnen und Bürger, der<br />

<strong>Dorf</strong>gemeinschaft, der örtlichen Unternehmen<br />

sowie der Gemeinde zur Nutzung von Erwerbspotenzialen<br />

anzuregen. Hier sind insbesondere solche<br />

Aktivitäten im <strong>Dorf</strong> von Bedeutung, mit denen unternehmerische<br />

Eigeninitiativen unterstützt<br />

werden. Dazu gehören auch Maßnahmen zur nachhaltigen<br />

Energieversorgung.


Soziale und kulturelle Aktivitäten: Was haben wir<br />

erreicht – Was wollen wir?<br />

Die aktive Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger<br />

bei der Gesamtentwicklung des <strong>Dorf</strong>es stärkt<br />

das soziale und kulturelle Zusammenleben und<br />

verbessert die Lebensqualität im <strong>Dorf</strong>. So können<br />

Angebote und Einrichtungen im sozialen, kulturellen,<br />

ökologischen und sportlichen Bereich das<br />

Gemeinschaftsleben und die Integration von Einzelpersonen<br />

oder Gruppen aller Altersstufen<br />

fördern. Beispielhaft stehen hierfür das Vereinsleben,<br />

soziale und kirchliche Einrichtungen, Selbsthilfeleistungen,<br />

Gemeinschaftsaktionen, interkulturelle<br />

Aktivitäten sowie Initiativen, die den<br />

Zusammenhalt der <strong>Dorf</strong>gemeinschaft unterstützen<br />

und für jede Alters- und Bevölkerungsgruppe eine<br />

Perspektive für das Leben im <strong>Dorf</strong> erhalten.<br />

Baugestaltung und -entwicklung: Was haben wir<br />

erreicht – Was wollen wir?<br />

Baugestaltung und -entwicklung sowie raumsparendes<br />

Flächenmanagement sind wesentliche<br />

Elemente einer zukunftsorientierten <strong>Dorf</strong>entwicklung.<br />

Die Lebens- und Wohnqualität eines <strong>Dorf</strong>es<br />

sowie sein Charakter werden maßgeblich durch die<br />

Erhaltung, Pflege und Entwicklung der ortsbildprägenden<br />

Bausubstanz mitbestimmt. Dabei gilt es,<br />

die bauliche Innenentwicklung zu bevorzugen,<br />

neue Gebäude dem historischen Orts- und Landschaftscharakter<br />

anzupassen und Baugebiete in<br />

Abstimmung mit den Nachbarkommunen zu planen.<br />

Unter Beachtung der regional- und ortstypischen<br />

Bauformen und -materialien sollten traditionelle<br />

und moderne Elemente sinnvoll verzahnt<br />

werden. Die Gestaltung der privaten und öffentlichen<br />

Frei- und Verkehrsflächen prägt nachhaltig<br />

das Bild des <strong>Dorf</strong>es.<br />

Eine nachhaltige Raum- und Siedlungsentwicklung<br />

verlangt unter anderem den sparsamen und effizienten<br />

Umgang mit vorhandenen Flächen und den<br />

Einsatz umweltfreundlicher Materialien und<br />

Techniken. So trägt die Umnutzung ehemals landwirtschaftlich<br />

genutzter Gebäude zum Schutz der<br />

Ressourcen, zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme<br />

und zu einer zukunftsfähigen Entwicklung<br />

der ländlichen Räume bei.<br />

Grüngestaltung und -entwicklung: Was haben wir<br />

erreicht – Was wollen wir?<br />

Das Grün im <strong>Dorf</strong> und die dörfliche Gartenkultur<br />

prägen wesentlich die regionaltypischen Ortsbilder<br />

sowie die Wohn- und Lebensqualität im <strong>Dorf</strong>. Die<br />

Vernetzung mit der umgebenden Landschaft<br />

und die Förderung vielfältiger naturnaher Lebensräume<br />

haben Einfluss auf den Naturhaushalt. Da-<br />

bei sollte die regional- und dorftypische Tier- und<br />

Pflanzenwelt erhalten und entwickelt werden.<br />

Wesentliche Bedeutung für die Stärkung der<br />

Belange von Natur und Umwelt kommt dabei der<br />

Information und Motivierung der Bürger, der Initiierung<br />

von Eigenverantwortung und der Anregung<br />

zur aktiven Mitwirkung zu.<br />

Das <strong>Dorf</strong> in der Landschaft: Was haben wir erreicht –<br />

Was wollen wir?<br />

Die Gestaltung einer vielfältigen Kulturlandschaft<br />

unter Berücksichtigung einer umweltfreundlichen<br />

Landnutzung trägt zur Sicherung des Naturhaushalts<br />

bei. Deshalb sind die Einbindung des<br />

<strong>Dorf</strong>es in die Landschaft, die Gestaltung des Ortsrandes<br />

sowie die Erhaltung, Pflege und Entwicklung<br />

charakteristischer Landschaftsbestandteile<br />

und historische Kulturlandschaftselemente zu<br />

beachten. Die Vielfalt an naturnahen Landschaftsbestandteilen<br />

wie Hecken, Feldgehölzen, Teichen,<br />

Feuchtbiotopen sichert Lebensräume für Pflanzen<br />

und Tiere und kommt dem <strong>Dorf</strong> zugute. Vor dem<br />

Hintergrund des Klimawandels sind, dem Bodenschutz,<br />

dem Arten- und Biotopschutz sowie dem<br />

Erhalt der Moorstandorte besondere Aufmerksamkeit<br />

zu widmen.<br />

Gesamturteil<br />

Diese sechs Fachbewertungsbereiche werden gewichtet<br />

und vor dem Hintergrund der Ausgangslage<br />

und Einflussmöglichkeiten des <strong>Dorf</strong>es auf seine<br />

künftige Entwicklung beurteilt. In allen Bereichen<br />

sollen dabei die eigenständigen Leistungen der<br />

Bewohner bei der Entwicklung ihres <strong>Dorf</strong>es im<br />

Vordergrund stehen. Die Bewertungskommission<br />

berücksichtigt dabei die in der Anlage genannten<br />

Leitfragen.<br />

Um zu prüfen, ob die dargestellten Einzelmaßnahmen<br />

zu einem geschlossenen Gesamtbild zusammengeführt<br />

wurden, werden die Dörfer zusätzlich<br />

hinsichtlich der unter Nummer 1 genannten<br />

Querschnittskriterien (Inhalt und Ziele des Wettbewerbs)<br />

beurteilt.<br />

86


4. Organisation und<br />

Bewertungsverfahren – Wie<br />

läuft der Wettbewerb ab?<br />

Der Wettbewerb wird vom <strong>Bund</strong>esministerium für<br />

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

durchgeführt. Er steht unter der Schirmherrschaft<br />

des <strong>Bund</strong>espräsidenten.<br />

Bei der Durchführung des Wettbewerbs wirkt das<br />

BMELV mit den für den Wettbewerb in den<br />

Ländern zuständigen Ministerien, dem <strong>Bund</strong>esministerium<br />

für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung<br />

(BMVBS), dem <strong>Bund</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit (BMU) sowie<br />

Vertretern aus folgenden Behörden, Verbänden<br />

und Organisationen zusammen:<br />

ó <strong>Bund</strong> Deutscher Landschaftsarchitekten e.V.<br />

(BDLA)<br />

ó <strong>Bund</strong> Heimat und Umwelt in Deutschland (BHU)<br />

ó <strong>Bund</strong> der Deutschen Landjugend e.V. (BDL)<br />

ó <strong>Bund</strong>esverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau<br />

e.V.<br />

ó Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. (DGG)<br />

ó Deutscher Bauernverband e.V. (DBV)<br />

ó Deutscher LandFrauenverband e.V. (dlv)<br />

ó Deutscher Landkreistag (DLT)<br />

ó Deutscher Naturschutzring (DNR) e.V.<br />

ó Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB)<br />

ó Deutscher Verband für Landschaftspflege e.V.<br />

(DVL)<br />

ó Verband der Gartenbauvereine in Deutschland<br />

e.V. (VGiD)<br />

ó Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V.<br />

(ZDH)<br />

ó Zentralverband Gartenbau e.V. (ZVG)<br />

Die Bewertungskommission, die vom BMELV berufen<br />

wird, beurteilt die Leistungen der teilnehmenden<br />

Dörfer.<br />

Die Entscheidungen der Bewertungskommission<br />

sind endgültig. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen!<br />

5. Auszeichnungen –<br />

Was können die Gewinner<br />

erwarten?<br />

Den am <strong>Bund</strong>eswettbewerb teilnehmenden Gemeinden<br />

und Gemeindeteile (allgemein mit Dörfer<br />

bezeichnet) werden Gold-, Silber- und Bronzemedaillen<br />

sowie Urkunden verliehen.<br />

87<br />

Leitfragen für die Fachbewertungsbereiche<br />

Vorstellung<br />

ó Kurze Darstellung der Akteure und ihrer Aufgabenfelder:<br />

- Von wem ist die Initiative für die Teilnahme<br />

am Wettbewerb ausgegangen?<br />

- Wer macht was?<br />

ó Kommunaler Handlungsspielraum des <strong>Dorf</strong>es:<br />

- Was sieht die Kommunalverfassung vor?<br />

- Wie viel Planungs-/Gestaltungsspielraum <strong>hat</strong><br />

das <strong>Dorf</strong>?<br />

- Gibt es eine eigene „Ortsvertretung“?<br />

- Wie viele Ratsmitglieder vertreten das <strong>Dorf</strong> im<br />

Rat der Gemeinde?<br />

- Wie wird das <strong>Dorf</strong> von der Gemeinde, dem<br />

Landkreis im Wettbewerb unterstützt?<br />

1. Leitbild und Entwicklungskonzepte<br />

ó Gibt es eine <strong>Zukunft</strong>sperspektive, ein Leitbild<br />

oder Ziele für das <strong>Dorf</strong> ? Wenn ja,<br />

- wie werden Bürgerinnen und Bürger einbezogen?<br />

- wie werden Vereine, Verbände, Behörden und<br />

Unternehmen einbezogen?<br />

- ist der Prozess abgeschlossen, wird er weitergeführt?<br />

ó Sind die entwickelten Ansätze zukunftsfähig?<br />

- Werden die Stärken und Schwächen<br />

analysiert?<br />

- Wie wird die Bevölkerungsentwicklung<br />

berücksichtigt?<br />

- Wie wird die Entwicklung in der Region<br />

berücksichtigt?<br />

- Wie sind die Überlegungen mit anderen<br />

Akteuren in der Region abgestimmt?<br />

- Wie sind die Bewertungsbereiche 2 bis 6<br />

berücksichtigt?<br />

- Wie wird versucht, sich über eine Aufgabenverteilung<br />

mit Orten in der Umgebung abzustimmen?<br />

- Werden Kooperationen organisiert?<br />

- Wie wird mit natürlichen Ressourcen umgegangen?<br />

ó Wie erfolgt die Umsetzung der Konzepte?<br />

- Welchen Beitrag leisten die Akteure im <strong>Dorf</strong><br />

(Bürger und Bürgerinnen, Vereine, Verbände,<br />

Gemeinde und Unternehmen)?<br />

- Welche Vorhaben sind bereits realisiert?


2. Wirtschaftliche Entwicklung<br />

und Initiativen<br />

ó Welche Initiativen und Maßnahmen zur Gründung<br />

oder Unterstützung örtlicher Unternehmen<br />

werden ergriffen? Inwieweit stimmt sich das <strong>Dorf</strong><br />

mit den Nachbarkommunen ab?<br />

ó Welcher Beitrag wird zur Erhaltung oder Schaffung<br />

von Arbeits- und Ausbildungsplätzen<br />

sowie neuer Einkommensmöglichkeiten geleistet?<br />

ó Was wird zur Verbesserung der Verkehrssituation,<br />

insbesondere des Personennahverkehrs<br />

getan?<br />

ó Was wird zur Verbesserung der Telekommunikation<br />

(z. B. Realisierung von schnellen Internetanschlüssen)<br />

unternommen?<br />

ó Was wird im Bereich Naherholung, Tourismus<br />

(Alleinstellungsmerkmale, Wanderwegenetz,<br />

Buchungsmöglichkeiten, Vernetzung) getan?<br />

ó Was wird getan zur Erhaltung etwa von Lebensmittelgeschäften,<br />

Gaststätten, etc.?<br />

ó Wie unterstützen die Unternehmen die Entwicklung<br />

im <strong>Dorf</strong> (z. B. Sponsoring, Vereinsleben)?<br />

ó Was wird getan zur Verbesserung einer nachhaltigen<br />

Energieversorgung (Blockheizkraftwerk,<br />

Solarkollektoren etc.)?<br />

ó Welche Initiativen zur Erweiterung der Einkommensmöglichkeiten<br />

(Diversifizierung) bestehen?<br />

ó Wie präsentiert sich das <strong>Dorf</strong> im Internet?<br />

3. Soziale und kulturelle Aktivitäten<br />

ó Welche generationen-, geschlechtsspezifischen<br />

oder generationenübergreifenden Einrichtungen<br />

bestehen? Wie werden diese durch Initiativen<br />

zur Begegnung des demografischen Wandels<br />

unterstützt?<br />

ó Wie tragen Vereine, Jugendgruppen, Bürgerinitiativen<br />

u. a. zum <strong>Dorf</strong>leben und <strong>Dorf</strong>entwicklung<br />

bei?<br />

ó Was wird getan, um Jugendliche in das <strong>Dorf</strong>- und<br />

Vereinsleben zu integrieren und an das <strong>Dorf</strong> zu<br />

binden?<br />

ó Was wird zur Verbesserung der Kinder- und<br />

Jugendbetreuung getan?<br />

ó Welche Aktivitäten zur Verbesserung der Familienfreundlichkeit<br />

bestehen?<br />

ó Wird mit benachbarten Einrichtungen (Krippen,<br />

Kindertagesstätten, Schulen) zusammengearbeitet?<br />

ó Welche Zusammenarbeit gibt es mit Nachbarorten/<br />

-gemeinden bei der Sicherung der sozialen<br />

Infrastruktur?<br />

ó Wie werden Neubürger sowie Bürgerinnen und<br />

Bürger aus anderen Kulturkreisen integriert?<br />

ó Was wird zur Vermittlung von <strong>Dorf</strong>geschichte<br />

und zur Förderung oder Erhaltung von <strong>Dorf</strong>traditionen/Brauchtum<br />

getan?<br />

ó Wie wird das Ehrenamt gewürdigt?<br />

4. Baugestaltung und -entwicklung<br />

ó Was wird unternommen,<br />

- um die charakteristischen Elemente des <strong>Dorf</strong>es<br />

und des <strong>Dorf</strong>bildes zu erhalten und zu<br />

gestalten (Zusammenspiel von alter und neuer<br />

Bebauung, Wegen und Plätzen)?<br />

- um neue Wohn- und Gewerbegebiete baulich<br />

und gestalterisch als organische Weiterentwicklung<br />

des <strong>Dorf</strong>es einzubinden?<br />

- um Gebäudesanierungen unter energetischen<br />

Gesichtspunkten zu realisieren?<br />

- um das <strong>Dorf</strong> barrierefrei zu gestalten?<br />

- um ungenutzte landwirtschaftliche oder<br />

andere Bausubstanz für andere Zwecke weiterzunutzen<br />

(Umnutzung) oder zurückzubauen?<br />

- um nachhaltige Energiegewinnung dem<br />

<strong>Dorf</strong>bild entsprechend einzubinden?<br />

ó Was wird zur Erhaltung, Pflege und Nutzung<br />

ortsbildprägender historischer Gebäude und<br />

Gebäudeensembles getan?<br />

- Sind Baudenkmale sachgerecht saniert?<br />

- Sind Neubauten harmonisch in das Ortsbild<br />

eingepasst (Ensemblesituation)?<br />

- Ist bei Renovierung und Sanierung im Bestand<br />

ortstypisches, umweltfreundliches Material<br />

verwendet worden?<br />

- Gibt es einen Ordnungsrahmen wie z. B. eine<br />

Ortsgestaltungssatzung oder einen Bebauungsplan?<br />

Was bewirkt dieser Rahmen?<br />

ó In welchem Zustand sind gemeinschaftlich genutzte<br />

Gebäude und Anlagen (z. B.: Schulen,<br />

Spiel- und Sportanlagen, <strong>Dorf</strong>platz, Brunnen,<br />

88


89<br />

Denkmale etc.)? Was wird – von wem – zur Verbesserung<br />

getan?<br />

ó Wie wird mit vorhandenen Flächen umgegangen?<br />

- Wird die Siedlungsentwicklung flächensparend<br />

und schlüssig aus der Bauleitplanung<br />

abgeleitet?<br />

- Liegt der Bebauungsplanung sowie der<br />

Straßen- und Platzgestaltung ein funktional<br />

durchdachtes und in der Materialwahl dorfgerechtes<br />

Konzept zugrunde?<br />

- Wie <strong>hat</strong> das <strong>Dorf</strong> auf den/die Bebauungsplan /<br />

-pläne Einfluss genommen?<br />

- Welche Rolle spielt die Innenentwicklung des<br />

<strong>Dorf</strong>es gegenüber der Ausweisung von Neubau-<br />

flächen?<br />

- Wird der Straßenraum dorfgemäß gestaltet?<br />

Werden Einzäunungen, Bepflanzungen,<br />

Pflasterungen, Beschilderung etc. hinsichtlich<br />

Farbe, Material und Form bewusst gewählt?<br />

5. Grüngestaltung und -entwicklung<br />

ó Nach welchen Prinzipien erfolgt die Grüngestaltung<br />

der privaten und öffentlichen Flächen<br />

des Ortes?<br />

- Entspricht die Freiraumgestaltung (u. a. <strong>Dorf</strong>platz,<br />

Teich) dem dörflichen Charakter?<br />

- Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl<br />

der Pflanzenarten und -sorten für die Gestaltung<br />

des <strong>Dorf</strong>platz-, Friedhofs- und Straßenbegleitgrüns?<br />

- Ist die Flächengestaltung und -pflege umweltorientiert?<br />

- Werden herausragende Elemente der Grüngestaltung<br />

(z. B. Naturdenkmale, Friedhöfe)<br />

adäquat gepflegt?<br />

- Ist die Grüngestaltung den Bürgern ein Anliegen?<br />

ó Wie geht der Ort mit naturnahen ökologischen<br />

Lebensräumen oder historischen Kulturlandschaftselementen<br />

um?<br />

- Wie werden die Besonderheiten der Lebensräume<br />

und Elemente berücksichtigt?<br />

- Wie werden diese in die Grüngestaltung des<br />

Ortes eingebunden?<br />

- Was wird zur Erhaltung seltener Tier- und<br />

Pflanzenarten getan?<br />

- Wie werden die ökologisch oder kulturhistorisch<br />

wertvollen Flächen (Gewässer,<br />

Trockenmauern, Hecken etc) gepflegt und<br />

bewirtschaftet?<br />

ó Wie werden vom öffentlichen Raum aus einsehbare<br />

Zier-, Wohn- und Nutzgärten sowie<br />

Schulgärten gestaltet, genutzt und gepflegt?<br />

- Was wird unternommen, um deren Eindruck<br />

zu verbessern?<br />

- Passen diese in das Ortsbild (Ensemblesituation)?<br />

- Werden heimische Arten gefördert oder findet<br />

sich vorwiegend das aus städtischen Vororten<br />

bekannte pflegeleichte „Abstandsgrün“?<br />

6. Das <strong>Dorf</strong> in der Landschaft<br />

ó Wie fügt sich das <strong>Dorf</strong> in die Landschaft ein?<br />

- Passen sich Neubauten bezüglich Baugestaltung,<br />

Farb- und Materialwahl sowie Maßstäblichkeit<br />

der Landschaft an?<br />

- Wie fügt sich die Bebauung harmonisch in die<br />

Landschaft ein (z. B. Eingrünung mit standort-<br />

gerechten Gehölzen)?<br />

- Sind landwirtschaftliche oder gewerbliche<br />

Betriebe außerhalb der Ortslage z. B. durch<br />

Bepflanzung in die Umgebung eingebunden?<br />

- Was wird unternommen, um Verbesserungen<br />

zu erreichen?<br />

ó Wie werden die Wege am <strong>Dorf</strong>rand gestaltet?<br />

Welche Maßnahmen zum Schutz von Kulturlandschaftselementen<br />

werden unternommen?<br />

ó Welche Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt<br />

und des Biotopschutzes werden durchgeführt?<br />

- Werden Naturschutzmaßnahmen auf der<br />

Grundlage von Landschaftsplänen oder Grünordnungsplänen<br />

entwickelt?<br />

- Werden die Lebensbedingungen für die<br />

heimische Tierwelt (Eulen, Singvögel, Bienen,<br />

Schmetterlinge etc.) verbessert, z. B. durch<br />

bewusste Erhaltung von Biotopen oder<br />

durch die Schaffung von Rückzugsgebieten<br />

oder neuen Lebensräumen (Hecken, Einzelbäume,<br />

Trockenmauern, Höhlen, Tümpel etc.)?<br />

- Wie werden Gewässer und Teiche sowie ihre<br />

Uferbereiche naturnah gestaltet und entsprechend<br />

unterhalten?<br />

- Welche Ansätze zur Biotopvernetzung gibt es?<br />

- Werden die genannten Aktivitäten in<br />

wirtschaftliche Überlegungen einbezogen<br />

(Naturtourismus, Regionalvermarktung)?<br />

- Werden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für<br />

Eingriffe in Natur und Landschaft eingesetzt?<br />

- Wie wird die Jugend an das Thema herangeführt?<br />

ó Wie stimmt sich das <strong>Dorf</strong> mit den Nachbarkommunen<br />

ab?


Teilnehmerzahlen <strong>1961</strong> bis 2010<br />

<strong>1961</strong> 1963 1965 1967 1969 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989<br />

BW 79 62 74 72 107 82 141 561 718 703 611 598 549 519 469<br />

BY 800 834 6<strong>50</strong> 786 1088 1107 1183 1303 1117 1163 1397 1920 1492 1787 1585<br />

BE<br />

BB<br />

HE 355 619 845 454 535 276 392 470 409 390 311 311 281 220 220<br />

MV<br />

NI 29 20 87 92 327 408 467 <strong>50</strong>4 401 579 625 626 706 597 686<br />

NW 30 112 375 536 605 801 830 933 1106 11<strong>50</strong> 1190 1197 1239 1298 1356<br />

RP 433 1053 1065 863 892 10<strong>50</strong> 8<strong>50</strong> 857 791 774 814 748 836 771 696<br />

SL 42 70 71 81 103 110 139 155 176 162 166 169 130 130 121<br />

SN<br />

ST<br />

SH 202 254 280 260 275 246 220 183 232 232 210 232 265<br />

TH<br />

Gesamt 1970 3024 3447 3144 3932 4080 4222 4966 4718 5153 5346 5779 5465 5322 5398<br />

Weitere Informationen zum <strong>Bund</strong>eswettbewerb und<br />

den Landeswettbewerben:<br />

ó <strong>Bund</strong>esministerium für Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

www.dorfwettbewerb.bund.de<br />

ó Ministerium für Ländlichen Raum<br />

und Verbraucherschut des Landes<br />

Baden-Württemberg<br />

www.mlr.baden-wuerttemberg.de<br />

ó Bayerisches Staatsministerium für Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Forsten<br />

www.stmelf.bayern.de<br />

ó Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft<br />

des Landes Brandenburg<br />

www.mil.brandenburg.de<br />

ó Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr<br />

und Landesentwicklung<br />

www.wirtschaft.hessen.de<br />

ó Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und<br />

Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

www.regierung-mv.de<br />

ó Niedersächsisches Ministerium für Ernährung,<br />

Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung<br />

www.ml.niedersachsen.de<br />

www.dorfwettbewerb.niedersachsen.de<br />

90


1991 1993 1995 1998 2001 2004 2007 2010 Gesamt Gold Silber Bronze Plakette<br />

439 307 205 558 420 188 147 137 7746 23 29 11<br />

1493 1303 1007 977 1025 973 635 513 26138 68 47 20<br />

91<br />

1 1 1<br />

6 176 232 186 194 142 129 66 1131 6 8 1<br />

189 175 169 155 305 228 173 200 7682 17 26 16<br />

12 137 180 188 257 94 868 4 4 3 2<br />

616 627 553 535 533 470 374 309 10171 40 28 11<br />

1343 1330 1252 1213 1153 1090 1042 1044 22225 55 52 29<br />

626 588 585 426 409 669 562 516 16874 34 45 26<br />

112 112 109 94 102 92 102 80 2628 15 12 10<br />

7 236 225 254 268 264 116 129 1499 5 6 5 2<br />

25 328 366 440 324 240 180 139 2042 2 7 11 2<br />

177 154 110 103 85 84 27 3831 7 15 10<br />

171 327 451 444 175 177 124 76 1945 6 5 7 2<br />

5216 5<strong>50</strong>9 5308 5529 5191 4807 3925 3330 104781 276 283 167 9<br />

Weitere Informationen zum <strong>Bund</strong>eswettbewerb und<br />

den Landeswettbewerben:<br />

ó Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,<br />

Natur- und Verbraucherschutz des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

www.dorfwettbewerb.de<br />

www.umwelt.nrw.de<br />

ó Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur<br />

www.isim.rlp.de<br />

ó Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft des<br />

Saarlandes<br />

www.saarland.de/ministerium_wirtschaft_wissenschaft.htm<br />

ó Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und<br />

Landwirtschaft<br />

www.smul.sachsen.de<br />

ó Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des<br />

Landes Sachsen-Anhalt<br />

www.mlu.sachsen-anhalt.de<br />

ó Ministerium für Ernährung, Umwelt und Ländliche<br />

Räume des Landes Schleswig-Holstein<br />

www.mlur.schleswig-holstein.de<br />

ó Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten,<br />

Umwelt und Naturschutz<br />

www.thueringen.de


Herausgeber<br />

<strong>Bund</strong>esministerium für Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V.<br />

Redaktion<br />

Dr. Lutz Wetzlar,<br />

unter Mitarbeit von: Erwin Beyer, Sören Bronsert, Monique Kluge und Helmut Wagner<br />

Text<br />

Alle Texte sind mit den Namen der Autoren gekennzeichnet<br />

Gestaltung<br />

design_idee_erfurt<br />

Druck<br />

BMELV<br />

Stand<br />

September <strong>2011</strong><br />

Foto/Bildnachweis<br />

Alle Fotorechte liegen beim Verfasser der jeweiligen Beiträge, soweit nicht anders vermerkt:<br />

Dr. Lutz Wetzlar, Slg. Wedekin, Archiv der DGG, Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck/Kreisarchiv Tuttlingen,<br />

Freilichtmuseum Beuren, Museum des Landkreises Esslingen für ländliche Kultur, Heimatverein<br />

Verlar, MELVL NDS, Ortschaftsverwaltung Hollerbach, Andreas Schölch, Lieberhausen, SLULG, Hardy<br />

Gertz, Rieth, Dr. Christian Linke, Schmöger, Thierhaupten, Christina Schulze-Bisping, Sören Bronsert,<br />

Bleichstetten, Werner Oeldorf, KernPlan, Gersbach, Latrop, Christian Schwier/Fotolia.com, Ritzinger,<br />

Banzkow, Brokeloh, BMELV/Walkscreen, Innovationszentrum Sternenfels, Ortsmitte Diefenbach 1977,<br />

Tiefengruben, Europäische ARGE, Hartmann-Seeber/Actionfilm.<br />

Mit freundlicher Unterstützung der Landwirtschaftlichen Rentenbank<br />

Diese und weitere Publikationen des BMELV können Sie kostenlos bestellen:<br />

Internet: www.bmelv.de Y Service Y Publikationen<br />

E-Mail: publikationen@bundesregierung.de<br />

Fax: 01805-77 80 94 (Festpreis 14 Ct/Min, abweichende Preise a.d. Mobilfunknetzen möglich)<br />

Tel.: 01805-77 80 90 (Festpreis 14 Ct/Min, abweichende Preise a.d. Mobilfunknetzen möglich)<br />

Schriftlich: Publikationsversand der <strong>Bund</strong>esregierung<br />

Postfach 48 10 09 | 18132 Rostock<br />

oder bei der<br />

Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V.,<br />

Claire Waldoff-Straße 7, 10117 Berlin,<br />

Tel: 030-28 09 34 25, E-Mail: info@dgg1822.de<br />

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.bmelv.de<br />

Diese Broschüre wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der <strong>Bund</strong>esregierung kostenlos herausgegeben. Sie darf weder von Parteien<br />

noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt<br />

für Europa-, <strong>Bund</strong>estags-, Landtags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an<br />

Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel.<br />

Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher<br />

Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer<br />

Weise verwendet werden, die als Parteinahme der <strong>Bund</strong>esregierung zu Gunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!