GEHEIMSpRACHE DER NEURONEN
GEHEIMSpRACHE DER NEURONEN
GEHEIMSpRACHE DER NEURONEN
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THOMAS BRAUN / G&G<br />
Information – verborgen im Erregungsmuster<br />
Die Spike-Antwort einer Nervenzelle auf identische präsentierte<br />
Reize sieht jedes Mal etwas anders aus (links<br />
oben). Daher wird die mittlere Pulsrate im festgelegten Zeit-<br />
Präsentationsnummer<br />
Feuerrate (Spikes/sec)<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
300<br />
200<br />
100<br />
nachbarter Neuronen in mehreren Cortexregionen<br />
ist redundant – dies wiesen<br />
bereits Hubel und Wiesel in den erwähnten<br />
corticalen Merkmalskarten nach. Bevorzugte<br />
Reizeigenschaften benachbarter<br />
Cortex-Neuronen ändern sich nicht<br />
sprunghaft, sondern allmählich. Die<br />
Neuronen innerhalb einer corticalen Säule<br />
bevorzugen quasi identische Reize.<br />
Diese Neuronen sind daher besonders<br />
gut geeignet, um Populationscodes zu erzeugen.<br />
Das Spikemuster scheint bei den Populationscodes<br />
ebenfalls eine Rolle zu<br />
spielen. Die von Bialek angewendete<br />
Methode lässt sich nämlich relativ einfach<br />
auf eine ganze Population von Neuronen<br />
erweitern, wie die Neurobiologin<br />
Yang Dan und ihre Mitarbeiter von der<br />
University of California in Berkeley demonstrierten.<br />
Sie zeigten einer Katze<br />
Filmsequenzen und leiteten im so genannten<br />
seitlichen Kniehöcker Spikeantworten<br />
ab, die aus dem visuellen Thalamus<br />
„gesendet“ wurden. Ähnlich wie in<br />
Bialeks Fliegen-Experiment gewannen<br />
die Forscher zunächst zu jedem einzelnen<br />
Neuron dessen bevorzugten Reizverlauf.<br />
Aus deren Überlagerungen rekonstruierten<br />
sie nicht nur wie Bialek den<br />
Reizverlauf am Eingang eines einzelnen<br />
Neurons, sondern aus der Überlagerung<br />
GEHIRN & GEIST 02/2002<br />
0<br />
0 100 200 300 400 500<br />
Zeit in Millisekunden<br />
0<br />
0<br />
Peri-Stimulus-Time-Histogramm (PSTH)<br />
100 200 300 400 500<br />
Zeit in Millisekunden<br />
über alle Reizantworten der Population<br />
die ganze Filmsequenz. Die Experimente<br />
wiesen eindrucksvoll nach, dass komplexe<br />
Reizmuster durch die zeitliche Abfolge<br />
der Aktionspotenziale einer Neuronen-Gruppe<br />
detailliert codiert werden<br />
können.<br />
Mit derselben sowie anderen, ähnlichen<br />
Methoden ist es Miguel Nicolelis<br />
von der Duke University im amerikanischen<br />
Durham (North Carolina) und Mitarbeitern<br />
kürzlich gelungen, aus den<br />
neuronalen Aktivitäten im motorischen<br />
Cortex eines Affen die Bewegungsabfolge<br />
seiner Arme vorherzusagen. Sie haben<br />
intervall (hier zehn Millisekunden) bestimmt und als Balkendiagramm<br />
(links unten) aufgetragen. Das so genannte Peri-<br />
Stimulus-Time-Histogramm gibt die „typische“ Antwort einer<br />
Zelle nach Präsentation eines bestimmten Reizes wieder.<br />
Je kleiner die Zeitintervalle sind, in denen die Spikes (a,<br />
Bild rechts) gezählt werden, desto differenzierter gibt das<br />
Balkendiagramm Auskunft (b, c). Wird das Zeitfenster so<br />
klein gewählt, dass höchstens ein Spike darin Platz findet<br />
(d), lässt sich die Spikefolge als binärer Code darstellen (e).<br />
damit sogar über das Internet einen Roboterarm<br />
gesteuert.<br />
Ein anderes aufschlussreiches Experiment<br />
zur Populationscodierung führten<br />
bereits vor über zehn Jahren die Neurowissenschaftler<br />
Choongkil Lee, Bill<br />
Rohrer und David Sparks von der University<br />
of Alabama in Birmingham<br />
durch. Die Forscher rekonstruierten die<br />
Augenbewegung eines Affen aus der Aktivität<br />
vieler motorischer Neuronen des<br />
Colliculus superior, des „oberen Hügels“<br />
des Mittelhirndaches. Dabei berechneten<br />
sie durch Mittelwertbildung über die von<br />
den einzelnen Neuronen bevorzugten<br />
▲<br />
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