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1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen Beschluss

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<strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong><br />

beim Regierungspräsidium Leipzig<br />

1/SVK/69-00<br />

In dem Nachprüfungsverfahren<br />

<strong>Beschluss</strong><br />

betreffend die Ausschreibung der ... zum Neubau eines Verwaltungsgebäu<strong>des</strong>, Los Hochbau<br />

Verfahrensbeteiligte:<br />

<strong>1.</strong> ..., vertreten durch den Geschäftsführer ...<br />

Verfahrensbevollmächtigte: ...<br />

2. ..., vertreten durch die ...<br />

Verfahrensbevollmächtigte: ...<br />

3. ..., vertreten durch den Geschäftsführer<br />

Verfahrensbevollmächtigte...<br />

hat die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> nach mündlicher Verhandlung vom<br />

10.08.2000 durch den Vorsitzenden Regierungsoberrat Fett, die hauptamtliche Beisitzerin<br />

Regierungsoberrätin Kriegesmann sowie den ehrenamtlichen Beisitzer Rechtsanwalt Dr.<br />

Dammert beschlossen:<br />

-Antragstellerin-<br />

-Auftraggeberin-<br />

-Beigeladene-<br />

<strong>1.</strong> Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeberin<br />

wird aufgegeben, das Angebot der Beigeladenen vom Wettbewerb auszuschließen.<br />

2. Der Auftraggeberin wird ferner aufgegeben, den Zuschlag auf das nach der stattgefundenen<br />

Wertung der Angebote wirtschaftlichste Angebot der Antragstellerin zu erteilen.<br />

3. Die Auftraggeberin hat die Kosten (Gebühren und Auslagen) <strong>des</strong> Verfahrens 1/SVK/69-00<br />

einschließlich der Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.<br />

4. Die Gebühr <strong>des</strong> Verfahrens wird auf 5.000,-- DM festgesetzt.<br />

5. Die Auftraggeberin hat die Kosten (Gebühren und Auslagen) <strong>des</strong> Gestattungsverfahrens<br />

1/SVK/69-00g zu tragen.<br />

6. Die Gebühr dieses Verfahrens wird auf 2.500,-- DM festgesetzt.<br />

7. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.


2<br />

Gründe<br />

Nachdem die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> der Auftraggeberin mit <strong>Beschluss</strong><br />

1/SVK/4-00 vom 22.02.2000 aufgegeben hatte, das Vergabeverfahren zum auch hier streitigen<br />

Los Hochbau aufzuheben, schrieb die Auftraggeberin dies erneut im Offenen Verfahren<br />

aus. Die Bekanntmachung erschien im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften<br />

sowie am 28.04.2000 im Sächsischen Ausschreibungsblatt. Bietergemeinschaften<br />

sowie Nebenangebote und Änderungsvorschläge waren nicht zugelassen. Als Eignungskriterium<br />

war unter anderem festgelegt: „Der Bieter muss nachweisen, dass er in der Lage ist, die<br />

Leistung überwiegend selbst zu erbringen“. Als Zuschlagskriterium war benannt: „Das niedrigste<br />

Angebot ist nicht entscheidend, sondern das wirtschaftlichste“. Bis zum Ablauf der Angebotsfrist<br />

am 20.06.2000 gaben 25 Bieter, darunter auch die Antragstellerin und die Beigeladene<br />

ein Angebot ab. Die Zuschlagsfrist war auf den 19.07.2000 festgesetzt. Diese wurde<br />

inzwischen verlängert. Nach der Submission wurde festgelegt, dass bei der Erarbeitung der<br />

geprüften Submissionsliste die Nachlässe (wenn zutreffend) zunächst nicht eingerechnet werden<br />

sollten. Dies sollte bei der Wertung erfolgen.<br />

Die Auswahl <strong>des</strong> engeren Bieterkreises erfolgte laut Vermerk vom 30.06.2000 durch Eingrenzung<br />

<strong>des</strong> Auftraggebers auf Angebote, die unter einer Summe von 2,X Mio. DM lagen. Danach<br />

standen im engeren Bieterkreis die Beigeladene (mit einer geprüften Angebotssumme<br />

von 2.XXX.XXX,XX DM sowie einem Nachlass von pauschal 1XX.XXX DM) an erster<br />

Stelle, nach zwei weiteren Firmen die Antragstellerin an 4. Stelle (mit einer geprüften Angebotssumme<br />

von 2.XXX.XXX,XX DM abzüglich 3 % Nachlass). Mit diesen Firmen wurden<br />

am 05.07. und 06.07.2000 (Beigeladene) Bietergespräche geführt. Es sollte die Fachkunde,<br />

Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit sowie die technische Fach- und Sachkunde der Bieter<br />

geprüft werden. Bei der technischen Fach- und Sachkunde war wesentliches Kriterium die<br />

Bauzeit und das zur Anwendung kommende Schalungsverfahren. Im Protokoll über das Bietergespräch<br />

mit der Beigeladenen ist vermerkt: „Achtung: Durch Herrn ... wurde angesagt,<br />

dass irrtümlich ein Nachlass von 1XX.XXX,-- DM netto auf die Gesamtangebotssumme angeboten<br />

wurde. Dieser Nachlass kann nicht mehr gewährt werden“. Dazu erklärte ein Vertreter<br />

der Auftraggeberin telefonisch, er habe diese Bemerkung lediglich zur Kenntnis genommen.<br />

Sie habe aber die Absicht, bei einer Zuschlagserteilung den Nachlass zu fordern. In der<br />

mündlichen Verhandlung äußerte die Beigeladene, es habe sich um eine Erklärung außerhalb<br />

<strong>des</strong> Protokolls gehandelt; sie habe nicht gesagt, dass sie den Nachlass nicht mehr gewähren<br />

werde, sondern lediglich bemerkt, dass dem Angebot irrtümlich das Vorblatt aus der ersten<br />

Ausschreibung beigeheftet wurde. In diesem Verfahren hatte sie ebenfalls für den Fall der<br />

Auftragserteilung einen pauschalen Nachlass von 1XXX.XXX DM angeboten. Die Auftraggeberin<br />

bestätigte dies ausdrücklich. Trotz der nur knappen Darstellung im Protokoll sei - so<br />

Auftraggeberin und Beigeladene übereinstimmend - von der 1 ½ stündigen Dauer <strong>des</strong> Bietergesprächs<br />

eine Stunde über das Zustandekommen <strong>des</strong> Preises diskutiert worden. Dabei sei<br />

zwar nicht das Wort „Unterangebot“ gefallen, jedoch habe die Beigeladene auf entsprechende<br />

Nachfrage die Antwort erhalten, der sehr günstige Preis <strong>des</strong> Angebots sei aufzuklären.<br />

Nach den Bietergesprächen hatte sich der Kreis der in die engere Wahl kommenden Bieter<br />

unter Einbeziehung von Nachlassgewährungen auf die Antragstellerin (Platz 2) und die Beigeladene<br />

(Platz 1) beschränkt. Mit Telefax vom 10.07.2000 teilte die Auftraggeberin auf<br />

Wunsch eines Bieters allen Bietern mit, dass die Beigeladene für die Zuschlagserteilung vor-<br />

I.


gesehen sei. Ein Vergabevermerk, aus welchem sich ergibt, warum die anderen Bieter der<br />

engeren Wahl ausschieden bzw. warum auf das Angebot der Beigeladenen der Zuschlag erteilt<br />

werden soll, fand sich in den übergebenen Unterlagen nicht.<br />

Mit Fax vom 13.07.2000 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung und<br />

äußerte, bei dem Angebot der Beigeladenen handele es sich um ein Unterangebot. Der Abstand<br />

zum nächstgünstigsten Bieter betrage mehr als 10 %, weshalb ein entsprechender Verdacht<br />

zu prüfen sei. Sie vermute, dass die Beigeladene durch Einsicht in das Submissionsergebnis<br />

vom 20.0<strong>1.</strong>2000 (bei der vorherigen Ausschreibung) versucht habe, das billigste Angebot<br />

abzugeben, nachdem sie die anderen Angebotssummen kannte. Sie forderte die Auftraggeberin<br />

auf, ihr als zweitbester Bieterin den Zuschlag zu erteilen und forderte eine Bestätigung<br />

bis zum 17.07.2000. An diesem Tag erwiderte die Auftraggeberin per Fax, dass sie an<br />

ihrer Entscheidung über den Zuschlag fest halte.<br />

Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Fax vom 17.07.2000 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.<br />

Sie trug vor, mit der Bezuschlagung der Beigeladenen verstoße die Auftraggeberin<br />

gegen den von ihr selbst aufgestellten Grundsatz, dass das niedrigste Angebot<br />

nicht allein entscheidend sei. Die Auftraggeberin müsse das Angebot der Beigeladenen gem.<br />

§ 25 Nr. 3 VOB/A, § 97 Abs. 5 GWB ausschließen.<br />

Die Antragstellerin hat folgende Anträge gestellt:<br />

<strong>1.</strong> Festzustellen, daß die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist.<br />

2. Die Antragsgegnerin anzuweisen, den Zuschlag nicht auf das Angebot der ..., sondern auf<br />

das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.<br />

3. Einsicht in die Vergabeakten gemäß § 111 Abs. 1 GWB zu gewähren.<br />

4. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.<br />

5. Die Kosten <strong>des</strong> Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen.<br />

Zur weiteren Begründung führt sie aus:<br />

Es handele sich bei diesem Angebot um ein Unterangebot. Dies sei dadurch gekennzeichnet,<br />

dass die angebotenen Preise nicht auskömmlich seien. Es bestehe ein offenbares Missverhältnis<br />

zwischen der angebotenen Leistung und dem hierfür verlangten Preis. Anhaltspunkte hierfür<br />

seien ein Abweichen von der Preisvorstellung <strong>des</strong> Auftraggebers und die Angebotssummen<br />

der anderen Bieter. Die Angebotsendsumme <strong>des</strong> Angebots der Beigeladenen unterschreite<br />

diejenige der an zweiter Stelle liegenden Antragstellerin um mehr als 10 %. Eine Zuschlagserteilung<br />

auf ein besonders niedriges Angebot könne nur dann erfolgen, wenn es hierfür<br />

einen sachlichen Grund gebe. Ein solcher liege nicht vor. Das Angebot der Beigeladenen<br />

bei der vorherigen Ausschreibung habe mit 2,XX Mio. DM nicht wesentlich günstiger als die<br />

übrigen Angebote gelegen. Die Leistungsbeschreibung habe sich zwar verändert, da die Mengen<br />

an Stahlbewehrungen reduziert wurden, gleichzeitig seien aber Putz- und Estricharbeiten<br />

mit aufgenommen worden. Die Änderung <strong>des</strong> Leistungsumfangs sei daher gering. Auch der<br />

geringere Stundensatz zeige, dass die Beigeladene den tatsächlichen Arbeitsaufwand zu verheimlichen<br />

versuche, um auf diese Art einen Spekulationspreis abzugeben.<br />

Ferner kritisiert die Antragstellerin, dass die Auftraggeberin sich geweigert habe, das Ergebnis<br />

der Bietergespräche zu protokollieren.<br />

3


Die Antragstellerin nahm am 26.07.2000 Akteneinsicht in dem von der <strong>Vergabekammer</strong> eröffneten<br />

Umfang.<br />

Mit Fax vom 28.07.2000 nahm die Auftraggeberin zu dem Nachprüfungsantrag Stellung. Sie<br />

legte dar, dass es sich bei dem Angebot der Beigeladenen nicht um ein Unterangebot handelte.<br />

Bei der Prüfung und Wertung der Angebote hätten alle Bieter gemeinsam mit dem Angebot<br />

sämtliche Kalkulationsgrundlagen offen gelegt. Diese seien überprüft und insbesondere<br />

während <strong>des</strong> Bietergespräches erörtert worden. Aus der Gesamtpreisabweichung von 14 %<br />

lasse sich nicht schließen, dass das Angebot der Beigeladenen nicht auskömmlich sei. Ausschlag<br />

gebend sei vielmehr der Einsatz eines großflächigen Schalungssystems und fahrbarer<br />

Schalungstische. Diese verringerten den zeitlichen Aufwand bei Auf- und Abbau und Umsetzung;<br />

folglich sei auch der finanzielle Aufwand geringer. Ein Ausschluss der Beigeladenen<br />

wegen eines nachgewiesenen Unterangebots sei nicht möglich.<br />

Die Bezugnahme auf das Angebot der Beigeladenen im vorausgegangenen Verfahren sei fehlerhaft:<br />

Wegen eines gewährten Nachlasses habe die Angebotssumme der Beigeladenen bei<br />

2.XXX.XXX,XX DM gelegen, die Antragstellerin habe die ausgeschriebene Leistung seinerzeit<br />

für 2.XXX.XXX,XX DM angeboten. Auch bei ihr liege also eine Diskrepanz zwischen<br />

dem früheren und dem jetzigen Angebot vor. Letztlich laufe es auf die Unterstellung hinaus,<br />

bereits im ersten Angebot habe die Beigeladene an der unteren Grenze der Auskömmlichkeit<br />

kalkuliert.<br />

Mit Fax vom 03.08.2000 äußerte sich auch die Beigeladene zum Verfahren. Auch sie legte<br />

dar, warum es sich bei ihrem Angebot nicht um ein Unterangebot handele. Im Einzelnen: Die<br />

Beigeladene unterhalte einen Bauhof in einer Entfernung von ca. 500 m Luftlinie von der<br />

künftigen Baustelle. Dies wirke sich positiv auf die Kosten der Baustelleneinrichtung sowie<br />

auch auf die Transport- und Personalkosten aus. Weitere Kostenvorteile erziele die Beigeladene<br />

dadurch, dass sie das einzusetzende Schalungssystem bereits abgeschrieben habe. Die<br />

Nachfrage, wie hoch der Abschreibungssatz sei, konnte sie nicht beantworten. Darüber hinaus<br />

habe sie, wie auch im Bietergespräch besprochen, bereits einen genauen Plan für die Durchführung<br />

der Rohbauarbeiten ausgearbeitet, so dass eine erhöhte Produktivität für die kalkulierten<br />

Lohnstunden anzusetzen sei. In dem Protokoll <strong>des</strong> Bietergesprächs mit der Beigeladenen<br />

finden sich derartige Aussagen allerdings nicht.<br />

Mit <strong>Beschluss</strong> vom 08.08.2000 lehnte die <strong>Vergabekammer</strong> den Antrag der Auftraggeberin<br />

vom 28.07.2000 auf vorherige Gestattung <strong>des</strong> Zuschlags ab.<br />

Mit weiteren Schriftsätzen vom 09.08., 23.08. und 07.09.2000 nahm die Antragstellerin ergänzend<br />

wie folgt Stellung: Das Angebot der Beigeladenen hätte schon aus formalen Gründen<br />

gem. § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen werden müssen. Dies folge zum einen aus § 21 Nr. 1<br />

Abs. 1 i. V. m. § 25 Nr. 1 lit a VOB/A. Das Angebot der Beigeladenen sei auszuschließen, da<br />

das Angebot (ohne Nachlass) dem Verhandlungsleiter im Eröffnungstermin nicht rechtzeitig<br />

vorgelegen habe. Das Angebot samt Nachlass in Höhe von 1XX.XXX,- DM habe die Beigeladene<br />

einseitig zurückgenommen. Somit liege ein einseitig zurückgenommenes Angebot,<br />

verbunden mit der Vorlage eines neuen, verspäteten Angebots vor. Das Angebot sei - wegen<br />

der Unklarheiten bezüglich der Gewährung <strong>des</strong> Nachlasses - nicht eindeutig (§§ 21 Nr. 1 Abs.<br />

1, § 25 Nr. 1 lit b VOB/A). Zudem habe die Beigeladene den Beweis nicht erbracht, dass sie<br />

die Leistung, wie die Eignungskriterien festlegten, überwiegend im eigenen Betrieb erbringe.<br />

Hierzu bezieht sie sich auf den Vermerk im Bietergespräch, der festlegt, dass die Beigeladene<br />

„ca. 50 %“ <strong>des</strong> Auftrags an Fremdfirmen vergibt. Hierzu befragt, erwiderte die Auftraggeberin,<br />

es sei erwogen worden, ob die Beigeladene in dieser Hinsicht die Eignungskriterien erfülle.<br />

Nach nochmaliger Durchsicht der Ausschreibungsbedingungen habe man aber an Hand<br />

4


der dort gewählten Formulierung „Der Bieter muss nachweisen, dass er in der Lage ist, die<br />

Leistung überwiegend selbst zu erbringen“ einen zwingenden Ausschluss <strong>des</strong> Angebots der<br />

Beigeladenen nicht für gerechtfertigt gehalten. Gerade vor dem Hintergrund, dass Bietergemeinschaften<br />

ausgeschlossen gewesen seien, bestünde ein erhöhter Bedarf an Subunternehmerleistungen.<br />

Bei der Vorbereitung der Bietergespräche war eine entsprechende Nachfrage<br />

jedoch vorgesehen. Die Antragstellerin führte ferner aus, dass es auch Bedenken an der Zuverlässigkeit<br />

der Beigeladenen gebe, was sie aus der Nachverhandlung bezüglich <strong>des</strong> Nachlasses<br />

und der widersprüchlichen Angaben zur Erbringung der Schalungsleistungen schließt.<br />

Das Angebot der Beigeladenen halte aber auch den Anforderungen der nächsten Wertungsstufe<br />

nicht Stand, denn es bestünden deutliche Anzeichen dafür, dass es sich um ein Unterangebot<br />

handele. Diese Vermutung sei durch den Vortrag von Auftraggeberin und Beigeladener<br />

nicht widerlegt. Trotz erneuter Stellungnahme der Beigeladenen habe sie keine sachlichen<br />

Gründe aufgeführt, die den unangemessen niedrigen Preis rechtfertigen könnten. Der Ansatz<br />

von lediglich 7.400 Stunden für die Bauausführung (alle anderen zum Bietergespräch geladenen<br />

Bieter lagen teils deutlich über 10.000 Stunden) könne sich nicht durch das Argument<br />

erklären, dass die Beigeladene großflächige, mobile Schalungstische einsetze, insbesondere<br />

für das Betonieren der Decken. Auch die Nähe zum Ausführungsort rechtfertige nicht eine 20<br />

%ige Preisdifferenz. Dem gemäß sei das Angebot der Beigeladenen auch gemäß § 25 Nr. 3<br />

Abs. 1 VOB/A zwingend von der Wertung auszuschließen gewesen. Die Erklärung der Beigeladenen,<br />

sie setze ein eigenes Schalungssystem ein, sei nicht schlüssig. Im Bietergespräch<br />

habe sie auf die Frage, welches Schalungssystem zum Einsatz kommen solle, alle gängigen<br />

Systeme aufgezählt. In späteren Schriftsätzen habe die Beigeladene demgegenüber behauptet,<br />

dass DOKA-Schalungstische angemietet würden. Dies widerspreche der Einlassung, ein eigenes<br />

System einzusetzen. Der Vorteil, den die Beigeladene durch Abschreibungen bei den<br />

Schalungstischen erlangt haben wolle, sei daher entkräftet, trete im übrigen in gleicher Größe<br />

bei anderen Bietern mit eigenen Schalungssystemen auf.<br />

Im Hinblick darauf, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen sei, müssten<br />

aber auch andere Faktoren als der Preis einzubeziehen sein, wie etwa die Bauzeit. Hier widersprächen<br />

die niedrigen Stundenlohnansätze der Aussage der Beigeladenen im Bietergespräch,<br />

es sei mit einer Bauzeit von 3,5 bis 4,5 Monaten zu rechnen.<br />

Im übrigen liege eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Zuschlagserteilung zugunsten<br />

der Antragstellerin vor. Die Auftraggeberin habe eine abschließende Bewertung der<br />

Angebote vorgenommen, was sich aus dem abschließenden Protokoll <strong>des</strong> Bauausschusses<br />

vom 10.07.2000 ergäbe. Danach sei eine andere Vergabe als an die Antragstellerin oder die<br />

Beigeladene nicht begründbar.<br />

Der von der Antragstellerin zur mündlichen Verhandlung gestellte Beistand, ... von der ...,<br />

erläuterte in der mündlichen Verhandlung und ergänzend in einem Gutachten vom 13.08.2000<br />

die Vor- und Nachteile <strong>des</strong> Einsatzes von Schaltischen. Er wies darauf hin, dass die Schalhaut<br />

der Schaltische (sozusagen die Innenseite der Verschalung) einem Verschleiß unterlägen.<br />

Wenn das Schalsystem der Beigeladenen abgeschrieben sei, müsse es oft gebraucht und damit<br />

verschlissen sein. Eine (mögliche) Erneuerung der Schalhaut sei teuer. Der Gebrauch einer<br />

verschlissenen Verschalung habe Auswirkungen auf die Qualität der Leistung (Grate, Fugen)<br />

und den Umfang der erforderlichen Putz- und Glättarbeiten, denn es solle Sichtbeton entstehen.<br />

Demgegenüber wären Modulschalungen mit einem Fallkopfsystem, insbesondere bei den<br />

Lohnkosten, günstiger, zumal dort keine Umsetztechnik eingesetzt werden müsse.<br />

In der mündlichen Verhandlung hatten die Parteien Gelegenheit, ihren Vortrag in sachlicher<br />

und rechtlicher Sicht zu vertiefen und zu ergänzen. Auf die Niederschrift der mündlichen Ver-<br />

5


handlung sowie die eingereichten Schriftsätze und die Vergabeakten in diesem Verfahren sowie<br />

die Verfahrensakte 1/SVK/4-00 wird Bezug genommen. Am Ende der mündlichen Verhandlung<br />

wurde die Auftraggeberin verpflichtet, sämtliche das Vergabeverfahren betreffende<br />

Akten unverzüglich an die <strong>Vergabekammer</strong> im Original zu senden. Dies beträfe insbesondere<br />

Unterlagen der beauftragten Baucon GmbH hinsichtlich Aufklärungsgesprächen sowie Unterlagen<br />

aus beschließenden Ausschüssen der Auftraggeberin, in denen der Wertungsvorgang<br />

oder der Vergabevorgang Gegenstand der Besprechung war. Hintergrund war die Erkenntnis<br />

in der mündlichen Verhandlung, dass zahlreiche Unterlagen der <strong>Vergabekammer</strong> noch nicht<br />

vorgelegt worden waren.<br />

Am 14.08.2000 wurden der <strong>Vergabekammer</strong> insbesondere die namentlich genannten Unterlagen<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Um weitere Aufklärung über den Verlauf <strong>des</strong> Bietergesprächs mit der Beigeladenen zu erhalten,<br />

lud die Kammer den Projektleiter <strong>des</strong> von der Auftraggeberin mit der Durchführung der<br />

Ausschreibung beauftragten Büros ... als Zeugen. Der Zeuge H. legte im Termin auch seine<br />

handschriftlichen Notizen über den Verlauf <strong>des</strong> Bietergesprächs vor, ebenso die seines damals<br />

anwesenden Kollegen N. (...) und die von ihm gefertigte Tischvorlage für die Beratung <strong>des</strong><br />

Bauausschusses der Auftraggeberin vom 10.07.2000. In sämtlichen Mitschriften war die Bemerkung<br />

der Beigeladenen, sie habe den Nachlass irrtümlich eingeräumt und könne ihn nicht<br />

mehr gewähren, mehrfach mit Ausrufezeichen versehen und unterstrichen. Die Äußerung zum<br />

Nachlass sei ernsthaft gewesen und nicht erst nach dem Bietergespräch angegeben worden.<br />

Der Zeuge habe sich auf eine entsprechende Vorbereitung bereits eingestellt gehabt und dazu<br />

vorab die Meinung von ..., ... und Mitglied <strong>des</strong> Verdingungsausschusses eingeholt. Dies sei<br />

erfolgt, weil die Beigeladene bereits ohne den Nachlass an der Spitze <strong>des</strong> Bieterfel<strong>des</strong> gelegen<br />

habe. Der Experte habe ihn in seiner Meinung bestätigt, dass eine solche Bemerkung während<br />

eines Bietergesprächs gem. § 24 VOB/A unzulässig sei.<br />

Auf entsprechende Nachfrage erläuterte der Zeuge H., dass die fehlende Unterschrift unter<br />

dem Protokoll <strong>des</strong> Gesprächs mit der Beigeladenen ein Versehen gewesen sein müsse.<br />

Zur Auskömmlichkeit <strong>des</strong> Angebots befragt, äußerte der Zeuge, er habe diesbezüglich schwer<br />

wiegende Bedenken gehabt und diese während <strong>des</strong> Bietergesprächs zur Diskussion gestellt.<br />

Herr H. äußerte ferner, die Beigeladene habe die Vorhaltekosten für die Verschalung nicht in<br />

das Angebot kalkuliert. Insgesamt habe er einen Fehlbetrag von etwa 20 % ermittelt.<br />

Auch bezüglich der an Subunternehmer abgegebenen Leistungen stellte der Zeuge klar, dass<br />

es sich um über 50 % handele. Da die Beigeladene nicht über ausreichend Schaltafeln oder -<br />

Tische verfüge, sei ein weiterer Teil <strong>des</strong> Auftrages fremd zu erbringen.<br />

Bezogen auf die von der Beigeladenen kalkulierte Arbeitzeit (Stundenlöhne) bestanden nach<br />

Aussage <strong>des</strong> Zeugen Zweifel, ob die Min<strong>des</strong>tfristen für Aus- und Einschalzeiten, Abbinden<br />

und Umsetzen der Großschalung eingehalten werden könnten. Diese Zweifel habe die Beigeladene<br />

im Bietergespräch nicht beseitigen können. Da außerdem die Zahl der einzusetzenden<br />

Arbeitnehmer nur 18 betrage, bliebe auch die Frage offen, wie die Leistung innerhalb der geplanten<br />

Zeit erbracht werden solle. Ein Mitbieter setze hierfür z. B. 25 Arbeitnehmer ein. Die<br />

Beigeladene habe mehrfach erklärt, sie verdiene an dem Auftrag nichts, ihr Angebot sei<br />

nichts<strong>des</strong>toweniger auskömmlich. Diese Aussagen werden durch seine Mitschrift und die seines<br />

Kollegen N. bestätigt. Bei alledem müsse berücksichtigt werden, dass die Beigeladene<br />

davon ausgegangen sei, dass der angebotene Nachlass nicht mehr zum Tragen komme. Ferner<br />

sei seiner Kenntnis nach die Beigeladene traditionell auf dem Gebiet <strong>des</strong> Wohnungsbaus tätig<br />

6


(was auch ihr Prospekt bestätigt). Bei dem hier zu erstellenden Gebäude handele es sich um<br />

einen Industriebau. Auf diesem Gebiet habe die Antragstellerin Erfahrung.<br />

Der Zeuge hatte seine Bedenken bezüglich der Auskömmlichkeit <strong>des</strong> Angebots der Beigeladenen<br />

in einer Tischvorlage für den Bauausschuss (datiert auf den 06.07.2000 für die Sitzung<br />

am 10.07.2000) der Auftraggeberin minutiös geschildert und bewertet. Diese Tischvorlage<br />

war in den der Kammer zunächst vorgelegten Unterlagen nicht enthalten gewesen, sondern<br />

von der Auftraggeberin erst am 14.08.2000 vorgelegt worden. Im zugehörigen Anschreiben<br />

wies diese zur Begründung auf die außergewöhnlich kurze Frist für die Übersendung der Unterlagen<br />

sowie den Urlaub der mit dem Vorhaben betrauten Mitarbeiter hin. Angesichts der<br />

kurzen Bearbeitungszeit sei die Auftraggeberin davon ausgegangen, dass die Kammer fehlende<br />

Unterlagen noch anfordern werde. Ausweislich der Tischvorlage <strong>des</strong> Zeugen H., die den<br />

Charakter eines Vergabevermerks trägt, ergibt sich Folgen<strong>des</strong>: Die Bewertung der Angebote<br />

ergab, dass alle Angebote außer dem der Beigeladenen auskömmlich seien. Die Beigeladene<br />

habe die Zweifel an der Auskömmlichkeit auch im Bietergespräch nicht vollständig ausräumen<br />

können. Die Tischvorlage hält nochmals in deutlicher Form (Wortwahl und Fettdruck)<br />

fest, dass die Beigeladene von dem eingeräumten Nachlass abgerückt sei. „Dies ist nicht rechtens.<br />

Es ist eine nachträgliche Veränderung <strong>des</strong> Angebots und entspricht nicht mehr der<br />

Gleichbehandlung der Bieter. Von der ... werden nur 48 % (Nach Aussagen ... =<br />

<strong>1.</strong>XXX.XXX,-- DM SUB von ca. <strong>1.</strong>XXX.XXX DM netto gesamt) als Eigenleistung ausgeführt.<br />

(Gefordert: Der überwiegende Teil der Leistung soll als EL ausgeführt werden). Zweifel<br />

an der Wirtschaftlichkeit und Auskömmlichkeit bleiben, da das Angebot der ... um 20 %<br />

unter dem nächsten Angebot liegt.“ (Tischvorlage H. S. 8)<br />

Die Tischvorlage empfiehlt dem Bauausschuss der Auftraggeberin, den Zuschlag auf das Angebot<br />

der Antragstellerin zu erteilen. Diese habe nach Auffassung <strong>des</strong> mit der Ausschreibung<br />

und Auswertung beauftragten Büros das wirtschaftlichste und ausgewogenste Angebot abgegeben.<br />

Die Nachfragen im Bietergespräch hätten diesen positiven Einfluss nachhaltig bestätigt.<br />

Die Antragstellerin habe ein soli<strong>des</strong>, ausgewogenes Angebot abgegeben. Fachkompetenz<br />

und Leistungsfähigkeit eines Bieters sei neben dem Preis ein gewichtiges Argument für die<br />

Vergabe. Qualität und Leistungsvermögen entschieden sehr wohl über das Gelingen eines<br />

Baues. Dies treffe auf die Antragstellerin in vollem Umfang zu. Die Antragstellerin sei auch<br />

geeignet, diesen Bau zu erstellen.<br />

Der Bauausschuss der Auftraggeberin folgte diesem detaillierten Vergabevermerk nicht. Auch<br />

das Protokoll zur Sitzung <strong>des</strong> Bauausschusses beinhaltet die Feststellung, dass der angebotene<br />

Nachlass durch die Beigeladene zurückgezogen wurde, ausdrücklich: „Eine solche Änderung<br />

ist nicht zulässig. Es besteht der Verdacht, dass seitens der ... im Nachgang über Nachträge<br />

versucht werden wird, auf eine auskömmliche Preisgestaltung zu gelangen, allerdings besteht<br />

... die Möglichkeit von Nachträgen bei allen Bietern latent.“ Es wurde darauf verwiesen, dass<br />

Bedenken an der Auskömmlichkeit sicherlich bestünden. Wenn sie jedoch nicht an konkreten<br />

Fehlern nachgewiesen könnten, seien Entscheidungen gegen den billigsten Bieter nur schwer<br />

durchsetzbar. Es werde befürchtet, dass die Beigeladene, wie geschehen, erneut ein Nachprüfungsverfahren<br />

einleite, „erschwert lediglich durch die unzulässige Aufhebung <strong>des</strong> Nachlassangebots.“<br />

Der Bauausschuss der Auftraggeberin fasste darauf den <strong>Beschluss</strong>,<br />

„ <strong>1.</strong> ... Die Zuschlagserteilung soll auf den Angebotspreis (der Beigeladenen) vom 20.06.2000<br />

einschließlich <strong>des</strong> Nachlasses auf eine Höhe von X DM erfolgen. 2. Für den Fall, dass die ...<br />

nicht bereit ist, zu diesem Preis den Vertrag schließen und de facto vom Angebot zurücktritt,<br />

ist der Zuschlag der ... zu einem Angebotspreis brutto in Höhe von Y DM zu erteilen.“ (Protokoll<br />

über die Sitzung <strong>des</strong> Bauausschusses am 10. Juli 2000 zum Bauvorhaben „Neubau eines<br />

...-Bürogebäu<strong>des</strong>, S. 3).<br />

7


Durch Verfügung vom 17.08.2000 hat der Vorsitzende der <strong>Vergabekammer</strong> die Entscheidungsfrist<br />

um 7 Tage verlängert, um den Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit zu geben, die<br />

neu eingegangenen, entscheidungserheblichen, Unterlagen samt der Zeugenaussage H. zu<br />

werten und dazu Stellung zu nehmen.<br />

Im Schriftsatz vom 23.08.2000 wies die Beigeladene darauf hin, dass ggf. weitere Vergabeunterlagen<br />

der <strong>Vergabekammer</strong> nicht vorlägen, was die <strong>Vergabekammer</strong> auf Nachfrage bestätigt<br />

fand. Diese Unterlagen (Verlängerungen der Zuschlags- und Bindefrist, Schriftwechsel<br />

zwischen Auftraggeberin und Beigeladener, Schriftwechsel der Auftraggeberin mit sämtlichen<br />

Bewerbern hinsichtlich der irrtümlich übersandten Kostenkalkulation durch die Auftraggeberin)<br />

wurden der <strong>Vergabekammer</strong> am Nachmittag <strong>des</strong> 24.08.2000 auf Anforderung übergeben.<br />

Der Vorsitzende verlängerte daraufhin die Entscheidungsfrist um weitere zwei Wochen, um<br />

den Beteiligten auch hinsichtlich dieser erst auf dritte Anforderung der <strong>Vergabekammer</strong> zur<br />

Verfügung gestellten Unterlagen die Möglichkeit zur Akteneinsicht und Stellungnahme zu<br />

geben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine nochmalige Fristverlängerung unumgänglich<br />

erscheine und sich aus der Einmaligkeit <strong>des</strong> Vorgangs ergebe, dass die Auftraggeberin<br />

mehrfach das Gebot der sofortigen und vollständigen Zurverfügungstellung von Vergabeakten,<br />

§ 110 Abs. 2 S. 4 GWB, missachtet habe. Die Zulässigkeit der im Gesetz nicht angelegten<br />

mehrmaligen Verlängerung der Entscheidungsfrist ergebe sich aus der Tatsache, dass<br />

der Vorsitzende der <strong>Vergabekammer</strong> bei seiner Prognoseentscheidung, um welchen erforderlichen<br />

Zeitraum er die Entscheidungsfrist ausnahmsweise verlängert, § 113 Abs. 1 GWB, von<br />

üblichen Geschehensabläufen ausgehen müsse. Üblicherweise sei aber davon auszugehen,<br />

dass ein Auftraggeber, der ggf. urlaubsbedingt bestimmte Vergabeunterlagen nicht an die<br />

<strong>Vergabekammer</strong> gesandt hat, aufgrund eines Auflagenbeschlusses in der mündlichen Verhandlung<br />

fehlende Unterlagen nunmehr vollständig übersendet. Wenn aber der für die Übersendung<br />

Verantwortliche, der in der mündlichen Verhandlung anwesend war, weitere Unterlagen<br />

übersendet, andere bei ihm befindliche Unterlagen nicht übersendet, würden sämtliche<br />

rationalen Prognoseüberlegungen zur Erforderlichkeit der Fristverlängerung gesprengt.<br />

Am 0<strong>1.</strong>09.2000 hat die <strong>Vergabekammer</strong> den Zeugen Sch. vom ... schriftlich angehört. Dieser<br />

hat im wesentlichen folgen<strong>des</strong> ausgeführt: „Herr ... äußerte sich ..., daß dieser Nachlaß irrtümlich<br />

Angebotsbestandteil ist, da das gleiche Anschreiben wie zur ersten Ausschreibung<br />

verwendet wurde. ... An eine Trennung <strong>des</strong> Gespräches in offizielles Aufklärungsgespräch<br />

und ein nichtoffizielles Gespräch, also nicht zu protokollierende Aussagen durch den Verhandlungsleiter<br />

kann ich mich nicht mehr exakt erinnern. Gleichfalls kann ich mich nicht<br />

mehr an eine Aussage erinnern, daß er zu seinem Ursprungsangebot steht. ... Wie im Protokoll<br />

der Bauausschusssitzung vermerkt sollte der Zuschlag nur auf das Ursprungsangebot einschl.<br />

Nachlaß erteilt werden. Eine Verhandlung zum Nachlaß wurde ausgeschlossen. Steht die ...<br />

nicht mehr zum Nachlaß und damit zum Ursprungsangebot geht der Zuschlag an den Zweitplazierten.<br />

Diese Tischvorlage entspricht derjenigen, welche zur Bauausschußsitzung am<br />

10.07.200 vorgelegt wurde. Über den Anteil der NAN wurde im Bauausschuß diskutiert.<br />

Nach Anfrage eines Mitglieds trug ... den entsprechenden Ausschreibungstext vor. Die Textpassage<br />

war nicht zwingend genug formuliert, so daß darüber keine weitere Diskussion stattfand.<br />

... Mein persönlicher Eindruck war, daß aus der Vielzahl der Anfragen und Erörterungen<br />

heraus keine hinreichenden Begründungen formuliert werden konnten, daß das Angebot der ...<br />

zu den dargestellten Bedingungen nicht annehmbar und nicht realisiert wäre.<br />

Am 04.09.2000 hat die <strong>Vergabekammer</strong> den Zeugen N., Mitarbeiter bei der ..., vernommen.<br />

Dieser hat im wesentlichen Folgen<strong>des</strong> ausgesagt: „Herr ..., Geschäftsführer der Beigeladenen,<br />

8


habe während <strong>des</strong> Gespräches gesagt, dass er zu dem Nachlass von 1XX.XXX DM nicht<br />

mehr stehe. Er könne diesen Nachlass nicht aufrechterhalten. Er habe damals bei der Unterschrift<br />

und Unterzeichnung <strong>des</strong> Angebotes nicht mehr die Zeit gehabt, dies komplett durchzulesen<br />

und habe irrtümlich unterschrieben. ... das wäre während <strong>des</strong> Gespräches gewesen.<br />

Man habe noch am Tisch gesessen. Es wäre nicht so gewesen, dass man schon im Aufbruch<br />

begriffen wäre. Im Gegenteil, Herr ... hätte darum gebeten, dass er noch etwas zu sagen hätte<br />

und zwar dass er nicht mehr zu diesen 1XX.XXX DM stünde.“ Auf Nachfrage ..., wie Herr ...<br />

auf die Äußerung von Herrn ... reagiert hätte, sagt Herr N., dass man sich überrascht angeschaut<br />

hätte, dass man sich auch bewußt gewesen wäre, dass der Nachlass nicht Thema eines<br />

Bietergesprächs sein könne und dass Herr ... noch mal nachgefragt habe bei Herrn ..., ob er<br />

das richtig verstanden hätte und ob es wirklich so wäre, dass er nicht dazu stehen könne. Dies<br />

habe Herr ... bestätigt. Herr N. erläutert, Herr ... habe am Anfang <strong>des</strong> Bietergesprächs gesagt,<br />

dass das Angebot so auskömmlich und wirtschaftlich kalkuliert sei. Gegen Ende <strong>des</strong> Gesprächs<br />

hat er gesagt, dass er die 1XX.XXX DM Nachlass nicht gewähren könne. Herr N.<br />

sagt, dass er sich dadurch eigentlich selber widersprochen hätte. Auf Vorhalt erklärt Herr N.,<br />

dass die Notizen über das Vergabegespräch am 06.07 von ihm gefertigt worden seien. Sie<br />

wurden während <strong>des</strong> Gesprächs gefertigt. Am Ende der Niederschrift steht: „Nachlass geht<br />

nicht (1XX.XXX DM) nach Kenntnis Submission“. Herr N. bestätigt dies auch während <strong>des</strong><br />

Gesprächs notiert zu haben. Herr N. erinnert sich, dass er nach dem Gespräch noch mit Herrn<br />

H. über die Problematik <strong>des</strong> Nachlassrückzuges gesprochen habe. ... Er weiß nur, dass Herr H.<br />

einige Tage vorher Herrn ... in ... aufgesucht habe. ... Von ... habe er erfahren, dass über Preise<br />

überhaupt nicht mehr geredet werde dürfe in diesen Gesprächen. ... befragt Herrn N. zu dem<br />

Problem Subunternehmer-/Nachunternehmereinsatz: „In der Subunternehmerliste waren Unternehmen<br />

angegeben, die einen Leistungsumfang von ca. 3XX – 4XX.XXX DM entsprochen<br />

hätten. Im Kalkulationsblatt hingegen war ein Subunternehmereinsatz ausgewiesen, der einen<br />

Leistungsumfang von ca. 1 Mio. DM entsprach. Herr ... wurde auf diesen Widerspruch hin<br />

befragt. Herr ... versuchte diesen Widerspruch zu relativieren. Er sprach auf Subunternehmerleistungen<br />

und Fremdleistungen an. Doch auch diese Ausführungen konnten nach unserer<br />

Sicht den Widerspruch nicht aufklären.“<br />

Die Antragstellerin beantragt,<br />

<strong>1.</strong> festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt<br />

ist,<br />

2. der Auftraggeberin aufzugeben, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen,<br />

3. die Auftraggeberin anzuweisen, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot<br />

zu erteilen,<br />

4. die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für die Antragstellerin als notwendig zu<br />

erklären,<br />

5. die Kosten <strong>des</strong> Verfahrens der Auftraggeberin aufzuerlegen.<br />

Die Auftraggeberin beantragt,<br />

<strong>1.</strong> die von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18.07.2000 unter Ziffer 1,2, 4<br />

und 5 gestellten Anträge zurückzuweisen, soweit sie sich nicht erledigt haben,<br />

2. dieser die Kosten <strong>des</strong> Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.<br />

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, trägt aber wie folgt vor:<br />

Der eigene Schalungsanteil betrage 49,2 %, da die Beigeladene die Wandschalung aus eigenem<br />

Bestand abdecke. Lediglich bei der Deckenschalung bediene sie sich Subunternehmer.<br />

Der handschriftlichen Aufzeichnungen <strong>des</strong> Zeugen H. gäben den Hergang <strong>des</strong> Aufklärungsgesprächs<br />

nicht korrekt wieder. Es sei der Eindruck entstanden, dass die handschriftlichen<br />

9


Notizen und auch der Vergabevorschlag nachträglich gefertigt seien. Der Geschäftsführer der<br />

Beigeladenen habe anlässlich <strong>des</strong> Aufklärungsgesprächs nicht erklärt, dass er am ursprünglichen<br />

Nachlass nicht mehr festhalten wolle, sondern habe nur darauf hingewiesen, dass hier<br />

ein Fehler im Unternehmen bei der Bearbeitung <strong>des</strong> Angebotstextes passiert sei. Diese Äußerung<br />

sei zudem nach Beendigung <strong>des</strong> Vergabegesprächs erfolgt. Die Aussagen der Zeugen<br />

Nestler und Hintersdorf widersprächen sich.<br />

<strong>1.</strong> Die Anträge sind zulässig.<br />

a) Die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> ist gemäß § 2 der Verordnung der Sächsischen<br />

Staatsregierung über Einrichtung, Organisation und Besetzung der <strong>Vergabekammer</strong>n<br />

<strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> (SächsVgKVO) vom 23.03.1999 (SächsGVBl S. 214) für die<br />

Entscheidung über den Antrag zuständig, da es sich um einen öffentlichen Bauauftrag im<br />

Sinne von § 99 Abs. 3 <strong>des</strong> Gesetzes gegen Wettbewerbsbestimmungen (GWB) handelt.<br />

Die Auftraggeberin ist öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Abs. 2 GWB, weil sie als juristische<br />

Person zu dem besonderen Zweck gebildet wurde, im Allgemeininteresse liegende<br />

Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Gemäß § 2 <strong>des</strong> Gesetzes zur Ausführung<br />

und Ergänzung <strong>des</strong> Rechts der ... im Freistaat <strong>Sachsen</strong> (Sächs...G) vom 18.1<strong>1.</strong>1991,<br />

GVBl. S. 380, untersteht sie der Rechtsaufsicht <strong>des</strong> Sächsischen Staatsministeriums für<br />

Wirtschaft und Arbeit als klassischem Auftraggeber.<br />

b) Die geplante Gesamtauftragssumme überschreitet die EU-Schwellenwerte. Nach § 100<br />

Abs. 1 GWB unterliegen nur diejenigen Aufträge der Nachprüfung durch die <strong>Vergabekammer</strong>,<br />

welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten. Die Auftragswerte sollen<br />

durch eine Rechtsverordnung gem. § 127 GWB festgelegt werden. Der Gesetzgeber hat jedoch<br />

von seiner Ermächtigung <strong>des</strong> § 127 GWB zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung<br />

noch keinen Gebrauch gemacht. § 100 GWB ist aber richtlinienkonform dahin<br />

gehend auszulegen, dass die Schwellenwerte unmittelbar durch die EU-Richtlinien bestimmt<br />

werden. Nach Art. 6 Abs. 1 b) der Richtlinie 93/37/EWG in der Fassung der Richtlinie<br />

97/52/EG beträgt der Schwellenwert 5 Mio. Europäische Währungseinheiten (ca. 9,8<br />

Mio. DM). Der geplante Gesamtauftragswert der Baumaßnahme in Höhe von etwa 1X<br />

Mio. DM überschreitet diesen Wert ebenso deutlich wie der Wert <strong>des</strong> geschätzten Auftragswerts<br />

<strong>des</strong> streitbefangenen Loses (> 2 Mio. DM) den Schwellenwert für Lose in Höhe<br />

von 1 Mio. Europäische Währungseinheiten (ca. 1,95 Mio. DM) übersteigt.<br />

c) Die Antragstellerin hat als Bieterin ein Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag. Sie<br />

macht eine Verletzung ihrer Rechte durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend.<br />

d) Die Antragstellerin hat auch vorgetragen, dass ihr durch die geltend gemachte Verletzung<br />

von Vergabebestimmungen ein Schaden in Höhe <strong>des</strong> erwarteten, bei Zuschlagserteilung an<br />

die Beigeladene entgangenen Gewinns zu entstehen drohe.<br />

e) Die Antragstellerin hat den beanstandeten Vergaberechtsverstoß (§ 25 Nr. 3 VOB/A) auch<br />

rechtzeitig gerügt. Das Ergebnis der Wertung und Prüfung der Angebote erhielt sie durch<br />

das Vorinformationsschreiben der Auftraggeberin am 10.07.2000. Ihre Rüge datiert vom<br />

13.07.2000; dies ist in jedem Fall als rechtzeitig zu betrachten. Die weiteren Kritikpunkte<br />

(Verstöße gegen § 25 Nr. 1 und § 25 Nr. 2 GWB) waren von der Antragstellerin nicht zu<br />

10<br />

II.


ügen, da sie die dafür relevanten Umstände vor Anrufung der <strong>Vergabekammer</strong> nicht erkannt<br />

hat und auch nicht erkennen konnte.<br />

2. Die Anträge sind auch begründet.<br />

Das Angebot der Beigeladenen ist zwingend vom Wettbewerb auszuschließen, da Verstöße<br />

gegen die § 25 Nr. 2 und 3 VOB/A, § 97 Abs. 2 und 5 GWB vorliegen. Zudem liegt ein Verstoß<br />

gegen § 24 Nr. 3 VOB/A vor.<br />

a)<br />

Der Verstoß gegen § 24 Nr. 3 VOB/A folgt aus einer unzulässigen Nachverhandlung über<br />

das Angebot zwischen der Auftraggeberin und der Beigeladenen.<br />

Die Kammer ist nach Befragung der Zeugen H., N. (...) und Sch. (...) und Einsicht in die erst<br />

auf nachdrückliche Anfrage von der Auftraggeberin vorgelegten Vermerke und Protokolle zu<br />

der Feststellung gelangt, dass die Beigeladene in ernsthafter Weise während <strong>des</strong> Bietergesprächs<br />

den gewährten Nachlass zurückgezogen hat. Aufzuklären war der Widerspruch zwischen<br />

der (zunächst vorgelegten) Reinfassung der Niederschrift <strong>des</strong> Bietergesprächs („Achtung!...“)<br />

und den Erklärungen von Herrn ... (Auftraggeberin) und dem Geschäftsführer ...<br />

(Beigeladene) in der mündlichen Verhandlung, dies sei nicht ernst bzw. nicht bindend gemeint.<br />

Der hierzu befragte Zeuge H. war mit der Vergabe betraut und war beim Bietergespräch<br />

zugegen. Er war mit der Auswertung der Angebote intensiv befasst und hat seine Darlegungen<br />

mit umfangreichen, geeigneten Unterlagen nachvollziehbar dargestellt. Der Zeuge<br />

ist nach Auffassung der Kammer trotz der wirtschaftlichen Nähe und der Verbundenheit zur<br />

Auftraggeberin glaubwürdig. Die Tatsache, dass die Rücknahme <strong>des</strong> Nachlasses ernsthaft<br />

gemeint war, wird durch die verspätet vorgelegte Tischvorlage H. vom 06.07.2000 und das<br />

Protokoll <strong>des</strong> Bauausschusses der Auftraggeberin im Übrigen ausdrücklich bestätigt. Der<br />

Vermerk wurde in dieser Form der Auftraggeberin für die Sitzung <strong>des</strong> Bauausschusses am<br />

10.07.2000 übergeben, wie die auf den 10.07.2000 datierte Unterschrift <strong>des</strong> Verwaltungsleiters<br />

der Auftraggeberin ... auf dem sich auf die Sitzung beziehenden Protokoll beweist. Die<br />

Authentizität der Tischvorlage hat zudem der damals im Bauausschuss anwesende Zeuge<br />

Schneider ausdrücklich bestätigt. Das Protokoll gibt den wesentlichen Inhalt <strong>des</strong> Vergabevermerks<br />

wieder und bestätigt so wiederum <strong>des</strong>sen Authentizität. Die Aussagen von Auftraggeberin<br />

und Beigeladener in der mündlichen Verhandlung stehen der Aussage <strong>des</strong> Zeugen<br />

sowie den protokollierten Tatsachen entgegen. Vergabevermerk und Protokoll schlussfolgern<br />

übereinstimmend, dass diese spätere Erklärung zur Frage der Nachlassgewährung unzulässig<br />

war. Diese Aussage <strong>des</strong> Zeugen H. wird durch die nachträglich eingeholten Zeugenaussagen<br />

bestätigt. So bestätigt auch der Zeuge N., dass der Geschäftsführer ... im Rahmen <strong>des</strong> Aufklärungsgesprächs<br />

am 06.07.2000 gesagt habe, dass er zu dem Nachlass nicht mehr stehen könne<br />

und er den Nachlass nicht mehr aufrechterhalten könne. Dies stimmt im übrigen mit den<br />

handschriftlichen Mitschriften <strong>des</strong> Zeugen N. überein, deren Authentizität dieser ebenfalls<br />

bejaht hat. Dort heißt es am Ende wörtlich: „Nachlass geht nicht (1XX.XXX DM) nach<br />

Kenntnis Submission“. In gleicher Weise hat sich auch der Zeuge Sch. von der ... geäußert.<br />

Dieser hat in seiner Zeugenaussage vom 0<strong>1.</strong>09.2000 bestätigt, dass „ Herr ... äußerte sich daran<br />

anschließend, das dieser Nachlaß irrtümlich Angebotsbestandteil ist, da das gleiche Anschreiben<br />

wie zur ersten Ausschreibung verwendet wurde“. Die übereinstimmenden Zeugenaussagen<br />

sind auch sämtlichst glaubhaft, da sie sich inhaltlich weitestgehend decken und<br />

durch die Originalmitschriften der Zeugen H. und N. bestätigt werden. Zudem finden sich<br />

schon in dem Originalprotokoll der Bauausschusssitzung der ... vom 10.07.2000 mehrere Bezugnahmen<br />

auf die – laut Beigeladener angeblich nachträglich erstellte – Tischvorlage H., die<br />

11


ihrerseits auf den authentischen Mitschriften der Zeugen H. und N. beruhen. Dass das Protokoll<br />

der Bauausschusssitzung authentisch ist, hat der bei dieser Sitzung anwesende Zeuge<br />

Sch. ebenfalls bestätigt. Die mögliche Manipulation oder nachträgliche Anfertigung der erst<br />

nach der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Tischvorlage H. und Protokoll der<br />

Bauausschusssitzung ...) erscheint der Kammer daher ausgeschlossen. Zudem hat der Bevollmächtigte<br />

der Auftraggeberin schon in der mündlichen Verhandlung vom 10.08.2000 auf diese<br />

– damals der <strong>Vergabekammer</strong> noch nicht vorgelegten – Unterlagen (handschriftliche Mitschriften)<br />

und Rücksprachen beim Zeugen H. hingewiesen. In gleicher Weise hat Herr ...<br />

schon in der mündlichen Verhandlung auf das Protokoll der Bauausschusssitzung verwiesen.<br />

Zudem findet sich auch in <strong>des</strong>sen handschriftlichen Mitschriften am Ende der Satz: „Hr. ... hat<br />

ausdrücklich erklärt, den Nachlaß nicht mehr gewähren zu können“. Demgegenüber erscheinen<br />

die Aussagen <strong>des</strong> Geschäftsführers ... in der mündlichen Verhandlung wenig glaubhaft<br />

und in sich widersprüchlich. Auch die späteren Relativierungsversuche der Beigeladenen,<br />

insbesondere zur Nachlassgewährung, erscheinen wenig überzeugend. So hat Herr ... in der<br />

mündlichen Verhandlung vom 10.08.2000 zunächst erklärt, im Rahmen <strong>des</strong> Aufklärungsgespräches<br />

sei über die Veränderung <strong>des</strong> Angebotes – etwa wegen <strong>des</strong> gewährten Nachlasses<br />

von 1XX.XXX,XX DM- gar nicht gesprochen worden (Niederschrift über die mündliche<br />

Verhandlung, S. 4). Im späteren Verlauf der mündlichen Verhandlung hat er demgegenüber<br />

ausgesagt, dass er im Rahmen <strong>des</strong> Aufklärungsgesprächs erläutert habe, dass das Angebot mit<br />

dem Nachlass ein Fehler sei, weil man dort das Schreiben aus dem Januar verwandt habe, bei<br />

dem es einen derartigen Nachlass ja gegeben habe. Er habe aber den von Herrn ... zitierten<br />

Ausruf, er habe an dem Nachlass nicht mehr festhalten können, nicht getan (Niederschrift<br />

über die mündliche Verhandlung, S. 5). Noch später hat er aber dann eingestanden, dass es<br />

eine Äußerung hinsichtlich <strong>des</strong> Nachlasses gegeben habe, wenn auch erst nach Abschluss <strong>des</strong><br />

offiziellen Aufklärungsgesprächs. Er habe auf den Irrtum hinsichtlich <strong>des</strong> Nachlasses hingewiesen,<br />

aber gleichzeitig erklärt, dass er selbstverständlich am Angebot wie ursprünglich festhalte<br />

(Niederschrift über die mündliche Verhandlung, S. 7). Auf die Widersprüchlichkeit der<br />

Äußerungen <strong>des</strong> Geschäftsführers ... im Aufklärungsgespräch hat auch der Zeuge N. hingewiesen.<br />

Zum einen habe Herr ... zu Beginn erklärt, das abgegebene Angebot sei auskömmlich<br />

und wirtschaftlich kalkuliert, gegen Ende aber gesagt, er könne die 1XX.XXX DM Nachlass<br />

nicht gewähren. Zum zweiten hat keiner der drei Zeugen H., N. und Sch. bestätigt, dass Herr<br />

... trotz <strong>des</strong> Irrtums zum Nachlass unbedingt zu seinen Angebot stehe. Vielmehr erwähnt der<br />

Zeuge N., Herr ... habe auf Nachfrage von ... bestätigt, dass er dazu nicht mehr stehen könne.<br />

Herr Sch. kann sich an eine anderslautende Äußerung von Herrn ... nicht mehr erinnern und<br />

Herr H. hat auf einen entsprechenden Vorhalt zweifelsfrei erklärt, dies entspreche nicht der<br />

Wahrheit und eben jene Zeugen N. und Sch. als Gewährsmänner benannt. Gegen eine derartige<br />

Erklärung von Herrn ... sprechen auch weitere Aussagen und Festlegungen. So hat der<br />

Zeuge N. erklärt, er habe sich nach dem Aufklärungsgespräch noch mit Herrn H. über die<br />

Problematik <strong>des</strong> Nachlassrückzugs besprochen. Dass dieser Nachlassrückzug keineswegs vom<br />

Tisch war, zeigt auch Ziffer 2 <strong>des</strong> <strong>Beschluss</strong>es <strong>des</strong> Bauausschuss vom 10.07.2000, in dem die<br />

Zuschlagserteilung an die Antragstellerin vorgesehen wurde, sofern die Beigeladene nicht<br />

bereit sei, zum Preis samt Nachlass den Vertrag zu schließen und de facto vom Angebot zurücktrete.<br />

Dies verdeutlicht aber auch, dass die Aussage <strong>des</strong> Verwaltungsleiters der Auftraggeberin,<br />

Herrn ..., in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift, S. 7), eine rechtliche Überlegung<br />

zur Erklärung <strong>des</strong> Herrn ... habe es in der weiteren Wertungsphase nicht gegeben,<br />

ebenfalls nicht glaubhaft ist, zumal es dazu umfangreiche Ausführungen in der Tischvorlage<br />

Tempel, aber auch eine Befassung im Bauausschuss gab. Dem gemäß erscheint die Einschätzung<br />

<strong>des</strong> Zeugen H. zutreffend, dass „man möglicherweise hier eine goldene Brücke bauen<br />

wollte, dass für den Fall, dass die Beigeladene bei ihrem Nachlass trotz Kalkulationsfehlers<br />

bleibt, (diese) den Zuschlag erhält, ansonsten der Auftrag an die Antragstellerin geht“.<br />

12


Gemäß § 24 Nr. 3 VOB/A sind andere Verhandlungen (u. a. als die Aufklärung der Eignung<br />

und der Leistungsfähigkeit <strong>des</strong> Bieters, § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A), besonders über Änderung<br />

der Angebote und Preise, unstatthaft. Die betrifft vor allem auch erst nach Angebotseröffnung<br />

zur Sprache kommende Preisnachlässe und Skonti (Ingenstau/Korbion Rn. 19 zu § 24<br />

VOB/A). Die Vorschrift ist grundsätzlich für die Konstellation gedacht, dass der Auftraggeber<br />

versucht, Angebote von sich aus zu „verbilligen“. Sie kommt jedoch analog zum Tragen,<br />

wenn ein Bieter von sich aus nachträglich die Preise seines Angebots zu verändern versucht<br />

(Ingenstau/Korbion a.a.O. sowie Rn. 1 zu § 24 VOB/A). Die Beigeladene hat nachgewiesenermaßen<br />

durch die Rücknahme ihres Nachlasses über den Preis ihres Angebotes verhandelt.<br />

Dazu hat sich die Auftraggeberin trotz der Relativierungsversuche <strong>des</strong> Verwaltungsleiters ...<br />

nicht völlig passiv verhalten, sondern ist auf dieses Verhandlungsangebot eingegangen, so<br />

dass von einem Verhandeln über preisrelevante Positionen, wie gewährte Nachlässe auszugehen<br />

ist. Dies zeigt zum einen die Zeugenaussage N., der eine Nachfrage von ... an Herrn ...<br />

zum Rückzug <strong>des</strong> Nachlasses schon im Aufklärungsgespräch belegt. In gleicher Weise hat der<br />

Bauausschuss nicht etwa einen unbedingten Zuschlag auf ein wirksames Angebot beschlossen,<br />

sondern in den Ziffern 1 und 2 eindeutig danach differenziert, wie sich die Beigeladene<br />

hinsichtlich <strong>des</strong> Nachlasses verhält. So macht Ziffer 1 <strong>des</strong> <strong>Beschluss</strong>es sowie das Informationsschreiben<br />

an alle Bieter mit der Bezugnahme auf das „auf der Grundlage <strong>des</strong> zur Angebotseröffnung<br />

am 26.06.2000 verlesenen und in der Niederschrift über die Angebotsöffnung<br />

dokumentierten Angebots den Zuschlag zu erteilen“, nur dann Sinn, wenn eine Abgrenzung<br />

zu einem zweiten oder relativierten ersten Angebots beabsichtigt ist. Welches dieses „Alternativangebot“<br />

der Beigeladenen ist, zeigt Ziffer 2 <strong>des</strong> <strong>Beschluss</strong>es. Danach wird der Beigeladenen<br />

entgegen der Bindungswirkung <strong>des</strong> § 19 Nr. 3 VOB/A noch die Möglichkeit eröffnet,<br />

sich zur Bereitschaft, zum ehemaligen Angebotspreis samt Nachlass zu stehen, zu äußern und<br />

damit festzulegen, welches der beiden Angebote noch zur Disposition steht. Spätestens damit,<br />

wenn nicht schon durch die Nachfrage von ... im Aufklärungsgespräch am 06.07.2000, hat die<br />

Auftraggeberin sich über die Preise <strong>des</strong> Angebots mit der Beigeladenen ausgetauscht und damit<br />

den wettbewerbsbeeinträchtigenden Tatbestand <strong>des</strong> unzulässigen Verhandelns nach § 24<br />

Nr. 3 VOB/A erfüllt. Über die Rechtsfolgen eines solchen Handelns sagt die Vorschrift selbst<br />

nichts aus. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es aber, dass eine Benachteiligung vergaberechtstreuer<br />

Bieter durch Verhandlungen <strong>des</strong> Auftraggebers mit einem Bieter über <strong>des</strong>sen<br />

Angebotspreise verhindert werden soll. Die Vorschrift dient der in den §§ 97 Abs.1 und 2<br />

GWB verankerten Grundsätze der Transparenz <strong>des</strong> Vergabeverfahrens und der Gleichbehandlung<br />

der Bieter, so dass diese Vorschrift grundsätzlich bieterschützend ist und konkurrierende<br />

Bieter einen Anspruch nach § 97 Abs. 7 GWB auf Einhaltung dieses Nachverhandlungsverbotes<br />

haben. So hat schon das Oberlan<strong>des</strong>gericht Nürnberg (BauR 1997, S. 825 ff.)<br />

bestätigt, dass ein unzulässiges Nachverhandeln im Sinne <strong>des</strong> § 24 bereits dann vorliegt, wenn<br />

ein Vertreter <strong>des</strong> Bieters vor der Vergabe Gelegenheit erhält einen zweifelhaften Preisnachlass<br />

zu bestätigen. Dabei kann es – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – keine Rolle<br />

spielen, ob die Initiative für eine Nachverhandlung vom Auftraggeber ausgeht (Normalfall)<br />

oder dieser sich auf ein entsprechen<strong>des</strong> Ansinnen <strong>des</strong> Bieters einlässt. In beiden Fallkonstellationen<br />

wird die Gefahr verstärkt, dass Konkurrenten in wettbewerbswidriger Art und Weise<br />

geschädigt werden.<br />

Dem gemäß liegt hier – wie dargelegt – eine Nachverhandlung zwischen Auftraggeberin und<br />

Beigeladener in entsprechender Art und Weise vor. Da die <strong>Vergabekammer</strong> an Anträge nicht<br />

gebunden ist und unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit <strong>des</strong> Vergabeverfahrens hinzuwirken<br />

hat, § 114 Abs. 1 S.2 GWB, konnte die <strong>Vergabekammer</strong> auch diesen Mangel feststellen.<br />

b)<br />

13


Die Auftragserteilung an die Beigeladene verstößt gegen §§ 97 Abs. 2 GWB, 25 Nr. 2<br />

VOB/A. Sie erbringt die Leistung nicht überwiegend im eigenen Betrieb und erfüllt daher<br />

nicht die Eignungskriterien. Dies ist ein weiterer Grund, die Beigeladene vom Wettbewerb<br />

auszuschließen, und zwar gem. § 25 Nr. 2 VOB/A.<br />

Entgegen den Ausführungen von Auftraggeberin und Beigeladener bestanden auch an der<br />

Eignung der Beigeladenen Bedenken. Die Bekanntmachung forderte unter Punkt 13. hinsichtlich<br />

der Eignung „Der Bieter muss nachweisen, dass er in der Lage ist, die Leistung<br />

überwiegend selbst zu erbringen“. Dies lässt zwingend folgern, dass ein Bieter, der den überwiegenden<br />

Teil der Leistungen an einen (oder mehrere) Subunternehmer vergibt, als nicht<br />

geeignet auszuschließen wäre. Der eher grammatikalisch als vergaberechtlich anmutende<br />

Vortrag der Auftraggeberin, dass dies mehr oder weniger theoretischer Natur sei, erscheint<br />

vor allem vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Nachfrage in den Bietergesprächen sowie<br />

den handschriftlichen Protokollen der Teilnehmer <strong>des</strong> Bietergesprächs nicht nachvollziehbar.<br />

Auch in der Tischvorlage befindet sich die Festlegung: „Gefordert: min<strong>des</strong>tens 50 % EL“<br />

(d.h. Eigenleistung). Bereits jetzt ist klar, dass die Beigeladene diese Anforderung nicht erfüllen<br />

kann; der Vergabevermerk spricht von 48 % Eigenleistung (Ziff. 2.3.2. der Tischvorlage<br />

H.), wobei nicht klar ist, ob nicht wegen der nicht ausreichenden Schaltafeln bei der Beigeladenen<br />

eine weitere Sub- bzw. Fremdleistung erforderlich wird. Zudem erreichen die nicht<br />

in Eigenleistung erbrachten Leistungen der Beigeladenen bei Addition der in ihrem Preisblatt<br />

Leistungen Sub: ca. 1 Mio DM sowie Fremd: ca 1XX.XXX DM einen Anteil von 54 % an der<br />

Auftragssumme. Die Fremdleistungen sind dabei zu addieren. Soweit der Geschäftsführer der<br />

Beigeladenen dies dadurch zu relativieren versuchte, dass es sich dabei um Mietkosten für<br />

Kräne etc. handele, ist dies unbeachtlich, da Eigenleistungen entsprechend § 4 Nr. 8 Abs. 1<br />

VOB/A dadurch gekennzeichnet sind, das sie im eigenen Betrieb auszuführen sind. Demnach<br />

fallen angemietete Leistungen nicht unter den Eigenleistungsanteil.<br />

Die VOB geht insbesondere bei der Fachlosvergabe davon aus, dass derjenige, <strong>des</strong>sen Betrieb<br />

grundsätzlich für die ausgeschriebenen Leistungen eingerichtet ist, diese Leistungen im eigenen<br />

Betrieb ausführt. Gemäß § 4 Nr. 8 VOB/B besteht die grundsätzliche Verpflichtung zur<br />

Selbstausführung. Die Eignung <strong>des</strong> Bieters (§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A) kann auch davon abhängen,<br />

in welchem Umfang dieser Leistungen an Nachunternehmer übertragen will.<br />

Deshalb kann der Auftraggeber im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung Bietern den<br />

Auftrag nicht erteilen, die beabsichtigen, Leistungen in erheblichem Umfang von Nachunternehmern<br />

ausführen zu lassen (Vergabeüberwachungsausschuss Baden-Württemberg, <strong>Beschluss</strong><br />

vom 17.09.1997 – Az.: I VÜ 12/96 -, Vergaberechts-Report 10/98, S.3). Ein Umfang<br />

von 52 % der Auftragssumme als beabsichtigte Nachunternehmer-Beauftragung lässt daher<br />

grundsätzlich die Nichterteilung <strong>des</strong> Zuschlags gerechtfertigt erscheinen (Vergabeüberwachungsausschuss<br />

Baden-Württemberg, a. a. O.).<br />

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Auftraggeberin einwendet, ihr sei die Problematik<br />

<strong>des</strong> überhöhten Nachunternehmereinsatzes durch die Beigeladene wohl bewusst gewesen, sie<br />

habe aber ihre Formulierung in der Bekanntmachung nicht als derart eindeutig angesehen,<br />

darauf einen Ausschluss der Beigeladenen zu stützen. Zum einen ergibt sich die grundsätzliche<br />

Verpflichtung der Selbstausführung – wie dargelegt – schon aus Regelungen der VOB<br />

selbst. Zum zweiten konnte und musste ein potenzieller Bieter die Klausel in Ziffer 13 der<br />

Bekanntmachung im Sinne eben jener überwiegenden Selbstausführung im konkreten Bauvorhaben<br />

verstehen. Nach dieser Bestimmung musste der Bieter nachweisen, dass er in der<br />

Lage ist, die Leistung überwiegend selbst zu erbringen. Aus Sicht eines objektiven Betrachters<br />

und vor <strong>des</strong>sen Empfängerhorizont, auf den insoweit abzustellen ist, war dieser Nachweis<br />

14


nicht etwa abstrakt, sondern für das konkrete Bauvorhaben zu erbringen. Lässt ein Bieter dann<br />

aber weit mehr als 50 % der konkreten Leistung durch Fremdleistungen erbringen, zeigt dies,<br />

dass er aus Sicht <strong>des</strong> Auftraggebers, aber auch aus seiner Sicht objektiv nicht in der Lage ist,<br />

die konkrete Leistung überwiegend selbst zu erbringen. Zumin<strong>des</strong>t fehlt es bei dieser Sachlage<br />

an dem geforderten Nachweis gegenüber dem Auftraggeber.<br />

Indem die Auftraggeberin durch Forderung eines Nachweises in Ziffer 13 der Bekanntmachung<br />

zum Ausdruck gebracht hatte, dass die eigene Leistungserbringung zum maßgeblichen<br />

Auswahlkriterium wird, mussten sich die Bieter hierauf einstellen. Es wäre eine Kalkulation<br />

erforderlich gewesen, die dies berücksichtigte. Die Bieter sollten damit einerseits eine ihrem<br />

Unternehmen gewohnte Qualität erbringen müssen und andererseits auf den Einkauf von<br />

günstigen Nachunternehmerleistungen überwiegend verzichten mussten. Durch das Belassen<br />

der Beigeladenen im Bieterfeld hat die Auftraggeberin sich über die von ihr selbst gesetzten<br />

Eignungskriterien hinweg gesetzt und ihr grundsätzlich bestehen<strong>des</strong> Ermessen fehlerhaft ausgeübt.<br />

Dies wiederum benachteiligt diejenigen Bieter, die sich an die Ausschreibungsbedingungen<br />

gehalten haben. Hätten diese gewusst, dass die Auftraggeberin die von ihr gesetzten<br />

Eignungskriterien nicht beachten würde, dann hätten auch andere Bieter die Möglichkeit erfolgreich<br />

nutzen und Subunternehmer in überhöhtem Maße mit nicht immer kostendeckenden<br />

Aufträgen einkalkulieren können. Es stellt daher einen zwingenden Verstoß gegen Vergabebedingungen<br />

dar, das Angebot eines solchen Bieters bei der Wertung zuzulassen (so auch<br />

BayObLG, Beschl. 8/99 v. 20.12.1999 sowie BGH BauR 1999, 763 ff).<br />

c)<br />

Das Angebot der Beigeladenen war ferner gem. § 25 Nr.3 VOB/A <strong>des</strong>halb zwingend von<br />

der Vergabe auszuschließen, weil die Beigeladene die Zweifel nicht widerlegen konnte,<br />

welche bei der Auftraggeberin hinsichtlich der Auskömmlichkeit <strong>des</strong> Angebots in begründeter<br />

Weise aufgekommen waren, was einen Verstoß gegen § 97 Abs. 5 GWB darstellt.<br />

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen und der Bewertung der Auftraggeberin in der Sitzung<br />

<strong>des</strong> Bauausschusses vom 10.07.2000 waren die Zweifel an der Auskömmlichkeit <strong>des</strong> Angebots<br />

der Beigeladenen grundsätzlich geeignet, das Angebot auszuschließen.<br />

Die Auftraggeberin ist gem. § 97 Abs. 5 GWB verpflichtet, den Zuschlag nicht auf das preislich<br />

niedrigste, sondern auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Eine Vergabe an die<br />

Beigeladene ist nur dann eine Vergabe auf das wirtschaftlichste Angebot, wenn es sich nicht<br />

um ein gem. § 25 Nr. 3 VOB/A nicht auskömmliches bzw. nicht wirtschaftliches Angebot<br />

handelt. Ein nicht auskömmlich kalkuliertes Unterangebot liegt dann vor, wenn zwischen der<br />

angebotenen Leistung und dem dafür verlangten Preis ein auffallen<strong>des</strong> Missverhältnis besteht<br />

und wenn das grobe Abweichen vom angemessenen Preis (VK Thüringen, Beschl. 2/99 v.<br />

29.09.1999) sofort ins Auge fällt, ohne dass es einer genauen Prüfung im Einzelnen bedarf<br />

(Oberlan<strong>des</strong>gericht Celle, ZVgR 1999, 157, 158). Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die<br />

Endsumme <strong>des</strong> Angebots und nicht auf einzelne Lose oder andere Positionen <strong>des</strong> Leistungsverzeichnisses<br />

(<strong>Vergabekammer</strong> Thüringen, <strong>Beschluss</strong> vom 29.09.1999, 02/99). Etwas anderes<br />

kann ausnahmsweise gelten, wenn sich ein unangemessen niedriger Preis i. S. d. § 25 Nr.<br />

3 Abs. 1 VOB/A aus den Einzelpreisen für in sich abgeschlossene Teile <strong>des</strong> Angebots oder<br />

wichtiger Einzelpositionen ergibt, falls sich nicht aus anderen Preisen ein Ausgleich ergibt<br />

(Oberlan<strong>des</strong>gericht Köln, Urteil vom 29.04.1997 – 20 U 124/96, BauR 1998, S. 118; Vergabeüberwachungsausschuss<br />

Brandenburg, <strong>Beschluss</strong> vom 28.08.1997 – VÜA 12/96 -, WUW<br />

98, 112, <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong>, <strong>Beschluss</strong> vom 07.07.2000 –<br />

1/SVK/43II-00). Als Anhaltspunkt sind grundsätzlich die Preisvorstellungen <strong>des</strong> Auftraggebers<br />

und die Angebotssummen der an deren Bieter heranzuziehen. Die Auswertungen der<br />

15


Angebote durch die Auftraggeberin zeigte, dass das Angebot der Beigeladenen die nächstliegenden<br />

Angebote schon dann um mehr als 10% unterschreitet, wenn der Nachlass von<br />

1XX.XXX,-- DM nicht mit einbezogen wird. Die irrtümlicherweise allen Bewerbern zugesandten<br />

internen Preiskalkulationen <strong>des</strong> Auftraggebers lagen ebenfalls weit über 10 % über<br />

dem Angebotspreis der Beigeladenen.<br />

Aus den im Nachgang der mündlichen Verhandlung übergebenen Unterlagen sowie der Vernehmung<br />

der Zeugen H. und N. hat sich ergeben, dass die Auftraggeberin durchaus Zweifel<br />

an der Wirtschaftlichkeit <strong>des</strong> von der Beigeladenen abgegebenen Angebots hatte. Die Auftraggeberin<br />

hat auch nachdrücklich versucht, bei der Prüfung und Wertung der Angebote sowie<br />

im Bietergespräch aufzuklären, ob es sich bei dem Angebot der Beigeladenen um ein Unterangebot<br />

handelt oder nicht. Der Unterschied zum nächstgünstigsten Angebot der Antragstellerin<br />

beträgt unter Einbeziehung <strong>des</strong> Nachlasses sogar 20 %. In derartigen Fällen ist<br />

ein öffentlicher Auftraggeber angehalten, beim Bieter die Auskömmlichkeit <strong>des</strong> Angebots<br />

abzufragen, § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A. Dies hat nach dieser Vorschrift in erster Linie schriftlich<br />

gegenüber dem betreffenden Bieter zu erfolgen; die zwingende Aufforderung zur Offenlegung<br />

der Kalkulation in einem Bietergespräch mag dies ersetzen. Das Protokoll <strong>des</strong> Bietergesprächs<br />

lässt nur wenig Schlüsse über das Zustandekommen <strong>des</strong> Angebotspreises zu. In<br />

der mündlichen Verhandlung stellten Auftraggeberin und Beigeladene dies jedoch anders dar;<br />

die Auskömmlichkeit der Preise sei ausführlich diskutiert worden. Das Bietergespräch sei für<br />

die Auftraggeberin insofern aufschlussreich gewesen, als sie nicht mehr vom Vorliegen eines<br />

Unterangebots ausging.<br />

Gegenüber der Antragstellerin hatte die Auftraggeberin lediglich geäußert, das Angebot sachlich<br />

und rechnerisch geprüft zu haben. Vermerke über eine über die rechnerische Prüfung<br />

hinausgehende Prüfung fanden sich in der zunächst überlassenen Vergabeakte nicht. Demgegenüber<br />

enthalten die nachträglich überlassenen handschriftlichen Aufzeichnungen und Unterlagen<br />

der Zeugen H. und N. detaillierte Ausführungen zu einzelnen Preispositionen der<br />

Beigeladenen, die sich in zusammengefasster Form auch als Bestandteil der Tischvorlage H.<br />

(Punkt 2.4 und 2.5) an den Bauausschuss der Auftraggeberin wiederfinden. Danach betragen<br />

die Differenz der Preispositionen der Beigeladenen zum nächstbesten Bieter in den Positionen<br />

<strong>1.</strong>2.6. (Rohbauarbeiten, Beton/Stahlbeton) 23 %, in der gesamten Preisposition <strong>1.</strong>2. (Rohbauarbeiten)<br />

18 %. Auffallend sind insbesondere die Teilpositionen <strong>1.</strong>2.6.2 (Außenwände) und<br />

<strong>1.</strong>2.6.5 (Decken) mit 25 % Abstand zum nächstbesten Bieter. Erst in ihrem Schriftsatz vom<br />

03.08.2000 trägt die Beigeladene (von sich aus) individuelle Kostenvorteile vor, welche die<br />

niedrigen Preise rechtfertigen sollen. Dabei fällt auf, dass sich die angeblich durch die geringe<br />

Entfernung vom Bauhof der Beigeladenen zur Baustelle niedrigen allgemeinen Baustelleneinrichtungskosten<br />

nicht, wie vorgetragen, in der Position „Baustelleneinrichtung“ niedergeschlagen<br />

haben. Der billigste Bieter zu dieser Position liegt bei ca. 6X.XXX,-- DM, die Beigeladene<br />

bei 1XX.XXX,XX DM und die Antragstellerin bei 1XX.XXX,XX DM. Die Beigeladene<br />

hat hauptsächlich bei der Position Stahlbau niedrig geboten. In der mündlichen Verhandlung<br />

hat die Beigeladene gezielte Nachfragen nach den Preispositionen <strong>1.</strong>2.6.0. dahingehend<br />

beantwortet, diese ergebe sich aus einer frühzeitigen Vorfertigung der Schalungsteile<br />

anhand der Pläne und einem hervorragenden Kostenmanagement. Zudem seien Transportkosten<br />

wegen der Nähe seines Unternehmens zum Bau minimiert. Ein Preisvorteil ergebe sich<br />

auch aus der Abschreibung von Schalungsgerät.<br />

Der Vortrag der Beigeladenen wird durch die glaubwürdige Aussage <strong>des</strong> Zeugen H. sowie<br />

durch die nachträglich übergebenen vergaberelevanten Unterlagen relativiert bzw. widerlegt.<br />

Vorab ist hierzu Folgen<strong>des</strong> zu bemerken: Nach den allgemeinen Beweislastregeln ist jede<br />

Partei für diejenigen Tatsachen beweispflichtig, aus denen ihr ein Vorteil erwüchse. Diese<br />

16


Regel hilft im vorliegenden Fall jedoch nicht wesentlich weiter, weil sowohl die Beigeladene<br />

(durch die Zuschlagserteilung) als auch die Auftraggeberin (durch den günstigeren Angebotspreis<br />

vorbehaltlich eventueller Nachträge) Vorteile durch die Zuschlagserteilung auf das Angebot<br />

der Beigeladenen erlangen könnten.<br />

Ingenstau/Korbion Rn. 66 zu § 25 VOB/A legt dar, dass der Auftraggeber für das Vorliegen<br />

eines unangemessenen Verhältnisses zwischen Preis und Leistung darlegungs- und beweispflichtig<br />

ist. Diese Wertung geht davon aus, dass es sich bei § 25 Nr. 3 VOB/A grundsätzlich<br />

um eine nicht die Bieter, sondern die Auftraggeber schützende Vorschrift handelt (vgl. dazu<br />

unten d)). Die so vorgenommene Verteilung der Beweislast lässt sich auf einen Fall wie den<br />

vorliegenden jedoch nicht anwenden, denn hier will sich nicht der Auftraggeber vor einem<br />

Niedrigangebot schützen, sondern ein anderer Bieter verlangt den Ausschluss der Beigeladenen.<br />

Eine Verlagerung der Beweislast auf diesen Bieter wäre nicht sachgerecht, da dieser die<br />

(geheim zu haltenden) Kalkulationsgrundlagen der Beigeladenen nicht einmal kennen darf.<br />

Der Wortlaut <strong>des</strong> § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A löst jedoch das Problem, denn er verpflichtet den<br />

Auftraggeber, sich bei einem unangemessen niedrig anmutenden Angebot beim Bieter nach<br />

der Auskömmlichkeit zu erkundigen. Dies bedeutet aber logischerweise, dass die Beweislast<br />

im Falle der Nachfrage auf den Bieter übergeht, denn eine Nachfrage allein beseitigt den Anschein<br />

der Unauskömmlichkeit nicht. Der Bieter ist gehalten, dem Auftraggeber auf <strong>des</strong>sen<br />

Nachfrage schlüssig darzulegen, dass es sich um ein auskömmliches Angebot handelt. Alles<br />

Andere würde die zwingend in § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A normierte Nachfragepflicht zu einer<br />

Farce werden lassen. Der Auftraggeber muss durch die Auskunft <strong>des</strong> Bieters in die Lage versetzt<br />

werden, sich selbst und den Wettbewerb vor unangemessen niedrigen Angeboten zu<br />

schützen.<br />

Daraus folgt aber, dass es zu Lasten <strong>des</strong> Bieters gehen muss, wenn er die Nachfrage nicht<br />

zweifelsfrei beantworten kann. In den vorliegenden, einschlägigen Dokumenten bis hin zum<br />

Vergabevermerk schlägt sich nieder, dass die Auftraggeberin ernste und durch entsprechende<br />

Nachkalkulation begründete Zweifel an der Tatsache hatte, dass es sich um ein auskömmliches<br />

Angebot handelte und die Beigeladene auch zu einer befriedigenden Erklärung aufforderte.<br />

Diese war jedoch, wie die Protokolle und Dokumente belegen, nicht in der Lage, die<br />

Zweifel auszuräumen. So vermögen insbesondere die sehr pauschal gehaltenen Rechtfertigungsargumente<br />

der Beigeladenen ebenso wie ihr späterer schriftsätzlicher Vortrag nicht darzulegen,<br />

warum insbesondere in den Positionen Außenwände und Decken die Differenzen 25<br />

% betragen, in der Teilleistung <strong>1.</strong>2. noch 20%. Transportvorteile können dies ebensowenig<br />

belegen wie Vorfertigungsvorteile. Das Vorbringen der Beigeladenen im Bereich Schalung ist<br />

zudem – wie die Antragstellerin zu Recht vorträgt – in sich widersprüchlich. Hatte die Beigeladene<br />

in der mündlichen Verhandlung und in älteren Schriftsätzen die Kostenersparnis im<br />

Beton/Stahlbetonbereich auf abgeschriebene Schalungstechnik zurückgeführt, trug sie in späteren<br />

Schriftsätzen vor, gerade diese Arbeiten würde sie an Subunternehmer vergeben. Dieser<br />

Vortrag erfolgte jedoch erst, nachdem die Antragstellerin, u. a. durch Darlegung <strong>des</strong> Beistands<br />

..., dargelegt hatte, dass das von ihr benannte und von ihr verwandte Schalungssystem<br />

ungeeignet war. In gleicher Weise hat die Beigeladene zunächst darauf hingewiesen, dass<br />

entgegen den Einschätzungen <strong>des</strong> Zeugen H... 7359 Lohnstunden auskömmlich kalkuliert<br />

wurden. In späteren Schriftsätzen werden die fehlenden 6500 Lohnstunden für die Subunternehmer<br />

hinzuaddiert. Dies zeigt aber auch, dass die Einschätzung <strong>des</strong> Zeugen H... zur Diskrepanz<br />

<strong>des</strong> Nachunternehmereinsatzes laut Verzeichnis und Kalkulation dadurch noch verstärkt<br />

wird. Zudem findet sich in den handschriftlichen Mitschriften <strong>des</strong> Zeugen N. eine handschriftliche<br />

Übersichtstabelle Kalk. Angebotssumme/Angebotspreis, bei denen bei drei Bietern<br />

der engeren Wahl eine vollständige Übereinstimmung (+/-0 %) vermerkt ist. Bei der Beigeladenen<br />

findet sich demgegenüber ein Minus von 8 % <strong>des</strong> Angebotspreises gegenüber der<br />

kalkulierten Angebotssumme. Zudem findet sich in der neunseitigen Mitschrift <strong>des</strong> Zeugen H.<br />

17


über das Aufklärungsgespräch mit der Beigeladenen auf Seite 7 der festgehaltene Ausspruch<br />

<strong>des</strong> Geschäftsführers ... „Wir verdienen nichts dabei ! Aber das Angebot ist auskömmlich.“<br />

Lediglich die beharrliche Behauptung der Beigeladenen, ihr Angebot sei auskömmlich, hielt<br />

die Auftraggeberin davon ab, die Unauskömmlichkeit festzustellen, obwohl diese in der<br />

Tischvorlage H. problematisiert worden war und es keine besonderen Umstände noch andere<br />

Ausgleichspositionen gab, die eine gegenüber den Mitbietern wirtschaftlichere Leistungserbringung<br />

belegen konnten. Alleiniges Motiv war – nach Überzeugung der <strong>Vergabekammer</strong><br />

-, ein erneutes Nachprüfungsverfahren zu verhindern, da die Beigeladene die billigste Bieterin<br />

war. Das ist aber nicht Sinn und Zweck <strong>des</strong> § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A, sondern der Schutz<br />

von Auftraggeber und Wettbewerb vor „Dumpingangeboten“. Die Beigeladene war offensichtlich<br />

nicht in der Lage, die begründeten Zweifel der Auftraggeberin auszuräumen. Nach<br />

den vorstehenden Erwägungen hätten allein diese protokollierten, begründeten Zweifel die<br />

Auftraggeberin berechtigt und verpflichtet, das Angebot gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1, 2 VOB/A<br />

zwingend vom Wettbewerb auszuschließen. Somit liegt ein zweiter Ausschlussgrund hinsichtlich<br />

<strong>des</strong> Angebots der Beigeladenen vor.<br />

d)<br />

Bei § 25 Nr. 3 VOB/A handelt es sich wie bei § 25 Nr. 2 VOB/A um eine Bieter schützende<br />

Vorschrift; die fehlende Prüfung der Auskömmlichkeit <strong>des</strong> Angebots der Beigeladenen sowie<br />

die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf dieses Angebot verstößt gegen § 97 Abs. 5 GWB.<br />

Zwar vertritt Ingenstau/Korbion in Rn. 62 zu § 25, dass die Vorschrift in erster Linie dazu<br />

diene, spätere Schäden beim Auftraggeber zu vermeiden und keinesfalls den unauskömmlich<br />

bietenden Bieter schützen soll (so auch BGH, Urt. v. 04.10.1979, NJW 1980, S. 180). Der<br />

BGH führte hierzu aus, dass sich der Auftraggeber für den Fall einer Fehlkalkulation nicht auf<br />

§ 242 BGB berufen könne. Die Vorschrift <strong>des</strong> § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A sei zum Schutz <strong>des</strong><br />

Auftraggebers vorgesehen, er schütze nicht den Bieter „vor sich selbst“, d.h. vor eigenen Fehlern.<br />

Dies muss in gleicher Weise für einen „irrtümlich“ angebotenen Nachlass gelten. Über<br />

die anderen Teilnehmer am Wettbewerb ist damit jedoch noch keine Aussage getroffen. Es ist<br />

jedoch davon auszugehen, dass ein Unterangebot wettbewerbswidrig ist und ausgeschlossen<br />

werden muss. Der Zuschlag auf ein unwirtschaftliches Angebot verstößt gegen § 97 Abs. 5<br />

GWB. Daher muss es auch für die weiteren Teilnehmer die Möglichkeit geben, dies im Nachprüfungsverfahren<br />

zu beanstanden, insbesondere, wenn es sich um denjenigen Bieter handelt,<br />

der an zweiter Stelle liegt.<br />

Die fehlerhafte Prüfung sowohl der Eignung der Beigeladenen als auch der Auskömmlichkeit<br />

ihres Angebots verstößt gegen § 97 Abs. 2 GWB, der willkürliche Ungleichbehandlungen<br />

verhindern will. Dem gemäß kann es dahin stehen, ob das Angebot auch wegen eines Verstoßes<br />

gegen § 25 Nr. 1 a oder b VOB/A auszuschließen wäre, was aber wohl ein vollständiges<br />

Ersetzen <strong>des</strong> Ursprungsangebots samt Nachlass durch ein in die Wertung kommen<strong>des</strong> zweites<br />

Angebot voraussetzt. Dem dürfte der <strong>Beschluss</strong> <strong>des</strong> Bauausschusses der Auftraggeberin entgegen<br />

stehen.<br />

3.<br />

Die gem. § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB von der Kammer hierauf zu treffende Maßnahme ist nicht<br />

an gestellte Anträge gebunden; gleichwohl hat die Antragstellerin gefordert, die Auftraggeberin<br />

zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen und dem wirtschaftlichsten<br />

Angebot, vermeintlich dem ihrigen, den Zuschlag zu erteilen. Die von der Kammer<br />

zu treffenden Maßnahmen müssen geeignet sein, um die festgestellte Rechtsverletzung zu<br />

beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern<br />

18


(Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, Rn. 16 zu § 114 GWB). Die Anordnung muss also verhältnismäßig<br />

sein und darf das Auswahlermessen <strong>des</strong> Auftraggebers nicht beeinträchtigen. Ist<br />

jedoch, wie im vorliegenden Fall, der Ermessensspielraum <strong>des</strong> Auftraggebers auf Null reduziert,<br />

kann die <strong>Vergabekammer</strong> den Auftraggeber verpflichten, ein bestimmtes, zwingend<br />

auszuschließen<strong>des</strong> Angebot auch tatsächlich auszuschließen (VK Düsseldorf, Beschl. 12/99L<br />

v. 2<strong>1.</strong>09.1999, Boesen, Vergaberecht, Rn. 23 zu § 114 GWB). Im vorliegenden Fall bestehen<br />

– wie dargelegt - sogar mehrere zwingende Ausschlussgründe.<br />

Die Anordnung, einem bestimmten Unternehmen den Zuschlag zu erteilen, scheidet grundsätzlich<br />

im Hinblick auf das weite Auswahlermessen <strong>des</strong> Auftraggebers aus. Auch hier war<br />

jedoch festzustellen, dass das Auswahlermessen der Auftraggeberin auf Null reduziert ist. Die<br />

<strong>Vergabekammer</strong> vermisste von Beginn <strong>des</strong> Verfahrens einen schlüssigen Vergabevermerk,<br />

aus welchem sich die Prüfungsreihenfolge und die Begründungen für die einzelnen Verfahrens-<br />

und Wertungsschritte ergab. Ein solcher Vermerk existierte auch bereits vor der Abforderung<br />

der Akten an die Kammer, wie das zugehörige, von der Auftraggeberin unterschriebene<br />

Protokoll (vom 10.07.2000; Abforderung per Fax am 18.07. zum 2<strong>1.</strong>07.2000) beweist.<br />

Dieser Vergabevermerk ist auf einer sorgfältigen Auswertung der Angebote aufgebaut worden.<br />

Alle Bieter wurden entsprechend der Reihenfolge <strong>des</strong> § 25 VOB/A zumin<strong>des</strong>t summarisch<br />

auf ihre Eignung, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit geprüft. Die Auswahl der fünf<br />

zum Bewerbergespräch eingeladenen Bieter erfolgte zwar in Orientierung am geprüften Angebotspreis;<br />

die Eignung war jedoch zuvor geprüft worden. Der Vergabevermerk dokumentiert<br />

deutlich, dass das Angebot der Beigeladenen nicht wirtschaftlich ist, das der Antragstellerin<br />

dagegen wohl. Die Kammer konnte die Wertung der Angebote sowie die Auswahlentscheidung<br />

<strong>des</strong> mit der Durchführung der Ausschreibung beauftragten Büros nachvollziehen.<br />

Nicht nachvollziehbar erscheint dagegen der letztendlich vom Bauausschuss der Auftraggeberin<br />

gefasste <strong>Beschluss</strong>. Auch für diesen Aspekt ist daher das Auswahlermessen der<br />

Auftraggeberin auf Null reduziert; ihr ist aufzugeben, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin<br />

zu erteilen. Diese Ermessensreduzierung verdeutlicht auch folgende Passage auf<br />

Seite 2 <strong>des</strong> Protokolls der Bauausschusssitzung der Auftraggeberin: „ In der weiteren Diskussion<br />

wird festgestellt, dass eine Vergabeentscheidung nach preislichen Gesichtspunkten nur<br />

zwischen ... und ... fallen kann, eine andere Entscheidung ist nicht begründbar“. Dem gemäß<br />

enthält auch der einstimmig gefällte <strong>Beschluss</strong> <strong>des</strong> Bauausschusses folgende Klausel: „ ... 2.<br />

Für den Fall, dass die ... nicht bereit ist, zu diesem Preis den Vertrag zu schließen und de facto<br />

vom Vertrag zurücktritt, ist der Zuschlag der ... mit einem Angebotspreis ... zu erteilen.“ Somit<br />

ist deutlich, das bei einem irgendwie gearteten Ausscheiden der Beigeladenen der Zuschlag<br />

nach durchgeführter Wertung nur der Antragstellerin erteilt werden kann.<br />

Die Auftraggeberin hat die Kosten <strong>des</strong> Verfahrens und <strong>des</strong> Gestattungsverfahrens (Gebühren<br />

und Auslagen) gem. § 128 Abs. 3 GWB zu tragen, da sie in beiden Fällen unterlag. Die Höhe<br />

der Gebühr bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen und personellen Aufwand der Kammer<br />

unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Nachprüfungsverfahrens.<br />

Die wirtschaftliche Bedeutung <strong>des</strong> Hauptsacheverfahrens ist mit einem Auftragsvolumen<br />

von 2,X Mio. DM so gelagert, dass die Min<strong>des</strong>tgebühr in Höhe von DM 5.000,-angemessen<br />

erscheint. Für einen Gestattungsantrag ist üblicherweise der hälftige Wert anzusetzen,<br />

da dieser seiner Natur nach ein gesondertes einstweiliges Rechtsschutzverfahren betrifft,<br />

<strong>Beschluss</strong> der <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> vom 22.02.2000 - 1/SVK/4-<br />

00 -; in diesem Fall also 2.500,-- DM.<br />

Die Gebühren sind unter Verwendung <strong>des</strong> beigefügten Zahlungsformulars binnen zwei Wochen<br />

nach Zustellung dieser Entscheidung bei der Hauptkasse <strong>Sachsen</strong>, Außenstelle Chem-<br />

19<br />

III.


nitz, unter Verwendung der Buchungskennzeichen ... und ... auf das Konto-Nr. 3550001800<br />

bei der Sparkasse Chemnitz, BLZ 87050000 einzuzahlen.<br />

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war angesichts der sachlichen und rechtlichen Schwierigkeiten<br />

für die Antragstellerin notwendig (§ 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2<br />

VwVfG). Nach der grundlegenden Entscheidung <strong>des</strong> Oberlan<strong>des</strong>gerichts Düsseldorf (<strong>Beschluss</strong><br />

vom 20.07.2000,Verg 1/00) handelt es sich bei der Prüfung der Notwendigkeit der<br />

Hinzuziehung immer um eine Einzelfallentscheidung, bei der zu beachten bleibt, dass § 128<br />

Abs. 4 S. 3 GWB nur eine entsprechende Geltung <strong>des</strong> § 80 VwVfG anordnet, so dass <strong>des</strong>sen<br />

restriktive Tendenz zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten nicht unbesehen auf das <strong>Vergabekammer</strong>verfahren<br />

übertragen werden kann. Kämen aber neben auftragsbezogenen Sachund<br />

Rechtsfragen einschließlich der dazugehörigen Vergaberegeln weitere - nicht einfache –<br />

Rechtsprobleme, gerade auch solche der Vergabenachprüfungsregeln, hinzu, sei es sachgerecht,<br />

die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu gewähren. Als weiterer<br />

Gesichtspunkt sei neben zeitlichen Aspekten die eigene Verfügbarkeit schon vorhandenen<br />

qualifizierten Personals zu berücksichtigen. All diese Aspekte sprechen für die Notwendigkeit<br />

der Hinzuziehung eines fachkundigen Anwalts auf Seiten der Antragstellerin. So geht es zum<br />

einen um schwierige Fragen <strong>des</strong> materiellen Vergaberechts (Unterangebot, Nachverhandlungsverbot,<br />

Ausmaß <strong>des</strong> Nachunternehmereinsatzes, Ermessensreduzierung auf Null).<br />

Daneben waren technische Fragen (Schalungssysteme) zu bewerten und umfangreiche Wertungen<br />

und Wichtungen von Zeugenaussagen vorzunehmen. Die Stellungnahmen zu den einzelnen<br />

Zeugenaussagen mussten zudem innerhalb sehr kurzer Fristen gefertigt werden.<br />

Diese komplizierten Fragen überforderten die rechtliche Kompetenz der Antragstellerin bzw.<br />

ihrer Mitarbeiter. Die vorstehend aufgeführten Umstände rechtfertigen es zumin<strong>des</strong>t in einer<br />

Gesamtschau, der Antragstellerin die Notwendigkeit anwaltlicher Hilfe zuzubilligen.<br />

Gegen die Entscheidungen der <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> ist gem. § 116<br />

Abs. 1 GWB die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen,<br />

die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt (§ 117 Abs. 1 GWB), schriftlich beim<br />

Beschwerdegericht einzulegen. Beschwerdegericht für die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong><br />

ist das Oberlan<strong>des</strong>gericht Dresden, Vergabesenat, Lothringer Straße 1, 01069 Dresden. Die<br />

Beschwerde muss zugleich mit ihrer Einlegung begründet werden (§ 117 Abs. 2 GWB). Die<br />

Beschwerdebegründung muss enthalten:<br />

<strong>1.</strong> die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine abweichende<br />

Entscheidung beantragt wird,<br />

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.<br />

Die Beschwer<strong>des</strong>chrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt<br />

unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen <strong>des</strong> öffentlichen<br />

Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB). Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen<br />

Beteiligten <strong>des</strong> Verfahrens vor der <strong>Vergabekammer</strong> vom Beschwerdeführer durch Übermittlung<br />

einer Ausfertigung der Beschwer<strong>des</strong>chrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).<br />

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der <strong>Vergabekammer</strong>.<br />

Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist<br />

(§ 118 Abs. 1 GWB).<br />

20<br />

IV.<br />

Fett Kriegesmann Dr. Dammert

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