17.10.2012 Aufrufe

Regio CITADIS verbindet Stadt und Land

Regio CITADIS verbindet Stadt und Land

Regio CITADIS verbindet Stadt und Land

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zeitschrift<br />

Schriftleitung: Prof. Dr. Bachmaier, Dr. Ing. Friedrich,<br />

Dipl. Ing. Schulze, Dipl. Volksw. Mollenkotten<br />

Sonderausgabe Verkehr 2010<br />

Aus dem Inhalt<br />

Grußwort<br />

Der ÖPNV – ein unverzichtbarer<br />

Bestandteil<br />

der Daseinsvorsorge<br />

Von Dr. Peter Ramsauer, Berlin 2<br />

Damit der Nahverkehr<br />

eine Erfolgsgeschichte bleibt<br />

Von Dr. Klaus Baur, Berlin 4<br />

Bedeutung des Personen<strong>und</strong><br />

Güterverkehrs für<br />

moderne Volkswirtschaften<br />

Von Dr. Stefan Rommerskirchen, Basel 5<br />

Der öffentliche Personennahverkehr<br />

– Rückgrat der<br />

Mobilität im Ballungsraum<br />

Von Dr. Hans-Jörg Gr<strong>und</strong>mann,<br />

Frankfurt am Main 10<br />

Energiemanagement im<br />

Schienenfahrzeugbau<br />

Von Herbert Zimmermann, Frankfurt am Main 11<br />

Demographischer Wandel –<br />

Herausforderung <strong>und</strong><br />

Chance für den ÖPNV<br />

Von Prof. Dr. Frank Fichert, Heilbronn 13<br />

Erdgas als Kraftstoff<br />

lässt Städte aufatmen<br />

Von Henning R. Deters, Essen 19<br />

Investitionen des ÖPNV<br />

bleiben für den Binnenmarkt<br />

interessant<br />

Von Dipl.-Geogr. Stephan Anemüller, Berlin 20<br />

Öffentlich Private<br />

Partnerschaften<br />

im Bereich Straße<br />

Von Torsten R. Böger, Berlin 29<br />

Branchenspezifische<br />

Leistungsangebote im<br />

Schienengüterverkehr<br />

Von Ralf Jahncke, Wiesbaden 35<br />

VRR geht neue Finanzierungswege<br />

im Schienenpersonennahverkehr<br />

Von Martin Husmann, Gelsenkirchen 37<br />

Die Hamburger S-Bahn<br />

Von Michael Hüttel, Hamburg 38<br />

(((eTicket Deutschland<br />

Von Drs. Ing. Sjef Janssen, Köln 43<br />

Die Bedeutung des Busverkehrs<br />

für den Umweltschutz<br />

im Verkehr<br />

Von Dipl.-Ing. Ralph Pütz, Köln 48<br />

Vergaberecht / ÖPNV | Deutscher Städtetag<br />

EG-Verordnung 1370/2007 –<br />

Auswirkungen in der Praxis<br />

Aulinger Rechtsanwälte, Bochum 57<br />

Erdgas im öffentlichen<br />

Verkehr – ein aktiver Beitrag<br />

zum Klimaschutz<br />

Von Bernhard Jeken, Essen 58<br />

Neue Entwicklungen<br />

für die Streutechnik der Zukunft<br />

Streuen mit<br />

Apotheker-Genauigkeit<br />

Von Dr.-Ing. Horst Hanke, Saarland 65<br />

Maßnahmen zur Verkehrsbeeinflussung<br />

Verkehrliche Aspekte<br />

winterlicher Fahrbahnzustände<br />

auf Autobahnen<br />

Von Dr.-Ing. Matthias Zimmermann, Karlsruhe 67<br />

Eckpunkte für Änderung<br />

des Personenbeförderungsgesetzes:<br />

VDV <strong>und</strong> bdo einigen sich 72<br />

Fünf Empfehlungen für Weiterentwicklung<br />

des Bestellermarktes im<br />

Schienenpersonennahverkehr<br />

Bahnen <strong>und</strong> Aufgabenträger<br />

im VDV legen gemeinsames<br />

Diskussionspapier vor 72<br />

Gutes Klima im Busverkehr 74<br />

Die <strong>Stadt</strong> München setzt<br />

bei der Parkraumbewirtschaftung<br />

auf Siemens 76<br />

INIT Innovation in Transporation Inc., Virginia<br />

10 Jahre Innovationen<br />

für den Öffentlichen<br />

Personennahverkehr 77<br />

Ticketingsystem der neuesten Generation<br />

INIT zeigt Showcase<br />

DB <strong>Stadt</strong>verkehr Bayern<br />

auf der UITP 78<br />

init rüstet 800 weitere<br />

Fahrzeuge für Dubai aus 79<br />

Bahnhof des Jahres 2009:<br />

Uelzen ist ein Gesamtkunstwerk<br />

„Bunter Bahnhof mit herrlich<br />

r<strong>und</strong>en Formen“ 79<br />

telent schafft moderne Infrastruktur<br />

am Münchener Hauptbahnhof<br />

Die Deutsche Bahn beauftragt<br />

telent mit dem Aufbau IPbasierterKommunikations<strong>und</strong><br />

Überwachungssysteme 80<br />

Neuer Brennstoffzellenbus<br />

tritt nächstes Jahr seinen<br />

Dienst im Hamburg an 80<br />

Neues Fahrzeugfinanzierungsmodell<br />

wird erstmals im SPNV angewandt<br />

VRR schreibt<br />

<strong>Regio</strong>nalBahn-Linie 47 aus 81<br />

DEKRA unterstützt die SSB bei der<br />

Umsetzung des Projektes ARGUS<br />

Prozessoptimierung macht<br />

Betrieb sicherer 82<br />

Präventive Instandhaltung von 90<br />

Fahrzeugen der Rheinbahn AG Düsseldorf<br />

Mit dem Projekt<br />

„Rollkur“ für mehr<br />

K<strong>und</strong>enzufriedenheit 83<br />

Auszubildende von DB Services machen Berufswelt<br />

im Berliner Hauptbahnhof erlebbar<br />

Schüler können zukünftig<br />

das Facility Management<br />

praxisnah erk<strong>und</strong>en 83<br />

Neues DDS-Produkt: Geokodierte<br />

Haltestellen des Schienenverkehrs<br />

Voll im Trend 84<br />

VDV<br />

Zufriedenheit der Nahverkehrsk<strong>und</strong>en<br />

wächst im<br />

sechsten Jahr in Folge 84<br />

Neues S-Bahn Konzept an Rhein <strong>und</strong> Ruhr:<br />

Mehr Qualität für<br />

Nahverkehrsk<strong>und</strong>en 85<br />

14 neue Erdgas-Gelenkbusse<br />

für die Saarbahn GmbH 86<br />

Die Deutsche Bahn beauftragt<br />

telent mit der Ausrüstung der<br />

Nebenstrecken mit moderner<br />

Übertragungstechnik<br />

für ihr GSM-R-Netz 87<br />

Public Transport<br />

auf der InnoTrans 2010 87<br />

VDV begrüßt Weiterführung<br />

der Gleisanschlussförderung 88<br />

Nahverkehr 2010 1<br />

<strong>Regio</strong> <strong>CITADIS</strong><br />

<strong>verbindet</strong><br />

<strong>Stadt</strong> <strong>und</strong> <strong>Land</strong><br />

Die modernen <strong>Regio</strong>nalstadtbahnen aus dem<br />

Hause Alstom können gleichermaßen das<br />

städtische Straßenbahnnetz als auch das<br />

regionale Eisenbahnnetz befahren.<br />

Damit werden kostensparend vorhandene<br />

Infrastrukturen genutzt.<br />

Als Hybridbahn ist <strong>Regio</strong> Citadis unabhängig<br />

von jeder Stromzufuhr <strong>und</strong> fährt mit<br />

Dieselantrieb.<br />

Die Fahrzeuge sind seit Ende 2004 in Kassel<br />

<strong>und</strong> 2006 in Den Haag erfolgreich im<br />

Fahrgasteinsatz.<br />

Weitere Informationen:<br />

ALSTOM Transport Deutschland GmbH<br />

Linke-Hofmann-Busch-Straße 1<br />

38239 Salzgitter<br />

www.transport.alstom.com<br />

Telefon 05341-900-0<br />

Telefax 05341-900-6943


Grußwort<br />

Der ÖPNV – ein unverzichtbarer<br />

Bestandteil der Daseinsvorsorge<br />

Von Dr. Peter Ramsauer, B<strong>und</strong>esminister für Verkehr, Bau <strong>und</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung, Berlin<br />

Die gesellschaftliche Bedeutung<br />

des ÖPNV<br />

In Deutschland nutzen täglich r<strong>und</strong> 28,5<br />

Millionen Menschen den ÖPNV. Etwa<br />

86 Prozent aller privaten Haushalte in<br />

Deutschland erreichen innerhalb von 10<br />

Minuten eine ÖPNV-Haltestelle. Schon<br />

an diesen Zahlen wird der Beitrag des<br />

ÖPNV zur Daseinsvorsorge deutlich.<br />

Für die individuelle Mobilität spielt die<br />

Bewegungsfreiheit im Alltag eine große<br />

Rolle. Wer kein Auto hat, weil er sich<br />

vielleicht keines leisten kann, oder wer<br />

sein Auto auch einmal stehen lassen<br />

will, ist auf den ÖPNV angewiesen. In<br />

Ballungsräumen mit einem gut organisierten<br />

ÖPNV-Angebot ist die Zahl der<br />

Haushalte ohne Auto besonders hoch.<br />

Zum Beispiel verfügt in Berlin nur jeder<br />

zweite Haushalt über einen Pkw.<br />

In den Städten <strong>und</strong> insbesondere in<br />

den ländlichen Räumen stellt der demographische<br />

Wandel den ÖPNV vor<br />

2 Nahverkehr 2010<br />

Nahverkehr 2010<br />

Sonderveröffentlichung des Kommunal-Verlag GmbH Wuppertal<br />

Am 23. Mai 2009 haben wir den 60. Jahrestag der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> des Gr<strong>und</strong>gesetzes gefeiert. Unsere<br />

Verfassung <strong>und</strong> die öffentliche Mobilität haben mehr miteinander zu tun, als man auf den ersten Blick denken<br />

mag. Tatsächlich ist Mobilität die Voraussetzung für die Entfaltung vieler Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong> für das freiheitliche Leben<br />

jedes Einzelnen. Vor allem die Handlungsfreiheiten enthalten den Mobilitätsgedanken: Die Versammlungsfreiheit,<br />

das Recht auf Freizügigkeit, die Freiheit zur Wahl des Arbeitsplatzes <strong>und</strong> die Freiheit zur Entfaltung der Persönlichkeit<br />

würden beschnitten werden, wenn man nicht mobil wäre. Daraus ergibt sich kein Gr<strong>und</strong>recht auf öffentliche<br />

Beförderung, wohl aber eine Aufforderung an den Staat, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) als Teil der<br />

Daseinsvorsorge bzw. der Gr<strong>und</strong>versorgung zu begreifen. Dabei spielt auch das im Gr<strong>und</strong>gesetz formulierte Ziel der<br />

„Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im B<strong>und</strong>esgebiet“ eine Rolle. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU,<br />

CSU <strong>und</strong> FDP trägt diesen Gedanken Rechnung. Darin heißt es: „Die Koalition bekennt sich zum ÖPNV als unverzichtbaren<br />

Bestandteil der Daseinsvorsorge, auch in der Fläche.“ Dabei hat der ÖPNV nicht nur für die Mobilität der<br />

Menschen eine herausragende Bedeutung, sondern auch für den Klimaschutz <strong>und</strong> für die Attraktivität von Städten<br />

<strong>und</strong> ländlichen <strong>Regio</strong>nen.<br />

neue Herausforderungen. Alterung <strong>und</strong><br />

Bevölkerungsrückgang erfordern vielerorts<br />

eine Anpassung des ÖPNV-Angebots.<br />

Viele Menschen sind im Alter nicht<br />

zuletzt aus ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen<br />

auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.<br />

Durch Barrierefreiheit muss der<br />

ÖPNV Mobilität gerade auch für Ältere<br />

<strong>und</strong> für Menschen mit Behinderungen<br />

sicherstellen.<br />

Während die Fahrgastzahlen in städtischen<br />

Wachstumsregionen steigen,<br />

wird es in anderen Gebieten um die<br />

Frage gehen, wie ein Gr<strong>und</strong>angebot für<br />

die Daseinsvorsorge im öffentlichen<br />

Verkehr aufrechterhalten werden kann.<br />

Für <strong>Stadt</strong> <strong>und</strong> <strong>Land</strong> gilt gleichermaßen:<br />

Wir müssen den ÖPNV so organisieren,<br />

dass er für alle zugänglich, umweltfre<strong>und</strong>lich<br />

<strong>und</strong> bezahlbar ist. Das Leitbild<br />

der B<strong>und</strong>esregierung ist dabei ein<br />

unternehmerisch <strong>und</strong> wettbewerblich<br />

ausgerichteter ÖPNV.<br />

Die Bedeutung des ÖPNV für<br />

den Klima- <strong>und</strong> Umweltschutz<br />

Im ÖPNV werden pro Fahrgast im Vergleich<br />

zum Pkw zwei Drittel weniger<br />

CO2 emittiert. Eine Verlagerung von nur<br />

einem Prozent des motorisierten Individualverkehrs<br />

auf den ÖPNV könnte<br />

über eine Million Tonnen Kohlendioxid<br />

sparen. In den Hauptverkehrszeiten ist<br />

der CO2-Ausstoß pro Fahrgast sogar<br />

noch wesentlich geringer. Ähnliches gilt<br />

für Feinstaubemissionen.<br />

Ein nachhaltiger öffentlicher Verkehr ist<br />

leise, sauber <strong>und</strong> klimafre<strong>und</strong>lich. In Anbetracht<br />

der hohen Zuwachsraten des<br />

städtischen Verkehrs <strong>und</strong> seiner teilweise<br />

negativen Folgen für Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />

besteht weiterer Handlungsbedarf.<br />

Eine effiziente <strong>und</strong> umweltfre<strong>und</strong>liche<br />

Organisation des ÖPNV könnte durch<br />

den verstärkten Einsatz von modernen<br />

Informations-, Tarif- <strong>und</strong> Vertriebssystemen<br />

– Stichwort: „eTicket“ – oder


durch infrastrukturelle Maßnahmen<br />

gelingen. Die Umsetzung des Leitbildes<br />

der „<strong>Stadt</strong> der kurzen Wege“ <strong>und</strong> die<br />

Reduzierung von Verkehrsstaus können<br />

zum Umwelt- <strong>und</strong> Klimaschutz ebenso<br />

beitragen wie der Einsatz innovativer<br />

Technologien.<br />

Saubere <strong>und</strong> effiziente Antriebstechniken,<br />

wie die Elektromobilität, sind für<br />

einen modernen <strong>und</strong> umweltfre<strong>und</strong>lichen<br />

ÖPNV unabdingbar. Gerade der<br />

Nahverkehr birgt große Potenziale <strong>und</strong><br />

vielfältige Einsatzmöglichkeiten für Elektrofahrzeuge,<br />

denn sie sind leise <strong>und</strong><br />

verringern die Schadstoff- <strong>und</strong> Feinstaub-Belastung.<br />

Damit tragen sie wesentlich<br />

zur Steigerung der Lebensqualität<br />

bei. Insbesondere in Verbindung mit<br />

Strom aus erneuerbaren Energiequellen<br />

ermöglichen sie eine moderne, klimaverträgliche<br />

<strong>und</strong> ressourcenschonende<br />

Mobilität.<br />

Mit dem Förderprogramm „Modellregionen<br />

Elektromobilität“ des B<strong>und</strong>esministeriums<br />

für Verkehr, Bau <strong>und</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

wird ganz gezielt ein regionaler<br />

<strong>und</strong> integrativer Ansatz verfolgt: Gemeinsam<br />

mit Wissenschaft, Industrie <strong>und</strong><br />

Kommunen arbeiten wir eng zusammen,<br />

um die Elektromobilität im öffentlichen<br />

Raum zu etablieren. In acht Pilotregionen<br />

werden elektrische Antriebe unter<br />

realen Bedingungen angewendet,<br />

erforscht <strong>und</strong> weiterentwickelt. In München<br />

sollen zum Beispiel Dieselhybridbusse<br />

im ÖPNV eingesetzt, in Sachsen<br />

Elektrofahrzeuge in Carsharing-Flotten<br />

aufgenommen werden. An dieser Stelle<br />

sei auch auf das lobenswerte finanzielle<br />

Engagement der beteiligten Unternehmen<br />

hingewiesen. Ich bin mir sicher, dass<br />

wir mit der Verbindung von ÖPNV <strong>und</strong><br />

Elektromobilität eine Erfolgsgeschichte<br />

schreiben werden.<br />

Mobilität in der <strong>Stadt</strong><br />

<strong>und</strong> auf dem <strong>Land</strong><br />

Ein starker ÖPNV macht Städte <strong>und</strong><br />

ländliche <strong>Regio</strong>nen lebenswerter. An<br />

städtischen Standorten geht es vor<br />

allem um eine Förderung von Dichte,<br />

Mischung <strong>und</strong> Vielfalt unter besonderer<br />

Beachtung der urbanen Zentren. Um<br />

den Mobilitätsbedürfnissen der Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger über die <strong>Stadt</strong>grenzen<br />

hinaus gerecht zu werden, bedarf<br />

es einer integrierten Siedlungs- <strong>und</strong><br />

Verkehrsentwicklung <strong>und</strong> einer Zusammenarbeit<br />

von <strong>Stadt</strong> <strong>und</strong> Umland. Dabei<br />

müssen die regional unterschiedlichen<br />

demographischen <strong>und</strong> wirtschaftsstrukturellen<br />

Entwicklungen beachtet werden.<br />

In <strong>Regio</strong>nen mit stark abnehmender Bevölkerung<br />

wird es immer schwieriger<br />

<strong>und</strong> kostspieliger, Leistungen der öffentlichen<br />

Daseinsvorsorge im bisherigen<br />

Maß bereit zu stellen. Daraus ergibt sich<br />

die Gefahr einer negativen Entwicklungsspirale.<br />

Traditionelle Linienverkehre sind<br />

nur begrenzt in der Lage, die Nachfrage<br />

in Nebenverkehrszeiten oder in dünn<br />

besiedelten <strong>Regio</strong>nen zu decken. Aus<br />

Sicht des Betreibers sind die Auslastung<br />

der Fahrzeuge <strong>und</strong> – damit verb<strong>und</strong>en –<br />

die Kostendeckung niedrig. Aus Sicht des<br />

Nutzers sind die Bedienungsfrequenzen<br />

<strong>und</strong> die Reisezeiten des ÖPNV häufig<br />

unattraktiv. Die Folgen waren in der<br />

Vergangenheit ein Rückgang der Nachfrage<br />

<strong>und</strong> eine weitere Reduzierung des<br />

Angebotes. Ursache für diese Probleme<br />

sind die starren Systembedingungen des<br />

konventionellen Linienverkehrs, die nicht<br />

geeignet sind, kleine Nachfragemengen<br />

flexibel zu decken. Alternative, nachfrageorientierte<br />

Bedienungsformen liefern<br />

hier Lösungsansätze: Durch den Einsatz<br />

von Anrufsammeltaxis <strong>und</strong> Rufbussen<br />

kann mit höherer Kosteneffizienz ein<br />

flächendeckendes <strong>und</strong> nutzerfre<strong>und</strong>liches<br />

ÖPNV-Angebot im ländlichen<br />

Raum aufrechterhalten werden.<br />

Der ÖPNV muss bezahlbar<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlich sein<br />

Der ÖPNV muss bezahlbar sein. Das<br />

gilt für K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Kommunen glei-<br />

chermaßen. Ein Monatsabonnement im<br />

ÖPNV kostet derzeit in den meisten<br />

Städten etwa so viel wie die Tankfüllung<br />

eines Pkws. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der<br />

Energiepreisentwicklung ist zu erwarten,<br />

dass es aus ökonomischen Gründen<br />

künftig noch attraktiver wird, Busse <strong>und</strong><br />

Bahnen zu nutzen.<br />

Einen gut funktionierenden ÖPNV gibt<br />

es jedoch nicht zum Nulltarif. Alle Beteiligten<br />

auf B<strong>und</strong>es-, <strong>Land</strong>es- <strong>und</strong> kommunaler<br />

Ebene leisten im Rahmen ihrer<br />

Zuständigkeiten einen Beitrag zur Finanzierung<br />

eines nachhaltigen Verkehrs<br />

in Städten <strong>und</strong> <strong>Regio</strong>nen. Über die Höhe<br />

der Finanzausstattung für die Aufgaben<br />

nach dem ehemaligen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz<br />

soll für den<br />

Zeitraum von 2014 bis 2019 in der Mitte<br />

dieser Legislaturperiode entschieden<br />

werden. Mit der Erörterung der künftigen<br />

Finanzierungsgr<strong>und</strong>lagen sollte<br />

aufgr<strong>und</strong> der langfristigen Planungs- <strong>und</strong><br />

Investitionszyklen im ÖPNV frühzeitig<br />

begonnen werden.<br />

Zur Orientierung am Leitbild des unternehmerisch<br />

<strong>und</strong> wettbewerblich<br />

ausgerichteten ÖPNV gehört insbesondere<br />

der Vorrang der kommerziellen Erbringung<br />

der Verkehrsleistungen. Wenn<br />

der Markt bereits eine angemessene<br />

Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse<br />

bereitstellt, besteht für Interventionen<br />

der öffentlichen Hand keine Notwendigkeit.<br />

Darüber hinaus muss im Einklang<br />

mit dem europäischen Recht für<br />

faire Wettbewerbsbedingungen gesorgt<br />

werden. Diesem Anspruch wollen wir<br />

mit der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes<br />

Rechnung tragen.<br />

Wenn alle Beteiligten an einem Strang<br />

ziehen, wird der ÖPNV in Zukunft eine<br />

noch größere Rolle für die Mobilität der<br />

Menschen spielen. Als Garant für nachhaltige<br />

Mobilität <strong>und</strong> für die individuelle<br />

Freiheit bei der Wahl des Verkehrsmittels<br />

bleibt er ein unverzichtbarer Bestandteil<br />

der Daseinsvorsorge in unserem<br />

<strong>Land</strong>. �<br />

Nahverkehr 2010 3


Damit der Nahverkehr<br />

eine Erfolgsgeschichte bleibt<br />

Von Dr. Klaus Baur, Präsident des Verbands der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V., Berlin<br />

Die <strong>Regio</strong>nalisierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) ist der Gr<strong>und</strong>pfeiler für einen liberalisierten <strong>und</strong><br />

wettbewerblich strukturierten Nahverkehr in Deutschland. Mit dem Wechsel der Zuständigkeit für den schienengeb<strong>und</strong>enen<br />

Personennahverkehr am 1. Januar 1996 vom B<strong>und</strong> auf die Länder stand diesen frei, ihre Zuständigkeit<br />

weiter zu delegieren <strong>und</strong> Eisenbahnverkehrsunternehmen mit dem Betrieb von Strecken zu beauftragen. Diese 13jährige<br />

Erfolgsgeschichte hat in den <strong>Regio</strong>nen für mehr Effizienz, Qualität <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeit im Angebot öffentlicher<br />

Verkehrsleistungen gesorgt. Der Marktanteil der Privatbahnen in diesem Segment lag 2007 bei r<strong>und</strong> 17 Prozent.<br />

Die Verkehrsleistung im SPNV stieg von 36,1 Mrd. Personenkilometern (Pkm) im Jahr 1996 auf 46,2 Mrd. Pkm 2008.<br />

Das entspricht einem deutlichen Wachstum von 28 Prozent.<br />

Seit dem Beginn der <strong>Regio</strong>nalisierung<br />

im Jahr 1996 konnten die Fahrgastzahlen<br />

erheblich gesteigert werden: Bis<br />

zum Jahr 2008 verzeichnete der SPNV<br />

einen Fahrgastzuwachs von 44 %. Diese<br />

erfreuliche Entwicklung hat eine Ursache<br />

im zunehmenden Wettbewerb. So<br />

verbessern sich die Fahrzeiten <strong>und</strong> Anschlussregelungen,<br />

die Taktfrequenzen<br />

der Züge steigen, die Fahrpreiskonditionen<br />

werden attraktiver <strong>und</strong> innovative<br />

Serviceaktivitäten sorgen ebenfalls für<br />

höhere K<strong>und</strong>enfre<strong>und</strong>lichkeit. Vor allem<br />

aber stehen SPNV-Nutzern moderne,<br />

komfortable <strong>und</strong> schnelle Züge zur Verfügung,<br />

deren Einsatz nachweislich zu<br />

einem erhöhten Fahrgastaufkommen<br />

führt.<br />

Große Bedeutung hat eine modernisierte<br />

SPNV-Flotte gerade im Wettbewerb<br />

mit dem Pkw. Hier wird der Komfort<br />

zum entscheidenden Kriterium bei der<br />

Wahl des Verkehrsmittels. Das sorgt für<br />

eine deutliche Entlastung von Umwelt<br />

<strong>und</strong> Klima. Durch das Umsteigen vom<br />

Auto auf die Schiene lassen sich schon<br />

heute die spezifischen CO2-Emissionen<br />

für jeden zurückgelegten Personenkilometer<br />

nahezu halbieren. Neue Schienenfahrzeuge<br />

mit optimierter Energieausbeute<br />

<strong>und</strong> minimierten Emissionen<br />

verbessern diesen Umweltvorteil der<br />

Schiene weiter.<br />

Die „<strong>Regio</strong>nalisierung“ im Nahverkehr<br />

darf vor diesem Hintergr<strong>und</strong> nicht gefährdet<br />

werden. Die im Haushaltsbegleitgesetz<br />

2006 vorgenommene Kürzung<br />

der sogenannten <strong>Regio</strong>nalisierungsmittel<br />

für die B<strong>und</strong>esländer gefährdet die<br />

4 Nahverkehr 2010<br />

Erfolgsgeschichte. So stagniert bereits<br />

heute die Betriebsleistung von 29 der<br />

34 Aufgabenträgerorganisationen in<br />

Deutschland. Die Kürzungen belaufen<br />

sich auf insgesamt 2,8 Mrd. Euro bis<br />

2010. Allein im Jahr 2009 stehen statt<br />

der ursprünglich vorgesehenen 7,5<br />

Mrd. Euro nur noch 6,8 Mrd. Euro für<br />

den Betrieb des SPNV zur Verfügung.<br />

Eine Erhöhung der Mittel um jährlich<br />

1,5 Prozent ist erst ab 2009 vorgesehen<br />

<strong>und</strong> endet im Jahr 2014. Planungs- <strong>und</strong><br />

Finanzierungssicherheit für die deutlich<br />

länger laufenden Verkehrsverträge gibt<br />

es dadurch nicht. Die neue B<strong>und</strong>esregierung<br />

muss die Steigerungen der Mittel<br />

von 2014 bis 2019 verlängern <strong>und</strong> die<br />

jährliche Dynamik auf 2,5 Prozent erhöhen,<br />

um dem SPNV klare Zukunftsperspektiven<br />

zu geben.<br />

Das zweite wichtige Finanzierungsinstrument<br />

zur Förderung des SPNV ist<br />

das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz<br />

(GVFG), das den Ländern B<strong>und</strong>esfinanzhilfen<br />

auch zum Ausbau des<br />

Schienenpersonennahverkehrs in den<br />

Kommunen sichert. Die bisher in die sogenannten<br />

„<strong>Land</strong>esprogramme“ GVFG<br />

fließenden B<strong>und</strong>esfinanzhilfen liefen<br />

zum 31. Dezember 2006 aus. Seit dem<br />

1. Januar 2007 erhalten die Länder für<br />

den Wegfall Mittel aus dem B<strong>und</strong>eshaushalt<br />

in Höhe von jährlich r<strong>und</strong> 1,34 Mrd.<br />

Euro. Eine Dynamisierung gibt es nicht.<br />

Die Gemeinden sind verpflichtet, diese<br />

Mittel zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse<br />

durch investive Vorhaben<br />

zu verwenden. Die verkehrsbezogene<br />

Zweckbindung entfällt ab 2014. Der Ge-<br />

setzgeber erhält lediglich die „investive<br />

Zweckbindung“ aufrecht. Die Verwendung<br />

der Mittel außerhalb des Verkehrssektors<br />

ist damit vorprogrammiert.<br />

2019 laufen die B<strong>und</strong>esfinanzhilfen völlig<br />

aus. Angesichts dringend notwendiger<br />

Angebotsausweitungen <strong>und</strong> Attraktivitätssteigerungen<br />

im ÖPNV sind diese<br />

politischen Entscheidungen nicht vertretbar.<br />

Die Politik muss die Zweckbindung<br />

für Investitionen in den Verkehrssektor<br />

<strong>und</strong> die GVFG-Förderung des<br />

Verkehrs fortsetzen. Durch den Wegfall<br />

der B<strong>und</strong>esfinanzhilfe werden den Gemeinden<br />

künftig 1,34 Milliarden Euro<br />

für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse<br />

fehlen.<br />

Aktuell leidet der SPNV in Deutschland<br />

bereits unter den Kürzungen. Allein<br />

2007 mussten die regionalen Verkehrsunternehmen<br />

556 Millionen Euro<br />

einsparen. Dies hat bereits sichtbare<br />

Spuren im Verkehrsangebot <strong>und</strong> bei der<br />

Fahrpreisentwicklung hinterlassen. Diese<br />

Entwicklung stellt an die Verkehrsunternehmen<br />

erhöhte Anforderungen,<br />

um Einnahmen, Effizienz <strong>und</strong> Attraktivität<br />

zu steigern. Der Spagat zwischen<br />

Sparmaßnahmen <strong>und</strong> einem attraktiven<br />

Verkehrsangebot wird damit immer<br />

schwieriger.<br />

Die Bahnindustrie bietet innovative,<br />

nachhaltige <strong>und</strong> sehr effiziente Schienenverkehrstechnik,<br />

mit der auch die<br />

operativen Kosten gesenkt werden. Eine<br />

wichtige Voraussetzung für die Beschaffung<br />

dieser modernen Technik ist die<br />

Verstetigung der <strong>Regio</strong>nalisierungs- <strong>und</strong><br />

damit Investitionsmittel. �


Bedeutung des Personen- <strong>und</strong> Güterverkehrs<br />

für moderne Volkswirtschaften<br />

Von Dr. Stefan Rommerskirchen, Stephan Kritzinger, ProgTrans AG, Basel<br />

Einstimmung: Um die „Bedeutung des Personen- <strong>und</strong> Güterverkehrs für moderne Volkswirtschaften“ zu analysieren,<br />

bedarf es zunächst einiger Klärungen: Was ist eine „moderne Volkswirtschaft“? Was ist mit „Personen- <strong>und</strong> Güterverkehr“<br />

genau gemeint? Wie bemisst sich die Bedeutung von Verkehr für eine Wirtschaft? Und: Ist die letzte Frage statisch<br />

(zum Beispiel zum heutigen Zeitpunkt) oder dynamisch, also für einen Entwicklungsprozess, zu interpretieren?<br />

Diese Fragen zeigen bereits auf: Das<br />

Thema ist facettenreicher als man<br />

beim ersten Hinschauen meinen könnte.<br />

Mit „modernen Volkswirtschaften“ sind<br />

sicherlich solche gemeint, die einen hohen<br />

Entwicklungsstand bezüglich Wissen,<br />

Technologie, Produktion, Lebensstil<br />

<strong>und</strong> damit auch hinsichtlich Einkommen<br />

<strong>und</strong> Wohlstand erreicht haben. Hoher<br />

Wissensstand kommt in einem funktionierenden<br />

Bildungssystem <strong>und</strong> namhafter<br />

Beteiligung breiter Volksschichten<br />

daran zum Ausdruck. Dies manifestiert<br />

sich in der Entwicklung eines kulturellen<br />

Lebens sowie technischer Fertigkeiten.<br />

Die technischen Fertigkeiten werden<br />

zu arbeitsteiliger Produktion <strong>und</strong> zur<br />

Entwicklung eines Lebensstils genutzt,<br />

bei dem die eigene Ernährung oder die<br />

der eigenen Familie nicht mehr die alles<br />

andere völlig dominierende Inanspruchnahme<br />

von Zeit darstellt. Freizeit ist ein<br />

wichtiges Wohlstandsmerkmal <strong>und</strong> hat<br />

deshalb auch einen hohen Stellenwert.<br />

In diesem Sinne sind mit der Bezeichnung<br />

„moderne Volkswirtschaften“ wohl<br />

solche wie die heutigen Industrie- <strong>und</strong><br />

einige der Schwellenländer gemeint. Unsere<br />

weiteren Betrachtungen beziehen<br />

sich auf Deutschland als einen typischen<br />

Repräsentanten dieser Gruppe.<br />

Der motorisierte Individualverkehr<br />

(MIV) ist in solchen Ländern Träger des<br />

Personenverkehrs. Er steht für synonym<br />

für eine hohe Qualitätsstufe der<br />

individuellen Mobilität. Moderne Volkswirtschaften<br />

verfügen aber auch über<br />

leistungsfähige Mobilitätsangebote im<br />

öffentlichen Verkehr (ÖV), z.B. in den<br />

Ballungsgebieten mit integrierten Nahverkehrssystemen<br />

oder im Schienenpersonenfernverkehr<br />

mit dem ICE. Eine<br />

sehr hohe Motorisierung, gemessen als<br />

die Anzahl von Pkw je 1.000 Einwohner<br />

wie auch eine intensive Nutzung der<br />

Bahn kennzeichnen moderne Volkswirtschaften<br />

(„Eisenbahn-Europameister“<br />

ist die Schweiz). Ein weiteres wichtiges<br />

Wohlstandsmerkmal der Mobilität ist<br />

der Luftverkehr, der zwar rein zahlenmässig<br />

nicht sehr stark Gewicht fällt,<br />

aber in Deutschland schon seit vielen<br />

Jahren die stärksten Wachstumsraten<br />

aufweist.<br />

Auch im Güterverkehr trägt das Strassennetz<br />

die Hauptlast des Verkehrs, zumindest<br />

in den dicht besiedelten Ländern<br />

Europas. Die Gründe für die starke<br />

Nutzung des Lkws liegen in seiner Flexibilität,<br />

den passenden Sendungsgrössen<br />

<strong>und</strong> seiner Zuverlässigkeit. Diese<br />

Eigenschaften korrespondieren mit den<br />

Anforderungen einer arbeitsteiligen<br />

Volkswirtschaft mit hohen Fertigungstiefen.<br />

Eisenbahn <strong>und</strong> Binnenschiff bedienen<br />

ausgewählte Marktsegmente<br />

(Massengüter, lange Distanzen, grosses<br />

Sendungsaufkommen bei Punkt-zu-<br />

Punkt-Relationen), haben aber ihre ursprüngliche<br />

Bedeutung an den Lkw abtreten<br />

müssen.<br />

Was war zuerst:<br />

die Henne oder das Ei?<br />

Die Frage der Bedeutung des Verkehrssystems<br />

für die Entwicklung von Volkswirtschaften<br />

hat ganze Generationen<br />

von Verkehrswissenschaftlern intensiv<br />

beschäftigt. Stellvertretend seien vor<br />

allem Carl Pirath 1 <strong>und</strong> Fritz Voigt 2 genannt.<br />

Die Problematik, einen empirischen<br />

Beleg für die oben genannte<br />

Gr<strong>und</strong>satzfrage zu finden, bestand <strong>und</strong><br />

besteht vor allem darin, Ursache <strong>und</strong><br />

Wirkung klar zu unterscheiden <strong>und</strong> bei<br />

den vielen Entwicklungsdeterminanten<br />

von Volkswirtschaften auf dem Weg zu<br />

einer „modernen Volkswirtschaft“ die<br />

Bedeutung des Verkehrssystems neben<br />

anderen Entwicklungs- bzw. Standortfaktoren<br />

zu isolieren. Die Frage kommt<br />

mit der „Henne-Ei-Problematik“ trefflich<br />

zum Ausdruck, <strong>und</strong> damit auch die<br />

These, dass es hier keine eindeutige<br />

Antwort geben kann.<br />

Vor r<strong>und</strong> zwei Jahrzehnten stellte sich<br />

im Rahmen einer Veranstaltung eine<br />

ähnliche Frage: Mehr Mobilität mehr<br />

Wohlstand? Wir haben deren Beantwortung<br />

unter voller Nutzung des<br />

Themas <strong>und</strong> unter Bezugnahme auf<br />

verschiedene Entwicklungsphasen der<br />

deutschen Volkswirtschaft als Repräsentantin<br />

„moderner Volkswirtschaften“<br />

mit ähnlichen Entwicklungsmustern –<br />

seinerzeit in die folgenden vier Phasen<br />

untergliedert 3 :<br />

1. Mehr Mobilität = mehr Wohlstand!<br />

2. Mehr Wohlstand = mehr Mobilität!<br />

3. Mehr Mobilität = mehr Wohlstand?<br />

4. Mehr Wohlstand = mehr Mobilität?<br />

In der ersten Phase – in Europa ab Beginn<br />

der Industriealisierung Anfang des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts – ermöglichte die Eisenbahn<br />

neue Formen von Mobilität<br />

<strong>und</strong> Arbeitsteilung. Neue Arbeitskräfte<br />

<strong>und</strong> Fertigkeiten wurden nun auf dem<br />

<strong>Land</strong>weg zugänglich <strong>und</strong> damit von den<br />

Transportwegen der Binnen- <strong>und</strong> Seeschiffe<br />

<strong>und</strong> deren Hafengebieten unabhängig.<br />

Dies erhöhte die Mechanisierung<br />

der Arbeit, <strong>und</strong> die zunehmende Arbeitsteilung<br />

steigerte das Geldeigentum<br />

vieler Bürger. Mehr Mobilität führte zu<br />

mehr Wohlstand.<br />

In der zweiten Phase bekamen Privateigentum<br />

<strong>und</strong> Geldverdienst auch im<br />

Hinblick auf die Mobilität eine neue<br />

Bedeutung. Sie verstärkten zunehmend<br />

den Wunsch nach einer Individualisierung<br />

der Mobilität, der Ende des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts durch die Entwicklung von<br />

Kraftwagen eine neue Gr<strong>und</strong>lage erhielt.<br />

Aber noch im Jahre 1939 gab es<br />

in Deutschland erst r<strong>und</strong> 20 Pkw auf<br />

1.000 Einwohner – eine Motorisierung,<br />

von der China <strong>und</strong> sehr viele andere<br />

Länder der Erde allerdings auch heute<br />

noch weit entfernt sind. Erst Mitte des<br />

letzten Jahrh<strong>und</strong>erts wurde der motorisierte<br />

Individualverkehr ein Massenphänomen<br />

<strong>und</strong> manifestierte sich vor allem<br />

in zwei gravierenden Veränderungen:<br />

einer erheblichen Ausweitung des „Mobilitätsstreckenbudgets“,<br />

also der mit<br />

Personenverkehrsmitteln zurückgelegten<br />

Strecke je Einwohner <strong>und</strong> Jahr,<br />

Nahverkehr 2010 5


<strong>und</strong> einem rasanten Anstieg der pro<br />

Kopf im Personenverkehr eingesetzten<br />

Fremdenergie – vor allem in Form fossiler<br />

Energieträger.<br />

Deutschland im Aufschwung:<br />

Mehr Mobilität<br />

= mehr Wohlstand?<br />

Die dritte Entwicklungsphase der Personenverkehrsmobilität<br />

in Deutschland<br />

wollen wir anhand von drei Zeitreihenentwicklungen<br />

zum Personenverkehr<br />

in Deutschland ab 1960 illustrieren:<br />

anhand der Motorisierungsentwicklung,<br />

anhand des Mobilitätsstreckenbudgets<br />

sowie anhand der Modalsplit-Entwicklung<br />

im Personenverkehr auf deutschen<br />

Verkehrswegen. Damit wird zugleich<br />

der Zusammenhang der Entwicklung<br />

von deutscher Volkswirtschaft <strong>und</strong> der<br />

Personenmobilität in Deutschland sichtbar,<br />

ohne allerdings die Bedeutung der<br />

Mobilität für moderne Volkswirtschaften<br />

kausal zu erklären.<br />

Die Entwicklung der Motorisierung der<br />

deutschen Wohnbevölkerung seit 1960<br />

ist in Abbildung 1 dargestellt, wobei die<br />

Daten zwischen 1990 <strong>und</strong> 1991 durch<br />

die Vereinigung der deutschen Staaten<br />

einen Bruch aufweisen. Dieser vereinigungsbedingte<br />

Rückgang der Motorisierung<br />

ist allerdings in der bisherigen Geschichte<br />

Deutschlands auch der einzige<br />

geblieben. Die Motorisierung ist im Zeitraum<br />

1960 bis 2007 von 80 auf 566 Pkw<br />

je 1.000 Einwohner angestiegen, hat sich<br />

also mehr als versiebenfacht. Seit 1996<br />

kann die deutsche Wohnbevölkerung<br />

statistisch gesehen auf den Vordersitzen<br />

ihrer Pkw Platz nehmen. Der kontinuierliche<br />

Anstieg des Wohlstands hat<br />

Abbildung 1: Motorisierungsentwicklung in Deutschland 1960 - 2007<br />

6 Nahverkehr 2010<br />

Abbildung 2: Entwicklung des Mobilitätsstreckenbudgets in Deutschland 1960 - 2007<br />

dazu geführt, dass die Bevölkerung ihren<br />

Wunsch nach individueller Mobilität mit<br />

dem Erwerb von immer mehr Pkw erfüllen<br />

konnte.<br />

In Abbildung 2 zeigt sich sehr deutlich,<br />

wozu der steigende Wohlstand geführt<br />

hat: Steigende Einkommen, zunehmende<br />

Pkw-Verfügbarkeit, wachsende Freizeit<br />

<strong>und</strong> neue Raumnutzungsmuster – insbesondere<br />

die Zersiedlungstendenzen auf<br />

der Suche nach billigem Wohneigentum<br />

<strong>und</strong> Wohnen im Grünen – haben das<br />

Mobilitätsstreckenbudget, also die mit<br />

Kraftverkehrsmitteln zurückgelegten<br />

Distanzen je Einwohner <strong>und</strong> Jahr (ausgedrückt<br />

in Personenkilometern, Pkm),<br />

rasant ansteigen lassen. Sie haben sich<br />

zwischen 1960 <strong>und</strong> 2007 nahezu verdreifacht.<br />

Allerdings sind hier – im Gegensatz<br />

zum Motorisierungsgrad – auch<br />

unabhängig vom „Vereinigungseffekt“<br />

gelegentliche Rückgänge zu verzeichnen,<br />

nämlich im Jahr der ersten Ölkrise 1973<br />

mit den damaligen Sonntagsfahrverboten,<br />

des Weiteren im Jahr der zweiten<br />

Ölkrise 1981 sowie in den Jahren 1985<br />

1996, 2000 <strong>und</strong> 2005 aus unterschiedlichen<br />

Gründen, meistens wegen stark<br />

steigender Kraftstoffpreise oder konjunktureller<br />

Flauten.<br />

Abbildung 3 zeigt, wie sich in dieser<br />

Zeitspanne die Arbeitsteilung zwischen<br />

öffentlichem <strong>und</strong> motorisierten Individualverkehr<br />

gemessen in Personenkilometern<br />

verändert hat: Wurden 1960 im<br />

ÖV noch 34 % der Personenkilometer<br />

zurückgelegt, waren es 2007 nur noch<br />

15 %. Der motorisierte Individualverkehr<br />

konnte seinen Anteil von 66 % auf<br />

85 % erhöhen. 4 Der Tiefpunkt des ÖV-<br />

Anteils wurde allerdings in den Jahren<br />

2002 <strong>und</strong> 2003 erreicht; die Arbeitsteilung<br />

zwischen ÖV <strong>und</strong> MIV auf dem<br />

derzeitigen Niveau hat sich im Prinzip<br />

schon seit r<strong>und</strong> zwei Jahrzehnten stabilisiert.<br />

Es ist also keine Frage, dass die<br />

Mobilität der Menschen angestiegen<br />

ist; aber seit geraumer Zeit fragen sich<br />

immer mehr Menschen, ob dies auch<br />

mit mehr Wohlstand gleichzusetzen ist:<br />

Bedeutet es wirklich mehr Lebensqualität,<br />

dass die Arbeitswege immer länger<br />

werden, so dass der Freizeitgewinn im<br />

Bezug auf bezahlte Arbeitszeit durch<br />

Freizeitverluste im Berufsverkehr wieder<br />

verloren geht? Bedeutet es wirklich<br />

mehr Wohlstand, dass auf immer mehr<br />

Verkehrsflächen immer mehr Verkehr<br />

stattfindet, der mit zunehmenden Abgas-<br />

<strong>und</strong> Lärmemissionen verb<strong>und</strong>en ist?<br />

Diese Fragen stellen sich nicht erst seit<br />

Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls


Abbildung 3: Modalsplit-Entwicklung im motorisierten Personenlandverkehr in Deutschland 1960 - 2007<br />

durch viele Länder oder seit den ersten<br />

offiziellen CO2-Reduktionszielen in<br />

Deutschland Anfang der 90er Jahre des<br />

letzten Jahrh<strong>und</strong>erts, sondern wurden<br />

auch in den 60er <strong>und</strong> 70er Jahren schon<br />

intensiv diskutiert. Das hat allerdings bis<br />

zum heutigen Tag im Personenverkehr<br />

nicht zu einer Entkopplung von Mobilitätswachstum<br />

in Form von steigenden<br />

Personenkilometern <strong>und</strong> steigendem<br />

Wohlstand in Form eines zunehmenden<br />

Bruttoinlandsprodukts geführt.<br />

Deutschland <strong>und</strong> die CO 2-<br />

Minderungsziele: Mehr<br />

Wohlstand – mehr Mobilität?<br />

Letztlich befinden wir uns schon seit vielen<br />

Jahren in der oben genannten letzten<br />

Phase der bisherigen Mobilitätsentwicklung<br />

unter der Überschrift „Mehr Wohlstand<br />

– mehr Mobilität?“ Angesichts des<br />

ungebremsten Anstiegs der Weltbevölkerung<br />

bis zum Jahr 2050 auf mehr als 9<br />

Mrd. Menschen (von heute weniger als 7<br />

Mrd. Einwohnern) 5 <strong>und</strong> der grossen Anstrengungen,<br />

die CO2-Emissionen dauerhaft<br />

zu senken, ist kritisch zu beleuchten,<br />

ob unsere Mobilitätsentwicklung, die wir<br />

als Synonym für Wohlstand betrachten,<br />

wirklich Leitbild für die aufstrebenden<br />

Entwicklungsländer oder gar für die gesamte<br />

Menschheit sein kann. Dieser Zusammenhang<br />

wird in den nächsten Jahren<br />

zu überdenken sein. Lösungen gibt<br />

es noch keine – dazu sind die Probleme<br />

zu komplex. Nicht unwahrscheinlich ist<br />

es, dass Wohlstandsländer andere als die<br />

heute praktizierten Mobilitätsformen<br />

entwickeln müssen, was auch einen Abschied<br />

von lieb gewonnenen Gewohnheiten<br />

bedeuten wird.<br />

(Ent)Kopplung von Wirtschafts-<br />

<strong>und</strong> Güterverkehrsleistung?<br />

In Anbetracht einer gewissen Ratlosigkeit,<br />

wie man den künftigen globalen Herausforderungen<br />

begegnet <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

möglichst wenige Wähler verprellt, konzentriert<br />

sich die Verkehrspolitik in ihren<br />

Nachhaltigkeitsbemühungen seit vielen<br />

Jahren auf den Güterverkehr. Gesucht<br />

wird eine Lösung, bei der der bisherige<br />

Zusammenhang, dass Wirtschaftswachstum<br />

immer auch Güterverkehrswachstum<br />

bedeutet hat, überw<strong>und</strong>en wird.<br />

Das vermeintliche Patentrezept liegt in<br />

einer Entkopplung von Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Verkehrsleistungswachstum in Analogie<br />

zu entsprechenden Entwicklungen beim<br />

Energieverbrauch. Selbst die EU-Kommission<br />

hat diese Forderung mit ihrem<br />

Weissbuch „Die Europäische Verkehrspolitik<br />

bis 2010: Weichenstellungen für<br />

die Zukunft“ 6 aus dem Jahre 2001 zum<br />

verkehrspolitischen Programm erhoben.<br />

Vergleicht man die Entwicklung zwischen<br />

Bruttoinlandsprodukt (BIP) <strong>und</strong><br />

gesamtmodaler Güterverkehrsleistung<br />

im deutschen Inlandsgüterverkehr, dann<br />

ergeben sich in der Tat Parallelen. Der<br />

Quotient aus gesamtmodaler Güterverkehrsleistung<br />

der <strong>Land</strong>verkehrsträger<br />

<strong>und</strong> dem inflationsbereinigten (realen)<br />

Bruttoinlandsprodukt wird als Transportintensität<br />

bezeichnet. Nimmt die<br />

Transportintensität zu, dann wächst die<br />

Güterverkehrsleistung schneller als die<br />

Wirtschaft. Umweltpolitisches Ziel ist<br />

es jedoch, dass unsere Wirtschaft immer<br />

weniger Energie braucht <strong>und</strong> damit weniger<br />

CO 2-Emissionen emittiert. Neben<br />

Verbesserungen in der Antriebstechnik<br />

bedeutet dies für den Güterverkehr<br />

auch, dass die Transportintensitäten sinken<br />

müssen.<br />

Abbildung 4 zeigt in der Vergangenheitsentwicklung<br />

für Deutschland zwei sehr<br />

unterschiedliche Phasen der Transportintensität:<br />

bis in die zweite Hälfte der<br />

80er Jahre des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

einen tendenziellen Rückgang; <strong>und</strong><br />

seit der Vereinigung Deutschlands einen<br />

deutlichen Anstieg. Diese Grafik macht<br />

anschaulich, dass Deutschland von der<br />

Entkoppelung von Wirtschaftswachstum<br />

<strong>und</strong> Güterverkehrswachstum recht weit<br />

entfernt ist. Aus diesem Zusammenhang<br />

leitet sich auch die Aussage ab, dass der<br />

Güterverkehr künftig weiter zunehmen<br />

wird, wenn der Motor unseres Wirtschaftswachstums<br />

weiterhin der Außenhandel<br />

bleiben wird.<br />

Es stellt sich natürlich die Frage: Ist der<br />

Abbildung 4: Entwicklung der Transportintensität im Güterverkehr in Deutschland 1960 - 2007<br />

Nahverkehr 2010 7


Zeitpunkt der deutschen Vereinigung für<br />

diese Trendwende verantwortlich? Die<br />

Antwort hat mit dem gestellten Thema<br />

der Bedeutung des Güterverkehrs für<br />

moderne Volkswirtschaften viel zu tun.<br />

Dies wird erkennbar, wenn man die zentralen<br />

Gründe für die Unterschiede in<br />

den beiden Phasen analysiert: Bis Mitte<br />

der 80er Jahre des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

bestimmten in Deutschland wie in anderen<br />

„modernen“ Volkswirtschaften<br />

zwei Phänomene die Entwicklung der<br />

Transportintensität. Die Tatsache, dass<br />

das Wirtschaftswachstum vergleichsweise<br />

stark von der Binnennachfrage<br />

getragen wurde sowie der parallel dazu<br />

verlaufenden Ausstieg aus der Gr<strong>und</strong>stoffverarbeitung<br />

hin zu Zwischen- <strong>und</strong><br />

Endprodukten bei gleichzeitiger Tertiärisierung<br />

der Volkswirtschaft, also einem<br />

überproportionalen Bedeutungsanstieg<br />

von Dienstleistungen. In dieser Zeit<br />

wuchs die Wirtschaft stärker als der<br />

Güterverkehr, weil die dynamischen<br />

Bereiche unserer Wirtschaft weniger<br />

transportintensiv waren als die Gr<strong>und</strong>stoffverarbeitung.<br />

Mit den „Mailänder Beschlüssen“ vom<br />

29./30. Juni 1985 zur „Vollendung des<br />

gemeinsamen Binnenmarktes“ bis zum<br />

1. Januar 1993 <strong>und</strong> mit der erfolgreichen<br />

Klage des EU-Parlaments gegen die<br />

Europäische Kommission einen Monat<br />

zuvor („Untätigkeitsurteil“ des Europäischen<br />

Gerichtshofs am 22. Mai 1985),<br />

dass sie es unterlassen habe, in der EU<br />

rechtzeitig die Dienstleistungsfreiheit<br />

herzustellen, was als bedeutsame Bremse<br />

des EU-internen Aussenhandels betrachtet<br />

wurde, veränderte sich in der<br />

EU die Entwicklung des Aussenhandels<br />

wie auch der Transportwirtschaft markant:<br />

Die Untätigkeitsklage bzw. deren<br />

Erfolg führte zu einer ungeahnten Liberalisierungswelle<br />

in den europäischen<br />

Transportmärkten <strong>und</strong> beflügelte im<br />

Zusammenspiel mit den „Mailänder<br />

Beschlüssen“ den Handel innerhalb der<br />

EU. Damit begann auch in Deutschland<br />

eine stürmische Aussenhandelsentwicklung,<br />

die durch die Wiedervereinigung<br />

<strong>und</strong> die EU-Erweiterung seit Beginn der<br />

90er Jahre des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts einen<br />

grossen zusätzlichen Auftrieb erfuhr. So<br />

ist zu erklären, dass die Transportintensität<br />

seit 1991 in Deutschland um r<strong>und</strong><br />

ein Drittel angestiegen ist <strong>und</strong> heute<br />

knapp 300 Tonnenkilometer je 1.000<br />

Euro BIP erreicht hat.<br />

Der Güterverkehr in Deutschland hat<br />

damit heute eine andere Funktion als<br />

8 Nahverkehr 2010<br />

Abbildung 5: Modalsplit-Entwicklung im bodengeb<strong>und</strong>enen Güterverkehr in Deutschland 1960 - 2007<br />

noch vor 25 Jahren: Dies haben wir<br />

mit unseren Analysen zu den wichtigen<br />

Treibern der Güterverkehrsleistungsentwicklung<br />

– nicht zuletzt bei unseren<br />

Langfristperspektiven der Güterverkehrsentwicklung<br />

für die Schweiz <strong>und</strong><br />

Deutschland 7 sowie bei unserem aktuellsten<br />

„European Transport Report<br />

2007/2008“ 8 – gut belegen können.<br />

Nicht so sehr das Bruttoinlandsprodukt<br />

insgesamt als vielmehr dessen wesentliche<br />

Komponenten Inlandsversorgung<br />

(als inländische Wertschöpfung abzüglich<br />

der Exporte <strong>und</strong> zuzüglich der Importe)<br />

sowie die Exporte <strong>und</strong> Importe<br />

selbst sind die eigentlichen Auslöser unserer<br />

Güterverkehrszunahme.<br />

Insofern ist es nahe liegend, sich mit<br />

dem Aussenhandel unter verkehrlichen<br />

Aspekten näher zu befassen. Hier gibt<br />

es jedoch einen bemerkenswerten Bef<strong>und</strong>:<br />

Setzt man die Werte der Im- <strong>und</strong><br />

Exporte jeweils getrennt mit den entsprechenden<br />

grenzüberschreitenden<br />

Transportströmen ins Verhältnis, dann<br />

ergeben sich spezifische Transportintensitäten<br />

für die Ein- <strong>und</strong> Ausfuhren. Interessanterweise<br />

haben diese Transportintensitäten<br />

seit 1995 kontinuierlich<br />

abgenommen, <strong>und</strong> zwar beim Export<br />

noch stärker als beim Import. Gibt es<br />

also zumindest für diese Güterverkehre<br />

erste Indizien für eine Entkoppelung<br />

vom wertmäßigen Aussenhandel <strong>und</strong><br />

der Güterverkehrsleistung?<br />

Die Frage ist vom Gr<strong>und</strong>satz zu bejahen.<br />

Wenn man sich vor Augen führt, dass<br />

der Wert unserer Exporte schneller zugenommen<br />

hat als das Gewicht der entsprechenden<br />

Güter, die ins Ausland verschickt<br />

werden, müssen die spezifischen<br />

Transportintensitäten gesunken sein.<br />

Dies bedeutet aber keineswegs, dass der<br />

grenzüberschreitende Güterverkehr abgenommen<br />

hat. Im Gegenteil, von 1995<br />

bis 2007 hat der Export wertmässig um<br />

150 % zugenommen, während die korrespondierende<br />

Güterverkehrsleistung<br />

„nur“ um 70 % angewachsen ist. Mit anderen<br />

Worten: Die Transportintensität<br />

des grenzüberschreitenden Versands aus<br />

Deutschland ist in den letzten 12 Jahren<br />

tatsächlich gesunken, <strong>und</strong> zwar um<br />

32 %! Beim Import liegt ein ähnlicher<br />

Sachverhalt vor, aber der Rückgang der<br />

Transportintensität fällt nicht ganz so<br />

deutlich aus (- 22 %). Nur zum Vergleich:<br />

Die binnenländische Güterverkehrsleistung<br />

ist im selben Zeitraum lediglich<br />

um 22 % angestiegen. 9<br />

Lkw-Transporte als<br />

Begleiterscheinung<br />

moderner Volkswirtschaften?<br />

Da zugleich die Ansprüche der Produzenten<br />

<strong>und</strong> Konsumenten an die Bereitstellungszeiten<br />

von Produktions- <strong>und</strong><br />

Konsumgütern erheblich angestiegen<br />

sind – <strong>und</strong> auch das ist ein Phänomen<br />

„moderner Volkswirtschaften“: höhere<br />

Lieferbereitschaft bei gleichzeitig reduziertem<br />

Lagerbestand , sind die durchschnittlichen<br />

Losgrössen im Güterverkehr<br />

in der Vergangenheit deutlich<br />

zurückgegangen. Dies hat in Verbindung<br />

mit der oben bereits angesprochenen<br />

zunehmenden Tertiärisierung der<br />

Volkswirtschaften dazu geführt, dass<br />

den massengutaffinen Verkehrsträgern<br />

Schiene <strong>und</strong> Binnenwasserstrasse zunehmend<br />

die Waren bzw. die optimalen<br />

Losgrössen verloren gegangen sind.


Die Folge war ein rasanter Anstieg des<br />

Lkw-Anteils an der gesamten Güterverkehrsleistung<br />

im bodengeb<strong>und</strong>enen Güterverkehr<br />

Deutschlands, wie Abbildung<br />

5 belegt: Während 1960 die Schiene mit<br />

einem Marktanteil von 38 Prozent noch<br />

der Marktführer war <strong>und</strong> Binnenschiff<br />

<strong>und</strong> Lkw mit 29 bzw. 33 Prozent etwa<br />

gleich grosse Marktanteile an der Güterverkehrsleistung<br />

im Inland aufwiesen,<br />

ist der Lkw heute mit einem Marktanteil<br />

von 72 Prozent dominierender Marktführer,<br />

während die Anteile der Schiene<br />

<strong>und</strong> des Binnenschiffs jeweils um 20<br />

Prozentpunkte zurückgegangen sind.<br />

Die Perspektive muss allerdings nicht<br />

zwangsläufig bedeuten: Mehr Wirtschaftswachstum<br />

<strong>und</strong> Aussenhandel ist<br />

gleichbedeutend mit einem weiteren<br />

Anstieg des Modalsplits zugunsten des<br />

Lkw. Wir weisen seit vielen Jahren darauf<br />

hin, dass die europäische Eisenbahnliberalisierung<br />

in Verbindung mit<br />

den längeren Transportdistanzen grenzüberschreitender<br />

Verkehre sowie die<br />

zunehmende Containerisierung sowohl<br />

der interkontinentalen als auch der innereuropäischen<br />

Güterverkehre zumindest<br />

der Schiene reelle Chancen auf höhere<br />

Marktanteile eröffnet.<br />

Während diese Hypothese zu Beginn<br />

des aktuellen Jahrzehnts noch auf sehr<br />

viel Skepsis stiess, wird sie inzwischen<br />

durch die reale Entwicklung belegt: Die<br />

Schiene hat die Phase ihrer Marktanteilstiefpunkte<br />

in den Jahren 1998 bis<br />

2003 inzwischen überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ihren<br />

Marktanteilsverlust nicht nur gestoppt,<br />

sondern sogar in einen kleinen Zuwachs<br />

wandeln können. Vor allem im grenzüberschreitenden<br />

Verkehr wird der Schienengüterverkehr<br />

seine im Vergleich zum<br />

Binnenverkehr höheren Anteile halten<br />

können, was für die Leistungsfähigkeit<br />

des Systems Schiene spricht. 10 Die aktuelle<br />

weltwirtschaftliche Lage zeigt<br />

allerdings, um wie viel stärker Schiene<br />

<strong>und</strong> vor allem Binnenschiff von konjunkturellen<br />

Nachfrageschwankungen be-<br />

Anmerkungen:<br />

1 Vgl. insbesondere Pirath, Carl: Die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der Verkehrswirtschaft, Berlin 1934.<br />

2 Vgl. insbesondere Voigt, Fritz: Die volkswirtschaftliche<br />

Bedeutung des Verkehrssystems,<br />

Berlin 1960.<br />

3 Vgl. Rommerskirchen, Stefan: Mehr Mobilität<br />

– mehr Wohlstand?, in: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft,<br />

62 (1991), H. 3, S. 158-170.<br />

4 Diese Betrachtung lässt Verkehrsleistungen im<br />

Fuss- <strong>und</strong> Radverkehr wie auch im Luftverkehr<br />

außen vor. 2004 entfielen 6 % der gesamten<br />

Personenverkehrsleistung auf den Fuß- <strong>und</strong><br />

troffen sind. Dort fielen die Rückgänge<br />

im letzten Jahr deutlich stärker als beim<br />

Straßengüterverkehr aus. Dies ist allerdings<br />

kein alleiniges Phänomen in modernen<br />

Volkswirtschaften.<br />

Resümee: Mehr Wohlstand,<br />

effizienterer Verkehr,<br />

weniger CO 2-Emissionen!<br />

Wir kommen zu unserem Fazit: Die Bedeutung<br />

des Personen- <strong>und</strong> Güterverkehrs<br />

für moderne Volkswirtschaften<br />

lässt sich weder einfach noch eindeutig<br />

darstellen, sondern bedarf sehr differenzierter<br />

Betrachtungen nach Verkehrsarten<br />

(Personen- <strong>und</strong> Güterverkehr)<br />

sowie nach Fahrtzwecken, Warengruppen,<br />

Losgrössen <strong>und</strong> Hauptverkehrsrelationen.<br />

Pauschale Antworten sind immer<br />

richtig <strong>und</strong> falsch zugleich – das ist<br />

deren unangenehmste Eigenschaft.<br />

Allerdings kann man bei genauem Hinsehen<br />

eine Reihe von Gesetzmässigkeiten<br />

entdecken, die der Verkehrspolitik wie<br />

auch der Transportwirtschaft wichtige<br />

Hinweise für ihre zukünftigen Gestaltungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Gestaltungsnotwendigkeiten<br />

geben.<br />

• Der Personenverkehr ist der Spiegel<br />

unserer modernen Volkswirtschaft.<br />

Hohe Motorisierung <strong>und</strong> Pkw-Verfügbarkeit,<br />

leistungsfähige öffentliche<br />

Verkehrssysteme <strong>und</strong> wachsender<br />

Luftverkehr stehen im direkten Zusammenhang<br />

mit unserem Wirtschaftssystem.<br />

Die Tatsache, dass<br />

Freizeit- <strong>und</strong> Urlaubsverkehre an<br />

Bedeutung gewinnen <strong>und</strong> Verkehre<br />

mit dienenden Funktionen (Berufs-<br />

<strong>und</strong> Ausbildungsfahrten, geschäftlich<br />

veranlasste Fahrten <strong>und</strong> Einkaufen)<br />

prozentual abnehmen, unterstreicht,<br />

dass der Personenverkehr in unserer<br />

Volkswirtschaft auch ein Wohlstandsphänomen<br />

ist.<br />

• Anders als beim Personenverkehr<br />

steht hinter dem Güterverkehr immer<br />

ökonomisches Kalkül. Für jeden Lkw,<br />

für jeden Güterwaggon <strong>und</strong> jedes Bin-<br />

Radverkehr <strong>und</strong> etwa 4 % auf den Luftverkehr<br />

(aus: ITP/BVU: Prognose der deutschlandweiten<br />

Verkehrsverflechtungen 2025; München/<br />

Freiburg 2007).<br />

5 Vgl. United Nations Population Division: World<br />

Population Prospects: The 2008 Revision, New<br />

York 2009.<br />

6 Vgl. Europäische Kommission (Hrsg.): Die Europäische<br />

Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen<br />

für die Zukunft, KOM(2001) 370 endg.,<br />

Brüssel 2001.<br />

7 Vgl. Rommerskirchen, Stefan et. al: Perspektiven<br />

des schweizerischen Güterverkehrs bis 2030 –<br />

Hypothesen <strong>und</strong> Szenarien, Bern 2004; ferner<br />

nenschiff gibt es einen Besteller <strong>und</strong><br />

einen Versender. Die Transportmengen<br />

<strong>und</strong> die Nutzung der verschiedenen<br />

Verkehrsträger ergeben sich einerseits<br />

aus den Transportanforderungen<br />

<strong>und</strong> der spezifischen Leistungsfähigkeit<br />

der Verkehrsträger. Aus verschiedenen<br />

Gründen hat der Straßengüterverkehr<br />

hier einige systembedingte Vorteile.<br />

Selbst der Verkehrspolitik gelang es bislang<br />

nicht, der Bahn zu nennenswerte<br />

Marktanteilszugewinnen zu verhelfen.<br />

• Es ist noch schwer vorstellbar, dass<br />

moderne Volkswirtschaften mit weniger<br />

Verkehr auskommen. Zumindest<br />

für Deutschland weisen alle derzeit<br />

verfügbaren Prognosen trotz langfristig<br />

stagnierender bis rückläufiger<br />

Bevölkerungszahlen auf ein weiteres<br />

Verkehrswachstum hin, obwohl die<br />

Transportintensitäten bei den Ex- <strong>und</strong><br />

Importen rückläufig sind. Solange der<br />

Außenhandel Motor unseres Wohlstandes<br />

ist, werden wir mit mehr Verkehr<br />

rechnen müssen.<br />

• Gleichwohl sind wir durch die Vereinbarungen<br />

von Kyoto gezwungen,<br />

unsere CO2-Emissionen auch im<br />

Verkehr weiter zu senken. Hier wird<br />

technologischer Fortschritt zu emissionsärmeren<br />

Antrieben führen, vermutlich<br />

aber nicht ausreichen, um die<br />

Minderungsziele vollständig zu erreichen.<br />

Flankierende Massnahmen sind<br />

im Personenverkehr eine vermehrte<br />

Nutzung von nicht-motorisierten Verkehrsmitteln<br />

<strong>und</strong> des ÖPNV, planerische<br />

Priorität für flächensparende<br />

Siedlungsstrukturen sowie eine Umorientierung<br />

zu energieschonenderen<br />

Freizeit- <strong>und</strong> Urlaubsfahrten. Im<br />

Güterverkehr helfen moderne Logistikprozesse,<br />

Effizienzgewinne in<br />

den Transportabläufen, regionale Produktions-<br />

<strong>und</strong> Absatzformen sowie<br />

CO2-Qualitäts-Labels für Transportprozesse<br />

(„CO2-Fussabdruck“), die<br />

negativen Begleiterscheinungen des<br />

Verkehrs zu reduzieren. �<br />

Ickert, Lutz et al.: Abschätzung der langfristigen<br />

Entwicklung des Güterverkehrs in Deutschland<br />

bis 2050, Basel 2007.<br />

8 Vgl. Ickert, Lutz et al.: European Transport Report<br />

2007/2008, Analyses and forecasts for 37<br />

European and overseas countries, Basel 2007.<br />

9 Vgl. Ickert, Lutz et al.: European Transport Report<br />

2007/2008, Analyses and forecasts for 37<br />

European and overseas countries, Basel 2007;<br />

S. 128 <strong>und</strong> 132.<br />

10 Hansen, Frank; Kritzinger, Stephan; Drewitz,<br />

Markus: Ost-West-Güterverkehre bleiben<br />

auch künftig Wachstumsmärkte; in: Güterbahnen<br />

1/2009; S. 7 – 12.<br />

Nahverkehr 2010 9


Der öffentliche Personennahverkehr –<br />

Rückgrat der Mobilität im Ballungsraum<br />

Von Dr. Hans-Jörg Gr<strong>und</strong>mann, Vorsitzender des ZVEI-Ausschusses Verkehrspolitik, Frankfurt am Main<br />

Urbanisierung, demografischer Wandel, Globalisierung <strong>und</strong> Klimawandel sind die großen Megatrends, die die wirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> soziale Entwicklung weltweit f<strong>und</strong>amental beeinflussen. Zumal die beiden erstgenannten Trends<br />

haben unmittelbare Auswirkungen auf die Mobilität in Ballungsräumen: immer mehr Menschen leben in Städten,<br />

zugleich steigt die Lebenserwartung. Lebten um 1900 nur 10 % der Weltbevölkerung in Städten, sind es in 2008 erstmals<br />

50 %. 2030 dürften es schon 60 % sein. Dieses Bevölkerungswachstum bedeutet eine große Herausforderung für<br />

die Infrastruktur von Metropolregionen, z. B. für die Versorgung mit Wasser, Energie, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Mobilität. Dabei<br />

ist es die Sicherstellung <strong>und</strong> Optimierung von effizienter <strong>und</strong> umweltfre<strong>und</strong>licher Mobilität die mit Abstand wichtigste<br />

Infrastrukturaufgabe. Eine gut funktionierende, an Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Klimaschutz orientierte Infrastruktur<br />

für Personen- <strong>und</strong> Güterverkehr ist ein Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit einer <strong>Stadt</strong>. Insbesondere der<br />

öffentliche Personennahverkehr spielt hier eine führende Rolle.<br />

Gleichzeitig hat die Urbanisierung<br />

Folgen für die Umwelt: r<strong>und</strong> 80<br />

% der Treibhausgase entstehen in den<br />

urbanen Bevölkerungsräumen. Dabei<br />

bedecken die Städte nur 0,4 % der<br />

Erdoberfläche. Daher ist klar: wer den<br />

Klimawandel aufhalten will, der muss in<br />

den Städten anfangen, z. B. bei der Reduzierung<br />

des Energieverbrauchs. Deshalb<br />

ist auch eine nachhaltige Entwicklung<br />

der Verkehrsinfrastruktur gefordert.<br />

Nachhaltige Entwicklung steht für das<br />

Ziel, die Entwicklung des Verkehrs mit<br />

ökologischen Anforderungen in Einklang<br />

zu bringen ,<strong>und</strong> dabei gleichzeitig die<br />

steigende Nachfrage nach Mobilität mit<br />

einem attraktiven <strong>und</strong> effizienten Angebot<br />

zu befriedigen. Der Beitrag des<br />

öffentlichen Personennahverkehrs zu<br />

dieser Zielerreichung ist signifikant.<br />

So ist es erforderlich, eine große Zahl<br />

von Pendlern im Berufsverkehr schnell<br />

<strong>und</strong> kostengünstig zu befördern <strong>und</strong> dafür<br />

leistungsfähige <strong>und</strong> umweltfre<strong>und</strong>liche<br />

Technologien einzusetzen. Die<br />

Lösung dafür ist, das Verkehrsaufkommen<br />

auf Straße <strong>und</strong> Schiene intelligent<br />

zu steuern <strong>und</strong> zu vernetzen, damit die<br />

vorhandene Infrastruktur effizienter<br />

genutzt <strong>und</strong> Mobilität zugleich um-<br />

10 Nahverkehr 2010<br />

weltfre<strong>und</strong>licher <strong>und</strong> klimaschonender<br />

wird. Angesichts des wachsenden Verkehrsaufkommens<br />

wird das Ziel der<br />

kommenden Jahre sein, die Mobilität<br />

in den Städten <strong>und</strong> Ballungsräumen zu<br />

sichern <strong>und</strong> weiter zu verbessern. Das<br />

ÖPNV-Angebot ist so attraktiv zu gestalten,<br />

dass möglichst viele Menschen<br />

diesen besonderes umweltfre<strong>und</strong>lichen<br />

Verkehrsträger nutzen. Dazu müssen<br />

Innovationen voran getrieben werden.<br />

Die Schiene ist zwar aktuell der klimafre<strong>und</strong>lichste<br />

Verkehrsträger, aber er<br />

kann sich auf dem Erreichten nicht ausruhen.<br />

Bei der Energieeffizienz beträgt<br />

im Zeitraum bis 2020 das technische<br />

Innovationspotential anderer Verkehrsträger<br />

über 20 %. Es liegt damit höher<br />

als bei der Schiene (ca. 5 %). Zur Verteidigung<br />

des Umweltvorteils der Schiene<br />

ist eine signifikante Beschleunigung der<br />

technologischen Innovation erforderlich.<br />

Dazu bieten sich vielfältige technische<br />

Lösungsansätze an, wie Einsatz<br />

von Energiespeichersystemen, energieeffiziente<br />

Antriebe, Gewichtseinsparungen<br />

bei Wagenkästen <strong>und</strong> Drehgestellen,<br />

neue Konzepte für Hilfs- <strong>und</strong><br />

Nebenbetriebe, eine Integration der<br />

Start-Stop-Automatik, Kaskadierung<br />

von Hilfsbetrieben oder neue Konzepte<br />

zur Abstellung <strong>und</strong> Vorwärmung von<br />

Fahrzeugen. Kernfragen für die nähere<br />

Zukunft sind der Gesamtwirkungsgrad<br />

des Fahrzeugantriebes <strong>und</strong> seine Wirtschaftlichkeit.<br />

Die Klimaschutzziele zur Reduktion des<br />

CO2-Ausstosses in Deutschland <strong>und</strong><br />

Europa sind ehrgeizig. Der Einsatz innovativer,<br />

ressourcenschonender <strong>und</strong> umweltfre<strong>und</strong>licher<br />

Antriebstechnologien<br />

ist deshalb unverzichtbar.<br />

Gewiss stellt die Finanzierung einer leistungsfähigen<br />

Mobilität in Ballungsgebieten<br />

die Aufgabenträger auch künftig vor<br />

große Herausforderungen. Diese lassen<br />

sich leichter bewältigen, indem private<br />

Anbieter von Diensten <strong>und</strong> Finanzierungsinstrumenten<br />

einbezogen werden.<br />

Über eine enge Zusammenarbeit<br />

von Aufgabenträgern <strong>und</strong> Betreibern<br />

mit innovativen Lösungsanbietern<br />

lassen sich die Herausforderungen<br />

r<strong>und</strong> um die Mobilität in<br />

Ballungsräumen auch in den kommenden<br />

Jahren <strong>und</strong> Jahrzehnten<br />

meistern. Der öffentliche Personennahverkehr<br />

wird hierbei eine<br />

dominierende Rolle einnehmen. �


Energiemanagement im Schienenfahrzeugbau<br />

Von Herbert Zimmermann,<br />

Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbandes Elektrobahnen <strong>und</strong> -fahrzeuge, Frankfurt am Main<br />

Energieverbrauch von Schienenfahrzeugen ist ein wesentlicher Kostenfaktor. Nahezu 1/3 der Betriebskosten entfallen<br />

hierauf. Deswegen sind schon frühzeitig in der Entwicklung von Schienenfahrzeugen Konzepte entwickelt worden,<br />

den Energieverbrauch möglichst gering zu halten. Die elektrische Bahnindustrie im ZVEI-Zentralverband Elektrotechnik-<br />

<strong>und</strong> Elektronikindustrie e.V. blickt hier auf eine erfolgreiche technologische Entwicklung mit bemerkenswerten<br />

Energieeinsparerfolgen zurück. Beispielsweise die Drehstromtechnik, die bereits seit über 20 Jahren betriebsreif ist,<br />

hat sich heute bei den elektrisch betriebenen Schienenfahrzeugen durchgesetzt. Sie bietet den Vorteil, dass die während<br />

des Bremsvorganges freiwerdende Energie nicht mehr in ungenutzte Wärme verpufft. Beim Bremsen wird der<br />

Drehstromfahrmotor zum Generator, erzeugt damit erneut Energie <strong>und</strong> speist diese über einen Frequenzumrichter<br />

wieder zurück in die Oberleitung oder in einen mobilen Akku im Schienenfahrzeug oder in einen stationären Energiespeicher<br />

entlang der Fahrstrecke. Auf diese Weise wird der Energiebedarf von Schienenfahrzeugen <strong>und</strong> damit die<br />

CO2-Emission des Schienenverkehrs signifikant gesenkt.<br />

Mittlerweile verfügt fast jedes neue<br />

elektrische Schienenfahrzeug über<br />

eine nahezu verlustfreie Leistungssteuerung<br />

<strong>und</strong> bietet technisch die Möglichkeit,<br />

Bremsenergie zu nutzen oder in<br />

Fahrleitungen zurückzuspeisen. Wechselspannungsnetze<br />

sind heutzutage<br />

überwiegend so hart, dass die zurückgespeiste<br />

Bremsenergie auch tatsächlich<br />

vom Fahrleitungsnetz wieder aufgenommen<br />

werden kann. Gleichspannungsnetze<br />

sind hingegen in der Regel sehr<br />

viel weicher. Wenn nicht in der Nähe<br />

des bremsenden Fahrzeuges ein Abnehmer<br />

für diese Energie vorhanden ist,<br />

kann die Fahrleitung die Bremsenergie<br />

nicht aufnehmen. Sie muss statt dessen<br />

in Bremswiderständen in Wärme umgewandelt<br />

werden. Verschiedene Untersuchungen<br />

<strong>und</strong> Messungen belegen, dass in<br />

einem typischen Nahverkehrsnetz ca. 20<br />

bis 30 % der eingespeisten Energie nutzlos<br />

in Wärme umgewandelt werden.<br />

Die Schiene ist aktuell der sauberste Verkehrsträger,<br />

aber er kann sich auf dem<br />

Erreichten nicht ausruhen. Das technische<br />

Innovationspotential der Wettbewerber<br />

bei der Energieeffizienz 2000 bis<br />

2020 ist mit über 20 % höher als bei der<br />

Bahn mit ca. 5 %. Hohe technische Innovationsgeschwindigkeit<br />

der Wettbewerber<br />

könnten den Umweltvorsprung des<br />

Systems Schiene gefährden. Zur Verteidigung<br />

des Umweltvorteils der Schiene<br />

ist eine signifikante Beschleunigung der<br />

technologischen Innovationen erforderlich.<br />

Dazu bieten sich die technischen<br />

Lösungsansätze an: neue Konzepte für<br />

Hilfs- <strong>und</strong> Nebenbetriebe, Integration<br />

Start-Stop-Automatik, Kaskadierung<br />

von Hilfsbetrieben, neue Konzepte zur<br />

Abstellung <strong>und</strong> Vorwärmung.<br />

Kernfragen für die nähere Zukunft sind<br />

der Gesamtwirkungsgrad des<br />

Fahrzeugantriebes <strong>und</strong> seine<br />

Wirtschaftlichkeit. Hierbei<br />

haben Hybridkonzepte als<br />

Übergangslösungen, bis eine<br />

ausgereifte Brennstoffzellentechnologie<br />

zur Verfügung<br />

steht, einiges Potential zu bieten.<br />

Bei dieselelektrischen Fahrzeugen<br />

gibt es systembedingt überhaupt<br />

kein Speisenetz an das<br />

Energie zurückgegeben werden<br />

kann. Technisch gibt es jetzt die<br />

Möglichkeit, einen gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

neuen Freiheitsgrad in<br />

die Systemgestaltung einzubringen.<br />

Die Entwicklung auf<br />

dem Gebiet der Hochleistungskondensatoren<br />

(Supercaps) erlaubt mittlerweile<br />

die Realisierung von Energiespeichern,<br />

die auf dem Fahrweg mitgeführt<br />

werden können. So kann beim Bremsen<br />

zurückgewonnene Energie im Speicher<br />

zwischengelagert <strong>und</strong> bei der nächsten<br />

Anfahrt wieder verbraucht werden. Neben<br />

Hochleistungskondensatoren kommen<br />

auch Schwungräder <strong>und</strong> Druckluftspeicher<br />

als mögliche Energiespeicher<br />

in Frage. Alternativ zu diesen Speichern<br />

auf Fahrzeugen werden auch stationäre<br />

Energiespeicher untersucht, die in Unterwerken<br />

von Bahnnetzen eingesetzt<br />

werden.<br />

Die mit Energiespeichern ausgerüsteten<br />

Fahrzeuge benötigen jährlich bis zu 30<br />

% weniger Energie <strong>und</strong> verursachen bis<br />

zu 80 Tonnen weniger CO2-Emissionen<br />

als Fahrzeuge ohne Energiespeicher. Auf<br />

diese Weise können bis zu 2,5 km ohne<br />

Energieversorgung durch die Oberleitung<br />

gefahren werden, wodurch zugleich<br />

Energie gespart wird. Die Energiespei-<br />

cher laden sich durch das Bremsen während<br />

der Fahrt auf. Die Energiespeicher<br />

können auch durch die Oberleitung<br />

oder durch stationäre Ladestationen<br />

an den Haltestellen aufgeladen werden.<br />

Dadurch wird der Betrieb einer Straßenbahn<br />

auch bei Ausfall- oder Wartungsarbeiten<br />

an der Oberleitung sowie<br />

bei anderen Störungen möglich.<br />

Neben der Ausschöpfung des immer<br />

noch erheblichen Einsparpotentials<br />

durch die Weiterentwicklung des konventionellen<br />

Verbrennungsmotors ermöglicht<br />

die Kombination mit einem<br />

Elektromotor <strong>und</strong> einem Hochleistungsenergiespeicher<br />

die optimale Wahl des<br />

Betriebspunktes <strong>und</strong> jeder Fahrsituation<br />

<strong>und</strong> trägt letztendlich zu einem höheren<br />

Wirkungsgrad bei. Zu innovativen Hybridkonzepten<br />

gehört in erster Linie<br />

die Elektrifizierung <strong>und</strong> Elektronisierung<br />

von Antriebsstrang <strong>und</strong> Fahrzeug. Neben<br />

einer modernen Leistungs- <strong>und</strong> Steuerelektronik<br />

für den Antriebsstrang sind<br />

ebenso leistungsfähige Energiespeicher<br />

Nahverkehr 2010 11


als auch ein Energiemanagement zur<br />

Steuerung aller Fahrzeugkomponenten<br />

erforderlich, das elektronisch gesteuerte<br />

intelligente Betriebsweisen <strong>und</strong> Strategien<br />

des Fahrzeugs ermöglicht. Gr<strong>und</strong>lage<br />

für die Energieeinsparungen sind die<br />

Hybridsystemfunktionen regeneratives<br />

Bremsen <strong>und</strong> elektrische Antriebsunterstützung<br />

sowie die Motorabschaltung<br />

im Stillstand. Mit diesen Fahrzeugfunktionen,<br />

Rekuperation der Bremsenergie,<br />

Start-Stop <strong>und</strong> elektrische Fahrunterstützung<br />

in hybriden Antriebssystemen<br />

vergrößert sich die Bedeutung des elektrischen<br />

Energiespeichers.<br />

Abhängig vom Fahrzeugeinsatz <strong>und</strong><br />

Umgebungsbedingungen kommen unterschiedliche<br />

Technologien oder deren<br />

Kombinationen zum Einsatz mit dem<br />

Ziel, den Energieeinsatz zu minimieren<br />

<strong>und</strong> Kosten zu reduzieren <strong>und</strong> damit die<br />

Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit des Verkehrsträgers<br />

Schiene weiter zu steigern.<br />

Hier sind r<strong>und</strong> 20 % Treibstoffeinsparung<br />

bei Verbrennungstriebwagen oder<br />

Hybridfahrzeugen möglich. Dies wird<br />

unterstützt durch emissionsarme <strong>und</strong><br />

leichte Motorentechnik aus dem Automobilbau<br />

<strong>und</strong> geringes Gewicht des<br />

Stromerzeugers. Dies ist insbesondere<br />

aus betrieblichen Gründen bei nicht<br />

elektrifizierten Strecken gleicher Spurweite<br />

für mehr systemfähige <strong>Stadt</strong>- bzw.<br />

Überlandbahnen erforderlich.<br />

Die Anforderungen an das Energiemanagement<br />

im Fahrzeug steigen mit zunehmender<br />

Komplexität. Das Energiemanagement<br />

eines Fahrzeugs hat die<br />

Aufgabe, die zur Verfügung stehende Energie<br />

optimal für den Betrieb des Fahrzeugs<br />

zu nutzen <strong>und</strong> die Energieströme<br />

so zu steuern, dass alle Funktionen in<br />

der gewünschten Form sichergestellt<br />

werden können. Als Verbraucher sind<br />

die klassischen Komponenten wie z. B.<br />

Steuergeräte, Klimaanlage <strong>und</strong> Licht<br />

<strong>und</strong> Elektroantrieb zu beachten. Es ist<br />

ersichtlich, dass das gewählte Energiemanagement<br />

auch einen Einfluss auf<br />

den Energieverbrauch hat. Das Energiemanagement<br />

ist eng verknüpft mit der<br />

generellen Betriebsstrategie. Welche<br />

Funktionen umgesetzt bzw. freigegeben<br />

werden können, ist auch vom Energiemanagement<br />

abhängig. So kann die<br />

Freigabe von bestimmten Funktionen<br />

in Abhängigkeit des Ladezustandes der<br />

Batterie für einen Parallelhybrid erfolgen.<br />

Während in der Vergangenheit die Startfähigkeit<br />

eines Fahrzeuges häufig im Vor-<br />

12 Nahverkehr 2010<br />

dergr<strong>und</strong> stand, rückt nun verstärkt die<br />

Optimierung des Energiemanagements<br />

unter dem Gesichtspunkt der Energieeinsparung<br />

<strong>und</strong> Bordnetzstabilität in<br />

das Blickfeld. Die Implementierung von<br />

intelligenten Generatorregelstrategien<br />

hat schon in viele Fahrzeuge Einzug<br />

gef<strong>und</strong>en. Die funktionale Erweiterung<br />

auf den Stop-Start-Betrieb läuft gerade<br />

an. Hinzu kommt die Einführung neuer<br />

Technologien <strong>und</strong> Aktuatoren, welche<br />

zusätzliche Anforderungen an die Energie-<br />

<strong>und</strong> Leistungsversorgung sowie die<br />

Verkabelung stellen.<br />

Weitere Möglichkeiten, den Energieverbrauch<br />

eines Schienenfahrzeugs zu<br />

reduzieren, bietet eine Optimierung<br />

der Klimaanlagen. Eine Anpassung der<br />

Anlagen nach variablen Faktoren, wie<br />

Auslastungsgrad <strong>und</strong> Außentemperatur<br />

kann den Energieverbrauch deutlich<br />

reduzieren. So kann ein variables<br />

Frischluftzufuhrsystem anhand der von<br />

Sensoren gelieferten Daten nach dem<br />

Auslastungsgrad der Wagen die zugeführte<br />

Frischluft dosieren. Diese wird<br />

dann mittels Wärmetauscher entsprechend<br />

vorgewärmt oder vorgekühlt.<br />

Dazu werden bis zu 80 % der in der Luft<br />

enthaltenen Energie wiederverwendet.<br />

Eine solche Steuerung kann den Energieverbauch<br />

um über 20 % senken.<br />

Darüber hinaus sind die Entwicklungen<br />

im Antriebsbereich vielversprechend.<br />

Eine vollständige Integration von Antriebs-,<br />

Fahrwerk- <strong>und</strong> Bremstechnologie<br />

wird in Metros <strong>und</strong> S-Bahn-Fahrzeugen<br />

realisiert. Diese hochintegrierte<br />

Technologie führt zu einer Vielzahl von<br />

Synergien. Die Fahrwerke verfügen über<br />

einen hohen Wirkungsgrad, niedriges Eigengewicht<br />

<strong>und</strong> reduzierte Emission.<br />

Der getriebelose Drehstromantrieb<br />

erfolgt auf der Basis der permanenterregten<br />

Synchronmaschine. Der gekapselte<br />

Fahrmotor ermöglicht einen wartungsfreien<br />

Betrieb <strong>und</strong> gewährleistet<br />

eine lange Lebensdauer. Der Direktantrieb<br />

ist integraler Bestandteil des Fahrwerkes<br />

wodurch der Fahrwerkrahmen<br />

frei von Traktionskräften ist. Durch die<br />

physikalischen Eigenschaften der permanenterregten<br />

Synchronmaschine wird<br />

sicheres elektrisches Bremsen gewährleistet<br />

<strong>und</strong> die mechanischen Bremsen<br />

können entfallen. Neben der elektrodynamischen<br />

tritt die inhärente elektrodynamische<br />

Bremse als zweites unabhängiges<br />

System ein.<br />

Im Vergleich zu konventionellen Metrofahrwerken<br />

hat der Direktantrieb in<br />

Verbindung mit Leichtbauweise ein bis<br />

zu 30 % geringeres Gewicht. Die Energiekosten<br />

sind aufgr<strong>und</strong> der Gewichtsreduktion<br />

<strong>und</strong> des höheren Antriebswirkungsgrades<br />

um bis zu 20 % niedriger.<br />

Der deutlich geringere Verschleiß wird<br />

auch die Instandhaltungskosten spürbar<br />

senken.<br />

Forschungsbedarf<br />

Für die aufgeführten Anwendungen<br />

Start-Stop-Funktion, Klimatechnik <strong>und</strong><br />

Direktantrieb werden die Forschungsergebnisse<br />

im Alltagsbetrieb erprobt.<br />

Optimierungspotentiale bestehen vor<br />

allem bei den Klimatisierungsprozessen.<br />

Hier muss die aktuelle Betriebssituation<br />

in die Steuerung <strong>und</strong> Leistungsanforderung<br />

bezüglich der Klimatechnik eingehen.<br />

Ein dynamischer Klimatisierungsprozess<br />

sollte den Standbetrieb oder<br />

die Fahrt des Fahrzeuges, Tunnelbetrieb,<br />

Aerodynamik des Luftflusses im Türbereich<br />

<strong>und</strong> intelligente Nutzung von zeitweise<br />

vorhandenen Energieüberschüssen<br />

berücksichtigen.<br />

Generell kann die Emission von CO2<br />

<strong>und</strong> der effiziente Energieeinsatz bei<br />

Schienenfahrzeugen durch verbesserten<br />

Wirkungsgrad des Antriebs eine Optimierung<br />

des Fahrregimes sowie durch<br />

Leichtbauweise mittels neuer Materialien<br />

erzielt werden. In der Zukunft<br />

müssen gesamtheitliche Betrachtungen<br />

über den Lebenszyklus eines Fahrzeuges<br />

angestellt werden. Es kommt auf<br />

die Ökobilanz an. Das beginnt bei der<br />

Entwicklung der Fahrzeuge <strong>und</strong> endet<br />

bei dem Recyclingprozess. Dieser Prozess<br />

steht unter der Maxime von der<br />

Herstellung bis zu der Entsorgung den<br />

Energieverbrauch <strong>und</strong> den CO2 –Ausstoß<br />

zu minimieren.<br />

Der größte Forschungs- <strong>und</strong> Innovationsbedarf<br />

besteht jedoch bei den Energiespeichern.<br />

Für den mobilen Einsatz<br />

ist es dringend erforderlich, höhere<br />

Leistungs- <strong>und</strong> Energiedichten sowie<br />

Verbesserung des Wirkungsgrades zu<br />

erreichen, damit diese für Hybridantriebe<br />

so wichtigen Speicherkomponenten<br />

zu günstigen Preisen <strong>und</strong> Betriebsbedingungen<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Fazit<br />

Die umwelttechnologischen Innovationen<br />

der Unternehmen der elektrischen<br />

Bahntechnik im ZVEI in den zurückliegenden<br />

Dekaden sind beachtlich. Neben<br />

positiven Umwelteinflüssen durch weniger<br />

CO2-Ausstoß haben die Betreiber


erheblich geringere Betriebsausgaben<br />

für Energie. Diese Entwicklung hält an<br />

<strong>und</strong> wird sich noch beschleunigen.<br />

Die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus<br />

von der Entwicklung bis zum<br />

Recycling wird die Gesamtenergiebilanz<br />

von Herstellung, Betrieb, Recycling be-<br />

werten. Dabei werden alle Funktionen<br />

<strong>und</strong> Module, Herstellungsprozesse <strong>und</strong><br />

Materialen unter Umweltaspekten geprüft.<br />

Das schließt ein ausgeklügeltes<br />

Fahrregime <strong>und</strong> wirkungsvolles Energiemanagement<br />

ein.<br />

Die elektrische Bahnindustrie unter-<br />

nimmt erhebliche finanzielle <strong>und</strong> technologische<br />

Anstrengungen, neue Energie-<br />

<strong>und</strong> Umweltmaßstäbe in ihren<br />

Fahrzeugen zu realisieren. Auch in der<br />

Zukunft wird sie mit Innovationen das<br />

umweltfre<strong>und</strong>lichste Verkehrsmittel<br />

sein. �<br />

Demographischer Wandel –<br />

Herausforderung <strong>und</strong> Chance für den ÖPNV<br />

Von Prof. Dr. Frank Fichert, Diplom-Volkswirt, lehrt Volkswirtschaftslehre <strong>und</strong> Personenverkehr an der Fakultät für<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Verkehr der Hochschule Heilbronn<br />

Einführung: Der demographische Wandel ist zweifellos einer der „Megatrends“ der kommenden Jahrzehnte, der in<br />

allen wirtschaftlichen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Bereichen spürbare Veränderungen mit sich bringt. Die zentralen Entwicklungen<br />

lassen sich mit den Schlagworten „älter, weniger, bunter“ 1 pointiert beschreiben. Für den ÖPNV ergeben<br />

sich durch den demographischen Wandel sowohl neue Herausforderungen als auch neue Chancen im intermodalen<br />

Wettbewerb um K<strong>und</strong>en.<br />

Im Folgenden sind zunächst die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

des demographischen Wandels<br />

überblicksartig dargestellt. Darauf aufbauend<br />

werden die speziellen Herausforderungen<br />

<strong>und</strong> Chancen für Anbieter<br />

im ÖPNV diskutiert. Ein besonderes Augenmerk<br />

gilt den stark divergierenden<br />

Ausgangssituationen <strong>und</strong> Entwicklungstendenzen<br />

auf der regionalen Ebene. Generell<br />

beschränkt sich dieser Beitrag auf<br />

die Nachfrageseite des ÖPNV, weitere<br />

Handlungsnotwendigkeiten ergeben<br />

sich unter anderem im Personalbereich<br />

(z. B. zunehmendes Durchschnittsalter<br />

der Beschäftigten) 2 .<br />

Demographischer Wandel –<br />

Megatrend der nächsten<br />

Jahrzehnte<br />

Bevölkerungsentwicklung<br />

in Deutschland<br />

Demographische Veränderungen haben<br />

einen „langen Atem“, d. h. sie prägen<br />

die Entwicklung eines <strong>Land</strong>es für viele<br />

Jahrzehnte. Beispielsweise lassen sich<br />

im deutschen Bevölkerungsaufbau noch<br />

heute die Einflüsse der Weltwirtschaftskrise<br />

des Jahres 1929 sowie des Zweiten<br />

Weltkriegs deutlich erkennen (siehe<br />

Abbildung 1).<br />

Generell ist die Bevölkerungsentwicklung<br />

von drei Faktoren abhängig: Geburten,<br />

Sterbefälle <strong>und</strong> Wanderungsbewegungen.<br />

Von zentraler Bedeutung<br />

für die bevorstehenden Veränderungen<br />

in Deutschland sind insbesondere der<br />

„Baby Boom“, d. h. die hohen Geburtenzahlen<br />

Mitte der 1950er bis Mitte der<br />

1960er Jahre, sowie der danach einsetzende<br />

Geburtenrückgang.<br />

Seit dem so genannten „Pillenknick“ in<br />

der zweiten Hälfte der 1960er Jahre<br />

Abbildung 1<br />

verharrt die Geburtenrate auf einem<br />

niedrigen Niveau, sodass der Geburtsjahrgang<br />

1964 auf absehbare Zeit der<br />

„stärkste“ Jahrgang in Deutschland bleiben<br />

wird. Die Zahl der Geburten pro<br />

1.000 Frauen liegt in Westdeutschland<br />

Nahverkehr 2010 13


elativ konstant bei r<strong>und</strong> 1.350. In den<br />

neuen Ländern war nach der Wiedervereinigung<br />

ein dramatischer Einbruch<br />

der Geburtenzahl zu verzeichnen, mittlerweile<br />

hat eine Angleichung an die<br />

westdeutschen Verhältnisse stattgef<strong>und</strong>en.<br />

Trotz diverser familienpolitischer<br />

Anstrengungen (z. B. Ausbau der Kinderbetreuung,<br />

Elterngeld) ist zu erwarten,<br />

dass die Geburtenrate in absehbarer<br />

Zeit deutlich unter dem Durchschnittswert<br />

von 2,1 Kindern pro Frau bleiben<br />

wird, der langfristig eine stabile Bevölkerungszahl<br />

ermöglichen würde. Zudem<br />

ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der<br />

potenziellen Mütter angesichts der geringeren<br />

Jahrgangsstärken der 1990er<br />

Jahre zukünftig stetig abnimmt („Echo<br />

des Pillenknicks“).<br />

Die durchschnittliche Lebenserwartung<br />

ist derzeit in Deutschland so hoch<br />

wie nie zuvor in der Geschichte. Die<br />

meisten Experten gehen davon aus,<br />

dass sich dieser Trend auch in Zukunft<br />

fortsetzen wird. So unterstellt das Statistische<br />

B<strong>und</strong>esamt bei seinen Bevölkerungsvorausberechnungen<br />

für neugeborene<br />

Frauen eine Lebenserwartung<br />

von 88,0 bzw. 89,8 Jahren, bei Männern<br />

immerhin von 83,5 bzw. 85,4 Jahren.<br />

Zwar hat es schon immer Menschen gegeben,<br />

die außerordentlich lange lebten 3 .<br />

In den kommenden Jahrzehnten wird<br />

die Zahl der hoch betagten Menschen<br />

jedoch nie gekannte Größenordnungen<br />

erreichen. Bereits im Jahr 2008 gab es<br />

in Deutschland r<strong>und</strong> 4 Mio. Menschen<br />

im Alter über 80 Jahren. Für das Jahr<br />

2050 gehen die Berechnungen des Statistischen<br />

B<strong>und</strong>esamtes von r<strong>und</strong> 10 Mio.<br />

über 80jährigen aus. Hierbei macht sich<br />

neben der zunehmenden Lebenserwartung<br />

auch bemerkbar, dass es sich bei<br />

diesen hochbetagten Menschen um die<br />

geburtenstarken 1960er Jahrgänge handeln<br />

wird.<br />

Besonders großen Schwankungen ist<br />

der Wanderungssaldo unterworfen, d.<br />

h. die Differenz aus grenzüberschreitenden<br />

Zuzügen <strong>und</strong> Fortzügen. In den<br />

Jahren 1991 bis 2007 hat Deutschland<br />

stets einen positiven Wanderungssaldo<br />

aufweisen können, im Jahr 2008 war der<br />

Saldo zumindest ausgeglichen. Seit dem<br />

Jahr 2004 reicht der rückläufige Wanderungsgewinn<br />

jedoch nicht mehr aus, um<br />

den „natürlichen“ Bevölkerungsrückgang<br />

(die Zahl der Sterbefälle liegt deutlich<br />

über der Zahl der Geburten) zu<br />

kompensieren, sodass die Gesamtbevölkerungszahl<br />

sinkt (siehe Abbildung 2).<br />

14 Nahverkehr 2010<br />

Abbildung 2<br />

Insgesamt ist bis zum Jahr 2050 ein stetiger<br />

Bevölkerungsrückgang zu erwarten.<br />

Sollte die Nettozuwanderung einen<br />

jährlichen Wert von 200.000 erreichen,<br />

so dürfte Deutschland im Jahr 2050<br />

noch etwa 74 Millionen Einwohner haben,<br />

ein Minus von r<strong>und</strong> 10 % gegenüber<br />

dem Jahr 2000. Bei einer jährlichen Nettozuwanderung<br />

von 100.000 reduziert<br />

sich die erwartete Bevölkerungszahl<br />

sogar auf unter 69 Millionen. 4 Dabei ist<br />

die Verschiebung der Altersstruktur für<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft noch gravierender<br />

als die reine Abnahme der<br />

Einwohnerzahl. Der Anteil der unter<br />

20jährigen wird von derzeit r<strong>und</strong> 20%<br />

auf etwa 15% zurückgehen, der Anteil<br />

der über 60jährigen hingegen von r<strong>und</strong><br />

25% auf etwa 40% steigen.<br />

Zunehmende Divergenz<br />

zwischen den <strong>Regio</strong>nen<br />

Die deutschen Länder <strong>und</strong> <strong>Regio</strong>nen<br />

sind vom demographischen Wandel in<br />

höchst unterschiedlichem Maße betroffen.<br />

Ursächlich hierfür sind die anhaltende<br />

Binnenwanderung (insbesondere<br />

von Ost nach West) sowie das divergierende<br />

Ausmaß der Zuwanderung aus<br />

dem Ausland. Allgemein wird davon<br />

ausgegangen, dass sich diese Migrationstrends<br />

kurz- <strong>und</strong> mittelfristig nicht<br />

wesentlich verändern. Daraus folgt, dass<br />

viele <strong>Regio</strong>nen im Süden Deutschlands<br />

sowie die <strong>Stadt</strong>staaten in den kommenden<br />

Jahrzehnten sogar noch mit<br />

(geringfügigen) Bevölkerungsgewinnen<br />

rechnen können, während sich in den<br />

meisten Teilen Ostdeutschland ebenso<br />

wie in manchen Gebieten Westdeutschlands<br />

(z. B. Ruhrgebiet) der bereits zu<br />

beobachtende Bevölkerungsrückgang<br />

fortsetzt oder sogar beschleunigt. Auch<br />

innerhalb der Flächenländer verläuft die<br />

Entwicklung keinesfalls gleichmäßig. Beispielsweise<br />

reicht die Spannweite der<br />

vom hessischen Statistischen <strong>Land</strong>esamt<br />

für den Zeitraum 2006-2025 berechneten<br />

Bevölkerungsveränderung auf Kreisebene<br />

von +4,4 % (<strong>Stadt</strong> Offenbach)<br />

bis 18,2 % (Werra-Meißner-Kreis).<br />

Für die kommunale Ebene liegen ebenfalls<br />

Bevölkerungsvorausberechnungen<br />

vor, meist mit dem Jahr 2025 als Betrachtungshorizont<br />

5 . Allerdings nimmt mit<br />

abnehmender Größe einer Gebietskörperschaft<br />

der Anteil der kleinräumigen<br />

Wanderung ebenso zu wie die Bedeutung<br />

von Sondereffekten (z. B. fehlende<br />

Baulandreserven). Bevölkerungsvorausberechnungen<br />

auf der Ebene von Kreisen<br />

oder gar Kommunen sollten daher<br />

wesentlich zurückhaltender interpretiert<br />

werden als auf der <strong>Land</strong>es- oder<br />

B<strong>und</strong>esebene.<br />

Zusammenwirken demographischer,<br />

gesellschaftlicher <strong>und</strong><br />

wirtschaftlicher Trends<br />

Eine Analyse der Auswirkungen des demographischen<br />

Wandels auf den ÖPNV<br />

darf die absehbaren Veränderungen<br />

anderer struktureller Bestimmungsfaktoren<br />

des Verkehrsmarktes nicht außer<br />

Acht lassen. Exemplarisch sei auf die<br />

Entwicklung der Energiepreise hingewiesen,<br />

die wiederum nicht zuletzt von<br />

staatlichen Rahmensetzungen abhängen


(z. B. Besteuerung) 6 . Technische Innovationen,<br />

etwa im Bereich der Elektromobilität<br />

<strong>und</strong> der Telematik, prägen die<br />

verkehrlichen Entwicklungen der kommenden<br />

Jahrzehnte möglichweise sogar<br />

stärker als der Demographieeffekt, sind<br />

jedoch a priori stets ungewiss.<br />

Zudem können die gesamtwirtschaftlichen<br />

Folgen des demographischen<br />

Wandels mittelbar zu Veränderungen<br />

verkehrlich relevanter Rahmenbedingungen<br />

führen. So sind die negativen<br />

Auswirkungen der Verschiebungen im<br />

Altersaufbau der Bevölkerung auf das<br />

umlagefinanzierte Alterssicherungssystem<br />

mittlerweile allgemein bekannt. Bei<br />

isolierter Betrachtung geht ein sinkendes<br />

Rentenniveau mit einer abnehmenden<br />

Pkw-Verfügbarkeit älterer Menschen einher,<br />

wovon der ÖPNV tendenziell profitiert.<br />

Allerdings ist in den vergangenen<br />

Jahren auch das durchschnittliche (Geld<br />

)Vermögen der Haushalte gestiegen,<br />

was diesem Effekt entgegenwirkt, ihn<br />

sogar vollständig überlagern kann (z.<br />

B. zunehmende Vermögenseinkommen<br />

sowie Entsparen). Eine umfassende Abschätzung<br />

zukünftiger verkehrlicher Gegebenheiten<br />

erfordert daher unter anderem<br />

Annahmen über die Entwicklung<br />

von Einkommenshöhe <strong>und</strong> -verteilung in<br />

der Bevölkerung.<br />

Von besonderer Komplexität sind die<br />

Wechselwirkungen zwischen dem demographischen<br />

Wandel <strong>und</strong> der Siedlungsstruktur.<br />

Häufig wird die These<br />

vertreten, dass die gesellschaftliche Alterung<br />

den Trend der Suburbanisierung<br />

bremst oder sogar umkehrt. Erwartet<br />

wird, dass viele Menschen, die in der Phase<br />

der Familiengründung ihren Wohnort<br />

in die Vororte verlegt haben, im Alter<br />

wieder in die Städte zurückkehren, wo<br />

die Wege zu Einkaufsstätten <strong>und</strong> Versorgungseinrichtungen<br />

kürzer sind <strong>und</strong> sich<br />

auch ohne eigenen Pkw bewältigen lassen.<br />

Inwieweit eine derartige „Rückkehr<br />

in die Städte“ tatsächlich stattfindet,<br />

dürfte unter anderem von den zukünftigen<br />

Kosten der individuellen Mobilität<br />

sowie der Verfügbarkeit leistungsfähiger<br />

öffentlicher Verkehrsangebote in den<br />

unterschiedlichen <strong>Regio</strong>nen abhängen.<br />

Überspitzt ließe sich damit auch formulieren,<br />

dass die raumordnerisch <strong>und</strong><br />

verkehrspolitisch vielfach befürwortete<br />

Reurbanisierung umso ausgeprägter<br />

sein dürfte, je stärker das ÖPNV-Angebot<br />

außerhalb der städtischen Gebiete<br />

ausgedünnt wird. Damit wird auch deutlich,<br />

dass die Entwicklung der ÖPNV-<br />

Nachfrage nicht zuletzt vom Ausmaß<br />

der öffentlichen Finanzierung sowie deren<br />

Ausgestaltung abhängig ist.<br />

Verkehrliche Auswirkungen<br />

von Bevölkerungsrückgang<br />

<strong>und</strong> Alterung<br />

Gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Wirkungszusammenhänge<br />

Im Rahmen einer Analyse der Auswirkungen<br />

des demographischen Wandels<br />

auf den Verkehr im Allgemeinen <strong>und</strong> den<br />

ÖPNV im Besonderen lassen sich der<br />

Bevölkerungszahleffekt, der Altersstruktureffekt<br />

sowie der Kohorteneffekt<br />

unterscheiden. Dabei beschreibt der<br />

Bevölkerungszahleffekt den trivialen Zusammenhang,<br />

dass bei einer sinkenden<br />

Zahl von Einwohnern ceteris paribus<br />

auch die Verkehrsnachfrage zurückgeht.<br />

Der Altersstruktureffekt berücksichtigt,<br />

dass die einzelnen Altersgruppen unterschiedlich<br />

mobil sind <strong>und</strong> sich auch<br />

der Modal Split im Lebensverlauf ändert.<br />

Das typische Mobilitätsmuster 7 zeigt ab<br />

einem Alter von 10 Jahren einen starken<br />

Anstieg der Zahl der täglich zurückgelegten<br />

Kilometer. Im (erwerbsfähigen)<br />

Alter zwischen 20 <strong>und</strong> 55 verharrt die<br />

Verkehrsleistung auf hohem Niveau um<br />

danach kontinuierlich zu sinken. Der<br />

Anteil des öffentlichen Verkehrs nimmt<br />

während des Kindesalters zu <strong>und</strong> erreicht<br />

in der Altersgruppe der 14- bis<br />

17jährigen sein Maximum. Es folgen der<br />

„Führerscheinknick“ <strong>und</strong> danach ein<br />

konstant niedriger ÖV-Anteil bis zum<br />

Erreichen des Rentenalters. Erst bei den<br />

über 65jährigen kann der ÖV wieder<br />

(geringfügig) Marktanteile gewinnen.<br />

Durch Multiplikation der jeweiligen altersspezifischen<br />

Verkehrsleistung mit<br />

der vorausberechneten Zahl der Menschen<br />

in den einzelnen Jahrgängen lässt<br />

sich die zukünftige Verkehrsleistung<br />

rechnerisch vergleichsweise einfach<br />

bestimmen. Dabei erweist sich der zunehmende<br />

Anteil älterer Menschen bereits<br />

bei dieser Berechnungsweise nicht<br />

zwingend als vorteilhaft für den ÖPNV,<br />

da zwar der ÖPNV-Anteil im Alter etwas<br />

höher ist, sich jedoch auf eine geringere<br />

Wegezahl bzw. Verkehrsleistung<br />

bezieht. Der so genannte Kohorteneffekt<br />

berücksichtigt, dass das Verhalten<br />

der Menschen nicht nur von ihrem Lebensalter,<br />

sondern darüber hinaus auch<br />

von ihrem Geburtsjahrgang <strong>und</strong> der damit<br />

zusammenhängenden Sozialisation<br />

sowie den jeweiligen äußeren Rahmenbedingungen<br />

abhängig ist. Mit anderen<br />

Worten, ein Mensch, der im Jahr 1900<br />

geboren wurde, verhielt sich im Jahr<br />

1970 anders als ein heute 70jähriger, der<br />

dem Geburtsjahrgang 1939 angehört.<br />

Generell ist das Verkehrsverhalten der<br />

Baby-Boom-Generation (noch) stärker<br />

auf den Motorisierten Individualverkehr<br />

ausgerichtet als dies bei den derzeitigen<br />

Seniorinnen <strong>und</strong> Senioren der Fall ist.<br />

Am augenfälligsten sind hierbei die Unterschiede<br />

in der Führerscheinquote, die<br />

zwar bei Männern bereits derzeit über<br />

alle Altersklassen sehr hoch ist, jedoch<br />

bei Frauen im höheren Alter noch deutlich<br />

abfällt. So besaßen im Jahr 2002 weniger<br />

als 60% der Frauen in der Altersgruppe<br />

65-69 Jahre eine Fahrerlaubnis,<br />

bei den Männern waren es in derselben<br />

Altersgruppe bereits r<strong>und</strong> 90%. 8 Viele<br />

Seniorinnen können folglich derzeit der<br />

Gruppe der captive rider zugerechnet<br />

werden, also den ÖPNV-K<strong>und</strong>en ohne<br />

Wahlmöglichkeiten. Demgegenüber ist<br />

die Führerscheinquote der Frauen im erwerbsfähigen<br />

Alter mittlerweile ebenso<br />

hoch wie bei den Männern (über 90%),<br />

sodass der Anteil der wahlfreien K<strong>und</strong>en<br />

unter den älteren Frauen ansteigt.<br />

Ebenfalls dem Kohorteneffekt zuzurechnen<br />

ist der durchschnittlich bessere<br />

Ges<strong>und</strong>heitszustand älterer Menschen,<br />

der zu einer höheren Gesamtmobilität<br />

beiträgt.<br />

Auch für die jüngeren Altersgruppen<br />

lassen sich strukturelle Veränderungen<br />

benennen, die eine einfache Fortschreibung<br />

der derzeitigen Pro-Kopf-Verkehrsleistung<br />

nicht als realistisch erscheinen<br />

lassen. Insbesondere ist davon auszugehen,<br />

dass sich der Trend einer höheren<br />

Erwerbsbeteiligung von Frauen weiter<br />

fortsetzen wird, was tendenziell mit einer<br />

zunehmenden Verkehrsleistung in<br />

den mittleren Jahrgängen einhergeht.<br />

Ausgewählte Studien zur<br />

zukünftigen Gesamtverkehrs-<br />

<strong>und</strong> ÖPNV-Nachfrage<br />

Langfristige Vorausberechnungen <strong>und</strong><br />

Szenarien zur Verkehrsnachfrage in<br />

Deutschland existieren für unterschiedliche<br />

gebietskörperschaftliche Ebenen.<br />

Dabei unterscheiden sich die einzelnen<br />

Studien nicht nur im Hinblick auf den<br />

Prognosezeitraum <strong>und</strong> ihre Annahmen<br />

bzgl. der Entwicklung der relevanten<br />

Rahmenbedingungen, auch die betrachteten<br />

Verkehrsaggregate sind nicht generell<br />

einheitlich definiert.<br />

Bis zum Jahr 2025 wird für Deutschland<br />

trotz der abnehmenden Bevölke-<br />

Nahverkehr 2010 15


Abbildung 3<br />

rung mit einer leichten Steigerung des<br />

Gesamtverkehrsaufkommens <strong>und</strong> einer<br />

(weiteren) deutlichen Zunahme der<br />

Gesamtverkehrsleistung gerechnet 9 . Für<br />

den Öffentlichen Verkehr (Nah- <strong>und</strong><br />

Fernverkehr) wird dabei ein Rückgang<br />

des Aufkommens <strong>und</strong> ein Anstieg der<br />

Verkehrsleistung erwartet, der jedoch<br />

prozentual geringer ausfällt als das<br />

Wachstum des Gesamtverkehrs (sinkender<br />

Anteil am Modal Split). Dabei<br />

entfallen gemäß der ITP/BVU-Prognose<br />

die Zuwächse allein auf den Eisenbahnverkehr,<br />

im Öffentlichen Straßenpersonenverkehr<br />

wird von einem Rückgang<br />

der Verkehrsleistung um nahezu 5% ausgegangen.<br />

In einer Untersuchung für das BMVBS<br />

wurden zwei Szenarien entwickelt, die –<br />

im Vergleich zur aktuellen Situation – für<br />

das Prognosejahr 2050 ein gesunkenes<br />

Verkehrsaufkommen unterstellen 10 . Bei<br />

der Verkehrsleistung wird, je nach den<br />

zugr<strong>und</strong>egelegten Annahmen, entweder<br />

ein weiterer Zuwachs (bei moderatem<br />

Anstieg der Verkehrspreise <strong>und</strong> geringer<br />

Änderung der Siedlungsstruktur) oder<br />

ein Rückgang (bei deutlich steigenden<br />

Verkehrspreisen <strong>und</strong> stärkerer Reurbanisierung)<br />

beschrieben. Der Öffentliche<br />

Verkehr muss in beiden Szenarien mit<br />

Einbußen rechnen, wobei der prognostizierte<br />

Rückgang der Zahl der Wege<br />

mit -15% bzw. -19% stärker ausfällt als<br />

die Abnahme der Verkehrsleistung (-8%<br />

bzw. -9%). Dabei wird in den „schrump-<br />

16 Nahverkehr 2010<br />

fenden <strong>Regio</strong>nen“ eine Abnahme des<br />

Verkehrsaufkommens um r<strong>und</strong> 40% erwartet,<br />

in „mittleren <strong>Regio</strong>nen“ beträgt<br />

der Rückgang 17-18%, in wachsenden<br />

<strong>Regio</strong>nen wird je nach Szenario mit einer<br />

Abnahme der Wegezahl von 6% bzw.<br />

13% gerechnet.<br />

Für Baden-Württemberg 11 wurde unter<br />

anderem ermittelt, dass bei isolierter<br />

Betrachtung der Bevölkerungszahl-<br />

<strong>und</strong> der Altersstruktureffekt zu einem<br />

Rückgang der Gesamtverkehrsleistung<br />

bis zum Jahr 2050 um r<strong>und</strong> 17% führen<br />

würden, bei einer zunehmenden Pro-<br />

Kopf-Mobilität der (älteren) Menschen<br />

die Verkehrsleistung jedoch auch ansteigen<br />

kann.<br />

Für den ÖPNV in der <strong>Stadt</strong> Berlin ergibt<br />

eine Modellrechnung des DIW zunächst<br />

einen Rückgang des ÖPNV-Aufkommens<br />

bis zum Jahr 2030 12 . Die weitere<br />

Entwicklung ist gemäß dieser Studie<br />

wesentlich von der unterstellten Bevölkerungsentwicklung<br />

abhängig <strong>und</strong> führt<br />

je nach gewähltem Szenario zu einem<br />

weiteren Rückgang oder einer relativen<br />

Konstanz des ÖPNV-Aufkommens. Für<br />

die <strong>Stadt</strong> Köln liegen Vorausberechnungen<br />

für die Jahre 2015 <strong>und</strong> 2025 vor,<br />

die von einem geringfügigen Rückgang<br />

des ÖPNV-Aufkommens bei gleichzeitig<br />

leicht steigendem Gesamtverkehr ausgehen<br />

13 .<br />

Generell ist der Prozess der Schrumpfung<br />

<strong>und</strong> der Alterung in vielen <strong>Regio</strong>nen<br />

Ostdeutschlands wesentlich<br />

weiter fortgeschritten als im Westen,<br />

sodass sich manche der prognostizierten<br />

Entwicklungen hier bereits real<br />

beobachten lassen. Abbildung 3 zeigt am<br />

Beispiel der <strong>Stadt</strong> Halle/Saale die Parallelität<br />

von Bevölkerungsrückgang <strong>und</strong> sinkender<br />

Nutzerzahl im ÖPNV. Allerdings<br />

ist für Ostdeutschland als Besonderheit<br />

zu berücksichtigen, dass bei der Pkw-<br />

Verfügbarkeit noch ein „Aufholprozess“<br />

stattfindet, der die ÖPNV-Nachfrage zusätzlich<br />

belastet.<br />

Schlussfolgerungen für Anbieter<br />

<strong>und</strong> Aufgabenträger im ÖPNV<br />

Anpassung an die veränderte<br />

K<strong>und</strong>enstruktur<br />

Zusammen mit den Veränderungen im<br />

Bevölkerungsaufbau wandelt sich auch<br />

die K<strong>und</strong>enstruktur des ÖPNV. Die<br />

Bedeutung junger K<strong>und</strong>en im Alter unter<br />

18 Jahren wird abnehmen, die der<br />

älteren ÖV-Nutzer hingegen steigen. So<br />

beträgt derzeit der Anteil der älteren<br />

Menschen an der Verkehrsleistung im<br />

öffentlichen Verkehr r<strong>und</strong> 9%, bis zum<br />

Jahr 2050 könnte sich dieser Wert auf<br />

14-15% erhöhen 14 .<br />

In ländlichen Gebieten, in denen der<br />

Schülerverkehr die ÖPNV-Nachfrage<br />

dominiert, sind daher deutliche Rückgänge<br />

zu erwarten, die nicht von anderen<br />

K<strong>und</strong>ensegmenten ausgeglichen<br />

werden können. Demgegenüber wird<br />

etwa für Berlin vorausberechnet, dass<br />

die Erwerbstätigen auch im Jahr 2050<br />

die mit Abstand wichtigste Nutzergruppe<br />

des ÖPNV darstellen, sodass sich<br />

in erster Linie eine Orientierung des<br />

Leistungsangebots an den Bedürfnissen<br />

der Berufstätigen empfiehlt. Allerdings<br />

verschiebt sich auch in Berlin <strong>und</strong> anderen<br />

Großstädten das Verhältnis zwischen<br />

„jungen“ <strong>und</strong> „älteren“ K<strong>und</strong>en<br />

deutlich zugunsten der Seniorinnen <strong>und</strong><br />

Senioren (siehe Abbildung 4). Speziell in<br />

Städten bietet die Entlastung der morgendlichen<br />

Verkehrsspitzen jedoch auch<br />

die Chance, besonders kostenträchtige<br />

Angebote, etwa Verstärkerverkehre, zukünftig<br />

zu reduzieren.<br />

Ältere Menschen weisen ein spezielles<br />

Mobilitätsverhalten auf. Es dominieren<br />

die Wegezwecke Einkauf, Erledigungen<br />

<strong>und</strong> Freizeit, sodass die Verkehrsnachfrage<br />

sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher<br />

Hinsicht wesentlich disperser ist<br />

als bei Berufstätigen oder jungen Menschen<br />

in Ausbildung. Eine besondere Herausforderung<br />

für die ÖPNV-Anbieter<br />

folgt aus der Tatsache, dass die heutigen


Abbildung 4<br />

bzw. zukünftigen Seniorinnen <strong>und</strong> Senioren<br />

in aller Regel „autosozialisiert“ sind.<br />

Die Nutzung des privaten Pkw ist für sie<br />

ein selbstverständlicher Teil ihres Alltags<br />

<strong>und</strong> bei nicht wenigen älteren Menschen<br />

dürften die letzten Erfahrungen mit dem<br />

ÖPNV aus ihrer Schulzeit stammen. Sollen<br />

diese Menschen als K<strong>und</strong>en für den<br />

ÖPNV gewonnen werden, sind besondere<br />

Hemmnisse im Bereich der K<strong>und</strong>eninformation<br />

sowie der „Heranführung“<br />

an die für viele ältere Menschen<br />

ungewohnte Mobilitätsalternative zu<br />

überwinden. Ein möglicher Ansatzpunkt<br />

sind hierbei spezielle Tarifangebote für<br />

Menschen ab einer bestimmten Altersgruppe.<br />

Dabei geht es nicht um die gelegentlich<br />

in der politischen Diskussion<br />

geforderten „Sozialtickets“ für ältere<br />

Menschen, die auf der ohnehin mehr als<br />

fragwürdigen Annahme beruhen, dass<br />

ältere Menschen generell einen besonderen<br />

sozialpolitischen Unterstützungsbedarf<br />

aufweisen. Vielmehr bieten sich<br />

Zeitfahrausweise an, die auf die speziellen<br />

Bedürfnisse der älteren Menschen<br />

ausgerichtet sind. Dabei kann es sich<br />

einerseits um rabattierte Fahrscheine<br />

handeln, die nur außerhalb der Hauptverkehrszeiten<br />

genutzt werden können<br />

(Ansprache preisreagibler Haushalte<br />

mit dem positiven Nebeneffekt einer<br />

Glättung der Verkehrsnachfrage). Andererseits<br />

ist ein „Premium-Produkt“<br />

vorstellbar, das sich in erster Linie an<br />

komfortbewusste Konsumenten richtet.<br />

Ein Beispiel ist das „Bären-Ticket“ des<br />

Verkehrsverb<strong>und</strong>es Rhein-Ruhr, das unter<br />

anderem die Nutzung der 1. Klasse<br />

sowie die Mitnahme von weiteren Personen<br />

ermöglicht.<br />

Um langjährige Kfz-Nutzer (wieder)<br />

an den ÖPNV heranzuführen, bieten<br />

sich zahlreiche Möglichkeiten. In einigen<br />

Städten wurde mit Schulungen oder<br />

Trainingskursen experimentiert, wobei<br />

jedoch für die potenziellen Teilnehmer<br />

eine relativ hohe Hemmschwelle besteht<br />

<strong>und</strong> die entsprechenden Maßnahmen<br />

mit hohem Personaleinsatz verb<strong>und</strong>en<br />

sind. Ein vielversprechender Ansatz<br />

ist das Kölner „Patenticket“, bei dem<br />

ältere ÖPNV-Nutzer ihre Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> Kenntnisse an bisherige Nichtnutzer<br />

in ihrem Bekanntenkreis weitergeben<br />

können 15 .<br />

Zusätzlich zu den neuen Anforderungen<br />

im Bereich der Preis- <strong>und</strong> der Kommunikationspolitik<br />

stellt sich die Frage, inwieweit<br />

das Produktangebot im Öffentlichen<br />

Verkehr angepasst werden sollte.<br />

Dabei lassen sich im Wesentlichen drei<br />

Gruppen von Maßnahmen unterscheiden.<br />

Erstens gilt, dass sich in vielen Bereichen<br />

die Anforderungen, die von älteren<br />

Menschen an den ÖPNV gestellt<br />

werden, nicht gr<strong>und</strong>sätzlich von den Anforderungen<br />

der anderen Nutzergruppen<br />

unterscheiden. Allenfalls werden<br />

bestimmte Produktmerkmale von den<br />

Seniorinnen <strong>und</strong> Senioren etwas stärker<br />

gewichtet als von den jüngeren Nutzern.<br />

Typische Beispiele sind die Sicherheit in<br />

den Verkehrsmitteln <strong>und</strong> Stationen so-<br />

wie die Bedienungsfre<strong>und</strong>lichkeit von<br />

Fahrscheinautomaten.<br />

Zweitens nimmt der Bedarf an bestimmten<br />

Leistungsmerkmalen durch<br />

den demographischen Wandel zu, die<br />

Angebotsanpassung ist jedoch für die<br />

Verkehrsanbieter mit Kosten verb<strong>und</strong>en.<br />

Ein Beispiel ist die Herstellung von<br />

Barrierefreiheit, die mit zunehmendem<br />

Anteil älterer K<strong>und</strong>en immer bedeutsamer<br />

wird. Noch zu häufig wird Barrierefreiheit<br />

von Verkehrsanbietern primär<br />

als Erfüllung staatlicher Vorgaben statt<br />

als Anpassung ihres Leistungsangebotes<br />

an die Bedürfnisse des Absatzmarktes<br />

verstanden. Vorstellbar sind in diesem<br />

Zusammenhang auch Begleitservice-<br />

Angebote für unterstützungsbedürftige<br />

Menschen, wie sie in Leipzig in einem<br />

Pilotprojekt erprobt werden. Obwohl<br />

der gesellschaftliche Nutzen dieser Angebote<br />

nicht infrage gestellt werden soll,<br />

handelt es sich dabei jedoch primär um<br />

sozialpolitische Maßnahmen, die konsequenterweise<br />

auch aus den Sozialbudgets<br />

der öffentlichen Haushalte zu<br />

finanzieren sind.<br />

Drittens lassen sich Trade-Off-Bereiche<br />

identifizieren, bei denen eine Anpassung<br />

des ÖPNV-Angebots an die Bedürfnisse<br />

älterer Menschen den ÖPNV für<br />

die sonstigen Nutzergruppen weniger<br />

attraktiv machen kann. So erleichtert<br />

eine Verkürzung des durchschnittlichen<br />

Haltestellenabstandes im Busverkehr<br />

zwar älteren Menschen die ÖPNV-Nutzung,<br />

verringert jedoch gleichzeitig die<br />

Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer<br />

Strecke, was von den wahlfreien K<strong>und</strong>en<br />

in der Regel als negativ empf<strong>und</strong>en<br />

wird.<br />

Flexibilisierung<br />

in ländlichen <strong>Regio</strong>nen<br />

In ländlichen <strong>Regio</strong>nen steht der ÖPNV<br />

aufgr<strong>und</strong> des Wegbrechens der Schülerverkehre<br />

vor besonderen Herausforderungen,<br />

wobei auch zu beachten ist, dass<br />

infolge der sinkenden Schülerzahlen eine<br />

Zentralisierung von Schulstandorten zu<br />

erwarten ist, die zu einer Verlängerung<br />

der durchschnittlichen Schulwege führt.<br />

Da mit sinkender Bevölkerungszahl immer<br />

weniger öffentliche <strong>und</strong> private Einrichtungen<br />

die wirtschaftlich erforderliche<br />

Mindestgröße erreichen werden,<br />

ist auch in vielen anderen Bereichen<br />

eine Zentralisierung von Angeboten zu<br />

erwarten. Dies kann einerseits die Reurbanisierung<br />

auch in den ländlichen <strong>Regio</strong>nen<br />

fördern, wenn die Menschen auf<br />

Nahverkehr 2010 17


diese Entwicklung mit einem Umzug in<br />

die regionalen Zentren reagieren. Andererseits<br />

sind diejenigen Menschen, die in<br />

ihren angestammten Wohnorten verbleiben,<br />

umso stärker auf den privaten Pkw<br />

oder, wenn dieser nicht zur Verfügung<br />

steht, auf den öffentlichen Verkehr angewiesen.<br />

Als geeignete Gr<strong>und</strong>strategie<br />

für den Umgang mit den Herausforderungen<br />

des demographischen Wandels<br />

wird zumeist eine höhere Flexibilität<br />

genannt. Ein häufig zitiertes Beispiel<br />

sind öffentliche Einrichtungen, die so<br />

konstruiert sind, dass sie heute noch<br />

als Kindergarten, zukünftig jedoch ohne<br />

größere Umbauten als Seniorentreff genutzt<br />

werden können. Das Gr<strong>und</strong>prinzip<br />

Flexibilisierung ist auch für den ÖPNV<br />

geeignet. Dabei geht es beispielsweise<br />

um die Umstrukturierung des Angebots<br />

weg von starren Linienverkehren hin zu<br />

bedarfsgerechten Angeboten. Allerdings<br />

ist darauf hinzuweisen, dass diese Bedienkonzepte<br />

zwar über gewisse Kostenvorteile<br />

im Fahrbetrieb verfügen (z. B.<br />

Einsatz kleinerer Fahrzeuge, Vermeidung<br />

Literatur:<br />

• Dörkes, C. (2008), Demografischer Wandel <strong>und</strong><br />

Mobilität, in: Der Nahverkehr, H. 10, S. 8-13.<br />

• Fichert, F. / Sterzenbach, T. (2009), Grenzen der<br />

kommunalen Wirtschaftstätigkeit im ÖPNV –<br />

Subjektförderung als Alternative zur herkömmlichen<br />

Objektförderung, in: Haug, P., Rosenfeld,<br />

M.T.W. (Hrsg.), Neue Grenzen städtischer Wirtschaftstätigkeit:<br />

Ausweitung vs. Abbau?, Baden-<br />

Baden, S. 115-136.<br />

• Hessischer <strong>Land</strong>tag (Hrsg.) (2007), Älter – weniger<br />

– bunter. Bericht der Enquetekommission<br />

„Demografischer Wandel – Herausforderung an<br />

die <strong>Land</strong>espolitik, Berlin.<br />

• Holz-Rau, C., et al. (2009), Die Mobilität Älterer<br />

verbessern – mit dem Patenticket, in: Der Nahverkehr,<br />

H. 1-2, S. 29-33.<br />

• Hunsicker, F., Sommer, C. (2008), Welche Zukunft<br />

darf’s denn sein?, in: Internationales Verkehrswesen,<br />

60. Jg., H. 9, S. 334-337.<br />

• ifmo (2008), Mobilität 2025. Der Einfluss von<br />

Einkommen, Mobilitätskosten <strong>und</strong> Demografie,<br />

Berlin.<br />

• ITP/BVU (2007), Prognose der deutschlandweiten<br />

Verkehrsverflechtungen 2025, München/<br />

Freiburg.<br />

• Kuhfeld, H., et al. (2007), Auswirkungen der demografischen<br />

Entwicklung auf den Berliner Nahverkehr,<br />

DIW-Wochenbericht 32, Berlin.<br />

• Langhoff, T., et al. (2008), Unternehmen demografiefest<br />

machen. Gestaltung des demografischen<br />

Wandels in Unternehmen des Öffentlichen Per-<br />

18 Nahverkehr 2010<br />

von Leerfahrten), jedoch auch eine aufwändige<br />

Infrastruktur zur Aufnahme<br />

von Fahrtwünschen <strong>und</strong> zur Disponierung<br />

der Angebote benötigen, sodass sie<br />

nicht generell kostengünstiger als Linienverkehre<br />

sind. Als Alternative zu einem<br />

öffentlich finanzierten Verkehrsangebot<br />

eignet sich in ländlichen <strong>Regio</strong>nen<br />

vielfach eine unmittelbare Förderung<br />

bedürftiger Personen, beispielsweise in<br />

Form von Taxigutscheinen („Subjektförderung<br />

statt Objektförderung“). 16<br />

Generell gilt in schrumpfenden <strong>Regio</strong>nen,<br />

dass flexible Verkehrssysteme<br />

gegenüber solchen mit hohen Remanenzkosten<br />

zu bevorzugen sind. Wenn<br />

bei bestehenden Eisenbahnstrecken<br />

größere Reinvestitionen anstehen, sollte<br />

daher stets geprüft werden, inwieweit<br />

diese vor dem Hintergr<strong>und</strong> des demographischen<br />

Wandels noch wirtschaftlich<br />

sinnvoll sind. Als Alternative empfehlen<br />

sich Bussysteme, die erheblich<br />

weniger Kapital binden <strong>und</strong> sich weitaus<br />

flexibler an geänderte Bedingungen anpassen<br />

lassen.<br />

sonennahverkehrs, in: Der Nahverkehr, H. 1/2, S.<br />

46-50.<br />

• Statistisches B<strong>und</strong>esamt (2006), 11. Koordinierte<br />

Bevölkerungsvorausberechnung. Annahmen <strong>und</strong><br />

Ergebnisse, Wiesbaden.<br />

• TRAMP et al. (2006), Szenarien der Mobilitätsentwicklung<br />

unter Berücksichtigung von Siedlungsstrukturen<br />

bis 2050, Magdeburg.<br />

• Walker, M. (2004), Demografischer Wandel <strong>und</strong><br />

seine Auswirkungen auf den Verkehr bis 2050, in:<br />

Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, H.<br />

12, S. 48-52.<br />

Anmerkungen:<br />

1 So der Titel des Abschlussberichts der Enquete-Kommission<br />

des Hessischen <strong>Land</strong>tages<br />

zum Demographischen Wandel.<br />

2 Siehe hierzu beispielsweise Langhoff et al.<br />

(2008).<br />

3 Pharao Ramses II starb im Alter von ca. 85-90<br />

Jahren. Livia, die dritte Ehefrau von Kaiser Augustus,<br />

wurde 86 Jahre alt.<br />

4 Selbst dieser untere Wert der Bevölkerungsvorausberechnung<br />

des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes<br />

liegt noch deutlich über der durchschnittlichen<br />

Nettozuwanderung der Jahre 2003-2008 (r<strong>und</strong><br />

60.000).<br />

5 Die Bertelsmann-Stiftung bietet im Internet<br />

Bevölkerungsvorausberechnungen für deutsche<br />

Städte mit mehr als 5.000 Einwohnern an<br />

(www.wegweiser-kommune.de). Die Enquete-<br />

Kommission des Hessischen <strong>Land</strong>tages hat Vo-<br />

Fazit<br />

Der demographische Wandel ist in seinen<br />

Gr<strong>und</strong>zügen allenfalls sehr langfristig<br />

beeinflussbar. Folglich stehen alle<br />

wirtschaftlichen <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />

Akteure vor der Herausforderung, sich<br />

an die Veränderungen anzupassen, die<br />

eine alternde <strong>und</strong> schrumpfende Gesellschaft<br />

mit sich bringt. Für den ÖPNV<br />

ergeben sich auf den ersten Blick überwiegend<br />

Nachteile <strong>und</strong> Probleme, etwa<br />

die zunehmende Motorisierung älterer<br />

Menschen sowie der Rückgang der für<br />

die derzeitige ÖPNV-Finanzierung besonders<br />

wichtigen Schülerverkehre.<br />

Bestehende Angebote müssen somit<br />

zwangsläufig auf den Prüfstand gestellt<br />

werden. Der demographische Wandel<br />

lässt sich somit auch als Chance begreifen,<br />

das ÖPNV-Angebot zugunsten einer<br />

stärkeren K<strong>und</strong>enorientierung umzugestalten<br />

<strong>und</strong> dabei gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit<br />

zu stärken. Je früher mit<br />

derartigen Maßnahmen begonnen wird,<br />

umso geringer fallen tendenziell die Anpassungskosten<br />

aus. �<br />

rausberechnungen bis zum Jahr 2050 erstellen<br />

lassen.<br />

6 Siehe zur möglichen Entwicklung der Mobilitätskosten<br />

im MIV <strong>und</strong> ÖV bis zum Jahr 2025<br />

ifmo (2008). Die Annahmen von ifmo sind jedoch<br />

insbesondere im Hinblick auf den MIV<br />

als „zu optimistisch“ bezeichnet worden (vgl.<br />

Hunsicker/Sommer (2008)). Beispielsweise<br />

wird von ifmo unter anderem unterstellt, dass<br />

die Kosten der Nutzung des ÖPNV zukünftig<br />

stärker steigen werden als im MIV.<br />

7 Vgl. insbesondere die Ergebnisse der Studie<br />

Mobilität in Deutschland.<br />

8 Vgl. ebenda.<br />

9 Vgl. ITP/BVU (2007) sowie ifmo (2008). Die bei<br />

ITP/BVU ausgewiesenen Wachstumsraten sind<br />

höher als bei ifmo, was unter anderem damit<br />

zusammenhängt, dass ITP/BVU den Gesamtverkehr<br />

in Deutschland betrachtet, während<br />

sich die ifmo-Studie auf den „Alltagsverkehr“<br />

beschränkt <strong>und</strong> daher Urlaubs-, Geschäfts- <strong>und</strong><br />

Dienstreisen ausklammert.<br />

10 Vgl. TRAMP et al. (2006).<br />

11 Vgl. Walker (2004).<br />

12 Vgl. Kuhfeld et al. (2007).<br />

13 Vgl. Dörkes et al. (2008).<br />

14 Vgl. ITP/BVU (2007), S. 119, eigene Berechnungen.<br />

15 Vgl. Holz-Rau, et al. (2009).<br />

16 Zu Möglichkeiten einer Subjektförderung in<br />

ländlichen <strong>Regio</strong>nen vgl. Fichert/Sterzenbach<br />

(2009).


Erdgas als Kraftstoff lässt Städte aufatmen<br />

Von Henning R. Deters, Mitglied des Vorstandes der E.ON Ruhrgas AG, Essen<br />

Jedes Jahr im Frühjahr <strong>und</strong> Sommer ist die teils bedenkliche Luftqualität in deutschen Städten Thema der Medienberichterstattung.<br />

Die Herausforderungen im innerstädtischen Straßenverkehr liegen dabei auf der Hand: Immer mehr<br />

Autos belasten das Klima immer stärker <strong>und</strong> beeinträchtigen damit die Lebensqualität der Bewohner. Tatsache ist,<br />

dass die auf EU-Ebene festgesetzten Umweltziele letztlich lokal <strong>und</strong> vor allem in Städten umgesetzt werden müssen.<br />

Gefragt sind deshalb Mobilitätskonzepte, die einen sauberen <strong>und</strong> klimafre<strong>und</strong>lichen Verkehr ermöglichen. Einen wesentlichen<br />

Beitrag leistet dabei Erdgas als Kraftstoff, der in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat.<br />

Mit dem Ausbau des Tankstellennetzes <strong>und</strong> dem wachsenden Angebot an serienfertigen Erdgasantrieben sind schadstoffarme<br />

Erdgasfahrzeuge zunehmend interessanter geworden – nicht nur für Privathaushalte, sondern auch für den<br />

Einsatz im innerstädtischen Flottenmarkt. Mehr als 82.000 Erdgasfahrzeuge sind bereits in Deutschland unterwegs,<br />

weltweit fahren bereits mehr als 10 Millionen Fahrzeuge mit dem sauberen <strong>und</strong> günstigen Kraftstoff.<br />

Grün fahren <strong>und</strong> Geld sparen<br />

Worin liegt das große Potenzial von Erdgas<br />

als Kraftstoff? Zum einen ist Erdgas<br />

deutlich preisgünstiger als Benzin oder<br />

Diesel. Im gesamten B<strong>und</strong>esgebiet lag<br />

der durchschnittliche Erdgaspreis an der<br />

Tankstelle im letzten Jahr um r<strong>und</strong> 50<br />

Prozent unter dem vergleichbaren Preis<br />

für Benzin sowie um r<strong>und</strong> 40 Prozent<br />

unter dem Dieselpreis. Ein Kilogramm<br />

Erdgas H kostet im Durchschnitt weniger<br />

als 1 Euro. Aufgr<strong>und</strong> seiner höheren<br />

Energiedichte entspricht das im<br />

Vergleich zu Diesel einem Preis von<br />

r<strong>und</strong> 0,70 Euro pro Liter. Das günstige<br />

Kraftstoffpreisniveau ist aufgr<strong>und</strong> der<br />

bis zum Jahr 2018 gültigen Energiesteuerreduzierung<br />

für Erdgas als Kraftstoff<br />

langfristig gesichert.<br />

Zum Beispiel bei einer Urlaubsreise nach<br />

Italien sind für insgesamt 2.000 Kilometer<br />

von Frankfurt/Main nach Florenz<br />

<strong>und</strong> wieder zurück lediglich r<strong>und</strong> 200<br />

Euro fällig (Verbrauch von 7,5 Liter/100<br />

km bei einem Benzinpreis von r<strong>und</strong> 1,30<br />

Euro). Mit einem Erdgasauto kostet die<br />

Strecke nur r<strong>und</strong> 90 Euro (Verbrauch<br />

von 5 kg/100 km bei einem Erdgaspreis<br />

von r<strong>und</strong> 90 Cent). Das macht 110 Euro<br />

mehr für die Urlaubskasse.<br />

Zum anderen schlägt sich der niedrige<br />

CO2-Ausstoß von Erdgasfahrzeugen<br />

nach Einführung der neuen CO2-basierten<br />

Kfz-Steuer seit Juli 2009 zusätzlich<br />

im Portemonnaie nieder.<br />

Unter den fossilen Brennstoffen hat<br />

Erdgas nämlich die beste CO2-Bilanz.<br />

Fahrzeuge mit Erdgasantrieb stoßen bis<br />

zu 25 Prozent weniger Kohlendioxid aus<br />

als ein vergleichbarer Benziner. Deshalb<br />

ist Erdgas eine attraktive Option, die<br />

strengen CO2-Ziele aus Brüssel schnell,<br />

sicher <strong>und</strong> preiswert zu erfüllen.<br />

Die Energie-Agentur NRW bestätigt,<br />

dass Erdgasfahrzeuge eine hervorra-<br />

gende Umweltbilanz gegenüber konventionellen<br />

Antrieben aufweisen. Sie seien<br />

damit geeignet, bei entsprechender Verbreitung<br />

zu einer erheblichen Schadstoffentlastung<br />

in Innenstädten <strong>und</strong> Ballungsräumen<br />

beizutragen. Erdgasfahrzeuge<br />

stoßen deutlich weniger Stickstoffoxide<br />

(NOx), Kohlenmonoxid (CO) <strong>und</strong> höhere<br />

Kohlenwasserstoffe (HC) aus als<br />

Benzin- oder Dieselfahrzeuge. Die Reduzierung<br />

dieser Schadstoffe führe u. a.<br />

zu einer deutlichen Minderung der bodennahen<br />

Ozonbildung, so die Energie-<br />

Agentur.<br />

Klimaschutzziele<br />

heute schon erreichen<br />

Wer sich für Erdgasfahrzeuge entscheidet,<br />

setzt auf eine ausgereifte Fahrzeugtechnik,<br />

die schon heute die Umweltstandards<br />

von morgen erfüllt. Sie stoßen<br />

fast keinen Feinstaub aus, weisen sehr<br />

niedrige Emissionen von Stickoxiden<br />

auf <strong>und</strong> ermöglichen eine Reduzierung<br />

der CO2-Emissionen. Zudem bietet die<br />

Beimischung von Bio-Erdgas prinzipiell<br />

die Möglichkeit, die bereits heute ausgezeichnete<br />

Umweltbilanz von Erdgas<br />

als Kraftstoff weiter zu verbessern. Ein<br />

Mittelklassefahrzeug mit Erdgasantrieb,<br />

das allen heutigen Marktanforderungen<br />

genügt, emittiert bei einer Beimischung<br />

von 20 Prozent Bio-Erdgas beispielsweise<br />

in Summe gerade einmal ca. 90<br />

Gramm CO2 pro Kilometer. Bei einer<br />

Beimischungsquote von r<strong>und</strong> einem<br />

Fünftel kann mit der Biomasse, die in<br />

Deutschland nach strengen Nachhaltigkeitsrichtlinien<br />

erzeugt wird, eine<br />

Versorgung von ca. 3 Mio. Fahrzeugen<br />

ohne Nutzungskonkurrenz gewährleistet<br />

werden.<br />

Freie Fahrt für Erdgasflotten<br />

Um der zunehmenden Belastung des<br />

innerstädtischen Klimas zu begegnen,<br />

wurde u. a. mit der Einführung von städtischen<br />

Umweltzonen <strong>und</strong> der Ökosteuer<br />

auf Kraftstoffe reagiert. Gleichzeitig<br />

sind unabhängig davon die Preise der<br />

herkömmlichen Kraftstoffe wie Benzin<br />

oder Diesel teilweise drastisch in die<br />

Höhe geschossen. Eine schwere Belastung,<br />

nicht nur für Privathaushalte, sondern<br />

gerade auch für Flottenbetreiber<br />

wie kommunale Fuhrparks <strong>und</strong> den öffentlichen<br />

Nahverkehr. Erdgas als Kraftstoff<br />

kann dazu beitragen, finanzielle<br />

Belastungen aufzufangen, die Umwelt zu<br />

entlasten <strong>und</strong> die Luftqualität in stark<br />

befahrenen innerstädtischen Bereichen<br />

deutlich zu verbessern.<br />

In 2008 <strong>und</strong> 2009 sind diverse neue<br />

Fahrzeugmodelle auf den Markt gekommen,<br />

die speziell für Erdgasbetrieb ausgelegt<br />

sind <strong>und</strong> sich auch für den Einsatz<br />

in Fahrzeugflotten eignen. Hier seien im<br />

Pkw-Bereich die Mercedes B-Klasse, der<br />

Opel Zafira <strong>und</strong> der VW Passat genannt,<br />

während auf dem Gebiet der Nutzfahrzeuge<br />

u. a. mit dem NGT-Sprinter, dem<br />

Iveco Daily, dem Caddy Maxi von VW,<br />

dem Ducato <strong>und</strong> dem Fiorino von Fiat<br />

sowie dem Ford Transit Erdgasfahrzeuge<br />

zur Verfügung stehen, die den Flottenmarkt<br />

weiter beleben. Busse <strong>und</strong> Sonderfahrzeuge<br />

wie Abfallwagen <strong>und</strong> Reinigungsfahrzeuge<br />

mit Erdgasantrieben<br />

sind bereits seit längerer Zeit verfügbar<br />

<strong>und</strong> werden immer zur Reinhaltung von<br />

Städten im doppelten Sinne eingesetzt.<br />

Erdgas deutschlandweit tanken<br />

Was das Erdgastankstellennetz angeht,<br />

ist Deutschland in Europa Spitze. Mit<br />

b<strong>und</strong>esweit r<strong>und</strong> 850 Tankstellen liegen<br />

wir auf Platz eins. Mittlerweile gibt es<br />

r<strong>und</strong> 150 Erdgastankstellen in unmittelbarer<br />

Nähe zu Autobahnen. Bei den<br />

Fahrzeugen liegt Italien mit 550.000<br />

Nahverkehr 2010 19


Erdgasautos vorne, verfügt aber nur<br />

über r<strong>und</strong> 700 Erdgastankstellen. Die<br />

deutsche Gaswirtschaft will das Netz<br />

bis 2010 auf 1000 Erdgastankstellen ausbauen.<br />

In Städten sollen alle fünf Kilometer,<br />

in Mischgebieten alle zehn bis 15<br />

Kilometer <strong>und</strong> in ländlichen Gebieten<br />

alle 20 bis 25 Kilometer Erdgaszapfsäulen<br />

verfügbar sein.<br />

Im Jahr 2007 haben wir die Tochtergesellschaft<br />

E.ON Gas Mobil gegründet, um<br />

vorhandene Tankstellenlücken gerade an<br />

Autobahnen zu schließen <strong>und</strong> damit ein<br />

flächendeckendes Erdgastankstellennetz<br />

in Deutschland zu schaffen. Um eine<br />

Erdgastankstelle auf einer bestehenden<br />

Mineralölstation einzurichten, müssen<br />

ca. 250.000 Euro investiert werden. Das<br />

gesamte Finanzierungsvolumen für die<br />

Errichtung von 1.000 Erdgastankstellen<br />

liegt somit für die deutsche Gaswirtschaft<br />

bei r<strong>und</strong> 250 Mio. Euro.<br />

Versorgung mit Erdgas<br />

langfristig gesichert<br />

Neben der positiven Umweltbilanz wird<br />

Erdgas auch langfristig weltweit in ausreichender<br />

Anzahl verfügbar sein <strong>und</strong><br />

eine wichtige Rolle bei der Versorgung<br />

der internationalen Märkte spielen.<br />

Die weltweiten Reserven an sicher ge-<br />

20 Nahverkehr 2010<br />

winnbarem Erdgas haben in den letzten<br />

Jahren trotz steigender Förderung <strong>und</strong><br />

weltweit steigendem Verbrauch weiter<br />

zugenommen <strong>und</strong> betrugen im Jahr<br />

2007 ca. 175 Billionen Kubikmeter. Beim<br />

Öl sind es r<strong>und</strong> 168 Mrd. Tonnen. Die<br />

Erdgasreserven reichen nach heutigem<br />

Stand rein rechnerisch noch etwa 65<br />

Jahre, während die Erdölreserven noch<br />

etwa 42 Jahre reichen. Darüber hinaus<br />

gibt es weitere Erdgasressourcen, also<br />

die bekannten Lagerstätten, die noch<br />

nicht abgebaut werden <strong>und</strong> eine zusätzliche<br />

Versorgungssicherheit für die nächsten<br />

knapp 150 Jahre gewährleisten.<br />

E.ON Ruhrgas bezieht Erdgas aus<br />

sechs Lieferländern. Neben Norwegen<br />

<strong>und</strong> Russland, deren Lieferanteil jeweils<br />

26 Prozent beträgt, wird Erdgas<br />

insbesondere aus den Niederlanden<br />

<strong>und</strong> deutschen Quellen genutzt. Damit<br />

stellt E.ON Ruhrgas die Gasversorgung<br />

Deutschlands <strong>und</strong> Europas<br />

auf ein stabiles F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> leistet<br />

einen weiteren wichtigen Beitrag zur<br />

Versorgungssicherheit. Hinzu kommen<br />

Erdgasmengen aus eigenen Feldern in<br />

der britischen <strong>und</strong> norwegischen Nordsee<br />

– <strong>und</strong> das mit steigender Tendenz.<br />

Künftige Gasmengen sollen auch aus<br />

Nord- <strong>und</strong> Westafrika bezogen werden.<br />

Investitionen des ÖPNV bleiben für<br />

den Binnenmarkt interessant<br />

Von Dipl.-Geogr. Stephan Anemüller, Berlin<br />

International wird Deutschland oft um<br />

seinen guten Nahverkehr beneidet. Ein<br />

wesentlicher Gr<strong>und</strong> hierfür liegt darin,<br />

dass die öffentlichen Hände viel in den<br />

Aufbau der ÖPNV-Infrastrukturen <strong>und</strong><br />

die Fahrzeugflotten investiert haben.<br />

Insbesondere mit Hilfe des Gemeindefinanzierungsgesetzes<br />

(GVFG) <strong>und</strong><br />

des <strong>Regio</strong>nalisierungsgesetzes wurde<br />

Erstklassiges geschaffen. Doch enger<br />

werdende finanzielle Spielräume der<br />

öffentlichen Hände macht es immer<br />

schwieriger, die benötigten Investitionssummen<br />

bereit zu stellen. Insbesondere<br />

die baulichen Anlagen des Nahverkehrs<br />

in Städten <strong>und</strong> Gemeinden sind in die<br />

Jahre gekommen. Nach den Jahren des<br />

Systemausbaus kommt es nun vor allem<br />

auf die Erneuerung im ÖPNV-System an.<br />

Ansonsten drohen der Verfall <strong>und</strong> deutliche<br />

Qualitätseinbußen in der Dienstleistung<br />

ÖPNV.<br />

Jüngstes Beispiel ist auch die Beteiligung<br />

unseres Unternehmens am sibirischen<br />

Gasfeld Yushno Russkoje. E.ON Ruhrgas<br />

ist aktiv an der Erschließung neuer Erdgasvorkommen<br />

beteiligt. Unser strategisches<br />

Ziel ist eine Eigenförderung von<br />

jährlich 10 Mrd. Kubikmetern Erdgas.<br />

Zurzeit weiten wir unser Geschäft nach<br />

Nord- <strong>und</strong> Westafrika aus, um Erdgas<br />

für die europäischen Märkte zu sichern.<br />

Erdgas – grüne Energie<br />

mit Zukunft<br />

Im Energiemix der Zukunft wird Erdgas<br />

eine entscheidende Rolle spielen, <strong>und</strong><br />

zwar aus drei Gründen: Erdgas ist grün.<br />

Wir brauchen es, um unsere nationalen<br />

Klimaschutzziele zu erfüllen. Erdgas ist<br />

modern. Erdgasfahrzeuge <strong>und</strong> neue<br />

Technologien im Heizungsmarkt belegen<br />

die Innovationskraft. Die neue Erdgastechnologie<br />

wird z. B. als Mikro- <strong>und</strong><br />

Mini-KWK (KWK Kraft-Wärme-Koppelung)<br />

gleichzeitig Wärme <strong>und</strong> Strom<br />

erzeugen. Und Erdgas ist verlässlich. Die<br />

Gaswirtschaft setzt auf eine diversifizierte<br />

Beschaffungsstrategie, um Versorgungssicherheit<br />

zu gewährleisten. Erdgas<br />

ist also sicher – egal ob als Energie zum<br />

Heizen, Klimatisieren oder als Kraftstoff<br />

im Auto. �<br />

R<strong>und</strong> zwölf Milliarden Euro werden jährlich von den ÖPNV-Unternehmen in Deutschland für Investitionen <strong>und</strong><br />

Vorleistungen ausgegeben. Hiervon fließen etwa 90 Prozent in die deutsche Wirtschaft. Insbesondere der regionale<br />

Mittelstand profitiert maßgeblich von der Verkehrsdienstleistung mit Bussen <strong>und</strong> Bahnen. R<strong>und</strong> 400.000 Arbeitsplätze<br />

hängen in Deutschland direkt <strong>und</strong> indirekt, z. B. auch bei der Fahrzeugindustrie, den Infrastrukturherstellern <strong>und</strong><br />

Dienstleistern, vom ÖPNV ab. Wenn man die durch den Konsum zusätzlich induzierten Arbeitsplätze mitrechnet,<br />

dann ziehen drei Arbeitsplätze bei Verkehrsunternehmen, -verbünden, bei Herstellern <strong>und</strong> Zulieferern zwei weitere<br />

nach sich.<br />

Welche Trends gilt es für Unternehmen<br />

aus Industrie <strong>und</strong> Handel zu beachten,<br />

wenn sie ihre Produkte weiterhin erfolgreich<br />

bei den Verkehrsunternehmen<br />

des ÖPNV vertreiben wollen? Bedeutet<br />

der derzeitige Rückgang im Investitionsaufkommen<br />

ein Bedeutungsverlust<br />

des deutschen ÖPNV-Marktes? Ein generalisierender<br />

Blick auf die derzeitige<br />

Situation belegt, dass der K<strong>und</strong>enkreis<br />

der Verkehrsunternehmen im ÖPNV


Der ÖPNV besitzt eine tragende wirtschaftliche <strong>und</strong> ökologische Rolle in unserer Gesellschaft<br />

Foto: Stephan Anemüller<br />

für Industrie <strong>und</strong> Handel weiterhin sehr<br />

interessant bleibt. Allerdings bedeuten<br />

die aktuellen Trends Verschiebungen der<br />

Schwerpunkte, <strong>und</strong> das wirtschaftliche<br />

Handeln der Verkehrsunternehmen hat<br />

sich in den vergangenen Jahren weiter<br />

professionalisiert. Die Verkehrsunternehmen<br />

investieren weiter, denn sie arbeiten<br />

zusammen mit den Verkehrsverbünden<br />

<strong>und</strong> Aufgabenträgern an einer<br />

kontinuierlichen Weiterentwicklung der<br />

Dienstleistung ÖPNV. Sie können aber<br />

auf der Ausgabenseite nicht aus dem<br />

Vollen schöpfen, sondern müssen alle<br />

Investitionen gegenüber deren Alternativen<br />

abwägen.<br />

VDV, Städtetag <strong>und</strong> 13 B<strong>und</strong>esländer<br />

legen Studie zur<br />

ÖPNV-Finanzierung vor<br />

Anfang Juni 2009 wurde die Studie „Finanzierungsbedarf<br />

des ÖPNV bis 2025“<br />

durch den VDV, den Deutschen Städtetag<br />

<strong>und</strong> 13 B<strong>und</strong>esländer als Auftraggeber<br />

vorgestellt. Diese von der Intraplan<br />

Consult GmbH (München) <strong>und</strong> der<br />

VWI Verkehrswissenschaftliches Institut<br />

Stuttgart GmbH erarbeitete Expertise<br />

ist die Gr<strong>und</strong>lage eines der wichtigsten<br />

Aufgabenfelder der Verkehrspolitik.<br />

Die Gutachter haben nachgewiesen,<br />

dass durchschnittlich jeder Euro, der<br />

aus öffentlichen Mitteln als Betriebskostenzuschuss<br />

in den ÖPNV fließt, einen<br />

gesamtwirtschaftlichen Nutzen im<br />

Gegenwert von fast vier Euro erzeugt.<br />

Auch Klima <strong>und</strong> Umwelt profitieren<br />

durch Busse <strong>und</strong> Bahnen. Derzeit verursacht<br />

zum Beispiel einen Personen-<br />

Kilometer im ÖPNV nur 47 Prozent<br />

der CO2-Emissionen eines vergleichbaren<br />

Personen-Kilometers im Pkw.<br />

Trotz der gesellschaftlichen Bedeutung<br />

der Daseinsvorsorge ÖPNV wurde in<br />

den letzten Jahren deren Kofinanzierung<br />

aus öffentlichen Kassen stark zurückgefahren.<br />

Zukünftig wird ein Anstieg des konsumtiven<br />

Finanzierungsbedarfs von 8,6<br />

Mrd. Euro jährlich (Stand 2007) auf<br />

13,0 Mrd. Euro jährlich im Jahr 2025<br />

für den gesamten ÖPNV erwartet. Der<br />

durchschnittliche Finanzierungsbedarf<br />

für Neuinvestitionen in reine ÖPNV-<br />

Projekte steigt bis 2025 voraussichtlich<br />

auf nominal 1,98 Mrd. Euro jährlich. Für<br />

Reinvestitionen in Verkehrsanlagen von<br />

U-Bahnen, <strong>Stadt</strong>- <strong>und</strong> Straßenbahnen<br />

besteht bereits ein großer Nachholbedarf<br />

von 2,35 Mrd. Euro, der sich<br />

durch unterlassene Investitionen <strong>und</strong><br />

Preissteigerungen um 330 Mio. Euro<br />

jährlich weiter anstaut. Hinzu kommen<br />

zirka 80 Mio. Euro für Verkehrsanlagen<br />

der Nichtb<strong>und</strong>eseigenen Eisenbahnen<br />

(NE). Mit den Fahrgeldeinnahmen alleine<br />

können die Kosten des ÖPNV nicht<br />

gedeckt werden.<br />

Um die Leistungsfähigkeit des ÖPNV<br />

mit seinen positiven Wirkungen für die<br />

Gesellschaft zu erhalten, bedarf es der<br />

gesicherten Finanzierung eines angemessenen<br />

ÖPNV-Angebotes. Die Gutachter<br />

schlagen eine gemeinsame Kraftanstrengung<br />

aller Beteiligten vor. B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder<br />

signalisieren, dass die mögliche Fortführung<br />

der öffentlichen Finanzierung in<br />

geeignetem Umfang realistisch sei. Das<br />

Auslaufen von Zweckbindungen <strong>und</strong> die<br />

Folgen der Föderalismusreform müsse<br />

nicht unbedingt zum Austrocknen der<br />

Finanzierungsquellen führen. Die Beteiligten<br />

sprechen sich jedoch für eine<br />

größere Transparenz der Finanzierung<br />

<strong>und</strong> eine stärkere Berücksichtigung der<br />

Folgekosten aus. Auch deutet sich eine<br />

Hinwendung zu Ersatzinvestitionen an,<br />

da Neuinvestitionen im weit ausgebauten<br />

System an Bedeutung verlieren.<br />

Zudem bewegen sich die Länder auf<br />

Insbesondere bei Ersatzinvestitionen der Schieneninfrastruktur in den Städten hat sich Bedarf aufgestaut <strong>und</strong> läuft weiter an<br />

Quelle: VDV u. a. Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025; erstellt durch Intraplan / VWI<br />

Nahverkehr 2010 21


Wartung <strong>und</strong> Ersatz werden zukünftig im Vordergr<strong>und</strong> stehen Foto: Stephan Anemüller<br />

ein stärkeres Eigenengagement bei der<br />

Finanzierung der NE-Infrastruktur hin.<br />

Die Studie wird von Politik <strong>und</strong> Administrationen<br />

insbesondere auch deshalb<br />

gelobt, da sie auf realistischer Gr<strong>und</strong>lage<br />

erarbeitet worden sei. Sie benennt die<br />

dringenden Aufgaben der nächsten Legislaturperiode.<br />

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen<br />

(VDV) engagiert sich zusammen<br />

mit anderen Verbänden wie dem Verband<br />

der Bahnindustrie in Deutschland (VDB),<br />

den kommunalen Spitzenverbänden wie<br />

dem Städtetag <strong>und</strong> den Unternehmen<br />

der Gesamtbranche dafür, dass zukünftig<br />

wieder ausreichend Finanzmittel bereitgestellt<br />

werden, die Unternehmen<br />

Planungssicherheit für Investitionen erhalten<br />

<strong>und</strong> die K<strong>und</strong>en eine zukunftsfähige<br />

Dienstleistung ÖPNV nutzen können.<br />

Unter dem Strich dienst dies allen,<br />

denn von dieser Dienstleistung hängen<br />

nicht nur direkt <strong>und</strong> indirekt zahlreiche<br />

Arbeitsplätze ab. Der ÖPNV trägt auch<br />

zur Erhaltung unserer Umwelt bei <strong>und</strong><br />

sichert die Anbindung der Wohn- <strong>und</strong><br />

Produktionsstandorte in unserem <strong>Land</strong>.<br />

Gleichwohl sind die finanziell „unbeschwerten“<br />

Jahre der 60er <strong>und</strong> 70er<br />

lange vorbei. Auch die Aufgaben der<br />

Daseinsvorsorge, zu denen der ÖPNV<br />

gehört, sind wirtschaftlichen Kriterien<br />

unterworfen, zu denen spitzes Rechnen<br />

genauso wie K<strong>und</strong>ennähe <strong>und</strong> Transparenz<br />

gehören.<br />

22 Nahverkehr 2010<br />

Gr<strong>und</strong>legende Entwicklungs-<br />

trends <strong>und</strong> ihre Relevanz<br />

für Industrie <strong>und</strong> Handel<br />

Die Entwicklung der Dienstleistung<br />

ÖPNV ist abhängig von verschiedenen<br />

Trends, die in sozioökonomischen Daten<br />

der Bevölkerung, in der räumlichen<br />

Die öffentlichen<br />

Hände werden<br />

weiter investieren,<br />

aber die Spielräume<br />

sind eng geworden<br />

Foto:<br />

Stephan Anemüller<br />

Entwicklung der Verkehrsgebiete <strong>und</strong> in<br />

technischen Innovationen der Fahrzeug-<br />

<strong>und</strong> Ausrüstungsindustrie ihre Gr<strong>und</strong>lage<br />

haben. Sie nehmen Einfluss auf die<br />

Anforderungen an die Dienstleistung<br />

ÖPNV durch die Fahrgäste <strong>und</strong> potenziellen<br />

Fahrgäste. Sie haben aber auch


Einfluss auf die Verkehrsunternehmen,<br />

Verb<strong>und</strong>organisationen <strong>und</strong> Aufgabenträger,<br />

die die Dienstleistung ÖPNV<br />

k<strong>und</strong>enorientiert weiterentwickeln.<br />

Trend der schwierigen<br />

Finanzierbarkeit von Investitionen<br />

Einkäufer <strong>und</strong> Controller der Verkehrsunternehmen<br />

werden stets Rücksicht<br />

darauf nehmen, welche Investitionen<br />

den Fahrgästen nutzen <strong>und</strong> zugleich die<br />

Wirtschaftlichkeit der Unternehmen<br />

verbessern helfen. Hierbei bestehen<br />

Investitionsoptionen, die als zwingend<br />

bewertet werden, um die Stellung der<br />

Dienstleistung ÖPNV im betreffenden<br />

Verkehrsmarkt zumindest zu halten,<br />

nach Möglichkeit auch zu verbessern.<br />

Des weiteren gibt es Investitionsoptionen,<br />

mit denen die Dienstleistung<br />

ÖPNV verbessert werden kann <strong>und</strong> die<br />

einer Teilmenge der Fahrgäste sehr gut<br />

gefallen werden, die aber aus der Gesamtsicht<br />

nicht zwingend sind.<br />

Der ÖPNV steht in einer hohen Abhängigkeit<br />

von einer öffentlichen Kofinanzierung.<br />

Dies gilt gerade für Investitionen<br />

in Fahrwege, Fahrzeuge, fahrgast- <strong>und</strong><br />

betriebsorientierte Ausrüstungstechniken<br />

<strong>und</strong> weitere dauerhafte Anlagen.<br />

Die mitfinanzierenden Aufgabenträger,<br />

Kommunen, Länder, der B<strong>und</strong> <strong>und</strong> auch<br />

europäische Institutionen verfügen aber<br />

nicht über zu wenige Investitionsoptionen,<br />

da nicht nur der ÖPNV auf eine<br />

nennenswerte öffentliche Unterstützung<br />

angewiesen ist. Vielmehr sind die<br />

meisten öffentlichen Investitionspläne<br />

<strong>und</strong> Förderprogramme unterfinanziert.<br />

Im Ergebnis werden sich in den nächsten<br />

Jahren Investitionsoptionen stärker<br />

noch als in der Vergangenheit einer Notwendigkeitsprüfung<br />

unterziehen. Maßstab<br />

wird mehr <strong>und</strong> mehr die Bewertung<br />

„dringend notwendig“ sein. Nur als<br />

notwendig bewertete Vorhaben, werden<br />

auch derzeit schon sehr häufig auf die<br />

mittelfristige Zeitachse geschoben. Mit<br />

der Konsolidierung der Staatsfinanzen<br />

unter Zuhilfenahme der verfassungsrechtlich<br />

verankerten Schuldenbremse<br />

<strong>und</strong> bei Beachtung der finanziellen Folgewirkungen<br />

aus den Konjunkturprogrammen<br />

liegt diese Prognose nahe. Sie<br />

gilt für alle Branchen mit einer hohen<br />

Anhängigkeit von öffentlicher Mitgestaltung.<br />

Auf der anderen Seite ist die Bereitschaft<br />

der Fahrgäste, höhere Fahrpreise<br />

für die Nutzung der Dienstleistung<br />

ÖPNV zu entrichten, begrenzt. Dies<br />

ist zum einen bedingt durch die geringer<br />

werdenden finanziellen Spielräume<br />

privater Haushalte, die in zahlreichen<br />

Funktionsbereichen (Bildung, Ges<strong>und</strong>heit,<br />

allgemeine Abgabenlast) bei ungleich<br />

steigenden Einkommen stärker<br />

belastet werden. Zum anderen werden<br />

zunächst als Gelegenheitsk<strong>und</strong>en gewonnene<br />

neue Fahrgäste durch die an<br />

Stammk<strong>und</strong>en ausgerichtete Rabattierung<br />

der Fahrpreise (z. B. Jahreskartenabo)<br />

nicht direkt erreicht <strong>und</strong> bewerten<br />

die Fahrpreise des ÖPNV als verhältnismäßig<br />

teuer. Gleichwohl haben sich die<br />

Verkehrs- <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>unternehmen im<br />

VDV im „Pakt für bezahlbare Mobilität“<br />

dazu bekannt, die Tarife des ÖPNV<br />

marktorientiert weiterzuentwickeln<br />

<strong>und</strong> die Fahrgäste stärker zu beteiligen.<br />

Für Geschäftspartner der Verkehrsunternehmen<br />

<strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>organisationen<br />

bedeutet dies, dass die Dienstleistung<br />

ÖPNV zukünftig noch stärker einer<br />

abwägenden Bewertung durch den Endk<strong>und</strong>en<br />

Fahrgast unterzogen wird – <strong>und</strong><br />

sich Investitionen somit noch stärker<br />

rechtfertigen müssen.<br />

Letztendlich geht es um eigentlich simple<br />

Fragen wie folgende: Ist es wichtiger,<br />

die Innenraumtemperatur in<br />

einem Bus auf einen genauen °C-Wert<br />

zu steuern, oder sind Schwankungen<br />

in einen höheren Tolleranzbereich akzeptabel?<br />

Muss eine U-Bahnhaltestelle<br />

als optischer Erlebnisraum ausgestaltet<br />

werden oder ist es ausreichend, den<br />

Ansprüchen an Funktionalität <strong>und</strong> Sicherheit<br />

zu genügen? Ist der Bau einer<br />

U-Bahn oder <strong>Stadt</strong>bahn leistbar oder<br />

sollen längere Busse reichen? Schwierig<br />

wird es jedoch, da manche Antworten<br />

nicht simpel geraten können. Was heute<br />

ausreicht, um die Fahrgäste zu halten,<br />

fehlt vielleicht morgen als notwendiger<br />

Baustein in einem Gesamtkonzept, um<br />

signifikant große Gruppen neuer Fahrgäste<br />

gewinnen oder auch einfach halten<br />

zu können.<br />

Anbieter aus Industrie <strong>und</strong> Handel<br />

werden also bei den Verkehrsunternehmen<br />

kein einfaches Tablett „gehender“<br />

<strong>und</strong> „nicht gehender“ Produkte <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen bekommen können.<br />

Sie werden mehr <strong>und</strong> mehr gezwungen<br />

sein, ein Gefühl für die Nachfrage unter<br />

schwierigeren Rahmenbedingungen<br />

zu erhalten. Sie werden wissen, dass<br />

die Nachfrager auch genauer hinsehen<br />

<strong>und</strong> differenzierter zwischen ihren Optionen<br />

abwägen. Dass dies in der Regel<br />

in einem harten Wettbewerb zwischen<br />

den Anbietern geschieht, ist inzwischen<br />

geübte Praxis.<br />

Trend der demographischen<br />

Entwicklung <strong>und</strong> zur Barrierefreiheit<br />

Ein wesentlicher Trend liegt in der demographischen<br />

Entwicklung begründet, die<br />

Investitionen müssen sich daran messen lassen, ob sie zur Steigerung der Fahrgastzahlen beitragen<br />

können Foto: Stephan Anemüller<br />

Nahverkehr 2010 23


Der Anteil älterer Fahrgäste nimmt zu, Anbieter<br />

aus Industrie <strong>und</strong> Handel müssen dies berücksichtigen<br />

Foto: Stephan Anemüller<br />

eng mit einem steigenden Anspruch an<br />

die bauliche Barrierefreiheit verb<strong>und</strong>en<br />

ist. Der demographische Wandel betrifft<br />

den ÖPNV-Markt <strong>und</strong> die in ihm aktiven<br />

Unternehmen in mehreren Hinsichten.<br />

Zum einen nimmt mit abnehmender<br />

Bevölkerungszahl auch die Größe des<br />

K<strong>und</strong>ensegmentes ab. Prognosen gehen<br />

davon aus, dass im ÖPNV das Verkehrsaufkommen<br />

(die Anzahl der Fahrgäste)<br />

bis zum Jahr 2050 um etwa ein Fünftel<br />

bis ein Viertel des Ausgangsniveaus (Jahr<br />

2003) zurückgehen kann. Hierbei ist insbesondere<br />

auf den schrumpfenden Anteil<br />

der unter 20jährigen hinzuweisen,<br />

die durch geringen Führerscheinbesitz<br />

<strong>und</strong> geringe PKW-Verfügbarkeit zu den<br />

Stammk<strong>und</strong>en des ÖPNV gehören. Zum<br />

anderen zwingt die zunehmende Bedeutung<br />

der Gruppe älterer Fahrgäste zu<br />

einer Neuausrichtung der Angebote, da<br />

24 Nahverkehr 2010<br />

diese K<strong>und</strong>en nicht im Berufsverkehr,<br />

jedoch verstärkt im Freizeitverkehr unterwegs<br />

sind.<br />

Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> Aufgabenträger<br />

können ihre Strategien nicht<br />

mehr allein auf captive riders (an den<br />

ÖPNV geb<strong>und</strong>ene Fahrgäste) stützen.<br />

Es stellt sich vermehrt die Anforderung,<br />

mit zufriedenstellenden Angeboten<br />

auch choice riders (wahlfreie Fahrgäste)<br />

zu gewinnen <strong>und</strong> zu binden. Dies macht<br />

eine neue Dienstleistungsqualität des<br />

ÖPNV erforderlich, da ältere Menschen<br />

andere Anforderungen an Komfort <strong>und</strong><br />

Barrierefreiheit stellen als der bisher<br />

im Fokus stehende „durchschnittliche<br />

Fahrgast“ sie zu akzeptieren bereit ist.<br />

Anbieter aus Industrie <strong>und</strong> Handel haben<br />

in der Ausgestaltung von Fahrzeugen,<br />

Haltestellen, Bahnsteigen, Bahnhöfen,<br />

der Zuwegung, der Wegelenkung<br />

etc. ein sehr großes Aufgabenfeld, das<br />

zunehmend unter dem Leitmotiv der<br />

Der Inhalt dieses Symbols ändert sich: Nicht mehr<br />

nur Gehbehinderte stellen besondere Anforderungen,<br />

sondern viele Mobilitätseingeschränkte<br />

wie ältere Menschen, Mütter mit Kinderwagen<br />

etc. auch Foto: Stephan Anemüller<br />

Schaffung von mehr Komfort <strong>und</strong> Barrierefreiheit<br />

steht.<br />

Und „last but not least“ ist die personalintensive<br />

Dienstleistung ÖPNV auf ein<br />

ausreichendes <strong>und</strong> zugleich qualifiziertes<br />

Arbeitskräftepotenzial angewiesen, das<br />

sie in zunehmender Konkurrenz mit der<br />

Personalwirtschaft anderer Branchen<br />

erschließen muss. Die Belegschaften der<br />

ÖPNV-Betriebe werden, wie die anderer<br />

Branchen auch, durchschnittlich älter.<br />

Bei den im nordrhein-westfälischen<br />

Projekt innova (Innovationsstrategien<br />

für Verkehrsunternehmen mit alternden<br />

Belegschaften) untersuchten ÖPNV-Unternehmen<br />

ist in den nächsten zehn Jahren<br />

mit einem Anstieg der Gruppe der<br />

über 50jährigen Beschäftigten auf über<br />

50 Prozent an der Gesamtbelegschaft<br />

zu rechnen. Zur Überalterung kommt<br />

ein hoher Anteil im Lauf des Berufslebens<br />

fahrdienstuntauglich werdender<br />

Beschäftigter hinzu, denen Qualifizierungen<br />

für Service- <strong>und</strong> Verwaltungsfunktionen<br />

angeboten werden können.<br />

Hierin stecken zahlreiche Aufgaben personalorientierter<br />

Maßnahmen wie Schulung,<br />

Umschulung, Weiterqualifizierung,<br />

aber auch die technische Umgestaltung<br />

verschiedener Arbeitsplätze. Mit all diesen<br />

Maßnahmen sind längerfristige Investitionen<br />

verb<strong>und</strong>en.<br />

Trend zur funktionsräumlichen<br />

Maßstabsvergrößerung<br />

Neben der Veränderung im K<strong>und</strong>enspektrum<br />

verändern sich für den ÖP-<br />

NV-Markt relevante räumliche <strong>und</strong> infrastrukturelle<br />

Strukturen etwa durch<br />

Wanderungsbewegungen der Bevölkerung<br />

zurück in die Zentren (derzeit; bis<br />

vor wenigen Jahren als Suburbanisierung<br />

dominierend ein anderer Trend), die Zu-<br />

Die Verkehrsunternehmen sehen sich einer Vielzahl von Quell- <strong>und</strong> Zielpunkten sowie Verkehrsrelationen gegenüber – auch abseits der Masse<br />

Foto: Stephan Anemüller


sammenlegung von Schulstandorten <strong>und</strong><br />

Standorten weiterer öffentlicher Einrichtungen<br />

(bei Schließung zahlreicher<br />

Standorte) <strong>und</strong> somit weiteren Wegen<br />

von Schülern, Studierenden, Besuchern<br />

öffentlicher Einrichtungen. Die räumliche<br />

Entwicklung scheint in den vergangenen<br />

Jahrzehnten die für den ÖPNV schwierigste<br />

Veränderung gewesen zu sein, die<br />

zudem schleichend voranging <strong>und</strong> somit<br />

nicht ausreichend handlungsorientiert<br />

begleitet wurde.<br />

In der Raumforschung wird mit dem<br />

Begriff der „funktionsräumlichen Maßstabsvergrößerung“<br />

bezeichnet, was für<br />

die Menschen schlicht ein Teil der veränderten<br />

Lebensgewohnheiten ist: Sie<br />

fahren morgens zur Arbeit <strong>und</strong> nachmittags<br />

bzw. abends zurück. Davor werden<br />

die Kinder in Kindergarten <strong>und</strong> Schule<br />

gebracht, zwischendurch Erledigungen<br />

durchgeführt <strong>und</strong> ein- oder zweimal in<br />

der Woche stehen alltägliche Freizeitaktivitäten<br />

an. Am Wochenende werden<br />

Brötchen an den Frühstückstisch geholt,<br />

der Freizeitpark oder das Schwimmbad<br />

aufgesucht. Die Anzahl der Wege ist im<br />

Schnitt über die Jahrzehnte gleich geblieben.<br />

Doch die Brötchen müssen besonders<br />

gut, teilweise vom Vollkornbäcker<br />

sein, das Schwimmbad ist als Spaßbad<br />

akzeptabel, die Großmutter wohnt<br />

nicht mehr in der gleichen <strong>Stadt</strong> <strong>und</strong> die<br />

Standorte der Arbeitsplätze orientieren<br />

sich nur noch bedingt am Standort<br />

der Wohnung. In der Tendenz liegen die<br />

Wege bei allerdings noch deutlich erkennbaren<br />

Hauptverkehrsströmen wie<br />

Micado-Stäbchen durcheinander <strong>und</strong> sie<br />

werden tendenziell durch die spezialisierten<br />

Anforderungen länger.<br />

Diese Diversifizierung von Quell-Zielpunkt-Relationen<br />

in der Mobiltätsanforderung<br />

der Bürger <strong>und</strong> zugleich die zeitliche<br />

Spreizung ihrer Alltagsrhythmen<br />

stellt hohe Anforderungen an den ÖPNV.<br />

Gefordert sind andere Liniennetze (bei<br />

teilweise schwächerer Auslastung der<br />

einzelnen Linien), gefordert sind unterschiedlich<br />

große Fahrzeuge (die finanziert<br />

werden müssen) <strong>und</strong> gefordert<br />

sind differenzierte Bedienweisen unter<br />

Einbeziehung unterschiedlicher Partner<br />

(Anrufsammelbus, Taxi, Car Sharing, Bike<br />

& Ride).<br />

Die Hersteller <strong>und</strong> Verkäufer von Produkten<br />

<strong>und</strong> Dienstleistungen müssen<br />

sich darauf einstellen, dass die Anforderungen<br />

der Verkehrsunternehmen<br />

vielschichtiger werden. Und sie müssen<br />

damit zurechtkommen, dass es zwei<br />

Auf die Vernetzung kommt es in der Dienstleistung ÖPNV zunehmend an Foto: Stephan Anemüller<br />

Gr<strong>und</strong>konstellationen von Verkehrsmärkten<br />

gibt – verkürzt als „Ballungsraum“<br />

<strong>und</strong> als „ländlicher Raum“ bezeichnet.<br />

Im ersten sind die wirtschaftlichen Erwartungen<br />

besser <strong>und</strong> findet manches<br />

Angebot offenere Ohren. Im zweiten<br />

kämpfen die Verkehrsunternehmen<br />

sehr stark mit ihrer Wirtschaftlichkeit.<br />

Angebote, die nicht zu einer wesentlich<br />

besseren Wirtschaftlichkeit führen<br />

oder an den Kernanforderungen der<br />

Dienstleistung ÖPNV anknüpfen, werden<br />

es schwer haben, ihren Nachfrager<br />

zu finden. Gleichwohl können hier auch<br />

„zündende Ideen“ zu einer ungehofften<br />

Attraktivitätssteigerung des ÖPNV führen,<br />

sie müssen sich aber zunächst gegen<br />

die Skepsis auf der Nachfrageseite<br />

durchsetzen.<br />

Trend der Automobilisierung <strong>und</strong><br />

steigender Mobilitätsanforderungen<br />

Klassisch kann der ÖPNV auch heute<br />

noch seine Endk<strong>und</strong>en Fahrgäste in<br />

die Gruppen Schüler / Auszubildende<br />

/ Studierende, Arbeitnehmer, Senioren<br />

<strong>und</strong> nichtabhängig Beschäftigte sowie<br />

Freizeitfahrer / Touristen unterscheiden.<br />

Verschoben haben sich die Gewichte<br />

zwischen den Fahrgastgruppen <strong>und</strong> die<br />

Der Komfort des PKW ist zum Maßstab der Ansprüche an den ÖPNV geworden<br />

Foto: Stephan Anemüller<br />

Nahverkehr 2010 25


Anforderungen jeder einzelnen Gruppe.<br />

Die Veränderung der Anforderungen hat<br />

neben den geänderten Alltagsrhythmen<br />

vor allem auch etwas mit der dominierenden<br />

Rolle des PKW zu tun. In den<br />

vergangenen Jahren hat sich die Verfügbarkeit<br />

des PKW für Fahrer <strong>und</strong> Mitfahrer<br />

wesentlich verändert. Zum einen<br />

ist die Quote der Führerschein besitzenden<br />

Frauen kontinuierlich gestiegen<br />

<strong>und</strong> liegt inzwischen ähnlich hoch wie<br />

bei Männern. Zum anderen ist die Quote<br />

des PKW-Besitzes (Motorisierungsgrad)<br />

während der vergangenen Jahre<br />

deutlich gestiegen. Immer mehr Jugendliche<br />

erhalten ihren PKW zeitnah zum<br />

Führerschein mit 18 Jahren <strong>und</strong> immer<br />

mehr Familienhaushalte verfügen über<br />

zwei PKW (zumindest im klein- <strong>und</strong><br />

mittelstädtischen Bereich <strong>und</strong> natürlich<br />

in ländlichen Gemeinden unter 20.000<br />

Einwohnern). Das Deutsche Institut für<br />

Wirtschaftsforschung weist 81 Prozent<br />

der über 14jährigen aus, die auf einen<br />

PKW zurückgreifen können. Darüber hinaus<br />

„wachsen“ immer mehr Menschen<br />

in das Seniorenalter hinein, nachdem sie<br />

langjährig über PKW verfügen konnten<br />

<strong>und</strong> ihr Fahrzeug nicht besonders gerne<br />

abgeben bevor die eingeschränkten körperlichen<br />

Fähigkeiten sie dazu zwingen.<br />

Diese eigentlich banalen Feststellungen<br />

haben gr<strong>und</strong>legende Bedeutung für die<br />

Dienstleistung ÖPNV. Der Bus <strong>und</strong> die<br />

Bahn werden auch zukünftig nicht alle<br />

Fahrgäste direkt <strong>und</strong> nicht zu jeder<br />

Minuten-Zeit an der Haustür abholen<br />

können. Der allzeit verfügbare PKW<br />

vor dem Haus ist in Gemeinden bis<br />

100.000 oder gar 200.000 Einwohnern<br />

auch in der Innenstadt noch sehr komfortabel<br />

im Vergleich zum ÖPNV, solange<br />

die Parkplatzprobleme in verdichteten<br />

Wohnquartieren nicht dominierend<br />

sind.<br />

Aber die Dienstleistung ÖPNV kann auf<br />

anderen Feldern „punkten“. Sicher wird<br />

dies nicht die Stabilität des Verkehrsbetriebs<br />

sein, denn dass der Bus unterwegs<br />

nicht streikt wird von den Fahrgästen<br />

schlicht erwartet. Aber in der<br />

ÖPNV-Trias „schnell, sicher, komfortabel“<br />

ist der dritte Punkt hier entscheidend.<br />

Ein guter Takt hilft, die Akzeptanz<br />

des Fahrgastes zu gewinnen. Wenn dann<br />

der Fahrplan gut verständlich, das Ticket<br />

spielend einfach zu erhalten ist (z. B. als<br />

eTicket), Fahrplanauskünfte auch bei<br />

besonderen Wünschen in der Freizeit<br />

oder in der Verknüpfung der Verkehrsmittel<br />

einfach, übersichtlich <strong>und</strong> um-<br />

26 Nahverkehr 2010<br />

Auch externe Service-Dienstleister können zum<br />

Erfolg der Dienstleistung PNV beitragen<br />

Foto: Stephan Anemüller<br />

fassend zu bekommen sind, Störungen<br />

<strong>und</strong> Ausweichmöglichkeiten in Ist-Zeit<br />

kommuniziert werden, das k<strong>und</strong>ennahe<br />

Personal wirkliches Servicepersonal ist,<br />

die Verknüpfung mit anderen Anbietern<br />

z. B. der Taxi-Branche, des Car Sharings,<br />

morgendlicher Snack- <strong>und</strong> Zeitungsdienste,<br />

den Informationsquellen zum<br />

„Geschehen in der <strong>Stadt</strong>“ etc. wie aus<br />

einer Hand wirken – dann ist ÖPNV<br />

auch für diejenigen komfortabel, die an<br />

den warmen Sitz im PKW <strong>und</strong> dessen<br />

Navigationsgerät gewöhnt sind, <strong>und</strong> sich<br />

dennoch über Wegesuche <strong>und</strong> Parkplatzprobleme<br />

des MIV ärgern.<br />

Gerade die Mobilitätsgewohnheiten der<br />

zukünftig stärker im Fokus stehenden<br />

älteren Fahrgäste haben sich verändert.<br />

Hierbei ist insbesondere auf den größeren<br />

Anteil älterer Menschen mit Führerscheinbesitz<br />

<strong>und</strong> die höhere PKW-<br />

Verfügbarkeit hinzuweisen. Viele von<br />

ihnen haben die Nutzung des PKW als<br />

Vergleichsmaßstab des ÖPNV „im Gefühl“.<br />

Doch es gilt wie für die meisten<br />

Dienstleistungsbranchen eine große Toleranz,<br />

solange die Schlüsselfaktoren wie<br />

Zuverlässigkeit, Serviceorientierung <strong>und</strong><br />

ausgewogenes Preis-Leistungsverhältnis<br />

stimmen.<br />

Für Anbieter für Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

bedeutet dies, dass im Bereich<br />

Komfort ein sehr vielschichtiger<br />

Markt mit unterschiedlichen Anforderungen<br />

zu erwarten ist. Dies reicht von<br />

mobilen Servicediensten (deren Kräfte<br />

dann vielleicht die Aufschrift „im Auftrag<br />

des Verkehrsunternehmens xyz“ auf<br />

dem Shirt Tragen) bis hin zu IT-Anlagen<br />

der Fahrgastinformation, internetbasierten<br />

Informationstechnologien etc. Die<br />

Betreiber von Fahrradstationen zum<br />

Beispiel haben inzwischen an vielen Orten<br />

gezeigt, wie verschiedene Dienstlei-<br />

stungen um die Kernfunktion „ruhender<br />

Radverkehr“ herum organisiert werden<br />

können <strong>und</strong> auch wie ihre Anlagen mui<br />

dem ÖPNV verknüpft werden können,<br />

ohne dass dieses die Verkehrsunternehmen<br />

wirtschaftlich belastet.<br />

Trend zu höheren Anforderungen<br />

an klima- <strong>und</strong> umweltgerechtes<br />

Verhalten<br />

Auch wenn die Kopenhagener Klimaschutzkonferenz<br />

der UN im Dezember<br />

2009 mit einem großen Fragezeichen<br />

endete, besteht kein Zweifel an<br />

steigenden Anforderungen für jeden einzelnen,<br />

sich klima- <strong>und</strong> umweltgerecht<br />

zu verhalten. Das Ziel, die durchschnittliche<br />

Erwärmung des Klimas nicht über<br />

2 °C ausfallen zu lassen, scheint sich<br />

abseits der Weltdiplomatie in den unterschiedlichen<br />

Kulturkreisen durchzusetzen.<br />

Gerade der Verkehrsbereich ist<br />

aufgefordert, die weiteren Wachstumsraten<br />

des CO2-Ausstoßes zu stoppen<br />

<strong>und</strong> in eine reale Minderungsbewegung<br />

umzuschwenken. Die Erkenntnis, dass<br />

dies nur mit den Leistungen von Bussen<br />

<strong>und</strong> Bahn möglich ist, setzt sich mehr<br />

<strong>und</strong> mehr durch.<br />

Gleichzeitig ist die Sensibilität bezüglich<br />

weiterer Schadstoffe wie Rußpartikel,<br />

NOx etc. in den vergangenen Jahren<br />

kontinuierlich gestiegen. Durch die Definition<br />

von Grenzwerten <strong>und</strong> hiermit<br />

verb<strong>und</strong>enen Sanktionsinstrumenten<br />

konnte durch die verschiedenen Ebenen<br />

des öffentlichen Gemeinwesens nicht<br />

nur ein Umdenken, sondern auch eine<br />

tiefgreifende Verhaltensmodifikation erreicht<br />

werden. So weist z. B. die Busflotte<br />

der Mitgliedsunternehmen im VDV<br />

zu 46,6 Prozent (2008) die „grüne Plakette“<br />

auf, was bedeutet, dass die Fahrzeuge<br />

der Diesel-Euro IV-, Diesel-Euro<br />

V-, der Diesel-EEV-Norm entsprechen<br />

<strong>und</strong>/oder mit Partikelfilter ausgestattet<br />

sind bzw. durch Hybridtechnik angetrieben<br />

werden. Weitere 20,4 Prozent tragen<br />

die „gelbe Plakette“, wohinter die<br />

Norm Diesel-Euro III ohne Partikelfilter<br />

steht. Die Quoten steigen beständig mit<br />

Fahrzeugneubeschaffungen. Es darf davon<br />

ausgegangen werden, dass der Umweltvorteil,<br />

des ÖPNV eine wesentliche<br />

Triebfeder für dessen Unterstützung<br />

durch B<strong>und</strong>, Länder <strong>und</strong> Gemeinden<br />

bleiben wird.<br />

Zugleich stellen die Verkehrsunternehmen<br />

<strong>und</strong> Verkehrsverbünde bei der<br />

Befragung ihrer K<strong>und</strong>en fest, dass die<br />

Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit von Bussen <strong>und</strong>


Die Verkehrsunternehmen des ÖPNV bauen ihren Umweltvorteil verantwortungsbewusst aus<br />

Foto: Stephan Anemüller<br />

Bahnen ein Entscheidungskriterium für<br />

die Nutzung des ÖPNV ist. Auf der K<strong>und</strong>enseite<br />

besteht ein hohes Maß rationalen<br />

Bewusstseins für umweltbewusstes<br />

Verhalten. Es muss davon ausgegangen<br />

werden, dass jeder Bürger bewusst oder<br />

unbewusst seine Verhaltensmatrix kennt<br />

<strong>und</strong> hierbei der ÖPNV eine große Rolle<br />

spielen kann. Viele Bürger verzichten ungerne<br />

auf den Flug in den Urlaub oder<br />

auf die eine oder andere Bequemlichkeit.<br />

Die meisten haben aber ihre Felder, auf<br />

denen sie sich gerne klima- <strong>und</strong> umweltbewusst<br />

verhalten, etwa beim Einkauf,<br />

der Abfallvermeidung, bei der Ausrüstung<br />

des Hauses, der Wahl der Verkehrsmittel<br />

in ihrem Verhaltensmix. Im Ergebnis wird<br />

dies immer eine „Mischkalkulation“ sein,<br />

bei der der ÖPNV aber aufgr<strong>und</strong> seines<br />

guten Umweltimages <strong>und</strong> vor allem bei<br />

hohem Nutzerkomfort gute Chancen<br />

hat.<br />

Die Verkehrsunternehmen investieren<br />

trotz des bestehenden Umweltvorteils<br />

weiter in ihre Klima- <strong>und</strong> Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit.<br />

Inzwischen wird ein umfassendes<br />

Spektrum unterschiedlicher<br />

Antriebstechnologien eingesetzt. Neben<br />

dem klassischen Diesel (dessen Preise<br />

unkalkulierbar sind, langfristig aber<br />

weiter steigen werden) sind dies Gas,<br />

Biokraftstoffe, Wasserstofftechnologien,<br />

die Hybridtechnik <strong>und</strong> zunehmend auch<br />

Elektrotechnik mit Akus, deren Ener-<br />

giezufuhr aus erneuerbaren Energien<br />

stammt. Neben der Antriebstechnik<br />

liegt ein Entwicklungsfeld im Bereich<br />

der höheren Energieeffizienz <strong>und</strong> des<br />

energiesparenden Fahrens. Die Abgasnachbehandlung<br />

ist gleichfalls für die<br />

Branche keine neue Herausforderung.<br />

Gleiches gilt für die elektrisch betrieben<br />

Bahnen, die keine direkte Abgasproblematik<br />

aufweisen, bei denen die<br />

Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> Hersteller<br />

aber auch an einer stets steigenden Energieeffizienz<br />

arbeiten <strong>und</strong> zunehmen<br />

regenerative Energiequellen zur Einspeisung<br />

nutzen. Und nicht zuletzt verbessert<br />

eine hohe Fahrzeugauslastung die<br />

Umweltbilanz, da der Energieeinssatz<br />

je Fahrgast-Kilometer gerechnet wird.<br />

Hier sind Busse <strong>und</strong> Bahn vor allem in<br />

den verdichteten Siedlungsräumen <strong>und</strong><br />

Ballungsräumen zu den Hauptverkehrszeiten<br />

unschlagbar <strong>und</strong> können es auch<br />

in den Nebenverkehrszeiten mit durchschnittlichen<br />

PKW gut aufnehmen.<br />

Für Hersteller aus der Industrie bietet<br />

sich hier genauso wie für zahlreiche<br />

Forschungseinrichtungen ein großes<br />

Tätigkeitsfeld. Die öffentlichen Gebietskörperschaften<br />

werden trotz enger<br />

Finanzierungsspielräume genauso wie<br />

Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> Verkehrsverbünde<br />

großen Wert auf den Ausbau des<br />

Umweltvorteils von Bussen <strong>und</strong> Bahnen<br />

legen. Die Relevanz der Thematik für<br />

die „öffentlichen Hände“ zeigt sich zum<br />

Beispiel daran, dass derzeit nicht weniger<br />

als vier B<strong>und</strong>esministerien sachlich<br />

unterschiedliche Förderprogramme im<br />

Bereich der Elektromobilität haben. Das<br />

<strong>Land</strong> Baden-Württemberg hat Mitte Januar<br />

bekanntgegeben, eine eigene <strong>Land</strong>esgesellschaft<br />

zur Förderung der Elektromobilität<br />

gründen zu wollen. Ziel der<br />

Gesellschaft soll sein, die mittelständige<br />

Wirtschaft stärker an der Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Produktion entsprechender Techniken<br />

zu beteiligen.<br />

In der Umwelttechnik liegen erhebliche Potenziale für Hersteller <strong>und</strong> Zulieferer<br />

Foto: Stephan Anemüller<br />

Nahverkehr 2010 27


Möglichkeiten der Marktteilnahme<br />

für Industrie <strong>und</strong> Handel<br />

Klassisch: Direktvertrieb<br />

Unternehmen aus Industrie <strong>und</strong> Handel<br />

haben verschiedene Möglichkeiten, ihre<br />

Produkte bei den Verkehrsunternehmen<br />

des ÖPNV in Deutschland zu vertreiben.<br />

Der klassische Direktvertrieb scheint<br />

immer noch sehr Erfolg versprechend<br />

zu sein. Hierbei ist zu berücksichtigen,<br />

dass von den jährlich investierten r<strong>und</strong><br />

zwölf Milliarden Euro etwa 90 Prozent<br />

in die deutsche Wirtschaft fließt.<br />

Die Zulieferindustrie der Verkehrsindu-<br />

strie (Fahrzeugbau, schienengeb<strong>und</strong>ene<br />

Verkehrsanlagen <strong>und</strong> weitere Anlagen)<br />

findet eine übersichtliche Anzahl von Systemhäusern<br />

sowohl im Bus- als auch im<br />

Bahnbereich vor. Kontaktmöglichkeiten<br />

bestehen auch über die Internetseiten<br />

der Industrieverbände. Für das Verkehrsmittel<br />

Bus: Verband der Automobilindustrie<br />

(VDA) über www.vda.de / Der Verband<br />

/ Mitglieder. Für die Verkehrsmittel<br />

Eisenbahn, S-Bahn, <strong>Stadt</strong>-, Straßen- <strong>und</strong><br />

U-Bahnen: Verband der Bahnindustrie in<br />

Deutschland (VDB) über www.bahnindustrie.info<br />

/ Home / Mitglieder.<br />

Die direkten Geschäftspartner der Verkehrsunternehmen<br />

sehen sich zwar mit<br />

über 500 ÖPNV-Betrieben allein im<br />

VDV einer ungleich größeren Anzahl<br />

möglicher K<strong>und</strong>en gegenüber. Doch die<br />

Branche kennt sich <strong>und</strong> ist vor allem re-<br />

28 Nahverkehr 2010<br />

gional in einem engen Austausch miteinander.<br />

Hier gilt es, Referenzbetriebe für<br />

Innovationen ausfindig zu machen <strong>und</strong><br />

bei weiteren Unternehmen mit guten<br />

Produkten für sich durch den Beleg des<br />

Praxiseinsatzes zu werben.<br />

Über die Internet-Seiten des Verbandes<br />

Deutscher Verkehrsunternehmen<br />

(www.vdv.de / Wir über uns / Mitgliederlinks)<br />

gelangen Interessierte direkt<br />

zu den Homepages der VDV-Mitglieder.<br />

Zudem gibt der VDV zweijährig im<br />

Erich Schmidt Verlag (ESV), Berlin, das<br />

„Handbuch der Verkehrsunternehmen<br />

Die InnoTrans gehört zum festen Programm für alle Ein- <strong>und</strong> Verkäufer des ÖPNV Foto: Stephan Anemüller<br />

im VDV“ heraus, das über www.esv.info<br />

oder esv@esvmedien.de bezogen werden<br />

kann. In dieser umfassenden Übersicht<br />

sind alle Mitgliedsunternehmen mit<br />

Adresse, Namen der Geschäftsführung,<br />

des Vorstand <strong>und</strong> der Betriebsleiter enthalten,<br />

ergänzt um statistische Daten<br />

zu den meisten Unternehmen, die das<br />

Tätigkeitsprofil <strong>und</strong> die Größe der Unternehmen<br />

erkennbar machen.<br />

Elektronisch: Plattformen<br />

im Internet<br />

Die Verkehrsunternehmen nutzen zunehmend<br />

Marktplätze im Internet, um<br />

die Orientierung bei zahlreichen Anbietern<br />

aus Industrie <strong>und</strong> Handel zu behalten<br />

<strong>und</strong> Qualitäts- <strong>und</strong> Preisvergleiche<br />

schnell vornehmen zu können. Für Anbieter<br />

aus Industrie <strong>und</strong> Handel hat sich<br />

hier in den vergangenen Jahren ein weiterer<br />

Vertriebskanal entwickelt, der aus<br />

der täglichen Praxis nicht mehr wegzudenken<br />

ist. Eine solche Plattform im Internet<br />

bietet die beka ebusiness GmbH<br />

über www.beka-ebusiness.de. Deren<br />

Internetmarktplatz beka4business führt<br />

die Kataloge verschiedener Anbieter<br />

zusammen <strong>und</strong> erfüllt zahlreiche Funktionen<br />

um den eigentlichen Einkauf herum.<br />

So kann eine Vielzahl verschiedener<br />

Produktinformationen über Suchmasken<br />

strukturiert dargestellt <strong>und</strong> der Einkauf<br />

gebündelt werden.<br />

Marktplatz Messe:<br />

Branchentreffpunkt<br />

InnoTrans<br />

Der Besuch <strong>und</strong> die Ausstellung<br />

auf Messen zählt<br />

nach wie vor zu den erfolgreichen<br />

Möglichkeiten, neue<br />

Geschäftsbeziehungen aufzubauen<br />

<strong>und</strong> bestehende<br />

Kontakte zu pflegen. Für<br />

die Branche des ÖPNV<br />

ist die internationale Leitmesse<br />

InnoTrans in Berlin<br />

maßgeblich mit hohem<br />

Alleinstellungsmerkmal in<br />

Deutschland. Zwar bestehen<br />

auch verschiedene regionale<br />

Messen, aber allein<br />

die InnoTrans bringt die<br />

Vielfalt der Aussteller in hoher<br />

Anzahl mit Besuchern<br />

unterschiedlichen Interesses<br />

zusammen. Zweijährig,<br />

immer in den „gerade“<br />

Jahren stattfindend, spricht<br />

die InnoTrans die gesamte<br />

Branche der schienengeb<strong>und</strong>enen Verkehre<br />

(Betreiber <strong>und</strong> Hersteller) an <strong>und</strong><br />

erschließt seit 2008 auch das Segment<br />

des Busverkehrs. Für die nächste Messe<br />

vom 21. bis 24. September 2010 werden<br />

über 2.000 Aussteller aus über 40 Ländern<br />

<strong>und</strong> über 90.000 Fachbesucher aus<br />

über 100 Ländern erwartet. Kennzeichnend<br />

für dieses Messe ist, dass nahezu<br />

alle Entscheider der Verkehrsunternehmen<br />

<strong>und</strong> der herstellenden Industrie<br />

mindestens einen Tag in Berlin zu sein<br />

scheinen. Dieser Marktplatz bietet ausreichend<br />

Gelegenheit Gespräche zu<br />

führen, Kontakte aufzubauen <strong>und</strong> Nachfrager<br />

aus der ÖPNV-Branche kennen<br />

zu lernen. �<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.innotrans.de.


Öffentlich Private Partnerschaften<br />

im Bereich Straße<br />

Die VIFG als Kompetenzzentrum für ÖPP-Projekte im Verkehrsinfrastrukturbereich<br />

berät das BMVBS bei Betreibermodellen im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau <strong>und</strong> dem kommunalen<br />

Pilotprojekt Brandenburg an der Havel<br />

Von Torsten R. Böger, Geschäftsführer der VIFG mbH, Berlin<br />

Einleitung: Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) haben als Beschaffungsvariante bei konstant wachsendem Investitionsbedarf<br />

<strong>und</strong> immer knapper werdenden Haushaltsmitteln in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen.<br />

Die Gr<strong>und</strong>idee von ÖPP-Projekten ist, dass Leistungen in den Bereichen Planung, Bau, Betrieb sowie Erhaltung durch<br />

einen privaten Partner übernommen werden. Die hoheitlichen Aufgaben, wie beispielsweise die Festlegung des Bedarfs,<br />

der Qualität <strong>und</strong> der Sicherheitsstandards der Straßeninfrastruktur, verbleiben dabei bei der öffentlichen Hand.<br />

Die VIFG, die mit der Verteilung des<br />

Gebührenaufkommens aus der<br />

LKW-Maut beauftragt ist, unterstützt<br />

das B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr, Bau<br />

<strong>und</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung (BMVBS) auch als<br />

„ÖPP-Komptenwzzentrum Verkehr“ bei<br />

der Vorbereitung, Durchführung <strong>und</strong><br />

Abwicklung von ÖPP-Projekten. Hierbei<br />

stehen die stetige konzeptionelle<br />

Weiterentwicklung einer strukturierten<br />

Beschaffung <strong>und</strong> Bewirtschaftung sowie<br />

die Entwicklung innovativer Ansätze<br />

im Vordergr<strong>und</strong>. Mit den sogenannten<br />

A-Modell Pilotprojekten („Autobahnausbaumodell“)<br />

wird seit 2005 ein Betreibermodell<br />

im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau<br />

umgesetzt, bei dem der private Partner<br />

zur Refinanzierung des Projektes Anteile<br />

des Gebührenaufkommens aus der<br />

LKW-Maut bezogen auf den bestimmten<br />

Streckenabschnitt erhält. Diese werden<br />

durch den B<strong>und</strong> während der Vertragslaufzeit<br />

an den Privaten weitergeleitet.<br />

Das sogenannte F-Modell ist ein weiteres<br />

ÖPP-Modell, für das in Deutschland mit<br />

der Einführung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes<br />

(FStrPrivFinG)<br />

die Voraussetzungen geschaffen wurden.<br />

Der Private erhält hierbei im Rahmen<br />

des Projektes das Recht, von den Nutzern<br />

direkt eine Maut zur zu erheben.<br />

Zur Förderung des Einsatzes von ÖPP-<br />

Modellen auf allen föderalen Ebenen<br />

unterstützt der B<strong>und</strong> zudem auch ausgewählte<br />

Projekte im kommunalen Bereich.<br />

Das ÖPP-Pilotprojekt der <strong>Stadt</strong><br />

Brandenburg an der Havel wurde aus<br />

unterschiedlichen Bewerbungen ausgewählt<br />

<strong>und</strong> wird aktuell durch den B<strong>und</strong><br />

gefördert.<br />

Im Folgenden werden die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

sowie der aktuelle Stand der laufenden<br />

Projekte erläutert <strong>und</strong> ein Überblick<br />

darüber gegeben, inwiefern bei ÖPP-<br />

Projekten der unterschiedlichen Baulastträger<br />

Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiede<br />

hinsichtlich der Strukturen <strong>und</strong><br />

Zielsetzungen vorhanden sind.<br />

Betreibermodelle<br />

im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau<br />

Erste Staffel A-Modell Pilotprojekte<br />

Mit den A-Modell Pilotprojekten („Autobahnausbaumodell“)<br />

wird seit 2005<br />

ein Betreibermodell im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau<br />

umgesetzt, das in engem Zusammenhang<br />

mit der Einführung der streckenbezogenen<br />

Maut für schwere LKW<br />

steht. Zur Refinanzierung seiner Ausgaben<br />

erhält der private Partner hierbei<br />

Anteile des Gebührenaufkommens aus<br />

der LKW-Maut für den jeweiligen Streckenabschnitt<br />

über die vereinbarte Vertragslaufzeit<br />

von in der Regel 30 Jahren.<br />

Der Private übernimmt die Ausführung<br />

des Ausbaus von Autobahnabschnitten,<br />

deren Erhaltung <strong>und</strong> Betrieb sowie die<br />

Finanzierung. Nach Ablauf der Vertragszeit<br />

geht die Aufgabendurchführung auf<br />

dem Streckenabschnitt wieder auf B<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Land</strong> über. Der Zustand des Abschnitts<br />

am Ende der Vertragslaufzeit ist<br />

vertraglich festgelegt.<br />

Im Jahre 2001 wurde vom BMVBS zunächst<br />

eine Liste mit 12 Projekten<br />

aufgestellt <strong>und</strong> mit dem B<strong>und</strong>esverkehrswegeplan<br />

2003 von der B<strong>und</strong>esregierung<br />

beschlossen. Die folgenden vier<br />

Pilotprojekte konnten bis Mitte des Jahres<br />

2009 erfolgreich vergeben werden:<br />

A8 in Bayern AS Augsburg-West – AD München-Allach<br />

Streckenlänge: 52 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: 18. März 2005<br />

Konzessionsbeginn: 01. Mai 2007<br />

A4 in Thüringen <strong>Land</strong>esgrenze Hessen/Thüringen – AS Gotha<br />

(sog. „Umfahrung Hörselberge“)<br />

Streckenlänge: 44,4 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: 12. August 2005<br />

Konzessionsbeginn: 16. Oktober 2007<br />

A1 in Niedersachsen AK Bremen – AD Buchholz<br />

Streckenlänge: 72,5 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: 20. Dezember 2005<br />

Konzessionsbeginn: 04. August 2008<br />

A5 in Baden-Württemberg Malsch – Offenburg<br />

Streckenlänge: 59,8 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: 07. Dezember 2005<br />

Konzessionsbeginn: 01. April 2009<br />

Von Beginn an wurde eine zielgerichtete<br />

Projektentwicklung betrieben, die<br />

sich durch die Erstellung von Musterregelungen<br />

<strong>und</strong> einer sorgfältigen Pro-<br />

Nahverkehr 2010 29


jektauswahl auszeichnete. Für die Vergabe<br />

der Betreibermodelle wurde ein<br />

strukturiertes Verhandlungsverfahren<br />

entwickelt, um insbesondere der wirtschaftlichen<br />

Bedeutung, der langen Vertragslaufzeit<br />

<strong>und</strong> der Komplexität der<br />

Projekte gerecht werden zu können.<br />

Damit eine erfolgreiche Vergabe dieser<br />

neuen Modelle gewährleistet werden<br />

konnte, wurde im März 2005 vom<br />

BMVBS in Zusammenarbeit mit der<br />

VIFG eine erste Informationsveranstaltung<br />

organisiert. Im Rahmen dieses „Informationstag<br />

zum A-Modell“ wurden<br />

den Beteiligten aus dem In- <strong>und</strong> Ausland<br />

das Betreibermodell, das Vergabeverfahren<br />

<strong>und</strong> das Mauterhebungssystem ausführlich<br />

vorgestellt.<br />

Evaluierung A-Modelle<br />

Die Umsetzung dieser Pilotprojekte<br />

sollte auch dazu dienen, eine Weiterentwicklung<br />

der Betreibermodelle im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau<br />

voranzubringen. Um<br />

die Erkenntnisse <strong>und</strong> Erfahrungen der<br />

Pilotprojekte entsprechend auswerten<br />

<strong>und</strong> für die Weiterentwicklung nutzen zu<br />

können, wurde vergabebegleitend eine<br />

Auswertung der Projekte durchgeführt.<br />

Das BMVBS hat in Zusammenarbeit mit<br />

der VIFG einen ersten Zwischenbericht<br />

zur Evaluierung der Pilotprojekte erarbeitet,<br />

in den auch Stellungnahmen der<br />

Auftragsverwaltungen der Länder sowie<br />

der Verbände der Bau- <strong>und</strong> Bankenwirtschaft<br />

eingeflossen sind. Die wesentlichen<br />

Erkenntnisse aus den Pilotprojekten<br />

können laut Zwischenbericht wie<br />

folgt zusammengefasst werden:<br />

• Die Ziele der B<strong>und</strong>esregierung, wie<br />

die Förderung von Innovationen, Generierung<br />

von Effizienzvorteilen <strong>und</strong><br />

schnellere Umsetzung von Großvorhaben<br />

konnten bereits in weiten Teilen<br />

erreicht werden.<br />

• Die Übertragung des Verkehrsmengenrisikos<br />

auf den privaten Betreiber<br />

hat sich gr<strong>und</strong>sätzlich bewährt.<br />

Gleichzeitig ist es erforderlich, den<br />

Vergütungsmechanismus zu vereinfachen<br />

<strong>und</strong> weitere Vergütungsmodelle<br />

wie beispielsweise Schattenmautelemente<br />

oder Verfügbarkeitsentgelte im<br />

Rahmen der Projektentwicklung zu<br />

prüfen.<br />

• Die Pilotprojekte werden über den<br />

gesamten Konzessionszeitraum einem<br />

laufenden Vertragsmanagement <strong>und</strong><br />

Projektcontrolling unterzogen. Auch<br />

künftige Projekte sollen evaluiert werden.<br />

30 Nahverkehr 2010<br />

• Die Frage der Projektauswahl <strong>und</strong><br />

eines strukturierten Projektentwicklungsprozesses<br />

sind für eine wirtschaftliche<br />

Projektrealisierung von<br />

herausragender Bedeutung.<br />

• Der bis zum Ende der Verhandlungsverfahren<br />

aufrecht erhaltene Wettbewerb<br />

hat erheblichen Einfluss auf die<br />

Wirtschaftlichkeit der ÖPP-Beschaffungsvariante.<br />

• Mit Hilfe der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung<br />

(ÖPP-Eignungstest, Vorläufige<br />

WU) können Betreibermodelle optimal<br />

entwickelt, strukturiert <strong>und</strong> mit<br />

der jeweils vorteilhaftesten Finanzierungs-<br />

<strong>und</strong> Risikostruktur umgesetzt<br />

werden.<br />

Aktuell wird vom BMVBS in Zusammenarbeit<br />

mit der VIFG unter Einbeziehung<br />

der bereits zuvor Beteiligten<br />

ein Schlussbericht zur Evaluierung der<br />

A-Modell Projekte erstellt, der bereits<br />

die ersten praktischen Erfahrungen widerspiegeln<br />

wird. Schon jetzt sind die<br />

Pilotprojekte hinsichtlich Bauqualität,<br />

Termintreue <strong>und</strong> Kostensicherheit der<br />

öffentlichen Hand im Vergleich zu konventionell<br />

realisierten Projekten überdurchschnittlich<br />

erfolgreich.<br />

Aktuelle Entwicklungen<br />

bei der Finanzierung von A-Modellen<br />

Die aktuelle Situation an den Finanzmärkten<br />

wirkt sich gegenwärtig auch<br />

auf ÖPP-Projekte aus. Aufgr<strong>und</strong> einer<br />

erhöhten Risikoübernahme der Banken<br />

steigen die Anforderungen an Investoren<br />

<strong>und</strong> zahlreiche Institute ziehen sich auch<br />

ganz aus der Projektfinanzierung zurück.<br />

Die Einbindung der Europäischen Investitionsbank<br />

EIB gewinnt zudem an Bedeutung<br />

für das Zustandekommen vieler<br />

Finanzierungen von ÖPP Verkehrsprojekten.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Projektzuschnittes<br />

<strong>und</strong> der Projektgröße können die deutschen<br />

ÖPP-Projekte derzeit dennoch<br />

am Markt platziert werden. Dies ist<br />

auch darauf zurückzuführen, dass die<br />

A-Modell Projekte Ausbauprojekte sind,<br />

bei denen historische Verkehrszahlen<br />

vorliegen <strong>und</strong> dies die Einschätzung der<br />

Verkehrsrisiken für die Banken einfacher<br />

macht. Diese Entwicklungen zeigen, dass<br />

es zunehmend wichtiger wird, die Vergütungs-<br />

<strong>und</strong> Leistungsstrukturen projektspezifisch<br />

zu gestalten <strong>und</strong> an aktuelle<br />

Rahmenbedingungen anzupassen.<br />

Erste F-Modell Projekte<br />

Mit dem F-Modell können sowohl<br />

„Sonderbauten“, wie Brücken, Tunnel<br />

<strong>und</strong> Gebirgspässe im Zuge von B<strong>und</strong>esautobahnen<br />

<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esstraßen als<br />

auch mehrstreifige B<strong>und</strong>esstraßen mit<br />

getrennten Fahrbahnen durch Private<br />

gebaut, erhalten, betrieben <strong>und</strong> finanziert<br />

werden. Der private Partner erhält<br />

die Konzession für das Sonderbauwerk<br />

oder den Abschnitt einer B<strong>und</strong>esstraße<br />

für einen bestimmten Zeitraum (üblicherweise<br />

30 Jahre). Die Refinanzierung<br />

bei einem F-Modell erfolgt durch die<br />

Maut, die der private Betreiber direkt<br />

vom Nutzer erhebt <strong>und</strong> deren Höhe genehmigungspflichtig<br />

ist. Der B<strong>und</strong> oder<br />

das <strong>Land</strong> können das Projekt zusätzlich<br />

mit einer Anschubfinanzierung unterstützen.<br />

Mit den Projekten „Warnowtunnel“ in<br />

Rostock (in Betrieb seit dem 12. September<br />

2003) <strong>und</strong> dem „Herrentunnel“<br />

in Lübeck (in Betrieb seit dem 26. August<br />

2005) wurden bisher zwei Projekte<br />

in kommunaler Baulast realisiert. Gegenwärtig<br />

werden weitere Projekte auf<br />

ihre Umsetzung als F-Modell geprüft.<br />

Die Ausschreibung des Projektes „Weserquerung“<br />

in Bremen (Autobahneckverbindung<br />

der A 281) wird derzeit<br />

vorbereitet. Des Weiteren werden die<br />

Projekte „Albaufstieg“ im Zuge der A 8<br />

zwischen Stuttgart <strong>und</strong> Ulm sowie „Elbquerung“<br />

im Zuge der A 20 bei Glücksstadt<br />

diskutiert.<br />

Die projektbezogene Mauterhebung bei<br />

F-Modell Projekten wurde von privater<br />

Seite immer wieder als ein wirtschaftliches<br />

Hemmnis dargestellt. Mit dem sogenannten<br />

ÖPP-Beschleunigungsgesetz<br />

wurde 2006 daher das Gesetz dahingehend<br />

geändert, dass als Alternative<br />

zur öffentlich-rechtlichen Gebühr ein<br />

privat-rechtliches Entgelt vom Privaten<br />

gewählt werden kann. So konnten Spielräume<br />

für die Refinanzierung geschafft<br />

werden. Darüber hinaus wurde durch<br />

die Gesetzesänderung der Wettbewerbliche<br />

Dialog als eine Alternative zum<br />

Strukturierten Verhandlungsverfahren<br />

in Deutschland eingeführt. Die Voraussetzungen<br />

für ein marktfähiges F-Modell<br />

wurden mit den Gesetzesänderungen<br />

sukzessive an die praktischen Anforderungen<br />

der Modellstruktur angepasst.<br />

Evaluierung der F-Modelle<br />

Trotz einer Optimierung der gesetzlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen konnten bisher erst<br />

zwei F-Modell Projekte durchgeführt<br />

werden. Aus Sicht des B<strong>und</strong>es sind die<br />

Projekte als durchaus erfolgreich zu bewerten,<br />

allerdings ergaben sich in der


Projektdurchführung, vor allem in Folge<br />

der unerwarteten Verkehrsentwicklung,<br />

Schwierigkeiten für die Betreiber. Die<br />

Evaluierung zum F-Modell ist mit dem<br />

Auswertungsbericht aus dem Jahr 2007<br />

vorerst abgeschlossen. Der Bericht<br />

wurde von der VIFG in Zusammenarbeit<br />

mit entsprechenden Fachberatern<br />

für das BMVBS erstellt. Die Ergebnisse<br />

wurden anschließend mit den Straßenbauverwaltungen<br />

der Länder, Vertretern<br />

der Privatwirtschaft <strong>und</strong> der Politik erörtert.<br />

Die F-Modell-Evaluierung hat deutlich<br />

gemacht, dass die geringe Anzahl von<br />

Projekten sowie die wirtschaftliche Entwicklung<br />

der Projekte Warnowquerung<br />

<strong>und</strong> Travequerung (Herrentunnel) insbesondere<br />

auf folgende Aspekte zurückzuführen<br />

sind:<br />

• Singuläre Mautprojekte stoßen bei<br />

Nutzern gr<strong>und</strong>sätzlich auf wenig Akzeptanz,<br />

sodass ihre Ausweichbereitschaft<br />

tendenziell hoch ist. Gleichzeitig<br />

ist auch das sog. unbemautete<br />

Verkehrspotenzial in den Pilotvorhaben<br />

überschätzt worden.<br />

• In den bisherigen Projekten werden<br />

die zentralen Risiken, Verkehrsmengen-<br />

<strong>und</strong> Baugr<strong>und</strong>risiko, weitestgehend<br />

vom Privaten getragen.<br />

• Bisherige Mautfestsetzungsverfahren<br />

sind noch mit Rechts- <strong>und</strong> Verfahrensunsicherheiten<br />

haben sich deutlich<br />

komplexer gestaltet, als dies von<br />

den Privaten <strong>und</strong> der Verwaltung erwartet<br />

wurde.<br />

Die bisherige Anwendung des FStrPriv-<br />

FinG schöpft die möglichen Spielräume<br />

für das F-Modell bei Weitem nicht aus,<br />

stellten die Gutachter fest. Im Bericht<br />

wird daher u.a. empfohlen, eine strukturierte<br />

WU zu schaffen, die als Entscheidungs-<br />

<strong>und</strong> Management-instrument<br />

dazu beiträgt, die Umsetzungsbedingungen<br />

systematisch auszuloten. Das<br />

F-Modell stellt daher in seiner Gr<strong>und</strong>struktur<br />

weiterhin eine mögliche Handlungsalternative<br />

dar. Die Erkenntnisse<br />

des Auswertungsberichts werden bei<br />

den Vorbereitungen weiterer Projekte<br />

berücksichtigt.<br />

Die zweite Staffel Betreibermodelle<br />

ÖPP-Projekte sind im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau<br />

in den vergangenen Jahren überwiegend<br />

erfolgreich <strong>und</strong> effizient umgesetzt<br />

worden <strong>und</strong> im Jahr 2008 wurde<br />

vom BMVBS eine zweite Staffel von<br />

Betreibermodellen angekündigt. Für die<br />

Projekte A8 (zweiter Bauabschnitt: AK<br />

Ulm/Elchingen – AS Augsburg-West) in<br />

Bayern <strong>und</strong> A9 (AS Lederhose – <strong>Land</strong>esgrenze<br />

Thüringen/Bayern) in Thüringen<br />

wurden bereits die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen<br />

erfolgreich abgeschlossen<br />

<strong>und</strong> das Vergabeverfahren konnte<br />

starten. Ein weiterer Informationstag,<br />

ausgerichtet vom BMVBS in Zusammenarbeit<br />

mit der VIFG hat am 20. März<br />

2009 die neue Staffel eingeleitet. Diese<br />

umfasst acht Projekte, von denen die<br />

folgenden im Zeitraum zwischen 2009<br />

<strong>und</strong> 2011 gestartet werden sollen:<br />

A8 in Bayern <strong>und</strong><br />

Baden-Württemberg AS Augsburg-West<br />

Streckenlänge: 57 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: 28. Januar 2009<br />

Einige Optimierungsvorschläge aus der<br />

Evaluierung der ersten Staffel der Betreibermodelle<br />

werden in der zweiten<br />

Staffel bereits angewendet. Beispielsweise<br />

werden bei der Vertragsgestaltung<br />

für das A9 Projekt Verfügbarkeitselemente<br />

berücksichtigt <strong>und</strong> im Rahmen<br />

des zweiten Abschnitts der A8 zwischen<br />

Ulm <strong>und</strong> Augsburg wird eine Art Schattenmautmodell<br />

realisiert.<br />

Sofern in den vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen<br />

ein positives Ergebnis<br />

für die PPP-Variante festgestellt wird,<br />

<strong>und</strong> die entsprechenden Planfeststel-<br />

lungsbeschlüsse vorliegen, kann die Umsetzung<br />

der Projekte erfolgen. Insgesamt<br />

würden dann nach der zweiten Staffel ca.<br />

680 km Ausbau der B<strong>und</strong>esautobahnen<br />

als ÖPP-Projekte realisiert werden.<br />

ÖPP für kommunale<br />

Straßenprojekte<br />

ÖPP-Projekte im kommunalen Bereich<br />

weisen gr<strong>und</strong>sätzliche Unterschiede zu<br />

ÖPP-Vorhaben im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau<br />

auf. Im kommunalen Netz wird beispielsweise<br />

keine Maut erhoben, sodass<br />

A1/A30 in Nordrhein-<br />

Weszfalen AS Rheine-Nord – AK Lotte/Osnabrück –<br />

AK Münster Süd<br />

Streckenlänge: 85 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: vsl. 2011<br />

A7 in Schleswig-Holstein<br />

<strong>und</strong> Hamburg AD Bordesholm – AD Hamburg-Nordwest<br />

Streckenlänge: 64 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: vsl. 2010<br />

A7 in Niedersachsen AD Salzgitter – AD Drammetal<br />

Streckenlänge: 82 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: vsl. 2011<br />

A9 in Thüringen AS Lederhose –<br />

<strong>Land</strong>esgrenze Thüringen/Bayern<br />

Streckenlänge: 47 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: 18. März 2009<br />

Ein Projekt wird voraussichtlich ohne Betrieb ausgeschrieben:<br />

A6 in Baden-Württemberg AS Wiesloch-Rauenberg – AK Weinsberg<br />

Streckenlänge: 36 km<br />

Start des Vergabeverfahrens: vsl. 2010<br />

die Anwendung von reinen Maut- oder<br />

Schattenmautmodellen, hierfür eher ungeeignet<br />

ist. Bei der Projektentwicklung<br />

kommunaler Vorhaben treten die folgenden<br />

Kriterien in den Vordergr<strong>und</strong>:<br />

• Die Vergütung über Verfügbarkeitsmodelle<br />

• Die Bewirtschaftung eines Straßennetzes<br />

anstatt einer Strecke<br />

• Die Erhaltung eines bestimmten Straßenzustandes.<br />

Verfügbarkeits- oder auch sogenannte<br />

„Active-Management“ Elemente sind<br />

für ÖPP Projekte im kommunalen Be-<br />

Nahverkehr 2010 31


eich von zentraler Bedeutung. Die<br />

Vergütung ergibt sich dann aus der relativen<br />

Häufigkeit von Staus bzw. Unfällen.<br />

Die Konzessionsstrecke wird dafür mit<br />

Benchmarks aus dem übrigen Straßennetz<br />

verglichen.<br />

Kennzeichnend für den kommunalen<br />

Bereich sind die föderalen Strukturen<br />

der Straßenverwaltung <strong>und</strong> die Rechte<br />

Dritter an diesem Straßenraum. Eine<br />

Herausforderung für ÖPP-Modelle in<br />

diesem Bereich ist daher, dass im Vergleich<br />

zu den B<strong>und</strong>esfernstraßen in<br />

einem stärkeren Maße Schnittstellen<br />

zu managen sind. Es gilt, eine optimale<br />

Lösung unter Berücksichtigung der<br />

Verantwortungsbereiche verschiedener<br />

Baulastträger <strong>und</strong> eines bestmöglichen<br />

Zuschnitts zur effizienten Bewirtschaftung<br />

der Strecke zu finden.<br />

Zudem sind im Gegensatz zu B<strong>und</strong>esstraßen<br />

die kommunalen Straßennetze<br />

durch ein deutlich differenzierteres<br />

Anforderungs- <strong>und</strong> Nutzungsniveau gekennzeichnet.<br />

Die Umsetzung von Ansiedlungsstrategien<br />

bringt in der Regel<br />

eine Umgestaltung der Ausweisung von<br />

verschiedenen Gebieten für Gewerbe,<br />

Wohnen <strong>und</strong> Erholung mit sich. Dieses<br />

hat entsprechende Auswirkungen auf<br />

die Netzanforderungen. Dem gegenüber<br />

steht häufig eine über viele Jahrzehnte<br />

gewachsene Netzstruktur. Die Beschaffung<br />

von Zustands- <strong>und</strong> historischen<br />

Daten zum Netz <strong>und</strong> eine strukturierte<br />

Aufbereitung von Netzinformationen<br />

sind in diesem Zusammenhang von erheblicher<br />

Bedeutung.<br />

Zur Finanzierung von Straßenbauprojekten<br />

greifen die Kommunen häufig<br />

auch auf Fördermittel des B<strong>und</strong>es<br />

zurück. Die zur Verfügung stehenden<br />

Finanzmittel für entsprechende Straßenbauprojekte<br />

können in der Regel<br />

nach Abstimmung mit dem Fördermittelgeber<br />

<strong>und</strong> einer entsprechenden vertraglichen<br />

Ausgestaltung auch bei PPP-<br />

Maßnahmen eingeb<strong>und</strong>en werden. Die<br />

Fördermaßnahmen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz<br />

(GVFG)<br />

für Investitionen zur Verbesserung der<br />

Verkehrsverhältnisse endeten im Jahr<br />

2006. Der B<strong>und</strong> führt entsprechende<br />

Programme allerdings im Zusammenhang<br />

mit dem Gesetz zur Entflechtung<br />

von Gemeinschaftsaufgaben <strong>und</strong> Finanzhilfe<br />

(Entflechtungsgesetz) fort.<br />

Neben diesen Fördermöglichkeiten<br />

können Finanzmittel auch über Anliegerbeiträge<br />

erhoben werden. Es können<br />

hierbei Erschließungsbeiträge für die<br />

32 Nahverkehr 2010<br />

erstmalige Erstellung <strong>und</strong> auch Straßenbaubeiträge<br />

bzw. Straßenausbaubeiträge<br />

für den Ausbau einer bereits bestehenden<br />

Straße von den Anliegern eingefordert<br />

werden. Die Beiträge werden durch<br />

die Gemeinde bzw. <strong>Stadt</strong> entsprechend<br />

den Vorschriften erhoben <strong>und</strong> an den<br />

privaten Partner weitergeleitet.<br />

Aktuelle ÖPP Projekte<br />

im kommunalen Bereich<br />

In Deutschland werden derzeit verschiedene<br />

ÖPP-Projekte im kommunalen<br />

Bereich geplant, vorbereitet oder<br />

bereits umgesetzt. Das Straßenbauprojekt<br />

Lippe beispielsweise konnte bereits<br />

erfolgreich vergeben werden. Im Jahr<br />

2007 wurde hierfür das Verhandlungsverfahren<br />

mit europaweitem Teilnahmewettbewerb<br />

eingeleitet <strong>und</strong> mit der<br />

Vertragsunterzeichnung im August 2009<br />

konnte die Realisierung des Projektes<br />

beginnen. Der Kreis wird gemeinsam mit<br />

dem privaten Partner in den nächsten<br />

25 Jahren die Erhaltung <strong>und</strong> Sanierung<br />

von r<strong>und</strong> 435 km Fahrbahnen sichern.<br />

Die Planung, den Bau <strong>und</strong> die bauliche<br />

Erhaltung übernimmt hierbei der Private,<br />

die Finanzierung sowie die Aufgabe<br />

des Betriebsdienstes verbleiben beim<br />

Kreis. Auf diesem Weg kann ein nachhaltiges<br />

Straßenerhaltungskonzept mit Lebenszyklusansatz<br />

umgesetzt werden. In<br />

der <strong>Stadt</strong> Harsewinkel wurde ein einzelner<br />

Streckenabschnitt mit einer Länge<br />

von 1,3 km als Ortsumgehung im <strong>Stadt</strong>teil<br />

Marienfeld bereits zum Verkehr freigegeben.<br />

Der Private übernimmt hierbei<br />

bei einer Vertragslaufzeit von 30 Jahren<br />

die Planung, den Bau die betriebliche<br />

<strong>und</strong> bauliche Erhaltung sowie die Finan-<br />

zierung des Abschnittes. Die Vergütung<br />

des Privaten orientiert sich bei beiden<br />

Projekten im Wesentlichen an der Verfügbarkeit<br />

bzw. an dem Qualitätsniveau<br />

der Strecken.<br />

Weitere Projekte werden derzeit von<br />

den <strong>Land</strong>kreisen Waldeck-Frankenberg,<br />

Dithmarschen <strong>und</strong> von der <strong>Stadt</strong> Buch-<br />

holz im <strong>Land</strong>kreis Harburg geplant.<br />

Hierbei sind verschiedene Zuschnitte,<br />

sowohl Einzelstrecken als auch Teilnetze,<br />

vorgesehen. Die Möglichkeit, eine<br />

Anzahl von Ingenieurbauwerken eines<br />

Straßennetzes als ein ÖPP-Projekt zusammenzufassen,<br />

prüfen aktuell die<br />

Städte Frankfurt am Main <strong>und</strong> Siegen.<br />

Ein heterogener Brückenbestand <strong>und</strong><br />

zahlreiche Schnittstellen zeichnen sich<br />

dabei als besondere Herausforderungen<br />

ab.<br />

Das kommunale Pilotprojekt<br />

Brandenburg an der Havel<br />

Das ÖPP-Projekt „Betrieb, Unterhaltung<br />

<strong>und</strong> Erhaltung kommunaler Straßen<br />

der <strong>Stadt</strong> Brandenburg an der Havel“ ist<br />

aus einer Reihe Bewerbungen als Pilotprojekt<br />

des B<strong>und</strong>es ausgewählt worden.<br />

Das BMVBS unterstützt dieses Projekt,<br />

um die Entwicklung neuer Elemente,<br />

wie beispielsweise Verfügbarkeitsentgelte<br />

bei Straßen-ÖPP im Netz, voran zu<br />

bringen. Das Projekt ist somit für Politik,<br />

Verwaltung <strong>und</strong> die Marktakteure<br />

von allgemeinem Interesse. Zudem wird<br />

das Projekt vom <strong>Land</strong> Brandenburg gefördert.<br />

Die VIFG übernimmt hierbei<br />

von Seiten des BMVBS für ihren Zuständigkeitsbereich<br />

die Betreuung des<br />

Projektes. Derzeit wird in einem ersten<br />

Schritt eine Machbarkeitsstudie mit dem<br />

Ziel durchgeführt, die technische <strong>und</strong><br />

wirtschaftliche Umsetzbarkeit des Projektes<br />

zu prüfen. Ist diese erwiesen, soll<br />

in einem zweiten Schritt die öffentliche<br />

Ausschreibung ermöglicht werden.<br />

Die folgende Tabelle gibt einen kurzen<br />

Überblick über die wichtigsten Daten<br />

zum Projekt:<br />

B<strong>und</strong>esland: Brandenburg<br />

Leistung: Betrieb, Unterhaltung, Erhaltung <strong>und</strong> Finanzierung<br />

Streckenlänge: 31,2 km (vorläufige Planung)<br />

Vertragslaufzeit: 15 bis 25 Jahre<br />

Machbarkeitsstudie: In der Bearbeitung<br />

Beginn Umsetzungsphase<br />

als PPP-Projekt: geplant ab 2011<br />

Finanz. Leistungsumfang: wird im Rahmen der Machbarkeitsstudie ermittelt<br />

Die Ziele, die mit der Durchführung<br />

des Projektes erreicht werden sollen<br />

<strong>und</strong> die die Förderung durch den B<strong>und</strong><br />

begründen, sind folgendermaßen zusammenzufassen:<br />

• Qualitative Steigerung des Straßenzustands<br />

• Optimierung der Mittelverwendung


unter Berücksichtigung des Lebenszyklus<br />

• Unterstützung der Einführung der<br />

doppelten Buchführung (Doppik)<br />

• Mittel- <strong>und</strong> langfristig optimale Erhaltungsplanung<br />

• Übertragung der Erkenntnisse auf andere<br />

kommunale Straßenprojekte sowie<br />

auf Straßen anderer Baulastträger<br />

• Test innovativer Vergütungsmechanismen<br />

Zudem soll sich aus der Umsetzung<br />

dieses Projektes ergeben, inwiefern allgemein<br />

rechtliche Hindernisse bestehen<br />

<strong>und</strong> in welchem Maße eine Vereinfachung<br />

der Umsetzung von ÖPP-Maßnahmen<br />

im kommunalen Straßenbau möglich<br />

ist. Wichtig ist hierbei zunächst die Vorbereitung<br />

eines solchen Projektes. Die<br />

Entwicklung eines Organisations- <strong>und</strong><br />

Geschäftsmodells stehen im Mittelpunkt<br />

der Machbarkeitsstudie. Im Organisationsmodell<br />

werden zunächst der<br />

Netzzuschnitt <strong>und</strong> der Leistungsumfang,<br />

-tiefe <strong>und</strong> Leistungsziel festgelegt. Das<br />

Geschäftsmodell wird eine Modellierung<br />

der Risikoverteilung, der Finanzierung<br />

<strong>und</strong> der Vergütungsstruktur enthalten.<br />

Identifizierung des Netzes<br />

<strong>und</strong> Vergütungsmodell<br />

Für die Gestaltung des Netzzuschnitts<br />

sind in einem ersten Schritt die Grenzen<br />

der Baulast zu beachten. Gemeinden<br />

mit mehr als 50.000 Einwohnern<br />

sind gemäß Brandenburgischen Straßengesetz<br />

(BbStrG) Träger von Baulasten<br />

für die <strong>Land</strong>es- <strong>und</strong> Kreisstraßen. Außerdem<br />

gibt das B<strong>und</strong>esfernstraßengesetz<br />

vor, dass Gemeinden mit einer Einwohnerzahl<br />

von über 80.000 Träger der<br />

Straßenbaulast für Ortsdurchfahrten im<br />

Zuge von B<strong>und</strong>esstraßen sind. Die <strong>Stadt</strong><br />

Brandenburg an der Havel ist innerhalb<br />

der Ortsdurchfahrten Träger der Baulast<br />

sowohl für die Gemeindestraßen<br />

als auch für alle B<strong>und</strong>es-, <strong>Land</strong>es- <strong>und</strong><br />

Kreisstraßen sowie für Rad- <strong>und</strong> Gehwege.<br />

In der Historie der <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

von Brandenburg an der Havel liegt begründet,<br />

dass die im Mittelalter aus drei<br />

<strong>Stadt</strong>gebieten bestehende <strong>Stadt</strong> bis ins<br />

Jahr 2003 immer weiter gewachsen ist.<br />

Dies hat zur Folge, dass Brandenburg<br />

an der Havel kein in sich geschlossenes<br />

<strong>Stadt</strong>gebiet aufweist. Die verschiedenen<br />

Gebietsreformen in der Geschichte<br />

führten dazu, dass sich ein hinsichtlich<br />

der Baulastträger gestückeltes Straßennetz<br />

ergibt. Die Grenzen der kreisfreien<br />

<strong>Stadt</strong> decken sich nicht mit den Baulastgrenzen<br />

<strong>und</strong> es ergeben sich somit<br />

Schnittstellen mit Zuständigkeiten des<br />

<strong>Land</strong>es Brandenburg, was für eine wirtschaftlich<br />

durchführbare Erhaltungsstrategie<br />

von erheblichem Einfluss ist.<br />

Hierbei ist zudem zu beachten, dass die<br />

<strong>Stadt</strong> Brandenburg für die Sicherheit<br />

<strong>und</strong> Leichtigkeit des Verkehrs auf diesen<br />

Abschnitten zuständig ist <strong>und</strong> die bauliche<br />

Erhaltung sowie der Betriebsdienst<br />

gewährleistet sein müssen.<br />

Die Netzauswahl <strong>und</strong> -länge hängt somit<br />

von verschiedenen Prämissen ab,<br />

die während einer Modellentwicklung<br />

zu prüfen sind. Zum einen muss eine<br />

Erhaltungsstrategie wirtschaftlich umsetzbar<br />

sein. Dieses hängt vom Erhaltungszustand<br />

der Straßen <strong>und</strong> damit von<br />

den anstehenden Investitionskosten ab.<br />

Die Finanzierbarkeit im Haushalt steht<br />

diesen gegenüber. Zum anderen sind<br />

Aspekte wie Marktfähigkeit <strong>und</strong> Mittelstandsfre<strong>und</strong>lichkeit<br />

zu berücksichtigen.<br />

Die Festlegung eines Netzzuschnittes<br />

bewegt sich daher im Spannungsfeld dieser<br />

vier Anforderungsbereiche.<br />

Vorläufig wurde ein wirtschaftliches<br />

Teilnetz im Umfang von 31,5 km festgelegt,<br />

welches aus den zur Innenstadt<br />

laufenden Hauptverkehrsachsen besteht.<br />

Der private Partner soll hierin<br />

voraussichtlich für einen Zeitraum von<br />

15 bis 25 Jahren die Erhaltung, sowie<br />

Finanzierung <strong>und</strong> Betrieb übernehmen.<br />

Als Vergütung erhält der Private periodische<br />

Zahlungen aus dem Haushalt in<br />

Abhängigkeit der erbrachten Leistung.<br />

Die erbrachte Leistung kann über die<br />

Verfügbarkeit oder über den Zustand<br />

des Netzes ermittelt werden.<br />

Im Rahmen der Machbarkeitsstudie<br />

werden zudem die Möglichkeiten zur<br />

Einbindung von Fördermitteln, die wesentlichen<br />

Rechtsfragen <strong>und</strong> die Zuordnung<br />

von Projektrisiken, insbesondere<br />

Effizienzrisiken geklärt. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist<br />

die Einbindung von Fördermitteln in ein<br />

ÖPP-Projekt unproblematisch, da die<br />

betroffene <strong>Stadt</strong> die Gelder an den Privaten<br />

weiterleiten kann. Entscheidend<br />

für die Vergabephase ist hierbei, dass die<br />

Förderzusage <strong>und</strong> damit die Höhe der<br />

zur Verfügung stehenden Mittel im Vorfeld<br />

bekannt ist, sodass die Bieter ihre<br />

Angebotskalkulation hieran orientieren<br />

können.<br />

Zusätzlich zu den Fördermitteln können<br />

generell auch Finanzmittel aus der<br />

Erhebung von Anliegerbeiträgen eingeb<strong>und</strong>en<br />

werden. Dies kann einerseits für<br />

die erstmalige Herstellung in Form von<br />

Erschließungsgebühren oder andererseits<br />

in Form von Straßenbaubeiträgen/<br />

Straßenausbaubeiträgen erfolgen. Für<br />

das PPP-Projekt der <strong>Stadt</strong> Brandenburg<br />

sind vor allem Straßenbaubeiträge für<br />

die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten<br />

Straßen, Wege <strong>und</strong> Plätze als Ersatz<br />

des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung,<br />

Erweiterung, Erneuerung <strong>und</strong><br />

Verbesserung öffentlicher Einrichtungen<br />

<strong>und</strong> Anlagen nach dem Kommunalabgabengesetz<br />

für das <strong>Land</strong> Brandenburg<br />

(KAG) relevant. Ausgeschlossen ist allerdings<br />

eine Beitragserhebung für die laufende<br />

Unterhaltung <strong>und</strong> Instandhaltung<br />

der Straßen. Die Beiträge werden durch<br />

die <strong>Stadt</strong> erhoben <strong>und</strong> an den privaten<br />

Partner weitergeleitet.<br />

Aktuell befindet sich die Machbarkeitsstudie<br />

noch in Bearbeitung, detaillierte<br />

Aussagen zur technischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Umsetzbarkeit können daher<br />

noch nicht getroffen werden. Laut<br />

einer aktuellen Pressemitteilung wird<br />

derzeit eine Studie zur Erfassung des<br />

Zustands der Fahrwege anhand einer<br />

Fotodokumentation durchgeführt. Die<br />

hierdurch gewonnenen Daten sind auch<br />

für die Machbarkeitsstudie <strong>und</strong> die damit<br />

verb<strong>und</strong>ene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung<br />

des Pilotprojektes von Bedeutung.<br />

Zudem ist eine entsprechende<br />

Bestandsaufnahme auch notwendig für<br />

die Einführung des betriebswirtschaftlichen<br />

Rechnungswesens der <strong>Stadt</strong><br />

Brandenburg.<br />

Zusammenfassung <strong>und</strong><br />

Herausforderungen für die Zukunft<br />

Die nachfolgende Tabelle (siehe nächste<br />

Seite) fasst die wesentlichen Aspekte zu<br />

den verschiedenen Rahmenbedingungen<br />

zusammen <strong>und</strong> zeigt damit die wesentlichen<br />

Unterschiede zwischen ÖPP-Modellen<br />

im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau <strong>und</strong> bei<br />

Kommunalstraßen.<br />

Die Rahmenbedingungen der Projekte<br />

im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau <strong>und</strong> im kommunalen<br />

Bereich weisen wesentliche<br />

Unterschiede auf. Dennoch sind die<br />

jeweiligen Ziele der Einbindung privatwirtschaftlicher<br />

Unternehmen in die<br />

einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette<br />

der Beschaffung von Verkehrsinfrastruktur<br />

auf den unterschiedlichen<br />

föderalen Ebenen eng miteinander verknüpft.<br />

Neben der früheren Realisierung<br />

wichtiger Projekte, der Orientierung<br />

von Ausgaben am Lebenszyklusansatz,<br />

Förderung von Innovationen im Be-<br />

Nahverkehr 2010 33


34 Nahverkehr 2010<br />

Kommunale Straßen B<strong>und</strong>esfernstraßen<br />

Institutioneller Rahmen • Dezentral, je nach Projektträger • B<strong>und</strong>esauftragsverwaltung<br />

Projektvolumen • Potentiell kleinere Projektvolumina • Geringere Anzahl der Projekte<br />

• größere Projektanzahl • Große Projektvolumina<br />

Projektzuschnitt • Fokus auf Erhaltung • Fokus auf Neu- <strong>und</strong> Ausbau<br />

• geringerer Finanzierungsbedarf • (Sehr) hoher Finanzierungsbedarf<br />

Netzzuschnitt • Häufig gestückelte Netzstruktur • Zusammenhängendes Netz / Streckenabschnitt<br />

Infrastruktur • „Straße als System“ • Einzelne Streckenabschnitte (bspw. 6-spurige<br />

(inkl. Gehwegen, Ampeln, etc.) Autobahn, Brücken, Auffahrten, etc.)<br />

Vergütungsstruktur • im Wesentlichen • Übertragung des Verkehrsmengenrisikos möglich<br />

Verfügbarkeitsmodelle • Schattenmaut bzw. Verfügbarkeitselemente möglich<br />

reich Bau, Betrieb <strong>und</strong> Erhaltung wird bei B<strong>und</strong>esprojekten<br />

mit ÖPP-Projekten ein Beitrag zur Verwaltungsmodernisierung<br />

angestrebt. Mit den bisher durchgeführten Betreibermodellen<br />

im B<strong>und</strong>esfernstraßenbau können Zahlungsströme<br />

transparent gemacht <strong>und</strong> Benchmarks definiert werden.<br />

Die Modernisierung der Verwaltungsstrukturen ist auch auf<br />

kommunaler Ebene als eines der Ziele definiert. Das kommunale<br />

Vermögen soll zukünftig bilanziert <strong>und</strong> buchhalterisch<br />

abgeschrieben werden. Da die Straßeninfrastruktur häufig<br />

einen großen Anteil des Anlagevermögens der Kommunen<br />

darstellt, ist eine nachhaltige Bewirtschaftung dieses Gutes<br />

von hoher Bedeutung. Jährliche Abschreibungen verringern<br />

die Bilanzsätze <strong>und</strong> eine unterlassene Instandhaltung kann<br />

zu zusätzlichen Abschreibungen führen. Eine Bilanzierung ermöglicht<br />

Transparenz hinsichtlich der Vermögensverluste <strong>und</strong><br />

fördert somit eine nachhaltige Bewirtschaftung der Straßeninfrastruktur.<br />

Es lässt sich feststellen, dass neben einer zügigen <strong>und</strong> effizienteren<br />

Durchführung wichtiger Infrastrukturprojekte die<br />

Erkenntnisse für eine nachhaltigere Bewirtschaftung aus der<br />

Durchführung dieser Projekte für die Verwaltungen von großer<br />

Bedeutung sind. Die Entwicklung von ÖPP-Projekten im<br />

kommunalen Bereich ist derzeit noch nicht in dem Maße fortgeschritten<br />

wie auf B<strong>und</strong>esebene. Dennoch ist die die Weiterentwicklung<br />

<strong>und</strong> Optimierung der Projektzuschnitte, gerade<br />

aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Rahmenbedingungen <strong>und</strong> den<br />

damit verb<strong>und</strong>enen Herausforderungen, auch für die Weiterentwicklung<br />

der B<strong>und</strong>esfernstraßenprojekte wichtig. Die individuelle<br />

Anpassung der Leistungs- <strong>und</strong> Vergütungsstrukturen<br />

gewinnt zunehmend an Bedeutung <strong>und</strong> die aktuellen Entwicklungen<br />

bei den Betreibermodellen zeigen, dass auch hier Verfügbarkeitselemente<br />

eine wirtschaftliche Vertragsgestaltung<br />

ermöglichen.<br />

Unter der Bedingung, dass sich wirtschaftlich <strong>und</strong> technisch<br />

praktikable Projektzuschnitte mit entsprechenden Leistungsumfängen<br />

<strong>und</strong> Vergütungsstrukturen realisieren lassen, werden<br />

weitere Projekte folgen. Neben der Optimierung der Modelle<br />

<strong>und</strong> der jeweiligen Vertragsgestaltung ist eine Herausforderung<br />

für die Zukunft dabei, die hieraus resultierenden Erkenntnisse<br />

zu sammeln, entsprechend aufzubereiten <strong>und</strong> somit das wachsende<br />

Know-How für kommende Projekte zu nutzen. �


Branchenspezifische Leistungsangebote<br />

im Schienengüterverkehr<br />

Motivation, Konzepte <strong>und</strong> Vorgehensweisen zur Verlagerung von Straßengüterverkehr auf die Schiene<br />

Von Ralf Jahncke, Vorsitzender des Vorstandes der TransCare AG, Wiesbaden<br />

Obwohl seit 2002 bis zum Beginn der Wirtschaftskrise 2008 wieder vermehrt Gütertransporte auf die Schiene verlagert<br />

wurden, könnten wesentlich mehr Verlader <strong>und</strong> Logistikdienstleister den umweltfre<strong>und</strong>licheren Verkehrsträger<br />

Schiene nutzen. Anläufe seitens Industrie <strong>und</strong> Handel gab <strong>und</strong> gibt es immer wieder, doch viele Projekte scheiterten<br />

schon am Anfang. So ist der Verhandlungsprozess mit Bahnen oftmals langwieriger als mit LKW-Spediteuren. Investitionen<br />

in notwendige Infrastruktur schrecken viele Manager bereits zu Projektbeginn ab <strong>und</strong> im stressigen Tagesgeschäft<br />

wollen Logistikleiter den Aufwand, ein Schienenverkehrskonzept zu erstellen, nicht auch noch betreiben<br />

müssen.<br />

Der folgende Beitrag enthält eine<br />

Zusammenfassung der wichtigsten<br />

Ergebnisse des Arbeitskreises der B<strong>und</strong>esvereinigung<br />

Logistik (BVL) zum Thema<br />

„Branchenspezifische Leistungsangebote<br />

im Schienengüterverkehr“ Die<br />

ausführliche Dokumentation des Arbeitskreises<br />

unter Moderation von Ralf<br />

Jahncke ist auch in der BVL-Schriftenreihe<br />

Wirtschaft & Logistik 2008 erschienen.<br />

Mit Hilfe der vielfältigen, praktischen<br />

Erfahrungen der Teilnehmer des Arbeitskreises<br />

im Bereich Schiene aus den<br />

verschiedensten Branchen erfolgte die<br />

Entwicklung eines schrittweisen Vorgehens<br />

für Verlader <strong>und</strong> Logistikdienstleister<br />

auf dem Weg hin zu wirtschaftlichen<br />

Logistiklösungen mit der Schiene.<br />

Dies soll Managern <strong>und</strong> Logistikleitern<br />

aus Industrie, Handel <strong>und</strong> Dienstleistung<br />

Mut machen, sich in Zukunft (wieder)<br />

verstärkt um das Thema Schienengüterverkehr<br />

zu bemühen. Aus eigener Erfahrung<br />

wissen die Mitglieder des Arbeitskreises,<br />

wie schnell Vorurteile gegen die<br />

Bahn auf den Tisch kommen, wie oftmals<br />

wenig fachgerecht Schienenverkehrskonzepte<br />

in den Unternehmen erstellt<br />

werden <strong>und</strong> wie massiv der Widerstand<br />

gegen den Einsatz der Schiene aus den<br />

eigenen Reihen werden kann.<br />

Motivation zur Nutzung<br />

der Schiene steigt<br />

Der steigende Trend zur Verlagerung des<br />

Straßengüterverkehrs auf die Schiene<br />

zwischen 2002 <strong>und</strong> Ende 2008 liegt vor<br />

allem an der Verteuerung des Straßenverkehrs<br />

(z.B. Lkw-Maut, Fahrermangel,<br />

Folgen der Lenk- <strong>und</strong> Ruhezeitenverordnung)<br />

<strong>und</strong> der gestiegenen Belastung<br />

der Infrastruktur. Eine politisch gesteuerte<br />

Anhebung der Kosten im Straßen-<br />

güterverkehr allein wird aber zukünftig<br />

nicht automatisch zu einer Verlagerung<br />

großer Volumen auf die Schiene führen.<br />

Zu tief sitzen noch Vorurteile bei den<br />

Verladern, wie der Schienenverkehr sei<br />

teuer, die Leistungsqualität sei schlecht<br />

oder das Schienennetz sei überlastet.<br />

Vorurteile beseitigen <strong>und</strong> Transparenz<br />

über die Leistungsfähigkeit<br />

der Schiene schaffen<br />

Die sachliche Prüfung durch die Teilnehmer<br />

des Arbeitskreises zeigte jedoch,<br />

dass diese Vorurteile inzwischen weitgehend<br />

entkräftet werden können. Das<br />

Vorurteil, das Schienennetz sei überlastet,<br />

ist sogar als falsch einzustufen.<br />

Richtig ist, dass die DB Netz AG bereits<br />

umfassende Infrastrukturmaßnahmen<br />

zum Ausbau geplant <strong>und</strong> ergriffen hat,<br />

mit denen eine zusätzliche Kapazität<br />

von 50% erreicht wird. Darüber hinaus<br />

können aber auch durch eine „marktgetriebene“,<br />

optimierte Nutzung der<br />

Zugauslastung weitere 50% Steigerung<br />

erzielt werden. Somit ist eine Verdoppelung<br />

der Systemkapazität möglich.<br />

Die hohen Leistungs- <strong>und</strong> Qualitätsmerkmale<br />

der Schiene sind oft nicht bekannt<br />

bzw. transparent <strong>und</strong> werden im<br />

Markt nicht ausreichend kommuniziert.<br />

Die häufig bemängelten Laufzeiten sind<br />

wettbewerbsfähig <strong>und</strong> zuverlässig. Auch<br />

die neuen Angebote für Einzelwagen<br />

<strong>und</strong> Spotverkehre wurden nur wenig<br />

kommuniziert. Die Buchung von Spotverkehren<br />

innerhalb von 24 St<strong>und</strong>en ist<br />

bereits flexibel möglich.<br />

Darstellung von Best Practices<br />

Die beiden detailliert betrachteten Best<br />

Practice-Beispiele aus den Branchen<br />

Chemie (BASF SE, Ludwigshafen) <strong>und</strong><br />

Handel (MIGROS Genossenschafts-<br />

B<strong>und</strong>, Zürich) liefern den Beweis, dass<br />

die wirtschaftliche Nutzung der Schiene<br />

auch bei völlig unterschiedlichen Voraussetzungen<br />

machbar ist. So standen die<br />

Voraussetzungen bei BASF SE mit großen<br />

Volumina (Ganzzüge) auf wenigen<br />

Relationen, besonders schienenaffinen<br />

Gefahrgut-Transporten <strong>und</strong> Nutzung<br />

des Wettbewerbs im völligen Gegensatz<br />

zu den Voraussetzungen bei MIGROS<br />

mit kleineren Volumina (Wagengruppen,<br />

Einzelwagen), relativ weit verzweigter<br />

Netzwerklösung <strong>und</strong> bei weitgehend<br />

fehlendem Wettbewerb in der Schweiz.<br />

Aus beiden Fällen lassen sich jedoch folgende<br />

Gr<strong>und</strong>lagen für eine erfolgreiche<br />

Nutzung des Schienenverkehrs ableiten:<br />

• Zielsetzung war die Optimierung der<br />

Gesamtlogistik<br />

• Das Verständnis der Anforderungen<br />

der Schiene<br />

• Bereitschaft zur Anpassung interner<br />

Prozesse<br />

• Ein neutraler Vergleich der Verkehrsträger<br />

ohne Vorurteile über die Schiene<br />

• Vergleich aller Prozesse <strong>und</strong> aller Auswirkungen<br />

auf die Supply Chain; kein<br />

reiner Vergleich der Frachtraten Straße/Schiene<br />

Klarheit über die eigene<br />

Position gewinnen<br />

Am Anfang muss Klarheit über die eigene<br />

Position <strong>und</strong> über die möglichen<br />

Vorteile einer Verlagerung der Verkehre<br />

auf die Schiene gewonnen werden. Dies<br />

geschieht zunächst unabhängig von den<br />

infrastrukturellen <strong>und</strong> technologischen<br />

Voraussetzungen für den Schienenverkehr.<br />

Häufig beginnt man bei den Überlegungen<br />

zur Nutzung der Schiene mit<br />

der Prüfung der infrastrukturellen Voraussetzungen.<br />

Dies führt in der Regel<br />

Nahverkehr 2010 35


in eine Sackgasse, da mangels fehlender<br />

Analyse der Transport- <strong>und</strong> Logistikkosten<br />

auf der Schiene die erforderlichen<br />

Investitionen überbewertet werden.<br />

Deshalb wird hier das folgende Vorgehen<br />

empfohlen:<br />

• Grobanalyse der Transportvolumina<br />

<strong>und</strong> Relationen einschließlich Vorüberlegungen<br />

zur Konsolidierung<br />

• Hinterfragen der zeitlichen <strong>und</strong> logistischen<br />

Anforderungen<br />

• Erheben der eigenen Logistikkosten<br />

• Marktscreening zur Angebotsqualität<br />

<strong>und</strong> zu den Transportpreisen auf den<br />

stärksten Relationen<br />

• Überdenken der Supply Chain mit<br />

Schienenverkehr: Was habe ich für zusätzliche<br />

logistische Effekte?<br />

• Erste Schätzung der Optimierungspotentiale<br />

durch Verlagerung zum<br />

Schienenverkehr<br />

• Erste Schätzung der Investitionen in<br />

Infrastruktur <strong>und</strong> Veränderung bestehender<br />

interner Prozesse<br />

• Motivationsprüfung im Unternehmen:<br />

Bereitschaft zur Anpassung von internen<br />

Prozessen gegeben?<br />

Nutzungsstrategien <strong>und</strong> Verlagerungsmöglichkeiten<br />

ausarbeiten<br />

Nachdem Unternehmen ihr individuelles<br />

Optimierungspotential durch Verkehrsverlagerungen<br />

auf die Schiene ermittelt<br />

haben, müssen Nutzungsstrategien <strong>und</strong><br />

Produktionskonzepte ausgearbeitet<br />

werden. Dazu wird das folgende Vorgehen<br />

empfohlen:<br />

• Feinanalyse der Transportvolumina<br />

<strong>und</strong> relevanten Relationen<br />

• Identifizierung <strong>und</strong> Auswahl geeigneter<br />

Partner<br />

• Entwicklung eines Betriebskonzeptes<br />

für die Schiene<br />

• Prüfung freier Trassen<br />

• Ermittlung der erforderlichen Ressourcen<br />

• Nutzung bestehender Angebote<br />

• In „konzertierter Aktion“ gemeinsam<br />

mit Dritten die Schiene nutzbar machen<br />

bzw. ausbauen<br />

• Eigenes Produkt entwickeln (lone<br />

standing)<br />

• Durchführung einer Gesamtkostenrechnung<br />

• Begleitung der Umsetzung<br />

36 Nahverkehr 2010<br />

Kritische Erfolgsfaktoren<br />

<strong>und</strong> häufige Fehler<br />

Der Arbeitskreis hat folgende kritische<br />

Erfolgsfaktoren bei der Vorbereitung<br />

<strong>und</strong> Durchführung von Bahntransporten<br />

identifiziert, auf die ein besonderes<br />

Augenmerk zu legen ist:<br />

• Flexibilität/Kompromissbereitschaft<br />

für iterative Lösungen zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen,<br />

Verlader<br />

<strong>und</strong> Infrastrukturbetreiber<br />

• Rechtzeitiges Vorausplanen<br />

• Verfügbarkeit von Waggons <strong>und</strong> Rollmaterial<br />

• Verlässlichkeit des Systems – Trassenverfügbarkeit<br />

• Lösungen für schwankende Transportvolumina,<br />

eventuell durch zusätzliche<br />

Mengen durch Kooperation mit Dritten<br />

• Garantierte Einhaltung der Ankunfts-<br />

<strong>und</strong> Abfahrtzeiten – effektive Laufzeiten<br />

sind nicht immer entscheidend<br />

• Anwendbarkeit der Logistiklösung auf<br />

neue Lieferanten <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en bei stark<br />

volatilen Geschäftsbeziehungen<br />

Die Mitglieder des Arbeitskreises weisen<br />

in diesem Zusammenhang auch auf<br />

folgende, häufige Fehler hin:<br />

• Keine Segmentierung der Transportströme<br />

• Keine Nutzung von Konsolidierungsmöglichkeiten<br />

• Keine Anpassung der internen Prozesse<br />

• Ein direkter Vergleich zwischen den<br />

Frachtraten <strong>und</strong> Service Level zwischen<br />

Schiene <strong>und</strong> LKW, statt einer<br />

Betrachtung der gesamten Supply<br />

Chain<br />

• Keine Bewertung der Einsparungen<br />

bei den Gesamtprozesskosten Produktion<br />

– Lager – Transport<br />

• Die Infrastrukturplanung der Prozessentscheidung<br />

vorzuschalten sowie<br />

erforderliche Investitionen frühzeitig<br />

darstellen zu müssen<br />

• Technologie in den Mittelpunkt rücken<br />

• Vorurteilen nicht entsprechend entgegnen<br />

– Schiene ist zu schwerfällig<br />

Ansätze für branchenspezifische<br />

Leistungsangebote<br />

In Branchen mit regelmäßig hohen Transportströmen<br />

bestehen für spezialisierte<br />

private Bahnunternehmen enorme Potentiale.<br />

Dazu zählen neben den Sek-<br />

toren Automotive, Fast Moving Consumer<br />

Goods <strong>und</strong> Chemie auch Baustoffe,<br />

Holz, Papier, Montan (Kohle, Erze, Stahl)<br />

<strong>und</strong> der speditionelle Sammelgut- <strong>und</strong><br />

Paketverkehr. Die aktuellen Entwicklungen<br />

<strong>und</strong> Diskussionen, angeregt von<br />

der Industrie <strong>und</strong> den Dienstleistern beweisen:<br />

Vordenken <strong>und</strong> Handeln ist besser,<br />

als von steigenden Kosten des Straßengüterverkehrs<br />

überrollt zu werden<br />

<strong>und</strong> nachzudenken, was man tun kann,<br />

wenn es bereits zu spät ist.<br />

Daher organisieren große Staatsbahnen<br />

ihren Vertrieb vermehrt nach Industriesparten,<br />

um die individuellen Anforderungen<br />

der K<strong>und</strong>en besser zu erfüllen.<br />

So bestehen am Markt einige erfolgreiche<br />

schienengeb<strong>und</strong>ene Branchenlösungen.<br />

Derartige Systeme bilden jedoch<br />

die Ausnahme, sind meist als Insellösung<br />

implementiert <strong>und</strong> beruhen auf der Initiative<br />

der Industrie.<br />

Der Arbeitskreis hat deshalb Vorgehensweisen<br />

zur Entwicklung von Branchenlösungen<br />

diskutiert. Am Beispiel der<br />

Automobilindustrie <strong>und</strong> einer schienengeb<strong>und</strong>enen<br />

Netzwerklösung für den<br />

KEP-Markt (für Kurier-, Express- <strong>und</strong><br />

Paketdienste) werden geeignete Methoden<br />

zur Entwicklung von Branchenbahnlösungen<br />

vorgestellt.<br />

Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Die Teilnehmer des Arbeitskreises kommen<br />

im Ergebnis zu folgenden Empfehlungen<br />

für einen effizienten <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Schienengüterverkehr in<br />

der Zukunft:<br />

• Verlader müssen durch Eigeninitiative<br />

weitere Impulse auf den Bahnmarkt<br />

ausüben.<br />

• Bahnen müssen branchenspezifische<br />

Ansätze weiter entwickeln <strong>und</strong> Logistikkonzepte<br />

aus einer Hand anbieten<br />

oder externe Logistikanbieter (sogenannte<br />

Third Party Logistics Provider)<br />

müssen sich ein Transportnetzwerk<br />

auf der Schiene zulegen.<br />

• Die Schieneninfrastruktur bietet zwar<br />

noch Reserven, muss aber an den bekannten<br />

Engpässen rasch ausgebaut<br />

werden.<br />

• Die Systemkapazität (= Netzkapazität<br />

+ Zugkapazität) muss durch bessere<br />

Auslastung <strong>und</strong> Erhöhung der Paarigkeiten<br />

der Transportströme in beiden<br />

Richtungen deutlich besser genutzt<br />

werden. �


VRR geht neue Finanzierungswege im<br />

Schienenpersonennahverkehr (SPNV)<br />

Von Martin Husmann, Vorstandssprecher VRR AöR Gelsenkirchen<br />

Der Verkehrsverb<strong>und</strong> Rhein-Ruhr hat als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr ein Finanzierungsmodell<br />

entwickelt, das es den Verkehrsunternehmen ermöglicht, im Rahmen der Wettbewerbsverfahren neben Kauf oder<br />

Leasing eine weitere Finanzierungsform, nämlich das VRR-Fahrzeugfinanzierungsmodell, in Anspruch zu nehmen.<br />

Der Zugang zum Kapitalmarkt für<br />

Investitionen in SPNV Fahrzeuge<br />

hat sich sowohl für die Leasingfirmen<br />

als auch insbesondere für mittelständische<br />

Unternehmen derart verschlechtert,<br />

dass der Wettbewerb nicht mehr<br />

– wie notwendig – funktioniert. Wenn in<br />

künftigen Wettbewerbsverfahren nicht<br />

nur ein großes Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />

dominieren soll, ist es notwendig,<br />

durch die Ausweitung der Wettbewerbsverfahren<br />

die Balance wieder<br />

herzustellen.<br />

Die deutlichen Veränderungen am Kapitalmarkt,<br />

die hohen Ausgaben für den<br />

SPNV <strong>und</strong> die äußerst angespannte öffentliche<br />

Finanzlage haben den Verkehrsverb<strong>und</strong><br />

Rhein-Ruhr als Aufgabenträger<br />

für den Schienenpersonennahverkehr<br />

veranlasst, den Wettbewerb im Schienenpersonennahverkehr<br />

um die Komponente<br />

„Wettbewerb der Finanzierung<br />

der Fahrzeuge“ zu erweitern.<br />

Selbstverständlich wird den Fahrgästen<br />

weiterhin ein qualitativ hochwertiger<br />

Schienenpersonennahverkehr angeboten.<br />

Gleichzeitig wird der VRR als<br />

Aufgabenträger durch das neue Finanzierungsmodell<br />

insbesondere den mittelständischen<br />

Unternehmen den Zugang<br />

zum SPNV-Markt erleichtern, aber<br />

auch versuchen, seine eigenen Kosten<br />

zu reduzieren.<br />

Die eingetretenen Veränderungen aufgr<strong>und</strong><br />

der Finanzmarktkrise treffen<br />

Unternehmen <strong>und</strong> Leasingfirmen gleichermaßen.<br />

Die Laufzeiten der Verkehrsverträge<br />

sind überwiegend nicht<br />

identisch mit der Abschreibungsdauer<br />

der Fahrzeuge. Vor der Finanzmarktkrise<br />

war das das unternehmerische<br />

Risiko, das auch Chancen bot. Entweder<br />

setzten die Firmen die Fahrzeuge nach<br />

dem ersten Verkehrsvertrag wieder bei<br />

Aufgabenträgern ein oder sie verkauften<br />

sie mit Aussicht auf einen erträglichen<br />

Gewinn. Derzeit ist es ein wesentliches<br />

Handicap bei der Finanzierung, dass Verkehrsvertragslaufzeiten<br />

<strong>und</strong> Abschreibungszeiten<br />

nicht identisch sind. Der<br />

Ruf nach Wiedereinsatzgarantien wird<br />

laut. Das wäre jedoch eine Lösung zulasten<br />

der Aufgabenträger. Ein weiterer<br />

Gr<strong>und</strong>, das VRR-Finanzierungsmodell<br />

umzusetzen, weil es eine Alternative ist.<br />

Bislang wurden die SPNV-Verkehrsleistungen<br />

in den Wettbewerb gestellt.<br />

Die anbietenden Verkehrsunternehmen<br />

erbrachten die Betriebsleistungen komplett,<br />

das heißt, sie beschafften auf eigene<br />

Rechnung (Kauf, Miete, Leasing) die<br />

Fahrzeuge. Diese Kosten wurden durch<br />

die Unternehmen eingepreist.<br />

Künftig werden die Wettbewerbsverfahren<br />

beim VRR erweitert <strong>und</strong> zwar<br />

so, dass neben dem Angebot für die Betriebsleistungen<br />

auch ein verbindliches<br />

Angebot über die Höhe der Kaufpreise<br />

der SPNV Fahrzeuge vorgelegt werden<br />

kann – nicht muss. Das mit der Perspektive,<br />

dass, sofern das Angebot das günstigste<br />

ist, der VRR die Fahrzeuge vom<br />

Verkehrsunternehmen erwirbt, finanziert<br />

<strong>und</strong> sie gegen Zahlung einer Pacht<br />

den Unternehmen zur Erbringung der<br />

ausgeschriebenen Verkehrsleistungen<br />

zur Verfügung stellt. Der VRR tritt damit<br />

quasi an die Stelle des Leasinggebers.<br />

Die Aufgabenträger sind in Nordrhein-<br />

Westfalen als öffentlich-rechtliche<br />

Zweckverbände organisiert. Sie haben<br />

damit Zugang zu den sehr günstigen<br />

Kommunalkrediten. Hierfür haben die<br />

Banken kein Eigenkapital zu hinterlegen,<br />

sämtliche Risiken <strong>und</strong> Zuschläge entfallen.<br />

Deshalb ist auch der Zinssatz gegenüber<br />

anderen Finanzierungsformen<br />

äußerst günstig. Es ist darüber hinaus<br />

Nahverkehr 2010 37


möglich, dass bei öffentlich-rechtlichen<br />

Gebietskörperschaften eine Zinsbindung<br />

über 20 Jahre mit den Banken vereinbart<br />

werden kann, so dass das Verkehrsunternehmen<br />

über die gesamte<br />

Zeitdauer des Verkehrsvertrages mit<br />

einer festen Pacht durch den Aufgabenträger<br />

kalkulieren kann. Die für das zur<br />

Verfügung stellen der Fahrzeuge vom<br />

Aufgabenträger zu erhebende Pacht<br />

deckt lediglich die Kreditkosten (Zinsen<br />

<strong>und</strong> Tilgung) sowie einen minimalen Zuschlag<br />

ab. Aus diesem Zuschlag werden<br />

die zu zahlenden Steuern <strong>und</strong> die entstehenden<br />

Controllingaufwendungen<br />

beim Aufgabenträger finanziert.<br />

Der Charme dieses Modells liegt insbesondere<br />

auch darin, dass im Rahmen<br />

des Wettbewerbserfahrens es dem<br />

Unternehmen möglich ist, Optimierungsvorschläge<br />

für Betriebsabläufe, Betriebsumläufe<br />

<strong>und</strong> den Fahrzeugeinsatz<br />

zu unterbreiten. Der Aufgabenträger<br />

ist also zunächst flexibel, welche Fahrzeuge<br />

angeboten werden. Hierbei soll<br />

berücksichtigt werden, dass anbietende<br />

Unternehmen vorhandene Werkstattkapazitäten<br />

optimaler nutzen können <strong>und</strong><br />

dadurch ein niedrigerer ZugKm-Preis<br />

angeboten werden kann.<br />

Es wird deutlich herausgestellt, dass der<br />

VRR als Aufgabenträger nicht unternehmerisch<br />

tätig werden möchte, sondern<br />

Die Hamburger S-Bahn<br />

38 Nahverkehr 2010<br />

lediglich eine Hilfestellung für mittelständische<br />

Unternehmen anbietet <strong>und</strong><br />

regulierend auf den Wettbewerbsmarkt<br />

einwirkt. Der Gr<strong>und</strong>satz, jeder soll das<br />

machen, was er am besten kann, ist<br />

dabei die Leitlinie. Aufgabe der Unternehmen<br />

ist es, die Betriebsleistungen zu<br />

erbringen <strong>und</strong> die Fahrzeuge zu warten,<br />

Aufgabe der öffentlichen Hand, hier des<br />

Verkehrsverb<strong>und</strong>es Rhein-Ruhr, ist es,<br />

die Finanzierung sicherzustellen <strong>und</strong><br />

zwar zu vertretbaren Konditionen. Das<br />

Modell zeichnet sich durch folgende<br />

Kernpunkte aus:<br />

• Es wird nicht zwingend vorgegeben.<br />

Die Bieter haben die Möglichkeit, diese<br />

Finanzierungsart oder wie bisher,<br />

Kauf oder Leasing, anzubieten.<br />

• Das Modell erhält nur dann den Zuschlag,<br />

wenn es wirtschaftlicher ist als<br />

ein Angebot mit bisheriger Finanzierung.<br />

• Der VRR wird die Fahrzeugbeschaffungskosten<br />

über 20 Jahre annuitätisch<br />

tilgen <strong>und</strong> den Verkehrsvertrag<br />

über 20 Jahre mit dem Unternehmen<br />

abschließen.<br />

• Der Zinssatz für das Finanzierungsdarlehen<br />

wird durch den VRR in einem<br />

weiteren Wettbewerbsverfahren neutral<br />

ermittelt.<br />

• Nach Vorliegen des Fahrzeugpreises<br />

ermittelt der VRR mit einer vorher<br />

Die Entwicklung des S-Bahn-Systems in der Metropolregion Hamburg seit 1906<br />

Von Michael Hüttel, Leiter Angebotsplanung der S-Bahn Hamburg GmbH<br />

festgelegten Pachtformel die Pacht.<br />

• Betriebspreis <strong>und</strong> Pacht bilden den<br />

Euro-ZugKm-Preis auf den der Zuschlag<br />

erteilt wird.<br />

• Erhält das Angebot mit dem Finanzierungsmodell<br />

den Zuschlag, erwirbt<br />

das EVU vom Hersteller die Fahrzeuge<br />

<strong>und</strong> veräußert sie unmittelbar<br />

weiter an den Aufgabenträger VRR.<br />

Der finanziert sie <strong>und</strong> stellt sie dem<br />

Unternehmen gegen Zahlung einer<br />

Pacht wieder zur Verfügung.<br />

• Die Wartungs- <strong>und</strong> Instandhaltungsarbeiten,<br />

die Versicherungs- kosten <strong>und</strong><br />

sonstige Lasten, verbleiben beim EVU<br />

<strong>und</strong> sind einzupreisen.<br />

• Nach Ablauf des Verkehrsvertrages<br />

<strong>und</strong> Tilgung des Kredites verfügt der<br />

VRR frei über die Fahrzeuge. Es sind<br />

seine Fahrzeuge. Er kann dann bestimmen,<br />

ob er sie für weitere Betriebsleistungen<br />

in seinem Bereich einsetzt<br />

oder verkauft werden.<br />

Der VRR verspricht sich von seinem<br />

Finanzierungsmodell einen wirtschaftlichen<br />

Einsatz der öffentlichen Mittel<br />

<strong>und</strong> einen erleichterten Marktzugang<br />

für mittelständische Unternehmen bei<br />

Vergabe der Betriebsleistungen für<br />

den Schienenpersonennahverkehr. Das<br />

Modell ist so angelegt, dass der Markt<br />

entscheidet, wie die Fahrzeuge in der<br />

Zukunft finanziert werden. �<br />

Im Dezember 1906 begann das Zeitalter des S-Bahn-Verkehrs in Hamburg. Zur Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs<br />

fuhr der erste Zug der Hamburg-Altonaer <strong>Stadt</strong>- <strong>und</strong> Vorortbahn auf der neuen Strecke zwischen Blankenese <strong>und</strong><br />

Ohlsdorf: In den folgenden Jahrzehnten wurden aus Dampfzügen elektrisch betriebene S-Bahnen, zuerst mit Wechselstrom<br />

(1907-1955), dann mit Gleichstrom ab 1940. Seit 2007 werden beide Traktionsarten verwendet.<br />

Die erste Strecke zwischen den Elbvororten<br />

<strong>und</strong> dem Alstertal wuchs Richtung<br />

Poppenbüttel (1924) <strong>und</strong> Wedel<br />

(1950-54). 1958 kam der Bergedorfer<br />

Streckenast hinzu, der 1969 bis Aumühle<br />

verlängert wurde. Dies geschah auf<br />

den Gleisen der Hauptstrecke Hamburg<br />

– Berlin, die in Folge der deutschen Teilung<br />

nur wenig durch Fern- <strong>und</strong> Güterzüge<br />

genutzt wurde <strong>und</strong> sich daher mit<br />

einem dichten S-Bahn-Verkehr belegen<br />

ließ. In den Jahren 1962 bis 1967 ent-<br />

stand neben der Fernbahn die Pinneberger<br />

Gleichstrom-S-Bahn-Strecke,<br />

1975 bis 1979 die City-S-Bahn durch<br />

die Hamburger Innenstadt. Anfang der<br />

1980er Jahre gab es mit der Verbindung<br />

Diebsteich – Altona <strong>und</strong> dem zweiten<br />

Bahnsteig am Hauptbahnhof einige nur<br />

scheinbar kleinere Netzergänzungen,<br />

die schließlich 1983 <strong>und</strong> 1984 in die Eröffnung<br />

der neuen Gleichstrom-S-Bahn<br />

nach Harburg <strong>und</strong> Neugraben mündeten.<br />

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands<br />

<strong>und</strong> dem daraus resultierenden<br />

Verkehrszuwachs wurde es notwendig,<br />

die S-Bahn-Züge zwischen Hamburger<br />

Innenstadt, Bergedorf <strong>und</strong> Aumühle von<br />

der Fernbahntrasse Hamburg – Berlin<br />

auf separate Gleise zu verlagern. Der<br />

erste Abschnitt dieser Strecke zwischen<br />

Berliner Tor <strong>und</strong> Reinbek ging 1997 in<br />

Betrieb, 2002 wurde auch Aumühle angeschlossen.<br />

Seine bislang letzten Erweiterungen er-


fuhr das Hamburger S-Bahn-Netz 2007<br />

<strong>und</strong> 2008: Seit fast zwei Jahren überwinden<br />

S-Bahn-Züge auf ihrem Weg zwischen<br />

der Hamburger Innenstadt <strong>und</strong><br />

dem niedersächsischen Stade nicht nur<br />

die <strong>Land</strong>esgrenze, sondern auch diejenige<br />

zwischen Wechsel- <strong>und</strong> Gleichstrom.<br />

Die neue Zweistrom-Fahrzeugtechnik<br />

bietet für das bisher geschlossene<br />

Gleichstrom-System die Möglichkeit,<br />

auch ohne unüberschaubare Infrastrukturkosten<br />

über seine bisherigen Grenzen<br />

hinaus zu wachsen. Im Dezember 2008<br />

schließlich ging mit der S-Bahn zwischen<br />

Ohlsdorf <strong>und</strong> dem Hamburger Flughafen<br />

die vorerst letzte Strecke in Betrieb.<br />

Das Hamburger S-Bahn-Netz hat heute<br />

eine Länge von 147 Kilometern. Fünf<br />

Streckenäste vereinigen sich zwischen<br />

Altona/ Holstenstraße im Westen <strong>und</strong><br />

dem Hauptbahnhof im Osten zu zwei<br />

Innenstadtstrecken (Verbindungsbahn<br />

<strong>und</strong> City-S-Bahn). Über 68 Stationen<br />

besteht Zugang zu den Zügen.<br />

Von den sechs Linien im S-Bahn-Netz<br />

bilden die Linien S1, S21, S3 <strong>und</strong> S31 das<br />

Gr<strong>und</strong>gerüst, während die Linien S11<br />

<strong>und</strong> S2 das System ergänzen. Im städtischen<br />

Raum verkehrt zwischen vier<br />

<strong>und</strong> ein Uhr als Gr<strong>und</strong>angebot alle 20<br />

Minuten ein Zug auf jeder Strecke. Zwischen<br />

5:30 Uhr (am Wochenende etwa<br />

7:00 Uhr) <strong>und</strong> 23 Uhr wird dieses Angebot<br />

im dichter besiedelten <strong>Stadt</strong>gebiet<br />

zu einem 10-Minuten-Takt verdichtet.<br />

Durch Überlagerung von Linien auf den<br />

Ästen verkehren die S-Bahnen zum Teil<br />

noch häufiger. Auf dem Streckenabschnitt<br />

Neugraben – Stade ist das Angebot der<br />

Nachfrage entsprechend etwas geringer.<br />

Basis ist ein St<strong>und</strong>entakt, der zwischen<br />

Neugraben <strong>und</strong> Buxtehude tagsüber zu<br />

einem 20-Minuten-Takt (Wochenende:<br />

30-Minuten-Takt) <strong>und</strong> in der Hauptverkehrszeit<br />

zu einem 10-Minuten-Takt<br />

verkürzt wird. Zwischen Buxtehude <strong>und</strong><br />

Stade werden in der Hauptverkehrszeit<br />

bis zu drei Zugfahrten in der St<strong>und</strong>e<br />

angeboten. Für den Fahrplan stehen<br />

insgesamt 164 dreiteilige Fahrzeuge<br />

der Baureihen 472/ 473 <strong>und</strong> 474 sowie<br />

474.3 (Zweistrom-Fahrzeuge) zur Verfügung.<br />

Diese fahren allein oder auch im<br />

Verb<strong>und</strong> zu zwei oder drei Einheiten.<br />

Pro Einheit können bis zu 534 Personen<br />

(Summe aus Sitz- <strong>und</strong> Stehplätzen) befördert<br />

werden; im Regelbetrieb gilt<br />

allerdings eine am K<strong>und</strong>en orientierte<br />

Vorgabe von maximal 400 Menschen.<br />

Eine Kapazitätssteuerung erfolgt durch<br />

die Verlängerung <strong>und</strong> Verkürzung von<br />

Zügen, teilweise auch während ihres<br />

Laufweges. 580.000 Menschen nutzen<br />

an Werktagen die Züge der Hamburger<br />

S-Bahn <strong>und</strong> legen mit ihnen im Schnitt<br />

acht Kilometer zurück. Dabei kommt<br />

ein Drittel aller Fahrgäste aus dem Bereich<br />

südlich der Elbe.<br />

Zeitgemäßer <strong>Stadt</strong>verkehr<br />

mit der S-Bahn Hamburg GmbH<br />

Seit fast 13 Jahren wird das Hamburger<br />

S-Bahn-System von der S-Bahn Ham-<br />

burg GmbH betrieben. Sie wurde am 1.<br />

April 1997 rückwirkend zum 1. Januar<br />

desselben Jahres als h<strong>und</strong>ertprozentige<br />

Tochtergesellschaft der DB <strong>Regio</strong> AG<br />

gegründet.<br />

Mit ihrem Start verb<strong>und</strong>en war ein<br />

großes Investitionsprogramm: Von 1997<br />

bis 2001 wurden 103 neue Fahrzeuge<br />

der Baureihe 474 geliefert, mit deren<br />

Hilfe die aus den Jahren 1939 bis 1969<br />

stammenden Züge der Baureihen 471<br />

<strong>und</strong> 470 abgelöst werden konnten. 60<br />

Fahrzeuge der Baureihe 472 aus den<br />

1970er <strong>und</strong> 1980er Jahren wurden im<br />

Fahrgastbereich zeitgemäß modernisiert.<br />

Zur fachgerechten Wartung der<br />

neuen Fahrzeuge wurde die Instandhaltungswerkstatt<br />

am Standort Ohlsdorf<br />

teilweise neu gebaut.<br />

Auf den Stationen wurden neue, dynamische<br />

Zuganzeiger installiert. Im<br />

Gegensatz zu den alten Faltblattanzeigen<br />

können hier zusätzlich die verbleibenden<br />

Minuten bis zur nächsten Zugfahrt<br />

sowie Informationen zu Baustellen<br />

<strong>und</strong> Sonderveranstaltungen dargestellt<br />

werden. Neu waren auf den Stationen<br />

Nahverkehr 2010 39


auch die kombinierten Notruf- <strong>und</strong> Informationssäulen.<br />

Im Hintergr<strong>und</strong> zu diesen für den Fahrgast<br />

sichtbaren Verbesserungen stand<br />

eine gr<strong>und</strong>legende Modernisierung des<br />

Betriebsleitsystems. Die Zugabfertigung<br />

wurde von einer Abfertigungszentrale<br />

auf den Triebfahrzeugführer verlagert.<br />

Dadurch konnten die bisher zur Abfertigung<br />

eingesetzten Personale in einer<br />

neuen Servicezentrale sich nahezu ausschließlich<br />

dem K<strong>und</strong>enservice widmen.<br />

Doch wurde ab 1997 nicht nur viel Geld<br />

in die Technik investiert. Der Dienst am<br />

K<strong>und</strong>en wurde ausdrücklich in den Mittelpunkt<br />

allen Handelns gestellt: Hohe<br />

Pünktlichkeit, gute Information, hohe<br />

objektive <strong>und</strong> subjektive Sicherheit sollen<br />

ein qualitativ wie quantitativ gutes<br />

Angebot begleiten.<br />

Mit der Gründung der S-Bahn Hamburg<br />

GmbH fiel die Neuorganisation<br />

auch des öffentlichen Verkehrsmarktes<br />

in Hamburg zusammen. Der Hamburger<br />

Verkehrsverb<strong>und</strong>, zuvor ein Zusammenschluss<br />

der Verkehrsunternehmen,<br />

veränderte sich zur Besteller- <strong>und</strong> Koordinationsorganisation<br />

für die <strong>Stadt</strong><br />

Hamburg <strong>und</strong> die sie umgebenden Länder<br />

<strong>und</strong> <strong>Land</strong>kreise. Ein neuer Verb<strong>und</strong>vertrag<br />

wurde abgeschlossen, der wirtschaftliches<br />

<strong>und</strong> eigenständiges Handeln<br />

der Verkehrsunternehmen in den Vordergr<strong>und</strong><br />

stellte.<br />

Die S-Bahn Hamburg GmbH nahm diese<br />

Herausforderung gern an. Eine Möglichkeit<br />

zur Konsolidierung bot die Abschaffung<br />

der 1. Klasse in ihren Zügen. Damit<br />

40 Nahverkehr 2010<br />

konnten nicht nur<br />

einem größeren<br />

Teil der Fahrgäste<br />

wieder Sitzplätze<br />

im Berufsverkehr<br />

angeboten werden<br />

– immerhin war<br />

zuvor ein Drittel<br />

jedes Zuges der 1.<br />

Klasse vorbehalten.<br />

Auch der Aufwand<br />

sank, da die<br />

Zuschläge lange<br />

nicht die Kosten<br />

der Vorhaltung<br />

der Fahrzeuge<br />

deckten.<br />

Wesentlicher war<br />

jedoch die Freiheit,<br />

die man im<br />

Bereich der Angebotsfortentwicklung<br />

gewann. In<br />

Kooperation mit der Handelskammer<br />

Hamburg wurde der Schienenanschluss<br />

des Hamburger Flughafens auf den Weg<br />

gebracht. Gr<strong>und</strong>lage war das ökonomische<br />

„Flügel-“ Konzept, das auf der<br />

Linie S1 an der Station Ohlsdorf seit<br />

Dezember 2008 erfolgreich praktiziert<br />

wird. Eine Zugeinheit verkehrt von hier<br />

zum Flughafen, die zweite auf dem traditionellen<br />

Linienweg nach Poppenbüttel.<br />

In Gegenrichtung werden die zwei<br />

Zugeinheiten in Ohlsdorf zu einem Zug<br />

zusammengekuppelt.<br />

Die „Verlängerung der S-Bahn über<br />

Neugraben hinaus bis Buxtehude“ war<br />

seit Mitte der 1990er Jahre Leitprojekt<br />

der Metropolregion Hamburg. Da die<br />

Buxtehude nach Umbau für Zweistromzüge<br />

Kosten einer Gleichstrom-S-Bahn-Strecke<br />

auf eigenem Gleiskörper weitgehend<br />

bekannt <strong>und</strong> als zu hoch verworfen<br />

worden waren, ließen der <strong>Land</strong>kreis<br />

Stade <strong>und</strong> die S-Bahn die Möglichkeiten<br />

des Einsatzes von Zweistrom-Technik<br />

prüfen. Die Gutachter empfahlen den<br />

Einsatz von Zweistrom-Fahrzeugen, die<br />

sowohl im Gleichstrom-Netz der S-<br />

Bahn als auch im Wechselstrom-Netz<br />

der Fernbahn fahren können. Höheren<br />

Fahrzeuginvestitionen stehen dabei<br />

niedrigere Infrastrukturinvestitionen gegenüber,<br />

da bestehende Strecken genutzt<br />

werden können. Neben dem Hamburger<br />

S-Bahn-System findet diese Technik Anwendung<br />

bei den <strong>Regio</strong>-Tram-Systemen<br />

in Karlsruhe, Saarbrücken <strong>und</strong> Kassel.<br />

Im Dezember 2007 wurde die neue Verbindung<br />

nach Buxtehude <strong>und</strong> Stade eröffnet<br />

<strong>und</strong> <strong>verbindet</strong> seither erfolgreich<br />

den niedersächsischen Süderelbe-Raum<br />

mit der Hamburger Innenstadt.<br />

Heute stehen neue Herausforderungen<br />

auf der Agenda der S-Bahn Hamburg<br />

GmbH: Die Flotte der Fahrzeuge der<br />

Baureihe 474 kommt allmählich in die<br />

Jahre. Ein Modernisierungsprogramm<br />

„474plus“ wurde jüngst angestoßen.<br />

Neue Sitze, verbesserte Informationssysteme<br />

im Fahrzeuginneren, dazu mehr<br />

Platz für Fahrräder <strong>und</strong> Übergänge zwischen<br />

den drei Wagen einer Zugeinheit.<br />

Dieses Programm stellt auch den Vorlauf<br />

dar für den Ersatz der älteren Fahrzeuge<br />

der Baureihe 472/ 473, der in einigen<br />

Jahren bevorsteht.<br />

Neben dieser Erneuerung des Fahrzeugparks<br />

steht eine Erweiterung des<br />

Netzes im Fokus.


Mit Zweistrom-S-Bahnen<br />

den Markt erschließen<br />

Zieht man einen Vergleich zwischen den<br />

S-Bahn-Systemen in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland, so lässt sich feststellen,<br />

dass das hamburgische System eine begrenzte<br />

Ausdehnung hat. Ursächlich ist<br />

die spezielle Gleichstrom-Elektrifizierung,<br />

durch die Netzerweiterungen einen<br />

besonderen baulichen <strong>und</strong> damit finanziellen<br />

Aufwand erfordern. Als Folge<br />

davon haben bisher viele Städte <strong>und</strong> Gemeinden<br />

der Metropolregion Hamburg<br />

nicht die qualitative <strong>und</strong> quantitative<br />

Anbindung an den Schienennahverkehr,<br />

die ihnen aufgr<strong>und</strong> ihrer Zentralität zukommen<br />

würde.<br />

Die S-Bahn Hamburg GmbH hat bereits<br />

2001 ihren eigenen Aktionsraum innerhalb<br />

der Metropolregion definiert. Dieser<br />

richtet sich an den Schienenachsen<br />

im Gebiet des Hamburger Verkehrsverb<strong>und</strong>es<br />

aus. Mit dem Einsatz von Zweistrom-S-Bahnen,<br />

wie sie seit 2007 zwischen<br />

Hamburg <strong>und</strong> Stade verkehren,<br />

besteht nun eine Möglichkeit, durch die<br />

Nutzung vorhandener Infrastruktur die<br />

zusätzlichen Kosten von Netzerweiterungen<br />

zu begrenzen <strong>und</strong> die gewünschten<br />

Verbindungen zu schaffen.<br />

Das <strong>Land</strong> Schleswig-Holstein hat dies<br />

Anfang 2008 zum Anlass genommen,<br />

im sogenannten Drei-Achsen-Konzept<br />

einen Ausbau der drei von Hamburg<br />

ins nördliche Umland reichenden Schienenstrecken<br />

zu skizzieren. Für die Achse<br />

Hamburg – Lübeck (Ostachse) lag<br />

dazu bereits ein Gutachten der S-Bahn<br />

Hamburg GmbH vor, in dem die Einrich-<br />

42 Nahverkehr 2010<br />

tung einer Zweistrom-S-Bahn bis Bad<br />

Oldesloe vorgeschlagen wurde. Da die<br />

Strecke derzeit schon dicht belegt ist,<br />

müssen zur Entflechtung von langsamen<br />

<strong>und</strong> schnellen Verkehren zwar mindestens<br />

zwischen dem S-Bahnhof Hamburg-Hasselbrook<br />

<strong>und</strong> Ahrensburg-Gartenholz<br />

im Kreis Stormarn zusätzliche<br />

Gleise errichtet werden. Für die weitere<br />

Strecke bis Bad Oldesloe wird die Einfädelung<br />

in die bestehende Hauptstrecke<br />

geprüft. Da insbesondere im Hamburger<br />

<strong>Stadt</strong>gebiet jedoch auch die Hauptgleise<br />

umgebaut würden, ließen sich durch<br />

eine Wechselstrom- gegenüber einer<br />

Gleichstrom-Elektrifizierung deutlich<br />

Kosten beim Bau sparen. Für das Pro-<br />

jekt sind derzeit Infrastrukturkosten<br />

von etwa 250 Millionen Euro (bei neuer<br />

Infrastruktur Hamburg-Hasselbrook –<br />

Ahrensburg-Gartenholz) veranschlagt.<br />

Durch das Drei-Achsen-Konzept neu<br />

ins Spiel gekommen ist die Erweiterung<br />

des S-Bahn-Netzes auf die Westachse<br />

Hamburg – Elmshorn – Itzehoe/ Neumünster.<br />

Hier geht es um die Einbindung<br />

der bestehenden <strong>Regio</strong>nalbahn-Verbindungen<br />

von Itzehoe <strong>und</strong> Neumünster in<br />

das S-Bahn-System. Diese enden derzeit<br />

im Bahnhof Hamburg-Altona, von dem<br />

aus guter S-Bahn- <strong>und</strong> Busanschluss in<br />

das Hamburger <strong>Stadt</strong>gebiet besteht. Mit<br />

der geplanten Verlagerung des Fernbahnhofs<br />

Hamburg-Altona Richtung<br />

Norden (in Höhe der heutigen S-Bahn-<br />

Station Diebsteich) würde ein wichtiger<br />

Teil dieser Anschlussmöglichkeiten verloren<br />

gehen. Dies lässt sich mit einer<br />

Zweistrom-S-Bahn-Lösung vermeiden.<br />

Dabei würden die Züge zwischen Pinneberg<br />

<strong>und</strong> Hamburg-Altona (neu) ohne<br />

Halt als „Express“ verkehren. Zweckmäßig<br />

wäre die Durchbindung der Züge<br />

aus dem Westen Richtung Ahrensburg<br />

<strong>und</strong> Bad Oldesloe, da für die Bedienung<br />

dieser beiden Strecken bis zu 140 km/h<br />

schnelle Fahrzeuge benötigt werden.<br />

Eine konventionelle Gleichstrom-S-<br />

Bahn-Lösung bietet sich derzeit für die<br />

dritte schleswig-holsteinische Achse<br />

von Hamburg Richtung Quickborn, Ulzburg<br />

<strong>und</strong> Kaltenkirchen (Nordachse)<br />

an. Hier wurden durch Gutachten bereits<br />

zwei verschiedene Möglichkeiten<br />

der Einbindung in das Hamburger S-<br />

Bahn-System geprüft. Während der<br />

Neubau einer Bahnstrecke zwischen<br />

dem Hamburger Flughafen <strong>und</strong> dem<br />

Bahnhof Norderstedt-Mitte der AKN<br />

(Eisenbahngesellschaft Altona-Kaltenkirchen-Neumünster)<br />

als Bindeglied zwischen<br />

S-Bahn- <strong>und</strong> AKN-Schienennetz<br />

aufgr<strong>und</strong> des derzeit prognostizierten<br />

Fahrgastaufkommens noch nicht finanzierbar<br />

erscheint, ist eine Verlängerung<br />

der Gleichstrom-S-Bahn auf die AKN-<br />

Strecke Hamburg-Eidelstedt – Kaltenkirchen,<br />

die in Hamburg aus einem<br />

gemeinsamen Bahnhof mit der S-Bahn<br />

startet, durchaus vorstellbar. Eine Elektrifizierung<br />

mit Gleichstrom-Stromschiene<br />

wie im Kernnetz der Hamburger S-Bahn<br />

würde Infrastrukturanpassungskosten<br />

von etwa 110 Millionen Euro erfordern.<br />

Auch wenn die Einbindung der südlich<br />

der Elbe gelegenen Verkehrsachsen nach<br />

Winsen/ Lüneburg sowie Buchholz/ Tostedt<br />

sowie der Strecke Aumühle – Büchen<br />

aufgr<strong>und</strong> der gegebenen Infrastrukturverhältnisse<br />

deutlich schwieriger<br />

erscheint, so wird die S-Bahn Hamburg<br />

GmbH auch hier prüfen, ob die dort<br />

bestehenden „langsamen“ <strong>Regio</strong>nalverkehre<br />

von Potential <strong>und</strong> Verteilung her<br />

schnellbahnfähig sind <strong>und</strong> wie sie – bei<br />

positivem Prüfergebnis – unter Einsatz<br />

von Zweistrom-Technik in S-Bahn-Linien<br />

verwandelt werden können.<br />

Den S-Bahn-Verkehr in der Metropolregion<br />

Hamburg fortwährend zu verbessern<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig finanzierbar zu halten,<br />

das ist Teil der Strategie der S-Bahn<br />

Hamburg GmbH. Mit der Zweistrom-<br />

Technik ist es der Hamburger S-Bahn<br />

gelungen, den durch ihr Gleichstromsystem<br />

geschaffenen Kreis zu durchbrechen.<br />

Sie wird auch künftig der Schlüssel<br />

sein für eine qualitative <strong>und</strong> quantitative<br />

Erweiterung des Schnellbahnverkehrs<br />

im Hamburger Raum. �


(((eTicket Deutschland<br />

Von Drs. Ing. Sjef Janssen, VDV-Kernapplikations GmbH & Co. KG, Köln<br />

Einführung: Dem Fahrschein kommt (innerhalb eines Verkehrsunternehmens) eine hohe Bedeutung zu. Er ist nicht nur<br />

der Vertrag zwischen Fahrgast <strong>und</strong> Verkehrsdienstleister, sondern auch Träger des Tarifs <strong>und</strong> sorgt damit für die Einnahmen.<br />

Fahrschein, Tarif <strong>und</strong> Vertrieb sind eng miteinander verknüpft; hinter einer offensichtlich einfachen Oberfläche<br />

verbirgt sich oft eine komplexe Welt im Hintergr<strong>und</strong>. Über Jahrzehnte wurde der Fahrschein auf Papier gedruckt.<br />

Ab den 70er Jahren setzte dann eine breite Entwicklung zur Modernisierung ein.<br />

Bis Mitte der 80er Jahre kam es europaweit<br />

zu einem verstärkten Einsatz<br />

von elektrisch-mechanischen Fahrscheindruckern<br />

<strong>und</strong> Vorverkaufsgeräten.<br />

Ab Mitte der 80er Jahre wurden insbesondere<br />

im europäischen Ausland geschlossene<br />

Magnetkartensysteme eingeführt;<br />

von dieser Technik versprach man<br />

sich eine höhere Zuverlässigkeit, mehr<br />

Produkte im Sortiment <strong>und</strong> bessere Managementinformationen.<br />

In Deutschland<br />

wurden insbesondere durch Verkehrsverbünde<br />

integrierte Tarifsysteme eingeführt.<br />

Seit Mitte der 90er Jahre kommen<br />

Chipkarten zum Einsatz. Im Fokus stehen<br />

hier die Flexibilität der Tarife, die<br />

Möglichkeiten neuer Vertriebswege <strong>und</strong><br />

Marketingplattformen <strong>und</strong> die Bequemlichkeit<br />

für den Fahrgast. In diesem Aufsatz<br />

wird die 3. Phase der Entwicklung in<br />

Deutschland betrachtet.<br />

Hintergründe<br />

Weshalb elektronisches Fahrgeld<br />

Management (EFM)?<br />

Papierbasierte Tarif- <strong>und</strong> Verkaufskonzepte<br />

stoßen immer mehr an ihre Grenzen<br />

der Möglichkeiten. Der VDV signalisierte<br />

schon im Jahre 2001 dafür die<br />

folgenden wichtigsten Gründe 1 :<br />

• Eine abnehmende Akzeptanz bei den<br />

Fahrgästen das notwendige Wissen<br />

bezüglich des Fahrplans, der Preisermittlung,<br />

der Fahrkartenbeschaffung<br />

<strong>und</strong> der Bezahlung betreffend;<br />

• Eine zunehmende Unsicherheit bei<br />

den Fahrgästen bezüglich des Erwerbs<br />

des richtigen Fahrscheins bei ausgeweiteten<br />

Tarifgebieten;<br />

• Bereithaltung höherer Kleingeldbeträge<br />

für Fahrkartenautomaten durch<br />

Tariferhöhungen;<br />

• Zunehmende Betriebskosten für die<br />

Unternehmen durch Beschaffung<br />

<strong>und</strong> Unterhaltung komplizierter Automaten.<br />

Auch die Kostensteigerung<br />

durch Vandalismus soll hierbei nicht<br />

außer Acht gelassen werden;<br />

Die Gründe für die Einführung von EFM<br />

im ÖPV können sehr unterschiedlich<br />

sein <strong>und</strong> sich außerdem im Laufe der<br />

Zeit ändern. So signalisiert Dean im Jahre<br />

1997 2 folgende Gründe für die Einführung<br />

der Chipkarte in London:<br />

• Reduzierung der Haltezeiten im Busverkehr;<br />

• Schnellere Zugangskontrollen beim<br />

Schienenverkehr (Anwendung von<br />

Sperren);<br />

• Bequemlichkeit für den Fahrgast <strong>und</strong><br />

Reduzierung des Schwarzfahrens;<br />

• Festlegung von Fahrtdaten.<br />

Das in 1997 eingeführte Chipkartensystem<br />

in Hongkong beruhte vor allem auf<br />

den (zu) hohen Selbstkosten der Magnet-Streifenkarte<br />

der U-Bahn 3 . Eine<br />

UITP-Studie von 7 großen Chipkartenprojekten<br />

aus dem Jahre 2002 4 erkennt<br />

diese Faktoren auch, aber fügt auch<br />

deutlich neue Gründe <strong>und</strong> Überlegungen<br />

hinzu. Die spezifischen Einsparungsmöglichkeiten<br />

vergrößern sich dank besserer<br />

Datenlage in den Bereichen Frequenzerhebungen,<br />

Fahrgastbefragungen <strong>und</strong><br />

Marktforschung. Weiter gibt es Potential<br />

für Mehrerträge dank neuer Möglichkeiten<br />

für Preisgestaltung, Marketing<br />

(z.B. K<strong>und</strong>enbindung, CRM), Intermodalität,<br />

bessere Marktkenntnisse, Wegfall<br />

von Zutrittsbarrieren <strong>und</strong> besseres<br />

ÖPV-Image. An dritter Stelle seien die<br />

nicht monetären Nutzenkomponenten<br />

(„Social Benefits“) erwähnt, wie höhere<br />

„Convenience“ für den K<strong>und</strong>en oder<br />

der Erhalt eines modernen, trendigen<br />

Ticketsystems durch den K<strong>und</strong>en.<br />

Diese neueren Gründe sind als ein<br />

eindeutiges Signal zu betrachten, das<br />

die traditionelle Rolle der Verkehrsunternehmen<br />

als Transporteur von<br />

Beförderungsfällen sich in Richtung<br />

Dienstleistungsunternehmen mit einem<br />

offenen Auge für die K<strong>und</strong>enanforderungen<br />

bewegt <strong>und</strong> – gleichzeitig – als<br />

Signal für die Erhöhung der Tarifeinnahmen.<br />

Gerade durch die aktuellen Kürzungen<br />

der Mittel für den ÖPV ist es<br />

unbedingt notwendig die Einnahmen aus<br />

dem Fahrscheinverkauf zu steigern 5 . Das<br />

eTicket wird von mehreren Autoren als<br />

das einzige Instrument gesehen, das es<br />

ermöglicht, sowohl den Herausforderungen<br />

des Verkehrsmarktes, als auch<br />

den Anforderungen der zukünftigen<br />

Mobilitätskonsumenten in einer nachhaltigen<br />

Weise zu entsprechen 6,7,8 .<br />

Chipkartenprojekte<br />

in den 90-Jahren<br />

Das Projekt „Fahrsmart“ in Oldenburg<br />

<strong>und</strong> Lüneburg war 1990/1991 der deutsche<br />

Einstieg in die Chipkartenanwendung<br />

im ÖPV. Circa 1995 kamen die<br />

PayCard <strong>und</strong> die Geldkarte in Betrieb.<br />

Die PayCard war vom VDV, der DB AG<br />

<strong>und</strong> der Deutschen Telekom entwickelt<br />

worden, während die Geldkarte eine<br />

Entwicklung der deutschen Kreditinstitute<br />

war. Beide Karten waren kontaktbehaftet<br />

<strong>und</strong> wurden bei einer großen<br />

Anzahl von Verkehrsunternehmen als<br />

Bezahlmittel eingeführt.<br />

Als größere Pilotprojekte sollen Berlin,<br />

die Linie 16 in Köln-Bonn <strong>und</strong> Hanau<br />

(Rhein-Main Verkehrsverb<strong>und</strong>) erwähnt<br />

werden, die ab 1999 in Betrieb<br />

genommen wurden. Ein gemeinsames<br />

Merkmal von diesen Projekten war die<br />

Anwendung von Check in – Check out<br />

Verfahren, ansonsten waren die Projekte<br />

sehr verschieden. Die Vielzahl an<br />

Projekten (siehe Abbildung 1, nächste<br />

Seite) machte klar, dass aus technischer<br />

Sicht eine Zersplitterung drohte: Dort<br />

wo in den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren durch<br />

Einführung von Verkehrsverbünden <strong>und</strong><br />

Tarifgemeinschaften die Zugangshemmnisse<br />

für die Fahrgäste abgebaut wurden,<br />

führten die vielen Chipkartenprojekte<br />

zu Insellösungen <strong>und</strong> schafften damit<br />

neue Zugangshemmnisse.<br />

Nur durch Standardisierung <strong>und</strong> Interoperabilität(=unternehmensübergreifend!)<br />

ließe sich die neue Technologie<br />

einsetzen. Deshalb hat das VDV-Präsidium<br />

in 1999 den Beschluss gefasst,<br />

„die Schnittstellen des elektronischen<br />

Fahrgeldmanagements <strong>und</strong> deren Realisierungsformen<br />

gegenüber den K<strong>und</strong>en<br />

Nahverkehr 2010 43


Norderney<br />

VRS<br />

Oldenburg<br />

VGN<br />

zu vereinheitlichen“ <strong>und</strong> „Das Präsidium<br />

beauftragt den VDV, die Entwicklung dieser<br />

Systeme voranzutreiben“ 1 :<br />

Idee <strong>und</strong> Konzept<br />

der Kernapplikation<br />

Interoperabilität<br />

Die VDV-Kernapplikation ist die Idee<br />

eines Standards, die die Einführung des<br />

elektronischen Fahrgeldmanagements<br />

in einzelnen Verkehrsunternehmen <strong>und</strong><br />

-verbünden mit dem Gr<strong>und</strong>satz der Interoperabilität<br />

verbinden möchte. Die<br />

Vision der Kernapplikation ist es, mit<br />

einem neuen Standard Insellösungen zu<br />

vermeiden <strong>und</strong> den Fahrgästen ein elektronisches<br />

Ticket an die Hand zu geben,<br />

das deutschlandweit funktioniert 12 .<br />

Der VDV hat frühzeitig beschlossen, dass<br />

eine migrative Einführung verschiedener,<br />

den örtlichen Verhältnissen angepasster<br />

Varianten, die auch längerfristig neben-<br />

44 Nahverkehr 2010<br />

Sylt<br />

Koblenz<br />

VRR<br />

Saarbrücken<br />

Pforzheim<br />

Kiel<br />

Hamburg<br />

Hamburg-Bergedorf<br />

Bremen<br />

Lüneburg<br />

Hannover<br />

Kassel<br />

Marburg<br />

Frankfurt<br />

Aalen<br />

Stuttgart<br />

Riesa<br />

Tübingen<br />

Reutlingen<br />

Ulm<br />

München<br />

Ravensburg<br />

Konstanz<br />

Kempten<br />

Berlin<br />

Chemnitz<br />

Vogtland<br />

Dresden<br />

Abbildung 1: Übersicht über Chipkartenprojekte in den 90er Jahren in Deutschland<br />

Quelle: Eigene Zusammenstellung<br />

einander bestehen können müssen, im<br />

Mittelpunkt der Strategie stehen sollten.<br />

Deswegen ist die Einheitlichkeit dieser<br />

einzelnen Stufen <strong>und</strong> deren passgenaues<br />

Zusammenspiel auch über Grenzen<br />

hinweg ein wesentliches Element der<br />

Strategie. Das elektronische Fahrgeldmanagement<br />

besteht in der Praxis aus<br />

einem mehrstufigen Ansatz:<br />

Das eBezahlen:<br />

der bargeldlose Kauf eines Papierfahrscheins.<br />

Das eTicket:<br />

ein elektronisches Ticket auf der (((eTicket<br />

Karte.<br />

Die automatisierte<br />

Ticketerfassung:<br />

automatische Fahrpreisberechnung<br />

durch Nutzung der (((eTicket-Werteinheiten-Karte<br />

oder der kontogeb<strong>und</strong>enen<br />

(((eTicket-Karte. Diese Stufe ermöglicht<br />

die vollständige Ablösung des<br />

konventionellen Tarifs durch eine elektronische<br />

Tarifierung. Damit erschließen<br />

sich neue Gestaltungsspielräume <strong>und</strong><br />

bisher nicht realisierbare Differenzierungs-<br />

<strong>und</strong> Steuerungsmöglichkeiten in<br />

vollem Umfang.<br />

Die vorgenannten Varianten sind aufwärts<br />

<strong>und</strong> abwärts kompatibel. Das<br />

heißt bei jeder Ausgabe eines eTicket-<br />

Mediums wählt der K<strong>und</strong>e aus dem vom<br />

Unternehmen angebotenen Zahlvarianten<br />

eine aus. Mit dieser Zahlvariante<br />

kann er sich dann – insbesondere bei<br />

Angeboten im Gelegenheitsverkehr –<br />

eTickets kaufen oder an der automatisierten<br />

Fahrpreisfindung teilnehmen.<br />

Projektengagement<br />

Der öffentliche Personennahverkehr<br />

(ÖPNV) in Deutschland ist durch hohe<br />

Investitionen – auch öffentlicher Mittel<br />

– auf einem sehr guten Niveau. Die<br />

Zuständigkeit liegt bei den Ländern. Im<br />

Sinne der K<strong>und</strong>en ist aber aufgr<strong>und</strong> der<br />

extremen Vernetzung der Agglomerationsräume<br />

in Deutschland <strong>und</strong> der damit<br />

verb<strong>und</strong>enen – tarifgrenzenüberschreitenden<br />

– Mobilität eine Koordination<br />

auch länderübergreifend notwendig. Die<br />

Ergänzung der hohen Investitionen in<br />

Netze <strong>und</strong> Fahrzeuge durch eine Modernisierung<br />

im Bereich des Tarifs <strong>und</strong><br />

Vertriebs sowie der Information ist<br />

wichtig, um den ÖPNV auch weiterhin<br />

als umweltfre<strong>und</strong>lichen <strong>und</strong> insbesondere<br />

stadtverträglichen Verkehrsträger<br />

etablieren zu können 10 .<br />

Der B<strong>und</strong> war bereit das Projekt VDV-<br />

Kernapplikation zu fördern <strong>und</strong> hat es<br />

damit möglich gemacht, den Standard in<br />

den Jahren 2002-2005 auch mit Unterstützung<br />

von Industriepartnern zu entwickeln.<br />

Im Rahmen des Forschungsprogramm<br />

<strong>Stadt</strong>verkehr 2004-2006 wurden zusätzlich<br />

zu der Entwicklung des Standards<br />

zwei weitere Themen mit Unterstützung<br />

seitens des B<strong>und</strong>es entwickelt:<br />

eine Einheitliche K<strong>und</strong>enschnittstelle für<br />

ein mehrstufiges interoperables Elektronisches<br />

Fahrgeldmanagement sowie<br />

die organisatorische Festlegungen <strong>und</strong><br />

Vertragsbeziehungen für das interoperable<br />

elektronische Fahrgeldmanagement<br />

(EFM) in Deutschland auf Basis<br />

der VDV-Kernapplikation.<br />

Auch die Einführung <strong>und</strong> Umsetzung<br />

dieses Standards wird politisch <strong>und</strong> finanziell<br />

unterstützt. Insgesamt standen<br />

€ 9,75 Millionen Fördermittel zu Verfügung<br />

die – nach Notifizierung durch die


EU – im Herbst 2008 mehreren Projekten<br />

zugewiesen wurden.<br />

Wirtschaftlichkeit<br />

Verkehrsunternehmen <strong>und</strong> Verkehrsverbünde<br />

sollen effizient <strong>und</strong> effektiv<br />

arbeiten; diese Anforderung nimmt an<br />

Bedeutung zu. Die VDV-Kernapplikation<br />

kann dazu beitragen; Ackermann nennt<br />

dazu folgende Aspekte 11 :<br />

• Die bessere Einnahmensicherung im<br />

Vergleich zum Papierfahrschein weil<br />

o eTickets fälschungssicherer sind;<br />

o eTickets gesperrt werden, wenn das<br />

Verkehrsunternehmen das Entgelt<br />

vom Konto des Abonnenten nicht<br />

abbuchen kann;<br />

o die Kontrolle von eTickets in Sek<strong>und</strong>enbruchteilen<br />

durchgeführt werden<br />

kann <strong>und</strong> die Kontrolleure im<br />

vorgegebenen Zeitraum bedeutend<br />

mehr Tickets prüfen können;<br />

• Elektronisches Fahrgeldmanagement<br />

als neue Marketingplattform zur effizienten<br />

Marktbearbeitung <strong>und</strong> k<strong>und</strong>engerechten<br />

Angebotsgestaltung;<br />

• Reduzierung der Entwicklungskosten<br />

durch Standardisierung von Systemelementen<br />

wie Entwertern, Auflade-<br />

<strong>und</strong> Kontrollgeräten. Zudem können<br />

die Hersteller höhere Stückzahlen<br />

produzieren, was sich ebenfalls positiv<br />

auf den Preis auswirkt.<br />

• Investitionssicherheit durch den offenen<br />

<strong>und</strong> frei zugänglichen Standard,<br />

insbesondere auch bei schrittweiser<br />

Einführung.<br />

Standard<br />

Der in den Jahren 2002-2005 entwickelte<br />

VDV-Kernapplikation ist ein Standard<br />

für eTicket-Anwendungen im ÖPV.<br />

Neben technischen Aspekten regelt<br />

dieser Standard das organisatorische<br />

Zusammenwirken der verschiedenen<br />

Akteure <strong>und</strong> definiert einheitliche K<strong>und</strong>enschnittstellen<br />

zur vereinfachten<br />

Handhabung für den K<strong>und</strong>en.<br />

Datenstandard <strong>und</strong> Medien<br />

Die technische Spezifikation der VDV-<br />

Kernapplikation ist ein Daten- <strong>und</strong><br />

Schnittstellenstandard: dieser beschreibt<br />

die Schnittstellen zwischen Systemelementen,<br />

weniger die Inhalte dieser Elemente,<br />

<strong>und</strong> basiert auf einem internationalen<br />

Standard (EN/ISO 24014-1) für<br />

eine funktionale Systemarchitektur von<br />

elektronischen Fahrgeld-managementsystemen.<br />

Die VDV-Kernapplikation kann auf ver-<br />

schiedenen Medien, wie Chipkarten<br />

<strong>und</strong> Handys aufgebracht werden. Voraussetzungen<br />

sind: ein leistungsfähiger<br />

Mikroprozessor-Chip <strong>und</strong> die standardisierten<br />

kontaktbehafteten (ISO 7816)<br />

<strong>und</strong> kontaktlosen (ISO IEC 14443)<br />

Schnittstellen. Diese sogenannten Dual-<br />

Interface-Chipkarten sind – versehen<br />

mit der Kernapplikation – technisch in<br />

allen Systemen des elektronischen Fahrgeldmanagements<br />

bis hin zum Check-in/<br />

Check-out einsetzbar.<br />

Die technische Einbindung von Handys<br />

ist in allen drei Stufen machbar. Für den<br />

ÖPNV ist ein Durchsetzen einer Schnittstelle<br />

nach ISO/IEC 14443 bzw. nach der<br />

NFC-Übereinkunft in das Handy sehr<br />

wünschenswert. Dies ermöglicht dann<br />

eine Kommunikation im Nahbereich für<br />

alle drei Stufen mit einer kontaktlosen<br />

Schnittstelle. Wo diese nicht zur Verfügung<br />

steht, kann alternativ auch über<br />

das Telefonnetz ein Ticket geladen <strong>und</strong><br />

bezahlt werden. Auch hierfür wurde die<br />

VDV-Kernapplikation entwickelt. 12 .<br />

Organisation/Rollenmodell<br />

Herzstück der VDV-Kernapplikation ist<br />

das sogenannte Rollenmodell: Eine formalisierte<br />

Beschreibung von Akteuren,<br />

deren Aufgabe(n), technischer (Teil)Systeme<br />

<strong>und</strong> ihres Zusammenspiels. Das<br />

Modell unterscheidet folgende Rollen: 13 :<br />

• K<strong>und</strong>e, (technisch repräsentiert durch<br />

das Nutzermedium (NM) mit der<br />

Kernapplikation)<br />

• K<strong>und</strong>envertragspartner (KVP)<br />

• Dienstleister (DL)<br />

• Produktverantwortlicher (PV)<br />

• Kontrollservice (KOSE)<br />

• Applikationsherausgeber (AH)<br />

Alles dreht sich um den Nutzer/Kun-<br />

K<strong>und</strong>envertragspartner<br />

Service Vertrieb<br />

K<strong>und</strong>enabrechnung<br />

Sicherheit<br />

Applikationsherausgeber<br />

Registrar Zertifizierung<br />

Produktabrechnung<br />

den. Der K<strong>und</strong>e schließt mit dem K<strong>und</strong>envertragspartner<br />

einen Vertrag über<br />

die Teilnahme am Elektronischen Fahrgeldmanagement<br />

ab, über das Bezahlverfahren<br />

<strong>und</strong> eine damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Berechtigung zur Nutzung des ÖPV. Der<br />

K<strong>und</strong>envertragspartner verkauft Tickets<br />

<strong>und</strong> hält den K<strong>und</strong>envertrag. Der<br />

KVP rechnet die eingenommenen Nutzungsentgelte<br />

seiner K<strong>und</strong>en gegenüber<br />

dem jeweiligen Produktverantwortlichen<br />

ab. Er trägt das Zahlungsrisiko gegenüber<br />

dem Produktverantwortlichen.<br />

Der Dienstleister ist der Transportunternehmer,<br />

der die Transportleistung<br />

erbringt. Er erfasst <strong>und</strong> meldet bei der<br />

automatisierten Fahrpreisfindung Nutzungsdaten<br />

<strong>und</strong> kontrolliert Berechtigungen.<br />

Der DL beschafft dazu regelmäßig<br />

die aktuellen Sperrlisten von dem für<br />

seine <strong>Regio</strong>n zuständigen Kontrollservice<br />

<strong>und</strong> sperrt gegebenenfalls Berechtigungen.<br />

Der Produktverantwortliche<br />

bringt Produkte in das System ein,<br />

legt Abrechnungsregeln fest, führt bei<br />

der automatisierten Fahrpreisfindung<br />

die Reiseketten- <strong>und</strong> Preisberechnungen<br />

durch, aggregiert <strong>und</strong> konsolidiert Daten<br />

<strong>und</strong> tauscht diese mit anderen Organisationen<br />

aus.<br />

Der Kontrollservice (KOSE) nimmt<br />

sowohl Sperraufträge vom Applikationsherausgeber<br />

zu Organisations-, SAM-<br />

<strong>und</strong> Key-Sperren als auch Sperraufträge<br />

vom KVP zu Applikations- <strong>und</strong> Berechtigungs-Sperren<br />

entgegen.<br />

Der Applikationsherausgeber ist<br />

die zentrale Stelle im System. Der VDV<br />

hat dazu eine eigene Gesellschaft – die<br />

die VDV-Kernapplikations GmbH & Co.<br />

KG – gegründet, die diese Rolle <strong>und</strong> die<br />

notwendigen Unterstützungsfunktionen<br />

wahrnimmt. In der Rolle des Applikati-<br />

KOSE<br />

Sperrlistenmanagement<br />

Produktverantwortlicher<br />

Clearing<br />

Kontrolle Erfassung<br />

Nutzer/K<strong>und</strong>e Dienstleister<br />

Abbildung 2: Logisches Rollenmodell der VDV-Kernapplikation Quelle: Eigene Zusammenstellung<br />

Nahverkehr 2010 45<br />

Leistungsabrechnung


Im S<br />

onsherausgebers obliegen ihr vor allem:<br />

• Die Weiterentwicklung der Kernapplikation<br />

• die Zertifizierung von Komponenten<br />

• das Sicherheitsmanagement<br />

• die Bereitstellung von Sicherheitsmodulen<br />

<strong>und</strong><br />

• die Funktion als „Registrar“, d.h. dort<br />

werden die Identifikationen für die<br />

Organisationen vergeben <strong>und</strong> gepflegt<br />

für die vertraglich an die VDV-<br />

Kernapplikation geb<strong>und</strong>enen EFM-<br />

Systeme.<br />

Sicherheit <strong>und</strong> Zertifizierung<br />

Die Einführung elektronischer Medien,<br />

die als Fahrtberechtigung im ÖPV oder<br />

zum Erwerb von beförderungsnahen<br />

Leistungen benutzt werden, macht es<br />

notwendig, die Interessen der Verkehrsunternehmen,<br />

-verbünde <strong>und</strong> ihrer K<strong>und</strong>en<br />

sicherheitstechnisch gegen Angriffe<br />

von außen <strong>und</strong> innen zu schützen.<br />

Dem Sicherheitskonzept liegt zugr<strong>und</strong>e,<br />

dass in den Systemen Organisationseinheiten<br />

mit unterschiedlichen Interessen<br />

arbeiten, deren Eigenständigkeit <strong>und</strong><br />

Sicherheit gewahrt werden muss. Die<br />

Akzeptanz eines b<strong>und</strong>esweiten Elektronischen<br />

Fahrgeldmanagements durch die<br />

Beteiligten hängt entscheidend davon<br />

ab, wie sicher sie sein können, dass kein<br />

Missbrauch geschieht. Damit ein Sicherheitssystem<br />

finanzierbar bleibt, ist eine<br />

Verteilung des Risikos zwingend notwendig.<br />

Bestandteile dieses Sicherheitsmanagements<br />

sind (siehe Abbildung 3):<br />

• ein Zertifizierungsdienstanbieter zum<br />

Betreiben einer „Public-Key-Infrastruktur“;<br />

• ein Schlüsselmanagement-Dienstlei-<br />

Public Key<br />

Infrastruktur<br />

(PKI)<br />

46 Nahverkehr 2010<br />

Monitoring<br />

Schlüssel-<br />

Management<br />

SICHERHEITSMANAGEMENT<br />

ster zum Verwalten von organisations-<br />

<strong>und</strong> modulspezifischen Schlüsseln;<br />

• ein Secure Application Module (SAM)<br />

mit dem jeweils dazugehörigen Monitoring<br />

für sicherheitsrelevante Daten<br />

<strong>und</strong> Objekte sowie Prozesse <strong>und</strong> Abläufe.<br />

Jede Instanz (Rolle), die sich am interoperablen<br />

elektronischen Fahrgeldmanagement<br />

gemäß VDV-Kernapplikation<br />

beteiligt, muss jeder anderen Instanz<br />

(Rolle), die Daten erzeugt, bearbeitet<br />

<strong>und</strong> weiterleitet, uneingeschränkt<br />

vertrauen können. Dieses Vertrauen<br />

ist mit sicherheitstechnischen Mitteln<br />

herzustellen. Deshalb kommen in wichtigen<br />

Prozessen symmetrische Kryptographieverfahren<br />

zum Einsatz. Die in<br />

den Erfassungs- <strong>und</strong> Kontrollprozessen<br />

benötigen symmetrischen Schlüssel<br />

werden in einem Verkaufsprozess nach<br />

asymmetrischer Authentisierung zwischen<br />

SAM <strong>und</strong> Nutzermedium von<br />

einem K<strong>und</strong>envertragspartner-SAM<br />

auf die Nutzermedien übertragen. Ein<br />

Dienstleister-SAM, welches die gleichen<br />

Schlüssel in sich trägt, kann dann über<br />

symmetrische Verfahren die Authentizität<br />

der Berechtigung prüfen. Deshalb<br />

müssen diese Schlüssel zum einen vertraulich<br />

erstellt <strong>und</strong> gelagert, aber auch<br />

vertraulich <strong>und</strong> authentisch in die jeweiligen<br />

SAMs übertragen werden 14 .<br />

Sperrlisten<br />

Eine Sperrliste enthält die zu sperrenden<br />

Objekte, gesperrte Organisationen<br />

<strong>und</strong>/oder SAM.<br />

Die Größe einer Sperrliste entspricht<br />

der Anzahl der Sperrlisteneinträge. Der<br />

Kontrollservice (KOSE) nimmt sowohl<br />

Secure<br />

Application<br />

Modules<br />

(SAM)<br />

Abbildung 3: Das Sicherheitsmanagementsystem der VDV-Kernapplikation<br />

Quelle: VDV-Kernapplikations GmbH & Co. KG<br />

Sperraufträge vom Applikationsherausgeber<br />

zu Organisations- <strong>und</strong> SAM-Sperren<br />

als auch Sperraufträge von K<strong>und</strong>envertragspartnern<br />

zu Applikations- <strong>und</strong><br />

Berechtigungs-Sperren entgegen 15 .<br />

Clearing<br />

Interoperable eTickets beinhalten die<br />

Situation, dass ein Fahrgast sein (((eTicket<br />

oder Handy in <strong>Regio</strong>n A beschafft<br />

hat aber dieses Medium in <strong>Regio</strong>n B verwendet.<br />

Das Verkehrsunternehmen in<br />

<strong>Regio</strong>n B möchte gewährleistet sehen,<br />

dass die Einnahmen aus dieser Fahrt ihm<br />

zufallen.<br />

Das Clearing schafft die Voraussetzungen<br />

zur Durchführung einer Leistungsvergütung<br />

zwischen den beteiligten Instanzen.<br />

Das Clearing kann auf der Basis der bereitgestellten<br />

komprimierten Leistungsdaten<br />

die Abrechnungsdaten für einen<br />

einzelnen Nutzer zusammenstellen 15 .<br />

K<strong>und</strong>enschnittstellen<br />

Der K<strong>und</strong>e soll im (((eTicket Deutschland<br />

die Gewissheit haben, dass er mit<br />

seinem Medium, seiner präferierten Bezahlvariante<br />

<strong>und</strong> seiner einmal je Stufe<br />

gelernten Handlungsweise an jedem Ort<br />

eine für ihn richtige Fahrtberechtigung<br />

erwirbt <strong>und</strong> bezahlen kann. Dadurch,<br />

dass die Unternehmen (KVP’s) jede<br />

eTicket-Karte <strong>und</strong> alle Varianten des<br />

eBezahlens annehmen, kann der K<strong>und</strong>e<br />

sein Medium durchgängig nutzen <strong>und</strong><br />

die Verkehrsunternehmen müssen keine<br />

zusätzlichen Medien ausgeben. Interoperabilität<br />

ist also sowohl aus K<strong>und</strong>ensicht<br />

als auch aus Unternehmenssicht<br />

ein Erfolgsfaktor für die Einführung von<br />

EFM in Deutschland. Dies erfordert eine<br />

Standardisierung der K<strong>und</strong>enschnittstelle.<br />

Zu ihr gehören alle Objekte <strong>und</strong><br />

Prozesse, mit denen der Nutzer eines<br />

elektronischen Fahrgeldmanagementsystems<br />

bei Verkauf, Service, Abrechnung<br />

<strong>und</strong> Nutzung in Kontakt tritt.<br />

Die Elemente der Standardisierung der<br />

K<strong>und</strong>enschnittstelle umfassen ein einheitliches<br />

Erscheinungsbild des (((eTicket<br />

Deutschland zum Erreichen eines<br />

Wiedererkennungs-effektes für Fahrgäste<br />

(Logos, Piktogramme, Informationen)<br />

sowie eine Definition der Geschäftsfälle<br />

für einheitliche Abläufe an den K<strong>und</strong>enschnittstellen<br />

16, 17 :<br />

• Nutzermedium erwerben/zurückgeben<br />

• Bezahlsystem verwalten<br />

• Fahrberechtigung erwerben/stornieren/zurückgeben


• Fahrberechtigung nutzen<br />

• Servicefunktionen<br />

Verträge<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Vielzahl von Unternehmen,<br />

die in der Zielbetrachtung an dem<br />

(((eTicket Deutschland teilnehmen sollen,<br />

ist es unabdingbar, dass für die teilnehmenden<br />

Unternehmen ein verbindlicher<br />

Rahmen festgelegt wird, der von<br />

keinem der teilnehmenden Unternehmen<br />

nachträglich abgeändert werden<br />

kann. Auch wenn diese Vorgaben im Einzelfall<br />

als belastend empf<strong>und</strong>en werden<br />

könnten, können nur auf diese Weise die<br />

Interessen sämtlicher teilnehmenden<br />

Unternehmen geschützt <strong>und</strong> somit auf<br />

einen Nenner gebracht werden. Aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> ist ein Mindestmaß an<br />

verbindlichen Vorgaben essentiell für die<br />

Einführung des (((eTicket Deutschland.<br />

Jenseits dieses Mindestmaßes bleibt es<br />

den teilnehmenden Unternehmen vorbehalten,<br />

miteinander Abweichungen<br />

zu vereinbaren. Somit sehen die vertraglichen<br />

<strong>und</strong> organisatorischen Festlegungen<br />

ein Höchstmaß an Flexibilität<br />

vor, ohne jedoch die Interessen des gesamten<br />

(((eTicket Deutschland aus den<br />

Augen zu verlieren 18 .<br />

Teilnahmeve rträge Clearingvertrag/EAV K<strong>und</strong>enverträge<br />

AH<br />

DL<br />

PV<br />

KVP<br />

Abbildung 4: Vertragsumsetzungen Quelle: 18<br />

KOSE<br />

Umsetzung<br />

In den Jahren 2006-2007 gab es auf Basis<br />

der Definition der VDV-Kernapplikation<br />

Abbildung 5: Übersicht bestehende <strong>und</strong> geplante Umsetzungen auf Basis der VDV-Kernapplikation (Stand<br />

September 2009) Quelle: Eigene Zusammenstellung<br />

mehrere Umsetzungen in EFM-Systeme.<br />

Diese Projekte sind vor allem Vertrieb<br />

getrieben, wie zum Beispiel beim Verkehrsverb<strong>und</strong><br />

Rhein-Ruhr, wo die Jahreskarten<br />

jetzt auf Chipkarten ausgegeben<br />

werden. Die (teure) Herausgabe der<br />

Monatsmarken kann dadurch entfallen.<br />

Der erste Kern der interoperablen<br />

Systemteilnehmer unter dem Markennamen<br />

(((eTicket<br />

Deutschland ent-<br />

N/K<br />

wickelt sich in<br />

Nordwürttemberg.<br />

Hier können<br />

Fahrgäste<br />

im Kreisverkehr<br />

Schwäbisch Hall,<br />

im Nahverkehr<br />

Hohenlohe <strong>und</strong><br />

der Tarifgemeinschaft<br />

Ostalbkreis<br />

über die Grenzen<br />

ihres Heimatverb<strong>und</strong>es<br />

den<br />

ÖPV benutzen. In<br />

diesen <strong>Regio</strong>nen<br />

werden die unterschiedlichenkernapplikatio<br />

n s ko n formen<br />

Bezahlvarianten<br />

in unterschiedlichenSystemvarianten<br />

(Check in<br />

– Check out <strong>und</strong><br />

elektronischer<br />

Fahrschein mit<br />

eKontrolle) eingesetzt <strong>und</strong> ab 2008 untereinander<br />

akzeptiert 19, 20 .<br />

In den vergangen Jahren ist die VDV-<br />

Kernapplikation als Standard für die<br />

(((eTicket-Anwendung im ÖPV entwickelt<br />

worden <strong>und</strong> für die Verkehrsunternehmen<br />

<strong>und</strong> –Verbünde bereitgestellt<br />

worden. Mehrere Unternehmen haben<br />

eine oder mehrere Stufen des (((eTickets<br />

eingeführt oder planen ihr System<br />

auf die VDV-Kernapplikation kurzfristig<br />

umzustellen. Bis 2011 werden/sind weitere<br />

konkrete Umsetzungen gestartet.<br />

Auch mittelfristige Planungen für den<br />

Zeitraum 2011-2014 sind im Gespräch,<br />

nicht nur zwischen Verkehrsunternehmen<br />

<strong>und</strong> -verbünde sondern auch mit<br />

den Ländern <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>, um rechtzeitig<br />

über eine gesicherte Finanzierung<br />

der Projekte verfügen zu können.<br />

Fazit/Vorausblick<br />

Die Einführung von eTicketing ist nicht<br />

allein die Anschaffung <strong>und</strong> Finanzierung<br />

eines „Stück Technologie“ sondern die<br />

Initiierung eines nachhaltigen Veränderungsprozesses<br />

der Verkehrsunternehmen<br />

<strong>und</strong> Verkehrsverbünde auf allen<br />

Organisationsebenen tangiert. Sie stellt<br />

also eine sehr große Herausforderung<br />

dar, für die Organisationen 1 . Mit dem<br />

Instrument eTicket sollen die Verkehrsunternehmen<br />

<strong>und</strong>/oder -verbünde eine<br />

Reduzierung der Vertriebskosten sowie<br />

eine Erhöhung der Einnahmen erzeugen.<br />

Das Potential an Modernisierung, Steigerung<br />

der Attraktivität <strong>und</strong> Verbesserung<br />

der Wirtschaftlichkeit des ÖPNV<br />

rechtfertigt dabei eine substantielle<br />

staatliche Förderung der Einführung <strong>und</strong><br />

Weiterentwicklung des (((eTicketing in<br />

Deutschland 28 . Die gute <strong>und</strong> konstruktive<br />

Zusammenarbeit von Verkehrsun-<br />

Nahverkehr 2010 47


ternehmen, -verbünden, Ländern <strong>und</strong><br />

B<strong>und</strong> wird dann dazu führen können,<br />

dass im Jahre 2014 das (((eTicket in 25<br />

bis 30 <strong>Regio</strong>nen (siehe Abbildung 5) vorhanden<br />

sein wird. �<br />

Literaturangaben:<br />

1 Elektronische Zahlungs- <strong>und</strong> Fahrgeldmanagementsysteme.<br />

In: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen<br />

VDV); VDV-Förderkreis: Telematik<br />

im ÖPNV in Deutschland. Düsseldorf 2001,<br />

Verband Deutscher Verkehrsunternehmen<br />

(VDV) VDV-Förderkreis.<br />

2 Dean, Bob/Arnold, Dave/ Harrop, Peter: Smartcards<br />

in Transport. Oxford 1997, Footnote Publications.<br />

3 Phil Gaffney: Development of Octopus Card<br />

- A Successful Model for Public Transport &<br />

Beyond. Präsentation International Best Practices<br />

Workshop ITS Applications in Urban &<br />

Commuter Rail Systems, Philadelphia, 12 September<br />

2003<br />

4 Kamber, H.: Der Business-Case im elektronischen<br />

Ticketing; Ergebnisse einer Unter-<br />

48 Nahverkehr 2010<br />

suchung des UITP Generalausschusses für<br />

Verkehrswirtschaft. 6th UITP International<br />

Conference on Automatic Fare Collection Bologna,<br />

2002.<br />

5 Ackermann, T <strong>und</strong> Horst Stammler.: Nutzerfinanzierte<br />

Tarifstrategien: Fahrpreise zwischen<br />

Förderung <strong>und</strong> Finanzierung. In: Der Nahverkehr<br />

2006/1-2.<br />

6 Sparmann, Volker: Mit „E-Ticketing“ in die Mobilität<br />

des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts. In: Stopka, Ulrike/<br />

Pällmann, Wilhelm (Hrsg.): Für eine neue deutsche<br />

Verkehrspolitik. Hamburg 2005, Deutscher<br />

Verkehrs-Verlag.<br />

7 McKinsey & Company: Invoeren van een gezamenlijke<br />

chipkaart in het openbaar vervoer.<br />

Ohne Ortsangabe, 2000, VINK.<br />

8 Kossak, Andreas: Quo vadis, elektronisches<br />

Ticketing?, Stand <strong>und</strong> Perspektiven des eTicketings<br />

in Deutschland. In: der Nahverkehr<br />

2005/7-8.<br />

9 http://www.vdv-ka.org/<br />

10 VDV-Kernapplikation: eTicket Deutschland, das<br />

interoperable elektronische Fahrgeldmanagement.<br />

Forum Nahverkehr Railtec November<br />

2007.<br />

11 Ackermann, Till.: Der E-Ticket-Deutschland-<br />

Standard, die VDV-Kernapplikation. In: der Nahverkehr<br />

2007/4,<br />

Die Bedeutung des Busverkehrs<br />

für den Umweltschutz im Verkehr<br />

Umweltpolitische Ziele <strong>und</strong> die Strategie des VDV zu deren Erfüllung<br />

Von Dipl.-Ing. Ralph Pütz, Köln<br />

12 http://www.vdv.de/wir_ueber_uns/vdv_projekte/vdv_kernapplikation_efm.html?pe_id=48<br />

13 VDV-Kernapplikation: Hauptdokument mit Basisobjektmodell<br />

(BOM). SPEC_BOM_V11.04.<br />

14 Lutgen, Joseph: Das Sicherheitssystem hinter<br />

der VDV-Kernapplikation. In: der Nahverkehr<br />

2007/5.<br />

15 VDV-Kernapplikation: Glossar V1.1.<br />

16 VDV: Einheitliche K<strong>und</strong>enschnittstelle für ein<br />

mehrstufiges interoperables elektronisches<br />

Fahrgeldmanagement. SPEC_KUSCH_V11.06.<br />

doc.<br />

17 Fischer, Elke <strong>und</strong> T. Ackermann: Einheitliches<br />

(((eTicketsystem für die K<strong>und</strong>en. In: VDV-Jahresbericht<br />

2007-2008.<br />

18 Walz, Christian <strong>und</strong> Oliver Glück: R+R Kurzdarstellung,<br />

Rechtliche <strong>und</strong> technische Rahmenbedingungen<br />

für ein interoperables Fahrgeldmanagement<br />

in Deutschland auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

der VDV-Kernapplikation.<br />

19 Ackermann, T.: das einheitliche (((eTicket-System<br />

für Bus- <strong>und</strong> Bahnk<strong>und</strong>en ist Realität. In:<br />

<strong>Regio</strong> Trans Mai 2008.<br />

20 Kühnel, Ingrid <strong>und</strong> Andreas Hoffmann: Flink<br />

<strong>und</strong> schnell mit Kolibri. In: der Nahverkehr<br />

2008/1-2.<br />

Das Leitziel der B<strong>und</strong>esregierung „Weg von fossilen Treibstoffen wie Erdöl, Erdgas <strong>und</strong> Kohle“ beinhaltet sowohl die<br />

Maßnahmen zum Klimaschutz (Senkung der CO2-Emissionen in Deutschland bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent) als<br />

auch zur weiteren Verbesserung der Luftqualität (Par¬tikel- <strong>und</strong> Stickoxidminderung). Darüber hinaus wird damit<br />

auch der Ansatz der EU, bis zum Jahr 2020 mehr als 20 Prozent der konventionellen fossilen Treibstoffe im Straßenverkehr<br />

durch alternative, vorzugsweise regenerative Treibstoffe zu ersetzen, unmittelbar gefördert.<br />

Der VDV <strong>und</strong> seine Mitgliedsunternehmen,<br />

die sich ihrer besonderen Verantwortung<br />

sowohl für einen attraktiven<br />

als auch umweltfre<strong>und</strong>lichen ÖPNV seit<br />

jeher bewusst sind, bekennen sich zum<br />

übergeordneten Leitziel „Weg von fossilen<br />

Treibstoffen“ <strong>und</strong> setzten zu dessen<br />

sukzessiven Verwirklichung auf ein<br />

zweistufiges Modell:<br />

Schritt 1:<br />

„Runter mit dem Verbrauch“<br />

Trotz seiner heute bereits herausragenden<br />

Stellung im Umweltschutz <strong>und</strong><br />

evidenter Überlegenheit zum Motorisierten<br />

Individualverkehr (MIV) besitzt<br />

der ÖPNV mit Li¬nienbussen weiteres<br />

technisches Potenzial, das insbesondere<br />

durch die Optimierung konventioneller<br />

Antriebsstränge, den Einsatz adaptiver<br />

Schaltstrategien <strong>und</strong> die Hybridtech-<br />

nologie ausgeschöpft werden kann <strong>und</strong><br />

muss.<br />

Schritt 2:<br />

„Auf dem Weg zur Nullemission“:<br />

Der Einsatz von Biokraftstoffen der<br />

2. Generation, d.h. synthetischer Dieselkraftstoffe<br />

aus Biomasse (BtL =<br />

Biomass-to-Liquids), als auch von regenerativem<br />

Wasserstoff in Brennstoffzellen<br />

oder Wasserstoff-Ottomotoren<br />

sind Ziel führend. Insbesondere jedoch<br />

die Kombination dieser regenerativen<br />

Kraftstoffe mit Hybridantrieben (z.B.<br />

Diesel-Hybrid mit Biokraftstoffen der<br />

2. Generation, Brennstoffzellen-Hybrid<br />

mit regenerativem Wasserstoff) bieten<br />

optimale Synergien. Im Rahmen der<br />

Zielvorstellung einer völlig emissionsfreien,<br />

flexiblen Elektromobilität können<br />

schließlich die Vorstufen Hybrid <strong>und</strong><br />

Trolleybus zu batterieelektrischen, mit<br />

regenerativem Strom betriebenen Busverkehrssystemen<br />

evolutionär weiterentwickelt<br />

werden.<br />

In der vergleichenden Beurteilung der<br />

o.g. Antriebskonzepte darf das Augenmerk<br />

jedoch nicht einseitig nur auf die<br />

Verringerung der lokalen <strong>und</strong> globalen<br />

Emissionen sowie Verbesserungen der<br />

Geräuschemissionen <strong>und</strong> Energieeffizienz<br />

des Fahrbetriebs (TTW = Tank-to-<br />

Wheel) gerichtet sein, vielmehr muss<br />

in einem umfassenden Ansatz auch der<br />

gesamte Energiepfad einschließlich der<br />

Vorketten (Erzeugung <strong>und</strong> Transport<br />

des Kraftstoffs; WTT = Well-to-Tank),<br />

der Herstellung der Fahrzeugtechnik<br />

<strong>und</strong> die Instandhaltung berücksichtigt<br />

werden (Abb. 1). Angesichts zunehmender<br />

ökonomischer Zwänge bedarf<br />

die Realisierung aussichtsreicher An-


Systemansatz „Linienbus“<br />

1<br />

triebs- <strong>und</strong> Kraftstoffoptionen im liberalisierten<br />

Verkehrsmarkt sorgfältiger<br />

Analysen <strong>und</strong> Optimierungen. Vielfältig<br />

sind daher die zahlreichen Projekte <strong>und</strong><br />

Maßnahmen, die die Mitgliedsunternehmen<br />

des VDV als Pioniere einer nachhaltigen<br />

Entwicklung bereits umgesetzt<br />

haben, zukünftig aufgreifen werden <strong>und</strong><br />

kontinuierlich weiter entwickeln.<br />

Status Quo:<br />

Bereits heute Überlegenheit<br />

des ÖPNV im Umweltschutz<br />

Sowohl die europäische Emissionsgesetzgebung<br />

für Motoren schwerer<br />

Nutzfahrzeuge als auch die Luftqualitätsrichtlinien<br />

verfolgen bei der weiteren<br />

Reduzierung der lokalen Emissionen<br />

bzw. Immissionen primär das<br />

Motto „Partikelminderung vor Stickoxidminderung“.<br />

Die ab der Stufe EURO<br />

VI (2013/2014) gewählte Option der<br />

Einführung einer Partikelzählung zur Limitierung<br />

von Kleinstpartikeln ist eine<br />

ges<strong>und</strong>heitspolitisch motivierte, folgerichtige<br />

Maßnahme zur Durchsetzung<br />

des Partikelfiltereinsatzes im Nutzfahrzeugbereich.<br />

Diese Maßnahme wurde<br />

vom VDV <strong>und</strong> seinen Mitgliedsunternehmen<br />

bereits auf freiwilliger Basis seit<br />

dem Jahr 1995 – also fast zwanzig Jahre<br />

früher – initiiert. Durch die kontinuierliche,<br />

freiwillige Ausrüstung mit Partikelfilter<br />

war im Jahr 2008 bereits knapp<br />

der Hälfte des deutschen Linienbusbestandes<br />

eine „grüne“ Umweltplakette<br />

zugeordnet, im <strong>Stadt</strong>verkehr sogar über<br />

55 Prozent der Busflotte (Abb. 2).<br />

Die Plakettenzuordnung basiert auf den<br />

Ergebnissen der den EURO-Grenzwertstufen<br />

zugr<strong>und</strong>e liegenden Typprüfzyklen.<br />

Es muss hier explizit darauf hingewiesen<br />

werden, dass die aus den reinen Motortestzyklen<br />

für schwere Nfz erhaltenen<br />

Emissionswerte (in g/kWh) keine Rückschlüsse<br />

auf die im realen Linienbetrieb<br />

für das Gesamtfahrzeug zu erwartenden<br />

Emissionen (in g/km) zulassen, wie dies<br />

aus Pkw-spezifischen Gesamtfahrzeug-<br />

Testzyklen möglich ist. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> sind für realistische Emissionsbeurteilungen<br />

von Linienbussen Messwerte<br />

unter charakteristischen realen<br />

Einsatzbedingungen erforderlich. Aufgr<strong>und</strong><br />

von repräsentativen Messungen<br />

liegen die tatsächlichen Partikelemissionen<br />

im städtischen Buslinienverkehr<br />

bereits mit nicht abgasnachbehandelten<br />

EURO-II-Dieselbussen – d.h. den ältesten<br />

Fahrzeugen in der VDV-eigenen<br />

Linienbusflotte – bei der durchschnittlichen<br />

Platzausnutzung der VDV-Linienbusflotte<br />

von knapp 20 Prozent bei im<br />

Mittel nur r<strong>und</strong> 1,44 g Partikel/100 km/<br />

Fahrgast. Dennoch wird einem EURO-<br />

II-Linienbus gemäß der Kennzeichnungs-Verordnung<br />

lediglich eine „rote“<br />

Umweltplakette zuerkannt (Schadstoffgruppe<br />

2), während ein durchschnittlich<br />

mit 1,2 Personen besetzter Pkw eine<br />

„grüne Plakette“ erhält (Schadstoffgruppe<br />

4), obwohl er im gemischten Verkehr<br />

bereits 2,5 g Partikel/100 km emittieren<br />

darf. Im reinen <strong>Stadt</strong>verkehr dürfte dieser<br />

der Schadstoffgruppe 4 zugeordnete<br />

Pkw mit grüner Plakette wohl weit mehr<br />

als das Doppelte der Partikelemissionen<br />

pro Fahrgast <strong>und</strong> 100 km aufweisen als<br />

ein EURO-II-Linienbus ohne Partikelfilter,<br />

dem lediglich die rote Plakette<br />

zuerkannt wird (Abb. 3). Das bedeutet:<br />

Ein konventioneller EURO-II-Linienbus<br />

emittiert bei durchschnittlicher Besetzung<br />

über 24 St<strong>und</strong>en bereits weniger<br />

als die Hälfte der Partikel eines durchschnittlichen<br />

modernen Pkw, der dazu<br />

noch bedarfsorientiert betrieben wird.<br />

Ein mit Partikelfilter (z.B. CRT; Continuously<br />

Regenerating Trap) abgasnachbehandelter<br />

Linienbus emittiert im<br />

<strong>Stadt</strong>verkehr – nahezu unabhängig von<br />

der Grenzwertstufe des Motors – im<br />

täglichen Mittel (Besetzungsgrad 20,3<br />

Prozent) sogar weniger als 0,07 g Partikel/<br />

100 km /Fahrgast. Bereits etwa jeder<br />

zweite Bus der VDV-Linienbusflotte<br />

weist diese niedrigsten Partikelwerte<br />

auf – eine weltweit unangefochtene<br />

Spitzenstellung im Verkehrsbereich.<br />

Die für die Partikel-Emissionen genannten<br />

Zusammenhänge gelten qualitativ<br />

auch für die Stickoxid-Gesamtemission.<br />

Differenziert man die verkehrsbedingten<br />

Plakettenzuordnung in der deutschen<br />

Linienbusflotte (<strong>Stadt</strong>busse)<br />

2<br />

Quelle: Pütz, R.<br />

Nahverkehr 2010 49


Partikel-Emissionen im <strong>Stadt</strong>verkehr (g/100 km/Fahrgast)<br />

3<br />

3<br />

2,5<br />

2<br />

1,5<br />

1<br />

0,5<br />

0<br />

NOx-Emissionen nach Verursachern, so<br />

zeigt sich, dass der Linienbusbereich auch<br />

hier nur mit einem nahezu vernachlässigbaren<br />

Anteil vertreten ist. Dennoch<br />

kann lokal – je nach Art der Fahrzeugpopulation<br />

in den Straßen – der Beitrag<br />

der Linienbusse zu den NOx- bzw.<br />

NO2-Immissionen höher ausfallen.<br />

Bei der Verbrennung fossiler – also: kohlenstoffhaltiger<br />

– Kraftstoffe (wie Erdöl,<br />

Erdgas, Kohle) entsteht neben den oben<br />

bereits erwähnten lokal wirksamen<br />

Schadstoffen insbesondere das global<br />

wirksame Kohlendioxid (CO2), das mit<br />

weiteren, noch stärker klimarelevant<br />

wirkenden Gasen wie Methan (CH4),<br />

Distickstoffoxid (N2O; Lachgas) <strong>und</strong><br />

den Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen<br />

(FCKW) zum „CO2-Äquivalent“ zusammengefasst<br />

wird. Die klimarelevanten<br />

Treibhausgase beschleunigen die globale<br />

Erderwärmung signifikant – mit heute<br />

bereits spürbaren Folgen. Bereits seit<br />

den 1980er Jahren ist ein exponentieller<br />

Anstieg der volkswirtschaftlichen Schäden<br />

aufgr<strong>und</strong> von Naturkatastrophen<br />

belegt. Nach Analysen großer Rückversicherer<br />

haben etwa 64 Prozent der<br />

größeren Schadensereignisse in Europa<br />

<strong>und</strong> 79 Prozent der von diesen verursachten<br />

volkswirtschaftlichen Schäden<br />

einen unmittelbaren Bezug zu Klima <strong>und</strong><br />

Wetter. Die fiktiven volkswirtschaftlich<br />

relevanten Schadenswerte („externe<br />

Kosten“) liegen im Bereich von 30 bis<br />

40 € je Tonne CO2. Das entspricht weltweit<br />

jährlichen volkswirtschaftlichen<br />

Schäden in Höhe von 640 bis 1.600 Milliarden<br />

€. Hauptquellen anthropogenen<br />

Ursprungs bilden der Industriesektor,<br />

die Heizungen privater Haushalte <strong>und</strong><br />

der Verkehrsbereich, der in Europa r<strong>und</strong><br />

50 Nahverkehr 2010<br />

Mittlere Besetzung:<br />

1,2 Fahrgäste/Fahrt<br />

EURO-V-Pkw<br />

(Grenzwert; "Drittel-<br />

Mix")<br />

Quellen: TU Graz, 2004 <strong>und</strong> eigene Berechnungen<br />

Mittlerer Besetzungsgrad:<br />

20,8% über 24 h<br />

EURO-II-Diesel-Bus<br />

ohne DPF<br />

(<strong>Stadt</strong>verkehr)<br />

Diesel-Bus mit DPF<br />

(<strong>Stadt</strong>verkehr)<br />

ein Fünftel der global wirksamen Emissionen<br />

verursacht <strong>und</strong> dessen Anteil sich<br />

weiter erhöht. Aufgr<strong>und</strong> der direkten<br />

Abhängigkeit der CO2-Emission vom<br />

Kraftstoffverbrauch einzelner Verkehrsträger<br />

sind die Fahrzeugbestandszahlen<br />

<strong>und</strong> Beförderungsleistungen (z.B. Personenkilometer,<br />

Wagenkilometer) bei der<br />

Beurteilung der globalen Emissionen<br />

entscheidend. Bei Auswertung der VDV-<br />

Statistik unter Berücksichtigung der Wagenkilometer<br />

der VDV-Linienbusflotte<br />

lässt sich bei einer durchschnittlichen<br />

Platzausnutzung von knapp 20 Prozent<br />

über 24 St<strong>und</strong>en ein Flottenverbrauch<br />

der VDV-Linienbusse von r<strong>und</strong> 2,5 Litern<br />

Dieselkraftstoff pro 100 km <strong>und</strong><br />

Fahrgast ermitteln: Das im Pkw-Bereich<br />

für zukünftige Kleinwagen seit geraumer<br />

Zeit versprochene „3-Liter-Auto“ ist im<br />

VDV bereits seit langem flottenweite<br />

Realität. In der Verkehrsspitze benötigen<br />

Linienbusse im <strong>Stadt</strong>verkehr sogar we-<br />

4<br />

Mittlerer Besetzungsgrad:<br />

20,8% über 24 h<br />

niger als einen halben Liter Dieselkraftstoff<br />

pro 100 km <strong>und</strong> Fahrgast (Abb. 4).<br />

Dies dokumentiert eindrucksvoll die<br />

Überlegenheit des ÖPNV bezüglich des<br />

spezifischen Energieverbrauchs <strong>und</strong> der<br />

damit direkt verb<strong>und</strong>enen globalen Emissionen.<br />

Bei der Betrachtung der spezifischen<br />

CO2-Emissionen (pro Fahrgast)<br />

im <strong>Stadt</strong>verkehr wird die Überlegenheit<br />

des Linienbusses als Vermeider globaler<br />

Emissionen noch evidenter. So emittiert<br />

ein konventioneller Linienbus bei<br />

durchschnittlicher Platzausnutzung von<br />

etwa 20 Prozent pro Fahrgast weniger<br />

als ein Drittel der Treibhausgase eines<br />

durchschnittlich mit nur 1,2 Personen<br />

besetzten Pkw. In der Verkehrsspitze<br />

beträgt die CO2-Emission eines Linienbusses<br />

(pro Fahrgast <strong>und</strong> 100 km) sogar<br />

nur wenig mehr 5 Prozent der vergleichbaren<br />

Pkw-Emission (Abb. 5). Oder anders<br />

ausgedrückt: Jeder, der in der Rush-<br />

Hour anstelle eines Pkw den Linienbus<br />

nutzt, vermeidet r<strong>und</strong> 95 Prozent CO2.<br />

Dies impliziert das enorme Potenzial<br />

zur CO2-Vermeidung durch die forcierte<br />

weitere Verbesserung des Modal-Split<br />

zugunsten öffentlicher Verkehrsträger.<br />

Eine verantwortliche Politik wird daher<br />

ihr Handeln auf eine angemessene <strong>und</strong><br />

verlässliche öffentliche Förderung des<br />

ÖPNV fokussieren müssen.<br />

Weiteres Potenzial durch noch<br />

umweltfre<strong>und</strong>lichere Antriebs-<br />

<strong>und</strong> Kraftstofftechnologien<br />

Trotz der systemimmanenten Überlegenheit<br />

des ÖPNV im Umwelt- <strong>und</strong><br />

Klimaschutz besteht weiteres technisches<br />

Potenzial, das ausgeschöpft<br />

werden kann. Der VDV <strong>und</strong> seine Mitgliedsunternehmen<br />

begrüßen daher<br />

Kraftstoffverbrauch im <strong>Stadt</strong>verkehr (in l/100 km/Fahrgast)<br />

Beispiel: 12-m-NF-Bus


Globale Emissionen im <strong>Stadt</strong>verkehr (in g/km/Fahrgast)<br />

5<br />

= 6 bis 7 % der spezif. Pkw-Emission!<br />

= 30 bis 38 % der spezif. Pkw-Emission!<br />

0 50 100 150 200<br />

einen objektiven Wettbewerb der Antriebssysteme<br />

unter Umwelt- <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeitsaspekten,<br />

der durch an<br />

„Wirkvorschriften“ orientierte, technikunabhängige<br />

wirtschaftliche Förderung<br />

gestützt werden muss.<br />

Im Jahr 2008 stellten die mit Dieselkraftstoff<br />

betriebenen Busse den mit<br />

95,4 Prozent weitaus größten Anteil der<br />

VDV-Busflotte. Fahrzeuge mit den alternativen<br />

Antriebsarten Erdgas, Wasserstoff-Verbrennungsmotor,Brennstoffzelle<br />

<strong>und</strong> Fahrstrom für die Trolleybusse<br />

wurden nur von wenigen VDV-Unternehmen<br />

eingesetzt. Damit stieg der<br />

Anteil alternativer Antriebsarten gegenüber<br />

2006 geringfügig von 2,2 auf 4.6<br />

Prozent (Abb. 6). Nachfolgend soll das<br />

weitere Umweltpotenzial detailliert betrachtet<br />

werden.<br />

a) Dieselantrieb<br />

Der Dieselmotor hat sich seit Jahrzehnten<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner Robustheit,<br />

Wirtschaftlichkeit <strong>und</strong> Zuverlässigkeit<br />

als Antriebsaggregat im ÖPNV <strong>und</strong><br />

Schienengüterverkehr bestens bewährt.<br />

Er ist die Verbrennungskraftmaschine<br />

mit dem höchsten Wirkungsgrad<br />

<strong>und</strong> im Hinblick auf die CO2-Emission<br />

die konkurrenzlos günstigste Verbrennungskraftmaschine.<br />

Dieselmotoren in<br />

EURO-V-/EEV-Technik waren aufgr<strong>und</strong><br />

der massiven Nachfrage <strong>und</strong> Vorreiterrolle<br />

der VDV-Mitgliedsunternehmen<br />

bereits lange vor der Einführung der<br />

Stufe EURO V serienmäßig verfügbar.<br />

Bereits im Vorfeld engagierten sich die<br />

VDV-Mitgliedsunternehmen in der frühzeitigen<br />

Erprobung fortschrittlicher<br />

Dieselbusse. Die weitere Optimierung<br />

des Emissionsverhaltens von Dieselan-<br />

Linienbus/Hybrid<br />

(Rush Hour)<br />

Linienbus (Rush Hour)<br />

Linienbus<br />

(Flottendurchschnitt)<br />

Pkw (8 l/100km; 1,2<br />

Pers.)<br />

Pkw (10 l/100km;1,2<br />

Pers.)<br />

trieben zielt auf eine Überwindung des<br />

dieseltypischen Zielkonflikts ab. Dieses<br />

„Stickoxidemission/Partikelemission/<br />

Kraftstoffverbrauch-Trilemma“ lässt sich<br />

mit den in Abb. 7 dargestellten Ansätzen<br />

lösen. Aufgr<strong>und</strong> der besonderen Anforderungen<br />

durch den dieseltypischen<br />

Zielkonflikt zwischen Stickoxid- <strong>und</strong><br />

Partikelminderung ist der gleichzeitige<br />

Einsatz<br />

• innermotorischer Maßnahmen,<br />

• wirkungsvoller Abgasnachbehandlung<br />

<strong>und</strong><br />

• verbesserter Kraftstofftechnologie<br />

notwendig.<br />

Zur Überwindung des dieseltypischen<br />

„Trade-Offs“ nimmt insbesondere die<br />

Abgasnachbehandlung eine zentrale<br />

Stellung ein. Gr<strong>und</strong>sätzlich stehen zur<br />

NOx-Reduzierung die SCR-Technik (se-<br />

lektive katalytische Reduktion mit Hilfe<br />

eines geeigneten Reduktionsmittels) <strong>und</strong><br />

die Abgasrückführung (AGR) zur Verfügung,<br />

zur Eliminierung von Partikeln aller<br />

Größenklassen die Filtertechnologie<br />

(geschlossener Partikelfilter, z.B. CRT).<br />

Da im Zuge der Stufe EURO VI auch<br />

eine granulometrische Partikellimitierung<br />

in der EU-Emissionsgesetzgebung<br />

immer wahrscheinlicher wird, garantiert<br />

letztendlich nur ein Partikelfilter die erforderliche<br />

Reduzierung aller Partikel-<br />

Größenklassen – insbesondere der lungengängigen<br />

„Nano-Partikel“ (PM 10).<br />

Neuerdings bieten einzelne Partikelfilter-Hersteller<br />

auch NO2-reduzierende<br />

Beschichtungen an, um die Primäremission<br />

dieses Reizgases zu verringern.<br />

Aller Erwartung nach werden mit der<br />

Stufe EURO VI die SCR-, AGR- <strong>und</strong><br />

Partikelfiltertechnologien zusammengeführt<br />

werden. Ein Weg ist die Kombination<br />

eines AGR-Motors mit geregeltem<br />

CRT-System mit einer nachgeschalteten<br />

SCR-Technik <strong>und</strong> NH3-Sperrkat (Abb.<br />

8). Das aus dem Motor strömende Abgas<br />

gelangt zunächst ins CRT-System<br />

<strong>und</strong> beaufschlagt dieses mit einem höheren<br />

Temperaturniveau, so dass die<br />

Regeneration thermisch begünstigt wird<br />

<strong>und</strong> außerdem ausreichend NO2 zur<br />

Verfügung steht. Da anschließend das<br />

SCR-System durchströmt wird, ergibt<br />

sich dann eine Reduzierung des vorher<br />

für die Partikelfilter-Regeneration benötigten<br />

NO2-Überschusses. Der NO2-<br />

Überschuss begünstigt dabei eine schneller<br />

anlaufende SCR-Funktion. Nach dem<br />

Partikelfilter erfolgt die Eindüsung von<br />

AdBlue <strong>und</strong> dessen Aufbereitung zu<br />

Antriebstechnologien in der deutschen<br />

Linienbusflotte<br />

6<br />

Nahverkehr 2010 51


Technische Maßnahmen zur Überwindung des dieseltypischen<br />

Zielkonflikts <strong>und</strong> deren Bewertung<br />

7<br />

Interne Maßnahmen NOx PM HC CO CO 2 Kosten<br />

optimiertes Brennverfahren � � � � � �<br />

Abgasrückführung �� � � � � �<br />

Ladungskühlung (Frischluft, AGR) � � � � � �<br />

Verbesserung Einspritzsystem � � (�) � � � �<br />

Wassereinbringung �� �(�) � � � � �<br />

Ladungswechsel � � � � � � �<br />

Externe Maßnahmen<br />

Dieselpartikelfilter (DPF) � �� � � � �<br />

NOx-Speicherkatalysator � � � � � � �<br />

SCR-System (flüssig, fest) �� � � � � � �<br />

Globale Maßnahmen<br />

Motorsteuerung � � � � � �<br />

NH3, z.B. in einem Hydrolyse-Katalysator.<br />

Die Integration von CRT <strong>und</strong> SCR in<br />

einem Gehäuse kann von Betreiberseite<br />

nicht befürwortet werden, da aufgr<strong>und</strong><br />

der nicht regenerierbaren Ölasche diese<br />

extern entsorgt werden muss <strong>und</strong><br />

ein Packaging in einem Gehäuse dies erschwert.<br />

Auch der Ansatz SCR mit nachgeschaltetem<br />

exotherm regeneriertem<br />

Partikelfilter kann Ziel führend sein,<br />

wobei hier jedoch NO2 nicht vollständig<br />

eliminiert wird. Darüber hinaus wird<br />

die weitere Erhöhung der Einspritzdrücke<br />

auf über 3.000 bar sehr hohe AGR-<br />

Raten von bis zu 45 Prozent <strong>und</strong> damit<br />

eine weitere Entkoppelung des dieseltypischen<br />

Zielkonfliktes ermöglichen. Ein<br />

solcher „Hoch-AGR“-Motor mit nachgeschaltetem<br />

CRT-System ist durchaus<br />

geeignet, die Grenzwertstufe EURO VI<br />

auch ohne Nutzung der SCR-Technik<br />

einzuhalten. Es ist zu erwarten, dass mit<br />

EURO VI eine 2-stufige Aufladung mit<br />

Zwischenkühlung zum Standard wird<br />

<strong>und</strong> sich Common-Rail-Einspritzsysteme<br />

aufgr<strong>und</strong> der völligen Freiheit der<br />

zylinderindividuellen Einspritzverlaufsformung<br />

durchsetzen werden. Deren<br />

Weiterentwicklung zu druckübersetzten<br />

Systemen mit noch höheren Einspritzdrücken<br />

wäre dann bereits eine Vorstufe<br />

zur Zielvorstellung „homogene Dieselverbrennung“<br />

mit völliger zeitlicher<br />

Entkoppelung von Gemischbildung <strong>und</strong><br />

Verbrennung. Der „Nahe-Nullemissions-Dieselantrieb“<br />

wird dann Realität<br />

werden, wobei die wesentlichen Vorteile<br />

des Dieselantriebs, die in seiner hohen<br />

Wirtschaftlichkeit, seiner günstigen<br />

Baugröße <strong>und</strong> seinem im Verhältnis zur<br />

52 Nahverkehr 2010<br />

Leistung geringen Gewicht bestehen, erhalten<br />

bleiben werden.<br />

b) Erdgastechnik<br />

Bei den im Rahmen der Motortypprüfung<br />

gesetzlich limitierten Schadstoffemissionen<br />

hat die Erdgastechnik heute<br />

– insbesondere bei der Stufe EURO V/<br />

EEV – keine Vorteile mehr gegenüber<br />

der modernen Dieseltechnik. Sie fungierte<br />

jedoch als Treiber für die signifikante<br />

Weiterentwicklung der Dieseltechnik<br />

<strong>und</strong> wies bis einschließlich der<br />

Stufe EURO III günstigere NOx- <strong>und</strong><br />

PM-Werte auf. Den VDV-Mitgliedsunternehmen,<br />

die frühzeitig Erdgasbusse<br />

einsetzten ist es zu verdanken, entscheidende<br />

Impulse für die Entwicklung einer<br />

saubereren Dieseltechnik gesetzt zu<br />

haben. Die deutsche ÖPNV-Busflotte<br />

weist heute etwa 1.000 Erdgasbusse auf,<br />

deren Bestand jedoch leicht rückläufig<br />

ist.<br />

Für die weitere Optimierung ist der<br />

Erdgasantrieb ebenfalls einem Zielkonflikt<br />

unterworfen, da jede Absenkung<br />

des signifikanten Kraftstoffmehrverbrauchs<br />

einen Anstieg der Stickoxidemissionen<br />

hervorruft. Trotz des im Vergleich<br />

zum Dieselkraftstoff günstigeren<br />

Wasserstoff/Kohlenstoff-Verhältnisses<br />

beim Erdgas ist durch den Kraftstoffmehrverbrauch<br />

beim Erdgasbus keine<br />

CO2-Reduzierung im Fahrbetrieb zu<br />

erwarten. Aus heutiger Sicht wird sich<br />

bei zukünftigen Erdgasmotoren der<br />

Kraftstoffmehrverbrauch jedoch auf 20<br />

Prozent senken lassen.<br />

c) Verbesserte Kraftstoffqualitäten<br />

<strong>und</strong> Kraftstoffgewinnung<br />

Aufgr<strong>und</strong> der bestehenden Beziehung<br />

zwischen dem Partikelausstoß <strong>und</strong> dem<br />

Schwefelgehalt des Dieselkraftstoffs<br />

setzte sich der VDV bereits frühzeitig<br />

energisch für die Einführung schwefelarmer<br />

bzw. schwefelfreier Dieselkraftstoffe<br />

ein – jeweils weit vor der gesetzlichen<br />

Verpflichtung zur Einführung<br />

dieser Kraftstoffe. So propagierte der<br />

Verband, mit dem Vorreiter E.ON-Padersprinter,<br />

bereits ab dem Jahre 1995<br />

den Einsatz des nahezu schwefelfreien<br />

„City-Diesels“ mit einem Schwefelgehalt<br />

von ≤ 0,001 % (10 ppm). Diese Qualität<br />

hatte der EU-Gesetzgeber erst ab dem<br />

Jahr 2009 als verbindlich vorgeschrieben.<br />

Aufgr<strong>und</strong> erfolgreichen Einsatzes<br />

des VDV <strong>und</strong> seiner Mitgliedsunterneh-<br />

Zusammenführung von SCR, AGR <strong>und</strong><br />

Partikelfilter mit EURO VI<br />

8<br />

Quelle: MAN


Kraftstoffeinsparungen vs. Hybridmehrkosten in<br />

Abhängigkeit des Dieselpreises (für Solobus)<br />

9<br />

Kraftstoffeinsparung in €/a<br />

Hybrid-Mehrkosten (KD + IH) in €/a<br />

18000<br />

16000<br />

14000<br />

12000<br />

10000<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

0<br />

1,00<br />

1,10<br />

1,20<br />

1,30<br />

1,40<br />

1,50<br />

men sowie durch die freiwillige Selbstverpflichtung<br />

der Mineralölindustrie im<br />

Hinblick auf die ab dem Jahr 2003 gültige<br />

„Öko-Steuer“ hatte sich der schwefelfreie<br />

Dieselkraftstoff in Deutschland<br />

vorzeitig durchgesetzt.<br />

Insbesondere die begrenzte Verfügbarkeit<br />

der heute vorwiegend im mobilen<br />

Sektor verwendeten fossilen Energieträger<br />

sowie der stetig wachsende Energiebedarf<br />

durch das Ansteigen der<br />

Weltbevölkerung verlangen indes nach<br />

umweltverträglichen <strong>und</strong> unbegrenzt<br />

verfügbaren alternativen Energieträgern.<br />

Es ist absehbar, dass innerhalb<br />

von wenigen Generationen die Erdöl-<br />

<strong>und</strong> Erdgasvorräte zur Neige gehen<br />

werden. Für Europa zeigt sich darüber<br />

hinaus eine dramatische Abhängigkeit<br />

von Energieimporten, die teilweise aus<br />

geopolitisch instabilen <strong>Regio</strong>nen der<br />

Welt erfolgen. Ein Lösungsansatz bietet<br />

der partielle Ersatz konventioneller<br />

Treibstoffe im Straßenverkehr (Dieselkraftstoff,<br />

Benzin <strong>und</strong> Erdgas) durch die<br />

alternativen biogenen Treibstoffe der<br />

2. Generation <strong>und</strong> regenerativen Wasserstoff.<br />

Dabei kommt gemäß der Biokraftstoffrichtlinie<br />

2003/30/EG <strong>und</strong> der<br />

EU-Verkehrspolitik den regenerativen<br />

Energiequellen (Wind-, Wasser-, Solarenergie<br />

sowie Biomasse) eine zentrale<br />

Bedeutung zu, wobei synthetische Biokraftstoffe<br />

(z. B. BtL; Biomass-to-Liquids)<br />

<strong>und</strong> Wasserstoff als sek<strong>und</strong>äre Energieträger<br />

mit dem größten Nachhaltigkeitspotenzial<br />

angesehen werden. Mit BtL<br />

sollen sich im gesamten Pfad (WTW)<br />

die CO2-Emissionen (CO2-Äquivalent)<br />

im Vergleich zum fossilen Diesel um<br />

85 Prozent senken lassen. Im Vergleich<br />

1,60<br />

Dieselpreis in €/l<br />

1,70<br />

1,80<br />

1,90<br />

2,00<br />

2,10<br />

2,20<br />

2,30<br />

2,40<br />

2,50<br />

zu 10-ppm-Ware ist eine gleichzeitige<br />

Senkung der PM- <strong>und</strong> NOx-Emissionen<br />

je nach Verfahren um 20 bis 40 Prozent<br />

möglich. Der heutige gesamte Welt-<br />

energieverbrauch von etwa 8.000 Mtoe<br />

könnte nach dem Alternative World Energy<br />

Outlook 2007 bereits ab dem Jahr<br />

2060 völlig durch regenerative Energie<br />

abgedeckt werden. Unter der Annahme<br />

einer Verdopplung des Weltenergiebedarfs<br />

in etwa 35 Jahren könnte dann<br />

r<strong>und</strong> 40 Prozent des Weltenergiebedarfs<br />

durch regenerative Energien gedeckt<br />

werden. Die limitierten Vorkommen<br />

regenerativer Energiequellen in<br />

Europa würden jedoch weiterhin eine<br />

verhältnismäßig hohe Abhängigkeit der<br />

EU von Energieimporten implizieren.<br />

Eine Vorstufe zu BtL stellt NexBtL, ein<br />

synthetischer Dieselkraftstoff aus hy-<br />

10<br />

10% Rekuperation<br />

15% Rekuperation<br />

20% Rekuperation<br />

25% Rekuperation<br />

Mehrkosten KP+30.000 € +<br />

Instandhaltung<br />

Mehrkosten KP+50.000 € +<br />

Instandhaltung<br />

Mehrkosten KP+75.000 € +<br />

Instandhaltung<br />

Mehrkosten KP+100.000 € +<br />

Instandhaltung<br />

Annahmen:<br />

• keine Fahrzeug-Förderung!<br />

• Verbrauch: 42 l/100 km<br />

• 60.000 km/a<br />

• 12 a Betrieb<br />

drierten Pflanzenölen, dar, der aktuell in<br />

einem Pilotprojekt von der SSB Stuttgart<br />

erprobt wird. Gegenstand des Versuchs<br />

ist vorrangig die Untersuchung<br />

der Verträglichkeit des Kraftstoffs in unterschiedlichen<br />

Motoren. Der Kraftstoff<br />

stammt zu 60 Prozent aus Dattelöl aus<br />

Malaysia mit vom WWF befürwortetem<br />

Produktionspfad. Erste Ergebnisse deuten<br />

auf eine NOx-Reduzie¬rung im<br />

Fahrbetrieb um 15 Prozent <strong>und</strong> eine<br />

CO2-Reduzierung in der gesamten Kette<br />

(WTW) um 65 Prozent hin. Für eine<br />

limitierte Übergangszeit wäre auch der<br />

Einsatz von synthetischen Dieselkraftstoffen<br />

auf Basis von Erdgas (GtL; Gasto-Liquids)<br />

eine Ziel führende Option.<br />

Synthetische Dieselkraftstoffe sind in<br />

heutigen Dieselmotoren ohne motortechnische<br />

Änderungen einsetzbar. Auch<br />

ist eine Mischung mit fossilem Dieselkraftstoff<br />

problemlos möglich. Aufgr<strong>und</strong><br />

der o.g. Vorteile wird der VDV bei synthetischen<br />

Dieselkraftstoffen eine ähnliche<br />

Vorreiterrolle anstreben wie in<br />

der Vergangenheit bei der Einführung<br />

von schwefelfreiem Dieselkraftstoff. Für<br />

Biogas ergäbe sich ebenfalls eine signifikante<br />

CO2-Reduzierung bei Gasmotoren,<br />

sodass auch dieser Kraftstoff (z.B.<br />

aus Tierhaltung) vom VDV gefördert<br />

wird.<br />

d) Automatikgetriebe mit adaptiven<br />

Schaltprogrammen<br />

Automatikgetriebe mit adaptiven Schalt-<br />

programmen bieten – unabhängig von<br />

der Art <strong>und</strong> Charakteristik der Verbrennungskraftmaschine<br />

– einen unverzichtbaren<br />

Lösungsansatz zur weiteren<br />

Reale Kraftstoffeinsparung pro Bremsung<br />

beim Zweiachs-Linienbus<br />

Annahmen: mittlere Besetzung (17 Fahrgäste) �<br />

Rekuperations-Wirkungsgrad: 90% (in jede Energiefluss-Richtung)<br />

0,08 eingespartes Dieseläquivalent in Liter Dieselkraftstoff<br />

0,07<br />

0,06<br />

0,05<br />

0,04<br />

0,03<br />

0,02<br />

0,01<br />

0<br />

z.B. Bremsung aus 40 km/h<br />

Dieselkraftstoff-Einsparung: 18 ml<br />

20 30 40 50 60 70 80<br />

Maximale Geschwindigkeit vor der Bremsung (in km/h)<br />

Nahverkehr 2010 53


11<br />

Gr<strong>und</strong>komponenten hybrider Antriebssysteme<br />

Hauptaggregat Energiespeicher Radantrieb<br />

Verbrennungsmotor<br />

Gasturbine<br />

Motor mit äußerer<br />

Verbrennung<br />

Externe<br />

Stromversorgung<br />

Brennstoffzelle<br />

Batterie<br />

Senkung des Kraftstoffverbrauchs. Die<br />

Schaltstrategie des Automatikgetriebes<br />

legt fest, wann welche Leistung<br />

vom Motor abgerufen wird. Je nach<br />

Schaltstrategie <strong>und</strong> Fahrprogramm<br />

kann dieser Leistungsabruf variieren,<br />

was den Kraftstoffverbrauch signifikant<br />

beeinflusst. Getriebe für <strong>Stadt</strong>busse haben<br />

heute bis zu sechs Fahrprogramme<br />

verfügbar, zwischen denen jedoch nicht<br />

jederzeit gewechselt werden kann, da<br />

das Schaltprogramm eines Getriebes<br />

in der Regel festgelegt ist. Benötigt der<br />

Bus für seine Strecke auch nur einmal<br />

den „Power-Modus“ – etwa weil eine<br />

Steigung zu bewältigen ist – wird der<br />

Bus auf den flachen Streckenabschnitten<br />

nicht im verbrauchsgünstigsten Gang<br />

betrieben. Mit einer geländeabhängigen<br />

intelligenten Schaltstrategie wird indes<br />

je nach Anforderung der Strecke das<br />

passende Fahrprogramm automatisch<br />

aktiviert. Im Vergleich zu Fahrzeugen<br />

mit fest eingestellten Normal- oder Power-Programmen<br />

ermöglichen adaptive<br />

Schaltprogramme, die bedarfsgerecht<br />

das geeignetste Schaltprogramm in Abhängigkeit<br />

der jeweiligen Fahrsituation<br />

einstellen, eine Verbrauchssenkung <strong>und</strong><br />

damit weitere CO2-Senkung von im Mittel<br />

5 Prozent <strong>und</strong> bauen den systembedingten<br />

ÖPNV-Vorteil noch weiter aus.<br />

e) Hybridtechnik<br />

Ebenfalls unabhängig von der Art der<br />

Hauptantriebsquelle <strong>und</strong> des Kraftstoffsystems<br />

bietet sich die konsequente<br />

Hybridisierung des Antriebsstranges<br />

als Hoffnungsträger für Klimaschutz,<br />

Luftreinhaltung <strong>und</strong> Ressourcenschonung<br />

an. Dabei muss die Schlüsseltech-<br />

54 Nahverkehr 2010<br />

Interface<br />

Hydraulischer<br />

Speicher<br />

Pneumatischer<br />

Speicher<br />

Schwungmassenspeicher<br />

Batterien<br />

Hochleistungskondensatoren<br />

Elektrodynamische<br />

Energiespeicher<br />

(Spulen)<br />

Interface<br />

Schaltgetriebe<br />

Automatikgetriebe<br />

Hydraulisches<br />

Getriebe<br />

Planetengetriebe<br />

Elektromotor <strong>und</strong><br />

Getriebe<br />

Radnabenmotor<br />

nologie „Hybrid“ für Linienbusantriebe<br />

auch unter den Rahmenbedingungen<br />

des liberalisierten Verkehrsmarktes in<br />

Verbindung mit rückläufiger öffentlicher<br />

Kofinanzierung ökonomisch umsetzbar<br />

sein. Im liberalisierten Verkehrsmarkt<br />

ist eine ausreichende öffentliche<br />

Förderung für die Erschließung der<br />

signifikanten Umweltvorteile – zumindest<br />

bis zum Erreichen einer betrieblichen<br />

Serienreife für diese Technik, die<br />

noch nicht erreicht ist – unverzichtbar<br />

(Abb. 9). Konsequenterweise wird das<br />

B<strong>und</strong>esumweltministerium (BMU) im<br />

Rahmen einer zukunftsorientierten Politik<br />

den Einsatz moderner Hybridbusse<br />

mit anspruchsvollen Umweltstandards<br />

im öffentlichen Personennahverkehr<br />

(ÖPNV) voranbringen <strong>und</strong> hat als Teil<br />

seiner Klimaschutzinitiative ein Projekt<br />

„Hybrid-Busse für einen umweltfre<strong>und</strong>-<br />

lichen ÖPNV“ ausgelobt, das mit Mitteln<br />

aus dem BMU-Umweltinnovationsprogramm<br />

<strong>und</strong> dem Konjunkturpaket II gefördert<br />

wird. Daneben fördern auch das<br />

B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr, Bau <strong>und</strong><br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung (BMVBS) im Rahmen<br />

von 8 Elektromobilitäts-Modellregionen<br />

<strong>und</strong> der Verkehrsverb<strong>und</strong> Rhein-Ruhr<br />

(VRR) in eigenen Projekten die Vorserienerprobung<br />

der Hybridtechnik. Auch<br />

einzelne B<strong>und</strong>esländer, wie Bayern im<br />

IDEAS-Projekt, engagieren sich in der<br />

Hybridbusförderung. Neben den mit der<br />

Hybridisierung angestrebten Primärzielen<br />

„Kraftstoffeinsparung“ <strong>und</strong> „Emissionsvermeidung“<br />

ist für den ÖPNV auch<br />

das Sek<strong>und</strong>ärziel „weitere Verbesserung<br />

des Vorsprungs gegenüber dem Individualverkehr“<br />

von Bedeutung.<br />

Gerade Linienbusse eignen sich wegen<br />

ihres häufigen Bremsens <strong>und</strong> Anfahrens<br />

für die Hybrid-Technologie, weil hier<br />

signifikant Bremsenergie zurück gewonnen<br />

werden kann. R<strong>und</strong> 35 Bremsungen<br />

aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h<br />

bei einem Linienbus mit mittlerer Besetzung<br />

von 19,5 Prozent ermöglichen die<br />

Rückgewinnung von einem Liter DK. Da<br />

die kinetische Energie im Quadrat der<br />

Fahrzeuggeschwindigkeit wächst, würden<br />

bereits 13 Bremsungen aus 80 km/h<br />

ausreichen, um einen Liter DK zu rekuperieren<br />

(Abb. 10).<br />

Die Konfiguration der in Abb. 11 gezeigten<br />

Gr<strong>und</strong>komponenten kann in verschieden<br />

Hybridkonzepten erfolgen, die<br />

spezifische Vor- <strong>und</strong> Nachteile aufweisen.<br />

Während der serielle Hybrid durch<br />

die rein elektrische Energieübertragung<br />

von Hauptaggregat <strong>und</strong> Energiespeicher<br />

zu den elektrischen Fahrmotoren die<br />

Hoffnungsträger: Hybridtechnik – Konzeptüberblick<br />

Serieller Hybrid<br />

Parallelhybrid<br />

Mischhybrid<br />

(kombiniert)<br />

Quelle: Fraunhofer IVI, 2007<br />

12<br />

VM<br />

VM<br />

VM<br />

GNLE<br />

GN<br />

K<br />

LES<br />

LES<br />

GN/M<br />

S<br />

LE/LES<br />

K<br />

S<br />

S<br />

M<br />

LE<br />

K<br />

M<br />

G<br />

G<br />

G<br />

mechanisch<br />

elektrisch<br />

VM Verbrennungsmotor<br />

GN Generator<br />

LE Leistungselektronik<br />

LES Leistungselektronik<br />

Speicher<br />

M Elektromotor<br />

G Getriebe<br />

K Mechanische<br />

Kupplung<br />

S Energiespeicher


Gravimetrische Leistungsdichte vs. Energiedichte<br />

Spezifische Leistung in W/kg (Zellebene)<br />

100,000<br />

10,000<br />

1,000<br />

100<br />

10<br />

1<br />

SuperCap<br />

Blei „spiral<br />

wo<strong>und</strong>“<br />

Blei<br />

Saft VHP<br />

6 Ah<br />

NiCd<br />

Li-Ion<br />

Very High Power<br />

NiMH<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200<br />

höchste Flexibilität in der Komponentenanordnung<br />

ermöglicht, bleibt beim<br />

Parallelhybrid der konventionelle mechanische<br />

Antriebsstrang mit Automatikgetriebe<br />

weitgehend erhalten, so dass<br />

hierbei mit geringeren Gesamtkosten<br />

gerechnet werden kann. Mischhybride<br />

bewegen sich zwischen diesen Hybrid-<br />

Gr<strong>und</strong>typen (Abb. 12).<br />

Ein ruckfreies Beschleunigen durch<br />

elektrische Fahrmotoren <strong>und</strong> ein geräuscharmer<br />

Fahrbetrieb sind klare<br />

Qualitätsverbesserungen für die Fahrgäste<br />

(Letzterer auch für die Anwohner).<br />

Obwohl radnahe Elektromotoren<br />

wegen zusätzlicher konstruktiver Freiheitsgrade<br />

für die Fahrgastraumgestaltung<br />

anzustreben sind, könnte ein Zentralmotor-Antrieb<br />

evtl. kurzfristig die<br />

wirtschaftlichere Lösung darstellen.<br />

Die heterogenen ÖPNV-Einsatzprofile,<br />

die zwischen schwerem <strong>Stadt</strong>verkehr<br />

<strong>und</strong> leichtem Überlandverkehr signifikant<br />

differieren, <strong>und</strong> die technische Auslegung<br />

der Systeme auf die individuellen<br />

Einsatzfälle vor Ort sind entscheidende<br />

Einflussgrößen für den realen Nutzen<br />

der unterschiedlichen Hybridkonzepte.<br />

Das maximale Energieeinsparpotenzial<br />

von Hybridsystemen kann nur ausgenutzt<br />

werden, wenn das Gesamtkonzept<br />

neben der eigentlichen Bremsenergierekuperation<br />

auch eine Start/Stopp-Automatik,<br />

eine konsequente Elektrifizierung<br />

der Nebenverbraucher mit Energiemanagement<br />

<strong>und</strong> ein Downsizing des Antriebsmotors<br />

vorsieht.<br />

Potenzial <strong>und</strong> Chancen der Hybridtechnik<br />

sind eng mit den Charakteristika der<br />

Energiespeichertechnik verb<strong>und</strong>en. Vorteile<br />

von Ultracaps (Hochleistungskon-<br />

NaNiCl 2<br />

“Zebra”<br />

GAIA<br />

LiFePO 4<br />

LiTeC<br />

HP 6 Ah<br />

Li-Ion<br />

High Power<br />

GAIA HE 60 Ah<br />

LiM-Polymer<br />

GS Yuasa<br />

LEV 50<br />

A123<br />

Saft VL M<br />

Spezifische Energie in Wh/kg (Zellebene)<br />

Kokam<br />

Coffee Bag<br />

E- One Moli<br />

Li-Ion<br />

High<br />

Energy<br />

Quelle Ragone Plot: Saft<br />

13 Quelle: Sauer, D.U., RWTH Aachen<br />

densatoren) sind hohe Leistungsdichten,<br />

d.h. eine rasche Energieaufnahme<br />

<strong>und</strong> -abgabe; von Nachteil ist hier die<br />

geringe Energiedichte <strong>und</strong> damit limitierte<br />

Gesamtenergieaufnahme. Demgegenüber<br />

weisen Batterien eine hohe<br />

Energiedichte <strong>und</strong> damit hohe Energiespeicherfähigkeit,<br />

jedoch eine geringere<br />

Leistungsdichte auf. Hohe Leistungs-<br />

<strong>und</strong> Energiedichten werden von Lithium-Ionen-Batterien<br />

erwartet (Abb. 13).<br />

Kritische Punkte sind heute noch die<br />

Lebensdauerlimitierung aufgr<strong>und</strong> großer<br />

Sensibilität auf Temperaturverhältnisse<br />

<strong>und</strong> Spannungsänderungen, ein hoher<br />

Regelaufwand <strong>und</strong> hohe Kosten.<br />

Hybridkonzepte haben zum heutigen<br />

Zeitpunkt allenfalls eine Vorserienreife<br />

erlangt <strong>und</strong> müssen im Zuge der anstehenden<br />

Piloterprobungen signifikant<br />

weiterentwickelt werden. Frühzeitig<br />

Wasserstoffbusse der BVG<br />

engagieren sich auch hier die VDV-Mitgliedsunternehmen<br />

bei der Praxiserprobung<br />

<strong>und</strong> Serienertüchtigung von<br />

Hybridsystemen als Vorreiter für die<br />

gesamte Branche zum weiteren Ausbau<br />

des Umweltvorteils des ÖPNV.<br />

f) Wasserstofftechnik<br />

Im Rahmen der Diskussion über eine<br />

weitere Verbesserung der verkehrsbedingten<br />

Emissionen ist der Wasserstoff<br />

als kohlenstofffreier Kraftstoff in den<br />

Mittelpunkt des öffentlichen Interesses<br />

gerückt, da er das Potential einer gleichermaßen<br />

lokalen wie globalen Emissionsfreiheit<br />

in Verbindung mit Ressourcenschonung<br />

bietet. Aufgr<strong>und</strong> seiner<br />

quasi unbegrenzten Verfügbarkeit wäre<br />

Wasserstoff gerade für mobile Anwendungen<br />

eine aussichtsreiche Alternative.<br />

Dabei ist jedoch der Systemzusammenhang,<br />

ausgehend von regenerativer<br />

Wasserstofferzeugung <strong>und</strong> einer angemessenen<br />

Verteilungs- <strong>und</strong> Betankungsinfrastruktur,<br />

neben der eigentlichen<br />

Fahrzeugtechnik von Anfang an in eine<br />

zukünftige „Wasserstoffwirtschaft“ notwendigerweise<br />

zu berücksichtigen. Die<br />

Betriebshof-geb<strong>und</strong>enheit der ÖPNV-<br />

Unternehmen ist ein entscheidender<br />

Vorteil für die Einrichtung einer Betankungsinfrastruktur<br />

für Wasserstoff <strong>und</strong><br />

seine regenerative Erzeugung.<br />

Bereits im April 2006 hatte die deutsche<br />

B<strong>und</strong>esregierung 500 Millionen Euro<br />

für die Förderung der Antriebstechnologie<br />

mit Wasserstoff- <strong>und</strong> Brennstoffzellen<br />

zur Verfügung gestellt. Wasserstoff<br />

wird zurzeit von ausgewählten<br />

VDV-Mitgliedsunternehmen im Rahmen<br />

des CUTE- (Clean Urban Trans-<br />

14 Quelle: BVG Berlin<br />

Nahverkehr 2010 55


Größte Brennstoffzellenbusflotte der Welt in<br />

Hamburg<br />

15 Quelle: HHA Hamburg<br />

port for Europe) Nachfolgeprojektes<br />

HyFLEET:CUTE sowohl in Verbindung<br />

mit Brennstoffzellen als auch in Wasserstoff-Verbrennungsmotoren<br />

sowie im<br />

EU-Projekt HYCHAIN mit Brennstoffzellen-Hybrid-Minibussen<br />

erprobt (Abb.<br />

14 <strong>und</strong> 15). Der hohe Wirkungsgrad<br />

der Brennstoffzellensysteme von bis zu<br />

50 Prozent bei Teillast, verb<strong>und</strong>en mit<br />

einem elektrischen Fahrantrieb, bietet<br />

ein höheres Potenzial, während jedoch<br />

der Wasserstoff-Verbrennungsmotor<br />

heute noch kosteneffizienter herstellbar<br />

ist. Sowohl Wasserstoff-Verbrennungsmotoren<br />

als auch Brennstoffzellen<br />

unterschreiten die zurzeit diskutierten<br />

Grenzwertvorschläge für EURO VI bei<br />

weitem <strong>und</strong> bieten schon heute einen<br />

Ausblick auf mittelfristig serienmäßig<br />

verfügbare flexible Nullemissions-Antriebe.<br />

Für die Wasserstofftechnik ist essentiell,<br />

die einseitige Konzentration auf die Entwicklung<br />

der rein fahrzeugspezifischen<br />

Antriebskomponenten zu überwinden<br />

<strong>und</strong> im Sinne eines ganzheitlichen Systemgedankens<br />

nicht nur auf die Nullemission<br />

im Fahrbetrieb abzuheben,<br />

sondern auch die Peripherie, d.h. die<br />

Energiebereitstellungsseite (Erzeugung<br />

<strong>und</strong> Betankung), als gleichsam wichtigen<br />

Aspekt in die Diskussion um die Zukunft<br />

der Busantriebstechnik von Anfang an<br />

zu integrieren. Für eine limitierte Übergangszeit<br />

wäre die Nutzung von vorhandenem<br />

Nebenprodukt-Wasserstoff<br />

tolerierbar. Dieser ist z.B. im Großraum<br />

Köln aus der Chlorproduktion für eine<br />

Flotte von bis zu 3.000 Linienbussen<br />

verfügbar <strong>und</strong> könnte durch die bereits<br />

56 Nahverkehr 2010<br />

bestehende Wasserstoffpipeline das<br />

Ruhrgebiet ebenfalls versorgen. Unter<br />

der Regie der Interessensgemeinschaft<br />

HYCOLOGNE werden zwei Brennstoffzellen-Hybridbusse<br />

im Rahmen<br />

eines deutsch-niederländischen Forschungsprojekts<br />

eingesetzt werden.<br />

g) Elektromobilität<br />

In Abgrenzung zur „Vorstufe“ Hybrid<br />

wird unter Elektromobilität der Einsatz<br />

von elektrischen Antrieben in Systemen<br />

mit absoluter lokaler Nullemission verstanden.<br />

Serienreife leitungsgeb<strong>und</strong>ene<br />

Elektromobilität ist im Linienbusbereich<br />

seit langem in Trolleybussystemen verwirklicht.<br />

Eine neue, vielversprechende<br />

Initiative zur Unterstützung der übergeordneten<br />

Strategie des B<strong>und</strong>esverkehrsministeriums<br />

(BMVBS) unter dem<br />

Leitziel „Weg von fossilen Treibstoffen<br />

wie Erdöl, Erdgas <strong>und</strong> Kohle“ bezieht<br />

sich auf die Elektromobilität bei flexibel<br />

einsetzbaren Fahrzeugen. Im Rahmen<br />

des Konjunkturpakets II der B<strong>und</strong>esregierung<br />

wurden im Jahr 2009<br />

komplementär zur Wasserstoff- <strong>und</strong><br />

Brennstoffzellenförderung weitere 500<br />

Millionen Euro für die Elektromobilität<br />

eingeplant. Von den 150 Millionen,<br />

die dem BMVBS hieraus zur Verfügung<br />

stehen, werden 115 Millionen in Abstimmung<br />

des Verkehrs-, Wirtschafts-<br />

<strong>und</strong> Forschungsministeriums für die<br />

Entwicklung der Elektromobilität in 8<br />

Modellregionen eingeplant, in denen<br />

die Anwendung von Elektromobilität<br />

im ÖPNV, <strong>Regio</strong>nalverkehr, bei gewerblichen<br />

Anwendern etc. untersucht <strong>und</strong><br />

Fragen zur Infrastruktur <strong>und</strong> <strong>Stadt</strong>inte-<br />

gration beantwortet werden sollen. Erklärtes<br />

Ziel ist es, eine Cluster-Bildung<br />

durch Kombination global agierender<br />

Firmen <strong>und</strong> regionaler Anbieter herzustellen<br />

sowie durch Schaffung von Wettbewerb<br />

eine „Sichtbarkeit“ des Themas<br />

„Elektromobilität“ zu erreichen. In Abb.<br />

16 sind die ausgewählten 8 Modellregionen<br />

aufgeführt.<br />

8 Modellregionen:<br />

Berlin/Potsdam<br />

Bremen/Oldenburg<br />

Hamburg<br />

München<br />

Rhein-Main<br />

Rhein-Ruhr<br />

Dresden/Leipzig<br />

Stuttgart<br />

Abb. 16: Ausgewählte Modellregionen für die<br />

Erprobung einer Elektromobilität<br />

Im Kontext einer ökologischen Nachhaltigkeit<br />

<strong>und</strong> Sicherheit der Energieversorgung<br />

– auch angesichts aktueller<br />

Probleme bei der Gasversorgung – erfolgt<br />

der forcierte Ausbau regenerativer<br />

Energien. Es besteht jedoch eine<br />

Diskrepanz zwischen Verfügbarkeit <strong>und</strong><br />

tatsächlicher Nutzung von regenerativer<br />

Energie, da für eine umfängliche<br />

Integration von regenerativer Energie<br />

– z.B. Windenergie – die Realisierung<br />

eines Lastmanagements in der Energieversorgung<br />

Voraussetzung ist. Verkehrsunternehmen<br />

zum Transport von Personen<br />

<strong>und</strong> Gütern bieten hierzu einen<br />

idealen Lösungsansatz, indem sie die<br />

bedarfsgerechte Speicherfunktion für<br />

regenerative Energie erfüllen. So können<br />

– z.B. nachts oder auch tagsüber<br />

bei verfügbarer Windenergie <strong>und</strong> fehlender<br />

Netzlast – Batterie-Kapazitäten<br />

auf Betriebshöfen bereitgestellt werden,<br />

die die Windenergie bedarfsgerecht aufnehmen.<br />

Diese Batterien werden dann<br />

als Traktionsbatterien eingesetzt <strong>und</strong><br />

ermöglichen eine emissionsfreie Mobilität.<br />

Für den Einsatz der Traktionsbatterien<br />

im Rahmen eines Lastmanagements<br />

sind – neben einem obligatorischen<br />

elektrischen Fahrantrieb – eine schnelle<br />

Hochstromladetechnik <strong>und</strong> effiziente<br />

Batteriewechseltechnik zu entwickeln.<br />

Für erste Pilotanwendungen könnte<br />

anstelle von letztendlich Ziel führenden<br />

„Purpose-Design“-Fahrzeugkonzepten<br />

die Unterbringung der Batterien in Anhängern<br />

erfolgen. Ein entscheidender


Vorteil für die zeitnahe Verwirklichung<br />

der Zielvorstellung Elektromobilität ist<br />

die Entwicklung von standardisierten,<br />

unspezifisch einsetzbaren Komponenten<br />

für automotive Anwendungen bereits im<br />

Rahmen der Vorstufe „Hybrid“.<br />

h) Komplementäre fahrzeug-<br />

technische Maßnahmen<br />

Im Zuge einer ganzheitlichen Betrachtung<br />

der Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit von<br />

Linienbusverkehrssystemen müssen<br />

auch zur Antriebs- <strong>und</strong> Kraftstofftechnik<br />

komplementäre fahrzeugtechnische<br />

Maßnahmen integriert werden. Zur<br />

Verringerung der Fahrwiderstände ist<br />

eine Optimierung der Aerodynamik<br />

aufgr<strong>und</strong> der niedrigen Geschwindigkeiten<br />

von Linienbussen nur begrenzt<br />

sinnvoll, während die Gewichtsreduktion<br />

durch Leichtbau <strong>und</strong> die Elektrifizierung<br />

der Nebenverbraucher wichtige<br />

Entwicklungsansätze. Eine bedarfsorientierte<br />

Steuerung der Nebenverbraucher<br />

kann signifikant den Energiebedarf<br />

eines Busses senken <strong>und</strong> mit zur<br />

additiven weiteren Verbesserung des<br />

ÖPNV-Systemvorteils beitragen. Für<br />

den Bereich der Klimatisierung wurden<br />

vom VDV jüngst die Anforderungen an<br />

dezentrale, modulare Klimaanlagenkonzepte<br />

mit elektrischen Kompressoren<br />

definiert, die eine signifikante Senkung<br />

der Life Cycle Cost (LCC) <strong>und</strong> des En-<br />

Vergaberecht / ÖPNV | Deutscher Städtetag<br />

EG-Verordnung 1370/2007 –<br />

Auswirkungen in der Praxis<br />

Aulinger Rechtsanwälte, Bochum<br />

ergieverbrauchs ermöglichen. Wie dargelegt,<br />

engagieren sich der VDV <strong>und</strong> seine<br />

Mitgliedsunternehmen – trotz ihrer<br />

heute bereits herausragenden Stellung<br />

im Umweltschutz <strong>und</strong> trotz evidenter<br />

Überlegenheit zum Motorisierten Individualverkehr<br />

– auf vielfältige Weise für<br />

einen Ausbau des systembedingten Umweltvorteils<br />

des ÖPNV. Über die Zwischenstufe<br />

„Verbrauchsreduzierung“<br />

wird bereits heute konkret eine völlig<br />

emissionsfreie Mobilität unter Nutzung<br />

regenerativer Energie entwickelt. Diese<br />

Zielvorstellung ist jedoch nur bei<br />

verlässlicher, kontinuierlicher <strong>und</strong> angemessener<br />

öffentlicher Förderung erreichbar.<br />

�<br />

Ab dem 3. Dezember 2009 wird die neue Verordnung ohne Umsetzung in deutsches Recht unmittelbar Anwendung<br />

finden. Sie schafft einen neuen Rechtsrahmen für die Vergabe <strong>und</strong> für die beihilferechtliche Behandlung öffentlicher<br />

Personenverkehrsleistungen <strong>und</strong> hat daher umfassende Bedeutung sowohl für die Aufgabenträger (Kreise <strong>und</strong> Städte)<br />

als auch für die im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) tätigen Unternehmen wie den Schienenpersonennahverkehr<br />

(also der Nahverkehr der Deutschen Bahn) <strong>und</strong> den Straßenpersonennahverkehr.<br />

Anlässlich der Hauptversammlung<br />

des deutschen Städtetages – „Städtisches<br />

Handeln in Zeiten der Krise“<br />

vom 12. bis 14. Mai 2009 in Bochum<br />

zeigt Vergaberechtsexperte Dr. Andreas<br />

Lotze aus der Kanzlei Aulinger Rechtsanwälte<br />

auf, welche Auswirkungen auf<br />

die Praxis zu erwarten sind.<br />

Bisher gelten im Bereich des EU-Vergaberechts<br />

für Ausschreibungen von<br />

Verkehrsdienstleistungen noch die Verordnung<br />

(EWG) Nr. 1191/69 <strong>und</strong> die<br />

Vergaberichtlinien (RL 2004/17/EG <strong>und</strong><br />

RL 2004/18/EG). Künftig muss danach<br />

differenziert werden, ob sich die Ausschreibung<br />

nach den Vergaberichtlinien<br />

richtet oder ob die weniger strengen<br />

Maßstäbe der neuen „EG-Verordnung<br />

Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste<br />

auf Schiene <strong>und</strong><br />

Straße <strong>und</strong> zur Aufhebung der Verordnungen<br />

(EWG) Nr. 1191/69 <strong>und</strong> (EWG)<br />

Nr. 1107/70“ gelten.<br />

1. Die künftigen Regelungen<br />

Keine Änderungen gibt es bei der Ausschreibung<br />

nach den Vergaberichtlinien<br />

bei Dienstleistungsaufträgen für öffentliche<br />

Personennahverkehrsdienste mit<br />

Bussen <strong>und</strong> Straßenbahnen. Für alle anderen<br />

Verkehrsleistungen jedoch, also<br />

etwa in den Bereichen Schienenpersonennahverkehr<br />

<strong>und</strong> U-Bahn sowie für<br />

Dienstleistungskonzessionen im Bereich<br />

Busse <strong>und</strong> Straßenbahnen, gelten künftig<br />

die vergaberechtlich niedrigeren Hürden<br />

der EG-Verordnung Nr. 1370/07. Soweit<br />

sich die Vergabe nach der EG-Verordnung<br />

richtet, ist damit eine Vereinfachung<br />

verb<strong>und</strong>en, weil gr<strong>und</strong>sätzlich das neue<br />

Verfahren der wettbewerblichen Vergabe<br />

vorgesehen ist. Der Verfahrensablauf<br />

kann freier gestaltet werden, als dies<br />

bislang der Fall ist, solange ein offener,<br />

fairer, transparenter <strong>und</strong> nicht diskriminierender<br />

Wettbewerb sichergestellt ist.<br />

2. Relevante formale Kriterien<br />

Bereits ein Jahr vor der beabsichtigten<br />

Einleitung des wettbewerblichen Verfahrens<br />

ist dieses europaweit anzukündigen.<br />

Verkehrsbetreiber sollen sich somit<br />

frühzeitig <strong>und</strong> in groben Zügen Kenntnis<br />

von dem geplanten Vergabeverfahren<br />

verschaffen können. Zur Durchführung<br />

des Verfahrens kann der Auftraggeber<br />

wählen, ob er (einstufig) mit der europaweiten<br />

Bekanntmachung des Verfahrens<br />

direkt zur Angebotsabgabe auffordert<br />

oder (zweistufig) einen Teilnahmewettbewerb<br />

mit anschließender Angebotsaufforderung<br />

durchführt.<br />

In beiden Fällen kann er dann, wenn<br />

die ausgeschriebenen Personenbeförderungsleistungen<br />

„besonders“ oder<br />

„komplex“ im Sinne der Verordnung<br />

sind, auch nach der Angebotsabgabe<br />

Verhandlungsgespräche führen, wahlweise<br />

mit allen Bietern oder mit einem<br />

Teil der Bieter. Die Vorauswahl muss<br />

Nahverkehr 2010 57


anhand zuvor festgelegter <strong>und</strong> nicht diskriminierender,<br />

einzelne Bieter benachteiligender<br />

Kriterien erfolgen. Bevor der<br />

Zuschlag erteilt wird, sind die Bieter –<br />

ähnlich wie in § 13 Vergabeverordnung<br />

vorgesehen – über die Entscheidung des<br />

Auftraggebers zu informieren, weil die<br />

Verordnung verlangt, dass der Umfang<br />

des Rechtsschutzes im wettbewerblichen<br />

Verfahren dem Rechtsschutz anderer<br />

EU-Vergabeverfahren entspricht.<br />

3. Möglichkeit der Direktvergabe<br />

Außerdem sieht die Verordnung für<br />

bestimmte Fälle die Möglichkeit der<br />

Direktvergabe von Verkehrsdienstleistungen<br />

vor, also die Beauftragung eines<br />

bestimmten Bewerbers, ohne vorher<br />

ein wettbewerbliches Vergabeverfahren<br />

durchzuführen. Beispiele sind Dienstleistungsaufträge<br />

im Eisenbahnverkehr mit<br />

einer Höchstlaufzeit von zehn Jahren,<br />

Notmaßnahmen bei einer Unterbrechung<br />

des Verkehrsdienstes für längstens<br />

zwei Jahre <strong>und</strong> Bagatellfälle, etwa<br />

Personenverkehrsleistungen mit einem<br />

jährlichen Wert von unter 1 Mio. Euro<br />

oder 300.000 km. An kleine <strong>und</strong> mitt-<br />

58 Nahverkehr 2010<br />

lere Unternehmen, die nicht mehr als<br />

23 Fahrzeuge betreiben, kann ein Auftrag<br />

direkt vergeben werden, wenn der<br />

geschätzte Durchschnittswert unter 2<br />

Mio. Euro bzw. die Personenverkehrsleistung<br />

unter 300.000 km liegt.<br />

Direktvergaben sind darüber hinaus ausdrücklich<br />

zugelassen, wenn die örtlich<br />

zuständige Behörde Dienstleistungsaufträge<br />

an einen internen Betreiber<br />

vergibt, also an ein Unternehmen, über<br />

das die Behörde die Kontrolle wie über<br />

eine eigene Dienststelle ausübt. Diese<br />

In-House-Beauftragung kann auch durch<br />

eine Gruppe von Behörden erfolgen,<br />

wenn die Kontrolle auf das beauftragte<br />

Unternehmen von wenigstens einer der<br />

Behörden ausgeübt wird. Das Ziel der<br />

Verordnung zur Marktöffnung im Sinne<br />

eines regulierten Wettbewerbes wird<br />

so zwar eingeschränkt, allerdings müssen<br />

deren strenge Voraussetzungen im<br />

Einzelfall auch vorliegen; es besteht insoweit<br />

kein Freibrief.<br />

4. Potenzielle Rechts-<br />

unsicherheiten<br />

Das derzeit geltende Personenbeförde-<br />

Erdgas im öffentlichen Verkehr –<br />

ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz<br />

Von Bernhard Jeken, Geschäftsführer der E.ON Gas Mobil GmbH, Essen<br />

rungsgesetz (PBefG) weicht in einigen<br />

Punkten wesentlich von der EG-Verordnung<br />

ab, was Rechtsunsicherheiten zur<br />

Folge haben dürfte. Ein entsprechender<br />

Referentenentwurf zur Novellierung des<br />

PBefG liegt bereits vor; seine Durchsetzung<br />

noch in dieser Legislaturperiode ist<br />

unsicher. Dabei wird es darum gehen, inwieweit<br />

die bisherige gesetzliche Unterscheidung<br />

zwischen eigen- <strong>und</strong> gemeinwirtschaftlicher<br />

Personenbeförderung<br />

zugunsten eines einheitlichen Marktzugangsverfahrens<br />

für die Verkehrsunternehmen<br />

aufgehoben <strong>und</strong> damit die Rolle<br />

der Kommunen als Aufgabenträger des<br />

ÖPNV gestärkt wird <strong>und</strong> ob die bisherigen<br />

Linienkonzessionen „ausschließliche<br />

Rechte“ im Sinne der Verordnung<br />

sind <strong>und</strong> damit den Regeln der neuen<br />

ÖPNV-VO 1370/07 unterfallen. �<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.aulinger.eu.<br />

Im Juli 2008 hatte der Europäische Gerichtshof den Bürgern in Europa ein einklagbares Recht auf saubere Luft<br />

zugestanden. Seitdem müssen Städte mehr als zuvor die Entwicklung der Luftqualität im Auge behalten <strong>und</strong> für die<br />

Einhaltung von Emissionsgrenzwerten im Verkehr sorgen. Zunehmend Kommunen verordnen ihren Behörden deshalb<br />

bei der Neuanschaffung von Fahrzeugen den Umstieg auf klimaschonende Antriebe wie Erdgas. In Düsseldorf besteht<br />

der städtische Fuhrpark beispielsweise bereits zu 40 Prozent aus Erdgasautos. 1 Andernorts setzt man seit einigen<br />

Jahren auch im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf Erdgas. Die Saarbahn GmbH hatte bereits 1995 damit<br />

begonnen, ihre dieselmotorigen Omnibusse in der saarländischen <strong>Land</strong>eshauptstadt schrittweise durch ottomotorige<br />

Erdgasantriebe zu ersetzen. 2 Zu r<strong>und</strong> zwei Drittel ist die städtische Busflotte bereits umgestellt. Und auch Augsburg<br />

gilt als ein Vorreiter in Sachen Erdgas im ÖPNV: Von den r<strong>und</strong> 100 Bussen der <strong>Stadt</strong>werke fahren 89 mit dem klimaschonenden<br />

Kraftstoff. 3<br />

Insgesamt sind von den r<strong>und</strong> 37.000<br />

Bussen im deutschlandweiten ÖPNV<br />

bislang aber erst ungefähr 1.500 Omnibusse<br />

mit Erdgas ausgerüstet. Ein Blick<br />

auf Grafik 1 zeigt, dass die B<strong>und</strong>esländer<br />

bei der Umrüstung ihrer Busflotten mit<br />

unterschiedlichem Tempo vorangehen:<br />

Anfang 2008 waren nahezu 90 % der Erdgasbusse<br />

verteilt auf nur 5 B<strong>und</strong>esländer<br />

(Bayern Thüringen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen,<br />

Saarland). Während Bayern<br />

mit r<strong>und</strong> 540 Erdgasbussen führend war,<br />

setzte das bevölkerungsreichste <strong>Land</strong><br />

Nordrhein-Westfalen nahezu keine<br />

Busse mit Erdgasantrieb im ÖPNV ein.<br />

In Bremen <strong>und</strong> Hamburg rollten zu dieser<br />

Zeit überhaupt keine Erdgasbusse im<br />

ÖPNV. 4 Das ist erstaunlich: Denn Erdgas<br />

als Kraftstoff hat viele Vorteile, die sich<br />

gerade für den öffentlichen Verkehr auszahlen,<br />

wie dieser Beitrag aufzeigt.<br />

Einfluss des (öffentlichen)<br />

Verkehrs auf das Klima<br />

Die Verantwortung für ein sauberes Klima<br />

ist, neben der Senkung von Betriebskosten,<br />

einer der Hauptgründe von


Grafik 1: Entwicklung des Bestandes an Erdgasbussen in Deutschland<br />

Städten <strong>und</strong> Gemeinden, sich im öffentlichen<br />

Verkehr für Erdgas zu entscheiden.<br />

Denn der Verkehrssektor trägt mit<br />

r<strong>und</strong> einem Fünftel des in Deutschland<br />

ausgestoßenen Treibhausgases Kohlendioxid<br />

erheblich zum Klimawandel<br />

bei. Zwei Prozent davon entfallen nach<br />

Schätzungen des Verbands Deutscher<br />

Verkehrsunternehmen (VDV) auf den<br />

öffentlichen Verkehr. Von allen verkehrsbedingten<br />

CO2-Emissionen stammen<br />

84 Prozent direkt aus den Auspuffen<br />

der Pkw, Lkw <strong>und</strong> Motorräder. 5 Der<br />

Verkehrssektor ist damit 2008 zum<br />

zweitgrößten CO2-Emittenten nach<br />

der Energiewirtschaft aufgestiegen <strong>und</strong><br />

kommt in der Rangliste noch vor den<br />

Privathaushalten. 6<br />

Städtische Gebiete werden durch den<br />

Straßenverkehr am stärksten belastet.<br />

Ein Fünftel aller Verkehrsbewegungen<br />

findet im urbanen Raum statt. Prognosen<br />

gehen davon aus, dass das Gedränge<br />

von Autos <strong>und</strong> Lkws in den Städten<br />

der Europäischen Union bis 2030 um<br />

40 Prozent gegenüber 1995 zunehmen<br />

wird. Das bedeutet: steigende Belastungen<br />

durch Feinstaub, Stickoxide <strong>und</strong><br />

Lärm für mehr als 75 Prozent der EU-<br />

Bürger.<br />

Klimakiller Kohlendioxid (CO 2)<br />

Das Gas mit den größten Auswirkungen<br />

auf das Klima unserer Erde ist CO2. Sein<br />

Einfluss auf die Erderwärmung wird<br />

kaum noch ernsthaft bestritten. CO2<br />

hat einen Anteil von etwa 50 Prozent an<br />

dem vom Menschen verursachten Treibhauseffekt.<br />

Seit der Industrialisierung im<br />

18. Jahrh<strong>und</strong>ert ist die CO2-Konzentration<br />

in der Erdatmosphäre um r<strong>und</strong> 30<br />

60 Nahverkehr 2010<br />

Prozent, die von Methan um 120 Prozent<br />

<strong>und</strong> von Distickstoffoxid um zehn<br />

Prozent gestiegen. Damit ist vom Menschen<br />

eine langfristige zusätzliche Erwärmung<br />

der Erde angestoßen worden. 7<br />

Setzt sich diese Entwicklung weiter fort,<br />

so warnen Klimaforscher, wird es zu<br />

folgenschweren Konsequenzen auf der<br />

Erde kommen. Im Dezember 1997 hatten<br />

sich deshalb 156 Nationen im Rahmen<br />

des sogenannten Kyoto-Protokolls<br />

dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen<br />

bis 2012 im Durchschnitt um 5,2<br />

Prozent gegenüber dem Stand von 1990<br />

zu reduzieren. Die EU soll ihre Emissionen<br />

um acht Prozent zurückfahren.<br />

Die Mitgliedsstaaten der Union haben<br />

das durchschnittliche Reduktionsziel<br />

untereinander aufgeteilt. Deutschland<br />

hat eine Verringerung seiner Treibhausgasemissionen<br />

um 21 Prozent zugesagt.<br />

Die frühere Koalition aus CDU <strong>und</strong><br />

SPD hat daraufhin in ihrem Integrierten<br />

Energie- <strong>und</strong> Klimaprogramm das deutsche<br />

Reduktionsziel noch weiter zugespitzt<br />

<strong>und</strong> sich verpflichtet, bis zum Jahr<br />

2020 die Emissionen aus Treibhausgasen<br />

um 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern.<br />

Dies soll vor allem durch Maßnahmen<br />

in der Stromerzeugung <strong>und</strong> im<br />

Wärmemarkt gelingen. Aber auch der<br />

Verkehrsbereich wird nicht ausgespart:<br />

Hier lautet das Ziel, den CO2-Ausstoß<br />

um mindestens 20 Prozent zurückzufahren.<br />

8 Die B<strong>und</strong>esregierung setzt dabei<br />

beispielsweise auf steuerliche Anreize<br />

zum Kauf umweltfre<strong>und</strong>licher Fahrzeuge,<br />

auf die Förderung von Biokraftstoffen<br />

<strong>und</strong> die Entwicklung der Elektromobilität.<br />

Eine explizite Berücksichtigung<br />

von Erdgasmotoren als klimaschonende<br />

alternative Antriebstechnologie sieht<br />

das Programm der B<strong>und</strong>esregierung indessen<br />

nicht vor. Das ist überraschend,<br />

denn mit Erdgas steht schon heute ein<br />

Kraftstoff zur Verfügung, mit dem die<br />

Belastungen durch CO2 <strong>und</strong> andere<br />

Schadstoffe im Straßenverkehr drastisch<br />

reduziert werden können.<br />

Sauberer, gesünder<br />

<strong>und</strong> sparsamer mit Erdgas<br />

In einer Untersuchung alternativer Antriebskonzepte<br />

hat der TÜV Bayern-Süd<br />

festgestellt: CNG (Compressed Natural<br />

Gas) ist die vielversprechendste Alternative<br />

zur Verringerung der verkehrsbedingten<br />

Emissionen. 9 Auch künftig,<br />

das heißt unter Berücksichtigung von<br />

technischen Weiterentwicklungen bei<br />

Benzin- <strong>und</strong> Dieselmotoren, würden<br />

Erdgasfahrzeuge im Emissionsvergleich<br />

deutliche Vorteile aufweisen. Die positive<br />

Bilanz des TÜV ist durch zahlreiche<br />

Messungen anerkannter Institutionen<br />

abgesichert, zum Beispiel des TNORoad<br />

Vehicle Research Institute im niederländischen<br />

Delft <strong>und</strong> der Forschungsgesellschaft<br />

FEVMotorentechnik Aachen.<br />

Hauptbestandteil von Erdgas ist Methan.<br />

Sein chemisches Zeichen CH4 sagt aus,<br />

dass das Verhältnis von Kohlenstoff zu<br />

Wasserstoff eins zu vier ist. Das Verhältnis<br />

von Kohlenstoff zu Wasserstoff<br />

bestimmt u. a. die Umweltwirkung eines<br />

Kraftstoffs. Je kleiner dieses Verhältnis,<br />

desto weniger Kohlendioxid (CO2) wird<br />

emittiert. Aufgr<strong>und</strong> der chemischen Zusammensetzung<br />

stößt ein Erdgasauto<br />

r<strong>und</strong> 25 Prozent weniger CO2 aus als<br />

ein Benziner <strong>und</strong> etwa zwölf Prozent<br />

weniger als ein Dieselfahrzeug.<br />

Was dies für den ÖPNV bedeutet, hat<br />

ein Vergleich von erdgas- <strong>und</strong> dieselbetriebenen<br />

Gelenkbussen in Augsburg<br />

dokumentiert: Ein Erdgasbus emittiert<br />

demnach bei einer jährlichen Laufleistung<br />

von 50.000 Kilometern über 16<br />

Tonnen weniger CO2 pro Jahr als ein<br />

vergleichbarer Dieselbus. 10 Das entspricht<br />

ungefähr dem CO2-Jahresverbrauch<br />

einer typischen vierköpfigen<br />

Familie. 11<br />

Mischt man dem Kraftstoff CNG Bioerdgas<br />

bei, so kann eine weitere beträchtliche<br />

CO2-Minderung erreicht werden.<br />

Bereits die Beimischung von 20 Prozent<br />

Bioerdgas zu Erdgas führt unter Berücksichtigung<br />

der gesamten Wirkungskette<br />

zur gleichen CO2-Reduktion wie der<br />

Einsatz von 100 Prozent Bioethanol.<br />

Bioerdgas, auch Biomethan genannt, ist


auf Erdgasqualität aufbereitetes Biogas.<br />

Dieses kann bei der Vergärung von organischem<br />

Material wie Mais, Gras <strong>und</strong><br />

Zuckerrüben entstehen. Für die Aufbereitung<br />

zu Bioerdgas werden u. a. die im<br />

Biogas geb<strong>und</strong>enen Kohlendioxid- <strong>und</strong><br />

Schwefelwasserstoffanteile weitestgehend<br />

entfernt. Das Gasgemisch kann<br />

nach der Aufbereitung in das Erdgasnetz<br />

eingespeist werden. Dadurch kann es<br />

auch leicht über die bestehenden Erdgasleitungen<br />

zu den Tankstellen transportiert<br />

werden.<br />

Bioerdgas entspricht mit einem Methangehalt<br />

von 96 bis 98 Prozent der besten<br />

derzeit angebotenen Erdgasbeschaffenheit.<br />

Es weist ein hohes Maß an Energieeffizienz<br />

auf <strong>und</strong> ist gleichzeitig sehr<br />

umweltverträglich. Bei der Verbrennung<br />

des Gases entsteht nur so viel CO2, wie<br />

die dafür genutzte Biomasse zuvor der<br />

Atmosphäre entzogen hat. Bioerdgas ist<br />

ein Biokraftstoff der zweiten Generation.<br />

Es hat gegenüber Biodiesel oder Bioethanol<br />

den entscheidenden Vorteil, dass<br />

zu seiner Herstellung sämtliche Pflanzenteile<br />

<strong>und</strong> Pflanzenreste verwendet<br />

werden können. Dadurch liegt der energetische<br />

Ertrag pro Hektar genutzter<br />

landwirtschaftlicher Fläche bei Bioerdgas<br />

weitaus höher als bei den flüssigen<br />

Biokraftstoffen der ersten Generation.<br />

Mit der Ernte eines Hektars könnte ein<br />

mit Bioerdgas betankter Pkw zum Beispiel<br />

über 67.000 Kilometer weit fahren,<br />

ein Biodiesel-Fahrzeug nur r<strong>und</strong> 23.000<br />

Kilometer.<br />

Bereits heute wird an etwa 12 Prozent<br />

der r<strong>und</strong> 850 Erdgastankstellen Bioerdgas<br />

zugesetzt. Und: Bioerdgas ist politisch<br />

gewollt. Das B<strong>und</strong>esumweltministerium<br />

hat es in der überarbeiteten Biokraftstoffstrategie<br />

explizit berücksichtigt.<br />

Zudem hat die B<strong>und</strong>esregierung mit der<br />

Änderung der Gasnetzzugangsverordnung<br />

von April 2008 das Ziel verb<strong>und</strong>en,<br />

bis 2030 zehn Milliarden Kubikmeter<br />

Bioerdgas in das Erdgasnetz einzuspeisen.<br />

Damit könnten r<strong>und</strong> zehn Prozent<br />

des derzeitigen Erdgasverbrauchs in<br />

Deutschland gedeckt <strong>und</strong> auch für den<br />

Verkehrssektor verwendet werden.<br />

Allerdings erfordert dieses Ziel große<br />

Anstrengungen zum Neubau von großen<br />

Produktionsanlagen. Die Erdgaswirtschaft<br />

ist zu beträchtlichen Investitionen<br />

bereit – sofern die Politik für Investitionssicherheit<br />

sorgt.<br />

Feinstaub – große Belastung<br />

für die Städte<br />

Neben dem auf globaler Ebene wirksamen<br />

CO2 ist auf lokaler Ebene Feinstaub<br />

eine große Belastung für die<br />

Umwelt. Verursacher sind vor allem Dieselfahrzeuge<br />

– <strong>und</strong> damit die Mehrzahl<br />

der Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr.<br />

Feinstaub besteht aus winzig kleinen,<br />

krebserzeugenden Partikeln. An jeder<br />

Hauptverkehrsstraße schweben in jedem<br />

Kubikmeter Luft eine Unmenge feinster<br />

Teilchen. Sie halten sich dort über Tage<br />

<strong>und</strong> werden von jeder Luftströmung immer<br />

wieder aufgewirbelt. Gelangen sie<br />

in die Atemwege, können sie ernsthafte<br />

Erkrankungen des Atmungstrakts, Herz-<br />

Kreislauf-Versagen <strong>und</strong> sogar Lungenkrebs<br />

hervorrufen. Die EU-Kommission<br />

hatte 2005 aufsehenerregende Zahlen<br />

vorgelegt: Demnach sterben in Europa<br />

jedes Jahr 288.000 Menschen vorzeitig<br />

durch Feinstaubbelastungen. 12<br />

Das Ges<strong>und</strong>heitsrisiko wird von deutschen<br />

Wissenschaftlern bestätigt. Nach<br />

jahrzehntelangen Forschungen hat das<br />

GSF-Forschungszentrum für Umwelt<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit in München errechnet,<br />

dass in Deutschland pro Jahr zwischen<br />

10.000 <strong>und</strong> 19.000 Menschen vorzeitig<br />

an Feinstaubabgasen sterben. Zum<br />

Vergleich: 2008 kamen 4.467 Menschen<br />

bei Straßenverkehrsunfällen ums Leben.<br />

Besonders gefährdet durch das unsichtbare<br />

Gift in der Luft sind Kleinkinder,<br />

Menschen mit geschwächtem Immunsystem<br />

<strong>und</strong> Senioren. Schätzungen des<br />

B<strong>und</strong>esumweltministeriums gehen davon<br />

aus, dass die Feinstaubbelastung auch<br />

Auswirkungen auf die Lebenserwartung<br />

der Deutschen hat: Sie sinkt demnach<br />

im Durchschnitt um neun Monate.<br />

Um die gefährliche Luftverschmutzung<br />

einzudämmen, hat die EU verbindliche<br />

Grenzwerte für Feinstaubbelastungen<br />

in Städten eingeführt, die 2005 in Kraft<br />

traten. 13 Werden die Grenzwerte überschritten,<br />

können die Städte Verkehrsbeschränkungen<br />

erlassen <strong>und</strong> sogar<br />

ganze Straßengebiete zeitweise für den<br />

Verkehr sperren. Seit 2008 haben vor<br />

diesem Hintergr<strong>und</strong> zahlreiche Städte<br />

Umweltzonen eingerichtet. In diesen<br />

Zonen dürfen nur noch Fahrzeuge fahren,<br />

die bestimmte Schadstoffnormen<br />

erfüllen (Euro-Norm). Den Nachweis<br />

über die Schadstoffklasse ihres Wagens<br />

müssen Fahrzeughalter über farbige Plaketten<br />

erbringen. Gegenwärtig gibt es<br />

Fahrverbote in den Umweltzonen nur<br />

für Fahrzeuge, die den Erfordernissen<br />

nicht genügen <strong>und</strong> keine Plakette haben.<br />

In den nächsten Jahren soll das Fahrverbot<br />

auf Fahrzeuge mit roter <strong>und</strong> danach<br />

gelber Plakette ausgedehnt werden. Das<br />

Umweltb<strong>und</strong>esamt erhofft sich damit<br />

eine zweiprozentige Verbesserung der<br />

Luftqualität bereits in der ersten Phase<br />

– also bei Fahrverboten für Fahrzeuge<br />

ohne Plakette. Wenn nur noch Fahrzeuge<br />

mit grüner Plakette freie Fahrt<br />

haben, soll die <strong>Stadt</strong>luft deutlich sauberer<br />

sein: zehn bis zwölf Prozent weniger<br />

Feinstaub oder 20 Tage pro Jahr<br />

weniger Überschreitung der zulässigen<br />

Grenzwerte.<br />

Reizende Stickoxide<br />

Schädlich für Klima <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

ist auch eine hohe Konzentration von<br />

Stickoxiden (NOx) aus Abgasen. Verursacher<br />

von NOx-Emissionen sind ebenfalls<br />

in erster Linie Dieselfahrzeuge.<br />

Stickoxide können sich gegenüber Wasser<br />

<strong>und</strong> Luft als Säurebildner verhalten.<br />

Stickstoffdioxid trägt daher zur Versuerung<br />

<strong>und</strong> Eutrophierung von Boden <strong>und</strong><br />

Gewässern bei <strong>und</strong> kann zudem reizend<br />

auf Schleimhäute wirken. Ab 2010 gibt<br />

es daher für NO2-Emissionen einen EUweiten<br />

Grenzwert. Er liegt im Jahresmittel<br />

bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter<br />

Luft. Die maximal zulässige NO2-Konzentration<br />

ist auch erreicht, wenn im<br />

Umfeld einer Messstelle über die Dauer<br />

von einer St<strong>und</strong>e hinweg der Wert von<br />

200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft<br />

erreicht wird (Ein-St<strong>und</strong>en-Grenzwert).<br />

Unter Experten gibt es Zweifel, ob die<br />

ab 2010 geltenden Anforderungen für<br />

die innerstädtische Stickoxidbelastung<br />

auf breiter Ebene erfüllt werden können.<br />

Eine Lösung könnte nach Berechnungen<br />

des B<strong>und</strong>esumweltministeriums<br />

<strong>und</strong> des Heidelberger Instituts für<br />

Energie- <strong>und</strong> Umweltforschung (IFEU)<br />

eine frühzeitige Einführung des für 2013<br />

vorgesehenen Euro 6-Standards für Pkw<br />

<strong>und</strong> Lkw sein. Er schränkt die erlaubten<br />

Mengen an Stickoxidemissionen deutlich<br />

ein. Dadurch ließen sich bis 2015<br />

die innerörtlichen NO2-Belastungen erheblich<br />

reduzieren. 14 Aber auch die stärkere<br />

Verbreitung von Erdgasfahrzeugen<br />

könnte wesentlich dazu beitragen, die<br />

Luftqualitätsziele zu erreichen. Bei den<br />

für die Ozonbildung verantwortlichen<br />

Stickoxiden <strong>und</strong> Kohlenwasserstoffen<br />

liegen die Emissionswerte der Erdgasautos<br />

weit unter denen herkömmlicher<br />

Antriebsarten. Im Vergleich zu Diesel<br />

sind die NO2-Werte bei Erdgas bis zu<br />

Nahverkehr 2010 61


70 Prozent geringer, die reaktiven Kohlenwasserstoffe<br />

bis zu 80 Prozent. Und<br />

verglichen mit Benzinantrieben liegt die<br />

Schadstoffreduzierung von Erdgas für<br />

NO2 bei 53 Prozent <strong>und</strong> für Kohlenwasserstoffe<br />

bei 60 Prozent.<br />

Erdgas fahren heißt Geld sparen<br />

Die positiven Auswirkungen von Erdgas<br />

für Klima, Umwelt <strong>und</strong> die Luftqualität<br />

in den Städten sind vielfach belegt. Aber<br />

wie steht es um die Wirtschaftlichkeit<br />

von Erdgas als Kraftstoff?<br />

Erdgasfahrzeuge sind in der Regel zwar<br />

in der Anschaffung etwas teurer als vergleichbare<br />

Modelle mit Benzin- oder<br />

Dieselmotor. Durch den deutlich geringeren<br />

Kraftstoffpreis können sich die<br />

Mehrausgaben jedoch schnell amortisieren.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt: je größer die Kilometerleistung,<br />

desto wirtschaftlicher<br />

das Erdgasfahrzeug. Das macht diese<br />

alternative Antriebsform so interessant<br />

für den öffentlichen Verkehr, speziell für<br />

den Öffentlichen Personennahverkehr<br />

mit Bussen. Es ist zu erwarten, dass<br />

zukünftig im Zuge schärfer werdender<br />

Abgasstandards die Anschaffungsmehrkosten<br />

eines Erdgasbusses gegenüber<br />

einem Dieselbus abnehmen werden.<br />

Die Wirtschaftsberatungsgesellschaft<br />

Wibera AG hat den „geldwerten Vorteil“<br />

von Erdgasbussen analysiert. Sie hat erdgasbetriebene<br />

Niederflur-Gelenkbusse<br />

des Typs Neoplan N 4521 ein Jahr lang<br />

getestet <strong>und</strong> mit vergleichbaren Dieselbussen<br />

verglichen. Das Ergebnis: Im<br />

Vollkostenvergleich ist das Erdgasfahrzeug<br />

gut 3.000 Euro pro Jahr günstiger<br />

als die Diesel-Variante. Die Gesamtkostenbetrachtung<br />

bei einer jährlichen<br />

Laufleistung von 70.000 Kilometern<br />

ergab, dass die Dieselbusse zwar in der<br />

Anschaffung preiswerter sind <strong>und</strong> damit<br />

geringere Kapitalkosten verursachen. In<br />

den Unterhaltskosten jedoch sind Erdgasbusse<br />

wirtschaftlich rentabler.<br />

Die Einsparung kommt vor allem durch<br />

die geringeren Kraftstoffkosten von<br />

Erdgas zustande. In der Untersuchung<br />

von Wibera schlug dieser Posten mit<br />

über 9.000 Euro pro Jahr zu Buche. Man<br />

kann davon ausgehen, dass die bei Bussen<br />

nachgewiesene Einsparung auch auf<br />

andere kommunale Nutzfahrzeuge, zum<br />

Beispiel in der Abfallentsorgung oder<br />

Straßenreinigung, übertragbar ist.<br />

Kritiker von Erdgas im Nutzfahrzeugbereich<br />

haben in der Vergangenheit oft die<br />

Leistungsfähigkeit von Erdgasmotoren<br />

für besonders lastenintensive Aufga-<br />

62 Nahverkehr 2010<br />

ben bemängelt. Doch auch an diesem<br />

Punkt haben die Hersteller inzwischen<br />

ihre Entwicklungen vorangetrieben. Den<br />

für den Sammel- <strong>und</strong> Verteilerverkehr<br />

konzipierten Mercedes Benz Econic<br />

NGT zum Beispiel gibt es als Zwei-,<br />

Drei- <strong>und</strong> Vierachser mit zulässigen Gesamtgewichten<br />

von 18 bis 32 Tonnen.<br />

Sein starker Erdgasmotor leistet aus<br />

6,8 Liter Hubraum 279 PS, ist nach dem<br />

Abgasstandard EEV zertifiziert <strong>und</strong> hat<br />

bereits zahlreiche städtische Fuhrparkmanager<br />

überzeugt: Deutschlandweit<br />

sind inzwischen über 600 Müllfahrzeuge<br />

dieser Marke im Einsatz.<br />

Mercedes-Benz Econic NGT<br />

Flottenbetreiber machen es vor<br />

Ob Pkw oder Nutzfahrzeug: Erdgas hat<br />

gegenüber herkömmlichen Antriebstechniken<br />

eine Reihe von ökonomischen<br />

<strong>und</strong> ökologischen Vorteilen. Auch Flottenbetreiber<br />

<strong>und</strong> Leasingunternehmen<br />

lernen diese immer mehr zu schätzen.<br />

Für die Deutsche Post DHL etwa gehört<br />

die Kraftstoffeffizienz zur Firmenpolitik.<br />

Sie ist auf die stetige Erneuerung ihres<br />

Fuhrparks durch Fahrzeuge mit dem<br />

besten aktuell verfügbaren technischen<br />

Standard bedacht <strong>und</strong> testet unter anderem<br />

auch alternative Antriebe. Den<br />

größten Anteil an den insgesamt 683 in<br />

Deutschland eingesetzten Fahrzeugen<br />

mit nicht konventionellen Antriebstechnologien<br />

hatten im vergangenen Jahr die<br />

278 Erdgasfahrzeuge. 15 Der weltweit<br />

größte Paketlieferdienst United Parcel<br />

Service (UPS) ist in den USA sogar mit<br />

über 1.000 erdgasbetriebenen Liefer-<br />

wagen unterwegs, zu denen H<strong>und</strong>erte<br />

weiterer Fahrzeuge in Deutschland,<br />

Frankreich <strong>und</strong> Brasilien kommen. Die<br />

Ausgaben für Kraftstoff schlagen bei<br />

UPS nach eigenen Angaben mit r<strong>und</strong><br />

sechs Prozent des Umsatzes zu Buche.<br />

Für das Unternehmen ist also der Betrieb<br />

von Fahrzeugen mit effizienten<br />

Antrieben ein wichtiger betriebswirtschaftlicher<br />

Faktor.<br />

Auch die Teilnehmer eines Pilotprojekts<br />

des B<strong>und</strong>esumweltministeriums zur Verbesserung<br />

des umweltfre<strong>und</strong>lichen Verteilerverkehrs<br />

bestätigen die wirtschaftlichen<br />

Vorteile von Erdgas als Kraftstoff.<br />

27 Unternehmen hatten sich beworben<br />

<strong>und</strong> Konzepte eingereicht, sechs wählte<br />

das Ministerium aus. 16 Ihre Aufgabe: Sie<br />

sollten besonders abgasarme Fahrzeuge<br />

anschaffen <strong>und</strong> damit Erfahrungen in der<br />

Praxis sammeln. Der B<strong>und</strong> unterstützte<br />

die Anschaffung mit mehr als 1,4 Millionen<br />

Euro. Obwohl das Ministerium die<br />

Förderung ausdrücklich nicht mit einer<br />

bestimmten Antriebstechnik verknüpfte,<br />

sondern lediglich Standards für Emissionen<br />

<strong>und</strong> Lärm vorgab, entschieden sich<br />

alle Teilnehmer für Erdgasfahrzeuge.<br />

Ein weiterer positiver Aspekt für die<br />

Nutzung von Erdgas als Kraftstoff ist<br />

der Ausbau des Erdgastankstellennetzes<br />

in Deutschland. Vor allem in innerstädtischen<br />

Bereichen steht mittlerweile<br />

eine gut ausgebaute Infrastruktur zur<br />

Verfügung. In Ballungsgebieten ist die<br />

nächste Erdgastankstelle in der Regel<br />

nie weiter als 5-10 Kilometer entfernt.


Erdgasbus des Typs MAN Lion<br />

Die Technische Fachhochschule Wildau<br />

begleitete das Modellprojekt des<br />

B<strong>und</strong>esumweltministeriums wissenschaftlich.<br />

Auch die Experten kamen zu<br />

dem Ergebnis: Erdgasfahrzeuge erweisen<br />

sich sowohl ökologisch als auch ökonomisch<br />

als die bessere Alternative gegenüber<br />

herkömmlichen Diesel-Varianten.<br />

Zudem können die Versicherungskosten<br />

bis zu 25 Prozent niedriger ausfallen,<br />

weil einzelne Anbieter klimaschonende<br />

Fahrzeuge rabattieren. Bei weiteren Kosten<br />

wie Wartung <strong>und</strong> Reparatur gibt es<br />

keine wesentlichen Unterschiede zwischen<br />

den Antriebsarten. Das Fazit der<br />

Wissenschaftler: Bereits ab einer Fahrleistung<br />

von 15.000 Kilometern pro Jahr<br />

sind Erdgasfahrzeuge preiswerter als<br />

konventionelle Dieseltransporter. 17<br />

Während trotz der vorgenannten Vorteile<br />

von Nutzfahrzeugen mit Erdgasantrieb<br />

Neuanschaffungen in den letzten<br />

zwei Jahren auf nationaler Ebene insgesamt<br />

noch auf einem geringen Niveau<br />

lagen, setzen auf internationaler Ebene<br />

immer mehr Verkehrsbetriebe auf schadstoffarme<br />

Erdgasbusse. So haben zum<br />

Beispiel in den Niederlanden verschiedene<br />

Behörden über 200 Erdgasbusse<br />

von MAN <strong>und</strong> Mercedes Benz bestellt.<br />

Die türkische Hauptstadt Ankara erweiterte<br />

in 2009 die bereits existierende<br />

Erdgasflotte von 490 Bussen um 500<br />

weitere Fahrzeuge. Auch in asiatischen<br />

Metropolen werden Erdgasbusse zur<br />

Lösung der steigenden innerstädtischen<br />

Umweltprobleme eingesetzt. In New<br />

Delhi fahren bereits über 800 Erdgasbusse.<br />

In 2010 sollen weitere 3.500 Erdgasbusse<br />

in Betrieb genommen werden.<br />

Erdgas <strong>und</strong> Politik – Vorbildfunktion<br />

des öffentlichen Verkehrs<br />

Der öffentliche Verkehr könnte mit<br />

gutem Beispiel vorangehen <strong>und</strong> bei<br />

der Neuanschaffung von Dienst- <strong>und</strong><br />

Nutzfahrzeugen sowie Bussen oder<br />

bei der Vergabe von Konzessionen für<br />

private Busbetreiber Erdgas den Vorzug<br />

geben. Das käme den <strong>Stadt</strong>kassen<br />

<strong>und</strong> der Luftqualität zugute <strong>und</strong> würde<br />

den Städten darüber hinaus auch einen<br />

Imagegewinn bringen. So gibt es eine<br />

steigende K<strong>und</strong>enzufriedenheit in den<br />

Städten, in denen Erdgasfahrzeuge eingesetzt<br />

werden. Die bessere Sichtbarkeit<br />

von Erdgasfahrzeugen im <strong>Stadt</strong>bild<br />

könnte zudem dazu beitragen, dass sich<br />

auch Privatleute stärker für Erdgas als<br />

Moderner Erdgasbus in New Delhi<br />

Antriebstechnik entscheiden. Um längerfristig<br />

Kaufanreize für Erdgasfahrzeuge<br />

zu schaffen, fordert das Deutsche<br />

Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)<br />

etwa die Verlängerung des reduzierten<br />

Energiesteuersatzes für Erdgas über<br />

2018 hinaus. Auch der Ausbau des Erdgastankstellennetzes<br />

sollte stärker unterstützt<br />

<strong>und</strong> der Einsatz von Erdgas in<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln vorangetrieben<br />

werden. 18<br />

In diesem Zusammenhang kritisiert der<br />

Verkehrsclub Deutschland (VCD), dass<br />

der ÖPNV von den beiden Konjunkturprogrammen<br />

der B<strong>und</strong>esregierung<br />

Anfang 2009 explizit ausgeschlossen<br />

worden ist. Das Konjunkturprogramm II<br />

sieht 7,5 Milliarden Euro an Investitionen<br />

für Infrastrukturmaßnahmen vor. Davon<br />

sind zwei Milliarden für Ausbau <strong>und</strong> Erneuerung<br />

von B<strong>und</strong>esverkehrswegen<br />

(Straßen, Schienen, Wasserstraßen) geplant;<br />

weitere 3,5 Milliarden sollen den<br />

Ländern <strong>und</strong> Kommunen für Verkehrsmaßnahmen,<br />

Krankenhäuser, Städtebau<br />

etc. zugutekommen. Der ÖPNV wird in<br />

dem Programm nicht berücksichtigt, obwohl<br />

nach Ansicht des VCD zahlreiche<br />

notwendige Nahverkehrsprojekte bereits<br />

fertig geplant sind <strong>und</strong> sofort umgesetzt<br />

werden könnten. Vorausgesetzt,<br />

die finanziellen Mittel stünden zur Verfügung.<br />

Für die Förderung speziell von Erdgasbussen<br />

gibt es keine eigenen Programme.<br />

Die Kommunen erhalten zwar nach dem<br />

Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz<br />

über die Länder B<strong>und</strong>esmittel zur Verbesserung<br />

der Verkehrsverhältnisse.<br />

Nahverkehr 2010 63


Tatsächlich verwenden aber nur wenige<br />

B<strong>und</strong>esländer Geld aus diesem Topf für<br />

den Kauf von Erdgasbussen. In manchen<br />

Ländern, zum Beispiel in Bremen, Hamburg,<br />

Hessen <strong>und</strong> Niedersachsen, ist die<br />

Erdgasförderung im ÖPNV sogar komplett<br />

eingestellt worden. 19<br />

Mercedes Benz Citaro CNG<br />

Strom oder Erdgas –<br />

wem gehört die Zukunft?<br />

Hintergr<strong>und</strong> der positiven Prognosen<br />

sind die möglichen Potenziale der<br />

Elektromobilität bzgl. des Ausbaus des<br />

Technologie- <strong>und</strong> Industriestandortes<br />

Deutschland, des möglichen Beitrages<br />

zum Klimaschutz, der Reduzierung der<br />

lokalen Schadstoffemissionen sowie der<br />

Minderung der Ölabhängigkeit. Aber:<br />

Sowohl Elektrofahrzeuge als auch Erdgasfahrzeuge<br />

können eine sinnvolle<br />

Alternative zu bisherigen Benzin- <strong>und</strong><br />

Dieselfahrzeugen darstellen. Elektrofahrzeuge<br />

haben nach Einschätzung<br />

Anmerkungen:<br />

1 Pressemitteilung der <strong>Land</strong>eshauptstadt Düsseldorf,<br />

„Fuhrpark: <strong>Stadt</strong> setzt auf Umwelttechnologie“,<br />

16. Februar 2009<br />

2 KommunalSysteme, Praxispapiere, Saarbrücken<br />

3 Unternehmensbroschüre <strong>Stadt</strong>werke Augsburg,<br />

2008<br />

4 Angaben von VDV <strong>und</strong> erdgas mobil<br />

5 VCD Materialien, Klimawandel <strong>und</strong> Verkehr,<br />

Berlin 2007<br />

6 Umweltb<strong>und</strong>esamt, 2009<br />

7 Mojib Latif, Der menschliche Einfluss auf das<br />

Klima, aus: Aus Politik <strong>und</strong> Zeitgeschichte, Nr.<br />

13/2006<br />

8 Vgl. B<strong>und</strong>esumweltministerium, Roadmap Energiepolitik<br />

2020, Januar 2009<br />

9 Vgl. Energieagentur NRW: Kohlenmonoxid,<br />

64 Nahverkehr 2010<br />

verschiedener Experten noch einen längeren<br />

Entwicklungsweg vor sich, bevor<br />

sie in größeren Stückzahlen <strong>und</strong> akzeptablen<br />

Reichweiten im Markt anzutreffen<br />

sind. Erdgasfahrzeuge sind dagegen<br />

bereits heute verfügbar. Sie zeichnen<br />

sich durch gute Umweltverträglichkeit<br />

aus. Das sichert ihnen einen Platz im<br />

Wettbewerb der Antriebe. Würden –<br />

wie in anderen Ländern (z. B. Italien) erfolgreich<br />

angewandt – Erdgasfahrzeuge<br />

durch eine staatliche Prämie beim Kauf<br />

gefördert, würden sich mehr K<strong>und</strong>en<br />

für ein solches Fahrzeug entscheiden.<br />

Fazit: Erdgas ist derzeit<br />

die beste Alternative<br />

Mit dem Erdgasantrieb steht eine ausgereifte<br />

Technologie zur Verfügung, die<br />

bereits heute schon die ambitionierten<br />

politischen Zielvorstellungen <strong>und</strong> die<br />

Umweltstandards von morgen erfüllt.<br />

Kohlendioxid <strong>und</strong> Stickoxide: deutlich weniger<br />

Emissionen durch Erdgas (www.energieagentur.<br />

nrw.de)<br />

10 Angaben von erdgas mobil; Gr<strong>und</strong>lage der Berechnung:<br />

Bus mit Schadstoffstandard EEV, Erdgasverbrauch<br />

= 51 kg CNG/100 km (1.346,4 g<br />

CO2 pro km), Dieselverbrauch = 62,1 kg Diesel/100<br />

km (1.675,7 g CO2 pro km)<br />

11 Dena; Familie mit 2 Kindern in einem 120 m²<br />

großen Einfamilienhaus<br />

12 Feinstaub, Magazin des B<strong>und</strong>esumweltministeriums,<br />

Berlin 2005<br />

13 Nach der Europäischen Luftqualitätsrichtlinie<br />

darf die Luft in Städten im Tagesmittel nicht<br />

mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter enthalten,<br />

im Jahresmittel liegt der Grenzwert bei<br />

40 Mikrogramm pro Kubikmeter.<br />

14 Vgl. Uwe Lahl, B<strong>und</strong>esumweltministerium: Wei-<br />

Nach ökonomischen <strong>und</strong> ökologischen<br />

Gesichtspunkten ist Erdgas gegenüber<br />

Diesel <strong>und</strong> Benzin die bessere Wahl.<br />

Die Abgase von Erdgasfahrzeugen sind<br />

sauberer <strong>und</strong> weniger schädlich für die<br />

Menschen. Moderne Erdgasfahrzeuge<br />

weisen einen sehr niedrigen CO2-Ausstoß<br />

auf <strong>und</strong> sie produzieren nahezu<br />

keinen Feinstaub. Die Möglichkeit, dem<br />

Erdgas Bioerdgas beizumischen oder gar<br />

völlig auf Bioerdgas umzusteigen, verbessert<br />

die Klimabilanz des alternativen<br />

Kraftstoffs noch einmal signifikant.<br />

Diese Eigenschaften sprechen vor allem<br />

für eine stärkere Verwendung von Erdgas<br />

im öffentlichen Verkehr. Schon heute<br />

erfüllen Erdgasbusse den anspruchsvollsten<br />

europäischen Abgasstandard<br />

EEV (Enhanced Environmentally Vehicle),<br />

der weit über die Euro 5-Norm<br />

hinausgeht. Städte <strong>und</strong> Gemeinden können<br />

deshalb durch die Umstellung ihres<br />

Fuhrparks <strong>und</strong> des ÖPNV auf Erdgas<br />

die Luftqualität ihrer Kommunen nachhaltig<br />

verbessern. Zusätzlich sparen<br />

sie bares Geld. Denn Erdgasfahrzeuge<br />

können nachweislich wirtschaftlicher<br />

als Benzin- <strong>und</strong> Dieselfahrzeuge fahren.<br />

Nicht zuletzt deshalb entscheiden sich<br />

immer mehr Flottenbesitzer für Erdgas<br />

als Kraftstoff. Erdgasautos stehen im<br />

Gegensatz zu Elektrofahrzeugen bereits<br />

in vielen Modellvarianten für den Pkw-<br />

<strong>und</strong> Nutzfahrzeugbereich zur Verfügung.<br />

Die Politik sollte es deshalb nicht allein<br />

der Wirtschaft überlassen, den Markt<br />

für Erdgasfahrzeuge zu entwickeln.<br />

Staatliche Förderungen <strong>und</strong> Steuervergünstigungen<br />

über 2018 hinaus könnten<br />

die Kaufanreize der privaten <strong>und</strong> öffentlichen<br />

Hand für Erdgasfahrzeuge erhöhen<br />

– zugunsten einer sparsamen <strong>und</strong><br />

umweltgerechten Mobilität in Deutschland.<br />

�<br />

terhin hohe NO2-Belastungen – Ursachen <strong>und</strong><br />

Minderungsmaßnahmen, Vortrag auf dem 11.<br />

Technischen Kongress des Verbands der Automobilindustrie<br />

(VDA) im März 2009 in Wolfsburg<br />

15 Vgl. Deutsche Post DHL, Nachhaltigkeitsbericht<br />

2009<br />

16 Vgl. InfoSendung des B<strong>und</strong>esumweltministeriums:<br />

Nachrichten vom Pilotprojekt „Für die<br />

letzte Meile auf die sichere Seite“, März 2007.<br />

Das Projekt lief von 2003 bis 2007. Die sechs<br />

ausgewählten Projektteilnehmer waren: TNT<br />

Express, Deutsche Post DHL, Deutsche Telekom,<br />

Deutsches Rotes Kreuz, Hubert Genter<br />

Pakettransporte (UPS) <strong>und</strong> trans-o-flex.<br />

17 Ebd.<br />

18 Vgl. DIW Berlin, Wochenbericht Nr. 50/2008<br />

19 www.erdgas-fahren.de


Neue Entwicklungen für die Streutechnik der Zukunft<br />

Streuen mit Apotheker-Genauigkeit<br />

Von Dr.-Ing. Horst Hanke, Vorsitzender des deutschen Fachausschusses Winterdienst der<br />

Forschungsgesellschaft für Straßen- <strong>und</strong> Verkehrswesen, Direktor der Verkehrsholding Saarland<br />

Einführung<br />

Aufgabe des Winterdienstes ist es,<br />

Schnee <strong>und</strong> Eis auf den Straßen zu bekämpfen<br />

<strong>und</strong> so für einen sicheren <strong>und</strong><br />

flüssigen Verkehrsablauf auch an Wintertagen<br />

zu sorgen. Wichtigstes Mittel<br />

gegen Glätte ist dabei seit den 60er Jahren<br />

das Streuen von Salz als auftauendes<br />

Mittel. Mit der stetigen Weiterentwicklung<br />

der Streutechnik ist es im Laufe der<br />

Jahre gelungen, immer geringere Mengen<br />

gezielt auszubringen.<br />

Infolge der gestiegenen Ansprüche der<br />

Verkehrsteilnehmer, insbesondere auf<br />

den Autobahnen, nach jederzeit eisfreien<br />

Straßen, sind aber auch die Anforderungen<br />

an die Streutechnik gestiegen:<br />

Das Streuen muss heute nicht nur kurativ,<br />

d.h. bei vorhandener Glätte, erfolgen,<br />

sondern es ist das Ziel, zu erwartende<br />

Glätte durch präventives Streuen von<br />

vornherein zu verhindern. Die Entwicklung<br />

der Streutechnik hat allerdings in<br />

den letzten Jahren mit diesen Ansprüchen<br />

nicht ganz mithalten können. Sowohl<br />

zu den Anforderungen an die präventive<br />

Streuung (Zeitpunkt, Mengen)<br />

als auch zur notwendigen Technik gab<br />

es wenige Kenntnisse. Im Zuge aktueller<br />

Forschungen <strong>und</strong> Entwicklungen wird<br />

derzeit diese Lücke geschlossen <strong>und</strong><br />

eine optimierte Streutechnik in der Praxis<br />

umfassend getestet.<br />

Vorbeugendes Streuen –<br />

wichtiger denn je<br />

Das Klima in Deutschland ist im Winter<br />

oft durch Temperaturen um den<br />

Gefrierpunkt geprägt, häufige Frost-<br />

Tau-Wechsel sind die Folge. Dementsprechend<br />

sind Eisglätte („überfrierende<br />

Nässe“) <strong>und</strong> Reifglätte sehr häufige<br />

Formen der Winterglätte. Studien zur<br />

Verkehrssicherheit im Winter zeigen<br />

gleichzeitig, dass diese Formen der Glätte<br />

besonders gefährlich sind, da sie oft<br />

unerwartet <strong>und</strong> nur punktuell auftreten<br />

<strong>und</strong> von den Verkehrsteilnehmern nicht<br />

leicht erkannt werden können. Demzufolge<br />

ist das Unfallrisiko an solchen<br />

Glättestellen um ein vielfaches höher<br />

als bei flächendeckender Winterglätte<br />

wie z.B. nach einem Schneefall.<br />

Leider muss man auch feststellen, dass<br />

die Verkehrsteilnehmer heute – zumindest<br />

auf den Autobahnen – jederzeit<br />

fest mit gestreuten Fahrbahnen rechnen,<br />

denn selbst bei entsprechenden<br />

Wetterlagen <strong>und</strong> Temperaturen unter<br />

dem Gefrierpunkt wird in der Regel mit<br />

unverminderter Geschwindigkeit gefahren.<br />

Würden solche Fahrer auf glatte<br />

Fahrbahnstellen kommen, wären schwere<br />

Unfälle die Folge. Dementsprechend<br />

muss es das Ziel des Winterdienstes<br />

sein, Reif- <strong>und</strong> Eisglätte möglichst wirksam<br />

zu bekämpfen. Das bedeutet, am<br />

besten diese Glätteformen von vornherein<br />

zu vermeiden. Dies kann nur durch<br />

vorbeugende Streuungen erfolgen,<br />

indem bei entsprechenden Fahrbahn-<br />

<strong>und</strong> Witterungsverhältnissen die glättegefährdeten<br />

Stellen bereits vor der<br />

Bildung von Glätte gezielt abgestreut<br />

werden. Genaue Kenntnisse über die<br />

physikalisch-meteorologischen Zusammenhänge<br />

bei der Glättebildung, sehr<br />

detaillierte Wetterprognosen in Verbindung<br />

mit modernen Glättemeldeanlagen<br />

sowie genaue Kenntnisse des Netzes<br />

helfen hierbei, den richtigen Zeitpunkt<br />

<strong>und</strong> Ort für solche Streuungen festzulegen.<br />

Eine Technik <strong>und</strong> ein Know-How,<br />

die erst in den letzten Jahren wesentlich<br />

entwickelt wurden.<br />

Dies ist auch der Unterschied zu<br />

früheren Zeiten, in denen diese Hilfsmittel<br />

nicht zur Verfügung standen <strong>und</strong><br />

die vorbeugende Streuung nicht immer<br />

planmäßig erfolgte <strong>und</strong> daher oft „verteufelt“<br />

wurde. Wird die vorbeugende<br />

Streuung heute auf der Basis guter<br />

Daten <strong>und</strong> Kenntnisse gemacht, ist sie<br />

ein großer Beitrag zur Erhöhung der<br />

Verkehrssicherheit <strong>und</strong> des Verkehrsflusses<br />

im Winter. Gleichzeitig spart<br />

eine vorbeugende Streuung zum richtigen<br />

Zeitpunkt aber auch Salz ein, da<br />

zur Vermeidung von Glättebildung deutlich<br />

weniger Salz benötigt wird als zum<br />

Auftauen vorhandener Glätteschichten.<br />

Je nach Witterungslage <strong>und</strong> Temperatur<br />

braucht man zur vorbeugenden Streuung<br />

zwischen 30 <strong>und</strong> 70 % weniger Salz<br />

als zur Bekämpfung vorhandener Eisschichten.<br />

Insofern ist bei entsprechender Wetterlage<br />

eine vorbeugende Streuung<br />

nicht nur statthaft, sondern dringend<br />

geboten. Neuere Gerichtsurteile deuten<br />

ebenfalls in diese Richtung, wonach<br />

bei eindeutiger Glättegefahr sich aus<br />

der Streupflicht durchaus die Verpflichtung<br />

zur vorbeugenden Streuung ergibt.<br />

Ein weiterer Vorteil der vorbeugenden<br />

Streuung ist der, dass die Streufahrzeuge<br />

auf trockener oder nasser Fahrbahn sicherer<br />

<strong>und</strong> schneller fahren können als<br />

auf winterglatter, so dass auch die Sicherheit<br />

des eigenen Personals <strong>und</strong> die<br />

Kosten optimiert werden können. Bei<br />

drohender Reif- <strong>und</strong> Eisglätte spricht<br />

Nahverkehr 2010 65


also alles für eine vorbeugende Streuung.<br />

Das Prob-lem hierbei ist nur, dass<br />

die Streutechnik <strong>und</strong> das Know-How<br />

hierfür noch nicht ausreichend entwickelt<br />

sind.<br />

Kurzer Rückblick:<br />

Streutechnik im Wandel der Zeit<br />

Mit der zunehmenden Motorisierung<br />

<strong>und</strong> der Notwendigkeit der Bekämpfung<br />

der Winterglätte auf den Straßen<br />

hat sich auch die Streutechnik im<br />

Winterdienst entwickelt, Deutschland<br />

war <strong>und</strong> ist hierbei immer wieder der<br />

Vorreiter gewesen. Bereits 1938 wurde<br />

von der Firma Weisser in Bräunlingen<br />

der Streuteller entwickelt, mit dessen<br />

Hilfe das Streugut gleichmäßig <strong>und</strong> auf<br />

eine größere Streubreite dosiert <strong>und</strong><br />

verteilt werden konnte. Konnten die ersten<br />

Streugeräte nur mit einer konstanten<br />

Geschwindigkeit gefahren werden,<br />

wurde ab 1960 das sogenannte „wegeabhängige<br />

Streuen“ eingeführt, bei dem<br />

das Streugerät automatisch geschwindigkeitsabhängig<br />

dosierte.<br />

Einen weiteren besonderen Meilenstein<br />

stellte die Entwicklung der Feuchtsalz-<br />

Technik dar, die seit 1976 in Deutschland<br />

erprobt <strong>und</strong> eingeführt wurde. Hierbei<br />

wird das Salz nicht mehr trocken ausgebracht,<br />

sondern mit Salzlösung befeuchtet.<br />

Weniger Salzverluste sowie eine<br />

deutlich schnellere <strong>und</strong> bessere Tauwirkung<br />

machen diese Technik sowohl<br />

verkehrlich <strong>und</strong> wirtschaftlich als auch<br />

ökologisch dem Trockensalz überlegen,<br />

so dass diese Technik heute Standard ist,<br />

66 Nahverkehr 2010<br />

<strong>und</strong> dies nicht nur in Deutschland. Diese<br />

Technik wurde in den letzten Jahren<br />

auch stetig weiter entwickelt, so dass<br />

heute ein sehr gutes Streubild, d.h. eine<br />

optimale Längs- <strong>und</strong> Querverteilung des<br />

Streustoffes möglich ist. Die neueste europäische<br />

Norm für Streugeräte (DIN<br />

EN 15597 aus 2009) setzt dies nun auch<br />

europäisch zum Standard. Zur Optimierung<br />

der vorbeugenden Streuung ist nun<br />

ein weiterer Schritt in der Entwicklung<br />

der Streutechnik erforderlich, da die<br />

Feuchtsalz-Technik hierfür zwar geeignet,<br />

aber noch nicht optimal ist.<br />

Optimierungsbedarf<br />

in der Streutechnik<br />

Wo bestehen denn nun die Probleme<br />

der heutigen Streutechnik beim vorbeugenden<br />

Streuen? Es sind dies drei<br />

Punkte: Erstens gibt es bei größeren<br />

Streugeschwindigkeiten Probleme: Bis<br />

zu 40 km/h liefert die Feuchtsalz-Streuung<br />

ein sehr gutes Streubild, doch da-<br />

rüber bringt der Fahrtwind zunehmend<br />

Probleme, so dass das Streubild immer<br />

ungleichmäßiger wird <strong>und</strong> Wehverluste<br />

beim Salz auftreten. Kurative Einsätze<br />

auf glatter Fahrbahn werden naturgemäß<br />

nicht mit hohen Geschwindigkeiten<br />

durchgeführt, bei vorbeugenden könnte<br />

man jedoch – insbesondere auf Autobahnen<br />

– deutlich schneller fahren, wenn<br />

dies die Streutechnik erlauben würde.<br />

Das zweite Problem ist, dass die Feuchtsalz-Technik<br />

bei Streudichten von 5 g/<br />

m2 deutlich an ihre Grenzen stößt. Diese<br />

extrem geringe Menge („Apothe-<br />

kermenge“) bei voller Fahrt auch noch<br />

gleichmäßig auf die Fahrbahn zu verteilen,<br />

ist nur sehr schwer möglich. Für die<br />

vorbeugende Bekämpfung leichter Eis-<br />

<strong>und</strong> Reifglätte sind jedoch solche Streudichten<br />

ausreichend, ggf. sogar noch geringer<br />

möglich.<br />

Das dritte Problem liegt in der Liegedauer<br />

des Salzes. Wenn auch das Feuchtsalz<br />

wesentlich besser auf der Fahrbahn<br />

haftet als reines Trockensalz, so wird es<br />

dann doch im Laufe der Zeit durch den<br />

Verkehr von der Fahrbahn oder zumindest<br />

aus den Reifenspuren weggeschleudert,<br />

wenn es nicht in Lösung gegangen<br />

ist, insbesondere auf Autobahnen mit<br />

starkem Verkehr. Das heißt, dass die<br />

Menge des vorbeugend ausgebrachten<br />

Salzes auf der Fahrbahn im Laufe der<br />

Zeit deutlich reduziert wird, wie die<br />

neuesten Ergebnisse entsprechender<br />

Forschungsvorhaben zeigen. Ein Speichereffekt<br />

über eine längere Zeitdauer<br />

als zwei St<strong>und</strong>en ist nur minimal gegeben.<br />

Die Zeitdauer zwischen Ausbringung<br />

<strong>und</strong> erwarteter Glätte muss<br />

also möglichst gering sein, ansonsten<br />

müssten die Streumengen unnötig hoch<br />

sein oder die Streuung wäre wirkungslos.<br />

Beides gilt es zu vermeiden.<br />

Neue Entwicklungen<br />

Die verstärkte Notwendigkeit <strong>und</strong> Sinnhaftigkeit<br />

vorbeugender Streuung mit<br />

extrem geringen Salzmengen bei hohen<br />

Streugeschwindigkeiten in Verbindung<br />

mit den oben genannten Problemen hat<br />

die Winterdienst-Forschung in Deutschland<br />

veranlasst, über eine Weiterentwicklung<br />

der Streutechnik für diesen<br />

Anwendungsfall intensiv nachzudenken.<br />

Dies erfolgter in enger Abstimmung<br />

zwischen den Anwendern <strong>und</strong> den<br />

Streugeräte-Herstellern.<br />

Ergebnis sind Versuche, bei der vorbeugenden<br />

Streuung ganz auf die Trockensalzmasse<br />

zu verzichten <strong>und</strong> stattdessen<br />

reine Salzlösung auszubringen. Die<br />

Ausbringung von Salzlösungen wurde<br />

zwar auch schon in der Vergangenheit<br />

punktuell praktiziert, aber nicht mit der<br />

jetzt entwickelten Präzision <strong>und</strong> Gerätetechnik.<br />

Ziel ist es dabei, bei hoher<br />

Fahrtgeschwindigkeit die Salzlösung in<br />

geringsten Konzentrationen (Minimum<br />

20 ml/m2, das entspricht etwa 4 g/m2<br />

Salz) so gleichmäßig auf die Fahrbahn zu<br />

verteilen, dass diese durchgehend mit<br />

der Lösung benetzt ist. Hierfür müssen<br />

die Geräte speziell entwickelt werden.<br />

Im Winter 2008/09 wurden erste Ver-


suche in Brandenburg gefahren, die so<br />

ermutigend waren, dass im jetzigen Winter<br />

mit weiter entwickelten Geräten auf<br />

breiter Basis Versuche gefahren werden,<br />

in verschiedenen B<strong>und</strong>esländern (Brandenburg,<br />

Nordrhein-Westfalen, Baden-<br />

Württemberg). Dabei werden verschiedene<br />

Gerätetypen <strong>und</strong> verschiedene<br />

Streutechniken <strong>und</strong> Salzlösungen getestet.<br />

Die ersten Ergebnisse dieser Versuche<br />

zeigen, dass die Ausbringung reiner<br />

Salzlösungen für die vorbeugende<br />

Streuung möglich ist <strong>und</strong> eine optimale<br />

Lösung bietet. Die neu entwickelten<br />

Geräte gewährleisten eine gute <strong>und</strong><br />

gleichmäßige Benetzung der Fahrbahn<br />

auch bei hohen Geschwindigkeiten (60<br />

km/h <strong>und</strong> höher) <strong>und</strong> extrem geringen<br />

Streudichten. Kontrollmessungen zeigen<br />

des Weiteren, dass diese geringen Streudichten<br />

für die vorbeugende Bekämpfung<br />

leichter Reif- <strong>und</strong> Eisglätte ausreichen<br />

<strong>und</strong> dass die Salzlösung wesentlich<br />

länger auf der Fahrbahn haften bleibt als<br />

Feuchtsalz.<br />

Fazit<br />

Die Versuche müssen zwar noch auf<br />

breiterer Basis durchgeführt <strong>und</strong> dabei<br />

die ersten Ergebnisse umfassend bestätigt<br />

werden, doch ist aufgr<strong>und</strong> der jetzigen<br />

Erfahrungen davon auszugehen,<br />

dass die Streutechnik im Winterdienst<br />

durch die reine Lösungsausbringung für<br />

vorbeugende Streuungen sinnvoll ergänzt<br />

werden kann <strong>und</strong> damit der Win-<br />

terdienst einen weiteren Meilenstein<br />

der Entwicklung nehmen wird.<br />

Eine vorbeugende Streuung mit dieser<br />

Technik wird die Verkehrssicherheit im<br />

Winter weiter erhöhen, gleichzeitig<br />

aber auch durch minimale Salzmengen<br />

der Wirtschaftlichkeit <strong>und</strong> dem Umweltschutz<br />

noch besser Rechnung tragen.<br />

Das Feuchtsalz-Verfahren wird allerdings<br />

auch weiterhin seinen Stellenwert<br />

behalten, da es für kurative Streuungen,<br />

für größere Streumengen sowie für sehr<br />

niedrige Temperaturen ohne Alternative<br />

ist, da die Ausbringung reiner Lösung in<br />

diesen Fällen nicht zielführend ist. Und<br />

Maßnahmen zur Verkehrsbeeinflussung<br />

Verkehrliche Aspekte winterlicher<br />

Fahrbahnzustände auf Autobahnen<br />

Von Dr.-Ing. Matthias Zimmermann, Leiter der Abteilung Straßenentwurf <strong>und</strong> -betrieb<br />

Institut für Straßen- <strong>und</strong> Eisenbahnwesen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)<br />

Einleitung<br />

Aufgr<strong>und</strong> einer Vielzahl von Untersuchungen<br />

aus den letzten Jahrzehnten<br />

wird dem Winterdienst in Deutschland<br />

eine große Bedeutung beigemessen,<br />

insbesondere begründet durch seine<br />

positiven Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit<br />

<strong>und</strong> damit letztendlich<br />

den volks-wirtschaftlichen Nutzen. In<br />

den letzten Jahren gewinnt zunehmend<br />

auch die Betrachtung von Nutzen für<br />

den Verkehrsablauf an Bedeutung, u. a.<br />

dadurch hervorgerufen, dass sich vor<br />

allem der Wirtschaftsverkehr auf ein jederzeit<br />

funktionierendes System Straße<br />

eingestellt hat.<br />

Dies macht es erforderlich, den Verkehrsfluss<br />

auf winterlichen Fahrbahnen<br />

<strong>und</strong> ggf. auch das Verhalten der Verkehrsteilnehmer<br />

während des Winterdienstes<br />

sowie die Verkehrsnachfrage bei winterlichen<br />

Ereignissen zu untersuchen. Dazu<br />

dies ist <strong>und</strong> bleibt der größte Teil der<br />

Anwendungsfälle. Ob man künftig für die<br />

verschiedenen Anwendungsfälle unterschiedliche<br />

Streugeräte vorhalten muss<br />

oder ob im Sinne eines wirtschaftlichen<br />

Einsatzes Kombinationsgeräte zum Einsatz<br />

kommen, die beide Techniken der<br />

Streuung beherrschen, bleibt der weiteren<br />

Entwicklung vorbehalten. �<br />

Dieser Vortrag wurde gehalten<br />

anlässlich des 17. VKU Presse-<br />

seminar Winter 2009<br />

am 25.11.09 in Frankfurt a.M.<br />

gehört vor allem die Frage, inwieweit die<br />

Kapazität winterlicher Fahrbahnen zurückgeht,<br />

woraus besondere Eingreifszenarien<br />

für den Winterdienst resultieren<br />

könnten. Gleichfalls gewinnt aber auch<br />

die Betrachtung von verkehrslenkenden<br />

Maßnahmen an Bedeutung, die zum einen<br />

die Verkehrsnachfrage zu Zeiten<br />

winterbedingt reduzierter Kapazität<br />

reduzieren würden als auch die Arbeit<br />

des Winterdienstes erleichtern <strong>und</strong> die<br />

Nahverkehr 2010 67


Szenario Fahrbahntemperatur Lufttemperatur Fahrbahnzustand Niederschlag<br />

Keine Glättegefahr > 2°C > 2°C trocken / feucht / nass Kein<br />

> 2°C > 2°C feucht / nass Regen<br />

Eisglätte ≤ 0°C < 2°C feucht / nass / glatt Kein<br />

Glätte durch Niederschlag ≤ 0°C < 2°C feucht / nass / glatt Regen / Schnee<br />

Tabelle 1: Definition der Wetterszenarien zur Kapazitätsermittlung<br />

Folgen von Störungen mindern könnten.<br />

Basis dieser Untersuchungen sind zwei<br />

Forschungsvorhaben, die das Institut<br />

für Straßen- <strong>und</strong> Eisenbahnwesen (ISE)<br />

des Karlsruher Instituts für Technologie<br />

(KIT) derzeit im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums<br />

für Verkehr, Bau <strong>und</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

<strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esanstalt für<br />

Straßenwesen mit zwei FE-Vorhaben<br />

durchführt („Bewältigung großer Verkehrsmengen<br />

auf B<strong>und</strong>esautobahnen<br />

im Winter“, „Optimierung des Winterdiensteinsatzes<br />

in BAB-Knotenpunkten“).<br />

Kapazität winterlicher<br />

Fahrbahnen<br />

Winterliche Fahrbahnbedingungen haben<br />

einen erheblichen Einfluss auf die<br />

Verkehrssicherheit, den Verkehrsablauf<br />

<strong>und</strong> die Kapazität. Im Allgemeinen sinkt<br />

das Geschwindigkeitsniveau, die Fahrzeugabstände<br />

zueinander werden vergrößert.<br />

Somit werden die Qualität des<br />

Verkehrsablaufes <strong>und</strong> die Kapazität des<br />

Verkehrsstromes stark herabgesetzt.<br />

Frühere Untersuchungen zeigen, dass<br />

die Kapazität von winterlichen Fahrbahnen<br />

um 10 bis 60 % gegenüber der<br />

trockenen Fahrbahn bei Helligkeit sinken<br />

kann. Diese Bandbreite an Kapazitätsrückgängen<br />

lässt sich durch die verschiedenen<br />

Intensitäten der Schneefälle<br />

im Winter, unterschiedliche Schwerver-<br />

68 Nahverkehr 2010<br />

kehrsanteile <strong>und</strong> Streckeneinflüsse erklären.<br />

In der aktuellen Untersuchung<br />

wurden nicht nur Schneefallereignisse<br />

ausgewertet, sondern zusätzlich die<br />

Daten von Glättemeldeanlagen über<br />

den Fahrbahnzustand herangezogen, um<br />

eine noch detailliertere Aussage über<br />

die Kapazität bei bestimmten Fahrbahnzuständen<br />

geben zu können.<br />

Datengr<strong>und</strong>lage<br />

Als Datengr<strong>und</strong>lage für die Erfassung<br />

der Kapazität dienen Verkehrsdaten<br />

aus Dauerzählstellen von Autobahnabschnitten<br />

in mehreren B<strong>und</strong>esländern in<br />

1-Minuten-Intervallen, welche zu 5-Minuten-Intervallen<br />

aggregiert wurden.<br />

Überlagert wurden GMA-Daten aus<br />

nahe liegenden Glättemeldeanlagen, um<br />

eine möglichst genaue Aussage über den<br />

Fahrbahnzustand am Messquerschnitt<br />

zu erhalten. Folgende Wetterszenarien<br />

(siehe Tabelle 1) wurden dabei definiert:<br />

Eine weitere Einteilung der Strecken<br />

erfolgte nach Fahrstreifenanzahl sowie<br />

in Steigungsklassen, da große Längsneigungen<br />

einen erheblichen Einfluss auf<br />

den Verkehrsfluss haben, besonders bei<br />

hohen Schwerverkehrs-Anteilen. Die<br />

Unterteilung wurde wie folgt vorgenommen:<br />

Steigungsklasse 1: < 2 %<br />

Steigungsklasse 2: 2 % ≤ s ≤ 4 %<br />

Steigungsklasse 3: > 4 %<br />

Bild 1: k-v-Diagramme bei verschiedenen Witterungsbedingungen am Messquerschnitt SM3 auf der BAB A8 in Baden-Württemberg<br />

Desgleichen wurden Winterdiensteinsatzberichte<br />

zur Auswertung herangezogen<br />

<strong>und</strong> wenn möglich in die Untersuchung<br />

integriert. So kann ggf. eine<br />

Aussage über den durch den Winterdienst<br />

entstandenen Fahrbahnzustand<br />

gemacht werden. Am detailliertesten<br />

sind demnach die Untersuchungen, bei<br />

denen einen automatische Streu- <strong>und</strong><br />

Wegedatenerfassung mittels Georeferenzierung<br />

vorhanden ist <strong>und</strong> die Winterdienst-Einsatzberichte<br />

nicht manuell<br />

geführt werden müssen. Im Rahmen der<br />

Untersuchungen lagen solche Daten aus<br />

Bayern vor.<br />

Methodik der Auswertung<br />

Die Winterdiensteinsatzberichte der<br />

einzelnen Meistereien sind ausschlaggebend<br />

für die Auswahl der Tage zur Stauuntersuchung.<br />

Nach der Zusammenstellung<br />

der Tage erfolgt der Abgleich mit<br />

Staudaten (entweder aus einer Staudatenbank<br />

oder TMC-Meldungen des<br />

entsprechenden Streckenabschnittes).<br />

Wesentliche Randbedingung der Untersuchung<br />

ist, dass nur Staus auf Gr<strong>und</strong><br />

eines hohen Verkehrsaufkommens bzw.<br />

winterlicher Witterungsbedingungen<br />

herangezogen werden.<br />

Für die entsprechenden Zeiträume<br />

<strong>und</strong> Staulagen werden die von den<br />

ausgewählten Zählstellen vorliegenden<br />

Verkehrsdaten ausgewertet. Die o.g.


MQ SM3 keine Glätte Glätte durch Schneefall<br />

2 FS, Steigungsklasse 1 - trocken Regen<br />

qmax [Kfz/h] 3586 3347 3181<br />

Rückgang absolut -239 -405<br />

Rückgang prozentual -7% -11%<br />

SV-Anteil im Stauzeitraum 4% 5% 6%<br />

Wochentag Samstag<br />

Tabelle 2: Rückgang der Kapazität am Messquerschnitt SM3 auf der BAB A8 in Baden-Württemberg<br />

Stauinformationen zur Auswahl der<br />

Untersuchungstage können allerdings<br />

nur als Anhaltspunkt dienen, weshalb<br />

eine Untersuchung der (fahrstreifenbezogenen)<br />

Geschwindigkeitsganglinie<br />

zur genauen Feststellung von Lage <strong>und</strong><br />

Uhrzeit der Stauungen trotzdem vorgenommen<br />

werden muss, damit Stauungen,<br />

die z.B. unfallbedingt auftreten, von der<br />

Untersuchung ausgeschlossen werden<br />

können. Der vorgenommene Abgleich<br />

der Stautage mit den Winterdiensteinsatzberichten<br />

zeigt allerdings auch, dass<br />

es nur eine begrenzte Zahl entsprechender<br />

Stauereignisse aufgr<strong>und</strong> winterlicher<br />

Fahrbahnverhältnisse gibt <strong>und</strong><br />

somit in den meisten Fällen auf die Aussage<br />

von Einzelergebnissen zurückgegriffen<br />

werden muss, da eine statistische<br />

Auswertung kaum möglich ist. Dies<br />

kann zum einen an der zurückgehenden<br />

Verkehrsnachfrage bei winterlichen Bedingungen<br />

liegen, sodass die Kapazität<br />

eines Streckenabschnittes nicht erreicht<br />

wird. Zum anderen basieren die Staus<br />

bei winterlichen Bedingungen oft auf<br />

Unfällen, weshalb diese nicht zur Kapazitätsermittlung<br />

verwendet werden<br />

können. Für die Ermittlung der Kapazi-<br />

tät der Einzelereignisse wurde daher das<br />

lineare k-v-Diagramm verwendet, d.h.<br />

die mittlere Geschwindigkeit der Pkw<br />

gegenüber der Verkehrsdichte (Kfz/km)<br />

aufgetragen. Mit Hilfe dieser linearen<br />

Beziehung kann auf die Verkehrsdichte<br />

bei maximaler Verkehrsstärke geschlossen<br />

werden, die hier bei der Hälfte der<br />

freien Geschwindigkeit des Verkehrsstromes<br />

liegt.<br />

Bild 1 zeigt beispielhaft zum Vergleich<br />

die zur Kapazitätsermittlung erstellten<br />

k-v-Diagramme für ein Schneefallereignis<br />

(Samstag, 02.02.2008) sowie die trockene<br />

Fahrbahn (Samstag, 22.03.2008)<br />

am Messquerschnitt SM3 auf der BAB<br />

A8 in Baden-Württemberg.<br />

Tabelle 2 gibt die zugehörigen Kapazitätswerte<br />

sowie deren Rückgänge<br />

bei Schneefall sowie Glätte durch Regen<br />

im Vergleich zur trockenen Fahrbahn<br />

wieder, die mit der gezeigten<br />

k-v-Beziehung berechnet wurden. Es<br />

ist zu erkennen, dass die Kapazität bei<br />

Schneefall um 11% zurückgegangen ist.<br />

Niedrigere Kapazitätswerte sind bei höheren<br />

Schwerverkehrs-Anteilen zu erwarten,<br />

die z.B. unter der Woche höher<br />

liegen als am Wochenende.<br />

Bild 2: q-v-Diagramme bei verschiedenen Witterungsbedingungen am Messquerschnitt SM3 auf der BAB A8 in Baden-Württemberg<br />

Bild 2 zeigt q-v-Diagramme (Mittlere<br />

Geschwindigkeit gegenüber Verkehrsstärke<br />

[Kfz/h]) des gleichen Messquerschnittes<br />

bei verschiedenen Witterungsbedingungen<br />

über mehrere Monate.<br />

Betrachtet man nun die gefahrenen Geschwindigkeiten,<br />

ist zu erkennen, dass<br />

diese bei winterlichen Bedingungen gegenüber<br />

denen bei trockener Fahrbahn<br />

deutlich absinken. Zudem weisen diese<br />

eine stärkere Streuung auf.<br />

Verkehrsablauf in<br />

Autobahnkreuzen bei<br />

winterlichen Bedingungen<br />

Für ausgewählte hochbelastete Autobahnkreuze<br />

wurden Daten der<br />

Glättemeldeanlagen – mit Informationen<br />

zu Fahrbahnzuständen, Fahrbahn- <strong>und</strong><br />

Lufttemperaturen, Niederschlagsarten<br />

<strong>und</strong> -intensitäten – mit Verkehrsdaten<br />

– mittlere Geschwindigkeiten von Pkw<br />

<strong>und</strong> Lkw, Verkehrsmengen Pkw <strong>und</strong> Lkw<br />

– überlagert. In einem weiteren Schritt<br />

werden in Zukunft auch die Daten der<br />

Winterdiensteinsätze überlagert, um<br />

den konkreten Einfluss der Winterdiensteinsätze<br />

nachweisen zu können.<br />

Die aus den Betrachtungen der freien<br />

Strecke erwarteten Veränderungen der<br />

Kapazitäten von Rampen können nicht<br />

nachgewiesen werden, da die Verkehrsbelastungen<br />

<strong>und</strong> Auslastungsgrade der<br />

Rampen in der Regel so gering waren,<br />

dass auch evtl. mögliche Kapazitätsreduzierungen<br />

in den Rampen nicht erkennbar<br />

waren. Demgegenüber war<br />

erkennbar, dass sich – in unterschiedlichem<br />

Umfang – die mittleren Pkw-<br />

Geschwindigkeiten bei verschiedenen<br />

Fahrbahn- <strong>und</strong> Witterungszuständen unterscheiden.<br />

Dazu wurden die mittleren<br />

Geschwindigkeiten in Abhängigkeit des<br />

Fahrbahnzustandes betrachtet. Diese<br />

weisen vor allem eine Reduzierung der<br />

Nahverkehr 2010 69


Bild 4: LED-Vorwarner zur Blockabfertigung für Lkw<br />

Fahrgeschwindigkeiten bei Schneeglätte<br />

auf, verb<strong>und</strong>en mit einer deutlichen<br />

Erhöhung der Streuungen zwischen den<br />

5-Minuten-Intervallen bei formal gleichen<br />

bzw. vergleichbaren Randbedingungen.<br />

Insgesamt ist zu erkennen, dass bei allen<br />

betrachteten Rampen relativ ähnliche<br />

Einflüsse der Fahrbahnzustände<br />

<strong>und</strong> Winterdiensteinsätze vorliegen.<br />

Aufschlussreich ist dabei die Erkenntnis,<br />

dass die Reduzierung gegenüber dem<br />

Vergleichswert bei Schneeglätte deutlich<br />

höher ist als bei anderen Glättearten.<br />

Diese Unterschiede lassen sich damit<br />

begründen, dass die Risiken von glatten<br />

Fahrbahnen <strong>und</strong> deren mangelnde Griffigkeit<br />

z.B. bei Eisglätte für den Kraftfahrer<br />

deutlich schlechter erkennbar sind<br />

als bei Schneeglätte. Unterschiede zeigen<br />

sich vor allem zwischen tendenziell<br />

schneller befahrenen direkten Rampen<br />

70 Nahverkehr 2010<br />

gegenüber den enger trassierten indirekten<br />

Rampen. Beispielhaft ist zu erkennen,<br />

dass die Geschwindigkeitsreduzierungen<br />

bei Schneeglätte deutlich höher<br />

sind als bei Eisglätte. Gleichzeitig ist bei<br />

allen relativ schnell befahrenen Rampen<br />

erkennbar, dass auch die Geschwindigkeiten<br />

bei regennasser Fahrbahn deutlich<br />

zurückgehen. Die aktuell schwer<br />

zu verallgemeinernden Beobachtungen<br />

lassen vor allem den Schluss zu, dass die<br />

Bedingungen bei Winterdiensteinsätzen<br />

so inhomogen sind, dass im Weiteren<br />

eine Einzelbetrachtung von Ereignissen<br />

auswertbare Aufschlüsse erwarten lässt.<br />

Verkehrslenkende Maßnahmen<br />

zur Unterstützung<br />

des Winterdienstes<br />

Aufgr<strong>und</strong> von Verkehrszusammenbrüchen,<br />

die bei besonderen winterlichen<br />

Bedingungen immer wieder festzustellen<br />

Bild 5: Beschilderungskonzept zur Blockabfertigung, BAB A8 in Baden-Württemberg<br />

sind, wurden innerhalb verschiedener<br />

Forschungsprojekte Abhilfemaßnahmen<br />

durch verkehrslenkende Maßnahmen<br />

erarbeitet. So soll versucht werden, die<br />

häufigste Ursache für solche Zusammenbrüche<br />

– die vollständige Blockade<br />

von Fahrbahnen durch liegengebliebene<br />

Lkw – durch geeignete Maßnahmen zu<br />

verhindern.<br />

Zu diesen verkehrslenkenden<br />

Maßnahmen gehören:<br />

– die weiträumige Umleitung von Fernverkehrsrouten<br />

für Lkw auf weniger<br />

anfällige Netzabschnitte<br />

– das temporäre Benutzungsverbot der<br />

Überholfahrstreifen für Lkw<br />

– die Blockabfertigung für Lkw<br />

An dieser Stelle soll vor allem auf die<br />

letztgenannte Blockabfertigung für Lkw<br />

eingegangen werden.<br />

Bei Lkw-Blockaden mit sehr langen<br />

Stauzeiten in den vergangenen<br />

Jahren kam es zuvor meist zu einer<br />

Überlagerung von Randbedingungen,<br />

die diese Situation beförderten:<br />

– Große Längsneigungen (Steigungen)<br />

– Langanhaltender Schneefall<br />

– Blockade des rechten Fahrstreifens<br />

durch Lkw (teilweise durch fehlende<br />

Winterausrüstung bedingt)<br />

– Ausbreitung der Störungen auf weitere<br />

Fahrstreifen durch ebenfalls hängenbleibende<br />

Lkw auf den Überholfahrstreifen<br />

– Ggf. das Blockieren der kompletten<br />

Fahrbahn durch das Querstellen eines<br />

Lkw<br />

Auch wenn manche Örtlichkeit für<br />

solche Situationen prädestiniert ist, so<br />

sind doch immer wieder verschiedene<br />

Autobahnen <strong>und</strong> lokale Lagen betroffen.<br />

Auch wenn aufgr<strong>und</strong> der Witterungslagen<br />

bzw. organisatorischer Randbedingungen<br />

die untersuchten Pilotanwendungen<br />

im zurückliegenden Winter<br />

nicht vollständig durchgeführt werden<br />

konnten, lassen sich doch einige insbesondere<br />

organisatorische Erkenntnisse<br />

ableiten, die im Folgenden wiedergegeben<br />

werden sollen.<br />

Eine Blockabfertigung für den Schwerverkehr,<br />

wie sie z.B. in der Schweiz durchgeführt<br />

wird, soll auch auf deutschen<br />

Autobahnen insbesondere in Fällen extremer<br />

Witterung mit der Gefahr von<br />

Vollsperrungen durch liegengebliebene<br />

Lkw zu einer Staureduzierung bzw. Stauvermeidung<br />

führen. Dabei werden Lkw<br />

so lange angehalten, bis der vor ihnen<br />

liegende neuralgische Streckenabschnitt


so präpariert ist, dass sie diesen relativ<br />

gefahrlos befahren können. Die genaue<br />

Untersuchung der Streckencharakteristik<br />

ist bei der Blockabfertigung unumgänglich.<br />

Verschiedene Randbedingungen<br />

sind bei der Durchführung der Blockabfertigung<br />

zu beachten. Für die Vorbereitung<br />

<strong>und</strong> Durchführung der Maßnahme<br />

haben sich zwei B<strong>und</strong>esländer zur<br />

Verfügung gestellt: Zum einen Baden-<br />

Württemberg, wo die Blockabfertigung<br />

auf der BAB A8 am Albaufstieg westlich<br />

des Aichelbergs stattfinden soll, zum anderen<br />

Bayern mit der BAB A8 Ost zwischen<br />

Chiemsee <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esgrenze<br />

zu Österreich. Die Vorbereitungen haben<br />

bereits im Herbst 2007 begonnen<br />

<strong>und</strong> wurden aufgr<strong>und</strong> der komplexen<br />

Organisation zum Winter 2008/2009<br />

abgeschlossen. Für beide B<strong>und</strong>esländer<br />

wurde ein Beschilderungskonzept erstellt,<br />

das seitdem einsatzbereit ist <strong>und</strong><br />

z.T. bereits Anwendung gef<strong>und</strong>en hat. Es<br />

beinhaltet hauptsächlich Prismenwender<br />

mit dem VZ 253 der StVO, das den Lkw-<br />

Fahrern das Befahren der Überholfahrstreifen<br />

untersagt. Hinzu kommen eigens<br />

für die Maßnahme programmierte<br />

LED-Vorwarner (siehe Bild 4) mit einer<br />

Programmierung für den dreistreifigen<br />

Abschnitt in Baden-Württemberg).<br />

Außerdem wurde frühzeitig versucht,<br />

vor allem die betroffenen Lkw-Fahrer in<br />

das Konzept einzubinden. Dies geschah<br />

neben der Information von Speditionsverbänden<br />

auch über die Gestaltung<br />

mehrsprachiger Flyer, die an Raststätten<br />

etc. ausgelegt wurden.<br />

Es ist beabsichtigt, dass die Lkw kurz<br />

vor einer Anschlussstelle oder Betriebsumfahrt<br />

im Vorfeld eines Steigungsbereiches<br />

von der Autobahnpolizei angehalten<br />

werden. Zum einen ermöglicht<br />

dies eine Zufahrt für Winterdienstfahrzeuge<br />

auf die Autobahn ohne eine Behinderung<br />

durch den Schwerverkehr.<br />

Zum anderen kann der Schwerverkehr<br />

unmittelbar nach den Winterdiensteinsatzfahrzeugen<br />

bei relativ guten Fahr-<br />

Bild 6: Anzeige der dWiSta-Tafel am Walldorfer Kreuz aufgr<strong>und</strong> winterlicher Bedingungen am<br />

Albaufstieg<br />

bahnverhältnissen <strong>und</strong> ohne nennenswerte<br />

Längsneigungen wieder anfahren.<br />

Die Anhaltedauer soll auf max. 10 bis 15<br />

Minuten begrenzt werden.<br />

Bild 5 zeigt das Konzept zur Beschilderung<br />

in Baden-Württemberg. Die<br />

Maßnahme selbst wurde im Winter<br />

2008/2009 sowohl in Bayern als auch<br />

in Baden-Württemberg, noch nicht<br />

durchgeführt. Allerdings wurden teilweise<br />

„Vorstufen“ geschaltet, wie z.B. das<br />

Ausbringen der LED-Vorwarner <strong>und</strong><br />

die Schaltung der Prismenwender, um<br />

den Verkehr zu regeln. Der Verkehrsfluss<br />

konnte jedoch durch einen gutorganisierten<br />

Winterdienst auch ohne<br />

die eigentliche Maßnahme aufrecht erhalten<br />

werden. Im kommenden Winter<br />

2009/2010 soll die Maßnahme mit teils<br />

modifiziertem Vorgehen, welches erst<br />

durch die Erfahrungen im vergangenen<br />

Winter abgeleitet werden konnte, weiterhin<br />

durchgeführt werden, sobald die<br />

Witterungsbedingungen <strong>und</strong> die verkehrliche<br />

Situation vor Ort dies erfordern.<br />

Im Rahmen der Blockabfertigung<br />

ist auch der Einsatz dynamischer Wegweisung<br />

als konkretes unterstützendes<br />

Element vorgesehen, um die Verkehrsnachfrage<br />

in den kritischen Bereichen<br />

zu reduzieren. Prinzipiell ist aber auch<br />

denkbar, diese allgemein zur Verkehrslenkung<br />

aufgr<strong>und</strong> von Witterungsbedingungen<br />

einzusetzen.<br />

Momentan sind bei dWiSta-Tafeln (dynamische<br />

Wegweiser mit integrierter<br />

Stauinformation) keine Informationen<br />

über Witterungsverhältnisse oder andere<br />

Gefahren vorgesehen, sondern lediglich<br />

eine Stauinformation mit möglichen<br />

Umfahrungsmöglichkeiten.<br />

Ziel der regionalen Umfahrung für Lkw<br />

ist es, diese systematisch bei schlechten<br />

winterlichen Fahrbahnbedingungen<br />

weiträumig umzuleiten <strong>und</strong> so durch<br />

eine gezielte Nachfragesteue-rung Problemen<br />

an maßgeblichen Steigungsstrecken<br />

im Winter vorzubeugen. In Baden-<br />

Württemberg wurde eigens hierfür<br />

eine Schaltung in den dWiSta-Tafeln<br />

des nördlichen <strong>und</strong> westlichen Zulaufs<br />

am Walldorfer Kreuz programmiert, die<br />

zu Testzwecken zunächst im Zuge der<br />

Blockabfertigung geschaltet werden soll.<br />

Diese zeigt eine Umfahrung der BAB A8<br />

im Winter für Lkw über die A6/A7 für<br />

den Verkehr nach Ulm bzw. München an.<br />

Bild 6 gibt sinngemäß die Anzeige der<br />

dWiSta-Tafel wieder, die im Dezember<br />

2008 verkehrs-rechtlich angeordnet<br />

wurde. �<br />

Dieser Vortrag wurde gehalten<br />

anlässlich des 17. VKU Presseseminar<br />

Winter 2009<br />

am 25.11.09 in Frankfurt a.M.<br />

Nahverkehr 2010 71


Eckpunkte für Änderung des Personenbeförderungsgesetzes:<br />

VDV <strong>und</strong> bdo einigen sich<br />

Spitzenverbände des öffentlichen Nahverkehrs einigen sich auf acht Eckpunkte zur Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes<br />

an neues europäisches Recht Der B<strong>und</strong>esverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) <strong>und</strong> der<br />

Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordern in einem gemeinsamen Eckpunktepapier die zügige Anpassung<br />

des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) an das neue EU-Recht. Die beiden Verbände, die zusammen über 95<br />

Prozent des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) auf der Straße <strong>und</strong> der Schiene repräsentieren, sorgen sich<br />

um die Zukunft der wirtschaftlichen <strong>und</strong> rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen des ÖPNV. Mit dem Eckpunktepapier geben VDV<br />

<strong>und</strong> bdo der B<strong>und</strong>esregierung das klare Startsignal, die im Koalitionsvertrag festgelegte Anpassung des PBefG unverzüglich<br />

zu starten. Das Ziel ist, die international anerkannte Qualität des ÖPNV durch sein Miteinander von öffentlichen<br />

<strong>und</strong> privaten Unternehmen dauerhaft zu erhalten <strong>und</strong> rechtlich abzusichern sowie den Entscheidern vor Ort<br />

<strong>und</strong> den Unternehmen die Spielräume für einen attraktiven ÖPNV zu geben. Die Anpassung des PBefG ist notwendig,<br />

weil seit dem 3. Dezember 2009 die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 in Kraft ist.<br />

ir brauchen schnellstmöglich<br />

„WRechtssicherheit für die Anwendung<br />

der neuen EUVerordnung zum<br />

öffentlichen Verkehr. Ansonsten drohen<br />

jahrelange Gerichtsverfahren. Diese Energien<br />

wollen wir lieber in die weitere<br />

Entwicklung unseres ÖPNV zugunsten<br />

des Fahrgastes stecken. Daher brauchen<br />

wir rasch Klarheit“, erklärte VDV-Präsident<br />

Jürgen Fenske.<br />

Der Präsident des bdo, Wolfgang Steinbrück,<br />

ergänzte: „Die gewerberechtliche<br />

Ausrichtung des PBefG muss dabei beibehalten<br />

werden.“ Die gr<strong>und</strong>gesetzlich<br />

geschützte Gewerbefreiheit des Unternehmers,<br />

so Steinbrück weiter, müsse<br />

Anknüpfungspunkt der Liniengenehmigung<br />

bleiben.<br />

Zweck der gemeinsamen Initiative ist<br />

es, die bisher festgefahrene politische<br />

Diskussion um die neue europäische<br />

72 Nahverkehr 2010<br />

Verordnung <strong>und</strong> das nationale Recht<br />

wieder in Gang zu bringen. Die Verbände<br />

streben dabei einen fairen Ausgleich<br />

zwischen den legitimen Interessen der<br />

Städte <strong>und</strong> Kreise als Aufgabenträger<br />

mit ihren Unternehmen einerseits <strong>und</strong><br />

der privaten Unternehmen andererseits<br />

an. „Dort, wo Verkehre unternehmerinitiiert,<br />

d. h. ohne öffentlichen Dienstleistungsauftrag<br />

im Sinne der VO 1370/07<br />

mit dem Aufgabenträger, betrieben werden<br />

können, muss es wie bisher beim<br />

Genehmigungswettbewerb bleiben“,<br />

führte der Präsident des bdo aus.<br />

Die Vergabe von Aufträgen durch die<br />

Kommunen auf der Basis des neuen EU-<br />

Rechts <strong>und</strong> das Genehmigungsverfahren<br />

müssten zeitlich besser aufeinander abgestimmt<br />

werden, erläuterte der VDV-<br />

Präsident, denn andernfalls seien noch<br />

mehr Rechtsstreitigkeiten als bisher zu<br />

erwarten. Mit Sorge betrachten beide<br />

Verbände die Absicht der Koalition, den<br />

Fernlinienverkehr mit Bussen zu liberalisieren.<br />

Es müsse an der Notwendigkeit<br />

einer Liniengenehmigung auch bei<br />

Busfernverkehren festgehalten werden.<br />

„Die bestehenden Regelungen bieten<br />

hinreichend Möglichkeiten für Fernbuslinien<br />

<strong>und</strong> sollten daher unverändert bleiben“,<br />

erklärten die beiden Präsidenten.<br />

Die beiden Verbände werden Ihre konstruktive<br />

Zusammenarbeit auf Basis dieser<br />

Eckpunkte in einem gemeinsamen<br />

Spitzengespräch Anfang Februar 2010<br />

weiter vertiefen. �<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.vdv.de <strong>und</strong> www.bdoonline.de<br />

abgerufen werden.<br />

Fünf Empfehlungen für Weiterentwicklung des Bestellermarktes im Schienenpersonennahverkehr<br />

Bahnen <strong>und</strong> Aufgabenträger im VDV<br />

legen gemeinsames Diskussionspapier vor<br />

Die Eisenbahnunternehmen <strong>und</strong> Aufgabenträger im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) haben ein gemeinsames<br />

Diskussionspapier „Empfehlungen für die weitere Gestaltung des SPNV-Marktes“ vorgelegt. „Wir sehen<br />

fünf Ansatzpunkte, mit denen attraktiver, leistungsfähiger SPNV sichergestellt werden kann“, so die beiden Vizepräsidenten<br />

des Verbandes Knut Ringat für die Verb<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Aufgabenträgerorganisationen <strong>und</strong> Horst Klein für die<br />

Eisenbahnen mit Personenverkehr. Voraussetzung für das Gelingen sei die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten,<br />

sich auch mit nicht einfachen Fragen wie der rechtlichen Ausgestaltung, der Losbildung <strong>und</strong> den vertraglichen Regelungen,<br />

konstruktiv auseinanderzusetzen.<br />

Der SPNV-Markt ist seit 1996 neu<br />

organisiert. Die Aufgabenträger<br />

bestellen bei den Unternehmen r<strong>und</strong><br />

630 Millionen Zugkilometern pro Jahr.<br />

Deutschlandweit muss gut ein Drittel<br />

dieser Leistungen in den nächsten fünf<br />

Jahren neu vergeben werden. Mit dem<br />

neuen Diskussionspapier wollen die beteiligten<br />

VDV-Mitglieder hierfür Impulse<br />

geben.<br />

Kernpunkte des Diskussionspapiers sind<br />

fünf Empfehlungen: Erstens sollen die<br />

rechtlichen Gestaltungsspielräume sinnvoll<br />

genutzt werden. Ob Direktvergabe<br />

oder ein wettbewerbliches Verfahren,


sollte nach den Anforderungen vor Ort<br />

entschieden werden. Auch ein Mix der<br />

Verfahren <strong>und</strong> ein vielfältiges, gestaffeltes<br />

Vorgehen seien denkbar.<br />

Die zweite Empfehlung betrifft die Losgrößen:<br />

„Wir schlagen bei der Gestaltung<br />

der Losgrößen eine differenzierte<br />

Vorgehensweise vor, die sich an den <strong>Regio</strong>naltypen<br />

orientiert“, sagten Ringat <strong>und</strong><br />

Klein. Am Rande von Ballungsräumen <strong>und</strong><br />

im <strong>Regio</strong>nalbereich empfiehlt der VDV<br />

Losgrößen zwischen 3 <strong>und</strong> 5 Millionen<br />

Zugkilometern. Bei Verkehren mit überregionaler<br />

Verbindungsfunktion <strong>und</strong> in<br />

Ballungsräumen seien 5 bis 15 Millionen<br />

Zugkilometer in einem Los sinnvoll. Lose<br />

über 15 Millionen Zugkilometern sollten<br />

die Ausnahme bleiben, zum Beispiel bei<br />

S-Bahnnetzen in Ballungsräumen.<br />

Da das so genannte rollende Material<br />

teuer <strong>und</strong> die weitere Nutzung nach<br />

Auslaufen eines Vertrags unsicher sind,<br />

schlägt das Diskussionspapier vor, Vertragslaufzeiten<br />

flexibel zu staffeln. „Wir<br />

sind der Meinung, dass eine Mindestlaufzeit<br />

eines Verkehrsvertrags im SPNV bei<br />

74 Nahverkehr 2010<br />

zehn Jahren liegen sollte“, erklärte Ringat.<br />

Darüber hinaus sollten die rechtlichen<br />

Möglichkeiten flexibel genutzt werden.<br />

Diese lassen je nach Vergabeverfahren<br />

auch Vertragslaufzeiten bis zu 15 bzw.<br />

22,5 Jahren zu. „Wenn nicht alle Verträge<br />

zur gleichen Zeit auslaufen, dann können<br />

sich mehr Unternehmen an den Vergabeverfahren<br />

beteiligen“, sagte Klein.<br />

Die vierte Empfehlung des VDV betrifft<br />

die Arbeitsteilung zwischen Aufgabenträger<br />

<strong>und</strong> Eisenbahnverkehrsunternehmen.<br />

„Wir Aufgabenträger machen beim<br />

Vergabeverfahren Vorgaben, die in einem<br />

laufenden Verfahren kaum noch korrigierbar<br />

sind. Es ist daher wichtig, dass<br />

wir uns selbst <strong>und</strong> den Eisenbahnen mit<br />

funktionalen Elementen in der Leistungsbeschreibung<br />

genug Spielräume lassen,<br />

um unternehmerische Ideen für bessere<br />

Angebote zugunsten der Fahrgäste zu<br />

ermöglichen“, so Ringat. „Wir Unternehmen<br />

sind uns bewusst, dass wir im<br />

Gegenzug den Aufgabenträger auch nicht<br />

mit Rückfragen belasten, die ihn anregen,<br />

die unternehmerischen Freiheiten selbst<br />

zu regeln“, erklärte Klein.<br />

Der VDV plädierte zudem für Pönaleregelungen<br />

<strong>und</strong> Vertragscontrolling mit<br />

Augenmaß. „Pünktlichkeit <strong>und</strong> Anschlusssicherung<br />

sind für unsere Fahrgäste enorm<br />

wichtig. Daher sollten die Anforderungen<br />

in beiden Punkten aufeinander<br />

abgestimmt sein“, so Ringat <strong>und</strong><br />

Klein. Außerdem sollte nicht nur schlechte<br />

Leistung bestraft, sondern auch gute<br />

Leistung belohnt werden. „Der Schienenpersonennahverkehr<br />

ist mit zwei<br />

Milliarden Fahrgästen im Jahr das Rückgrat<br />

des Nahverkehrs. Um den Markt<br />

erfolgreich weiterentwickeln zu können,<br />

ist die angemessene Finanzierung des<br />

Nahverkehrs eine entscheidende Voraussetzung“,<br />

sagten Klein <strong>und</strong> Ringat.<br />

Hier fordert der VDV ein klares Bekenntnis<br />

zum <strong>Regio</strong>nalisierungsgesetz<br />

inklusive einer sachgerechten Dynamisierung<br />

in Höhe von 2,5 Prozent im<br />

Jahr. �<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.vdv.de.<br />

Gutes Klima im Busverkehr<br />

Nicht nur der Feinstaub in Dieselabgasen verschlechtert die Luftqualität. Auch Stickoxide (NOx) belasten Klima<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. SCRT-Systeme filtern beides aus den Abgasen heraus. Die ersten Busse mit diesen Systemen fahren<br />

bereits durch deutsche Innenstädte. Spätestens ab 1. Januar 2010, wenn die EU die Grenzwerte für NOx deutlich<br />

verschärft, müssen andere Kommunen nachziehen.<br />

Zwischen Sauerland <strong>und</strong> Ruhrgebiet,<br />

eingebettet in Hügel <strong>und</strong> Wälder,<br />

liegt die <strong>Stadt</strong> Hagen. <strong>Land</strong>schaftlich ist<br />

diese Lage zwar schön, aber sie sorgt oft<br />

für dicke Luft. Denn im engen Tal findet<br />

wenig Luftaustausch statt; die Messwerte<br />

bei Feinstaub <strong>und</strong> Stickoxiden sind dementsprechend<br />

hoch. Schon 2004 hat Hagen<br />

einen Luftreinhalteplan aufgestellt,<br />

der eine Senkung der Abgasemissionen<br />

durch Umrüstung der städtischen Bus-<br />

Strengere Richtlinien für Stickoxide<br />

flotte vorsieht. „Wir haben ab 2005<br />

verschiedene Systeme zur Minderung<br />

der NOx-Belastung verglichen – überzeugt<br />

hat uns SCRT“, sagt Werner Flockenhaus,<br />

Werkstattleiter bei der Hagener<br />

Straßenbahn AG. SCRT (Selective<br />

Catalytic Reduction Technology) ist ein<br />

Abgas-Nachbehandlungssystem, das den<br />

Stickoxid-Ausstoß von Dieselmotoren je<br />

nach Modell bis zu 90 Prozent senkt. Es<br />

besteht aus einem Diesel-Partikelfilter<br />

Stickoxide (NOx) entstehen durch die Verbrennungsprozesse im Dieselmotor. Sie<br />

belasten die Luft <strong>und</strong> können beim Menschen Atemwegserkrankungen verursachen.<br />

Ab 1. Januar 2010 gelten deshalb innerhalb der EU schärfere Grenzwerte:<br />

Erlaubt ist ein Jahresmittelwert von 40µg/m 3 , außerdem darf ein Kurzzeitwert von<br />

200µg/m 3 maximal 18 St<strong>und</strong>en pro Jahr erreicht werden. Aufgabe der Kommunen<br />

ist es, für das Einhalten dieser Grenzwerte zu sorgen. Sie sind aufgefordert, Luftreinhalte-<br />

oder Aktionspläne zu erstellen <strong>und</strong> weitere Maßnahmen umzusetzen.<br />

<strong>und</strong> einem SCR-Katalysator (Selective<br />

Catalytic Reduction). Dieser wandelt die<br />

NOx-Emissionen in Wasser <strong>und</strong> unschädlichen<br />

Stickstoff um.<br />

Partner der <strong>Stadt</strong> Hagen ist die HJS Fahrzeugtechnik<br />

GmbH & Co KG. Der Spezialist<br />

für Abgas-Nachbehandlungssysteme<br />

hat SCRT Mitte der neunziger Jahre mitentwickelt.<br />

Nach Angaben von HJS ist<br />

SCRT das zurzeit wirkungsvollste <strong>und</strong><br />

modernste System zur NOx-Minderung.<br />

„Ältere Fahrzeuge, zum Beispiel Euro<br />

III-Busse, lassen sich damit problemlos<br />

nachrüsten“, sagt Hermann Josef Schulte,<br />

Gründer <strong>und</strong> Inhaber von HJS. Sie erreichen<br />

dann den strengen Euro V-/EEV-<br />

Standard.<br />

Hagen hat zunächst zwei Busse mit SCRT<br />

ausgestattet. Den Testbetrieb hat der<br />

TÜV Nord mit Abgasmessungen begleitet<br />

<strong>und</strong> im Schnitt eine NOx-Reduktion<br />

von etwa 70 Prozent festgestellt. „Das<br />

System hat das gebracht, was wir uns ver-


sprochen haben“, resümiert Flockenhaus.<br />

Bislang wurden 33 Gelenkbusse nachgerüstet.<br />

Damit erfüllen etwa 60 Prozent<br />

der 140 Busse in Hagen den Euro V-/EEV-<br />

Standard.<br />

Seit zwei Jahren wird SCRT auf der Straße<br />

erprobt, auch in Baden-Baden, Stuttgart<br />

<strong>und</strong> Wiesbaden. Die Erfahrungen<br />

sind positiv: Der TÜV Nord ermittelte<br />

bei den Verkehrsbetrieben Baden-Baden<br />

eine Minderung des NOx-Ausstoßes um<br />

65 bis 90 Prozent. Die badische Kurstadt<br />

hat bislang zehn Euro III-Gelenkbusse mit<br />

SCRT aus dem Hause HJS ausgestattet.<br />

In Stuttgart sind die Systeme zurzeit im<br />

Pilotbetrieb. „Wir warten die Messungen<br />

bei unserem Testbus ab, dann entscheiden<br />

wir über eine weitere Nachrüstung“,<br />

sagt Markus Wiedemann, Bereichsleiter<br />

Kfz-Werkstätten der Stuttgarter<br />

Straßenbahnen AG (SSB). Dieselbusse<br />

NOx-arm fahren zu lassen, sei nicht so<br />

einfach wie den Ausstoß von Rußpartikeln<br />

zu mindern. Die Motortemperatur<br />

müsse hoch genug sein, damit eine Umwandlung<br />

des schädlichen NOx erfolgen<br />

kann. „Allerdings stehen die Busse im<br />

<strong>Stadt</strong>verkehr häufig <strong>und</strong> können die entsprechenden<br />

Temperaturen nicht immer<br />

erreichen“, erläutert Wiedemann. Eine<br />

weitere Schwierigkeit seien unterschied-<br />

liche Messlatten: Die<br />

EU-Richtlinie fordert bestimmte<br />

µg/m 3 -Werte,<br />

die EURO-Norm misst<br />

in mg/km. „Diese Diskrepanz<br />

stellt für uns ein<br />

großes Problem bei der<br />

Fahrzeugbeschaffung <strong>und</strong><br />

Nachrüstung dar“, so<br />

Wiedemann.<br />

Sehr zufrieden mit dem<br />

Testbetrieb sind die Verantwortlichen<br />

in Wiesbaden.<br />

Dort wurden 2007<br />

zwei Gelenkbusse nachgerüstet.<br />

Die kontinuierliche<br />

Reduzierung der Abgasbelastung<br />

ist seit vielen<br />

Jahren eines der obersten<br />

Ziele. „Wir wollten etwas<br />

für die Verbesserung der<br />

Luftqualität unternehmen<br />

<strong>und</strong> nicht erst auf den<br />

Gesetzgeber warten“,<br />

sagt Dietmar Schneider,<br />

Fachbereichsleiter Technischer<br />

Betrieb der ESWE<br />

Verkehrsgesellschaft mbH<br />

in Wiesbaden. Der öffentliche<br />

Nahverkehr müsse<br />

hier Vorreiter sein. �


Die <strong>Stadt</strong> München setzt bei der<br />

Parkraumbewirtschaftung auf Siemens<br />

Siemens Mobility liefert im Auftrag der Bremicker Verkehrstechnik, Weilheim/Oberbayern, für die <strong>Stadt</strong> München 717<br />

Parkscheinautomaten (PSA) vom Typ Sitraffic Sicuro. Die PSA werden bis Mitte 2010 sowohl im Innenstadtbereich als<br />

auch in Außenbezirken aufgestellt. Die Gesamtauftragshöhe beträgt r<strong>und</strong> 1,71 Millionen Euro. Bereits 2008 <strong>und</strong> 2009<br />

hatte Siemens über 800 Parkscheinautomaten an die <strong>Stadt</strong> geliefert.<br />

Im Rahmen eines umfassenden Parkraum-Managements<br />

in München rüstet<br />

die <strong>Stadt</strong> den öffentlichen Bereich<br />

mit Parkscheinautomaten aus. Siemens<br />

Mobility wurde mit der Lieferung seiner<br />

Modelle Sitraffic Sicuro beauftragt.<br />

Neben der Bereitstellung der Standardfunktionen<br />

dieser PSA wurden einige<br />

k<strong>und</strong>enspezifische Funktionen realisiert.<br />

Außer mit Münzen oder mit der Geldkarte<br />

kann auch mit der Münchener<br />

ParkCard bezahlt werden. Darüber hinaus<br />

wurde speziell für die bayerische<br />

<strong>Land</strong>eshauptstadt ein automatischer<br />

Barcodeausdruck beim Geldkassetten-<br />

Wechsel integriert, um so die Abrechnungen<br />

schnell <strong>und</strong> einfach erfassen <strong>und</strong><br />

überprüfen zu können.<br />

Der Standardlieferumfang beinhaltet<br />

eine Datenübertragung mit dem Mobilfunkstandard<br />

GPRS (General Packet<br />

Radio Service). So können Einstellungen<br />

des Geräts in Echtzeit geändert <strong>und</strong><br />

Transaktionsdaten wie Geldkartenverrechnungen<br />

r<strong>und</strong> um die Uhr per Fernversorgung<br />

abgewickelt werden. Auch<br />

das Anpassen des Ticket-Layouts online<br />

sowie die automatische Inbetriebnahme<br />

verschiedener Parkzonen aus der Zentrale<br />

heraus vereinfachen die Arbeitsabläufe<br />

für die <strong>Stadt</strong> München stark. Die<br />

Tarifanzeige im separaten Display vermeidet<br />

einen manuellen Austausch von<br />

gedruckten Tarifschildern <strong>und</strong> war für<br />

die <strong>Stadt</strong> München ein Vorteil im Vergleich<br />

zu herkömmlichen Automaten. Es<br />

ist zudem kein Zusatzaufwand für eine<br />

Aktivierung der Geräte vor Ort mehr<br />

nötig, da nach dem Aufstellen jeder PSA<br />

planmäßig erst nach <strong>und</strong> nach für die<br />

Nutzung remote aktiviert wird. Die neuen<br />

Parkscheinautomaten sind im Unterschied<br />

zu den bisher gelieferten solarbetrieben.<br />

Das spart nicht nur Kosten<br />

bei der Energie, sondern auch Kosten<br />

76 Nahverkehr 2010<br />

Siemens Mobility liefert für die <strong>Stadt</strong> München 717 Parkscheinautomaten vom Typ Sitraffic Sicuro<br />

für die Verlegung von Netzanschlüssen.<br />

Entscheidend für die Auftragsvergabe an<br />

Siemens waren neben der innovativen<br />

Technik auch die niedrigen laufenden<br />

Servicekosten wie zum Beispiel schnelle<br />

Änderungen durch den flexiblen Datenspeicher<br />

oder durch das digitale Tarifschild.<br />


INIT Innovation in Transporation Inc., Virginia<br />

10 Jahre Innovationen<br />

für den Öffentlichen<br />

Personennahverkehr<br />

Die Erfolgsgeschichte der init innovation in traffic systems<br />

AG hat mit dem 10-jährigen Firmenjubiläum ihrer nordamerikanischen<br />

Tochtergesellschaft INIT Innovations in<br />

Transportation Inc. einen weiteren Meilenstein erreicht.<br />

Seit der Gründung 1999 hat die US-Tochtergesellschaft<br />

mit Sitz in Chesapeake, Virginia mehr als 20 K<strong>und</strong>en gewonnen<br />

– von New York City, USA bis Vancouver, Kanada.<br />

In den vergangenen 10 Jahren hat INIT zusammen mit<br />

ihrer Muttergesellschaft beständig Innovationen auf den<br />

Markt gebracht <strong>und</strong> somit bedeutend dazu beigetragen,<br />

den öffentlichen Nahverkehr in Nordamerika attraktiver,<br />

schneller <strong>und</strong> effizienter zu gestalten.<br />

ir freuen uns sehr über den Erfolg der INIT Inc., der<br />

„Wunserer <strong>Stadt</strong> Wachstum, Investitionen <strong>und</strong> Arbeitsplätze<br />

brachte“, so Alan Krasnoff, Bürgermeister der <strong>Stadt</strong><br />

Chesapeake. „Vor 10 Jahren beschloss INIT, ihren nordamerikanischen<br />

Hauptsitz in Chesapeake zu etablieren <strong>und</strong> von hier aus<br />

ihre intelligenten Telematiksysteme zu vertreiben. Heute beeinflusst<br />

die INIT-Gruppe maßgeblich den öffentlichen Nahverkehr<br />

weltweit. INIT steht stellvertretend für die zahlreichen internationalen<br />

Firmen, die sich in unserer <strong>Regio</strong>n niederlassen, qualifizierte<br />

Mitarbeiter beschäftigen <strong>und</strong> von hier aus neue Märkte<br />

erschließen. Wir sind stolz darauf, dass diese Firmen Chesapeake<br />

ihr Zuhause nennen.“<br />

Grüne Innovationen verändern<br />

den nordamerikanischen Personennahverkehr<br />

Nur ein Jahr nachdem INIT 1999 den ersten Auftrag in Akron,<br />

Ohio gewonnen hatte, gab es bereits neun INIT-grüne Punkte<br />

auf der Telematiklandkarte der USA. INIT hatte die Verkehrsbetriebe<br />

in Albany, Champaign-Urbana, Rock Island, Lafayette, Portland,<br />

Denver, St. Louis <strong>und</strong> Montréal als neue K<strong>und</strong>en gewonnen.<br />

2003 kam Houston Metro hinzu, für die INIT r<strong>und</strong> 1.350 Busse<br />

sowie die Leitzentrale mit Hard- <strong>und</strong> Software ausstattete. Der<br />

Auftrag ist bis heute einer der größten der Unternehmensgeschichte.<br />

2005 folgte die MTA New York City Transit Houstons Beispiel<br />

<strong>und</strong> rüstete mehr als 1.300 ihrer Paratransit-Busse (Bedarfsverkehr)<br />

mit Bordrechnern von INIT aus. In den Folgejahren<br />

konnte INIT immer wieder mit neuen Innovationen überzeugen<br />

<strong>und</strong> hat sich so einen hervorragenden Ruf bei ihren K<strong>und</strong>en<br />

aufgebaut, u. a. in Toronto, Vancouver, Everett, Dallas, Seattle <strong>und</strong><br />

San Francisco.<br />

Mit der großen Erfahrung aus weltweit über 400 Projekten<br />

können INIT-Systeme sehr flexibel auf den individuellen Bedarf<br />

eines Verkehrsbetriebs angepasst werden. Zusammen mit ihrer<br />

deutschen Muttergesellschaft, der init innovation in traffic<br />

systems AG, ist die INIT Inc. weltweit führender Anbieter von<br />

Telematik- <strong>und</strong> elektronischen Zahlungssystemen.<br />

Nahverkehr 2010 77


INIT erobert die Westküste<br />

In den vergangenen drei Jahren hat INIT<br />

mit King County Metro (Seattle, WA),<br />

Community Transit (Everett, WA) <strong>und</strong><br />

Golden Gate Bridge Highway and Transportation<br />

District (San Francisco, CA)<br />

drei neue Großk<strong>und</strong>en im Westen der<br />

78 Nahverkehr 2010<br />

USA gewonnen <strong>und</strong> damit auch dort<br />

weitere grüne Punkte auf der Telematiklandkarte<br />

gesetzt. Erst vor kurzem hat<br />

INIT Inc. von TriMet Portland, einem der<br />

führenden Nahverkehrsunternehmen in<br />

den USA, den Auftrag erhalten, als Generalunternehmer<br />

ein integriertes Leit-<br />

Ticketingsystem der neuesten Generation<br />

INIT zeigt Showcase<br />

DB <strong>Stadt</strong>verkehr Bayern auf der UITP<br />

Im größten Telematiksystem Deutschlands<br />

kommt unter anderem der<br />

INIT-Bestseller EVENDpc zum Einsatz,<br />

der Fahrscheindrucker- mit Bordrechnerfunktionalitäten<br />

auf PC-Basis vereint.<br />

Darüber hinaus integriert er auch<br />

Kommunikations- <strong>und</strong> Ansagemodule<br />

<strong>und</strong> stellt somit eine hochökonomische<br />

Lösung vor allem für <strong>Regio</strong>nalverkehrsbetriebe<br />

dar. Der EVENDpc schafft<br />

zusammen mit dem mandantenfähigen<br />

Hintergr<strong>und</strong>system MOBILEvario die<br />

Voraussetzung für ein modernes E-Ticketing<br />

System.<br />

Auf dem richtigen Weg<br />

Mit der einfach erfassbaren Fahrernavigation<br />

des EVENDpc eröffnet INIT<br />

Verkehrsunternehmen völlig neue<br />

Möglichkeiten. Die Fahrer können<br />

dank der Navigationsunterstützung auf<br />

dem großflächigen<br />

Touch-Display des<br />

EVENDpc auch für<br />

unbekannte Routen<br />

eingeplant werden.<br />

Somit können sie<br />

flexibler eingesetzt<br />

werden <strong>und</strong> auch<br />

neue Fahrer bringen<br />

ohne langwierige<br />

Schulungen<br />

der Linienwege<br />

die Fahrgäste zuverlässig<br />

ans Ziel.<br />

Während der Fahrt<br />

werden die Fahrer<br />

komfortabel von<br />

der Navigationsansage<br />

unterstützt,<br />

die Anweisungen<br />

über den internen<br />

Lautsprecher im<br />

EVENDpc ausgibt.<br />

Für den Bedarfsverkehr, bei dem oft<br />

unterschiedliche Linienwege gefahren<br />

werden, ist der EVENDpc damit bestens<br />

geeignet <strong>und</strong> ermöglicht es der<br />

DB <strong>Stadt</strong>verkehr die Bedienung in ländlichen<br />

Strukturen auszudehnen.<br />

system zu implementieren. Ein neues<br />

Kapitel in der Erfolgsgeschichte der<br />

INIT hat begonnen. Mit immer neuen<br />

Innovationen wird INIT auch weiterhin<br />

die Zukunft der Mobilität weltweit gestalten<br />

<strong>und</strong> vorantreiben. �<br />

Auf der UITP in Wien bietet INIT Besuchern die Möglichkeit, einen großen Teil des umfassenden Produktspektrums<br />

zu sehen. Neben bewährten Lösungen zeigt der führende Anbieter von Telematik- <strong>und</strong> elektronischen Zahlungssystemen<br />

für Busse <strong>und</strong> Bahnen erstmals das komplexe Ticketingsystem, das für vier <strong>Regio</strong>nalgesellschaften der DB<br />

<strong>Stadt</strong>verkehr in Bayern implementiert wird. Für sie liefert INIT auch das mandantenfähige Leitsystem MOBILE-ITCS,<br />

mit dem zukünftig über 3.000 Fahrzeuge in einem einheitlichen System disponiert werden.<br />

Ein System – viele<br />

unterschiedliche Anwender<br />

Für die DB Frankenbus (OVF), DB<br />

Ostbayernbus (RBO), DB Oberbayernbus<br />

(RVO) <strong>und</strong> <strong>Regio</strong>nalverkehr Allgäu<br />

GmbH (RVA) werden mehr als 3.000<br />

Fahrzeuge mit dem EVENDpc ausgestattet.<br />

Doch jeder Verkehrsbetrieb hat<br />

unterschiedliche Voraussetzungen wie<br />

bereits bestehende Fahrzeugausstattungen<br />

<strong>und</strong> Kartenstandards, die berücksichtigt<br />

werden müssen. Folglich erhalten<br />

die <strong>Regio</strong>nalgesellschaften den für<br />

ihre Anforderungen maßgeschneiderten<br />

Kartenleser aus INITs umfangreichem<br />

Ticketing-Angebot. INIT ermöglicht ihnen<br />

somit, ein gemeinsames, fast bayernweites<br />

Intermodal Transport Control<br />

<strong>und</strong> E-Ticketing-System aufzubauen. Dabei<br />

erlaubt die ausgefeilte Benutzerverwaltung<br />

den <strong>Regio</strong>nalgesellschaften nur<br />

auf die für ihren Betrieb freigegebenen<br />

Daten zu zugreifen, wodurch die jeweiligen<br />

Unternehmensinteressen gewahrt<br />

werden. Mit dem Bestpreis-Modul des<br />

mandantenfähigen Hintergr<strong>und</strong>systems<br />

MOBILEvario ist zukünftig auch E-Ticketing<br />

auf Bestpreisbasis für alle Verkehrsbetriebe<br />

möglich.<br />

Somit schafft INIT für die <strong>Regio</strong>nalgesellschaften<br />

des DB <strong>Stadt</strong>verkehr eine<br />

Lösung, die alle auf einen gemeinsamen<br />

Standard bringt <strong>und</strong> untereinander kompatibel<br />

macht, dabei aber die Verhältnisse<br />

jedes Verkehrsbetriebs individuell<br />

berücksichtigt. �


init rüstet 800 weitere<br />

Fahrzeuge für Dubai aus<br />

In wenigen Monaten wird der 2.000ste Bus in das neue öffentliche Verkehrssystem des Emirats Dubai integriert. Für<br />

dieses System baut der Karlsruher Telematikspezialist seit 2007 ein Leitsystem (ITCS – Intermodal Transport Control<br />

System) auf <strong>und</strong> hat bereits Bordrechner für mehr als 1.300 Fahrzeuge an das arabische Emirat geliefert. Jetzt hat die<br />

zentrale Verkehrsbehörde des <strong>Land</strong>es, die Roads and Transport Authority (RTA), die init innovation in traffic systems<br />

AG beauftragt, 800 weitere Fahrzeuge mit Bordrechnern auszustatten.<br />

nsere bisherigen Erfahrungen<br />

„Umit den Bordrechnern <strong>und</strong> dem<br />

Leitsystem von init sind sehr gut. Deshalb<br />

setzen wir weiter auf diese überlegene<br />

Technik“, sagte Omar Ali Al Zaabi,<br />

ITS Team Manager der RTA anlässlich<br />

der Auftragsvergabe. Der Auftrag, der<br />

neben der Installation <strong>und</strong> Integration<br />

der Bordrechner in das Leitsystem auch<br />

die Wartung der Technik umfasst, hat<br />

ein Volumen im einstelligen Millionenbereich.<br />

Mit ausschlaggebend dafür war neben<br />

seiner Robustheit auch die Leistungs-<br />

stärke des von init entwickelten Bordrechners.<br />

Denn der COPILOTpc bietet<br />

RTA Dubai folgende Vorteile: Er organisiert<br />

den Sprech- <strong>und</strong> Datenfunkverkehr,<br />

berechnet die Standortinformation <strong>und</strong><br />

die aktuelle Fahrplanlage <strong>und</strong> gibt diese<br />

Informationen in Echtzeit an die Betriebszentrale<br />

sowie das Fahrgastinformationssystem<br />

weiter. Außerdem kann<br />

er automatisch die peripheren Geräte<br />

im Fahrzeug, wie Fahrkartenautomat,<br />

Entwerter, Fahrgastzählsysteme oder<br />

die Lichtsignalanlagenbeeinflussung mit<br />

Daten versorgen.<br />

Gute Chancen<br />

auf weitere Aufträge<br />

„Für den Verkehrsbetrieb bedeutet das<br />

höhere Effizienz <strong>und</strong> Fahrplantreue, für<br />

die Fahrgäste umfassenderen Service“,<br />

bringt Eyad Tayeb, der Geschäftsführer<br />

der Init innovation in traffic systems<br />

FZE, des Tochterunternehmens der init<br />

in Dubai, die Vorteile des von init installierten<br />

Leitsystems auf den Punkt. „Unsere<br />

Technologie findet derzeit viel Beachtung<br />

in der <strong>Regio</strong>n <strong>und</strong> wir rechnen<br />

uns daher Chancen auf weitere Aufträge<br />

aus.“ �<br />

Bahnhof des Jahres 2009: Uelzen ist ein Gesamtkunstwerk<br />

„Bunter Bahnhof mit herrlich r<strong>und</strong>en Formen“<br />

Dass der Uelzener Bahnhof unwiderstehlich<br />

ist, behaupten die<br />

Bürger der niedersächsischen Heidestadt<br />

schon länger. Ab heute hängt die<br />

Bestätigung in Messing graviert am mosaikverzierten<br />

Hauptportal: „Bahnhof<br />

des Jahres 2009“ steht dort unter dem<br />

Prüfsiegel „Allianz pro Schiene“ zu lesen.<br />

Bahnbegeisterte <strong>und</strong> Politiker enthüllten<br />

im Beisein von Uelzens Bürgermeister<br />

Otto Lukat (SPD) <strong>und</strong> Andre<br />

Zeug (DB Station & Service) die massive<br />

Siegertafel. Eine Urk<strong>und</strong>e für sein<br />

ausgezeichnetes Regime überreichte die<br />

„Bahnhof des Jahres“-Jury dem Manager<br />

des H<strong>und</strong>ertwasserbahnhofs, Marco<br />

Schlott. „Der H<strong>und</strong>ertwasserbahnhof ist<br />

ein Gesamtkunstwerk“, sagte Jury-Mitglied<br />

Christian Schultz vom Deutschen<br />

Bahnk<strong>und</strong>en-Verband. „Viele Fahrgäste<br />

sind ja äußerst kritisch mit der Bahn,<br />

aber in so einem Bauwerk verzeiht<br />

man sogar eine Zugverspätung“, sagte<br />

Schultz <strong>und</strong> betonte, dass der Bahnhof<br />

neue Maßstäbe gesetzt habe: „In Uelzen<br />

ist es der Bahnhof selbst, der die Touristen<br />

anzieht.“ Auch Jury-Mitglied Dirk<br />

Flege (Allianz pro Schiene) lobte H<strong>und</strong>ertwassers<br />

„bunten Bahnhof mit herrlich<br />

r<strong>und</strong>en Formen“. Schönheit <strong>und</strong><br />

K<strong>und</strong>enfre<strong>und</strong>lichkeit gingen in Uelzen<br />

Hand in Hand.<br />

Die 5-köpfige Jury aus Vertretern von<br />

Pro Bahn, dem Deutschen Bahnk<strong>und</strong>en-Verband<br />

(DBV), dem Verkehrsclub<br />

Deutschland (VCD), dem ACE Auto<br />

Club Europa <strong>und</strong> der Allianz pro<br />

Schiene bereist jedes Jahr Bahnhöfe in<br />

Deutschland incognito. Den Titel für<br />

den besten Kleinstadtbahnhof aus K<strong>und</strong>ensicht<br />

hatte Uelzen am 2. September<br />

zugesprochen bekommen. Der Erfurter<br />

Hauptbahnhof gewann in der Kategorie<br />

Großstadtbahnhof, die Usedomer<br />

Bäderbahn bekam einen „Sonderpreis<br />

Gesamtbild“ für alle ihre Bahnhöfe auf<br />

der Ostseeinsel.<br />

Mit dem Wettbewerb „Bahnhof des Jahres“<br />

prämiert die Allianz pro Schiene<br />

seit 2004 jährlich den besten deutschen<br />

Großstadt- <strong>und</strong> Kleinstadtbahnhof. Ausgezeichnet<br />

wird nur, wer nach einer<br />

festen Kriterienliste am besten auf die<br />

Bedürfnisse der Bürger eingeht: Objektive<br />

Erfordernisse wie K<strong>und</strong>eninformation,<br />

Sauberkeit, Integration in die <strong>Stadt</strong><br />

<strong>und</strong> Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln<br />

sind dabei ebenso entscheidend<br />

wie ein eher subjektiver Wohlfühlfaktor.<br />

Die Siegerbahnhöfe der vorigen Jahre<br />

waren 2008: Karlsruhe <strong>und</strong> Schwerin,<br />

2007: Berlin Hauptbahnhof <strong>und</strong> <strong>Land</strong>sberg<br />

am Lech, 2006: Hamburg Dammtor<br />

<strong>und</strong> Oberstdorf, 2005: Mannheim<br />

<strong>und</strong> Weimar <strong>und</strong> 2004: Hannover <strong>und</strong><br />

Lübben.<br />

Bewerbungen für den Titel „Bahnhof des<br />

Jahres 2010“ nimmt die Jury ab sofort<br />

entgegen. Melden können sich Bahnhofsmanager,<br />

Kommunen, Architekten<br />

<strong>und</strong> Privateigentümer von Bahnhofsgebäuden.<br />

Auch Hinweise von Bahnreisenden<br />

sind uns willkommen. Brief genügt,<br />

die Jury kommt – unangemeldet. �<br />

Nahverkehr 2010 79


telent schafft moderne Infrastruktur am Münchener Hauptbahnhof<br />

Die Deutsche Bahn beauftragt<br />

telent mit dem Aufbau IP-basierter<br />

Kommunikations- <strong>und</strong> Überwachungssysteme<br />

Die telent GmbH, Systemintegrator <strong>und</strong> Ausrüster von Telekommunikationsnetzen, hat eine Ausschreibung der Deutschen<br />

Bahn AG zur Modernisierung ihrer Überwachungs- <strong>und</strong> Kommunikationstechnik für München Hauptbahnhof<br />

<strong>und</strong> die unterirdischen S-Bahnstationen gewonnen. Das Unternehmen richtet aktuell am Münchener Hauptbahnhof<br />

eine einheitliche IP-Plattform für DB Station & Service im Bereich der 3S Zentrale München für Sicherheit <strong>und</strong> Kommunikation<br />

ein. Sämtliche integrierte Systeme können dann zentral überwacht <strong>und</strong> gesteuert werden.<br />

75 neue IP-Videokameras einschließlich<br />

Steuer- <strong>und</strong> Aufzeichnungseinrichtungen<br />

sowie r<strong>und</strong> 50 Notrufsäulen werden<br />

am Münchener Hauptbahnhof <strong>und</strong> den<br />

unterirdischen S-Bahnstationen neu errichtet<br />

<strong>und</strong> einzeln überwacht. Die von<br />

telent entwickelte Plattform Mica (Management<br />

Integration and Control of<br />

Assets) bündelt diese künftig in einem<br />

zentralen Management- <strong>und</strong> Kontrollsystem.<br />

Bestehende <strong>und</strong> neue Betriebseinrichtungen<br />

können über standardisierte<br />

Schnittstellen integriert werden, die von<br />

80 Nahverkehr 2010<br />

acht zentralen Arbeitsplätzen aus überwacht<br />

<strong>und</strong> gesteuert werden. Zudem<br />

wird die Videoüberwachung am Bahnhof<br />

auf eine moderne IP-Infrastruktur umgestellt,<br />

ebenso besteht Zugriff auf das<br />

vorhandene Beschallungssystem. Dies<br />

geschieht über einen neuen IP-Kommunikationsserver<br />

für Sprachdienste inklusive<br />

Touch-Telefone.<br />

Unter dem Motto „Sicherheit, Service,<br />

Sauberkeit“ investiert die Bahn in eine<br />

moderne k<strong>und</strong>enfre<strong>und</strong>lichere Infrastruktur,<br />

das sogenannte 3Splus-Projekt,<br />

das telent im Auftrag der Deutschen<br />

Bahn AG im Frühjahr 2009 realisieren<br />

wird. telent verfügt über weitreichende<br />

Erfahrungen, so z.B. aus einem Projekt<br />

für die London Undergro<strong>und</strong>. Dort hat<br />

telent 74 U-Bahnstationen mit 9.000<br />

CCTV-Kameras, 370 Fahrgastinformations-<br />

<strong>und</strong> 32.000 Lautsprechersystemen<br />

vernetzt <strong>und</strong> integriert. �<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.telent.de.<br />

Neuer Brennstoffzellenbus tritt<br />

nächstes Jahr seinen Dienst im Hamburg an<br />

• Neue Generation mit r<strong>und</strong> 50 Prozent weniger Kraftstoffverbrauch<br />

• 10 neue Brennsstoffzellenbusse für die Hamburger Hochbahn<br />

Der neue Mercedes-Benz Citaro FuelCELL-Hybrid hatte heute den ersten Auftritt an seinem künftigen Einsatzort<br />

Hamburg. Der Brennstoffzellen-Hybridbus der neuesten Generation zeichnet sich durch umfassende Umweltverträglichkeit<br />

aus: Er fährt ohne Schadstoffemissionen <strong>und</strong> nahezu geräuschlos. Damit eignet sich der Citaro FuelCELL-<br />

Hybrid bestens für Einsätze in hoch belasteten Innenstädten <strong>und</strong> Metropolen. Von etwa 30 Fahrzeugen, die Daimler<br />

Buses für europäische Verkehrs-betriebe aufbauen wird, gehen ab dem nächsten Jahr allein zehn an die Hamburger<br />

Hochbahn AG. Zusätzlich erhält die Verkehrgesellschaft der Hansestadt ab 2010 20 Mercedes-Benz B-Klasse F-CELL,<br />

die ebenfalls mit Brennstoffzellenantrieb ausgerüstet sind.<br />

Mit dem Citaro FuelCELL-Hybrid beteiligt<br />

sich Daimler an einem großflächigen<br />

Flottentest, für den neben<br />

Hamburg auch weitere europäische<br />

Städte vorgesehen sind. Damit knüpft<br />

das Unternehmen an die erfolgreichen<br />

CUTE- <strong>und</strong> HyFLEET:CUTE Projekte<br />

der Europäischen Union an, die von<br />

2003 bis 2009 durchgeführt wurden.<br />

Im Projekt HyFLEET:CUTE haben sich<br />

insgesamt 36 Mercedes-Benz Citaro<br />

mit Brennstoffzellenantrieb der zweiten<br />

Generation bis heute in zwölf Verkehrs-<br />

betrieben auf drei Kontinenten bestens<br />

bewährt, unter anderem auch bei der<br />

Hamburger Hochbahn AG. Mit mehr<br />

als 140.000 Betriebsst<strong>und</strong>en <strong>und</strong> über<br />

2,2 Millionen Kilometern Laufleistung<br />

haben Mercedes-Benz Busse die Praxistauglichkeit<br />

des umweltverträglichen<br />

Brennstoffzellenantriebs nachgewiesen.<br />

Synergien zwischen Pkw-<br />

<strong>und</strong> Nfz-Bereich sinnvoll genutzt<br />

„Der neue Citaro FuelCELL-Hybrid ist<br />

ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass<br />

Elektromobilität auch bei Nutzfahrzeugen<br />

heute schon machbar ist“, so<br />

Hartmut Schick, Leiter Daimler Buses.<br />

„Zudem lassen sich gerade beim Brennstoffzellenantrieb<br />

die Synergiepotentiale<br />

mit unserer Mercedes-Benz Pkw-Entwicklung<br />

<strong>und</strong> der Daimler-Forschung<br />

optimal nutzen.“<br />

Beim Citaro FuelCELL-Hybrid <strong>und</strong> der<br />

B-Klasse F-CELL setzt Mercedes-Benz<br />

erfolgreich auf den wirtschaftlichen<br />

Einsatz von Gleichteilen. So lassen sich<br />

Komponenten, wie zum Beispiel Brenn-


Mercedes-Benz Citaro FuelCELL-Hybrid<br />

im Fahrbetrieb.<br />

stoffzellenstacks, einheitlich für Pkw <strong>und</strong><br />

Nutzfahrzeuge verwenden: Der neue<br />

Citaro FuelCELL-Hybrid Brennstoffzellenbus<br />

fährt beispielsweise mit zwei<br />

Brennstoffzellen-Systemen desselben<br />

Typs, der auch in einer B-Klasse F-CELL<br />

zum Einsatz kommt. Dank verbesserter<br />

Brennstoffzellenkomponenten <strong>und</strong> einer<br />

Hybridisierung mit Lithium-Ionen-Batterien<br />

spart der Citaro FuelCELL-Hybrid<br />

im Vergleich zur Vorgängergeneration<br />

fast 50 Prozent Wasserstoff. Die Reichweite<br />

des Brennstoffzellenbusses beträgt<br />

r<strong>und</strong> 250 Kilometer. Zudem ist das<br />

Antriebssystem mit Brennstoffzelle nahezu<br />

wartungsfrei <strong>und</strong> sehr langlebig.<br />

Die globale Initiative „Shaping Future<br />

Transportation“ bündelt alle Aktivitäten<br />

für eine nachhaltige Mobilität im Geschäftsfeld<br />

Nutzfahrzeuge der Daimler<br />

AG. Ziel dieser Initiative ist es, mit effizienten<br />

<strong>und</strong> sauberen Antriebssystemen<br />

sowie alternativen Kraftstoffen das<br />

emissions-freie Nutzfahrzeug von morgen<br />

Wirklichkeit werden zu lassen. „Shaping<br />

Future Transportation“ beinhaltet,<br />

Ressourcen zu schonen, Emissionen<br />

aller Art zu reduzieren <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

höchstmögliche Verkehrssicherheit<br />

zu gewährleisten. Dabei spielt der mit<br />

Unterstützung der Europäischen Union<br />

entwickelte Citaro FuelCELL-Hybrid<br />

eine wichtige Rolle.<br />

Mercedes-Benz Citaro FuelCELL-Hybrid<br />

im Hamburger Hafen.<br />

Prof. Herbert Kohler, Leiter E-Drive &<br />

Future Mobility bei der Daimler AG:<br />

„Durch unsere seit 1994 betriebene<br />

intensive Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

haben wir die Brennstoffzelle zur Serienreife<br />

gebracht. Dies ermöglicht es<br />

uns, zwei alltagstaugliche Elektrofahrzeuge<br />

mit Batterie- <strong>und</strong> Brennstoffzellenantrieb<br />

in K<strong>und</strong>enhand zu geben<br />

– den smart fortwo electric drive <strong>und</strong><br />

die B-Klasse F-CELL.“ Jetzt, so Kohler<br />

weiter, gehe es vor allem darum, ein<br />

im Vergleich zu konventionell angetriebenen<br />

Fahrzeugen wettbewerbsfähiges<br />

Kostenniveau zu erreichen <strong>und</strong> in Kooperation<br />

mit Energieversorgern <strong>und</strong><br />

der Mineralölindustrie eine flächendeckende<br />

Infrastruktur mit Strom- <strong>und</strong><br />

Wasserstoff-Tankstellen zu schaffen.<br />

Großprojekt zum Einsatz<br />

von Brennstoffzellenfahrzeugen<br />

Beim Großprojekt in Hamburg für den<br />

Einsatz von Brennstoffzellen kooperiert<br />

Daimler mit der <strong>Stadt</strong>verwaltung<br />

sowie den Unternehmen Shell, Total<br />

<strong>und</strong> Vattenfall Europe. Ziel ist der verstärkte<br />

Aufbau einer emissionsfreien<br />

Fahrzeugflotte <strong>und</strong> der Aufbau der entsprechenden<br />

Infrastruktur mit Wasserstoff-Tankstellen.<br />

Das Projekt ist Teil der<br />

Clean Energy Partnership in Hamburg<br />

<strong>und</strong> Berlin. Es soll im Rahmen des Nationalen<br />

Innovationsprogramms Wasserstoff-<br />

<strong>und</strong> Brennstoffzellentechnologie<br />

(NIP) von der B<strong>und</strong>esregierung gefördert<br />

werden.<br />

Im Rahmen der Kooperation sollen<br />

vier öffentliche Tankstellen mit Wasserstoffsäulen<br />

in Hamburg aufgebaut<br />

werden. An diesen Tankstellen können<br />

Brennstoffzellen-Fahrzeuge in wenigen<br />

Minuten betankt werden. Aufgr<strong>und</strong> des<br />

hohen Wasserstoffdrucks von 700 bar<br />

können sie dann mehr als 400 Kilometer<br />

fahren. Der große Aktionsradius macht<br />

lokal emissionsfreie Brennstoffzellenfahrzeuge<br />

voll langstreckentauglich. �<br />

Neues Fahrzeugfinanzierungsmodell wird erstmals im SPNV angewandt<br />

VRR schreibt <strong>Regio</strong>nalBahn-Linie 47 aus<br />

Der Verkehrsverb<strong>und</strong> Rhein-Ruhr (VRR) schreibt die <strong>Regio</strong>nalBahn-Linie 47 (RB 47), die zwischen Solingen, Remscheid<br />

<strong>und</strong> Wuppertal verkehrt, im Wettbewerb aus. Ab sofort können interessierte Unternehmen an der im EU-<br />

Amtsblatt veröffentlichten Ausschreibung teilnehmen. Die Betriebsaufnahme durch den künftigen Betreiber ist<br />

für Dezember 2012 vorgesehenen, die Vertragslaufzeit beträgt dann 20 Jahre. Erstmals wendet der VRR bei diesem<br />

Wettbewerbsverfahren sein neu entwickeltes Fahrzeugfinanzierungsmodell an. Das Wettbewerbsverfahren wird um<br />

die Komponente „Wettbewerb der Finanzierung der Fahrzeuge“ erweitert. Das Fahrzeugfinanzierungsmodell des<br />

VRR sieht vor, dass der künftige Betreiber die Fahrzeuge für den Betrieb der RB 47 beschafft <strong>und</strong> dann an den VRR<br />

weiterveräußert. Der VRR wird Eigentümer der Fahrzeuge, übernimmt die Finanzierung <strong>und</strong> verpachtet diese für die<br />

Laufzeit des Verkehrsvertrages an den künftigen Betreiber. Auch die klassische Fahrzeugbeschaffung kann weiterhin<br />

seitens der Bewerber angeboten werden.<br />

as neue Finanzierungsmodell<br />

„Ddes VRR <strong>verbindet</strong> die Vorteile<br />

der Fahrzeugbeschaffung durch die Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />

mit den<br />

Vorteilen einer Finanzierung der Fahr-<br />

zeuge durch den Aufgabenträger, der<br />

Zugang zur Kommunalkreditfinanzierung<br />

hat. Durch die Erschließung der<br />

Einsparpotenziale – günstige Kreditkonditionen,<br />

langfristig festgelegte Zinssätze<br />

<strong>und</strong> den Wegfall von Eigenkapitalkosten<br />

<strong>und</strong> Risikozuschlägen, erhoffen wir uns<br />

vor allem für mittelständische Unternehmen<br />

einen Anreiz zur Teilnahme<br />

an der Ausschreibung“, erläutert VRR-<br />

Nahverkehr 2010 81


Vorstand Martin Husmann die zentrale<br />

Idee des neuen Modells. Denn durch die<br />

anhaltende Wirtschaftskrise haben gerade<br />

kleinere <strong>und</strong> mittelständische Unternehmen<br />

immer häufiger Probleme,<br />

sich an SPNV-Ausschreibungen zu beteiligen,<br />

da allein die Anschaffung neuer<br />

Fahrzeuge schon r<strong>und</strong> 20 Prozent der<br />

durchschnittlichen Betriebskosten ausmacht.<br />

Die Ausschreibung der RB 47 in Verbindung<br />

mit dem Finanzierungsmodell des<br />

VRR soll im Hinblick auf die aktuelle<br />

Situation an den Finanzmärkten, gerade<br />

auch in Zeiten teurer Leasingangebote<br />

82 Nahverkehr 2010<br />

einen attraktiven SPNV-Wettbewerb<br />

bringen. „Durch das gewählte Verfahren<br />

wird dem Anbieter die Wahl gelassen, ob<br />

er die Fahrzeuge über den VRR finanzieren<br />

will oder er selbst eine günstige Finanzierung<br />

anbieten kann <strong>und</strong> der VRR<br />

ist in der Lage immer die wirtschaftlichste<br />

Lösung zu wählen“, so Husmann.<br />

Neue Fahrzeuge, barrierefreier<br />

Einstieg, lange Vertragslaufzeit<br />

Neben der neuen Fahrzeugfinanzierung<br />

plant der VRR im Rahmen der<br />

Ausschreibung weitere Neuerungen.<br />

Der künftige Betreiber der RB 47 soll<br />

auf jeden Fall neue Fahrzeuge einsetzen,<br />

die einen ebenerdigen <strong>und</strong> damit barrierefreien<br />

Einstieg für die Fahrgäste ermöglichen.<br />

Dieser ist nämlich momentan<br />

trotz teilweiser modernisierter <strong>und</strong><br />

neu gebauter Bahnhöfe an der Strecke<br />

noch nicht möglich. Neu ist auch die<br />

relativ lange Vertragslaufzeit: Die RB<br />

47 wird für 20 Jahre vergeben. „Damit<br />

wollen wir in wirtschaftlich schwierigen<br />

Zeiten<br />

Planungssicherheit für uns, die Fahrgäste<br />

<strong>und</strong> natürlich den Betreiber sicherstellen“,<br />

so Husmann abschließend. �<br />

DEKRA unterstützt die SSB bei der Umsetzung des Projektes ARGUS<br />

Prozessoptimierung macht Betrieb sicherer<br />

Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) optimiert mit dem Projekt ARGUS die Prozesse in den Bereichen Arbeits-,<br />

Brand-, Ges<strong>und</strong>heits- sowie Umweltschutz <strong>und</strong> nimmt diese in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess auf. Die<br />

DEKRA Industrial GmbH hat die SSB bei der Planung <strong>und</strong> Umsetzung von ARGUS unterstützt. „Neben dem Ziel<br />

eines nachhaltigen Wirtschaftens sollen die Investitionen zu einer Reduzierung der Arbeitsunfälle sowie den daraus<br />

resultierenden Krankheitszeiten der Mitarbeiter führen“, betont Christian Kottenhahn, Projektleiter von ARGUS bei<br />

der SSB.<br />

Die Größe <strong>und</strong> Komplexität des<br />

Unternehmens stellte Kottenhahn<br />

<strong>und</strong> die Verantwortlichen der SSB vor<br />

der Umsetzung der Aufgabenstellungen<br />

zunächst vor eine Herausforderung. Die<br />

2.781 Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

der SSB betreuen täglich mit 169<br />

Schienenfahrzeugen <strong>und</strong> 270 Bussen ein<br />

Nahverkehrsnetz von 900 Linienkilometern.<br />

Das Unternehmen besteht aus<br />

Bereichen mit völlig unterschiedlichen<br />

Anforderungen an den Arbeits-, Brand-,<br />

Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> den Umweltschutz.<br />

In einer Analyse aller Unternehmensbereiche<br />

deckte DEKRA gemeinsam mit<br />

der SSB Verbesserungspotenziale in den<br />

Prozessabläufen auf. In Workshops <strong>und</strong><br />

durch Coaching-Verfahren vermittelten<br />

die Experten den Beschäftigten das nötige<br />

Wissen, um diese Potenziale eigenständig<br />

entdecken <strong>und</strong> nutzen zu können.<br />

Zudem wurden die Strukturen im<br />

Umweltbereich verifiziert <strong>und</strong> mit den<br />

gesetzlichen Vorgaben abgeglichen. „Dabei<br />

entwickelte sich ein Miteinander, das<br />

die SSB-Mitarbeiter sehr motivierte“,<br />

betont Michael Schröter, DEKRA Projektleiter<br />

für das Projekt ARGUS.<br />

In enger Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen<br />

sowie den Mitarbeitern<br />

der SSB entwickelte DEKRA ein Konzept,<br />

um den bestehenden Arbeits-,<br />

Brand-, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Umweltschutz<br />

im Unternehmen weiter zu optimieren<br />

<strong>und</strong> als feste Bestandteile in ein neues<br />

Managementsystem zu integrieren. Die<br />

Planung der umfangreichen Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> die Umsetzung der ersten Schritte<br />

wurden abgeschlossen. Die Projektarbeit<br />

wird seither in Organisationseinheiten<br />

unter Leitung des Arbeitsschutzausschusses<br />

weitergeführt. �


Präventive Instandhaltung von 90 Fahrzeugen der Rheinbahn AG Düsseldorf<br />

Mit dem Projekt „Rollkur“ für<br />

mehr K<strong>und</strong>enzufriedenheit<br />

Im September 2008 hat die Rheinbahn AG bei Voith Turbo die präventive Instandhaltung von knapp 90 DIWA Automatgetrieben<br />

ihrer Busflotte der Marken MAN, Mercedes <strong>und</strong> Neoplan in Auftrag gegeben. Ziel des Projekts mit dem<br />

Namen „Rollkur“ war es, die zukünftigen Betriebskosten zu senken <strong>und</strong> die Verfügbarkeit der Fahrzeuge weiter zu<br />

erhöhen. Dadurch soll die K<strong>und</strong>enzufriedenheit nochmals gesteigert werden.<br />

Die Rheinbahn AG beförderte mit<br />

ihren 409 Bussen <strong>und</strong> 336 Schienenfahrzeugen<br />

im Jahr 2008 ca. 214 Mio.<br />

Fahrgäste <strong>und</strong> zählt damit zu den größten<br />

ÖPNV-Unternehmen Deutschlands.<br />

Gleichzeitig ist das Unternehmen mit<br />

2567 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber<br />

in Düsseldorf. Mit Voith Turbo<br />

<strong>verbindet</strong> die Rheinbahn eine jahrzehntelange<br />

Partnerschaft im Bereich der Automatgetriebe<br />

für Linienbusse.<br />

Besonders am Herzen liegt der Rheinbahn<br />

AG das Thema K<strong>und</strong>enzufriedenheit.<br />

Dabei spielen Zuverlässigkeit <strong>und</strong><br />

Pünktlichkeit der Busse eine wesentliche<br />

Rolle, um die tägliche Mobilität der Menschen<br />

in der <strong>Regio</strong>n zu sichern. Genau<br />

auf diese Bedürfnisse ist das Service- <strong>und</strong><br />

Beratungsprogramm DIWA Excellence<br />

ausgerichtet. Innovative Services <strong>und</strong><br />

Produkte r<strong>und</strong> um das DIWA Automatgetriebe<br />

zielen darauf ab, die Betriebskosten<br />

zu senken <strong>und</strong> die Verfügbarkeit<br />

der Fahrzeuge zu erhöhen. Dazu gehört<br />

der DIWA Excellence Baustein „präventive<br />

Instandhaltung zum optimalen Zeitpunkt“.<br />

Eine Präventivmaßnahme ist oft<br />

kostengünstiger als eine korrektive Reparatur.<br />

Zudem sichert sie die Verfügbarkeit<br />

der Fahrzeuge <strong>und</strong> macht Werkstattaufenthalte<br />

planbar – ein erheblicher Vorteil<br />

angesichts sinkender Fahrzeugreserven.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des fortgeschrittenen Alters<br />

der Fahrzeuge <strong>und</strong> dem Wunsch diese<br />

noch weitere Jahre zuverlässig im Einsatz<br />

zu halten, entschloss sich die Rheinbahn<br />

AG, die Spezialisten von Voith Turbo<br />

mit der präventiven Instandhaltung von<br />

knapp 90 Automatgetrieben zu beauftragen.<br />

Die ältesten Fahrzeuge wurden<br />

bereits 1999 in Betrieb genommen <strong>und</strong><br />

haben in der Zwischenzeit eine beachtliche<br />

Laufleistung zurückgelegt. Durch<br />

die kurzen Ein- <strong>und</strong> Ausbauzeiten des<br />

Getriebes <strong>und</strong> eine reibungslos funktionierende<br />

Zusammenarbeit zwischen der<br />

Rheinbahn AG <strong>und</strong> Voith Turbo konnte<br />

der ÖPNV-Betrieb störungsfrei weiterlaufen.<br />

Die ausgebauten Getriebe sind<br />

im Produktionswerk in München generalüberholt<br />

<strong>und</strong> auf den neuesten Stand<br />

der Technik gebracht worden. Einem zuverlässigen<br />

<strong>und</strong> langen „zweiten Leben“<br />

steht nun nichts mehr im Wege. �<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.voithturbo.de.<br />

Auszubildende von DB Services machen Berufswelt im Berliner Hauptbahnhof erlebbar<br />

Schüler können zukünftig<br />

das Facility Management praxisnah erk<strong>und</strong>en<br />

Unter dem Motto „Anschauen <strong>und</strong> Lernen“ eröffnen die Auszubildenden der Deutsche-Bahn-Tochter DB Services<br />

Nordost GmbH einen Lehrpfad in den technischen Serviceräumen des Berliner Hauptbahnhofs. Ziel dieses Pilotprojekts:<br />

Interessierte Schüler praxisnah über die unterschiedlichen Ausbildungsberufe im technischen <strong>und</strong> infrastrukturellen<br />

Facility Management zu informieren <strong>und</strong> gleichzeitig die komplexen Leistungen vorzustellen, die von der DB<br />

Services auf Europas größtem Kreuzungsbahnhof r<strong>und</strong> um die Uhr erbracht werden.<br />

Der Lehrparcours enthält 12 Stationen,<br />

auf denen die Funktionsweise<br />

einzelner Technikanlagen – die beispielsweise<br />

für das reibungslose Funktionieren<br />

von Lüftung, Heizung, Sanitär, Fahrtreppen,<br />

Aufzüge, Strom notwendig sind – auf<br />

großformatigen Text- <strong>und</strong> Illustrationstafeln<br />

unkompliziert dargestellt werden.<br />

Für weitere Erklärungen stehen die projektbeteiligten<br />

Auszubildenden zudem<br />

versiert Rede <strong>und</strong> Antwort. Während der<br />

r<strong>und</strong> sechs Monate dauernden Fertigstellung<br />

des Facility Management Lehrpfades<br />

begleiteten Fachexperten die zwölf Azubis,<br />

die derzeit bei der DB Services zu<br />

Gebäudereinigern, Anlagenmechanikern,<br />

Elektronikern, Mechatronikern <strong>und</strong> Industriekaufleuten,<br />

ausgebildet werden.<br />

„Das Azubi-Projekt war durchweg anspruchsvoll<br />

<strong>und</strong> verlangte nach ständiger<br />

Kompromissbereitschaft. Es steckte voller<br />

positiver Erfahrungen, war spannend <strong>und</strong><br />

lehrreich gleichermaßen. Ich wünsche mir,<br />

dass unser Facility Management Lehrpfad<br />

bei allen Schülern <strong>und</strong> Besuchern bestens<br />

angenommen wird!“, begeistert sich Maria<br />

Böttger, Industriekauffrau-Azubi im<br />

zweiten Lehrjahr, über das Projektergebnis.<br />

Dr. Matthias Afting, Geschäftsführer<br />

Personal bei DB Services, sagt: „Wir fo-<br />

kussieren in die Zukunft <strong>und</strong> deshalb wollen<br />

wir die Türen unseres Unternehmens<br />

für Auszubildende weiter öffnen. Wir fordern<br />

<strong>und</strong> fördern Projekte, in denen unsere<br />

Azubis Verantwortung übernehmen,<br />

Teamarbeit leisten <strong>und</strong> Ideen einbringen<br />

müssen. Denn nur der Erfolg schafft Perspektiven<br />

– für sich selbst <strong>und</strong> ebenso für<br />

das Unternehmen!“ DB Services ist der<br />

flächendeckende Dienstleister für infrastrukturelles<br />

<strong>und</strong> technisches Facility Management<br />

<strong>und</strong> Industriedienstleistungen.<br />

B<strong>und</strong>esweit werden derzeit 320 junge<br />

Menschen in unterschiedlichen Berufen<br />

ausgebildet. �<br />

Nahverkehr 2010 83


Neues DDS-Produkt: Geokodierte Haltestellen des Schienenverkehrs<br />

Voll im Trend<br />

Die Karlsruher DDS Digital Data Services GmbH hat sein Geodatenangebot erweitert <strong>und</strong> präsentiert nun das<br />

brandneue Datenpaket „DB Haltestellen PLUS“. Es enthält die Geokoordinaten aller Schienenverkehrshaltestellen<br />

in Deutschland – das heißt der Bahnhöfe der Deutschen Bahn, aber auch der Haltestellen von privaten Eisenbahnbetreibern,<br />

von S-Bahnen, <strong>Stadt</strong>bahnen, Straßen- <strong>und</strong> U-Bahnen.<br />

ie Deutschen sind mobil wie<br />

„Dnie zuvor“, erklärte B<strong>und</strong>esverkehrsminister<br />

Wolfgang Tiefensee (SPD)<br />

Anfang Juni dieses Jahres bei der Präsentation<br />

der Studienergebnisse „Mobilität<br />

in Deutschland 2008“. Umweltfre<strong>und</strong>liche<br />

Verkehrsmittel seien auf dem Vormarsch.<br />

„Der Trend heißt: Mobil sein,<br />

Klima schonen, Kosten sparen“, so der<br />

Minister. Das Karlsruher Unternehmen<br />

DDS Digital Data Services GmbH liegt<br />

mit seinem neuen Produkt „DB Haltestellen<br />

PLUS“ also voll im Trend. Denn<br />

damit steht jedem, für dessen raumbezogene<br />

Planungen der Öffentliche Personenverkehr<br />

eine Rolle spielt – ob bei<br />

Verkehrsplanungen oder beim Geomarketing<br />

–, ein umfassender Datensatz zur<br />

Verfügung, der der wachsenden Bedeutung<br />

von Mobilität generell, aber spezi-<br />

84 Nahverkehr 2010<br />

ell auch der öffentlichen Verkehrsmittel<br />

gerecht wird. Das Datenpaket enthält<br />

zum einen alle aktiven, noch in Betrieb<br />

befindlichen Bahnhöfe der Deutschen<br />

Bahn – von Flensburg bis Lindau <strong>und</strong> von<br />

Aachen bis Görlitz – sowie die Bahnhöfe<br />

der zahlreichen privaten Eisenbahnbetreiber.<br />

Zum anderen hat DDS in das<br />

neue Produkt aber auch die Haltestellen<br />

der S-Bahnen, <strong>Stadt</strong>bahnen, Straßen- <strong>und</strong><br />

U-Bahnen, also aller anderen Schienenverkehrsmittel,<br />

integriert. Insgesamt vereint<br />

das Datenpaket über 14.500 Bahnhöfe<br />

<strong>und</strong> Haltestellen <strong>und</strong> ist kompatibel<br />

zu jedem gängigen Geoinformationssystem.<br />

DDS kommt mit diesem neuen<br />

Produkt vielfachen K<strong>und</strong>enwünschen<br />

entgegen. „Immer wieder sind wir von<br />

unseren K<strong>und</strong>en nach den geokodierten<br />

Haltestellen des Schienenverkehrs in<br />

Zufriedenheit der Nahverkehrsk<strong>und</strong>en<br />

wächst im sechsten Jahr in Folge<br />

Der VDV veröffentlicht gemeinsam mit TNS Infratest<br />

die aktuellen K<strong>und</strong>enzufriedenheitswerte der ÖPNV-Fahrgäste in Deutschland<br />

Im sechsten Jahr in Folge steigt die<br />

Zufriedenheit der Deutschen mit den<br />

Leistungen ihres öffentlichen Nahverkehrs<br />

(ÖPNV). Ein Drittel der deutschen<br />

ÖPNV-Nutzer (33,8 Prozent) sind<br />

mit den Leistungen „ihres“ Verkehrsunternehmens<br />

entweder vollkommen<br />

oder sehr zufrieden. Etwa die Hälfte<br />

(47,9 Prozent) der Befragten ist zufrieden.<br />

Die Globalzufriedenheit hat sich in<br />

der Bewertungsskala von aktuell 2,78<br />

gegenüber 2,84 im Vorjahr signifikant<br />

verbessert, seit 2003 eine regelmäßige<br />

Steigerung um inzwischen insgesamt 26<br />

Basispunkte (2003: 3,04). Das bedeutet,<br />

dass heute jeder vierte Fahrgast im<br />

Nahverkehr zufriedener ist als noch vor<br />

sechs Jahren.<br />

Die allgemeine K<strong>und</strong>enzufriedenheit mit<br />

dem Nahverkehr wird jährlich von TNS<br />

Infratest mit einer repräsentativen telefonischen<br />

Befragung ermittelt. In diesem<br />

Jahr wurde in einer gemeinschaftlichen<br />

Initiative mit dem Verband Deutscher<br />

Verkehrsunternehmen (VDV) alle wichtigen<br />

weiteren Merkmale zur K<strong>und</strong>enzufriedenheit<br />

in einem Online-Panel<br />

genauer untersucht, die Online-Daten<br />

wurden repräsentativ gewichtet <strong>und</strong><br />

sind im Wesentlichen auf die Gesamtbevölkerung<br />

übertragbar. Wegen der größeren<br />

Fallzahl sind jetzt auch weitere<br />

Analysen in Untergruppen möglich.<br />

„Das K<strong>und</strong>enbarometer zeigt, dass die<br />

Verkehrsunternehmen in Deutschland<br />

mit hoher Qualität <strong>und</strong> sehr k<strong>und</strong>enorientiert<br />

arbeiten. Wir freuen uns sehr,<br />

dass die Fahrgäste das auch so positiv<br />

Deutschland gefragt worden“, sagt DDS-<br />

Geschäftsführer Ernest McCutcheon.<br />

Nun freut er sich, die topaktuellen Daten<br />

präsentieren zu können. Wenn zum<br />

Beispiel Unternehmen expandieren <strong>und</strong><br />

einen neuen Standort für eine Niederlassung<br />

oder Filiale suchen, können sie<br />

mit den „DB Haltestellen PLUS“ die optimale<br />

Erreichbarkeit mit Öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln für K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />

berücksichtigen. Auch bei der<br />

Bewertung von Immobilien können die<br />

Daten eine wichtige Rolle spielen – denn<br />

die Anbindung an eine S-Bahn kann ein<br />

entscheidendes Kriterium sein.<br />

Ab Herbst werden die „DB Haltestellen<br />

PLUS“ auch alle Bushaltestellen deutschlandweit<br />

enthalten. Damit bietet DDS<br />

die Geodaten des gesamten Öffentlichen<br />

Personenverkehrs an. �<br />

bewerten“, sagt VDV-Hauptgeschäftsführerin<br />

Dr.-Ing. Claudia Langowsky. Das<br />

neue ausführlichere K<strong>und</strong>enbarometer<br />

gebe nun zusätzliche Hinweise, an welchen<br />

Stellen Busse <strong>und</strong> Bahnen noch<br />

besser werden könnten.<br />

Am zufriedensten sind die Nahverkehrsk<strong>und</strong>en<br />

mit dem Angebot insgesamt (Linien-<br />

<strong>und</strong> Streckennetz 2,67 <strong>und</strong> Schnelligkeit<br />

der Beförderung 2,73). Auch die<br />

Sicherheit im Fahrzeug zählt mit 2,71 zu<br />

den Spitzenplätzen. Die K<strong>und</strong>en, die den<br />

ÖPNV täglich oder fast täglich nutzen,<br />

sind zudem gr<strong>und</strong>sätzlich zufriedener<br />

mit dem Angebot als K<strong>und</strong>en, die nur ein<br />

Mal wöchentlich oder seltener Busse<br />

<strong>und</strong> Bahnen nutzen. Am Beispiel der<br />

Globalzufriedenheit: 2,43 im Vergleich<br />

zu 3,12 bei Selten-Nutzern. Eine Aus-


nahme ist das Thema Pünktlichkeit, mit<br />

dem die Gelegenheitsfahrer zufriedener<br />

sind als die Vielfahrer.<br />

Insgesamt nicht so zufrieden sind die<br />

Fahrgäste in diesem Jahr mit der Pünktlichkeit,<br />

deren Wert wieder auf die<br />

Bewertung von 2007 zurückgefallen<br />

ist (2,90), nach dem sie im letzten Jahr<br />

schon bei 2,75 lag.<br />

Die positive Tendenz in der Bewertung<br />

des Preis-Leistungs-Verhältnis (von<br />

2007: 3,64 auf 2008: 3,56) konnte in diesem<br />

Jahr nicht gehalten werden (2009:<br />

3,61). „Im vergangenen Jahr haben sich<br />

die steigenden Benzinpreise deutlich in<br />

der Bewertung des öffentlichen Nahverkehrs<br />

widergespiegelt. Entsprechend<br />

sieht man in diesem Jahr eine Umkehr<br />

dieser Tendenz“, sagt Dr. Adi Isfort, Director<br />

Verkehrsforschung bei TNS Infratest.<br />

Parallel zu der Bewertung der K<strong>und</strong>enzufriedenheit<br />

in ganz Deutschland haben<br />

in diesem Jahr auch wieder 25 <strong>Stadt</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Regio</strong>nalverkehrsunternehmen sowie<br />

fünf Verkehrsverbünde am ÖPNV-K<strong>und</strong>enbarometer<br />

von TNS Infratest teilgenommen.<br />

In der Globalzufriedenheit hat<br />

moBiel, das Verkehrsunternehmen der<br />

<strong>Stadt</strong>werke Bielefeld, den Spitzenplatz<br />

erreicht. Den Platz zwei teilen sich RLG<br />

Lippstadt <strong>und</strong> die <strong>Stadt</strong>werke Ulm, an<br />

dritter Stelle steht die Freiburger Verkehrs<br />

AG (VAG). Am häufigsten auf dem<br />

„Siegertreppchen“ sind die SW Ulm, die<br />

Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) <strong>und</strong><br />

die VAG. Bester teilnehmender Verb<strong>und</strong><br />

in diesem Jahr ist der VVO (Dresden).<br />

Im Auftrag des VDV befragte die Verkehrsforschung<br />

von TNS Infratest vom 9.<br />

bis 24. Juni 2009 insgesamt 3.304 ÖPNV-<br />

Nutzer zu ihrer Zufriedenheit mit dem<br />

Mehr Qualität für Nahverkehrsk<strong>und</strong>en<br />

Neues S-Bahn Konzept an Rhein <strong>und</strong> Ruhr<br />

öffentlichen Nahverkehr. Dabei wurden<br />

neben einer telefonischen Befragung<br />

auch Fahrgäste aus dem Online-Panel<br />

von TNS befragt <strong>und</strong> durch repräsentative<br />

Gewichtung vergleichbar gemacht.<br />

Neben der Globalzufriedenheit <strong>und</strong><br />

dem Nutzungsverhalten wurde die Zufriedenheit<br />

mit 26 Leistungsmerkmalen<br />

erhoben.<br />

Am von TNS Infratest initiierten „ÖP-<br />

NV-K<strong>und</strong>enbarometer 2009“ beteiligten<br />

sich 30 Unternehmen <strong>und</strong> Verbünde,<br />

die dadurch Informationen zur Zufriedenheit<br />

ihrer K<strong>und</strong>en erhielten. Insgesamt<br />

wurden hierfür von März bis Mai<br />

2009 ca. 16.000 telefonische Interviews<br />

durchgeführt. In der Broschüre „ÖPNV-<br />

K<strong>und</strong>enbarometer 2009 – Die Spitzenreiter“<br />

sind nähere Informationen zu<br />

den Ergebnissen der besten Unternehmen<br />

erhältlich. �<br />

Die Verantwortlichen vom Verkehrsverb<strong>und</strong> Rhein-Ruhr (VRR) <strong>und</strong> der DB <strong>Regio</strong> NRW (DB) das neue S-Bahn-Konzept<br />

an Rhein <strong>und</strong> Ruhr vorgestellt. Im Rahmen einer Pressekonferenz am Flughafen Düsseldorf präsentierten Thorsten<br />

Siggelkow, Mitglied der Geschäftsführung von DB <strong>Regio</strong> NRW <strong>und</strong> Martin Husmann, Vorstandssprecher der VRR<br />

AöR die Änderungen, welche zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 in Kraft treten. Alle S-Bahn-Linien im VRR<br />

werden bis Ende 2012 mit insgesamt 116 neuen Fahrzeugen der Typen ET 422 <strong>und</strong> ET 430 ausgerüstet. Zusätzlich<br />

wird ein optimiertes Liniennetz am Knotenpunkt Düsseldorf umgesetzt. Dazu werden zwei S-Bahn-Linien verlängert<br />

<strong>und</strong> Fahrpläne optimiert.<br />

Bereits 59 neue Fahrzeuge sind schon<br />

seit November 2008 auf den S-<br />

Bahn-Linien in Rhein/Ruhr unterwegs,<br />

die restlichen 57 folgen bis Ende 2012.<br />

Als weitere wichtige Maßnahme zur<br />

Erhöhung der Verkehrsqualität wird<br />

der starke Zugverkehr r<strong>und</strong> um das<br />

„Nadelöhr“ Düsseldorf Hauptbahnhof<br />

entzerrt. So fährt die S1 künftig bis zum<br />

Hauptbahnhof Solingen <strong>und</strong> übernimmt<br />

somit ab Düsseldorf Hbf den südlichen<br />

Streckenabschnitt der S7. Die S11 wird<br />

vom Düsseldorfer Hauptbahnhof bis<br />

zum Flughafen Düsseldorf verlängert<br />

<strong>und</strong> übernimmt den nördlichen Steckenabschnitt<br />

der S7. Die S6 <strong>und</strong> S8 erhalten<br />

künftig wieder am selben Bahnsteig im<br />

Düsseldorfer Hauptbahnhof einen plan-<br />

mäßigen Anschluss, <strong>und</strong> die zusätzlichen<br />

S-Bahnen im Berufsverkehr fahren als<br />

S68 zwischen Langenfeld, Düsseldorf<br />

<strong>und</strong> Wuppertal-Vohwinkel.<br />

„Mit dem optimierten Betriebskonzept<br />

sowie den neuen Triebzügen setzen<br />

wir gemeinsam mit der Bahn ein wichtiges<br />

Signal für mehr Qualität im Nahverkehr“,<br />

erklärt VRR-Vorstand Martin<br />

Husmann. „Die Schwerpunkte waren<br />

betriebliche <strong>und</strong> verkehrliche Optimierungen<br />

in Düsseldorf, Neuss, Solingen<br />

<strong>und</strong> Dortm<strong>und</strong>, die zur verbesserten<br />

Pünktlichkeit führen. Die Inbetriebnahme<br />

der modernen Triebzüge ist ein weiterer<br />

wichtiger Faktor, der für ein deutlich<br />

verbessertes Mobilitätsangebot der<br />

Menschen in der Rhein-Ruhr <strong>Regio</strong>n<br />

steht“, so Husmann abschließend.<br />

Auch Thorsten Siggelkow, Mitglied der<br />

Geschäftsführung von DB <strong>Regio</strong> NRW<br />

begrüßt die Umsetzung der Fahrplan- <strong>und</strong><br />

Liniennetzänderungen: „Wir erzielen die<br />

Erhöhung der Pünktlichkeit insbesondere<br />

durch größere Zugfolgeabstände auf<br />

den Stammstrecken. Durch den Einsatz<br />

neuer S-Bahn-Triebzüge in Einfach- oder<br />

Doppeltraktion reagieren wir bedarfsgerecht.<br />

Neue Direktverbindungen von<br />

Dormagen <strong>und</strong> Neuss nach Düsseldorf<br />

Flughafen sowie von Solingen <strong>und</strong> Hilden<br />

in Richtung Duisburg ergeben ein<br />

k<strong>und</strong>enorientiertes Angebot.“ �<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.bahn.de/s-bahn-rhein-ruhr.<br />

Nahverkehr 2010 85


14 neue Erdgas-Gelenkbusse<br />

für die Saarbahn GmbH<br />

Im Juli hat die Saarbahn GmbH in Anwesenheit des saarländischen Ministers für Wirtschaft <strong>und</strong> Wissenschaft, Herrn<br />

Joachim Rippel <strong>und</strong> der Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz 14 neue Erdgas-Niederflur-Gelenkbusse<br />

erhalten. Oberbürgermeisterin Charlotte Britz: „Ich freue mich über die 14 neuen Erdgasbusse, denn mit ihrer Umrüstung<br />

zu einer umweltfre<strong>und</strong>lichen Busflotte leistet die VVS einen erheblichen Beitrag zur Klimaverbesserung in<br />

unserer <strong>Stadt</strong>.“<br />

Die Fahrzeuge vom Typ NG (Natural<br />

Gas) A15 gehören zur neuesten<br />

Generation von Bussen mit Erdgastechnologie.<br />

Sie verfügen bereits heute über<br />

die Abgasnorm EURO 6 (Enhanced Environmentally<br />

Friendly Vehicle), die erst<br />

2012 Gültigkeit erlangen wird. Im Abgas<br />

sind unverbrannte Rückstände wie Ruß<br />

oder andere Partikel praktisch nicht<br />

nachweisbar. Ebenso liegen die gasförmigen<br />

Abgasschadstoffe in weiten Lastbereichen<br />

des Motors noch unter den<br />

Werten der Umgebungsluft. Darüber<br />

hinaus arbeitet der Ergas-Motor leiser<br />

als ein herkömmlicher Dieselmotor.<br />

Der Erdgas-Citaro ist mit dem Blauen<br />

Engel, dem weltweit angesehenen Gütesiegel<br />

des Umweltb<strong>und</strong>esamtes für<br />

86 Nahverkehr 2010<br />

besonders umweltfre<strong>und</strong>liche Produkte,<br />

ausgezeichnet worden. Das Umweltzeichen<br />

trägt die Beschriftung: „Umweltzeichen<br />

weil lärmarm <strong>und</strong> schadstoffarmer<br />

Gasantrieb“<br />

Die Saarbahn ist eines der ersten Verkehrsunternehmen,<br />

das diese Fahrzeuge<br />

in Betrieb nimmt.<br />

Selbstverständlich sind die Busse auch<br />

behindertengerecht ausgestattet.<br />

Die neuen Fahrzeuge stellen eine Gesamtinvestition<br />

von 4,9 Mio. Euro dar.<br />

Ingesamt 2,2 Mio. Euro davon wurden<br />

durch das Saarländische Ministerium für<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Wissenschaft finanziert.<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Wissenschaftsminister<br />

Joachim Rippel: „Mobilität ist eine<br />

wichtige Voraussetzung für eine mo-<br />

derne Gesellschaft <strong>und</strong> für wirtschaftliches<br />

Wachstum. Deshalb fördern wir<br />

auch den Ausbau der notwendigen Infrastruktur<br />

<strong>und</strong> die Beschaffung neuer<br />

umweltfre<strong>und</strong>licher <strong>und</strong> behindertengerechter<br />

Busse. Die Busse ersetzen<br />

Altfahrzeuge mit Motoren schlechterer<br />

Euro-Schadstoffklassen <strong>und</strong> tragen damit<br />

zur weiteren Luftverbesserung in<br />

der Innenstadt bei, insbesondere da sie<br />

ihren Einsatz in den Verkehrsspitzenzeiten<br />

finden werden.“<br />

Mit den neuen Fahrzeugen wird die<br />

Saarbahn GmbH 85 von insgesamt 127<br />

Bussen mit Erdgasantrieb haben. Diese<br />

Quote von fast 67 % wird nur von ganz<br />

wenigen Nahverkehrsunternehmen in<br />

Deutschland erreicht. �


Die Deutsche Bahn beauftragt telent mit der<br />

Ausrüstung der Nebenstrecken mit moderner<br />

Übertragungstechnik für ihr GSM-R-Netz<br />

Die telent GmbH aus Backnang wird in den nächsten drei Jahren im Rahmen der Modernisierung der Betriebskommunikation<br />

1500 km Nebenstrecken mit moderner Übertragungstechnik für das GSM-R-Netz der Deutschen Bahn<br />

AG ausrüsten. telent übernimmt laut Rahmenvertrag die Installation <strong>und</strong> Konfiguration der Übertragungstechnik.<br />

Die Bahn rüstet ab dem Sommer<br />

2009 r<strong>und</strong> 600 Stationen für ihre<br />

Nebenstrecken auf GSM-R um. Durch<br />

deutlich kürzere Rufaufbauzeiten <strong>und</strong><br />

stabilere Verbindungen, selbst bei hohen<br />

Geschwindigkeiten, sowie durch sicherheitsrelevante<br />

Funktionen wie die Priorisierung<br />

von Anrufen oder Sammel<strong>und</strong><br />

Gruppenrufe, erhöht die Deutsche<br />

Bahn die Betriebssicherheit <strong>und</strong> Zuverlässigkeit<br />

ihrer betrieblichen Abläufe.<br />

Der Auftrag der Deutschen Bahn AG<br />

umfasst insgesamt drei Hauptgewerke:<br />

telent ist für die Übertragungstechnik<br />

zuständig, bei der NGN-PDH-Multiplexer<br />

<strong>und</strong> Richtfunktechnik zum Einsatz<br />

kommen. Nokia Siemens Networks<br />

übernimmt die zentrale Funkvermittlung,<br />

drei weitere Unternehmen die Infrastruktur<br />

wie Kabeltrassen <strong>und</strong> Richtfunktürme.<br />

Koordiniert wird das Projekt<br />

durch die Bahntochter DB Systel.<br />

telent verfügt über umfangreiches Knowhow<br />

im Bereich Übertragungstechnik<br />

<strong>und</strong> Dienstleistungen für die Bahn <strong>und</strong><br />

liefert auch Übertragungslösungen <strong>und</strong><br />

Services von Telekommunikations-Ausrüstungen<br />

für Elektronische Stellwerke.<br />

Erste Rahmenverträge wurden bereits<br />

2004 mit der Deutschen Bahn AG geschlossen.<br />

Seit 2008 besteht auch ein<br />

Vertrag zu Richtfunktechnik. �<br />

Public Transport auf der InnoTrans 2010<br />

Leitmesse der Schienenverkehrstechnik vom 21. bis 24. September 2010 in Berlin<br />

Das Segment Public Transport auf der InnoTrans hat sich zu einer der bedeutendsten Fachmesseplattformen für<br />

dieses Thema entwickelt. Von Informationstechnologien wie Fahrgastinformationssystemen <strong>und</strong> Datenverarbeitung<br />

über Sicherheitstechnik <strong>und</strong> Fahrgeldmanagement bis zum Service r<strong>und</strong> um die Personenbeförderung wird ein umfassendes<br />

Bild des öffentlichen Personenverkehrs gezeigt. Seit der InnoTrans 2008 wird das Thema durch die Präsentation<br />

von Nah- <strong>und</strong> <strong>Regio</strong>nalverkehrsbussen abger<strong>und</strong>et.<br />

Bei der InnoTrans 2008 präsentierten<br />

r<strong>und</strong> 260 Aussteller ihre<br />

Innovationen im Segment Public Transport.<br />

Dazu gehörten unter anderem<br />

ACS Solutions aus der Schweiz, die AEG<br />

Gesellschaft für moderne Informationssysteme<br />

mbH (AEG MIS), Cactus<br />

Automation AB (Schweden), Cisco Systems<br />

(USA), Funkwerk AG, IVU Traffic<br />

Technologies, Qnamic AG (Schweiz),<br />

Scheidt & Bachmann <strong>und</strong> die Schweizer<br />

B<strong>und</strong>esbahnen um nur einige zu nennen.<br />

Die Internationalität der Aussteller lag<br />

bei etwa 50 Prozent. Das Thema Busse<br />

wurde unter anderem durch Carrosserie<br />

Hess (Schweiz) <strong>und</strong> Solaris Bus &<br />

Coach (Polen) vertreten.<br />

Zum Abschluss der Messe erklärte Frau<br />

Dr.-Ing. Claudia Langowsky, Hauptgeschäftsführerin<br />

des Verbandes Deutscher<br />

Verkehrsunternehmen (VDV):<br />

„Es hat uns sehr erfreut, dass in diesem<br />

Jahr zum ersten Mal nicht nur die<br />

schienengeb<strong>und</strong>enen Fahrzeuge auf der<br />

InnoTrans präsent waren, sondern auch<br />

die Busse. Wir Betreiber wünschen uns,<br />

dass die InnoTrans in den kommenden<br />

Jahren noch mehr Zuspruch von den<br />

Busherstellern – auch aus Deutschland<br />

– erhält.“<br />

Im September öffnen sich<br />

wieder die Messetore<br />

Am 21. September 2010 ist es wieder<br />

soweit: Dann werden sich die Tore des<br />

Messegeländes am Berliner Funkturm<br />

für die Fachbesucher aus aller Welt öffnen.<br />

Es ist absehbar, dass die InnoTrans<br />

in diesem Jahr größer als die Veranstaltung<br />

im Herbst 2008 sein wird. Sowohl<br />

bei der Anzahl der Aussteller als auch<br />

bei der Hallenfläche liegen die aktuellen<br />

Zahlen über den Vergleichswerten<br />

der letzten Veranstaltung. Mehr als die<br />

Hälfte aller Aussteller kommen aus dem<br />

internationalen Raum. Während auf der<br />

InnoTrans schon seit Jahren alle wichtigen<br />

europäischen Player vertreten sind,<br />

hat die Präsenz von Unternehmen aus<br />

Asien, Australien, Osteuropa <strong>und</strong> dem<br />

Nahen Osten insbesondere in 2008<br />

noch einmal deutlich zugenommen. Für<br />

die InnoTrans in diesem Jahr zeichnet<br />

sich unter anderem eine stärkere Beteiligung<br />

von Firmen aus Nordamerika<br />

ab. Die Zahl der Fachbesucher aus den<br />

USA <strong>und</strong> Kanada wird damit ebenfalls<br />

weiter wachsen. Darüber hinaus ist die<br />

InnoTrans für immer mehr nationale Industrieverbände<br />

<strong>und</strong> Schienenverkehrsunternehmen<br />

zu einer unverzichtbaren<br />

Plattform für Marketing <strong>und</strong> Kommunikation<br />

geworden. So zeigten 2008 in den<br />

Messehallen am Funkturm 15 nationale<br />

Verbände „Flagge“.<br />

Führender Businesstreff<br />

für Verkehrstechnik<br />

Die InnoTrans ist der weltweit führende<br />

Nahverkehr 2010 87


Business-Treff für Verkehrstechnik. Zur<br />

InnoTrans 2008 präsentierten 1.914<br />

Aussteller aus 41 Ländern ihre innovativen<br />

Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen.<br />

Die insgesamt 85.592 Fachbesucher ka-<br />

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen<br />

(VDV) hat die Weiterführung<br />

der Gleisanschlussförderung<br />

durch den B<strong>und</strong> begrüßt. „Dieses Projekt<br />

ist extrem erfolgreich“, sagte VDV-<br />

Hauptgeschäftsführerin Dr.-Ing. Claudia<br />

Langowsky, „in den vergangenen fünf<br />

Jahren wurde die Fracht von r<strong>und</strong> 1,5<br />

Millionen voll beladenen Lkw durch die<br />

Gleisanschlussförderung auf die Schiene<br />

verlagert.“<br />

Die Zahlen belegten die Effizienz des<br />

Gleisanschlussprogramms: „Mit nur 44<br />

88 Nahverkehr 2010<br />

men aus über 100 Ländern nach Berlin.<br />

Angebotsschwerpunkte der achten InnoTrans<br />

vom 21. bis 24. September 2010<br />

sind Railway Technology, Infrastructure,<br />

Tunnel Construction, Interiors <strong>und</strong> Pu-<br />

VDV begrüßt Weiterführung<br />

der Gleisanschlussförderung<br />

Projekt erfolgreich: In fünf Jahren r<strong>und</strong> 1,5 Millionen voll beladene Lkw weniger<br />

Millionen Euro des B<strong>und</strong>es für r<strong>und</strong> 70<br />

Logistikprojekte wurde eine jährliche<br />

Verkehrsleistung von 2,54 Milliarden<br />

Tonnenkilometern von der Straße auf<br />

die Schiene verlagert“, so Frau Langowsky<br />

weiter. „Insgesamt wurden so seit<br />

2004 knapp eine Million Tonnen Kohlendioxid<br />

eingespart. Das ist so viel wie die<br />

<strong>Stadt</strong> Flensburg im Jahr produziert. Eine<br />

bessere Kosten-Nutzen-Rechnung kann<br />

es nicht geben.“<br />

Zum Hintergr<strong>und</strong>: Die Gleisanschlussförderung<br />

besteht seit 2004. Alle Un-<br />

blic Transport. Veranstalter ist die Messe<br />

Berlin GmbH. �<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.innotrans.de.<br />

ternehmen der verladenden Wirtschaft,<br />

die Güter über die Schiene empfangen<br />

oder versenden, können das Programm<br />

nutzen. Sie müssen sich allerdings verbindlich<br />

dazu verpflichten, dauerhaft<br />

Verkehre auf die Schiene zu verlagern.<br />

Die Effekte der Gleisanschlussförderung<br />

betreffen bisher nahezu alle Güter. Die<br />

Bereiche Baustoffe/Massengüter, Metalle,<br />

Holz sowie Mineralöl haben die größten<br />

Anteile. Aber auch Projekte in den<br />

Bereichen Entsorgungslogistik konnten<br />

erfolgreich realisiert werden. �<br />

Verlag: Kommunal-Verlag - Fachverlag für Kommunalwirtschaft <strong>und</strong> Umwelttechnik GmbH -<br />

42399 Wuppertal, Hardtbacher Höhe 24<br />

Telefon 0 21 91/66 65 92, Telefax 0 21 91/66 65 93 - ISDN Telefon 0 21 91/6 83 17, Telefax 0 21 91/69 07 10<br />

Gesamt-Verantwortung: Horst Schumacher, Wuppertal - Sabine Schumacher M.A., stellv. Chefredakteurin, Büro Köln,<br />

Telefon/Telefax: 02 21/2 71 77 46 - Anzeigenleitung: H. J. Schumacher, Wuppertal - ISSN Nr. 0450-7169<br />

Satzherstellung, Druck & Verarbeitung:<br />

Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Hans Georg Weiss Straße 7, 52156 Monschau, Telefon 0 24 72/9 82-0<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Namentlich gezeichnete Beiträge stellen nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Gerichtsstand <strong>und</strong> Erfüllungsort ist in allen Fällen Wuppertal.<br />

Einzelheftpreis: 8,- 2, Jahresabonnementpreis 72,- 2 einschließlich MwSt., zzgl. Versandkosten,<br />

Kündigung 3 Monate vor Ablauf des Kalenderjahres

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!