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Frühe aktive Kundenintegration in den Innovationsprozess

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<strong>Frühe</strong> <strong>aktive</strong> <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

DISSERTATION<br />

der Universität St. Gallen,<br />

Hochschule für Wirtschafts-,<br />

Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />

zur Erlangung der Würde e<strong>in</strong>es<br />

Doktors der Wirtschaftswissenschaften<br />

vorgelegt von<br />

Christoph H. Wecht<br />

aus<br />

Österreich<br />

Genehmigt auf Antrag der Herren<br />

Prof. Dr. Oliver Gassmann<br />

und<br />

Prof. Dr. Christian Belz<br />

Dissertation Nr. 3117<br />

Alwa & Deil Druckerei GmbH, Wien 2005


II<br />

Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften<br />

(HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegen<strong>den</strong><br />

Dissertation, ohne damit zu <strong>den</strong> dar<strong>in</strong> ausgesprochenen Anschauungen<br />

Stellung zu nehmen.<br />

St. Gallen, <strong>den</strong> 30. Juni 2005<br />

Der Rektor:<br />

Prof. Ernst Mohr, PhD


So können wir sagen, dass der dauerhafteste Beitrag, <strong>den</strong> e<strong>in</strong>e Theorie zum Wachstum<br />

der wissenschaftlichen Erkenntnis leisten kann, <strong>in</strong> <strong>den</strong> neuen Problemen besteht,<br />

die durch sie aufgedeckt wer<strong>den</strong>.<br />

III<br />

Karl R. Popper


Vorwort<br />

Die vorliegende Dissertation entstand während me<strong>in</strong>er Tätigkeit als Forschungsassistent<br />

am Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen.<br />

Herrn Professor Dr. Oliver Gassmann, Direktor und Leiter des Bereiches für Innovationsmanagement<br />

am oben genannten Institut, b<strong>in</strong> ich für se<strong>in</strong>e wohlwollende<br />

Unterstützung und grosszügige Förderung als Doktorvater zu besonderem Dank<br />

verpflichtet. Unsere Zusammenarbeit war sowohl durch se<strong>in</strong>e wissenschaftliche<br />

Expertise als auch se<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fühlsame Persönlichkeit geprägt. Herrn Professor Dr.<br />

Christian Belz danke ich für die freundliche Übernahme des Korreferates und se<strong>in</strong>e<br />

wertvollen Anregungen. Während me<strong>in</strong>er Jahre am Institut durfte ich Herrn Professor<br />

Fritz Fahrni, PhD als immer souveränen Institutsleiter mit offenem Ohr für die<br />

persönlichen Anliegen se<strong>in</strong>er Mitarbeiter kennenlernen.<br />

Der starke Praxisbezug dieser Arbeit war nur durch die tatkräftige Unterstützung<br />

seitens der folgen<strong>den</strong> Herren möglich: Eckard Folt<strong>in</strong> von Bayer MaterialScience <strong>in</strong><br />

Leverkusen, Prof. Rudolf Benz von EADS Astrium <strong>in</strong> Friedrichshafen, Re<strong>in</strong>hard<br />

Sch<strong>in</strong>dler von Hilti (Geschäftsbereich Diamond Systems) <strong>in</strong> Schaan und Klaus<br />

Vamberszky von Zumtobel Staff <strong>in</strong> Dornbirn. Für ihre fundierten Beiträge und ihr<br />

Engagement bei me<strong>in</strong>en Interviews danke ich ihnen sehr herzlich. Zum Gel<strong>in</strong>gen<br />

der Arbeit haben auch zahlreiche weitere Interviewpartner beigetragen, <strong>den</strong>en ich<br />

hiermit me<strong>in</strong>en grossen Dank ausspreche.<br />

An dieser Stelle möchte ich auch <strong>den</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen am Institut für<br />

Technologiemanagement der Universität St. Gallen danken, welche mir durch anregende<br />

und konstruktive Diskussionen wichtige Impulse für die Erstellung der Arbeit<br />

sowie moralische Unterstützung gegeben haben. E<strong>in</strong> spezieller Dank gilt dabei<br />

me<strong>in</strong>er Lehrstuhlkolleg<strong>in</strong> Patricia Sandmeier. Zahlreiche Diskussionen mit ihr haben<br />

nicht nur zur Schärfung me<strong>in</strong>er Standpunkte, sondern auch zu mehreren geme<strong>in</strong>samen<br />

Publikationen auf dem Gebiet der offenen <strong>Innovationsprozess</strong>e geführt.<br />

Me<strong>in</strong> Kollege Berislav Gaso leistete Anteil am Lektorat und stand für grundsätzliche<br />

Debatten immer zur Verfügung. Die Kollegen Javier Perez-Freije, Christoph<br />

Kausch und Alexander Conreder waren mit ihrer Hilfsbereitschaft e<strong>in</strong>e grosse Unterstützung<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Phasen des Entstehungsprozesses.<br />

Frau Dr. Ellen Enkel hat hilfreiche Beiträge zur Entwicklung und Ausgestaltung der<br />

Forschungsmethodik geliefert. Wertvolle strukturelle und graphische Anregungen<br />

kamen von Frau Dr. Barbara Becker.<br />

V


VI<br />

Die reibungslose organisatorische Abwicklung me<strong>in</strong>er Institutstätigkeit lag <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Hän<strong>den</strong> von Frau Hildegard Tomaschett und Frau Gudrun Neff.<br />

Weiters danke ich me<strong>in</strong>em Weggefährten, Geschäftspartner und Freund Mart<strong>in</strong> Bader.<br />

Die vielen geme<strong>in</strong>samen Gespräche sowie die weit über das Fachliche h<strong>in</strong>ausgehen<strong>den</strong><br />

geme<strong>in</strong>samen Aktivitäten hatten e<strong>in</strong>en wesentlichen Anteil an der Entstehung<br />

dieser Arbeit.<br />

Schliesslich danke ich <strong>in</strong> Liebe me<strong>in</strong>en Eltern, ohne deren Vorbild und Hilfe me<strong>in</strong>e<br />

Entwicklung nicht möglich gewesen wäre. Sie haben mich immer vorbehaltlos unterstützt<br />

und auf me<strong>in</strong>em Weg begleitet.<br />

Leider konnte me<strong>in</strong> Schwiegervater, Herr Dipl.-Ing. Walter Ste<strong>in</strong><strong>in</strong>ger, die Vollendung<br />

me<strong>in</strong>er Dissertation nicht mehr erleben. Se<strong>in</strong>e grosse Unterstützung werde ich<br />

ebenso vermissen, wie se<strong>in</strong>en kompetenten, rationalen Zugang zu allen technischen<br />

und wirtschaftlichen Themen. Me<strong>in</strong>er Frau Veronika Ste<strong>in</strong><strong>in</strong>ger-Wecht und me<strong>in</strong>em<br />

Sohn Pascal schulde ich Dank für die Motivation und das grosse Verständnis für<br />

mich und me<strong>in</strong>e Arbeit, welche sie mir trotz der mehrjährigen überdurchschnittlichen<br />

Belastung erwiesen haben. Ihnen widme ich dieses Werk.<br />

Wien, im September 2005 Christoph H. Wecht


Zusammenfassung<br />

Stetig zunehmender Innovationsdruck führt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er wachsen<strong>den</strong> Zahl von Unternehmen<br />

zu e<strong>in</strong>er Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es für Ideen externer Partner. Im<br />

Fokus dieser Arbeit steht deshalb die Frage, wie e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Integration von Kun<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> die Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es effizient und effektiv gestaltet und<br />

durchgeführt wer<strong>den</strong> kann. E<strong>in</strong>e erste Analyse beschreibt strategische Grundlagen<br />

der frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> und grenzt sie von anderen Ansätzen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

von Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> ab, wie der klassischen Marktforschung,<br />

der kun<strong>den</strong>spezifischen Konfiguration und der generellen Kun<strong>den</strong>orientierung.<br />

Die frühe <strong>aktive</strong> <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> wird dabei geprägt durch e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Rolle<br />

des Kun<strong>den</strong> als Wertschöpfungspartner <strong>in</strong> der Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

des <strong>in</strong>tegrieren<strong>den</strong> Herstellers.<br />

Innovative Vorreiterunternehmen, wie Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti<br />

Diamond Systems und Zumtobel Staff, praktizieren frühe <strong>aktive</strong> <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

bereits erfolgreich. Fallstudien dieser <strong>in</strong>novativen Unternehmen i<strong>den</strong>tifizieren für<br />

die Praxis relevante Aspekte des Integrationsprozesses, welche <strong>in</strong> <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Gestaltungsfeldern<br />

Integrationsstruktur und Interaktionsprozess als wichtigen Dimensionen<br />

der frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> resultieren. E<strong>in</strong> spezieller Schwerpunkt<br />

der Untersuchung liegt <strong>in</strong> der Beschreibung spezifischer Rollen, welche der Hersteller<br />

<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> im Rahmen der frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>räumen kann.<br />

Basierend auf e<strong>in</strong>e effizienz- oder effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie der<br />

frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> können vom Hersteller, je nach spezifischem Integrationsziel,<br />

vier <strong>aktive</strong> Rollen besetzt wer<strong>den</strong>, nämlich die des Kun<strong>den</strong> als Sensor,<br />

Spezialist, Spezifikator oder Selektor. Diese speziellen Kun<strong>den</strong>rollen stellen e<strong>in</strong>e<br />

ergebnisorientierte spezifische Erweiterung des aus der Literatur bekannten<br />

Lead-User-Ansatzes dar.<br />

Der Prozess der frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en unternehmerischen<br />

Gesamtrahmen aus Strategie, Struktur und Kultur e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> und besteht aus <strong>den</strong><br />

drei Schritten Initiierungsphase, Vorbereitungsphase und Realisierungsphase. Diese<br />

Prozesssicht ermöglicht die Weiterentwicklung der ermittelten Gestaltungsfelder<br />

mit ihren zugeordneten Gestaltungsfaktoren zu e<strong>in</strong>em konzeptionellen Managementmodell<br />

der frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Entlang der Elemente dieses<br />

Modells wer<strong>den</strong> operative Gestaltungsempfehlungen bezüglich Ablauf und Organisation<br />

erfolgreicher früher <strong>aktive</strong>r <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> entwickelt und im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse zu abschliessen<strong>den</strong> Thesen verdichtet.<br />

VII


VIII<br />

Abstract<br />

Constantly <strong>in</strong>creas<strong>in</strong>g pressure to <strong>in</strong>novate leads a grow<strong>in</strong>g number of enterprises to<br />

open their <strong>in</strong>novation processes to the ideas of external parties. This study focuses<br />

on the question of how actively <strong>in</strong>tegrat<strong>in</strong>g customers <strong>in</strong>to the early phase of the <strong>in</strong>novation<br />

process can be accomplished efficiently and effectively. The <strong>in</strong>itial analysis<br />

describes strategic fundamentals for early customer <strong>in</strong>tegration and dist<strong>in</strong>guishes<br />

them from other approaches to <strong>in</strong>volv<strong>in</strong>g customers <strong>in</strong> the <strong>in</strong>novation process, such<br />

as market research, customized product configurations, and general customer orientation.<br />

In this context, the customer play<strong>in</strong>g an active role as value creation partner<br />

dur<strong>in</strong>g the early phase of the manufacturer’s <strong>in</strong>novation process characterizes early<br />

customer <strong>in</strong>tegration.<br />

Innovation leaders <strong>in</strong>clud<strong>in</strong>g Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond<br />

Systems and Zumtobel Staff already practice early customer <strong>in</strong>tegration successfully.<br />

Case studies of these groundbreak<strong>in</strong>g enterprises highlight relevant characteristics<br />

of the <strong>in</strong>tegration process and demonstrate how early customer <strong>in</strong>tegration becomes<br />

an important element <strong>in</strong> the areas of <strong>in</strong>tegration structure and <strong>in</strong>teraction<br />

process. Special emphasis is put on the description of specific roles that manufacturers<br />

can assign to customers <strong>in</strong> the context of early customer <strong>in</strong>tegration. Depend<strong>in</strong>g<br />

on whether the objective of early customer <strong>in</strong>tegration is effectiveness or efficiency,<br />

a manufacturer has a choice between assign<strong>in</strong>g the customer one of the four<br />

active roles - sensor, specialist, specifier or selector. These specific customer roles<br />

represent a result-oriented extension of the well-known lead user approach.<br />

The process of early customer <strong>in</strong>tegration consists of an <strong>in</strong>itiation, preparation, and<br />

implementation phase and rests <strong>in</strong> the bus<strong>in</strong>ess framework of strategy, structure,<br />

and culture. This process view facilitates the development of a conceptual management<br />

model for early customer <strong>in</strong>tegration <strong>in</strong>clud<strong>in</strong>g specific organizational design<br />

factors. The elements of this model serve as the roadmap which is then used to develop<br />

more tactical recommendations regard<strong>in</strong>g organization and execution of successful<br />

early customer <strong>in</strong>tegration and to ultimately summarize these <strong>in</strong>sights <strong>in</strong>to a<br />

set of f<strong>in</strong>al hypotheses.


Inhaltsübersicht<br />

1 E<strong>in</strong>leitung.......................................................................................................... 1<br />

1.1 Relevanz und Problemstellung.................................................................. 1<br />

1.2 Zielsetzung ................................................................................................ 3<br />

1.3 Forschungskonzeption............................................................................... 8<br />

1.4 Aufbau der Arbeit.................................................................................... 11<br />

2 Stand der Forschung...................................................................................... 14<br />

2.1 Ausgewählte Perspektiven der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sforschung ............... 14<br />

2.2 Ansätze der E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong>........ 28<br />

2.3 Zusammenfassung................................................................................... 40<br />

3 Fallstudien der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ................................................. 44<br />

3.1 Geme<strong>in</strong>samkeiten und Auswahlkriterien ................................................ 44<br />

3.2 Bayer MaterialScience ............................................................................ 47<br />

3.3 EADS Astrium ........................................................................................ 61<br />

3.4 Hilti Diamond Systems ........................................................................... 76<br />

3.5 Zumtobel Staff......................................................................................... 91<br />

4 Konzeptualisierung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>................................. 109<br />

4.1 Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>...................................... 109<br />

4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.............................. 128<br />

4.3 Zusammenfassung................................................................................. 137<br />

5 Spezifische Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>....................... 138<br />

5.1 Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>................................................. 138<br />

5.2 Integrationsstrategien des Herstellers.................................................... 154<br />

5.3 Ausprägungen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>....................................... 161<br />

5.4 Zusammenfassung................................................................................. 164<br />

IX


X<br />

6 Ablauf und Organisation der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ....................... 165<br />

6.1 Prozess der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.................................................. 165<br />

6.2 Konzeptionelles Managementmodell der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>... 170<br />

6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen ................................................. 172<br />

6.4 Zusammenfassung................................................................................. 204<br />

7 Fazit............................................................................................................... 206<br />

7.1 Kernaussagen ........................................................................................ 206<br />

7.2 Ausblick ................................................................................................ 217


Inhaltsverzeichnis<br />

Abbildungsverzeichnis ........................................................................................XIV<br />

Tabellenverzeichnis .............................................................................................XVI<br />

Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................... XVII<br />

1 E<strong>in</strong>leitung.......................................................................................................... 1<br />

1.1 Relevanz und Problemstellung.................................................................. 1<br />

1.2 Zielsetzung ................................................................................................ 3<br />

1.2.1 Fokussierung ................................................................................ 3<br />

1.2.2 Forschungsfragen ......................................................................... 7<br />

1.3 Forschungskonzeption............................................................................... 8<br />

1.3.1 Forschungsansatz ......................................................................... 8<br />

1.3.2 Forschungsmethodik .................................................................... 9<br />

1.4 Aufbau der Arbeit.................................................................................... 11<br />

2 Stand der Forschung...................................................................................... 14<br />

2.1 Ausgewählte Perspektiven der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sforschung ............... 14<br />

2.1.1 Grundlagen auf Herstellerseite................................................... 16<br />

2.1.2 Grundlagen des Integrationsprozesses....................................... 20<br />

2.1.3 Grundlagen auf Kun<strong>den</strong>seite...................................................... 24<br />

2.2 Ansätze der E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong>........ 28<br />

2.2.1 Marktforschung.......................................................................... 30<br />

2.2.2 Kun<strong>den</strong>spezifische Konfiguration.............................................. 31<br />

2.2.3 Kun<strong>den</strong>orientierung ................................................................... 32<br />

2.2.4 <strong>Frühe</strong> <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ........................................................... 33<br />

2.3 Zusammenfassung................................................................................... 40<br />

XI


XII<br />

3 Fallstudien der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ................................................. 44<br />

3.1 Geme<strong>in</strong>samkeiten und Auswahlkriterien................................................ 44<br />

3.2 Bayer MaterialScience ............................................................................ 47<br />

3.2.1 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen.................................................................. 47<br />

3.2.2 <strong>Innovationsprozess</strong>..................................................................... 49<br />

3.2.3 <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>...................................................................... 51<br />

3.2.4 Zusammenfassung...................................................................... 58<br />

3.3 EADS Astrium ........................................................................................ 61<br />

3.3.1 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen.................................................................. 61<br />

3.3.2 <strong>Innovationsprozess</strong>..................................................................... 65<br />

3.3.3 <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>...................................................................... 67<br />

3.3.4 Zusammenfassung...................................................................... 73<br />

3.4 Hilti Diamond Systems ........................................................................... 76<br />

3.4.1 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen.................................................................. 76<br />

3.4.2 <strong>Innovationsprozess</strong>..................................................................... 79<br />

3.4.3 <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>...................................................................... 80<br />

3.4.4 Zusammenfassung...................................................................... 88<br />

3.5 Zumtobel Staff ........................................................................................ 91<br />

3.5.1 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen.................................................................. 92<br />

3.5.2 <strong>Innovationsprozess</strong>..................................................................... 95<br />

3.5.3 <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>...................................................................... 98<br />

3.5.4 Zusammenfassung.................................................................... 107<br />

4 Konzeptualisierung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>................................. 109<br />

4.1 Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>...................................... 109<br />

4.1.1 Vergleich der Fallstudienergebnisse........................................ 109<br />

4.1.2 Determ<strong>in</strong>anten und Gestaltungsfelder...................................... 122<br />

4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.............................. 128<br />

4.2.1 Strukturelle Gestaltung ............................................................ 129<br />

4.2.2 Prozessuale Gestaltung ............................................................ 130<br />

4.3 Zusammenfassung................................................................................. 137


5 Spezifische Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>....................... 138<br />

5.1 Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>................................................. 138<br />

XIII<br />

5.1.1 Ziele des Herstellers................................................................. 140<br />

5.1.2 Generische Rollen des Kun<strong>den</strong>................................................ 142<br />

5.1.3 Organisationale Parameter ....................................................... 148<br />

5.2 Integrationsstrategien des Herstellers.................................................... 154<br />

5.2.1 Fokus auf Effektivität............................................................... 154<br />

5.2.2 Fokus auf Effizienz .................................................................. 157<br />

5.3 Ausprägungen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>....................................... 161<br />

5.4 Zusammenfassung................................................................................. 164<br />

6 Ablauf und Organisation der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ....................... 165<br />

6.1 Prozess der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.................................................. 165<br />

6.2 Konzeptionelles Managementmodell der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>... 170<br />

6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen ................................................. 172<br />

6.3.1 Unternehmerischer Rahmen..................................................... 172<br />

6.3.2 Prozessschritte.......................................................................... 179<br />

6.4 Zusammenfassung................................................................................. 204<br />

7 Fazit ............................................................................................................... 206<br />

7.1 Kernaussagen ........................................................................................ 206<br />

7.2 Ausblick ................................................................................................ 217<br />

7.2.1 Aktuelle Entwicklungen und Trends ....................................... 218<br />

7.2.2 Offene Forschungsschwerpunkte............................................. 226<br />

Referenzen ............................................................................................................. 228<br />

Anhang................................................................................................................... 244


XIV<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Abgrenzung der Arbeit......................................................................... 5<br />

Abbildung 2: Explorative Forschung als iterativer Lernprozess................................ 9<br />

Abbildung 3: Aufbau der Arbeit............................................................................... 13<br />

Abbildung 4: Relevante Themenfelder der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sliteratur................. 16<br />

Abbildung 5: Ansätze zur E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

<strong>Innovationsprozess</strong> ........................................................................... 29<br />

Abbildung 6: E<strong>in</strong>ordnung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ........................................ 39<br />

Abbildung 7: Strategische Grundlagen der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ............................... 42<br />

Abbildung 8: Datenerhebungs- und Analyseraster .................................................. 46<br />

Abbildung 9: Organisationse<strong>in</strong>heiten des <strong>Innovationsprozess</strong>es der Bayer<br />

MaterialScience ................................................................................ 48<br />

Abbildung 10: Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es der Bayer MaterialScience.... 51<br />

Abbildung 11: Übersicht der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Bayer<br />

MaterialScience ................................................................................ 60<br />

Abbildung 12: Technologische Komplexität bei Entwicklungsprojekten der<br />

EADS Astrium.................................................................................. 63<br />

Abbildung 13: Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es der EADS Astrium................ 66<br />

Abbildung 14: Übersicht der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der EADS Astrium.......... 75<br />

Abbildung 15: Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es der Hilti Diamond<br />

Systems............................................................................................. 80<br />

Abbildung 16: Partnerschaftsniveaus für Diamond Service Contractors der<br />

Hilti Diamond Systems..................................................................... 82<br />

Abbildung 17: Übersicht der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Hilti Diamond<br />

Systems............................................................................................. 90<br />

Abbildung 18: Wertschöpfungskette und Auftragskette der Zumtobel Staff .......... 95<br />

Abbildung 19: Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es der Zumtobel Staff................ 96<br />

Abbildung 20: Übersicht der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Zumtobel Staff ........ 108<br />

Abbildung 21: Kriterien für <strong>den</strong> Vergleich der Fallstudienergebnisse .................. 110


Abbildung 22: Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Bayer<br />

MaterialScience .............................................................................. 113<br />

Abbildung 23: Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der EADS<br />

Astrium ........................................................................................... 116<br />

Abbildung 24: Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Hilti<br />

Diamond Systems ........................................................................... 119<br />

Abbildung 25: Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Zumtobel<br />

Staff................................................................................................. 121<br />

Abbildung 26: Determ<strong>in</strong>anten der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> als Ergebnis der<br />

Fallstudienanalyse........................................................................... 125<br />

Abbildung 27: Gestaltungsfelder als Ergebnis der Fallstudienanalyse .................. 127<br />

Abbildung 28: E<strong>in</strong>flusskette auf das Integrationsergebnis..................................... 139<br />

Abbildung 29: Phasen des frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es........................................ 150<br />

Abbildung 30: Dimensionen der Kompetenzen des Kun<strong>den</strong> ................................. 154<br />

Abbildung 31: Kun<strong>den</strong>rollen als phasenspezifische Umsetzung der<br />

Integrationsstrategien des Herstellers............................................. 160<br />

Abbildung 32: Dom<strong>in</strong>ierende Kun<strong>den</strong>kompetenzfelder der spezifischen<br />

Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.................................. 161<br />

Abbildung 33: Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.......................................... 163<br />

Abbildung 34: <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess ............................................................ 166<br />

Abbildung 35: Konzeptionelles Managementmodell der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> .......................................................................... 171<br />

Abbildung 36: Handlungsfelder der Initiierungsphase........................................... 184<br />

Abbildung 37: Handlungsfelder der Vorbereitungsphase ...................................... 189<br />

Abbildung 38: Handlungsfelder der Realisierungsphase ....................................... 202<br />

Abbildung 39: Abfolge der Thesen im Prozess der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>..... 205<br />

Abbildung 40: Aktuelle Entwicklungen und Trends im Umfeld der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> .......................................................................... 217<br />

XV


XVI<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Ausgewählte Perspektiven der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sforschung................ 26<br />

Tabelle 2: Charakteristika unterschiedlicher Formen der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong><br />

der Innovationsfrühphase ................................................................. 37<br />

Tabelle 3: Zentrale Unterschiede der Fokussierung der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> betrachteten Fallstudien........................ 124<br />

Tabelle 4: Operative Gestaltungsfaktoren der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ............. 136<br />

Tabelle 5: Integrationsziele des Herstellers auf der Makroebene .......................... 141<br />

Tabelle 6: Charakteristika generischer Kun<strong>den</strong>rollen im <strong>Innovationsprozess</strong>....... 147<br />

Tabelle 7: Charakteristika der spezifischen Kun<strong>den</strong>rollen der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> .......................................................................... 162<br />

Tabelle 8: Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren der Kun<strong>den</strong>rollen der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>............................................................... 203<br />

Tabelle 9: Thesen zur erfolgreichen frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ............................ 216


Abkürzungsverzeichnis<br />

Abb. Abbildung<br />

AG Aktiengesellschaft<br />

B-2-B Bus<strong>in</strong>ess-to-Bus<strong>in</strong>ess<br />

B-2-C Bus<strong>in</strong>ess-to-Consumer<br />

bzw. beziehungsweise<br />

ca. circa<br />

d. h. das heisst<br />

Ed. Editor<br />

et al. et alii (und andere)<br />

EUR Euro (€)<br />

FFE Fuzzy Front End<br />

F&E Forschung und Entwicklung<br />

Hrsg. Herausgeber<br />

IT Informationstechnologie<br />

Mrd. Milliar<strong>den</strong><br />

n. a. not applicable<br />

OEM Orig<strong>in</strong>al Equipment Manufacturer<br />

R&D Research and Development<br />

Tab. Tabelle<br />

tlw. teilweise<br />

u. a. unter anderem, und andere(s)<br />

usw. und so weiter<br />

vgl. vergleiche<br />

Vol. Volume<br />

XP Extreme Programm<strong>in</strong>g<br />

z. B. zum Beispiel<br />

XVII


RELEVANZ UND PROBLEMSTELLUNG<br />

1 E<strong>in</strong>leitung<br />

1.1 Relevanz und Problemstellung<br />

Innovation wird immer mehr zur Schlüsselkompetenz erfolgreicher Unternehmen.<br />

So ergab e<strong>in</strong>e aktuelle Umfrage unter Führungskräften, dass weltweit 66 % der Befragten<br />

Innovation als e<strong>in</strong>e der drei wichtigsten strategischen Prioritäten ihres Unternehmens<br />

bezeichneten. Im E<strong>in</strong>klang damit gaben 74 % an, für das Jahr 2005 im<br />

Vergleich zu 2004 e<strong>in</strong>e Erhöhung der Innovationsausgaben geplant zu haben. Die<br />

Schwierigkeit, derartige Investitionen auch erfolgreich umzusetzen, zeigt sich dar<strong>in</strong>,<br />

dass für Europa nur knapp die Hälfte der befragten Führungskräfte mit <strong>den</strong> Erträgen,<br />

im S<strong>in</strong>ne besserer Prozesse, neuer oder verbesserter Produkte bzw. Serviceangebote,<br />

der Investitionen <strong>in</strong> Innovation zufrie<strong>den</strong> waren (Boston Consult<strong>in</strong>g Group<br />

2005). E<strong>in</strong>er der Hauptgründe dafür liegt <strong>in</strong> <strong>den</strong> Veränderungen des Wettbewerbsumfeldes,<br />

welches <strong>in</strong> immer kürzeren Abstän<strong>den</strong> nach immer <strong>in</strong>novativeren Produkten<br />

verlangt. Treibende Faktoren dafür s<strong>in</strong>d der beschleunigte technologische Wandel,<br />

die Globalisierung der Märkte, der als Konsequenz daraus erhöhte Wettbewerb,<br />

die Verkürzung der Produktlebenszyklen und die sich permanent verändern<strong>den</strong><br />

Marktanforderungen. Kaum e<strong>in</strong>e Firma kann diesen Anforderungen noch alle<strong>in</strong>e<br />

gerecht wer<strong>den</strong>. Vorreiterunternehmen haben dies erkannt und bereits entsprechend<br />

reagiert. Beispielsweise hat Procter & Gamble die Öffnung se<strong>in</strong>er <strong>Innovationsprozess</strong>e<br />

schon so weit ver<strong>in</strong>nerlicht, dass <strong>in</strong> der Bezeichnung der R&D-Abteilung der<br />

für die Forschung (Research) stehende Buchstabe R durch e<strong>in</strong> C wie im englischen<br />

Wort „Connect“ (verb<strong>in</strong><strong>den</strong>) ersetzt wor<strong>den</strong> ist und die Abteilung nun Connect &<br />

Develop (C&D) heisst (Sakkab 2002). Basierend auf dieser Strategie sollen bis<br />

2010 bereits 50 % der Produktideen von aussen kommen, verglichen mit e<strong>in</strong>em<br />

momentanen Wert von rund 20 %.<br />

Auch IBM, bekannt als Vorreiter für die professionelle und erfolgreiche Vermarktung<br />

von Technologielizenzen, hat vor kurzem begonnen, auf die Notwendigkeit<br />

von Kollaboration zur Erzielung von Innovationen zu reagieren. So wur<strong>den</strong> rund<br />

500 Patente – vor allem Software Codes, welche elektronischen Handel, Datenspeicherung,<br />

Bild- und Datenverarbeitung sowie Internet-Kommunikation betreffen –<br />

freigegeben und stehen nun allen <strong>in</strong>teressierten Unternehmen unentgeltlich zur Verfügung.<br />

IBM, e<strong>in</strong>e Unternehmung, welche im Jahr 2004 mit 3.248 Patenten e<strong>in</strong>mal<br />

mehr die Liste der Firmen mit <strong>den</strong> meisten Patenten <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA anführte und mehr<br />

als 1 Mrd. US-$ durch <strong>den</strong> Verkauf und die Lizenzierung von Ideen verdiente, hat<br />

erkannt, dass es manchmal profitabler se<strong>in</strong> kann, Technologien zu teilen, als sie<br />

durch Schutzrechte abzusichern (Lohr 2005).<br />

1


2 EINLEITUNG<br />

Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Paradigmenwechsels von e<strong>in</strong>er geschlossenen h<strong>in</strong> zur e<strong>in</strong>er offenen<br />

Innovation gilt es also, externe Partner <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> zu <strong>in</strong>tegrieren<br />

(Chesbrough 2003). Dabei wird die Rolle des Kun<strong>den</strong> als Innovationsquelle immer<br />

wichtiger. Dies gilt e<strong>in</strong>erseits für die Market<strong>in</strong>gseite e<strong>in</strong>er Organisation (z. B. Belz<br />

2002a) – neue Forschungen sprechen von „Sense and Response“-Market<strong>in</strong>g, bei<br />

dem Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e wachsende Zahl traditioneller Market<strong>in</strong>gaufgaben übernehmen<br />

(Kotler, Ja<strong>in</strong> et al. 2002) – andererseits vor allem aber für <strong>den</strong> eigentlichen Produktentwicklungsprozess.<br />

Die Entwicklung erfolgreicher <strong>in</strong>novativer Produkte stellt e<strong>in</strong>e<br />

notwendige jedoch zunehmend grösser wer<strong>den</strong>de Herausforderung dar (z. B.<br />

Kim, Mauborgne 1997). Die Wissensbasis, welche h<strong>in</strong>ter <strong>den</strong> meisten Produkten<br />

liegt, wird immer vielfältiger und dynamischer. Dies führt dazu, dass Neuproduktentwicklungsteams<br />

verstärkt nach externen Ressourcen suchen, um die Lernkurven<br />

zu überbrücken, welche mit neuen Technologien und Märkten verbun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d (z. B.<br />

Schill<strong>in</strong>g, Hill 1998). Die Potenziale des Kun<strong>den</strong> als externe Ressource der Entwicklung<br />

<strong>in</strong>novativer Produkte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Theorie und Praxis schon seit langem bekannt<br />

(z. B. Rothwell, Freeman et al. 1974; von Hippel 1988; Leonard-Barton<br />

1995). Zahlreiche empirische Studien haben gezeigt, dass die <strong>aktive</strong> E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> e<strong>in</strong>en positiven E<strong>in</strong>fluss auf <strong>den</strong> Innovationserfolg<br />

nach sich zieht (vgl. Bacon, Beckman 1994; Murphy, Kumar 1996, 1997; Gruner,<br />

Homburg 1999; Kristensson, Magnusson et al. 2002). So wurde beispielsweise<br />

gezeigt, dass Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die Neuproduktentwicklung die Effektivität<br />

(d. h. <strong>den</strong> Produkt-Markt-Fit) verbessert (Brown, Eisenhardt 1995). Aber auch Manager<br />

aus der Praxis betonen <strong>in</strong> Umfragen, dass e<strong>in</strong> auf die Nachfrageseite gerichteter<br />

Fokus für die Entwicklung neuer Produkte elementar ist (z. B. Förderer, Krey<br />

et al. 1998; n. a. 2005). <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> führt zu e<strong>in</strong>em<br />

erfolgreicheren Produktportfolio und liefert damit die Voraussetzung für e<strong>in</strong><br />

profitables Wachstum im Markt. E<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle kommt dabei der Frühphase<br />

des <strong>Innovationsprozess</strong>es zu, da diese nur e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Anteil an <strong>den</strong> Gesamtkosten<br />

der Neuproduktentwicklung verursacht, <strong>in</strong> ihr aber der Grossteil der<br />

Herstellkosten und der späteren Marktakzeptanz des Produktes bestimmt wer<strong>den</strong><br />

(vgl. z. B. Eversheim, Sossenheimer et al. 1989; Droz 1992).<br />

Trotz aller theoretischen Bekenntnisse zur Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

bzw. die Neuproduktentwicklung haben Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Branchen<br />

bisher nur e<strong>in</strong>e beschränkte, vor allem passive, Rolle bei der Entwicklung neuer<br />

Produkte gespielt (Wayland, Cole 1997). Es können viele Gründe für die schlechte<br />

Nutzung dieser wertvollen Ressource angeführt wer<strong>den</strong>, wobei e<strong>in</strong>e der stärksten<br />

E<strong>in</strong>schränkungen möglicherweise <strong>in</strong> der schlechten Ausgestaltung (sowohl betreffend<br />

der Organisation der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung als auch der Auswahl der Kun<strong>den</strong>) der jewei-


RELEVANZ UND PROBLEMSTELLUNG<br />

ligen Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungssituation liegt. Neue Ansätze, sowie der Fokus auf die<br />

Verb<strong>in</strong>dung zwischen konkretem Ziel des Herstellers und entsprechender Rolle des<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> dieser Arbeit, können dazu beitragen, dass die gesamte geme<strong>in</strong>schaftliche<br />

Situation der Innovationsentstehung optimiert und damit die Ergebnisse verbessert<br />

wer<strong>den</strong>. Zu diesen Aspekten möchte diese Arbeit, basierend auf der Analyse<br />

von Fallstudien und theoretischen Überlegungen, e<strong>in</strong>en Beitrag leisten.<br />

1.2 Zielsetzung<br />

1.2.1 Fokussierung<br />

Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die herausfordernde Aufgabe der Planung,<br />

des Aufbaus und der Durchführung der <strong>in</strong>ter<strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> die frühe<br />

Innovationsphase (im Folgen<strong>den</strong> frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> genannt).<br />

Ziel der Arbeit ist die Beschreibung möglicher Ausprägungen der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

<strong>in</strong> die frühen Phasen des <strong>Innovationsprozess</strong>es und darauf aufbauend die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es konzeptionellen Managementkonzeptes. Damit wird e<strong>in</strong>e doppelte<br />

Zielsetzung verfolgt. Zunächst sollen die verantwortlichen Manager des Herstellers<br />

<strong>in</strong> die Lage versetzt wer<strong>den</strong>, schnellere und fundiertere Entscheidungen über die<br />

Gestaltung und Durchführung e<strong>in</strong>er frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> treffen zu können.<br />

Die derartig gestalteten Prozesse sollen schliesslich e<strong>in</strong>en Beitrag zur Erhöhung der<br />

Erfolgsraten des <strong>Innovationsprozess</strong>es des Herstellers leisten.<br />

Basierend auf der empirischen Untersuchung wer<strong>den</strong> zunächst die verschie<strong>den</strong>en<br />

Ausprägungen früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ermittelt und beschrieben. Darauf aufbauend<br />

wer<strong>den</strong> für das strategische Management der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung relevante Gestaltungsfelder<br />

i<strong>den</strong>tifiziert und im Rahmen des Integrationsprozesses zu e<strong>in</strong>em Managementmodell<br />

entwickelt. Der Fokus liegt dabei auf dem direkten Zusammenhang<br />

zwischen der F&E und <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> bzw. Kontakten, welche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em direkten E<strong>in</strong>fluss<br />

auf <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> resultieren. Metho<strong>den</strong> und Prozeduren, welche als<br />

Teil des klassischen Market<strong>in</strong>gprozesses im Verlauf der Frühphase Anwendung<br />

f<strong>in</strong><strong>den</strong>, wer<strong>den</strong> dabei dezidiert ausgeschlossen.<br />

3


4 EINLEITUNG<br />

Abgrenzung der Arbeit<br />

Zur Abgrenzung der Untersuchung e<strong>in</strong>erseits und zur Sicherstellung der Durchführbarkeit<br />

andererseits wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht Beschränkungen vorgenommen.<br />

Zunächst erfolgt e<strong>in</strong>e Fokussierung auf <strong>den</strong> Beg<strong>in</strong>n des <strong>Innovationsprozess</strong>es. Diese<br />

im angloamerikanischen Raum oft als Fuzzy Front End bezeichnete Phase unterscheidet<br />

sich <strong>in</strong> wesentlichen Punkten von <strong>den</strong> späteren Phasen und trägt entschei<strong>den</strong>d<br />

zum Innovationserfolg bei. Innerhalb dieses frühen Prozesssegments wird ausschliesslich<br />

das Feld der Produkt<strong>in</strong>novation betrachtet. Das gewählte Analyseobjekt<br />

ist dabei der Integrationsprozess (bzw. das geme<strong>in</strong>sam durchgeführte Projekt) und<br />

das Analysesubjekt der Hersteller. Dies bedeutet, dass für alle Evaluierungen und<br />

Empfehlungen immer die Sicht des herstellen<strong>den</strong> Unternehmens e<strong>in</strong>genommen<br />

wird, welches Produkte an e<strong>in</strong> anderes Unternehmen – <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> – liefert und<br />

diesen als externen Partner <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en <strong>Innovationsprozess</strong> <strong>in</strong>tegriert. Es wer<strong>den</strong> nur<br />

Innovationen mit mittleren bis hohen Innovationshöhen betrachtet. Dadurch wer<strong>den</strong><br />

Produktverbesserungen und -modifikationen dezidiert ausgeschlossen, welche zu<br />

<strong>in</strong>krementellen Innovationsschritten führen und typischerweise im Rahmen des regulären<br />

Produktmanagements der F&E-Abteilungen durchgeführt wer<strong>den</strong>. Ausserdem<br />

beschränkt sich die Arbeit auf Investitionsgüter und damit auf B-2-B-Märkte,<br />

welche sich h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Charakteristika im Allgeme<strong>in</strong>en und bezüglich der<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Kun<strong>den</strong> im Speziellen grundsätzlich von B-2-C-Märkten unterschei<strong>den</strong>.<br />

Konkret wer<strong>den</strong> nur die Branchen Masch<strong>in</strong>enbau und Chemie betrachtet,<br />

welche ähnliche F&E- und <strong>Innovationsprozess</strong>e aufweisen. E<strong>in</strong>e spezielle Berücksichtigung<br />

von Branchenunterschie<strong>den</strong>, wie dies beispielsweise bei <strong>den</strong> bezüglich<br />

Phasen, Dauer und Produktcharakteristika wesentlich unterschiedlichen Prozessen<br />

<strong>in</strong> der Pharma- oder Elektronikbranche notwendig gewesen wäre, erfolgt daher<br />

nicht.<br />

E<strong>in</strong>e Zusammenfassung der Abgrenzung dieser Arbeit zeigt Abbildung 1.


ZIELSETZUNG<br />

Merkmale Varianten<br />

Phase des<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

Untersuchungsobjekt<br />

Untersuchungsebene<br />

Untersuchungssubjekt<br />

Externer Partner Zulieferer<br />

Innovationshöhe<br />

Neuheitsgrad<br />

Markt<br />

Begriffliche Grundlagen<br />

Innovationsfrühphase Entwicklung Kommerzialisierung<br />

Produkt<strong>in</strong>novation Prozess<strong>in</strong>novation<br />

Sozial<strong>in</strong>novation<br />

Produkt Prozess/Projekt Unternehmen Branche/Markt<br />

Nation<br />

Hersteller Dritter<br />

Nutzer<br />

Niedrig<br />

(Inkrementelle Innovationen)<br />

Komplementäranbieter<br />

Investitionsgüter<br />

B-2-B<br />

Forschungse<strong>in</strong>richtungen<br />

Mittel<br />

Abbildung 1: Abgrenzung der Arbeit<br />

Wettbewerber<br />

Kun<strong>den</strong><br />

Hoch<br />

(Radikale Innovationen)<br />

Konsumgüter<br />

B-2-C<br />

Es existiert ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> gültige Def<strong>in</strong>ition des Begriffes Innovation. Für diese<br />

Arbeit passend ist zunächst die Aussage von Barker (2002), welcher Innovation als<br />

die Schaffung neuer Quellen von Kun<strong>den</strong>zufrie<strong>den</strong>heit def<strong>in</strong>iert. Konkreter betrachtet,<br />

stellen Innovationen qualitative Neuerungen dar, welche von e<strong>in</strong>em Unternehmen<br />

entwickelt und e<strong>in</strong>geführt wer<strong>den</strong>, um e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen.<br />

E<strong>in</strong>e grundlegende Unterscheidung kann zunächst nach dem Innovationsobjekt getroffen<br />

wer<strong>den</strong>. Neben technischen Produkt<strong>in</strong>novationen (von e<strong>in</strong>em Unternehmen<br />

unter Nutzung neuartiger naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse e<strong>in</strong>geführte<br />

Neuerungen) wer<strong>den</strong> noch Prozess<strong>in</strong>novationen (neu im Unternehmen genutzte<br />

Leistungserstellungsverfahren) und als e<strong>in</strong>e spezielle Untergruppe Sozial<strong>in</strong>novationen<br />

(z. B. Organisationsentwicklung) unterschie<strong>den</strong>. Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> dem<br />

Fokus dieser Untersuchung entsprechend ausschliesslich Produkt<strong>in</strong>novationen betrachtet.<br />

In der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit wird der Begriff Kunde nicht nur für die bestehen<strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong> des Produktes e<strong>in</strong>er Firma, sondern auch für zukünftige (potenzielle) Kun-<br />

5


6 EINLEITUNG<br />

<strong>den</strong>, d. h. Kun<strong>den</strong> des Wettbewerbes, noch nicht angesprochene Kun<strong>den</strong> und verlorene<br />

Kun<strong>den</strong> verwendet (vgl. z. B. Dahan, Hauser 2001; Nambisan 2002).<br />

Innovationen können weiters nach dem Innovationsgrad (oder der Innovationshöhe)<br />

differenziert wer<strong>den</strong>. Dabei wer<strong>den</strong> zunächst die bei<strong>den</strong> Eckpunkte der radikalen<br />

Innovation und der <strong>in</strong>krementellen Innovation unterschie<strong>den</strong>. Radikale Innovationen<br />

zeichnen sich durch e<strong>in</strong>en hohen Innovationsgrad qualitativer (E<strong>in</strong>fluss neuer<br />

naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse) oder quantitativer (Anzahl der neu<br />

gestalteten Produktbauste<strong>in</strong>e) Natur aus. Im Gegensatz dazu stehen <strong>in</strong>krementelle<br />

Produkt<strong>in</strong>novationen. Sie verkörpern e<strong>in</strong>en niedrigen Innovationsgrad, welcher immer<br />

dann ausreicht, wenn schon die Modifikation e<strong>in</strong>es Produktes genügt, um<br />

Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Mittlere Innovationshöhen gehen über diese rout<strong>in</strong>emässigen<br />

Produktverbesserungen h<strong>in</strong>aus und stellen zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>geschränkten<br />

Markt- oder Kun<strong>den</strong>segment e<strong>in</strong>e wirkliche Neuerung dar. Für die Beurteilung<br />

des Innovationsgrades e<strong>in</strong>er Produkt<strong>in</strong>novation gibt es ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong> akzeptierten<br />

Messkriterien, da er von der jeweiligen Betrachtungsperspektive abhängt.<br />

Diese kann beispielsweise an der Sicht des Unternehmens, des Kun<strong>den</strong> oder des<br />

Wettbewerbs orientiert se<strong>in</strong>.<br />

Investitionsgüter reichen von Grundstoffen über Spezialmasch<strong>in</strong>en h<strong>in</strong> zu hoch<br />

komplexen masch<strong>in</strong>ellen Anlagen und können folgendermassen charakterisiert<br />

wer<strong>den</strong> (Backhaus 2003): Als Kun<strong>den</strong> treten überwiegend <strong>in</strong>dustrielle Abnehmer<br />

auf, es kommt häufig zu Systemlösungen, aus e<strong>in</strong>em Paket von Produkt und Serviceleistungen,<br />

der Direktvertrieb steht als Absatzweg im Vordergrund und <strong>in</strong>dividuelle,<br />

persönliche Kommunikation mit dem Kun<strong>den</strong> hat e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus kommt es oft zu Individuallösungen bzw. zu e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit<br />

mit dem Kun<strong>den</strong> im Rahmen der Produktentwicklung.


ZIELSETZUNG<br />

1.2.2 Forschungsfragen<br />

Die Forschung wird anhand e<strong>in</strong>er Leitfrage sowie zweier Unterfragen ausgerichtet,<br />

welche die Ausprägungen sowie die Organisation und Führung früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

betreffen:<br />

Leitfrage:<br />

Wie kann die frühe <strong>aktive</strong> <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> effektiv<br />

und effizient geführt wer<strong>den</strong>?<br />

Unterfragen:<br />

Welche Ziele verfolgt der Hersteller mit der frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

und welche Kun<strong>den</strong>rollen folgen daraus?<br />

Welche Determ<strong>in</strong>anten und Gestaltungsfaktoren s<strong>in</strong>d für die Organisation<br />

und das Management der frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> relevant?<br />

7


8 EINLEITUNG<br />

1.3 Forschungskonzeption<br />

1.3.1 Forschungsansatz<br />

Am Ausgangspunkt dieser Arbeit steht e<strong>in</strong> Problem praktisch handelnder Menschen<br />

bzw. Unternehmen und nicht e<strong>in</strong> erklärungsbedürftiges Phänomen, wie es typischerweise<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Grundlagenwissenschaften anzutreffen wäre. Es wird also e<strong>in</strong><br />

Verständnis der Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Wissenschaft<br />

zugrunde gelegt (Ulrich 1981). Entsprechend dieser Dualität ist das Ziel dieser Arbeit<br />

nicht der Aufbau allgeme<strong>in</strong>er Theorien zur Erklärung der Realität, sondern die<br />

Gestaltung von Regeln und Modellen zur Schaffung neuer Realitäten (Ulrich 1981).<br />

Von <strong>den</strong> drei wesentlichen Grundlagen jeder empirischen Untersuchung, dem forschungslogischen<br />

Ablauf von Entdeckungs-, Begründungs- und Verwertungszusammenhang<br />

konzentriert sich diese Arbeit auf <strong>den</strong> ersten und <strong>den</strong> letzten Schritt.<br />

Der Entdeckungszusammenhang ist <strong>in</strong> der angewandten Wissenschaft gerade durch<br />

das aus der Praxis entstan<strong>den</strong>e Problem gegeben, während sich der Verwertungszusammenhang<br />

aus dem Beitrag zur Lösung jenes Problems über <strong>den</strong> Zwischenschritt<br />

des Gestaltungsmodells ergibt (Friedrichs 1990; Kromrey 1995). In diesem S<strong>in</strong>ne<br />

wird die empirische Untersuchung zur Erfassung typischer Phänomene und Probleme<br />

der Praxis und nicht zur Prüfung von Hypothesen durchgeführt.<br />

Dieser explorative Forschungsansatz ist e<strong>in</strong> wesentlicher Bestandteil des iterativen<br />

Lernprozesses der dieser Arbeit zugrunde liegt. Dieser kann, basierend auf Arbeiten<br />

von Kubicek (1977), Tomczak (1992) und Gassmann (1997), wie <strong>in</strong> Abbildung 2<br />

dargestellt visualisiert wer<strong>den</strong>. Ausgehend von e<strong>in</strong>em ersten theoretischen Verständnis<br />

wer<strong>den</strong> Fragen an die Realität gestellt, welche geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> Phänomenen<br />

und Problemen der Praxis die Basis der empirischen Datensammlung bil<strong>den</strong>.<br />

Aufbauend auf <strong>den</strong> empirischen Erkenntnissen kommt es zu e<strong>in</strong>er kritischen Reflexion<br />

des gewonnenen Realitätsbildes und schliesslich wieder auf der Theorieseite<br />

zu e<strong>in</strong>er Differenzierung, Abstraktion und eventuell e<strong>in</strong>em Perspektivenwechsel.<br />

All dies bee<strong>in</strong>flusst zusammen mit der Literaturanalyse das theoretische Verständnis<br />

und wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em iterativen S<strong>in</strong>ne mehrmals durchlaufen.


FORSCHUNGSKONZEPTION<br />

Literaturanalyse<br />

Literaturanalyse<br />

Eigene<br />

Eigene<br />

Konstrukte<br />

Konstrukte<br />

Differenzierung,<br />

Differenzierung,<br />

Abstraktion,<br />

Abstraktion,<br />

Perspektivenwechsel<br />

Perspektivenwechsel<br />

Theoretisches<br />

Theoretisches<br />

(Vor-) (Vor-) Verständnis<br />

Verständnis<br />

Forschung als<br />

iterativer<br />

Lernprozess<br />

Kritische Kritische Reflexion<br />

Reflexion<br />

des des gewonnenen<br />

gewonnenen<br />

Realitätsbildes<br />

Realitätsbildes<br />

Datensammlung<br />

Datensammlung<br />

Fragen Fragen an an die<br />

die<br />

Realität<br />

Realität<br />

Theorie Empirie<br />

Probleme<br />

Probleme<br />

der der Praxis<br />

Praxis<br />

Phänomene<br />

Phänomene<br />

der der Praxis<br />

Praxis<br />

Quelle: In Anlehnung an Kubicek (1977), Tomczak (1992), Gassmann (1997)<br />

Abbildung 2: Explorative Forschung als iterativer Lernprozess<br />

Das leitende Motiv dieser Arbeit ist die Generierung und Vermittlung von praxisorientiertem<br />

Wissen. Der oben beschriebene Prozess wird daher zur Ermittlung e<strong>in</strong>er<br />

Orientierungshilfe für die Erstellung und Implementierung von Managementkonzepten<br />

für die frühzeitige <strong>aktive</strong> E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

angewandt.<br />

1.3.2 Forschungsmethodik<br />

Die auf dem Weg zu dem aufzustellen<strong>den</strong> Modell und <strong>den</strong> Gestaltungsempfehlungen<br />

zu untersuchen<strong>den</strong> Fragestellungen s<strong>in</strong>d komplex und nicht ad hoc zu beantworten.<br />

Passend zur Charakteristik e<strong>in</strong>es gerade wachsen<strong>den</strong> Phänomens, bietet sich<br />

zur Untersuchung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> mit spezifischen <strong>aktive</strong>n Kun<strong>den</strong>rollen<br />

e<strong>in</strong> mehrstufiges Forschungsdesign an. Nach e<strong>in</strong>er qualitativen Phase der Beschreibung<br />

des Phänomens und der Aufstellung erster Gestaltungsregeln können<br />

Hypothesen aufgestellt und quantitativ überprüft wer<strong>den</strong>. Die vorliegende Arbeit<br />

bildet dabei <strong>den</strong> ersten, qualitativen Teil dieses Weges.<br />

Aktive Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> der Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es wird von<br />

ke<strong>in</strong>er der existieren<strong>den</strong> Theorien ausreichend genug beschrieben, um daraus quantitativ<br />

überprüfbare Hypothesen ableiten zu können. Daher wurde für diese Arbeit<br />

e<strong>in</strong> qualitativer Ansatz mittels Fallstudienforschung gewählt. Zuerst soll mittels detaillierter<br />

Fallstudien der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> reichhaltiges beschreibendes<br />

9


10 EINLEITUNG<br />

Datenmaterial über die Gestaltung und Entwicklung früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesse,<br />

über die organisationalen Strategien und e<strong>in</strong>gesetzten Unterstützungsmechanismen<br />

sowie die Auswirkungen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> auf die Natur und<br />

das Ausmass der Kun<strong>den</strong>wertschöpfung gesammelt wer<strong>den</strong>. Diese Fallstudiendaten<br />

ermöglichen die I<strong>den</strong>tifikation der spezifischen Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

aus <strong>den</strong>en Gestaltungselemente für das zu erstellende Modell abgeleitet<br />

wer<strong>den</strong> können (z. B. Elemente, welche die zeitliche Strukturierung unterstützen).<br />

Solche Informationen s<strong>in</strong>d auch für e<strong>in</strong>e zukünftige quantitative Validierung des<br />

Modells entschei<strong>den</strong>d. Darüber h<strong>in</strong>aus können die Fallstudiendaten auch für die<br />

Auslegung passender Massnahmen der Kun<strong>den</strong>wertschöpfung spezifisch zu <strong>den</strong><br />

verschie<strong>den</strong>en, noch zu i<strong>den</strong>tifizieren<strong>den</strong>, Rollen hilfreich se<strong>in</strong>.<br />

Durch dieses Vorgehen ist es möglich, die Fragen nach <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Ausprägungen<br />

der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung (welche?) und <strong>den</strong> Mechanismen des Managements (wie?)<br />

zu beantworten. Wie es für Fallstudienforschung typisch ist, f<strong>in</strong><strong>den</strong> die zu untersuchen<strong>den</strong><br />

Ereignisse gegenwärtig statt und können vom Forscher nicht kontrolliert<br />

wer<strong>den</strong> (Y<strong>in</strong> 1994). Die Ausarbeitung von Fallstudien erlaubt e<strong>in</strong>e ganzheitliche<br />

Perspektive des untersuchten Phänomens durch die Möglichkeit e<strong>in</strong>er tief gehen<strong>den</strong><br />

Exploration verbun<strong>den</strong>er Aspekte, welche bei anderen Metho<strong>den</strong> unentdeckt blieben.<br />

Die empirische Grundlage dieser Arbeit bil<strong>den</strong> vier tief gehende Fallstudien mit<br />

dem Prozess der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> des Herstellers als<br />

Analysee<strong>in</strong>heit. Zusätzlich wer<strong>den</strong> im Verlauf der gesamten Studie Kurzfälle e<strong>in</strong>gesetzt,<br />

um das Verständnis des Themas im jeweiligen Kontext zu vertiefen. Diese<br />

stossen bei Praktikern auf positive Resonanz, da sie <strong>in</strong> engem Bezug zu <strong>den</strong> Aktivitäten<br />

der Praxis stehen, reichhaltigen Inhalt haben und leichter memoriert wer<strong>den</strong><br />

können (Tsoukas 1994).<br />

Um die Konstrukt-Validität der empirischen Studie sicherzustellen, wur<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>e<br />

Informationsquellen herangezogen, e<strong>in</strong>e Beweiskette zur Nachvollziehbarkeit<br />

der gezogenen Schlüsse geliefert und die Berichtsentwürfe (Protokolle der<br />

Interviews) durch Schlüssel<strong>in</strong>formanten oder <strong>in</strong> Folge<strong>in</strong>terviews überprüft (Y<strong>in</strong><br />

1994). Die Verwendung verschie<strong>den</strong>er Techniken und Quellen zur Informationsbeschaffung<br />

(Metho<strong>den</strong>triangulation) erfolgte <strong>in</strong> diesem Fall durch umfassende Datenbankrecherchen<br />

sowie e<strong>in</strong>e Analyse von Presseartikeln und Unternehmensveröffentlichungen<br />

als Ergänzung zu <strong>den</strong> Interviewdaten. Soweit zugänglich wur<strong>den</strong><br />

auch unternehmens<strong>in</strong>terne Unterlagen wie Projektmanuals oder Präsentationen analysiert.<br />

Schliesslich dienten auch die direkten Beobachtungen <strong>in</strong> Projektbespre-


FORSCHUNGSKONZEPTION<br />

chungen und bei Rundgängen <strong>in</strong> F&E-Labors als Informationsquelle (Lamnek<br />

1993).<br />

Die Sammlung der empirischen Daten erfolgte durch mündliche Interviews. Die<br />

aufgrund der Neuartigkeit des Phänomens vorhan<strong>den</strong>en Begriffsunsicherheiten hätten<br />

bei e<strong>in</strong>er schriftlichen Befragung zu Problemen e<strong>in</strong>er adäquaten Operationalisierung<br />

und damit zu Schwierigkeiten bei der Vergleichbarkeit der Ergebnisse geführt.<br />

Es wur<strong>den</strong> 78 Interviews <strong>in</strong> 32 Unternehmen <strong>in</strong> Europa, Asien, Afrika und <strong>den</strong><br />

USA durchgeführt. Zusätzlich kam es im Rahmen e<strong>in</strong>es Arbeitskreises mit 11 technologie<strong>in</strong>tensiven<br />

Unternehmen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland, zu<br />

wertvollen E<strong>in</strong>blicken <strong>in</strong> die Praxis der Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es. Darauf<br />

aufbauend wur<strong>den</strong> geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> beteiligten Unternehmen bereits erste Lösungsansätze<br />

für konkrete Teilprobleme des untersuchten Phänomens erarbeitet.<br />

Die Ergebnisse der Interviews und des Arbeitskreises dienten e<strong>in</strong>em tiefer gehen<strong>den</strong><br />

Verständnis des Problems der Praxis und <strong>in</strong> weiterer Folge der Erstellung der ersten<br />

Fassung e<strong>in</strong>es qualifizierten Interviewleitfa<strong>den</strong>s. Dieser Leitfa<strong>den</strong> wurde <strong>in</strong> mehreren<br />

Durchgängen mit Praktikern und Innovationsexperten diskutiert und überarbeitet,<br />

um se<strong>in</strong>e praktische Relevanz und klare Verständlichkeit sicherzustellen. Bei<br />

<strong>den</strong> Interviews zur Erstellung der detaillierten Fallstudien wurde dieser Leitfa<strong>den</strong><br />

zur Strukturierung und Ergebnisdarstellung verwendet. E<strong>in</strong> derartiges Vorgehen<br />

fördert die Organisation des H<strong>in</strong>tergrundwissens des Forschers und stellt e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />

Herangehensweise an alle Befragungen sicher (vgl. Lamnek 1993).<br />

1.4 Aufbau der Arbeit<br />

Das erste Kapitel behandelt die Relevanz des Themas und die Problemstellung.<br />

Darauf aufbauend folgen die Zielsetzung der Arbeit und die Forschungsfragen. Das<br />

Vorgehen zur Beantwortung dieser Fragen wird schliesslich <strong>in</strong> der Forschungskonzeption<br />

erläutert.<br />

Das zweite Kapitel beg<strong>in</strong>nt mit der Beschreibung ausgewählter Perspektiven der<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sforschung. Dabei wird zunächst e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Überblick derjenigen<br />

Merkmale erstellt, welche <strong>in</strong> der Literatur unter verschie<strong>den</strong>sten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

als wesentliche strategische Grundlagen e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Kun<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> beschrieben wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. Diese Aufzählung wird <strong>in</strong><br />

die drei Bereiche Herstellerseite, Integrationsprozess und Kun<strong>den</strong>seite gegliedert.<br />

Zur E<strong>in</strong>ordnung der Arbeit wird anschliessend e<strong>in</strong> Überblick über verschie<strong>den</strong>e generelle<br />

Ansätze der E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> gegeben.<br />

Dabei wer<strong>den</strong> neben der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, welche im Fokus der Arbeit<br />

11


12 EINLEITUNG<br />

steht, Marktforschung noch vor Beg<strong>in</strong>n des eigentlichen <strong>Innovationsprozess</strong>es,<br />

kun<strong>den</strong>spezifische Konfiguration an se<strong>in</strong>em Ende sowie Kun<strong>den</strong>orientierung als<br />

allgeme<strong>in</strong>e Grundhaltung unterschie<strong>den</strong>. Aufbauend auf diese Abgrenzung und <strong>den</strong><br />

Literaturüberblick ergeben sich die Defizite der bisherigen Forschung.<br />

Im dritten Kapitel folgt nach e<strong>in</strong>er Vorstellung der Geme<strong>in</strong>samkeiten und Auswahlkriterien<br />

e<strong>in</strong>e vertiefende Darstellung von vier Fallstudien der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

Untersucht wur<strong>den</strong> Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond<br />

Systems und Zumtobel Staff. Anhand von E<strong>in</strong>zelfallanalysen sowie e<strong>in</strong>em Fallstudienvergleich<br />

– basierend auf e<strong>in</strong>em aus der Literaturübersicht <strong>in</strong> Kapitel zwei gewonnenen<br />

Analyseraster – wer<strong>den</strong> diejenigen strategischen Grundlagen i<strong>den</strong>tifiziert,<br />

welche hohe Relevanz für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> aufweisen. Aus diesen<br />

spezifischen Merkmalen können anschliessend die bei<strong>den</strong> Gestaltungsfelder Integrationsstruktur<br />

und Interaktionsprozess entwickelt wer<strong>den</strong>.<br />

Das vierte Kapitel leitet aus <strong>den</strong> Zielen, welche von Herstellern mit der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> verfolgt wer<strong>den</strong>, spezifische Kun<strong>den</strong>rollen ab. Es s<strong>in</strong>d dies der<br />

Sensor, der Spezialist, der Spezifikator und der Selektor. Diese Rollen erweitern<br />

<strong>den</strong> Lead-User-Ansatz, der ebenfalls e<strong>in</strong>e Form früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> darstellt.<br />

Organisation und Ablauf der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> wer<strong>den</strong> im fünften Kapitel<br />

behandelt. Zunächst erfolgt anhand von konzeptionell-theoretischen Überlegungen<br />

e<strong>in</strong>e I<strong>den</strong>tifizierung der Gestaltungsfaktoren für die bei<strong>den</strong> im dritten Kapitel hergeleiteten<br />

Gestaltungsfelder. Nach e<strong>in</strong>er Betrachtung des Prozesses der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

wird e<strong>in</strong> konzeptionelles Managementmodell der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

entworfen. Dieses Modell dient als Grundlage der Gestaltungsempfehlungen,<br />

welche dem Prozessmodell folgend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Initiierungsphase, Vorbereitungsphase<br />

und Realisierungsphase e<strong>in</strong>geteilt wer<strong>den</strong>.<br />

Das sechste Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt e<strong>in</strong>en Ausblick<br />

auf aktuelle Trends und offene Fragestellungen für zukünftige Forschungsvorhaben.<br />

Die Gesamtstruktur der Arbeit ist <strong>in</strong> Abbildung 3 dargestellt.


AUFBAU DER ARBEIT<br />

1. E<strong>in</strong>leitung<br />

2. Stand der Forschung<br />

3. Fallstudien der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

1.1 Relevanz und Problemstellung<br />

1.2 Zielsetzung 1.3 Forschungskonzeption<br />

1.4 Aufbau der Arbeit<br />

2.1 Ausgewählte Perspektiven<br />

der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sforschung<br />

2.2 Ansätze der E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

3.1 Geme<strong>in</strong>samkeiten und Auswahlkriterien<br />

3.2 Bayer MaterialScience 3.3 EADS Astrium 3.4 Hilti Diamond Systems<br />

3.5 Zumtobel Staff<br />

4. Konzeptualisierung der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

5. Spezifische Kun<strong>den</strong>rollen<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

6. Ablauf und Organisation<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

7. Fazit<br />

4.1 Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

5.1 Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

5.2 Integrationsstrategien des Herstellers<br />

5.3 Ausprägungen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

6.1 Prozess der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

6.2 Konzeptionelles Managementmodell<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen<br />

7.1 Kernaussagen<br />

7.2 Ausblick<br />

Abbildung 3: Aufbau der Arbeit<br />

13


14 STAND DER FORSCHUNG<br />

2 Stand der Forschung<br />

2.1 Ausgewählte Perspektiven der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sforschung<br />

Das Themengebiet der durch bzw. mit Kun<strong>den</strong> erzielten Innovation ist weit und<br />

wurde <strong>in</strong> der Literatur bereits aus verschie<strong>den</strong>en Blickw<strong>in</strong>keln betrachtet. Für das<br />

Feld der Produktentwicklung markieren Eric von Hippels grundlegende Publikationen<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> späten 1970er-Jahren <strong>den</strong> Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen Forschungsstranges (von<br />

Hippel 1976, 1977, 1978). Er plädierte als Erster explizit für die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von<br />

Benutzern <strong>in</strong> <strong>den</strong> Ideenentstehungsprozess. Das von ihm aufgestellte „Customer<br />

Active Paradigm“ (von Hippel 1978) stand am Anfang e<strong>in</strong>es rasch wachsen<strong>den</strong> Forschungsfeldes,<br />

welches sich mit der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Kun<strong>den</strong> nicht nur bei der Ideenentstehung,<br />

sondern <strong>in</strong> sämtliche Phasen der Produktentwicklung befasst (z. B.<br />

Shaw 1985; Håkansson 1987; Biemans 1991; Lengnick-Hall 1996; Brockhoff 1998;<br />

Gruner, Homburg 2000; Homburg 2000; Lüthje 2000; Brockhoff 2003). E<strong>in</strong>e Analyse<br />

bestehender Forschungsarbeiten zeigt <strong>den</strong> positiven E<strong>in</strong>fluss, welchen die Benutzere<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

auf <strong>den</strong> Entwicklungsprozess und darauf aufbauend auf <strong>den</strong> Produkterfolg<br />

hat. So analysierte beispielsweise Shaw (1985) 34 Innovationen <strong>in</strong> der<br />

Mediz<strong>in</strong>technik und kam zu dem Ergebnis, dass erfolgreiche Innovationen mit kont<strong>in</strong>uierlicher<br />

Interaktion mit Kun<strong>den</strong> über <strong>den</strong> gesamten Entwicklungsprozess verbun<strong>den</strong><br />

s<strong>in</strong>d. Vergleichbare Resultate lieferte e<strong>in</strong>e von Maidique und Zirger (1985)<br />

durchgeführte Analyse von 40 Produkten, welche zeigte, dass Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

e<strong>in</strong>e notwendige Voraussetzung für <strong>den</strong> Produkterfolg darstellte. E<strong>in</strong>e Untersuchung<br />

von Gemün<strong>den</strong>, Heydebreck et al. (1992), über Neuproduktentwicklung <strong>in</strong><br />

Netzwerken, fand, dass be<strong>in</strong>ahe die Hälfte der untersuchten Firmen <strong>den</strong> Aufbau von<br />

Beziehungen mit Kun<strong>den</strong> als Voraussetzung für <strong>den</strong> Innovationserfolg betrachtete.<br />

Auch Arbeiten von Håkansson (1987), Ciccantelli und Magidson (1993), Reichart<br />

(2002), Ford, Gadde et al. (2003), Callahan und Lasry (2004) und Lettl (2004) haben<br />

deutliche H<strong>in</strong>weise geliefert, dass erfolgreiche Produktentwicklung signifikant<br />

mit Beziehungen zu Kun<strong>den</strong> korreliert.<br />

Neue Studien zeigen zwei wichtige Entwicklungen: E<strong>in</strong>erseits wird kritisch h<strong>in</strong>terfragt,<br />

ob der Kunde immer genau die Anforderungen an das neu zu entwickelnde<br />

Produkt kennt und es daher stets von Vorteil ist, ihn so früh und so <strong>in</strong>tensiv wie<br />

möglich zu <strong>in</strong>volvieren. (z. B. Leonard, Rayport 1997; Campbell, Cooper 1999;<br />

Kohn, Niethammer 2002; Ulwick 2002). Als zweiter Trend wer<strong>den</strong> seit e<strong>in</strong> paar<br />

Jahren die neuen technologischen Möglichkeiten auch für die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

genutzt und neue Instrumente zur virtuellen Integration entwickelt (vgl. Paustian<br />

2001; Dahan, Hauser 2002; Nambisan 2002; von Hippel, Katz 2002).


AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG<br />

Die im Fokus der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit stehen<strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong>e mit mittlerer<br />

bis hoher Innovationshöhe (radikale Innovationsprojekte) stellen gerade im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die E<strong>in</strong>beziehung von Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Spezialfall dar. Während für Projekte<br />

mit <strong>in</strong>krementellen Entwicklungssprüngen alle notwendigen Schritte gut dokumentiert<br />

s<strong>in</strong>d, können im Falle e<strong>in</strong>es komplett neuen Produktes bzw. e<strong>in</strong>er neuen Technologie<br />

Probleme mit dem möglicherweise beschränkten Nutzen der Kun<strong>den</strong>beiträge<br />

auftreten. O’Connor (1998) schlägt als Lösung dieses Problems vor, divergentes<br />

Denken zu betonen, Verständnis der Benutzungssituation (sowohl der gegenwärtigen<br />

als auch der zukünftigen) aufzubauen und <strong>den</strong> Zeitpunkt der ersten Interaktion<br />

des Kun<strong>den</strong> mit dem Produkt vorzuverlegen. Ausserdem empfiehlt sie, e<strong>in</strong>en Katalysator<br />

zur Verb<strong>in</strong>dung von Technologien und Märkten zu <strong>in</strong>stallieren.<br />

Gliederung der Literaturauswahl<br />

Im Verlauf der letzten 25 Jahre wurde e<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende Zahl an Forschungsarbeiten<br />

auf dem Gebiet der Benutzere<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung publiziert. Das Ziel dieses Literaturüberblickes<br />

ist es, mit Fokus auf die strategischen Grundlagen erfolgreicher Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung,<br />

die wichtigsten Beiträge zu analysieren. Damit wer<strong>den</strong> der Forschungsfortschritt<br />

auf diesem Gebiet dokumentiert, bestehende Lücken aufgezeigt<br />

und die Grundlage der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit geliefert. Zahlreiche Studien haben strategische<br />

Grundlagen i<strong>den</strong>tifiziert und deren Bedeutung als notwendige Voraussetzung<br />

e<strong>in</strong>er erfolgreichen Benutzere<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Neuproduktentwicklungsprozess<br />

beschrieben. Die Wichtigkeit dieser strategischen Grundlagen zeigt sich alle<strong>in</strong>e<br />

schon <strong>in</strong> der Anzahl der Studien, welche dieses Phänomen untersucht haben (z. B.<br />

Håkansson 1987; Bruce, Leverick et al. 1995; Millson, Raj 1996; Mohr, Spekman<br />

1996; Li, Calantone 1998; Gruner, Homburg 2000; Hutt, Stafford 2000).<br />

Der Grossteil der untersuchten Literatur über strategische Grundlagen erfolgreicher<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung kann dabei e<strong>in</strong>igen zentralen Themenfeldern zugeordnet wer<strong>den</strong>.<br />

Auf dem Gebiet des F&E-Managements s<strong>in</strong>d dies radikale Innovationen, der<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>, die Produktentwicklung sowie das Fuzzy Front End. Auf der<br />

Seite des Market<strong>in</strong>gs entstammen sie <strong>den</strong> Literaturströmen zur Marktorientierung,<br />

Kun<strong>den</strong>orientierung und dem Investitionsgütermarket<strong>in</strong>g. Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit<br />

und als Basis der weiteren Analyse wird die vorliegende Literatur über<br />

strategische Fundamente der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die drei Themenfelder Grundlagen<br />

auf Herstellerseite, Grundlagen des Integrationsprozesses und Grundlagen auf<br />

Kun<strong>den</strong>seite e<strong>in</strong>geteilt. 1 E<strong>in</strong>e Übersicht dieser Forschungsrichtungen und Themenschwerpunkte<br />

zeigt Abbildung 4.<br />

1 Vgl. dazu ähnliche Ansätze von Brockhoff (1998) sowie Lynch und O’ Toole (2003).<br />

15


16 STAND DER FORSCHUNG<br />

In die nun folgen<strong>den</strong> Ausführungen wur<strong>den</strong> auch Forschungsarbeiten aufgenommen,<br />

welche sich nicht direkt mit Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung beschäftigen. Studien, welche<br />

Themen wie Hersteller-Zulieferer-Beziehungen, Marktkompetenz, Erfolg bzw.<br />

Misserfolg von neuen Produkten und ähnliche Untersuchungsgegenstände analysieren,<br />

wur<strong>den</strong> ebenfalls aufgenommen, wenn sie Aspekte behandeln, welche e<strong>in</strong>e relevanten<br />

E<strong>in</strong>fluss auf das Konzept der Benutzere<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung haben.<br />

Marktorientierung<br />

Kun<strong>den</strong>orientierung<br />

Investitionsgütermarket<strong>in</strong>g<br />

Market<strong>in</strong>g<br />

Grundlagen auf<br />

Herstellerseite<br />

Grundlagen des<br />

Integrationsprozesses<br />

F&E Management<br />

Radikale Innovationen<br />

<strong>Innovationsprozess</strong><br />

Produktentwicklung<br />

Fuzzy Front End<br />

Grundlagen auf<br />

Kun<strong>den</strong>seite<br />

Abbildung 4: Relevante Themenfelder der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sliteratur<br />

2.1.1 Grundlagen auf Herstellerseite<br />

E<strong>in</strong>e wesentliche Grundlage erfolgreicher Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung stellt die Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

mit der Strategie, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Abstimmung mit der Geschäftsstrategie,<br />

dar. Dabei kann nur e<strong>in</strong> Verständnis des Zusammenhanges zwischen der geplanten<br />

Kooperation und <strong>den</strong> existieren<strong>den</strong> firmeneigenen Kompetenzen zur notwendigen<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung führen (Johne 1994; Campbell, Cooper 1999; Tidd, Bessant et al.<br />

2001). E<strong>in</strong> mangelhafter Abgleich mit der <strong>in</strong>ternen Strategie kann unter anderem zu<br />

e<strong>in</strong>er falschen Verteilung der relevanten Ressourcen (Zeit, Geld, Technologie und<br />

Personal) für das Integrationsprojekt führen. Dies kann <strong>in</strong> signifikanten Problemen<br />

wie Verzögerungen, Kostensteigerung, Verschiebung des Marktauftrittes und im<br />

schlimmsten Fall auch Misserfolg des Produktes resultieren (Biemans 1992).


AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG<br />

Als weiterer wichtiger Erfolgsfaktor wird <strong>in</strong> der Produktenwicklungsliteratur das<br />

Verstehen der Kun<strong>den</strong>bedürfnisse, e<strong>in</strong> elementarer Bestandteil der Kun<strong>den</strong>orientierung,<br />

angeführt. Das Konzept der Kun<strong>den</strong>orientierung entstammt dem Market<strong>in</strong>g<br />

und basiert auf der Beschaffung und Verwendung relevanter Informationen über die<br />

Kun<strong>den</strong> quer durch die gesamte Organisation des Herstellers (z. B. Tomczak, Belz<br />

1994; Kle<strong>in</strong>altenkamp, Dahlke 1998; Söllner 1998; Belz 2002a, 2002b). Es besteht<br />

überwiegende Übere<strong>in</strong>stimmung, dass das Verstehen und die Erfüllung der Kun<strong>den</strong>bedürfnisse<br />

e<strong>in</strong>e notwendige Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Produktentwicklung<br />

darstellt. E<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Vision des Unternehmens e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

offene Unternehmenskultur stellt die Basis e<strong>in</strong>er erfolgreichen Kun<strong>den</strong>orientierung<br />

dar (z. B. Atuahene-Gima 1996; Maron, VanBremen 1999; Koen, Ajamian<br />

et al. 2002). Tidd, Bessant et al. (2001) empfehlen zum besseren Verständnis des<br />

Marktes e<strong>in</strong>e organisationsweite Orientierung auf neue Anregungen von aussen.<br />

Biemans (1992) weist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang speziell auf die Bedeutung der Unterstützung<br />

durch das obere Management h<strong>in</strong>, um e<strong>in</strong>e organisatorische Atmosphäre<br />

zu schaffen, welche die Grundlage erfolgreicher Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung bildet.<br />

E<strong>in</strong> wichtiger Forschungsaspekt für die Neuproduktentwicklung ist die Schnittstelle<br />

zwischen der F&E-Abteilung und Market<strong>in</strong>g (vgl. Souder 1988; Bruce, Biemans<br />

1995; Song, Montoya-Weiss et al. 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; Song, Thieme<br />

et al. 1998; Souder, Song 1998; Norrgren, Schaller 1999; Kahn 2001; Olson, Walker<br />

et al. 2001). Im Allgeme<strong>in</strong>en haben diese empirischen Studien e<strong>in</strong>en positiven<br />

E<strong>in</strong>fluss funktionsübergreifender Schnittstellen auf neu zu entwickelnde Produkte<br />

gefun<strong>den</strong>. Durch die Bündelung firmen<strong>in</strong>terner Kompetenzen zur Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

Produktes gel<strong>in</strong>gt es, die Kun<strong>den</strong>bedürfnisse besser zu erfüllen. Um diese <strong>in</strong>terne<br />

Koord<strong>in</strong>ation zu erzielen, können beispielsweise funktionsübergreifende Teams<br />

e<strong>in</strong>geführt wer<strong>den</strong>. Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen verschie<strong>den</strong>en funktionalen<br />

E<strong>in</strong>heiten erfordert dabei, wie Jassawalla und Sashittal (1998) festgestellt haben,<br />

e<strong>in</strong>e grundsätzliche Bereitschaft der Teilnehmer zu Kommunikation, Koord<strong>in</strong>ation<br />

und Kooperation, sowie e<strong>in</strong> Verständnis der unterschiedlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen.<br />

Als zentraler Punkt wird auch die Betrachtung des <strong>Innovationsprozess</strong>es als organisatorischen<br />

Lernprozess betrachtet, bestehend aus der Akquisition, Verteilung und<br />

Nutzung von Informationen (vgl. Adams, Day et al. 1998; Li, Calantone 1998; Lukas,<br />

Ferrell 2000). Die Fähigkeit e<strong>in</strong>er Firma, Kun<strong>den</strong>wissen zu extrahieren und <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Entwicklungsprozess zu <strong>in</strong>tegrieren, wird von e<strong>in</strong>igen Autoren als strategisches<br />

Asset der Firma gesehen (z. B. Glazer 1991), von anderen als Kernkompetenz (z. B.<br />

Li, Calantone 1998). In bei<strong>den</strong> Fällen ist die Auswirkung auf <strong>den</strong> Erfolg des Produktes<br />

gross. E<strong>in</strong> funktionierender Prozess zur E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Kun<strong>den</strong>wissen trägt<br />

17


18 STAND DER FORSCHUNG<br />

wesentlich zur effektiven Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung bei. Aus diesem Blickw<strong>in</strong>kel spielt<br />

das Wissen des Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle und bildet das Kernelement bei<br />

der Auswahl der richtigen Kooperationspartner (Aslanidis, Korell 2003). Ähnliche<br />

Überlegungen gelten auch für die Integration technischer Dienstleister <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

<strong>in</strong>dustrieller Unternehmen (Gassmann, Hipp 2001).<br />

Ebenfalls <strong>den</strong> Grundlagen auf der Herstellerseite s<strong>in</strong>d die Metho<strong>den</strong> zuzurechnen,<br />

welche der Hersteller zur Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung verwen<strong>den</strong> kann. Diese liefern allgeme<strong>in</strong>e<br />

H<strong>in</strong>weise und Anregungen, welche Aspekte zu beachten s<strong>in</strong>d und wie Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

konkret gestaltet wer<strong>den</strong> kann. Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> die wichtigsten<br />

und aktuellsten konkreten Ansätze kurz beschrieben, welche – abgesehen von<br />

traditionellen Market<strong>in</strong>gmetho<strong>den</strong> – die frühe Innovationsphase betreffen.<br />

Die bekannteste Methode der frühen Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ist das Lead-User-Konzept.<br />

In se<strong>in</strong>er Studie über die Entwicklung neuer Industrieprodukte unterscheidet von<br />

Hippel (1986) zwischen generellen Benutzern und Lead-Usern anhand zweier Attribute:<br />

(1) Lead-User haben bestimmte Bedürfnisse bereits Monate oder Jahre bevor<br />

diese allgeme<strong>in</strong> im Markt vorhan<strong>den</strong> se<strong>in</strong> wer<strong>den</strong>, und (2) sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Position,<br />

<strong>in</strong> der sie von e<strong>in</strong>er Lösung ihrer Probleme profitieren können. Zahlreiche Studien<br />

belegen, dass die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von derartig def<strong>in</strong>ierten Lead-Usern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em höheren<br />

Neuigkeitsgrad, höheren Verkaufszahlen und grösserer Marktakzeptanz der geme<strong>in</strong>sam<br />

mit ihnen entwickelten Produkte resultiert, da diese Produkte die tatsächlichen<br />

Bedürfnisse der Kun<strong>den</strong> besser abdecken (vgl. Urban, von Hippel 1988;<br />

Herstatt, von Hippel 1992; Lilien, Morrison et al. 2002). Die Auswahl der Lead-<br />

User und die Integration ihrer Ideen erfolgt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mehrstufigen Verfahren. Am<br />

Beg<strong>in</strong>n steht die I<strong>den</strong>tifikation neuer Markttrends oder Produktmöglichkeiten. Nach<br />

der Selektion dazu passender Lead-User wer<strong>den</strong> mit ihnen und Mitarbeitern des<br />

Herstellers geme<strong>in</strong>same Workshops abgehalten, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en Informationen über die<br />

Bedürfnisse der Kun<strong>den</strong> gesammelt und eventuell bereits erste mögliche Lösungsvorschläge<br />

und Produktkonzepte erarbeitet wer<strong>den</strong>. Die so entwickelten Konzepte<br />

müssen im Markt getestet wer<strong>den</strong>, um die Relevanz der Bedürfnisse der Lead-User<br />

für <strong>den</strong> Gesamtmarkt vorherzusagen (z. B. Herstatt, von Hippel 1992). Neue Publikationen<br />

zur Lead-User-Methode kommen zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu<br />

traditionellen Prozessen der Ideenf<strong>in</strong>dung mehr Durchbruchs<strong>in</strong>novationen generiert<br />

wer<strong>den</strong>. Als Hauptgrund wird der Umstand der gleichzeitigen Erhebung von Bedürfnissen<br />

und Lösungsvorschlägen vom fortschrittlichsten Bereich des Zielmarktes<br />

genannt (Lilien, Morrison et al. 2002).<br />

Es ist schwer abzuschätzen, wie weit diese Methode <strong>in</strong> der Praxis verbreitet ist, da<br />

viele Firmen die Bezeichnung Lead-User für Kun<strong>den</strong>rollen und Vorgehensweisen


AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG<br />

verwen<strong>den</strong>, welche sich substanziell vom Ansatz von Hippels (1986) bzw. se<strong>in</strong>er<br />

Weiterentwicklungen (z. B. Herstatt 2002a) unterschei<strong>den</strong>.<br />

Bezüglich des oben angesprochenen Problems betreffend die Nützlichkeit von<br />

Kun<strong>den</strong>beiträgen <strong>in</strong> <strong>den</strong> frühen Innovationsphasen existieren spezielle Ansätze,<br />

welche versuchen, diese pr<strong>in</strong>zipiellen Probleme zu umgehen. Zahlreiche Firmen<br />

versuchen, zur Entwicklung marktnaher neuer Produkte, so eng wie möglich mit ihren<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> Kontakt zu treten, um deren Wünsche und Bedürfnisse so direkt und<br />

genau wie möglich abzuschöpfen. Dieser Ansatz ist nicht unproblematisch, da die<br />

Fähigkeit der Kun<strong>den</strong>, die Entwicklung neuer Produkte zu unterstützen, durch ihren<br />

Erfahrungsschatz limitiert ist (Leonard, Rayport 1997). Anwender kennen normalerweise<br />

nur die momentan erhältlichen Applikationen, wodurch ihre Kompetenz<br />

zur Auff<strong>in</strong>dung komplett neuer Ideen und zur adäquaten Beschreibung derselben<br />

beschränkt ist (Ulwick 2002). Dieses Dilemma kann aber durch die Wahl der geeigneten<br />

Methode umgangen wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e Möglichkeit hierzu ist die Beobachtung<br />

anstelle der Befragung, wie diese von Leonard und Rayport (1997) unter dem Begriff<br />

Empathic Design vorgeschlagen wurde. Dabei wer<strong>den</strong> fünf Schritte durchlaufen.<br />

Am Beg<strong>in</strong>n steht die Bildung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Teams, dessen Aufgabe<br />

es ist, die Kun<strong>den</strong> bei der alltäglichen Verwendung e<strong>in</strong>es Produktes zu beobachten.<br />

Auf e<strong>in</strong>e direkte Befragung der Kun<strong>den</strong> wird verzichtet. Die erhobenen Daten wer<strong>den</strong><br />

anschliessend reflektiert und analysiert. Darauf aufbauend wer<strong>den</strong> durch Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>g<br />

Lösungsvorschläge gesucht und die ersten Prototypen entwickelt. E<strong>in</strong>e<br />

andere Möglichkeit, trotz oben erwähnter E<strong>in</strong>schränkungen zu <strong>in</strong>novationsrelevanten<br />

Ergebnissen aus Kun<strong>den</strong>befragungen zu gelangen, wurde von Ulwick (2002)<br />

vorgeschlagen und stellt e<strong>in</strong>e Ausprägung der Voice-of-the-Customer-(VOC-<br />

)Methode dar (z. B. Griff<strong>in</strong>, Hauser 1993; Burchill, Hepner Brodie 1997; Hepner<br />

Brodie 2000). Die Grundidee liegt dabei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fokus auf <strong>den</strong> gewünschten Ergebnissen<br />

im Gegensatz zu <strong>den</strong> <strong>in</strong> klassischen Befragungen meist abgefragten möglichen<br />

Lösungsvorschlägen. Realisiert wird dies durch gründlich vorbereitete, moderierte<br />

Meet<strong>in</strong>gs mit Kun<strong>den</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en die von <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> gewünschten Ergebnisse<br />

gesammelt wer<strong>den</strong>. Diese Ergebnislisten wer<strong>den</strong> anschliessend bewertet und<br />

priorisiert und dienen als Ausgangspunkt für die weiteren Schritte des <strong>Innovationsprozess</strong>es.<br />

In jüngster Zeit zeigen sich verstärkt Ten<strong>den</strong>zen, ganze Teile des frühen Entwicklungsprozesses<br />

auf <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> zu übertragen. Diese Entwicklung geht mit dem<br />

Trend zur Verwendung neuer IT-basierter Werkzeuge zur Unterstützung der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

e<strong>in</strong>her. Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> dadurch <strong>in</strong> die Lage versetzt, als „Mit-<br />

Entwickler“ an der Entwicklung neuer Produkte teilzunehmen. Beispielsweise ermöglichen<br />

virtuelle Kooperationsräume dem Benutzer, elektronische Abbildungen<br />

19


20 STAND DER FORSCHUNG<br />

physischer Produkte zu sehen und zu kritisieren (z. B. Bill<strong>in</strong>gton 1998). Thomke<br />

und von Hippel (2002) beschreiben so genannte „User Tool Kits for Innovation“,<br />

mit deren Hilfe der Kunde <strong>in</strong> die Lage versetzt wird, e<strong>in</strong>e komplette Serie von Entwicklungszyklen<br />

zur Entwicklung se<strong>in</strong>es persönlichen Produktes zu durchlaufen.<br />

Komb<strong>in</strong>iert mit Informationen über verwendbare Komponenten, Module und Produktbeschränkungen<br />

(z. B. produktionsbed<strong>in</strong>gte Restriktionen) können diese Werkzeugsätze<br />

zeit- und kosten<strong>in</strong>tensive Iterationsschleifen zwischen Herstellern und<br />

Kun<strong>den</strong> elim<strong>in</strong>ieren. Allerd<strong>in</strong>gs eignen sich nur bestimmte Märkte und Produkte für<br />

diesen Ansatz (von Hippel 2001b). Die zweite Möglichkeit der Verwendung neuer<br />

Informationstechnologien zur Verbesserung der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ist das Gebiet<br />

der virtuellen Kun<strong>den</strong>evaluationen. Neue Produktkonzepte, Prototypen und Modelle<br />

können durch <strong>den</strong> E<strong>in</strong>satz von neuen Produktentwicklungs<strong>in</strong>strumenten vom<br />

Kun<strong>den</strong> schneller, mit höherer Genauigkeit und kostengünstiger beurteilt wer<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong> „Virtual Customer Initiative“ genannter Forschungsschwerpunkt am Massachusetts<br />

Institute of Technology (MIT) <strong>in</strong> Boston erforscht und entwickelt solche<br />

Werkzeuge (Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002).<br />

2.1.2 Grundlagen des Integrationsprozesses<br />

Betrachtet man die Interaktion zwischen Hersteller und Kunde, so ist e<strong>in</strong> wichtiger<br />

strategischer Aspekt, welcher berücksichtigt wer<strong>den</strong> muss, die Kompatibilität der<br />

Kulturen, welche Ziele, Werte und Managementprozeduren umfassen (z. B. Biemans<br />

1991; Bruce, Leverick et al. 1995; Goodman, Fichman et al. 1995; Atuahene-<br />

Gima 1996; Kelley, Littman et al. 2001). Maron und VanBremen (1999) stellen<br />

fest, dass das Versäumnis auf die unterschiedlichen Kulturen e<strong>in</strong>zugehen, zum Ende<br />

e<strong>in</strong>er Partnerschaft führen kann. Beispielsweise können unterschiedliche Entscheidungsstile<br />

<strong>den</strong> Kollaborationserfolg hemmen, falls sie nicht korrekt i<strong>den</strong>tifiziert und<br />

berücksichtigt wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. In ähnlicher Weise kann durch e<strong>in</strong>e aggressive Kultur<br />

e<strong>in</strong> Klima mangeln<strong>den</strong> Vertrauens entstehen, welches sich nachteilig auf die persönliche<br />

Beziehungsebene auswirkt (Hutt, Stafford 2000). Firmen, welche erfolgreich<br />

Partnerschaften betreiben, nehmen sich Zeit, diese Unterschiede bereits frühzeitig<br />

zu i<strong>den</strong>tifizieren und berücksichtigen sie im späteren Verlaufe der Zusammenarbeit.<br />

Wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf <strong>den</strong> positiven Verlauf der Hersteller-Kun<strong>den</strong>-<br />

Partnerschaft <strong>in</strong> der Entwicklung neuer Produkte hat die am Anfang stehende Entwicklung<br />

von klaren Zielen, welche die Richtung der Partnerschaft leiten wer<strong>den</strong><br />

(Tidd 1995; Millson, Raj 1996; Song, Montoya-Weiss et al. 1997). Pr<strong>in</strong>zipiell gilt<br />

für Entwicklungspartnerschaften, dass nur e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Festlegung der Ziele zu


AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG<br />

geme<strong>in</strong>samen Erwartungen führen und bei<strong>den</strong> Seiten verdeutlichen kann, welche<br />

kooperativen Anstrengungen notwendig s<strong>in</strong>d (vgl. z.B. Mohr, Spekman 1996; Hauschildt<br />

1998). Millson und Raj (1996) schlagen zum Festhalten der Ziele schriftliche<br />

Abkommen vor, um klare Richtungen für die geme<strong>in</strong>samen Programme vorzugeben<br />

und damit Unsicherheiten zu beseitigen.<br />

Entschei<strong>den</strong>d für die erfolgreiche E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Kun<strong>den</strong> ist die Etablierung passender<br />

Strukturen. Dies bedeutet e<strong>in</strong>en Abgleich zwischen <strong>den</strong> Anforderungen der<br />

jeweiligen Entwicklungsaufgabe und <strong>den</strong> operativen Strukturen, welche diese ermöglichen<br />

(z. B. Pitta, Franzak 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; Prahalad, Ramaswamy<br />

2000; Tidd, Bessant et al. 2001; Jeppesen, Mol<strong>in</strong> 2003). Um diese Balance<br />

zu erreichen, schlagen Pitta, Franzak et al. (1996) vor, dass Firmen aus <strong>in</strong>ternen<br />

funktionsübergreifen<strong>den</strong> sowie externen Teams e<strong>in</strong> organisationsübergreifendes<br />

Team aufbauen. Innerhalb dieser Teams wer<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> als Entwicklungspartner<br />

angesehen und haben die gleiche Verantwortung für die Problemlösung wie die<br />

Teilnehmer des Herstellers. Zudem empfehlen die Autoren e<strong>in</strong>e Teamstruktur, welche<br />

kont<strong>in</strong>uierliche Kommunikation zwischen <strong>den</strong> Teilnehmern ermöglicht, da dadurch<br />

Missverständnisse und Konflikte vermie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> können. Erfolgsfaktoren<br />

derartiger organisationsübergreifender Teams s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e klare Rollenverteilung, e<strong>in</strong>deutige<br />

Ziele sowie e<strong>in</strong>e auf Charakteristika und Commitment gestützte Kun<strong>den</strong>auswahl.<br />

Im Bereich der Neuproduktentwicklung variiert das Ausmass und die Intensität der<br />

Benutzere<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Abhängigkeit vom Beitrag, <strong>den</strong> Ressourcen und der Stufe<br />

des <strong>Innovationsprozess</strong>es (z. B. Biemans 1992; Brockhoff 1998; Gruner, Homburg<br />

1999; Kohn, Niethammer 2002; Lettl 2004). E<strong>in</strong>er der kritischen Punkte zur Erzielung<br />

der Vorteile der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die Produktentwicklung ist e<strong>in</strong> Verständnis<br />

für die jeweils passende Form der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung. In Abhängigkeit von der<br />

Intensität der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ändert sich der damit verbun<strong>den</strong>e Aufwand nicht nur <strong>in</strong><br />

zeitlicher H<strong>in</strong>sicht. E<strong>in</strong> Hersteller, welcher nicht zwischen verschie<strong>den</strong>en Typen der<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung unterscheidet, wird am Ende genauso viel Zeit für das Management<br />

unwesentlicher Beziehungen aufbr<strong>in</strong>gen, wie für das lohnenderer Beziehungen.<br />

Es gilt also sicherzustellen, dass der am besten passende Partner zum richtigen<br />

Zeitpunkt mit der richtigen Intensität der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung und mit der am besten passen<strong>den</strong><br />

Form des Managements zum E<strong>in</strong>satz kommt (Wynstra, Pierick 2000).<br />

E<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle bei der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung spielen, so wie bei jeder Art<br />

von Partnerschaft, die Beziehungsvariablen. Die wichtigsten <strong>in</strong> der Literatur besprochenen<br />

E<strong>in</strong>flussfaktoren auf die Beziehung zwischen Hersteller und Benutzer<br />

s<strong>in</strong>d Commitment und Vertrauen. Morgan und Hunt (1994) vergleichen erfolgrei-<br />

21


22 STAND DER FORSCHUNG<br />

che Allianzen mit Ehen und betonen, dass beide nicht e<strong>in</strong>fach passieren, sondern<br />

Commitment zu ihrem erfolgreichen Bestehen benötigen und durch Misstrauen zerstört<br />

wer<strong>den</strong> können. Nur basierend auf Vertrauen und Commitment lernen Firmen,<br />

dass durch koord<strong>in</strong>ierte und geme<strong>in</strong>same Anstrengungen Ergebnisse erzielt wer<strong>den</strong><br />

können, welche diejenigen bei weitem übertreffen, welche e<strong>in</strong>e Firma alle<strong>in</strong>e erzielen<br />

kann (z. B. Anderson, Narus 1990; Jassawalla, Sashittal 1998; Diller, Ivens<br />

2004). Der Aufbau und die Pflege des Vertrauens resultieren aus häufiger Kommunikation<br />

zwischen <strong>den</strong> Partnern und dem Glauben an die Verlässlichkeit und Integrität<br />

des anderen. Diese Eigenschaften wer<strong>den</strong> verbun<strong>den</strong> mit Konsistenz, Kompetenz,<br />

Ehrlichkeit, Fairness, Verantwortung, Hilfsbereitschaft und Uneigennützigkeit<br />

des Partners (z. B. Morgan, Hunt 1994; Littler, Leverick et al. 1995; Buttle 1996).<br />

Vertrauen wird auch durch die Aufforderung zur Interaktion gefördert, welche zur<br />

Entwicklung zwischenmenschlicher Verknüpfungen zwischen <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitarbeitern<br />

des Herstellers und des Kun<strong>den</strong> führt (Hutt, Stafford 2000). Zusätzlich fördern<br />

starke <strong>in</strong>terpersonelle Beziehungen auch <strong>den</strong> Austausch von Informationen.<br />

Organisationen fürchten e<strong>in</strong>e opportunistische Ausbeutung dann weniger, wenn sie<br />

mit Partnerfirmen e<strong>in</strong> hohes Niveau an „Embeddedness“ teilen (vgl. Hoecht, Trott<br />

1999; R<strong>in</strong>dfleisch, Moorman 2001).<br />

Der menschliche Aspekt ist wesentlich für alle Beziehungen und so s<strong>in</strong>d die Handlungen<br />

und Commitments der Menschen, welche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kollaborative Beziehung<br />

<strong>in</strong>volviert s<strong>in</strong>d elementar für deren Erfolg (Bruce, Leverick et al. 1995). Es kann e<strong>in</strong>en<br />

fundamentalen E<strong>in</strong>fluss auf <strong>den</strong> Erfolg des Projektes haben, bestimmte Individuen<br />

dazu zu motivieren, e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Rolle <strong>in</strong> der Entwicklung zu übernehmen.<br />

Zahlreiche Autoren verweisen auf E<strong>in</strong>zelpersonen (sowohl vom Hersteller als auch<br />

von Kun<strong>den</strong>firmen), welche <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, Unterstützung zu gew<strong>in</strong>nen, H<strong>in</strong>dernisse<br />

zu überw<strong>in</strong><strong>den</strong> und durch ihren Willen und ihre Energie als „Produktchampions“<br />

das Entwicklungsprojekt zur Vollendung zu treiben (Howell, Higg<strong>in</strong>s 1990;<br />

Frey 1991; Biemans 1992; Markham, Griff<strong>in</strong> 1998). Darüber h<strong>in</strong>aus betonen Tidd,<br />

Bessant et al. (2001) die Wichtigkeit der I<strong>den</strong>tifizierung anderer Schlüsselpersonen<br />

wie organisatorischer Sponsoren, Teammitglieder und „Geschäftserneuerer“ (vgl.<br />

dazu auch das Promotorenmodell von Hauschildt (z. B. Hauschildt, Kirchmann<br />

2001)). Die Summe all dieser zwischenmenschlichen Faktoren wird im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

umfassen<strong>den</strong> Interaktion mit dem Kun<strong>den</strong> auch unter dem Begriff Beziehungsmanagement<br />

zusammengefasst (z. B. Belz 1998; Alt, Puschmann et al. 2005).<br />

Gegenseitigkeit und Reziprozität wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Literatur als wesentlicher Bestandteil<br />

jeder Kollaboration i<strong>den</strong>tifiziert (z. B. Biemans 1992; Morgan, Hunt 1994;<br />

Goodman, Fichman et al. 1995; Hutt, Stafford 2000). Unzufrie<strong>den</strong>heit und Ärger<br />

können entstehen, wenn e<strong>in</strong>e Seite glaubt, dass ihr Beitrag zur Neuproduktentwick-


AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG<br />

lungsbeziehung <strong>den</strong> der anderen Seite bei weitem übersteigt. Ziel muss es daher<br />

se<strong>in</strong>, dass auf e<strong>in</strong>er von bei<strong>den</strong> anerkannten fairen Basis beide Seiten zusätzlichen<br />

Nutzen erhalten (Bruce, Leverick et al. 1995).<br />

Kommunikation ist e<strong>in</strong> zentraler Punkt bei der Verb<strong>in</strong>dung von Menschen und darauf<br />

aufbauend beim Aufbau von Beziehungen. Der Kommunikationsprozess liegt<br />

als wesentliche Voraussetzung <strong>den</strong> meisten Funktionen e<strong>in</strong>er Organisation zugrunde.<br />

Es ist daher notwendig, e<strong>in</strong>e Atmosphäre zu schaffen und zu erhalten, welche<br />

häufiger und rechtzeitiger Kommunikation dienlich ist. Nur dadurch wird e<strong>in</strong>e effektive<br />

und effiziente Koord<strong>in</strong>ation und Steuerung der Aktivitäten, Verantwortlichkeiten<br />

und Menschen <strong>in</strong>nerhalb der Hersteller-Kun<strong>den</strong>-Beziehung möglich (z. B.<br />

Håkansson 1987; Biemans 1992; Bruce, Leverick et al. 1995; Littler, Leverick et al.<br />

1995; Mohr, Spekman 1996). Reguläre Kommunikation (z. B. Beratungen auf allen<br />

Stufen oder Fortschrittsberichte) reduziert Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten der<br />

Beziehung durch das Erreichen e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen Verständnisses der Ziele und<br />

Intentionen der Partnerschaft (vgl. Conway 1995; Hutt, Stafford 2000). Dadurch<br />

dient Kommunikation zwischen dem Hersteller und dem Kun<strong>den</strong> dem Aufbau von<br />

Vertrauen und zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Mitgliedern beider<br />

Unternehmen. Dies führt zu e<strong>in</strong>em höheren Grad an Gegenseitigkeit und Nähe sowie<br />

zu vermehrtem Austausch von sensiblen Informationen zwischen <strong>den</strong> Beziehungspartnern<br />

(z. B. Tidd 1995; R<strong>in</strong>dfleisch, Moorman 2001). Versteckt liegende<br />

Ängste, Be<strong>den</strong>ken, Spannungen oder Konflikte können nur dann im Guten gelöst<br />

wer<strong>den</strong>, wenn e<strong>in</strong>e Beziehung durch qualitativ hochwertige Kommunikationsflüsse<br />

charakterisiert ist (Mohr, Spekman 1996).<br />

E<strong>in</strong> zentraler Aspekt der Zusammenarbeit und damit vor allem auch der Kommunikation<br />

von Teams im <strong>Innovationsprozess</strong> ist die räumliche Dimension (vgl. Allen<br />

1991). Wie Gassmann (1997) gezeigt hat, bestimmt die Dezentralität wesentlich die<br />

Organisationsformen und das Management der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.<br />

Dies gilt nicht nur für firmen<strong>in</strong>terne Konstellationen, sondern auch für die<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung Externer (z. B. Kun<strong>den</strong>) <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong>. Wichtige Determ<strong>in</strong>anten<br />

zur Auswahl der richtigen Organisationsformen s<strong>in</strong>d der Innovationsgrad,<br />

die Art des Projektes, der schwerpunktmässig übertragene Wissenstyp und die Bündelung<br />

funktionaler und technologischer Ressourcen (Gassmann, von Zedtwitz<br />

2003). Erst die Berücksichtigung dieser Faktoren für die jeweilige Situation ermöglicht<br />

e<strong>in</strong>e Entscheidung, ob überhaupt und wie Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> können.<br />

Das Controll<strong>in</strong>g der Beziehung über Audits und reguläre Fortschrittsberichte wird<br />

ebenfalls als notwendig für <strong>den</strong> Erfolg von Entwicklungskooperationen für neue<br />

23


24 STAND DER FORSCHUNG<br />

Produkte angeführt (z. B. Bruce, Leverick et al. 1995; Hutt, Stafford 2000; Brockhoff<br />

2002). Audits s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Zusammenhang besonders wertvoll bei der I<strong>den</strong>tifizierung,<br />

Isolation und Berichtigung etwaiger Probleme <strong>in</strong> der Partnerschaft. E<strong>in</strong><br />

zusätzlicher Vorteil dieser Fortschrittsberichte liegt dar<strong>in</strong>, dass sie zur regelmässigen<br />

Kommunikation beitragen und e<strong>in</strong> Umfeld entsteht, <strong>in</strong> dem sich jeder Partner<br />

verpflichtet fühlt, vorher getroffene Übere<strong>in</strong>künfte e<strong>in</strong>zuhalten (Hutt, Stafford<br />

2000).<br />

2.1.3 Grundlagen auf Kun<strong>den</strong>seite<br />

Charakteristika des Kun<strong>den</strong> haben ebenfalls E<strong>in</strong>fluss auf <strong>den</strong> Erfolg der geme<strong>in</strong>schaftlichen<br />

Produkt<strong>in</strong>novation. Im Speziellen s<strong>in</strong>d dies Faktoren wie die relative<br />

Grösse der bei<strong>den</strong> Parteien (z. B. Millson, Raj 1996; Murphy, Kumar 1996), die f<strong>in</strong>anzielle<br />

Attraktivität des Kun<strong>den</strong> (z. B. Gruner, Homburg 2000), der Ruf des Kun<strong>den</strong><br />

(z. B. Gansen 1994; Brockhoff 1998; Hoecht, Trott 1999; Kelley, Littman et al.<br />

2001), die technologische Expertise bzw. das Wissen und die Fähigkeiten des Kun<strong>den</strong><br />

(z. B. Shaw 1985; Håkansson 1987; de Bont, Schoormans 1995; Littler, Leverick<br />

et al. 1995; Schoormans, Ortt et al. 1995; Brockhoff 2003), sowie vergangene<br />

Erfahrungen des Kun<strong>den</strong> mit partnerschaftlicher Entwicklung (z. B. Bruce, Leverick<br />

et al. 1995; Littler, Leverick et al. 1995). Johne (1994) warnt davor, dass kooperative<br />

Hersteller als Subunternehmer für Schlüsselkun<strong>den</strong> en<strong>den</strong> könnten. Er<br />

schlägt als Abhilfe vor, verschie<strong>den</strong>e Kun<strong>den</strong>typen zu differenzieren. Zahlreiche<br />

Studien belegen, dass die Bedeutung verschie<strong>den</strong>er Benutzergruppen aufgrund ihrer<br />

Charakteristika im Verlaufe des Entwicklungsprozesses variiert (z. B. Biemans<br />

1992). So unterscheidet z. B von Hippel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Studie über die Entwicklung neuer<br />

Industrieprodukte zwischen generellen Benutzern und Lead-Usern (von Hippel<br />

1986). Letztere stellen gerade für die Innovationsfrühphase potenzielle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungspartner<br />

dar. 2<br />

E<strong>in</strong> wesentlicher Aspekt erfolgreicher Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ist die Motivation der<br />

Kun<strong>den</strong> . Dabei können drei wesentliche Elemente unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, nämlich<br />

materielle Entschädigungen, e<strong>in</strong>e Verbesserung des Produktes und <strong>in</strong>nere Antriebe.<br />

Die ersten bei<strong>den</strong> fallen <strong>in</strong> <strong>den</strong> extr<strong>in</strong>sischen Motivationsbereich. An erster Stelle<br />

s<strong>in</strong>d die f<strong>in</strong>anzielle Entschädigung bzw. sonstige materielle Abgeltung der Aufwendungen<br />

des Kun<strong>den</strong> zu nennen. Diese kann beispielsweise die Bezahlung für die<br />

Beantwortung e<strong>in</strong>es Fragebogens se<strong>in</strong>. Der zweite wesentliche Aspekt <strong>in</strong> diesem<br />

Bereich ist die Erwartung des Kun<strong>den</strong> nach e<strong>in</strong>er Problemlösung bzw. nach der<br />

2 Details zur Lead-User-Methode siehe Abschnitte 2.1.1 und 4.2.2.


AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG<br />

Verbesserung se<strong>in</strong>er momentanen Situation. Dieser Aspekt stellt e<strong>in</strong>e der wesentlichen<br />

Säulen des Lead-User-Ansatzes dar (vgl. z. B. von Hippel 1986). Für <strong>den</strong> dritten<br />

Bereich, die <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Seite der Motivationsstruktur des Kun<strong>den</strong>, kann die<br />

Open-Source-Softwareentwicklung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen dienen.<br />

Neue Untersuchungen zeigen, dass vor allem der persönliche Nutzen (Wissensvermehrung,<br />

Erhalt besserer und günstiger Software und Spass am Programmieren)<br />

und Ego-Gratifikation (Wunsch nach Anerkennung, Reputation <strong>in</strong> der<br />

Peergroup, Mitarbeit im Team bekannter Programmierer und die angenommene<br />

Unersetzbarkeit für das Team) Open-Source-Entwickler antreiben (vgl. Perens<br />

1998; Raymond 1999; Gassmann 2001; Achtenhagen, Müller-Lietzkow et al. 2003;<br />

von Krogh 2003; von Krogh, von Hippel 2003). Achtenhagen, Müller-Lietzkow<br />

et al. (2003) weisen darüber h<strong>in</strong>aus darauf h<strong>in</strong>, dass auch Karriereüberlegungen wie<br />

das Zeigen des eigenen Talents oder die Gründung (oder Teilhabe) an Open-<br />

Source-basierten Unternehmen ebenfalls e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen.<br />

Tabelle 1 fasst die wichtigsten Studien zu <strong>den</strong> betrachteten Forschungsthemen zusammen.<br />

25


26 STAND DER FORSCHUNG<br />

Forschungsthemen Studien<br />

Grundlagen auf Herstellerseite<br />

Grundlagen des Integrationsprozesses<br />

Grundlagen auf Kun<strong>den</strong>seite<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit<br />

Strategie<br />

Verstehen der Kun<strong>den</strong>bedürfnisse<br />

Schnittstelle<br />

F&E/Market<strong>in</strong>g<br />

Organisatorischer Lernprozess<br />

Kompatibilität der Kulturen<br />

Klare Ziele<br />

Passende Strukturen<br />

Form der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

Beziehungsvariablen<br />

Kommunikation<br />

Räumliche Dimension<br />

Controll<strong>in</strong>g<br />

Relative Grösse<br />

F<strong>in</strong>anzielle Attraktivität<br />

Ruf<br />

Wissen und Fähigkeiten<br />

Vergangene Erfahrungen<br />

Motivation<br />

Biemans 1992; Johne 1994; Campbell, Cooper 1999; Tidd, Bessant et al. 2001<br />

Biemans 1992; Tomczak, Belz 1994; Atuahene-Gima 1996; Kle<strong>in</strong>altenkamp, Dahlke<br />

1998; Söllner 1998; Maron, VanBremen 1999; Tidd, Bessant et al. 2001; Belz<br />

2002a, 2002b; Koen, Ajamian et al. 2002<br />

Souder 1988; Bruce, Biemans 1995; Song, Montoya-Weiss et al. 1997; Jassawalla,<br />

Sashittal 1998; Song, Thieme et al. 1998; Souder, Song 1998; Norrgren, Schaller<br />

1999; Kahn 2001; Olson, Walker et al. 2001<br />

Glazer 1991; Adams, Day et al. 1998; Li, Calantone 1998; Lukas, Ferrell 2000;<br />

Gassmann, Hipp 2001; Aslanidis, Korell 2003<br />

Biemans 1991; Bruce, Leverick et al. 1995; Goodman, Fichman et al. 1995; Atuahene-Gima<br />

1996; Maron, VanBremen 1999; Hutt, Stafford 2000; Kelley, Littman et<br />

al. 2001<br />

Tidd 1995; Millson, Raj 1996; Mohr, Spekman 1996; Song, Montoya-Weiss et al.<br />

1997; Hauschildt 1998<br />

Pitta, Franzak et al. 1996; Pitta, Franzak 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; Prahalad,<br />

Ramaswamy 2000; Tidd, Bessant et al. 2001; Jeppesen, Mol<strong>in</strong> 2003<br />

Biemans 1992; Brockhoff 1998; Gruner, Homburg 1999; Wynstra, Pierick 2000;<br />

Kohn, Niethammer 2002; Lettl 2004<br />

Anderson, Narus 1990; Howell, Higg<strong>in</strong>s 1990; Frey 1991; Biemans 1992; Morgan,<br />

Hunt 1994; Bruce, Leverick et al. 1995; Goodman, Fichman et al. 1995; Littler,<br />

Leverick et al. 1995; Buttle 1996; Belz 1998; Jassawalla, Sashittal 1998; Markham,<br />

Griff<strong>in</strong> 1998; Hoecht, Trott 1999; Hutt, Stafford 2000; Hauschildt, Kirchmann 2001;<br />

R<strong>in</strong>dfleisch, Moorman 2001; Tidd, Bessant et al. 2001; Diller, Ivens 2004; Alt,<br />

Puschmann et al. 2005<br />

Håkansson 1987; Biemans 1992; Bruce, Leverick et al. 1995; Conway 1995; Littler,<br />

Leverick et al. 1995; Tidd 1995; Mohr, Spekman 1996; Hutt, Stafford 2000;<br />

R<strong>in</strong>dfleisch, Moorman 2001<br />

Allen 1991; Gassmann 1997; Gassmann, von Zedtwitz 2003<br />

Bruce, Leverick et al. 1995; Hutt, Stafford 2000; Brockhoff 2002<br />

Millson, Raj 1996; Murphy, Kumar 1996<br />

Gruner, Homburg 2000<br />

Gansen 1994; Brockhoff 1998; Hoecht, Trott 1999; Kelley, Littman et al. 2001<br />

Shaw 1985; von Hippel 1986; Håkansson 1987; Johne 1994; Bruce, Leverick et al.<br />

1995; de Bont, Schoormans 1995; Littler, Leverick et al. 1995; Schoormans, Ortt et<br />

al. 1995; Brockhoff 2003<br />

Bruce, Leverick et al. 1995; Littler, Leverick et al. 1995<br />

von Hippel 1986; Perens 1998; Raymond 1999; Gassmann 2001; Achtenhagen,<br />

Müller-Lietzkow et al. 2003; von Krogh 2003; von Krogh, von Hippel 2003<br />

Tabelle 1: Ausgewählte Perspektiven der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sforschung


AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG<br />

Management der frühen Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

Wie <strong>in</strong> <strong>den</strong> vorangehen<strong>den</strong> Abschnitten gezeigt wurde, gibt es e<strong>in</strong>e grosse Zahl an<br />

Studien aus verschie<strong>den</strong>en Forschungsfeldern, welche spezielle Grundlagen der<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> behandeln. Zahlreiche Studien nehmen<br />

sich auch zum Ziel, e<strong>in</strong>zelne Aspekte des Managements der Hersteller-<br />

Kun<strong>den</strong>-Interaktion während der Neuproduktentwicklung zu beschreiben (Biemans<br />

1991, 1992; Bidault, Cumm<strong>in</strong>gs 1994; Bruce, Leverick et al. 1995; Mohr, Spekman<br />

1996; Athaide, Stump 1999; Campbell, Cooper 1999; Johnsen, Ford 2000). Es existieren<br />

jedoch ke<strong>in</strong>e umfassen<strong>den</strong> Managementmodelle für die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Entwicklungsprozess im Allgeme<strong>in</strong>en und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Frühphase im Besonderen<br />

(vgl. Lynch, O' Toole 2003). Diese Abwesenheit von Gestaltungsempfehlungen für<br />

das Management hat ernsthafte Konsequenzen für <strong>den</strong> Praktiker, bee<strong>in</strong>flusst doch<br />

die Art und Weise <strong>in</strong> der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung gemanagt wird, die Ergebnisse derselben<br />

und letzten Endes <strong>den</strong> Erfolg (z. B. Håkansson 1987). Die Notwendigkeit für<br />

Managementrichtl<strong>in</strong>ien ergibt sich auch aus der grundlegen<strong>den</strong> Spannung zwischen<br />

der Dynamik von Innovationen und der Logik von Partnerschaften. Diese Spannung<br />

entsteht durch die Gefahr opportunen Verhaltens, des Verlustes geheimer Information,<br />

von Zuordnungsproblemen bei Eigentumsrechten, des Verlustes an direkter<br />

Kontrolle über <strong>den</strong> Entwicklungsprozess sowie aus zusätzlichen zeitlichen und f<strong>in</strong>anziellen<br />

Belastungen, welche mit dem Management von Partnerschaften e<strong>in</strong>hergehen<br />

(vgl. Dolan, Matthews 1993; Bidault, Cumm<strong>in</strong>gs 1994; Littler, Leverick<br />

et al. 1995). Diese Unsicherheiten bedeuten, dass für e<strong>in</strong>e Optimierung der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

und zur Überw<strong>in</strong>dung der Probleme, welche damit verbun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d,<br />

grosse Sorgfalt auf das Management des Prozesses gelegt wer<strong>den</strong> muss (Biemans<br />

1992; Schill<strong>in</strong>g, Hill 1998; Campbell, Cooper 1999). Dies gilt umso mehr bei <strong>den</strong><br />

im Fokus dieser Arbeit stehen<strong>den</strong> mittleren bis hohen Innovationshöhen. Radikale<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>e unterschei<strong>den</strong> sich verglichen mit regulären Produktentwicklungsprozessen<br />

signifikant bezogen auf Struktur und Management. Da radikale Innovation<br />

im Kern als kreativ und <strong>in</strong>spiriert betrachtet wird, liegt die Herausforderung<br />

<strong>in</strong> der Unterstützung der Entscheidungsprozesse und <strong>in</strong> der Reduktion der Risiken.<br />

Veryzer (1998) untersuchte diskont<strong>in</strong>uierliche Produktentwicklungsprojekte<br />

und stellte fest, dass die meisten Firmen dafür ke<strong>in</strong>e formellen, stark strukturierten<br />

Prozesse anwen<strong>den</strong>. Es wer<strong>den</strong> aber trotzdem konsistente Abläufe verfolgt, welche<br />

jedoch signifikant von <strong>den</strong>en <strong>in</strong>krementeller Projekte abweichen. Generell weisen<br />

erstere e<strong>in</strong>en explorativeren Charakter auf und s<strong>in</strong>d weniger kun<strong>den</strong>getrieben. E<strong>in</strong>e<br />

ähnliche Gegenüberstellung behandelte O’Connor (1998) mit Fokus auf Metho<strong>den</strong><br />

zum Erwerb und zur Nutzung von marktbezogenem Wissen. Für radikale Entwicklungsprojekte<br />

sieht sie es als vorteilhaft an, divergentes Denken zu betonen, Ver-<br />

27


28 STAND DER FORSCHUNG<br />

ständnis für die momentane und die zukünftige Benutzungssituation aufzubauen<br />

und die Interaktion des Kun<strong>den</strong> mit dem Produkt zu beschleunigen.<br />

Welche Rolle die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> die frühen Phasen radikaler <strong>Innovationsprozess</strong>e<br />

spielen soll und wie diese Integration zu managen ist, wird im Rahmen<br />

dieser Arbeit untersucht.<br />

2.2 Ansätze der E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Wie der vorhergehende Abschnitt gezeigt hat, wer<strong>den</strong> Fragestellungen bezüglich<br />

Kun<strong>den</strong>nähe, Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung und <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> aus zahlreichen Blickw<strong>in</strong>keln<br />

und auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen betrachtet. Bei der Aufstellung<br />

der im vorhergehen<strong>den</strong> Abschnitt aufgearbeiteten Literatur wurde zunächst nicht<br />

zwischen pr<strong>in</strong>zipiell verschie<strong>den</strong>en Herangehensweisen unterschie<strong>den</strong>, sondern der<br />

Schwerpunkt auf die Grundlagen der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung gelegt. Zur E<strong>in</strong>ordnung<br />

und Fokussierung der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit ist es nun aber notwendig, grundsätzliche<br />

Typen der E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong> im Verlaufe des <strong>Innovationsprozess</strong>es zu unterschei<strong>den</strong>.<br />

Dies erfolgt e<strong>in</strong>erseits basierend auf <strong>den</strong> Erkenntnissen der Literaturrecherche<br />

und andererseits durch Betrachtung und Reflexion bestehender Ansätze aus<br />

der Praxis. Im ersten Schritt wer<strong>den</strong> die Grundtypen der verschie<strong>den</strong>en Organisationsformen<br />

der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung im Verlauf des gesamten <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

i<strong>den</strong>tifiziert. Zur weiteren Vertiefung wer<strong>den</strong> anschliessend drei pr<strong>in</strong>zipielle Formen<br />

der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung basierend auf dem Grad der Kun<strong>den</strong>aktivität e<strong>in</strong>geführt.<br />

Geme<strong>in</strong>sam ergeben diese Betrachtungen schliesslich e<strong>in</strong>e Landschaft der<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung, <strong>in</strong> die das Untersuchungsfeld der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit e<strong>in</strong>geordnet<br />

wer<strong>den</strong> kann. Dieser Ansatz soll e<strong>in</strong>e Übersicht über die verschie<strong>den</strong>en Möglichkeiten<br />

der Interaktion zwischen Hersteller und Kun<strong>den</strong> ermöglichen sowie der<br />

thematischen Abgrenzung <strong>in</strong> Bezug auf die <strong>Innovationsprozess</strong>phasen und die Aktivität<br />

des <strong>in</strong>volvierten Kun<strong>den</strong> dienen.<br />

Die dabei erarbeiteten Kriterien fliessen durch ihre Verwendung bei der Erstellung<br />

des Analyserasters auch <strong>in</strong> die Auswertung der Fallstudien e<strong>in</strong>. Weiters dienen die<br />

bei dieser allgeme<strong>in</strong>en Typologisierung gewonnenen Erkenntnisse als Unterstützung<br />

bei der Konzeption des konzeptionellen Managementmodells.<br />

Als grundlegende Struktur des Überblicks der verschie<strong>den</strong>en Ansätze der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

dient e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Trichtermodell des <strong>Innovationsprozess</strong>es. 3 Pr<strong>in</strong>zi-<br />

3 Für e<strong>in</strong>e Übersicht verschie<strong>den</strong>er Modelle des <strong>Innovationsprozess</strong>es siehe beispielsweise Gerpott (1999).


ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS<br />

piell können vier grundsätzliche Wege unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>zubeziehen<br />

bzw. ihre Wünsche und Bedürfnisse während des <strong>Innovationsprozess</strong>es zu berücksichtigen<br />

(vgl. Abb. 5). Diese E<strong>in</strong>teilung erfolgt zunächst ohne Berücksichtigung<br />

der konkreten Ausgestaltung der E<strong>in</strong>beziehung und des tatsächlichen Innovationsbeitrages<br />

des Kun<strong>den</strong>.<br />

Marktforschung<br />

Innovationsfrühphase<br />

Innovationsfrühphase<br />

Kun<strong>den</strong>orientierung<br />

<strong>Frühe</strong> <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

<strong>Innovationsprozess</strong><br />

Kun<strong>den</strong>spezifische<br />

Konfiguration<br />

Abbildung 5: Ansätze zur E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> die für <strong>den</strong> Zweck der E<strong>in</strong>ordnung dieser Arbeit wesentlichen<br />

Aspekte der vier übergeordneten Ansätze – Marktforschung, kun<strong>den</strong>spezifische<br />

Konfiguration, Kun<strong>den</strong>orientierung und frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> – erläutert.<br />

29


30 STAND DER FORSCHUNG<br />

2.2.1 Marktforschung<br />

Interaktion mit dem Kun<strong>den</strong> ist im gesamten Verlauf des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

wichtig. E<strong>in</strong>e zentrale Rolle spielt der Markt dabei am Anfang aller Geschäftsaktivitäten.<br />

E<strong>in</strong> grundsätzliches Verständnis der Marktbed<strong>in</strong>gungen und -verhältnisse sowie<br />

der Kun<strong>den</strong>charakteristika ist entschei<strong>den</strong>d für <strong>den</strong> Erfolg jedes neuen Produktes<br />

(vgl. Ortt, Schoormans 1993; Zaltman 1997; Adams, Day et al. 1998). Unternehmungen<br />

betreiben daher Marktforschungsaktivitäten (als Teil des gesamten<br />

Market<strong>in</strong>gportfolios), welche von Befragungen über Beobachtungen h<strong>in</strong> zu umfassen<strong>den</strong><br />

Absatz- und Marktanteilsprognosen reichen. Dah<strong>in</strong>ter steht die Grundidee,<br />

dass der Entwicklungsprozess desto effizienter abläuft, je besser es gel<strong>in</strong>gt, das zu<br />

entwickelnde <strong>in</strong>novative Produkt <strong>in</strong> der frühen Phase der Konzeptf<strong>in</strong>dung marktgerecht<br />

zu planen (z. B. Schmidt 1996). Marktforschung und Marktprognose be<strong>in</strong>halten<br />

die Gew<strong>in</strong>nung, Auswertung und Interpretation von Informationen über die jetzige<br />

und zukünftige Market<strong>in</strong>gsituation (z. B. Marktchancen und Kun<strong>den</strong>bedürfnisse)<br />

– also, generell betrachtet, Wissen über <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> und se<strong>in</strong>e Bedürfnisse<br />

(z. B. Tauber 1974; Scheer 1983; Meffert 1986; Ortt, Schoormans 1993; Tomczak,<br />

Belz 1994; Tomczak, Re<strong>in</strong>ecke 1994; Zaltman 2003; Belz 2004). Metho<strong>den</strong>, Markt<strong>in</strong>formationen<br />

zu erhalten und zu verwen<strong>den</strong> – zusammengefasst im Begriff Marktlernen<br />

(„Market Learn<strong>in</strong>g“) –, spielen e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle <strong>in</strong> jedem erfolgreichen<br />

Neuproduktentwicklungsprojekt. Beispiele für Marktforschung reichen von der<br />

Sammlung von Po<strong>in</strong>t-of-Sales-Daten h<strong>in</strong> zu speziellen Metho<strong>den</strong> zur Erhebung von<br />

spezifischen Markt<strong>in</strong>formationen. So verwendet beispielsweise die Migros, e<strong>in</strong>e<br />

grosse Schweizer Handelskette, ihre „Cumulus“ Stammkun<strong>den</strong>karten zur Gew<strong>in</strong>nung<br />

von Informationen zur Optimierung des Produktportfolios und ihrer Verkaufsstrategie.<br />

Endress&Hauser, e<strong>in</strong> schweizerisches High-Tech-Unternehmen auf dem<br />

Gebiet der Flüssigkeitsmessung, setzt zur Erlangung des notwendigen Marktwissens<br />

auf e<strong>in</strong>en Experten, welcher permanent das Marktumfeld mittels Patentrecherchen,<br />

Marktdatenanalysen, Beobachtung der Geschäftsprozessentwicklung bestehender<br />

und potenzieller Kun<strong>den</strong> sowie Messe- und Konferenzbesuchen analysiert.<br />

Aus <strong>den</strong> gesammelten Daten und Informationen wird e<strong>in</strong> monatlicher Bericht erstellt,<br />

welcher auf Geschäftsleitungsebene vorgestellt und diskutiert wird. 4<br />

In e<strong>in</strong>em l<strong>in</strong>earen Modell des <strong>Innovationsprozess</strong>es, wie <strong>in</strong> Abbildung 5 dargestellt,<br />

s<strong>in</strong>d derartige Aktivitäten ganz am Anfang, d. h. am l<strong>in</strong>ken Rand der Frühphase des<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es angesiedelt. Diese klassischen Market<strong>in</strong>gaktivitäten zur Unterstützung<br />

der Entwicklung und des Vertriebes kun<strong>den</strong>orientierter Produkte und<br />

Serviceangebote bil<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e wichtige Standardaktivität jeder Unternehmung, wer-<br />

4 Interview Endress&Hauser.


ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS<br />

<strong>den</strong> allerd<strong>in</strong>gs im Rahmen dieser Arbeit nicht näher betrachtet. Deren Fokus liegt<br />

im eigentlichen Zentrum der Frühphase sowie der Auswahl e<strong>in</strong>zelner spezieller<br />

Kun<strong>den</strong> (im Gegensatz zum „Gesetz der grossen Zahl“, welches <strong>den</strong> meisten klassischen<br />

Marktforschungsaktivitäten zugrunde liegt). Marktforschung soll ke<strong>in</strong>esfalls<br />

durch frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ersetzt wer<strong>den</strong>, sondern spielt e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle<br />

für das Management der Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es und unterstützt <strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> dieser Untersuchung vorgestellten Ansatz beispielsweise bei der Auswahl spezieller<br />

Kun<strong>den</strong>.<br />

2.2.2 Kun<strong>den</strong>spezifische Konfiguration<br />

Auch am anderen Ende des <strong>Innovationsprozess</strong>es, während und nach der Neuproduktentwicklung,<br />

f<strong>in</strong><strong>den</strong> klassische Market<strong>in</strong>g- und Verkaufsaktivitäten statt, um<br />

das neue Produkt <strong>in</strong> <strong>den</strong> Markt e<strong>in</strong>zuführen. Daneben entwickelt sich e<strong>in</strong> starker<br />

Trend h<strong>in</strong> zu Konfigurationswerkzeugen mit <strong>den</strong>en gewisse Eigenschaften neuer<br />

Produkte an spezielle Kun<strong>den</strong>bedürfnisse angepasst wer<strong>den</strong> können. Die Grundüberlegung<br />

dah<strong>in</strong>ter ist die Schaffung <strong>in</strong>dividualisierbarer Produkte, um durch die<br />

Realisierung von speziellen Präferenzen der Kun<strong>den</strong>, Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>novationen zu ermöglichen.<br />

Da diese Individualisierung erst im späten Teil des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

stattf<strong>in</strong>det, ist sie hauptsächlich auf die Konfiguration bestehender Module oder<br />

Designelemente – aufgesetzt auf standardisierte Produktplattformen – beschränkt.<br />

Die eigentliche Innovation aus technischer H<strong>in</strong>sicht (und damit bezüglich der Kernkompetenz<br />

des Herstellers) passiert schon davor, nämlich im Rahmen der vorgelagerten<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>phasen des Herstellers.<br />

Instrumente zur Realisierung kun<strong>den</strong>spezifischer Konfigurationen reichen vom<br />

Plattformmanagement zur Entwicklung kostengünstiger Produktvariationen, über<br />

„Mass Customization“ vor allem <strong>in</strong> <strong>den</strong> B-2-C Märkten, (Krubasik 1988; Piller,<br />

Stotko et al. 2003) bis h<strong>in</strong> zu „User Toolkits for Innovation“ (z. B. von Hippel, Katz<br />

2002). Letztere stellen die bisher letzte Entwicklung e<strong>in</strong>es Trends dar, welcher <strong>in</strong><br />

der Verwendung neuer IT-Tools zur Unterstützung der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> liegt.<br />

Dazu wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Literatur verschie<strong>den</strong>e Ansätze beschrieben, wie neue Computeralgorithmen<br />

bzw. Softwareanwendungen genutzt wer<strong>den</strong> können. So wird die so<br />

genannte „Co-Creation“ (Prahalad, Ramaswamy 2002), die Beteiligung der Kun<strong>den</strong><br />

bei der Entwicklung ihres „eigenen“ Produktes, <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Fällen überhaupt<br />

erst durch IT-Technologie ermöglicht. Beispielsweise können Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> „Virtual<br />

Collaboration Spaces“ elektronische Abbilder physischer Produkte betrachten und<br />

kritisieren (Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002; Nambisan 2002). Die „User Toolkits<br />

for Innovation“ s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e aktuelle, noch weiter gehende Entwicklung, durch die<br />

der Kunde <strong>in</strong> die Lage versetzt wird, selbstständig e<strong>in</strong>e Serie von Entwicklungs-<br />

31


32 STAND DER FORSCHUNG<br />

kreisläufen durchzuführen, um se<strong>in</strong>e gewünschte Konfiguration herauszuf<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

(Seybold 2001; von Hippel 2001b; Thomke, von Hippel 2002). Kun<strong>den</strong> können,<br />

mithilfe IT-basierter vom Hersteller entwickelter Baukästen, ihre eigenen Produktkonfigurationen<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>es vorgegebenen Lösungsraumes kreieren. Komb<strong>in</strong>iert<br />

mit Informationen über die Eigenschaften der e<strong>in</strong>zelnen Komponenten und<br />

Module sowie über die e<strong>in</strong>schränken<strong>den</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Produktion können<br />

solche Werkzeuge kosten- und zeit<strong>in</strong>tensive Iterationsschleifen zwischen Hersteller<br />

und Kunde elim<strong>in</strong>ieren. Aufgrund der geforderten Modularisierbarkeit und<br />

Virtualisierbarkeit kommen allerd<strong>in</strong>gs nur bestimmte Märkte und Produkte für diesen<br />

revolutionären Ansatz <strong>in</strong>frage (vgl. Bill<strong>in</strong>gton 1998; Thomke, von Hippel<br />

2002).<br />

Sehr eng verwandt und bereits weiter verbreitet, meistens jedoch auf die Konsumentenmärkte<br />

(B-2-C) beschränkt, ist die „Mass Customization“. Basierend auf e<strong>in</strong>em<br />

flexiblen Produktionssystem, modularer Produktgestaltung und hoch vernetzten<br />

Konfigurationswerkzeugen wer<strong>den</strong> Endverbraucher <strong>in</strong> die Lage versetzt, ihre<br />

ganz persönlichen Produkte zusammenzustellen (Piller, Stotko et al. 2003). Adidas,<br />

e<strong>in</strong> deutscher Sportartikelhersteller, hat beispielsweise e<strong>in</strong>e erfolgreiche „My-<br />

Adidas“-Produktl<strong>in</strong>ie zur Konfiguration <strong>in</strong>dividueller Sportschuhe <strong>in</strong> <strong>den</strong> Markt<br />

e<strong>in</strong>geführt.<br />

2.2.3 Kun<strong>den</strong>orientierung<br />

Betrachtet man die E<strong>in</strong>beziehung der Kun<strong>den</strong> aus e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en, übergeordneten<br />

Perspektive, so zeigt sich, dass unter dem Begriff der Kun<strong>den</strong>orientierung e<strong>in</strong>e<br />

grundsätzliche Ausrichtung auf <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> als Klammer über <strong>den</strong> Verlauf des gesamten<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es gesehen wer<strong>den</strong> kann. Peters und Watermann (1982:<br />

157) nennen diese Grundhaltung Kun<strong>den</strong>fixierung und beschreiben sie als e<strong>in</strong><br />

sche<strong>in</strong>bar völlig übersteigertes Bemühen um Qualität, Zuverlässigkeit oder Service<br />

(„a seem<strong>in</strong>gly unjustifiable overcommitment to some form of quality, reliability, or<br />

service“). Dieser Ansatz setzt auf e<strong>in</strong>er generellen marktorientierten Grundausrichtung<br />

während des gesamten Produktlebenszyklusses auf und verlangt e<strong>in</strong>e spezielle<br />

Geisteshaltung des Herstellers. Aufgrund dieser Grundcharakteristiken wird Kun<strong>den</strong>orientierung<br />

zur notwendigen Voraussetzung aller anderen Ausprägungen der<br />

E<strong>in</strong>beziehung von Kun<strong>den</strong>. Im Unterschied zu diesen liegt der Fokus bei der generellen<br />

Kun<strong>den</strong>orientierung allerd<strong>in</strong>gs auf traditionellen Geschäftszielen und nicht<br />

primär auf Aspekten der Produkt<strong>in</strong>novation. Ganz deutlich wird dies am umfassen<strong>den</strong><br />

Beziehungsmarket<strong>in</strong>gansatz <strong>in</strong> B-2-B-Märkten (vgl. Krapfel Jr., Salmond et al.<br />

1991; Belz 1998; Kotler 1999; Belz, Müllner et al. 2004; Diller, Ivens 2004).


ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS<br />

Homburg (2000) hat das Konstrukt Kun<strong>den</strong>nähe detailliert untersucht und herausgefun<strong>den</strong>,<br />

dass es aus <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Säulen der Kun<strong>den</strong>nähe im Leistungsangebot sowie<br />

der Kun<strong>den</strong>nähe des Interaktionsverhaltens aufgebaut ist. Kun<strong>den</strong>beziehungsmanagement<br />

(CRM) stellt e<strong>in</strong>e im stetigen Wachstum begriffene IT-gestützte Manifestation<br />

dieses Ansatzes dar (vgl. z.B. Gibbert, Leibold et al. 2002; Rapp 2002; Alt,<br />

Puschmann et al. 2005). Durch gezielte Aufbereitung kun<strong>den</strong>bezogener Informationen<br />

wird e<strong>in</strong> enger Kun<strong>den</strong>kontakt über die gesamte Wertschöpfungskette e<strong>in</strong>es<br />

Produktes ermöglicht. Neben dieser direkten Verb<strong>in</strong>dung zu e<strong>in</strong>zelnen Kun<strong>den</strong> bzw.<br />

Kun<strong>den</strong>gruppen, kann auf e<strong>in</strong>er übergeordneten strategischen Ebene die so genannte<br />

Marktorientierung unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Betrachtet man dieses Konstrukt genauer,<br />

so zeigt sich se<strong>in</strong>e übergeordnete Bedeutung für alle Market<strong>in</strong>gaktivitäten.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell beruht Marktorientierung auf dem Niveau auf dem (1) Geschäftse<strong>in</strong>heiten<br />

Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>formationen erlangen und verwen<strong>den</strong>, (2) e<strong>in</strong>en auf diesen Informationen<br />

basieren<strong>den</strong> strategischen Plan entwickeln und (3) diesen Plan implementieren,<br />

um auf Kun<strong>den</strong>wünsche zu reagieren (Ruekert 1992). Alle Stammkun<strong>den</strong>loyalitätsprogramme<br />

stellen Umsetzungen dieser Gedanken dar. Lufthansa, die grösste<br />

deutsche Flugl<strong>in</strong>ie, offeriert beispielsweise e<strong>in</strong> sehr erfolgreiches Vielfliegerprogramm<br />

namens „Miles & More“. Für die Flugl<strong>in</strong>ie liegt der Nutzen dabei im<br />

engen Kontakt zu ihren wichtigsten und treuesten Kun<strong>den</strong>, welche sie gleichzeitig,<br />

der Grundidee aller Stammkun<strong>den</strong>karten folgend, an sich b<strong>in</strong>det. Den Kun<strong>den</strong> bietet<br />

die Programmteilnahme e<strong>in</strong>erseits das Gefühl e<strong>in</strong>er erhöhten Wertschätzung durch<br />

Lufthansa und andererseits gezielte Informations- und Servicevorteile.<br />

2.2.4 <strong>Frühe</strong> <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Kern der Innovationsfrühphase und <strong>den</strong> dort<br />

angesiedelten Potenzialen e<strong>in</strong>er <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Ähnlich wie die frühe Integration<br />

der Zulieferer auf der Seite des Beschaffungsmarktes, wird nun für die nachgelagerte<br />

Seite der Wertschöpfungskette das Konstrukt der frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

(im Folgen<strong>den</strong> kurz frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> genannt) für die Integration<br />

von Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> frühen <strong>Innovationsprozess</strong> e<strong>in</strong>geführt. Dieses def<strong>in</strong>iert sich<br />

durch drei Hauptcharakteristika:<br />

Integration von Kun<strong>den</strong>, Kun<strong>den</strong> der Kun<strong>den</strong> oder Intermediären zum Kun<strong>den</strong><br />

(d. h. aller Partner der nachgelagerten Wertschöpfungsseite)<br />

<strong>in</strong> die Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es (das so genannte Fuzzy Front<br />

End FFE),<br />

33


34 STAND DER FORSCHUNG<br />

ausgezeichnet durch e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Rolle des Kun<strong>den</strong> und damit e<strong>in</strong>e Interaktivität<br />

(im Gegensatz zu <strong>den</strong> meisten anderen Metho<strong>den</strong> und Ansätzen der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

im Verlaufe des <strong>Innovationsprozess</strong>es).<br />

Hersteller betreiben frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, um die Leistung ihres <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

mithilfe ausgewählter Kun<strong>den</strong> zu verbessern. Das übergeordnete Integrationsziel<br />

liegt dabei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Erzielung besserer Innovationsresultate durch e<strong>in</strong>e Erhöhung<br />

von Prozesseffektivität und -effizienz. Das Ergebnis stellen Ideen mit höherem<br />

Markt- und Geschäftspotenzial dar (vgl. von Hippel 1988; Lilien, Morrison<br />

et al. 2002; Lettl 2004). 5<br />

Der bekannte Lead-User-Ansatz von von Hippel (1976; 1977; 1988) fällt unter diese<br />

Def<strong>in</strong>ition (siehe Abschnitte 2.1.1 und 5.2.2). Im Gegensatz zu <strong>den</strong> oben beschriebenen<br />

Herangehensweisen, welche vor allem auf das Wissen über <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong><br />

konzentriert s<strong>in</strong>d, spielt für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> das Wissen des Kun<strong>den</strong><br />

die Hauptrolle. Das dah<strong>in</strong>ter liegende Rational ist e<strong>in</strong>e Integration der Kun<strong>den</strong><br />

durch die Übertragung spezieller Anteile am <strong>Innovationsprozess</strong> – und damit am<br />

Wissensgenerierungsprozess – auf <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>. Dieser wird dadurch zu e<strong>in</strong>em <strong>aktive</strong>n<br />

Mitspieler bei der Innovationsentstehung. Die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> deckt<br />

alle Phasen der Innovationsfrühphase 6 ab und zeigt verschie<strong>den</strong>e Ausprägungen,<br />

welche sich durch verschie<strong>den</strong>e Kun<strong>den</strong>beiträge und<br />

-rollen auszeichnen sowie spezielle Aktivitäten des Herstellers verlangen.<br />

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird von <strong>den</strong> grundsätzlichen Möglichkeiten der<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>beziehung nur mehr die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> betrachtet. Zur Präzisierung<br />

der E<strong>in</strong>ordnung dieser Untersuchung wird im nächsten Schritt neben dem<br />

Verlauf des <strong>Innovationsprozess</strong>es die Kun<strong>den</strong>aktivität als zweiter Gliederungsparameter<br />

e<strong>in</strong>geführt.<br />

Gliederungsmerkmal Grad der Kun<strong>den</strong>aktivität<br />

Die Frage <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>bezogener Kunde e<strong>in</strong>e passive oder <strong>aktive</strong> Rolle e<strong>in</strong>nimmt,<br />

ist wesentlich für e<strong>in</strong>e genauere Betrachtung der verschie<strong>den</strong>en Grundtypen<br />

der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung. Biemans (1992) schlägt vor, das Ausmass der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

als Kont<strong>in</strong>uum darzustellen, welches von e<strong>in</strong>er nicht <strong>in</strong>ter<strong>aktive</strong>n Beziehung<br />

zu e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Durchführung von Aktivitäten reicht. In ähnlicher Wei-<br />

5 Der Begriff Idee wird hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en, umfassen<strong>den</strong> Bedeutung verwendet und nicht als Ergebnis<br />

e<strong>in</strong>es speziellen Ideengenerierungsabschnittes der Innovationsfrühphase.<br />

6 Siehe zu verschie<strong>den</strong>en Modellen der Frühphase beispielsweise Bacon und Beckman (1994), Khurana und<br />

Rosenthal (1997), Kim und Wilemon (2002) oder Herstatt und Verworn (2003). Für diese Arbeit wurde<br />

das Modell von Koen, Ajamian et al. (2001) als Grundlage gewählt (vgl. hierzu Abschnitt 5.1.3).


ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS<br />

se betrachten Athaide und Stump (1999) Produktentwicklungspartnerschaften für<br />

neue Produkte mit Kun<strong>den</strong> zwischen zwei Extrempolen, nämlich <strong>den</strong> e<strong>in</strong>seitig vom<br />

Verkäufer geführten Interaktionen und <strong>den</strong> zweiseitigen Kooperationen. Das niedrigste<br />

Niveau der Beteiligung von Kun<strong>den</strong> zeichnet sich durch niedriges Commitment<br />

von bei<strong>den</strong> Seiten aus, während e<strong>in</strong>e zweiseitige Produktentwicklungspartnerschaft<br />

e<strong>in</strong> starkes Commitment beider Seiten zum Entwicklungsprojekt be<strong>in</strong>haltet.<br />

Der Hersteller kann also als übergeordnetes Ziel der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>erseits<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige Informationsbeschaffung oder aber andererseits e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Beteiligung<br />

des Kun<strong>den</strong> am <strong>Innovationsprozess</strong> anstreben.<br />

Basierend auf diesen Überlegungen wird zunächst der übergeordnete Begriff Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

e<strong>in</strong>geführt. Unter Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung sollen, im weitesten S<strong>in</strong>ne aufgefasst,<br />

alle Aktivitäten verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, welche zu e<strong>in</strong>er Bee<strong>in</strong>flussung des<br />

Entwicklungs- bzw. <strong>Innovationsprozess</strong>es durch Wissen über sowie von Kun<strong>den</strong><br />

oder durch direkte Kun<strong>den</strong>beiträge im Rahmen geme<strong>in</strong>samer Aktivitäten führen.<br />

E<strong>in</strong>e Ebene darunter wer<strong>den</strong> je nach Aktivitätsgrad des e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong> drei<br />

Grundtypen unterschie<strong>den</strong> – Kun<strong>den</strong>beobachtung, Kun<strong>den</strong>beteiligung und <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

7<br />

Die Kun<strong>den</strong>beobachtung, mit dem ger<strong>in</strong>gsten Grad an Kun<strong>den</strong>aktivität, zielt auf e<strong>in</strong><br />

besseres Verständnis der Marktseite, um daraus bessere Entwicklungsvorgaben ableiten<br />

zu können. Dem Kun<strong>den</strong> fällt dabei e<strong>in</strong>e ausschliesslich passive Rolle zu, se<strong>in</strong>e<br />

Loyalität kann, falls überhaupt, nur durch Kun<strong>den</strong>b<strong>in</strong>dungsprogramme sichergestellt<br />

wer<strong>den</strong>. Diese Arten der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung wird beispielsweise durch das<br />

Anlegen von Datenbanken mit Verkaufsdaten betrieben.<br />

Als zweite Form hat sich die Kun<strong>den</strong>beteiligung etabliert. Ziel dabei ist es, die<br />

Kun<strong>den</strong> direkt <strong>in</strong> Form von Befragungen, Interviews oder Anwendungsstudien zu<br />

<strong>in</strong>volvieren und dadurch die gewünschten Informationen zu erhalten. Die Kun<strong>den</strong><br />

agieren noch immer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er passiven Rolle, auch wenn sie an der Bereitstellung der<br />

Informationen beteiligt s<strong>in</strong>d. Die Initiative geht aber nach wie vor ausschliesslich<br />

vom Hersteller aus, sodass noch nicht von e<strong>in</strong>er wirklichen Partnerschaft gesprochen<br />

wer<strong>den</strong> kann. E<strong>in</strong> Beispiel für die Betrachtung des Anwendungsumfeldes e<strong>in</strong>es<br />

Produktes ist die von Leonard und Rayport (1997) unter dem Begriff „Empathic<br />

Design“ vorgeschlagene Methode. 8 Die Vorteile liegen <strong>in</strong> genaueren Vorgaben für<br />

die Produktentwicklung und e<strong>in</strong>er erhöhten Kun<strong>den</strong>loyalität, da die – im S<strong>in</strong>ne der<br />

7 Diese Def<strong>in</strong>itionen wur<strong>den</strong> zur besseren Verständlichkeit aufgestellt. Entsprechend der Fokussierung dieser<br />

Arbeit wird im weiteren Verlauf entweder der Übergriff Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung im allgeme<strong>in</strong>en Zusammenhang<br />

oder die spezifische Bezeichnung <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> verwendet.<br />

8 Siehe dazu auch die Literaturübersicht <strong>in</strong> Abschnitt 2.1.<br />

35


36 STAND DER FORSCHUNG<br />

vorliegen<strong>den</strong> Arbeit immer noch passive – Rolle des Kun<strong>den</strong> durch se<strong>in</strong>e direkte<br />

Ansprache aufgewertet wird. Das Qualitiy Function Deployment (QFD) verkörpert<br />

ebenfalls dieses Rational. Es zielt darauf ab, die Produktqualität durch e<strong>in</strong>e möglichst<br />

gute Übersetzung der Kun<strong>den</strong>wünsche <strong>in</strong> die Sprache der Entwicklungsabteilung<br />

zu erhöhen (vgl. Hauser, Claus<strong>in</strong>g 1988; Griff<strong>in</strong>, Hauser 1993; Schmidt 1996;<br />

Herrmann, Huber et al. 2000).<br />

Ziel dieser Arbeit ist es, die dritte Möglichkeit der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>beziehung, die<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> näher zu betrachten. Der wesentliche Unterschied zu <strong>den</strong> bei<strong>den</strong><br />

ersten Konzepten ist die nun <strong>aktive</strong> Rolle des Kun<strong>den</strong>. Der Hersteller setzt sich zum<br />

Ziel, diesen Rollenwechsel se<strong>in</strong>er Kun<strong>den</strong> zu realisieren, um dadurch deren<br />

Wissenspotenzial zu aktivieren und sie als „Mit-Entwickler“ <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

zu <strong>in</strong>tegrieren. Bei dieser Form kommt es auf der Suche nach besseren,<br />

<strong>in</strong>novativeren Produkten zu e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Wertschöpfung mit dem Kun<strong>den</strong>.<br />

Zusätzlich steigt mit der neuen Rolle auch die Zufrie<strong>den</strong>heit derartig e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>er<br />

Kun<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e Gegenüberstellung dieser drei Möglichkeiten der E<strong>in</strong>beziehung von Kun<strong>den</strong><br />

zeigt Tabelle 2.


ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS<br />

Kun<strong>den</strong>beobachtung Kun<strong>den</strong>beteiligung <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Grundsatz Je mehr man über se<strong>in</strong>en<br />

Kun<strong>den</strong> weiss, desto besser<br />

kann man für ihn entwickeln!<br />

Grundpr<strong>in</strong>zip Datensammlung über<br />

Kun<strong>den</strong>bedürfnisse und<br />

Kaufverhalten<br />

Ziele Besseres Verständnis der<br />

Marktseite; die Erstellung<br />

e<strong>in</strong>es möglichst scharfen<br />

Bildes des Zielkun<strong>den</strong><br />

Informationsquellen<br />

Rolle des<br />

Kun<strong>den</strong><br />

Rolle des<br />

Herstellers<br />

Datenbanken, Verkaufsdaten<br />

Passive Rolle; Empfänger<br />

des Produktes<br />

Versuch, Kun<strong>den</strong>loyalität<br />

sicherzustellen<br />

Stärken Verständnis des vergangenen<br />

Kun<strong>den</strong>verhaltens<br />

Schwächen Nur <strong>in</strong>direkte Informationen<br />

bergen Gefahr von<br />

Fehl<strong>in</strong>terpretationen<br />

Da der Kun<strong>den</strong>wunsch<br />

das höchste Entwicklungsziel<br />

ist, muss man<br />

<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> direkt nach<br />

se<strong>in</strong>en Bedürfnissen fragen!<br />

Kun<strong>den</strong>wünsche,<br />

-bedürfnisse und<br />

-vorlieben wer<strong>den</strong> direkt<br />

abgefragt<br />

Die Stimme des Kun<strong>den</strong><br />

zu hören; Entdeckung<br />

versteckter Bedürfnisse<br />

durch Betrachtung der<br />

Produktverwendung<br />

Interviews, Umfragen,<br />

Ton- und Videoaufzeichnungen<br />

Noch immer passive, aber<br />

wichtige Rolle als Informationsquelle<br />

Auswahl geeigneter Kun<strong>den</strong><br />

und falls vorteilhaft<br />

Aufbau langfristiger Beziehungen<br />

Genauere Produktentwicklung;<br />

erhöhte Kun<strong>den</strong>loyalität<br />

Erfahrungshorizont des<br />

durchschnittlichen Kun<strong>den</strong><br />

ist beschränkt<br />

37<br />

Aktiviere implizites Wissen<br />

und versteckte Bedürfnisse<br />

durch e<strong>in</strong>e Öffnung<br />

des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

für <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>!<br />

Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> zu „Mit-<br />

Entwicklern“ und ihr volles<br />

Wissenspotenzial genutzt.<br />

Geme<strong>in</strong>same Wertschöpfung<br />

durch Zusammenarbeit<br />

mit dem Kun<strong>den</strong><br />

Wissen, Kreativität und<br />

Erfahrung des Kun<strong>den</strong><br />

Aktive Rolle; Partner im<br />

Wertschöpfungsprozess<br />

Rollenwechsel durch Emanzipation<br />

weg vom<br />

Produktempfänger h<strong>in</strong><br />

zum <strong>aktive</strong>n „Mit-<br />

Entwickler“<br />

Bessere, <strong>in</strong>novativere<br />

Produkte mit verkürzter<br />

Time-to-Market; erhöhte<br />

Kun<strong>den</strong>zufrie<strong>den</strong>heit<br />

durch <strong>aktive</strong> Rolle<br />

Risiko des Kompetenzverlustes<br />

des Herstellers<br />

Tabelle 2: Charakteristika unterschiedlicher Formen der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> der<br />

Innovationsfrühphase<br />

E<strong>in</strong>e nähere Betrachtung der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zeigt drei pr<strong>in</strong>zipielle Ausprägungen:<br />

Ausschliesslich vom Produzenten getrieben s<strong>in</strong>d die ungerichteten Hersteller<strong>in</strong>itiativen<br />

(z. B. Ernst, Schnoor 2000). Ziel ist es, <strong>aktive</strong> Kun<strong>den</strong>reaktionen, wie


38 STAND DER FORSCHUNG<br />

Feedback oder Innovationsideen zu <strong>in</strong>itiieren. Hersteller können beispielsweise<br />

Produkte auf Messen vorab ankündigen, welche noch gar nicht bzw. noch nicht<br />

komplett, entwickelt wur<strong>den</strong>. Im Dialog mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> dabei Informationen<br />

generiert, um die Entscheidung über e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung zu treffen bzw.<br />

deren Verlauf zu ändern. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Kun<strong>den</strong> direkt nach<br />

ihren Innovationsideen zu fragen. Dies kann beispielsweise über e<strong>in</strong>e Internetplattform<br />

erfolgen, welche es <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> ermöglicht, Ideen und Produktvorschläge an<br />

<strong>den</strong> Hersteller zu sen<strong>den</strong>. Wesentliche Fragen, welche unter anderem dabei gelöst<br />

wer<strong>den</strong> müssen, s<strong>in</strong>d solche nach dem geistigen Eigentum. Manche Firmen, beispielsweise<br />

der amerikanische Werkzeughersteller DeWalt, verlangen die Zusendung<br />

e<strong>in</strong>er gefaxten Verzichtserklärung, bevor sie Ideen auf dem elektronischen<br />

Weg akzeptieren. Alle Vorgehensweisen dieses Konzeptes haben geme<strong>in</strong>sam, dass<br />

e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Teilnahme vonseiten des Kun<strong>den</strong> notwendig ist, diese jedoch nicht gezielt<br />

ausgewählt wer<strong>den</strong>. Die Interaktions<strong>in</strong>tensität ist typischerweise niedrig und<br />

das übermittelte Wissen be<strong>in</strong>ahe ausschliesslich expliziter Natur.<br />

Auf der Seite der kun<strong>den</strong>getriebenen Ausprägungen stellen spontane Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>itiativen<br />

die e<strong>in</strong>fachste Form dar. Dabei handelt es sich um Beschwer<strong>den</strong> oder Anregungen,<br />

welche e<strong>in</strong> Kunde ohne direkten Anstoss durch <strong>den</strong> Hersteller an diesen<br />

übermittelt. Alle gängigen Kommunikationswege können dafür genutzt wer<strong>den</strong>.<br />

Auch hier handelt es sich um e<strong>in</strong>e Interaktion niedriger Intensität, da <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten<br />

Fällen nur e<strong>in</strong>malige, kurze Kontakte zwischen Kunde und Hersteller bestehen. Aus<br />

der Sicht des Herstellers ist die Frage der Verwertbarkeit dieser Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>puts für<br />

<strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> <strong>in</strong>teressant, steht allerd<strong>in</strong>gs nicht im Fokus der vorliegen<strong>den</strong><br />

Arbeit.<br />

Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf der dritten Form der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, der<br />

auf persönliche Interaktion abzielen<strong>den</strong> gerichteten Hersteller<strong>in</strong>itiative. Diese geht<br />

auf e<strong>in</strong>e Initiative des Herstellers zurück und spricht im Gegensatz zur<br />

ungerichteten Initiative gezielt e<strong>in</strong>zelne Kun<strong>den</strong> an. Es wer<strong>den</strong> die zu e<strong>in</strong>er<br />

anstehen<strong>den</strong> Problemlösung passen<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> gesucht und <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Problemlösungsprozess <strong>in</strong>tegriert. Dies kann beispielsweise durch die Lead-User-<br />

Methode erfolgen, bei der Kun<strong>den</strong>, welche <strong>den</strong> entsprechen<strong>den</strong> von von Hippel<br />

(1986) beschriebenen Kriterien genügen, ausgewählt und zu speziellen Workshops<br />

e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Es kommt zu e<strong>in</strong>er hohen Interaktions<strong>in</strong>tensität und <strong>in</strong> vielen<br />

Fällen zum Austausch sowohl von implizitem als auch explizitem Wissen (z. B. <strong>in</strong><br />

Form von Berechnungen oder Prototypen).<br />

Die vorhergehen<strong>den</strong> Ausführungen zu <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Gliederungsebenen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Abbildung<br />

6 zusammengefasst.


ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS<br />

Aktivität des Kun<strong>den</strong><br />

Ausrichten<br />

der Wertschöpfung<br />

nach <strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong><br />

Aktive Kun<strong>den</strong>teilnahme<br />

an an der der<br />

Wertschöpfung<br />

Kun<strong>den</strong>beobachtung<br />

Kun<strong>den</strong>beteiligung<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><strong>in</strong>tegration<br />

Innovationsfrühphase<br />

Marktforschung<br />

<strong>Frühe</strong><br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

<strong>Innovationsprozess</strong><br />

<strong>Innovationsprozess</strong><br />

<strong>Innovationsprozess</strong><br />

Entwicklung<br />

Kun<strong>den</strong>orientierung<br />

E<strong>in</strong>fluss auf das Innovationsergebnis<br />

Kun<strong>den</strong>spezifische<br />

Konfiguration<br />

Abbildung 6: E<strong>in</strong>ordnung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Kommerzialisierung<br />

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird nur mehr der Bereich der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

betrachtet. Dabei wird e<strong>in</strong> spezieller Fokus auf die Ziele und Erwartungen<br />

gelegt, welche e<strong>in</strong>en Hersteller dazu motivieren, frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu betreiben.<br />

Es wird gezeigt, dass abhängig vom jeweiligen Herstellerziel spezifische Rollen<br />

der <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> resultieren. Diese Schwerpunktsetzung liefert zunächst<br />

e<strong>in</strong>e Struktur für die folgen<strong>den</strong> Überlegungen, vor allem aber leistet sie e<strong>in</strong>en Beitrag<br />

zur Schliessung e<strong>in</strong>er Lücke der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sforschung. Bisherige Arbeiten<br />

mit Fokus auf die durch <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu erwarten<strong>den</strong> Ergebnisse betrachten<br />

diese Resultate meist auf e<strong>in</strong>er übergeordneten unspezifischen Ebene, ohne<br />

die Verb<strong>in</strong>dung zu <strong>den</strong> resultieren<strong>den</strong> Rollen der Kun<strong>den</strong> und <strong>den</strong> Implikationen für<br />

die Praxis herzustellen. Es wird gezeigt, dass Herstellerziele und Kun<strong>den</strong>rollen wesentliche<br />

Faktoren der Ausformung und des Managements erfolgreicher früher<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> darstellen.<br />

2.3 Zusammenfassung<br />

Diese Arbeit ist im Bereich des strategischen F&E-Managements angesiedelt und<br />

beschäftigt sich im Speziellen mit <strong>den</strong> Forschungsfeldern Innovationsmanagement<br />

39


40 STAND DER FORSCHUNG<br />

(Management der frühen Innovationsphasen), Neuproduktentwicklung und marktorientierte<br />

F&E. Darüber h<strong>in</strong>aus wird der Forschung über Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

F&E-Prozess besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dieses Feld stellt ke<strong>in</strong>en geschlossenen<br />

Bereich dar, sondern wird von Vertretern aller oben erwähnten Bereiche<br />

sowie zusätzlich des Market<strong>in</strong>gs erforscht.<br />

Betrachtet man speziell die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die frühen Phasen des <strong>Innovationsprozess</strong>es,<br />

so kann festgestellt wer<strong>den</strong>, dass bisherige Untersuchungen zu dieser<br />

Thematik erhebliche Defizite aufweisen. Ziel dieser Forschungsarbeit ist es, diese<br />

Defizite zu thematisieren und für ausgewählte Fragestellungen zu ihrer Überw<strong>in</strong>dung<br />

beizutragen.<br />

So behandeln die meisten Arbeiten das Thema der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung im grösseren<br />

Blickw<strong>in</strong>kel der Kun<strong>den</strong>- bzw. Marktorientierung. Dabei ist e<strong>in</strong>e starke Dom<strong>in</strong>anz<br />

der Market<strong>in</strong>gperspektive festzustellen. Es wer<strong>den</strong> Ansätze behandelt, welche über<br />

die Kanäle der Market<strong>in</strong>gorganisation e<strong>in</strong> noch besseres Verständnis der Kun<strong>den</strong>wünsche<br />

und -bedürfnisse ermöglichen sollen, um danach die Entwicklung neuer<br />

Produkte entsprechend ausrichten zu können. Mit diesem H<strong>in</strong>tergrund wird auch die<br />

Schnittstelle zwischen F&E-Abteilung und Market<strong>in</strong>g behandelt, jedoch <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

meisten Fällen, ohne auf e<strong>in</strong>en direkten Kontakt zwischen Kun<strong>den</strong> und F&E-<br />

Mitarbeitern des Herstellers e<strong>in</strong>zugehen.<br />

Betrachtet man die Arbeiten zur Neuproduktentwicklung, so ist e<strong>in</strong> Fokus auf <strong>den</strong><br />

firmen<strong>in</strong>ternen Entwicklungsprozess festzustellen. Es existiert e<strong>in</strong>e Vielzahl an verschie<strong>den</strong>en<br />

E<strong>in</strong>teilungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelne Phasen, wobei die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung Externer im<br />

Verlaufe der Entwicklung bisher vernachlässigt wor<strong>den</strong> ist. Dies gilt im Besonderen<br />

für die frühen Phasen des <strong>Innovationsprozess</strong>es, wo die Thematik e<strong>in</strong>er über die<br />

klassische Marktorientierung h<strong>in</strong>ausgehen<strong>den</strong> Öffnung gegenüber firmenfrem<strong>den</strong><br />

Partnern – mit Ausnahme der Arbeiten von Hippels – erst <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Jahren stärkeren<br />

E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Managementforschung gefun<strong>den</strong> hat.<br />

E<strong>in</strong>ige Beiträge der Innovationsliteratur konzentrieren sich auf das Ergebnis der<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung Externer <strong>in</strong> <strong>den</strong> Entwicklungsprozess. Dabei wer<strong>den</strong> Erfolgsfaktoren<br />

der Integration von Kun<strong>den</strong> untersucht, welche zu besseren bzw. <strong>in</strong>novativeren<br />

Produkten führen sollen. Die bestehen<strong>den</strong> Arbeiten betrachten aber weder die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Gestaltungselemente noch das Management der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung. Sie fokussieren<br />

meistens auch auf ke<strong>in</strong>e spezielle Phase der Neuproduktentwicklung und<br />

gehen nicht auf die Besonderheiten der Frühphase e<strong>in</strong>, welche zwar <strong>in</strong> ihrer Bedeutung<br />

für <strong>den</strong> Innovationserfolg unbestritten ist, oft aber nicht für die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

empfohlen wird.


ZUSAMMENFASSUNG<br />

Zahlreiche Beiträge behandeln e<strong>in</strong>zelne Metho<strong>den</strong> der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung und beschreiben<br />

deren Durchführung, Erfolgsfaktoren und Beschränkungen, ohne aber<br />

zwischen verschie<strong>den</strong>en Industrien und Anwendungen zu unterschei<strong>den</strong>. In e<strong>in</strong>er<br />

ähnlichen Weise wie bei <strong>den</strong> ergebnisorientierten Arbeiten fehlen auch hier zumeist<br />

Betrachtungen der Managementaspekte der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

Als Grundlage der empirischen Untersuchung der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit wur<strong>den</strong> aus<br />

<strong>den</strong> relevanten Literaturströmen die wichtigsten strategischen Grundlagen erfolgreicher<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ermittelt, welche <strong>in</strong> Abbildung 7 zusammengefasst s<strong>in</strong>d.<br />

41


42 STAND DER FORSCHUNG<br />

Hersteller<strong>in</strong>terne Grundlagen<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit<br />

Strategie<br />

Verstehen der Bedürfnisse<br />

Schnittstelle F&E/Market<strong>in</strong>g<br />

Organisatorischer<br />

Lernprozess<br />

Grundlagen des<br />

Integrationsprozesses<br />

Kompatibilität der Kulturen<br />

Entwicklung klarer Ziele<br />

Passende Strukturen<br />

Form der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

Beziehungsvariablen<br />

Kommunikation<br />

Räumliche Dimension<br />

Controll<strong>in</strong>g und Audit<strong>in</strong>g<br />

Kun<strong>den</strong>bezogene Grundlagen<br />

Relative Grösse<br />

F<strong>in</strong>anzielle Attraktivität<br />

Ruf<br />

Wissen und Fähigkeiten<br />

Motivation<br />

Vergangene Erfahrungen<br />

Abbildung 7: Strategische Grundlagen der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

E<strong>in</strong>e nähere Untersuchung der <strong>in</strong> der Praxis auftreten<strong>den</strong> Ausprägungen der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

<strong>in</strong> die frühe Innovationsphase, der jeweiligen Voraussetzungen sowie<br />

des Managements der Integration wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> bisherigen Untersuchungen<br />

bislang allerd<strong>in</strong>gs vernachlässigt, obwohl e<strong>in</strong>e zunehmende Anzahl an Unternehmen<br />

e<strong>in</strong>e derartige Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es bereits vollzogen hat oder im<br />

Begriff steht, sie zu realisieren. Darüber h<strong>in</strong>aus wer<strong>den</strong> theoretisch fundierte Handlungsempfehlungen<br />

für das Management vermisst. Da empirische Untersuchungen<br />

zum Management der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> der Innovationsfrühphase bislang fehlen,<br />

existiert auch noch ke<strong>in</strong> umfassendes Gestaltungsmodell.<br />

Zusammenfassend kann man also umfangreiche Defizite auf dem Gebiet der frühen<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung mit Fokus auf spezielle Industrien, beispielsweise die Investiti-


ZUSAMMENFASSUNG<br />

onsgüterbranche, feststellen. Da gerade diese Fragestellungen durch die <strong>in</strong> der heutigen<br />

Zeit notwendige Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es hohe Relevanz aufweisen,<br />

versucht diese Arbeit, diese Defizite aufzugreifen und mittels eigener Ansätze <strong>in</strong><br />

gewissen Bereichen zu überw<strong>in</strong><strong>den</strong>. Dazu wird das effektive und effiziente Management<br />

früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> näher betrachtet. Dabei wird e<strong>in</strong> spezieller Fokus<br />

auf die Ziele gelegt, welche der Hersteller mit der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> verfolgt sowie<br />

auf die daraus folgen<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>beiträge und -rollen. Darauf aufbauend wer<strong>den</strong> relevante<br />

Gestaltungsfaktoren für die Organisation und das Management der frühen<br />

und <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> i<strong>den</strong>tifiziert und e<strong>in</strong> konzeptionelles Managementmodell<br />

als Grundlage konkreter Gestaltungsempfehlungen erstellt.<br />

Im nächsten Kapitel wer<strong>den</strong> zunächst vier explorative Fallstudien erfolgreicher früher<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> behandelt, welche sowohl die Relevanz der Fragestellungen<br />

aufzeigen als auch die Ableitung erfolgreicher Lösungsansätze ermöglichen.<br />

43


44 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

3 Fallstudien der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Der qualitative Forschungsansatz dieser Arbeit ermöglicht E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> das Phänomen<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> sowie <strong>den</strong> Aufbau e<strong>in</strong>es tiefer gehen<strong>den</strong> Verständnisses<br />

derselben. Dazu wer<strong>den</strong> vier Fallstudien beschrieben und analysiert.<br />

Beg<strong>in</strong>nend mit e<strong>in</strong>er Aufstellung der für die Auswahl relevanten Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

wer<strong>den</strong> im Folgen<strong>den</strong> die e<strong>in</strong>zelnen Fälle anhand e<strong>in</strong>es Analyserasters dargestellt<br />

und h<strong>in</strong>sichtlich relevanter Grundlage der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ausgewertet.<br />

E<strong>in</strong> abschliessender detaillierter Fallstudienvergleich ermöglicht dann die Aufstellung<br />

von Determ<strong>in</strong>anten und Gestaltungsfeldern. Daneben wer<strong>den</strong> auch H<strong>in</strong>weise<br />

auf die konkreten Ausprägungen dieser Felder für erfolgreiche frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

gewonnen. Diese Erkenntnisse bil<strong>den</strong> die Basis für die vertiefen<strong>den</strong> Betrachtungen<br />

der folgen<strong>den</strong> Abschnitte sowie die Herleitung der Gestaltungsempfehlungen.<br />

3.1 Geme<strong>in</strong>samkeiten und Auswahlkriterien<br />

Die Auswahl der Fallstudien erfolgte mit der Intention, Erkenntnisse über das erfolgreiche<br />

Management der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> die frühen Innovationsphasen zu<br />

gew<strong>in</strong>nen. Dabei lag das Hauptaugenmerk neben der pr<strong>in</strong>zipiellen Vergleichbarkeit<br />

der jeweiligen <strong>Innovationsprozess</strong>e und e<strong>in</strong>er hohen Innovationsfähigkeit auf der erfolgreichen<br />

Integration von Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> die Innovationsfrühphase.<br />

Die grundsätzliche Vergleichbarkeit der ausgewählten <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesse<br />

kann auf Basis der folgen<strong>den</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten angenommen wer<strong>den</strong>. Zunächst<br />

wur<strong>den</strong> alle vier Unternehmen aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen europäischen Kulturkreis<br />

ausgewählt, gemäss der Annahme, dass die Firmenkultur bzw. der Kulturkreis der<br />

betrachteten E<strong>in</strong>heit die Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> mitbestimmt. Grundsätzliche<br />

Unterschiede zwischen westlicher und fernöstlicher Managementpraxis konnten<br />

so ausgeklammert wer<strong>den</strong>. Alle betrachteten Firmen haben ihren Firmensitz <strong>in</strong><br />

Deutschland, Österreich oder Liechtenste<strong>in</strong> und damit im deutschsprachigen Raum.<br />

Ausserdem s<strong>in</strong>d alle ausgewählten Unternehmen Innovationsführer <strong>in</strong> ihren Märkten<br />

bzw. Marktsegmenten und unternehmen grosse Anstrengungen, diese Position<br />

auch <strong>in</strong> Zukunft zu halten. E<strong>in</strong>e derartige Innovationsführerstrategie unterscheidet<br />

sich wesentlich von der Strategie e<strong>in</strong>es „Followers“. So orientiert sich Letztere vor<br />

allem am Wettbewerb, während Erstere verstärkt <strong>in</strong>novative Kun<strong>den</strong> als e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Innovationsquelle betrachtet (z. B. Specht, Zörgiebel 1985; Schewe 2005).<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus wer<strong>den</strong> im Branchenschnitt überdurchschnittlich hohe Umsatzanteile<br />

für die F&E-Aktivitäten aufgewendet. Bezüglich der Branchen erfolgte e<strong>in</strong>e Fo-


GEMEINSAMKEITEN UND AUSWAHLKRITERIEN<br />

kussierung auf Masch<strong>in</strong>enbau, Chemie und Elektrotechnik, die h<strong>in</strong>sichtlich der Phasen,<br />

Dauer und Produktcharakteristika der F&E- und <strong>Innovationsprozess</strong>e vergleichbar<br />

s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> wesentliches Selektionskriterium war die Tätigkeit <strong>in</strong> B-2-B-<br />

Märkten. Dies bedeutet, dass die <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> allen Fällen ebenfalls Unternehmen<br />

und ke<strong>in</strong>e Privatpersonen bzw. Konsumenten s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> wesentliches<br />

Charakteristikum dieser Märkte ist der Umstand, dass die meisten wesentlichen<br />

E<strong>in</strong>kaufsentscheidungen über professionelle „Buy<strong>in</strong>g Center“ des Kun<strong>den</strong> abgewickelt<br />

wer<strong>den</strong> (vgl. z. B. Backhaus 2003).<br />

Die Erstellung und Analyse der Fallstudien erfolgte primär aus Sicht der F&E-<br />

Abteilung. Als Ansprechpartner wur<strong>den</strong> daher Chief Technology Officer (CTO),<br />

F&E-Manager, Ingenieure oder Leiter spezieller Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungsgruppen auf<br />

Seite des Produktmanagements ausgewählt.<br />

Struktur der Datenerhebung und Falldarstellung<br />

Zur Erhebung der Daten und der ersten Analyse der E<strong>in</strong>zelfälle wurde e<strong>in</strong> Raster<br />

erstellt, welches Elemente aus zweierlei Quellen enthält. Zunächst wur<strong>den</strong> die<br />

ersten explorativen Interviews dazu verwendet, Themenblöcke zu bil<strong>den</strong>, welche<br />

zur Beschreibung des Phänomens der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> geeignet<br />

ersche<strong>in</strong>en. Zusätzlich fan<strong>den</strong> erste Erkenntnisse und grundsätzliche Aussagen aus<br />

der Aufarbeitung der relevanten Literatur Anwendung, um <strong>in</strong>nerhalb der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Blöcke tiefer gehende Themenfelder h<strong>in</strong>terfragen zu können. Schliesslich wur<strong>den</strong><br />

noch, aus Grün<strong>den</strong> der E<strong>in</strong>ordnung und pr<strong>in</strong>zipiellen Vergleichbarkeit, allgeme<strong>in</strong>e<br />

Grunddaten der Unternehmen, beispielsweise die Grösse der F&E-Abteilung oder<br />

die F&E-Intensität, erhoben. E<strong>in</strong>e detailliertere, vergleichende Analyse der<br />

Fallstudien anhand e<strong>in</strong>zelner <strong>in</strong> der Literatur i<strong>den</strong>tifizierter strategischer Grundlagen<br />

erfolgt <strong>in</strong> Abschnitt 4.1.1.<br />

Das aus diesen Elementen gebildete Raster besteht pr<strong>in</strong>zipiell aus zwei Blöcken<br />

(vgl. Abb. 8): Der erste übergeordnete Teil beschäftigt sich mit <strong>den</strong> Fragestellungen,<br />

warum es überhaupt zu frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>en kommt und <strong>in</strong> welches<br />

Umfeld diese e<strong>in</strong>gebettet s<strong>in</strong>d. Diese Betrachtungen entspr<strong>in</strong>gen pr<strong>in</strong>zipiellen strategischen<br />

Überlegungen und wer<strong>den</strong> unter dem Begriff Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zusammengefasst.<br />

Der zweite Block geht tiefer <strong>in</strong>s Detail und behandelt die Fragen,<br />

wen die Hersteller zur Integration als Partner auswählen sowie wie die Integration<br />

ausgestaltet und geführt wird.<br />

Dazu wird unter der Bezeichnung Organisation und Ablauf der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

e<strong>in</strong>e operative Betrachtungsperspektive e<strong>in</strong>genommen. Diese grundsätzli-<br />

45


46 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

che Zweiteilung entspricht im Wesentlichen e<strong>in</strong>er Unterteilung <strong>in</strong> Makro- und Mikroebene<br />

(vgl. Enkel 2003).<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

Organisatorisches Umfeld<br />

Externes Umfeld<br />

- Marktsituation<br />

- Technologiedynamik<br />

Hersteller<strong>in</strong>terne Grundlagen<br />

- Ergebniserwartung<br />

- Ziele (warum?)<br />

<strong>Innovationsprozess</strong><br />

Organisation und Ablauf<br />

Kun<strong>den</strong>bezogene Grundlagen<br />

- Kun<strong>den</strong>charakteristika<br />

- Kun<strong>den</strong>auswahl (wen?)<br />

Ablauf (wie?)<br />

- Grundlagen der Interaktion<br />

- Metho<strong>den</strong><br />

Management<br />

Abbildung 8: Datenerhebungs- und Analyseraster<br />

Die Erhebung der Daten erfolgte <strong>in</strong> mehreren Durchgängen mittels zweier, auf diesem<br />

Raster basieren<strong>den</strong> Fragebögen. Für die nun folgende ausführliche Darstellung<br />

der e<strong>in</strong>zelnen Fälle 9 wird e<strong>in</strong>e daraus abgeleitete, vere<strong>in</strong>fachte Struktur gewählt:<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>Innovationsprozess</strong><br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

9 Die Aussagen dieses Kapitels basieren auf Interviews bei Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond<br />

Systems und Zumtobel Staff.


BAYER MATERIALSCIENCE<br />

3.2 Bayer MaterialScience<br />

3.2.1 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

Bayer wurde im Jahre 1863, zunächst als Betrieb zur Herstellung von synthetischen<br />

Farbstoffen gegründet und hat sich zu e<strong>in</strong>em Weltkonzern der pharmazeutischen<br />

und chemischen Industrie entwickelt. Umstrukturierungen führten im Jahre 2002<br />

zur Schaffung e<strong>in</strong>er strategischen Managementhold<strong>in</strong>g bestehend aus vier Divisionen<br />

– Health Care, CropScience, Polymers und Chemicals – sowie drei zentralen<br />

Serviceabteilungen. Mit rund 24.000 Mitarbeitern erzielte die <strong>in</strong> dieser Arbeit näher<br />

betrachtete Polymer Division im Jahr 2001 e<strong>in</strong>en Umsatz von 10,8 Mrd. EUR an<br />

120 Standorten weltweit. Im Jahr 2003 wurde diese Division <strong>in</strong> Bayer MaterialScience<br />

AG (im Folgen<strong>den</strong> Bayer MaterialScience) umgewandelt. Ihre Struktur weist<br />

drei regionale Säulen auf – Amerika (Nord-, Süd- und Late<strong>in</strong>amerika), Asien und<br />

Europa/Naher Osten/Afrika –, die ihrerseits <strong>in</strong> Market<strong>in</strong>g, Service und Geschäftsentwicklung<br />

aufgeteilt s<strong>in</strong>d. Auf e<strong>in</strong>er übergreifen<strong>den</strong> globalen Ebene agieren Polymer<br />

Technologie, Global Operations, Polymer Innovation und klassische Stabsfunktionen<br />

wie die Personalabteilung. Die generelle Philosophie der regionalen Organisationen<br />

ist die e<strong>in</strong>es „One lead to the customer“, basierend auf <strong>den</strong> vier organisatorischen<br />

Hauptsäulen Leistungsmaterialien („Performance Materials“), Leistungssysteme<br />

(„Performance Systems“), Polymerlösungen und Vertrieb. Die Anforderungen<br />

des Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> als leitendes Pr<strong>in</strong>zip dieser operativen E<strong>in</strong>heiten<br />

verstan<strong>den</strong>. Auch die regionalen Service Center – als Instrument des persönlichen<br />

Kontakts mit dem Kun<strong>den</strong> – und die Geschäftsentwicklungsgruppen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>deutig<br />

auf <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> fokussiert.<br />

Die folgen<strong>den</strong> Ausführungen beziehen sich, <strong>in</strong>nerhalb der Bayer MaterialScience,<br />

auf die Organisationse<strong>in</strong>heit Creative Center, welches die Untersuchung von zukünftigen<br />

Wachstumsmärkten vor allem durch <strong>in</strong>tensive Interaktion mit Kun<strong>den</strong><br />

bewerkstelligt.<br />

Organisatorisches Umfeld<br />

Die Abteilung New Bus<strong>in</strong>ess der Bayer MaterialScience besteht aus <strong>den</strong> Segmenten<br />

„New Technologies“, „Creative Center“, „Industry Innovation“ und „Universities &<br />

Associations“. Letzteres Segment koord<strong>in</strong>iert Forschungsnetzwerke global und<br />

scoutet <strong>in</strong>ternationale Förderprojekte. Während das Segment New Technologies<br />

sich auf wissenschaftliches Polymerwissen und diesbezügliche Kontakte vor allem<br />

mit Instituten und Universitäten fokussiert, konzentriert sich das Segment Creative<br />

Center auf die Marktseite und ist deshalb für diese Arbeit von besonderem Interes-<br />

47


48 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

se. In e<strong>in</strong>em Radarsystem und mittels Szenarien versucht es, Aussagen für die zukünftige<br />

Entwicklung und neue Anwendungen der nächsten 15–20 Jahre vorauszusagen:<br />

Was ändert sich? Was s<strong>in</strong>d die treiben<strong>den</strong> Kräfte? Was wird angetrieben?<br />

Welche neuen Anwendungen können das aktuelle Portfolio erweitern? Das Creative<br />

Center verfolgt klare Anwendungsideen und pflegt vor allem die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>den</strong> bestehen<strong>den</strong> und zukünftigen Kun<strong>den</strong>, sodass ca. 80 % der externen Kontakte<br />

mit diesen erfolgen.<br />

Das Creative Center fokussiert <strong>in</strong>nerhalb der New Bus<strong>in</strong>ess Organisation auf <strong>den</strong><br />

Beg<strong>in</strong>n des <strong>Innovationsprozess</strong>es, <strong>in</strong>dem es sich auf die I<strong>den</strong>tifikation und <strong>den</strong> Start<br />

von Zukunftsprojekten ausrichtet. Zukunftsprojekte bestehen aus e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation<br />

von neuen Technologien mit neuen Märkten. Dagegen konzentriert sich das<br />

Segment Industry Innovation auf branchenspezifisches Know-how und professionelles<br />

Projektmanagement für erste Serienanwendungen. Es arbeitet parallel zum<br />

Creative Center an neuen Materialentwicklungen und Herstellungsprozessen. Abbildung<br />

9 gibt e<strong>in</strong>en Überblick über die <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> von Bayer MaterialScience<br />

<strong>in</strong>volvierten Segmente und deren primäre Tätigkeitsfelder.<br />

neu<br />

Produkt<br />

Bus<strong>in</strong>ess<br />

Units<br />

New Technologies<br />

Industry<br />

Innovation<br />

Creative<br />

Center<br />

bekannt Markt<br />

neu<br />

Abbildung 9: Organisationse<strong>in</strong>heiten des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

der Bayer MaterialScience


BAYER MATERIALSCIENCE<br />

Externes Umfeld<br />

Als <strong>in</strong>dustriell gefertigte Standardprodukte unterliegen Polymere und Polymerprodukte<br />

dem harten Preis- und Verdrängungswettbewerb e<strong>in</strong>es Massenmarkts. Nur<br />

durch neue Anwendungsfelder bzw. technologische Verbesserungen (z. B. <strong>in</strong>dustrielle<br />

Herstellung von leitfähigen Polymeren) gel<strong>in</strong>gt es, sich gegenüber der Konkurrenz<br />

zu differenzieren. So wer<strong>den</strong> neben der gezielten Suche nach neuen chemischen<br />

Lösungen auch immer wieder neue Konzepte <strong>in</strong> neuen Produkt- und Marktfeldern<br />

e<strong>in</strong>geführt. E<strong>in</strong> aktuelles Beispiel e<strong>in</strong>er radikalen Innovation ist die Auskleidung<br />

e<strong>in</strong>er Taschenl<strong>in</strong>ie des renommierten deutschen Herstellers Bree mit leuchten<strong>den</strong><br />

Folien der Bayer MaterialScience.<br />

Als Rohstoffhersteller steht Bayer MaterialScience im Wettbewerb mit anderen<br />

globalen Chemiekonzernen, wie u. a. BASF oder GE Plastics. Die Firma liefert ihre<br />

Produkte an die weiterverarbeitende Industrie und steht damit am Anfang der Wertschöpfungskette,<br />

welche sich von Bayer aufwärts über untergeordnete Zulieferer<br />

h<strong>in</strong> zu Tier 1 Zulieferern und schliesslich <strong>den</strong> OEMs erstreckt. Nimmt man als Beispiel<br />

die Realisierung der Vision e<strong>in</strong>es Formteils mit Elektrolum<strong>in</strong>eszenz, so stellt<br />

sich diese Kette wie folgt dar: Auf Bayer als Rohstofflieferanten folgen Zulieferer<br />

der Stufen Tier 2–3 (z. B. Lumitec AG) sowie Tier 1 (z. B. Johnson). Der OEM<br />

(z. B. DaimlerChrysler) fertigt dann aus <strong>den</strong> zugelieferten Modulen das eigentliche<br />

Produkt für <strong>den</strong> Konsumenten. Lumitec wurde als Kooperationspartner gesucht, um<br />

geme<strong>in</strong>sam die erforderlichen Technologien für leuchtende Polymerfolien zu entwickeln.<br />

Als nachgelagertes Glied <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette fungiert Lumitec <strong>in</strong><br />

diesem Fall sowohl als Technologiezulieferer als auch als Kunde (Bezug von Rohstoffen<br />

von Bayer). Typischerweise wer<strong>den</strong> aber die OEMs, beispielsweise deutsche<br />

Automobilhersteller, <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> <strong>in</strong>tegriert. In <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong><br />

Ausführungen ist daher, falls nicht anders erwähnt, immer von <strong>den</strong> OEMs als Kun<strong>den</strong><br />

die Rede. Pr<strong>in</strong>zipiell s<strong>in</strong>d für Bayer auch alternative Bus<strong>in</strong>essmodelle <strong>den</strong>kbar,<br />

beispielsweise e<strong>in</strong>e Vorwärts<strong>in</strong>tegration <strong>in</strong> der oben beschriebenen Wertschöpfungskette.<br />

Zum jetzigen Zeitpunkt konzentriert sich Bayer MaterialScience aber<br />

ausschliesslich auf <strong>den</strong> chemischen Teil der Produkte und überlässt Firmen wie<br />

Lumitec die Verarbeitung und das Handl<strong>in</strong>g der Halbzeuge im Rahmen der Weiterverarbeitungsprozesse<br />

ihrer Rohstoffe.<br />

3.2.2 <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Die Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es bei Bayer MaterialScience wird nun überblicksmässig<br />

anhand der wichtigsten Schritte beschrieben. E<strong>in</strong>e detaillierte Be-<br />

49


50 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

trachtung speziell unter dem Aspekt der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> erfolgt im Abschnitt<br />

3.2.3. 10<br />

Der eigentliche <strong>Innovationsprozess</strong> des Creative Centers der Bayer MaterialScience<br />

wurde anhand von sieben im Idealfall h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander ablaufen<strong>den</strong> Prozessschritten<br />

def<strong>in</strong>iert und wird im Folgen<strong>den</strong> auch prozessual beschrieben (vgl. Abb. 10). Jedoch<br />

können diese Segmente auch <strong>in</strong> jeder beliebigen Konstellation durchlaufen<br />

wer<strong>den</strong> – d. h. sowohl nur e<strong>in</strong>zelne Schritte alle<strong>in</strong>e (eventuell sogar nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner<br />

Schritt) als auch alle Schritte <strong>in</strong> beliebiger Reihenfolge ablaufen.<br />

Am Anfang steht die I<strong>den</strong>tifizierung von Gelegenheiten, Ideen und Trends. In dieser<br />

Sammlungsphase wer<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>e hauptsächlich externe Quellen genutzt.<br />

Darauf aufbauend erfolgt im nächsten Schritt die Entwicklung von Szenarien. Relevante<br />

Informationen wer<strong>den</strong> zu Trends zusammengefasst und zu kompletten Szenarien<br />

weiterentwickelt. Der nächste Schritt be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>erseits die Aufstellung von<br />

Roadmaps als Weg zu <strong>den</strong> jeweiligen Szenarien sowie andererseits deren Reflexion<br />

im Markt. Dabei wer<strong>den</strong> die ursprünglich aufgestellten Szenarien überprüft und angereichert.<br />

Die nächsten drei Schritte verkörpern die eigentliche Ideengenerierung.<br />

Diese ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Generierungsschritt mit speziellen Workshops mit Kun<strong>den</strong>, e<strong>in</strong>e<br />

bayer-<strong>in</strong>terne Bewertung sowie e<strong>in</strong>e Diskussion mit externer Beteiligung unterteilt.<br />

Am Ende stehen Ideen, welche <strong>in</strong>haltlich zu <strong>den</strong> aufgestellten Roadmaps passen<br />

und unter starker <strong>aktive</strong>r Beteiligung der Kun<strong>den</strong> entwickelt wur<strong>den</strong>. Das Ergebnis<br />

der Tätigkeit des Creative Centers ist e<strong>in</strong> Prototyp (Demonstrator) oder e<strong>in</strong> Modell<br />

e<strong>in</strong>er neuen Anwendung, welche – als letzter Schritt dieser Innovationsfrühphase –<br />

geme<strong>in</strong>sam mit e<strong>in</strong>er Machbarkeitsstudie (<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er so genannten „Balanced<br />

Innovation Card“) an das Segment Industry Innovation übergeben wer<strong>den</strong>. Es folgt<br />

die weitere Entwicklung, welche mit der Eröffnung e<strong>in</strong>es klassischen Entwicklungsprojektes<br />

mit hohem Strukturierungsgrad, vorgegebene Meilenste<strong>in</strong>en und e<strong>in</strong>em<br />

mittel- bis kurzfristigen Zeithorizont (Time-to-Market) beg<strong>in</strong>nt.<br />

10 Diese grundsätzliche Struktur wird auch bei <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> drei Fallstudien verwendet.


BAYER MATERIALSCIENCE<br />

<strong>Frühe</strong>r <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Input-<br />

Sammlung<br />

Gelegenheitsphase<br />

Szenarienevolution<br />

Szenarienreflexion<br />

Ideengenerierung<br />

Ideenphase<br />

Ideenbewertung<br />

Ideendiskussion<br />

Konzeptphase<br />

Machbarkeitscheck<br />

Abbildung 10: Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es der Bayer MaterialScience<br />

3.2.3 <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Grundlagen<br />

Die Geschäftsstrategie der Bayer MaterialScience befürwortet e<strong>in</strong>deutig das marktbezogene<br />

Arbeiten. Die Positionierung des Creative Centers mit dem speziellen<br />

Auftrag, die Marktseite und damit die Kun<strong>den</strong> aktiv zu <strong>in</strong>tegrieren, ist die deutlichste<br />

Manifestation dieses Gedankens. Im H<strong>in</strong>tergrund steht e<strong>in</strong>e Strategie der Bayer<br />

Hold<strong>in</strong>g, welche bestimmte Wachstumsplattformen def<strong>in</strong>iert (z. B. <strong>in</strong>telligente Materialien<br />

oder Biotechnologie). Das Creative Center ist Treiber bei der Umsetzung<br />

dieser strategischen Ziele. Wie oben dargestellt, fokussiert dabei <strong>in</strong>nerhalb der Abteilung<br />

New Bus<strong>in</strong>ess das Creative Center auf <strong>den</strong> Markt und das Segment New<br />

Technologies auf die Technologie- bzw. Produktseite.<br />

Die Bayer MaterialScience versucht diese Idee der Marktöffnung nach aussen auch<br />

über firmeneigene Publikationen und Vorträge zu verbreiten. Die Sicherstellung e<strong>in</strong>er<br />

offenen Atmosphäre gegenüber externen Anregungen kann aber letzten Endes<br />

nur durch das Topmanagement erfolgen. Dies geschieht beispielsweise durch Mitglieder<br />

des Vorstandes im Rahmen von sozialen Events (z. B. der Weihnachtsfeier)<br />

oder öffentlichen Auftritten. Weiterer Ausdruck der durchgängigen <strong>in</strong>novationsfreundlichen<br />

Kultur s<strong>in</strong>d beispielsweise die Unternehmensleitfä<strong>den</strong>. Unter dem<br />

Motto „Science for a better life“ wer<strong>den</strong> dort die Werte des Unternehmens mit e<strong>in</strong>em<br />

speziellen Fokus auf dessen Innovationsfähigkeit beschrieben.<br />

Das Creative Center ist bestrebt, auch andere <strong>in</strong>terne Gruppen früh <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Thematik<br />

e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>den</strong> und dadurch e<strong>in</strong>e Innovationscommunity aufzubauen. Die Motivation<br />

zur Teilnahme an diesem Netzwerk hängt dabei entschei<strong>den</strong>d von der erfolg-<br />

51


52 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

reichen Kommunikation von Erfolgsstorys ab (z. B. durch das Topmanagement).<br />

Letzten Endes wird der Erfolg e<strong>in</strong>es derartigen Communitymodells aber von <strong>den</strong><br />

beteiligten Personen bestimmt, welche geeignete Persönlichkeitsmerkmale aufweisen<br />

müssen.<br />

E<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>destens ebenso wichtige Rolle spielt die offene Kommunikation bei der eigentlichen<br />

Kernaktivität, nämlich dem Kontakt nach aussen vor allem zu <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>.<br />

Zur Sicherstellung e<strong>in</strong>er offenen Grundhaltung aufseiten ihrer Partner, legt die<br />

Bayer MaterialScience bereitwillig ihre Szenarien und Roadmaps am Beg<strong>in</strong>n der<br />

Diskussionen mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> offen. Der Leiter des Creative Centers bezeichnet<br />

dieses Vorgehen als „<strong>in</strong> Vorleistung gehen“ und sieht dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en wesentlichen<br />

Schritt zum Aufbau e<strong>in</strong>er Vertrauensbasis, welche für e<strong>in</strong>en fruchtbaren Austausch<br />

unbed<strong>in</strong>gt notwendig ist. Ohne grosse Vertraulichkeitsvere<strong>in</strong>barungen muss es gel<strong>in</strong>gen,<br />

durch gegenseitiges Vertrauen e<strong>in</strong>e offene Atmosphäre zu schaffen. Dabei<br />

bil<strong>den</strong> sich wiederum Communities, welche <strong>in</strong>tensiv Informationen <strong>in</strong>nerhalb ihrer<br />

Grenzen austauschen. Die Vorteile der Teilnahme an diesem Austausch stellen e<strong>in</strong>en<br />

Anreiz für potenzielle Partner dar, ebenfalls geme<strong>in</strong>same Integrationsaktivitäten<br />

mit dem Creative Center durchzuführen. („Wer nicht teilnimmt, bekommt ke<strong>in</strong>e<br />

weiteren Infos“).<br />

Organisation<br />

Das Creative Center versteht sich als Th<strong>in</strong>k Tank der Bayer MaterialScience und<br />

möchte die „Zukunft erkennen, begleiten und gestalten“. Ziel des <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Teams ist es, mit neuen profitablen Produkten für verschie<strong>den</strong>ste Branchen Marktwachstum<br />

für Bayer MaterialScience zu generieren. Durch e<strong>in</strong>e Erweiterung des<br />

Blickw<strong>in</strong>kels, über die re<strong>in</strong>en Diszipl<strong>in</strong>en Chemie, Physik und Ingenieurswesen<br />

h<strong>in</strong>aus, verbun<strong>den</strong> mit Produkt- und Markterfahrung wer<strong>den</strong> neue Lösungen kreiert.<br />

Konkret setzt sich das Center aus vier Spezialisten, so genannten Markt Scouts, e<strong>in</strong>em<br />

Leiter und e<strong>in</strong>er Assistent<strong>in</strong> zusammen. Jeder Markt Scout bearbeitet e<strong>in</strong>es der<br />

folgen<strong>den</strong> speziellen Aufgabengebiete (<strong>in</strong>tern „Flagship Programs“ genannt): Energy<br />

Management, Interface Man/Mach<strong>in</strong>e, Optics & Light und New Data Storage.<br />

E<strong>in</strong>er von ihnen deckt zusätzlich die gesamte Bandbreite der Polymere ab. Die<br />

Flagship Programs passen, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er strategischen Verankerung, zu <strong>den</strong> von<br />

der Bayer Hold<strong>in</strong>g def<strong>in</strong>ierten Growth Platforms wie Susta<strong>in</strong>ability (auf der Ebene<br />

des Creative Centers ist das korrespondierende Element das Energy Management).<br />

Wesentliche Ansätze mit <strong>den</strong>en das Creative Center arbeitet, s<strong>in</strong>d die Nutzung geeigneter<br />

Netzwerke, die systematische Zukunftsanalyse durch Szenariotechnik und<br />

Metho<strong>den</strong> zur Generierung neuer Polymeranwendungen. Neben der Verwendung


BAYER MATERIALSCIENCE<br />

traditioneller Metho<strong>den</strong> wie TRIZ und Szenariotechnik, versucht das Creative Center<br />

auch neue Metho<strong>den</strong> zu entwickeln. E<strong>in</strong>e Herangehensweise um dies zu erreichen,<br />

ist der Aufbau e<strong>in</strong>es externen Netzwerks, welches auf der <strong>in</strong>tensiven Kooperation<br />

mit bis zu zehn Stu<strong>den</strong>ten pro Jahr basiert. Diese Zusammenarbeit führt zur<br />

Abfassung von wissenschaftlichen Arbeiten und stellt sicher, dass das Creative<br />

Center auf dem neuesten Stand der Forschung und Methodik bleibt.<br />

Innerhalb Bayers entwickelt das Creative Center e<strong>in</strong> Netzwerk, welches die Produktexpertise<br />

sowie Markt- und Branchenerfahrung der zahlreichen Materialspezialisten<br />

für Thermoplaste, Polyurethane, Klebstoffe und Lackrohstoffe nutzt. Extern<br />

wird der Kontakt zu anderen Th<strong>in</strong>k Tanks gesucht, um Anregungen und Wertungen<br />

zu Trends und Marktimpulsen aus verschie<strong>den</strong>sten Blickw<strong>in</strong>keln zu bekommen.<br />

Das Creative Center steht <strong>in</strong> engem Kontakt mit Zukunftsforschern, Designern,<br />

Demographen, wissenschaftlichen Instituten, Trendsettern und <strong>den</strong> Entwicklungsabteilungen<br />

der Kun<strong>den</strong>.<br />

Die Schnittstelle zum Market<strong>in</strong>g ist dadurch gegeben, dass sich das Creative Center<br />

als Service für die Market<strong>in</strong>gabteilung versteht. So ist das Key Account Management<br />

bzw. das Aussendienstpersonal immer <strong>in</strong>formiert und e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>, wenn es<br />

zu Kun<strong>den</strong>kontakten kommt. Teilweise agieren diese Funktionen auch als „Türöffner“<br />

oder nehmen direkt als Coaches an Treffen und Workshops zwischen Vertretern<br />

des Creative Centers und der Kun<strong>den</strong> teil.<br />

Da das Creative Center von e<strong>in</strong>em multidiszipl<strong>in</strong>ären Team gebildet wird, müssen<br />

sich die Mitglieder über die jeweilige Fachsprache h<strong>in</strong>ausgehend verstehen können.<br />

Das Erfolgsrezept lautet, dass man nur dann zu ganzheitlichen Lösungen kommen<br />

kann, wenn sich alle mite<strong>in</strong>ander austauschen. Wesentlich für <strong>den</strong> Erfolg ist auch<br />

die Bereitschaft, verschie<strong>den</strong>artiges Wissen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen und aufzunehmen sowie<br />

e<strong>in</strong>e offene Diskussionskultur. Das Not-Invented-Here-Syndrom wird durch e<strong>in</strong>e<br />

grundsätzliche Offenheit, frühes <strong>aktive</strong>s Herangehen an betroffene Personen und<br />

e<strong>in</strong>e möglichst tiefe E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung derselben <strong>in</strong> Schranken gehalten.<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

Die für die Auswahl der Kun<strong>den</strong> relevanten Charakteristika s<strong>in</strong>d zunächst das Wissen<br />

und die Kompetenzen derselben. Es ist entschei<strong>den</strong>d, unterschiedliches Wissen<br />

von verschie<strong>den</strong>en Stellen abzugreifen. Daher wer<strong>den</strong>, wenn Vertreter e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen<br />

Firma alle<strong>in</strong>e die gewünschten Kompetenzen nicht aufweisen, Experten von<br />

verschie<strong>den</strong>en Firmen zu e<strong>in</strong>em Workshop e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>. Dabei spielt die jeweilige<br />

Fachkompetenz der Kun<strong>den</strong> die wesentliche Rolle. E<strong>in</strong> weiteres Kriterium für die<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl kann sich aus dessen Marktstellung ergeben, beispielsweise dann,<br />

53


54 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

wenn Bayer MaterialScience <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en komplett neuen Markt e<strong>in</strong>steigen will (z. B.<br />

die Logistik). Es wer<strong>den</strong> dann Partner ausgesucht, welche <strong>in</strong> ihrem Gebiet sehr gut,<br />

aber noch nicht Kunde von Bayer s<strong>in</strong>d. Sie besitzen e<strong>in</strong>en anderen Blickw<strong>in</strong>kel, andere<br />

Kompetenzen und Bedürfnisse als Bayer, da sie an e<strong>in</strong>er anderen Position der<br />

Wertschöpfungskette sitzen. Dadurch erhält MaterialScience E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Zusammenhänge,<br />

Abläufe und Geschäftspotenziale möglicher neuer Marktsegmente.<br />

Der Ruf des Kun<strong>den</strong> spielt ke<strong>in</strong>e grosse Rolle, viel wichtiger s<strong>in</strong>d persönliche Kontakte,<br />

da sie zur Motivation der Kun<strong>den</strong> beitragen können. Auch die Grösse des<br />

Kun<strong>den</strong> ist von untergeordneter Bedeutung. E<strong>in</strong> hoher Innovationsgrad sowie e<strong>in</strong><br />

Bezug zur Problematik (d. h. beispielsweise eher Auto- als Flugzeug<strong>in</strong>dustrie) s<strong>in</strong>d<br />

entschei<strong>den</strong>d. Allerd<strong>in</strong>gs ist e<strong>in</strong>e gewisse M<strong>in</strong>destgrösse im H<strong>in</strong>blick auf spätere<br />

Produktionsmengen Voraussetzung. Kun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d für das Creative Center dann<br />

wertvoll, wenn sie die „gleiche Sprache sprechen“. So sucht man beispielsweise bei<br />

Siemens nicht <strong>den</strong> Kontakt zu Serienentwicklern, sondern zu Forschern oder Marktforschern.<br />

Diese Konstellation lässt sich aber nicht immer realisieren, da es oft<br />

schwierig ist, diese Forscher zur Zusammenarbeit mit Bayer zu motivieren. Die<br />

Teilnehmer auf Kun<strong>den</strong>seite s<strong>in</strong>d bei kle<strong>in</strong>en Kun<strong>den</strong> die Entwicklungsleiter, sonst<br />

pr<strong>in</strong>zipiell hauptsächlich Vertreter der F&E (Ingenieure bzw. Entwickler). E<strong>in</strong>käufer<br />

wer<strong>den</strong> üblicherweise erst später (<strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten bei<strong>den</strong> Schritten des frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es)<br />

h<strong>in</strong>zugezogen. Die so beschriebenen Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> bei Bayer<br />

<strong>in</strong>tern als „visionäre Entrepreneurs“ bezeichnet.<br />

Die Kompatibilität der Firmenkulturen spielt im Rahmen der Festlegung geme<strong>in</strong>samer<br />

Ziele e<strong>in</strong>e Rolle. So schliessen sich gewisse Firmen aus <strong>in</strong>ternen Grün<strong>den</strong><br />

von vornhere<strong>in</strong> aus. Angestrebt wird e<strong>in</strong> auf das Thema passender Rollenmix. In<br />

passen<strong>den</strong> Konstellationen wird dann an der Erzielung e<strong>in</strong>er W<strong>in</strong>-W<strong>in</strong>-Situation gearbeitet.<br />

Die Rolle des Kun<strong>den</strong> wird diskutiert sowie se<strong>in</strong>e Visionen – und damit<br />

se<strong>in</strong>e Eignung – <strong>in</strong> Gesprächen abgeklärt.<br />

Ablauf<br />

Am typischen Beg<strong>in</strong>n des Prozesses wer<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>e Quellen genutzt, um Geschäftsgelegenheiten<br />

zu i<strong>den</strong>tifizieren oder Ideen zu entwickeln. Die wichtigsten<br />

davon s<strong>in</strong>d Studien über zukünftige Szenarien (z. B. „Pictures of the Future“ von<br />

Siemens), neue Materialtechnologien, welche von New Technologies geliefert wer<strong>den</strong>,<br />

sowie Besuche bei Messen und Konferenzen. Basierend auf dem Input dieser<br />

Informationsquellen besteht der nächste Schritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entwicklung von Szenarien.<br />

Mitglieder des Creative Centers sammeln alle H<strong>in</strong>weise, schwachen Signale und<br />

Trendbauste<strong>in</strong>e, welche sie als <strong>in</strong>teressant für ihr jeweiliges Feld erachten und dis-


BAYER MATERIALSCIENCE<br />

kutieren diese mit <strong>den</strong> anderen Gruppenmitgliedern. Relevante Informationsteile<br />

wer<strong>den</strong> dann zu Trends zusammengefasst und weiter angereichert, bis komplette<br />

Szenarien entstehen.<br />

Jeweils zwei Teammitglieder des Creative Centers wer<strong>den</strong> anschliessend e<strong>in</strong>em<br />

Teilszenario zugeteilt. Mithilfe der eigenen Experten wer<strong>den</strong> Roadmaps aufgebaut,<br />

welche die Wege zu <strong>den</strong> Zukunftsbildern aus <strong>den</strong> Szenarien aufzeigen. Die Roadmaps<br />

s<strong>in</strong>d also ihrem Namen entsprechend als Wege zum Erreichen der jeweiligen<br />

Szenarien zu verstehen. Die entwickelten Szenarien und Roadmaps wer<strong>den</strong> im darauf<br />

folgen<strong>den</strong> Schritt „im Markt reflektiert“: In Diskussionen mit externen Partnern,<br />

vor allem Kun<strong>den</strong> und potenziellen Kun<strong>den</strong>, wer<strong>den</strong> die Szenarien und Roadmaps<br />

von Bayer mit <strong>den</strong>en der Partner verglichen und abgestimmt. Zur Sicherstellung e<strong>in</strong>er<br />

offenen Grundhaltung aufseiten der Partner, legt Bayer MaterialScience bereitwillig<br />

ihre Szenarien und Roadmaps am Beg<strong>in</strong>n der Diskussionen mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong><br />

offen. In diesem frühen, oft präkompetitiven Stadium des Prozesses kann der Kunde<br />

über die mit Bayer abgestimmten Ergebnisse der Workshops frei verfügen und sie<br />

für se<strong>in</strong>e Zwecke nutzen („damit zurück <strong>in</strong>s stille Kämmerle<strong>in</strong> gehen“).<br />

Sobald die Szenarien und Roadmaps ausserhalb von Bayer MaterialScience geprüft<br />

wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, wer<strong>den</strong> im folgen<strong>den</strong> Schritt Ideen für die e<strong>in</strong>zelnen Zukunftssituationen<br />

entwickelt. Dabei ist zu beachten, dass zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Schritten Szenarioreflexion<br />

und Ideengenerierung noch e<strong>in</strong> komplizierter Prozess mit bis zu neun<br />

Zwischenschritten liegt, welche aber je nach Situation verschie<strong>den</strong> stark ausgeprägt<br />

s<strong>in</strong>d. Auch die Ideengenerierung geschieht nicht ausschliesslich <strong>in</strong>tern, sondern unter<br />

E<strong>in</strong>bezug von Externen. Sobald Szenarien als <strong>in</strong>teressant und relevant i<strong>den</strong>tifiziert<br />

wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, wer<strong>den</strong> mögliche Partner selektiert („Mit wem wür<strong>den</strong> wir das<br />

gerne machen?“) und kontaktiert. Dabei wird e<strong>in</strong> Kreis von Experten etabliert. Der<br />

eigentliche Workshop f<strong>in</strong>det dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hotel statt und br<strong>in</strong>gt <strong>in</strong>sgesamt 10 bis<br />

15 Teilnehmer zusammen, von <strong>den</strong>en nur etwa drei von Bayer kommen. Dabei wer<strong>den</strong><br />

zunächst vor allem zwei Fragen mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> abgeglichen, nämlich ob (1)<br />

das Thema <strong>in</strong> dem Szenario pr<strong>in</strong>zipiell richtig ist und (2) die angenommene zeitliche<br />

Positionierung stimmt. Das Ergebnis dieser Workshops s<strong>in</strong>d dann neue Ideen<br />

für Applikationen, <strong>in</strong>haltlich passend zur jeweiligen Roadmap. Bayer ist sehr bemüht,<br />

alle <strong>in</strong>ternen Informationen, welche zum besseren Verständnis des jeweiligen<br />

Szenarios beitragen, <strong>den</strong> externen Partnern drei Wochen im Voraus zur Verfügung<br />

zu stellen, um e<strong>in</strong>e offene Atmosphäre sicherzustellen, alle auf <strong>den</strong> gleichen Wissensstand<br />

zu br<strong>in</strong>gen und Zeit zu sparen. Dadurch gel<strong>in</strong>gt die Vermeidung der typischen<br />

ersten Phase jeder Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>gsitzung, <strong>in</strong> welcher e<strong>in</strong>e grosse Anzahl an<br />

Ideen m<strong>in</strong>derer Qualität produziert wer<strong>den</strong> (z. B. schon bekannte E<strong>in</strong>fälle). Das<br />

Team des Creative Centers entscheidet dann <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternen Diskussionen, ob e<strong>in</strong>e Idee<br />

55


56 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

(als Ergebnis der Workshops) wert ist, detaillierter betrachtet zu wer<strong>den</strong> oder nicht.<br />

Falls e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>fall als wichtig erachtet wird, wird dieser von e<strong>in</strong>er bayer-<strong>in</strong>ternen<br />

Creative Community bewertet. Dieses Bewertungsnetzwerk wurde erst vor kurzem<br />

e<strong>in</strong>gerichtet. Es besteht aus ca. 30 Personen – wobei rund die Hälfte davon aus der<br />

Bus<strong>in</strong>ess Development Abteilung kommt – und erfüllt primär e<strong>in</strong>e multiplikative<br />

Funktion. Alle Mitglieder s<strong>in</strong>d aufgefordert, die Themen und Projekte an <strong>den</strong>en die<br />

Community arbeitet, <strong>in</strong> ihren jeweiligen Abteilungen zu kommunizieren und die<br />

Expertenme<strong>in</strong>ungen von dort widerzuspiegeln.<br />

Die Bewertung erfolgt unter Verwendung e<strong>in</strong>es Ideenbewertungsblattes. Dieses<br />

wird dabei sequenziell von allen Communitymitgliedern parallel nach dem Schulnotenpr<strong>in</strong>zip<br />

(von 1 bis 10) ausgefüllt. Zusätzlich enthält das Formular Felder für<br />

ergänzende Bemerkungen, welche ausgefüllt wer<strong>den</strong> können, um die Benotung zu<br />

erklären oder nach mehr Details zu fragen. Die Bewertungskriterien s<strong>in</strong>d der Kun<strong>den</strong>nutzen,<br />

der Nutzen für Bayer, die strategische Übere<strong>in</strong>stimmung und der zu erwartende<br />

Aufwand. Nach Abschluss der Bewertungsrunde erhalten die Ideenlieferanten<br />

der hoch bewerteten Ideen Feedback. In E<strong>in</strong>zelfällen kann es auch vorkommen,<br />

dass der Ideengeber e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong> wird, an der Weiterentwicklung se<strong>in</strong>er Idee zu<br />

partizipieren. Hoch bewertete Ideen wer<strong>den</strong> mit Lead-Usern und Trendsettern diskutiert,<br />

was e<strong>in</strong>e weitere Abstimmungsrunde mit der Nachfrageseite darstellt. Es<br />

folgt also die E<strong>in</strong>holung von Feedback des Marktes und/oder der entsprechen<strong>den</strong><br />

Branchengruppe bei Industry Innovation durch das Creative Center. Nach Berücksichtigung<br />

dieses Marktfeedbacks und der eventuell notwendigen Anpassung<br />

kommt es im nächsten Schritt für die verbleiben<strong>den</strong>, angereicherten Ideen zur Erstellung<br />

von Machbarkeitsstudien („Feasibility Studies“) als Teil e<strong>in</strong>es umfassen<strong>den</strong><br />

Paketes, welches „Balanced Innovation Card“ genannt wird. Für die rund 30 Themen,<br />

welche an dieser Stelle des Prozesses parallel bearbeitet wer<strong>den</strong>, gilt es vom<br />

Creative Center geme<strong>in</strong>sam mit der Community nun mehrere Schritte zu tun. Diese<br />

reichen von der Funktionsanalyse bis zum abschliessen<strong>den</strong> „Tree of Needs“ (Polymerbeschreibung).<br />

Die Feasibility Study ist dabei nur e<strong>in</strong> Output. Als Endergebnis<br />

erstellt das Creative Center die Balanced Innovation Card <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Kataloges<br />

und übergibt diese an das Industry Innovation Segment. Industry Innovation eröffnet<br />

mithilfe dieser Angaben e<strong>in</strong> Projekt, welches dann e<strong>in</strong>en klar def<strong>in</strong>ierten Projektmanagementprozess<br />

durchläuft.<br />

Der reale frühe <strong>Innovationsprozess</strong> des Creative Centers muss nicht notwendigerweise<br />

sämtliche Abschnitte enthalten. Es können beispielsweise ganz Schritte fehlen<br />

und nur die Schritte 1, 4 und 7 enthalten se<strong>in</strong>. So g<strong>in</strong>g beispielsweise für das aktuelle<br />

Projekt „Future Liv<strong>in</strong>g“ die Szenarienreflexion gleich <strong>in</strong> die Szenarienevolution<br />

geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> über. Ausserdem können oft auch andere Punkte


BAYER MATERIALSCIENCE<br />

als die gezielte Sammlung von Input als E<strong>in</strong>stieg dienen. Diese Flexibilität <strong>in</strong> der<br />

operativen Prozessdurchführung stellt e<strong>in</strong>en wichtigen Erfolgsfaktor für die frühen<br />

Phasen des Innovationsmanagements dar.<br />

Management der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Die Motivation der Kun<strong>den</strong> erfolgt pr<strong>in</strong>zipiell durch die Schaffung e<strong>in</strong>er W<strong>in</strong>-W<strong>in</strong>-<br />

Situation. Es muss <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> also kommuniziert wer<strong>den</strong>, dass sie von der Integration<br />

bei Bayer MaterialScience profitieren können. Dies kann durch exklusive<br />

Rechte auf die Verwendung des Ergebnisses erfolgen, aber auch durch nicht direkt<br />

greifbare Resultate. So wer<strong>den</strong> die Kun<strong>den</strong> Mitglieder e<strong>in</strong>er thematisch fokussierten<br />

Kommunikationsplattform und erhalten E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> aktuelle Entwicklungen und<br />

Metho<strong>den</strong>. Oft reichen diese Faktoren aus, um e<strong>in</strong>en Kun<strong>den</strong>vertreter zur Teilnahme<br />

an e<strong>in</strong>er Veranstaltung zu motivieren. Folgeveranstaltungen erweisen sich dann<br />

aber <strong>in</strong> vielen Fällen als ungleich schwieriger zu besetzen. Letztendlich muss der<br />

Kun<strong>den</strong>vertreter Erfolge <strong>in</strong> der eigenen Firma vorweisen können, um dauerhaft an<br />

e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit <strong>in</strong>teressiert zu se<strong>in</strong>. Beim Abgleich der Szenarien geme<strong>in</strong>sam<br />

mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> profitieren alle Teilnehmer im gleichen Masse. Jeder Teilnehmer<br />

kann aus dem geme<strong>in</strong>sam erarbeiteten Ergebnis e<strong>in</strong>en Nutzen ziehen, da dieses<br />

durch <strong>den</strong> E<strong>in</strong>schluss der verschie<strong>den</strong>en Blickw<strong>in</strong>kel und Ansätze meist hochwertiger<br />

ausfällt als die Ausgangsszenarien der e<strong>in</strong>zelnen Teilnehmer. Die Protokolle<br />

und Roadmaps der Workshops wer<strong>den</strong> exklusiv für die Teilnehmer auf e<strong>in</strong>er gesicherten<br />

Internetplattform zur Verfügung gestellt.<br />

Bayer MaterialScience ist als Ergebnis der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> sowohl an Markt- als<br />

auch an Technologiewissen <strong>in</strong>teressiert. Aus der Diskussion der Szenarien wird zunächst<br />

die I<strong>den</strong>tifikation von Marktpotenzialen erwartet. Ausserdem soll sie e<strong>in</strong><br />

Monitor<strong>in</strong>g des Marktumfeldes und damit e<strong>in</strong>e Art Frühwarnsystem ermöglichen.<br />

Die Roadmaps sollen darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en Überblick über die zeitliche Entwicklung<br />

der i<strong>den</strong>tifizierten Marktchancen sowie relevanter Technologien geben. Dadurch<br />

wird e<strong>in</strong>e Entscheidung bezüglich des weiteren Vorgehens (z. B. Kompetenzen<br />

selbst aufbauen oder nur beobachten) bzw. <strong>in</strong> weiterer Folge e<strong>in</strong>e Priorisierung<br />

der Entwicklung ermöglicht.<br />

Für grössere Projekte (z. B. Future Liv<strong>in</strong>g) wird die operative Durchführung der<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> an e<strong>in</strong>en externen Berater ausgelagert. Dieser übernimmt auch<br />

die Rolle e<strong>in</strong>es neutralen Coaches. Er fungiert gegenüber <strong>den</strong> e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>en Externen<br />

als Ansprechpartner und gibt <strong>den</strong> Rahmen sowie die Zielvorstellungen vor.<br />

Auch die Kontrolle des Integrationsprozesses läuft für grössere Projekte über diesen<br />

57


58 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

externen Projektleiter. Er holt nach jedem Workshop Feedback aus dem Teilnehmerkreis<br />

e<strong>in</strong> und dokumentiert die Ergebnisse.<br />

Der schlussendliche Erfolg des Creative Centers und damit der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

wird am Gesamtbild der Bayer MaterialScience gemessen. Bayer will neue Anwendungen<br />

bzw. spezifische Neuerungen auf der Polymerseite erreichen. Daher wer<strong>den</strong><br />

klassische Kun<strong>den</strong>befragungen durchgeführt, ob dies auch gel<strong>in</strong>gt und im Markt<br />

wahrgenommen wird. Über alle Kun<strong>den</strong> h<strong>in</strong>weg wird über die Market<strong>in</strong>gorganisation<br />

beispielsweise gefragt, wo die Stärken der Bayer AG liegen. Die übergeordnete<br />

Erfolgsmessung erfolgt also <strong>in</strong>direkt über die Bekanntheit spezieller Produkte und<br />

Innovationen. Daher spielt generell die Öffentlichkeitsarbeit (<strong>in</strong>nerhalb und ausserhalb<br />

Bayers) e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle für das Creative Center. Artikel, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en von<br />

Innovationsprojekten berichtet wird, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wichtiges Instrument und wer<strong>den</strong> nach<br />

der zu erwarteten Verbreitung und der Trefferquote beim Zielpublikum beurteilt.<br />

Neben diesen nach aussen gerichteten Erfolgskriterien wird auch die Zahl der übergebenen<br />

Projekte sowie die Schnelligkeit, <strong>in</strong> der sie abgewickelt wur<strong>den</strong>, herangezogen.<br />

Dazu wer<strong>den</strong> <strong>in</strong>terne Ziele gesetzt (z. B. Übergabe zweier Projekte pro Jahr<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen Fachbereich). Darüber h<strong>in</strong>aus wer<strong>den</strong> die Ergebnisse der Szenarioprojekte<br />

kommuniziert und die Erkenntnisse für die e<strong>in</strong>zelnen Bus<strong>in</strong>ess Units<br />

aufgearbeitet. Auch Berichte an <strong>den</strong> Vorstand, haus<strong>in</strong>terne Messen und sämtliche<br />

Möglichkeiten der positiven Mundpropaganda (z. B. „Leute, hört euch die kl<strong>in</strong>gende<br />

Wand an!“ aus dem Mund e<strong>in</strong>es Vorstandes) wer<strong>den</strong> genutzt, um die eigenen Erfolge<br />

darzustellen und zu kommunizieren.<br />

3.2.4 Zusammenfassung<br />

Die Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es bei Bayer MaterialScience stellt e<strong>in</strong> sehr<br />

gutes Beispiel früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> dar. Während dreier von sieben Schritten<br />

besuchen Mitglieder des Creative Centers Kun<strong>den</strong> oder la<strong>den</strong> diese zu Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>g<br />

Workshops e<strong>in</strong>. Dadurch wird mehr als nur Koord<strong>in</strong>ation mit <strong>den</strong><br />

tatsächlichen Marktanforderungen sichergestellt, nämlich e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

der Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> die Entwicklung der Szenarien bzw. Ideen. Der Fall des Bayer<br />

MaterialScience Creative Centers zeigt, dass es möglich ist, e<strong>in</strong>en Prozess zur<br />

Erfassung externen Inputs – mit speziellem Fokus auf Kun<strong>den</strong> – <strong>in</strong> der frühen Phase<br />

radikaler Innovationsprojekte zu <strong>in</strong>stitutionalisieren. Es zeigt sich allerd<strong>in</strong>gs, dass<br />

ohne e<strong>in</strong> überzeugtes Topmanagement, welches bereit ist, Ressourcen zur<br />

Verfügung zu stellen, ke<strong>in</strong> vernünftiger Ansatz möglich ist. Prozessschritte müssen<br />

def<strong>in</strong>iert, Metho<strong>den</strong> gefun<strong>den</strong> und entwickelt sowie <strong>in</strong>terne und externe Netzwerke<br />

etabliert wer<strong>den</strong>, bevor erste Resultate erzielt wer<strong>den</strong> können. E<strong>in</strong> wesentlicher


BAYER MATERIALSCIENCE<br />

Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Integration der Marktseite s<strong>in</strong>d für das Creative<br />

Center die Expertenworkshops (wobei der Kunde als Experte bezeichnet wird), bei<br />

<strong>den</strong>en neben Kun<strong>den</strong> und Vertretern des Creative Centers auch Vertreter von New<br />

Technologies und Teilnehmer aus frem<strong>den</strong> Bereichen geme<strong>in</strong>sam Szenarien und<br />

Roadmaps abgleichen. Dabei wird unter e<strong>in</strong>em praktischen Blickw<strong>in</strong>kel im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>es Benchmarks geprüft, ob die Sicht des Creative Centers richtig ist. Ebenfalls<br />

von entschei<strong>den</strong>der Bedeutung ist die Erkenntnis, dass man dem Kun<strong>den</strong> auch<br />

etwas bieten muss, nämlich die Chance, se<strong>in</strong>en Horizont zu erweitern. All dies kann<br />

nicht als zusätzliche Aufgabe zu e<strong>in</strong>em regulären Job gemacht wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e<br />

überzeugte Gruppe von Mitarbeitern muss gebildet und bestärkt wer<strong>den</strong>, um diesen<br />

Prozess voranzutreiben. Nur dann kann man von e<strong>in</strong>er wirklichen Berücksichtigung<br />

der viel zitierten Wichtigkeit von Innovationen für <strong>den</strong> Markterfolg e<strong>in</strong>es<br />

Unternehmens sprechen.<br />

Abbildung 11 gibt e<strong>in</strong>en Überblick der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> bei Bayer MaterialScience.<br />

59


60 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Warum? Warum? Ziele<br />

Zum besseren Verständnis der Markttrends, Abschätzung der Technologieentwicklungen und zeitlichen E<strong>in</strong>ordnung<br />

In weiterer Folge zur Schaffung <strong>in</strong>novativer Produkte <strong>in</strong> neuen Märkten und Marktsegmenten<br />

Wann? Phase<br />

In der Gelegenheitsphase zur Szenarienreflexion und Roadmaperstellung (für Technologie und Anwendung)<br />

Zur Ideengenerierung <strong>in</strong> der Ideenphase<br />

Zur Ideendiskussion <strong>in</strong> der Konzeptphase<br />

Wen? Kun<strong>den</strong>charakteristika<br />

Kun<strong>den</strong> (vor allem die Kun<strong>den</strong> der Kun<strong>den</strong> (OEMs)) und andere Partner wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>, wenn sie für die Bearbeitung<br />

der kommen<strong>den</strong> Trends die grösste Kompetenz und das grösste Interesse aufweisen<br />

Die wesentlichen Auswahlkriterien liegen <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samen Zielen, der passen<strong>den</strong> Kompetenz (Nutzen-Kompetenz-Verteilung)<br />

sowie der kulturellen Kompatibilität und damit dem Potenzial, e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>-W<strong>in</strong>-Situation auf der Basis gegenseitigen Vertrauens<br />

aufzubauen<br />

Wie? Wie? Prozesscharakteristika<br />

Prozesscharakteristika<br />

Eigenes Segment Creative Center im Bereich New Bus<strong>in</strong>ess angesiedelt<br />

Operative Instrumente s<strong>in</strong>d Workshops oder bilaterale Treffen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en nach Vorleistung von Bayer offen über zukünftige<br />

Entwicklungen <strong>in</strong> Form von Szenarien und Roadmaps diskutiert wird<br />

Diese Interaktionspunkte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en mehrstufigen <strong>Innovationsprozess</strong> des Creative Centers e<strong>in</strong>gebettet<br />

Besonderheiten<br />

Besonderheiten<br />

Das Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmal des zu <strong>in</strong>tegrieren<strong>den</strong> Partners ist entschei<strong>den</strong>d, nicht se<strong>in</strong>e Grösse oder se<strong>in</strong> Potenzial als Kunde<br />

Abbildung 11: Übersicht der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Bayer MaterialScience


EADS ASTRIUM<br />

3.3 EADS Astrium<br />

3.3.1 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

Die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) ist, als grösstes<br />

Luft- und Raumfahrtunternehmen <strong>in</strong> Europa und als drittgrösstes weltweit, <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Bereichen Zivil- und Militärluftfahrt, Raumfahrt, Verteidigungssysteme und Dienstleistungen<br />

tätig. Das Unternehmen entstand 2000 aus der Fusion der deutschen<br />

DaimlerChrysler Aerospace AG, der französischen Aerospatiale Matra und der spanischen<br />

CASA. Die Hauptaktionäre der börsennotierten EADS s<strong>in</strong>d die DaimlerChrysler<br />

AG und die französische Hold<strong>in</strong>g Sogeade mit jeweils über 30 % des Aktienkapitals.<br />

Die spanische Staatshold<strong>in</strong>g Sepi besitzt 5,5 %. Im Jahr 2002 erwirtschaftete<br />

EADS e<strong>in</strong>en Umsatz von 29,9 Mrd. EUR. Davon wur<strong>den</strong> etwa 80 % auf dem<br />

zivilen und 20 % auf dem militärischen Markt erzielt. Das Unternehmen beschäftigt<br />

an mehr als 70 Produktionsstandorten über 100.000 Mitarbeiter, vor allem <strong>in</strong><br />

Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Spanien. Dazu kommen 35 Aussenbüros,<br />

welche weltweit Kontakt zu <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> halten. Die bei<strong>den</strong> Hauptsitze der<br />

EADS liegen für die Funktionen Strategie, Market<strong>in</strong>g und Recht <strong>in</strong> Paris (offizieller<br />

Firmensitz) sowie für F<strong>in</strong>anzen, E<strong>in</strong>kauf und Kommunikation <strong>in</strong> München. EADS<br />

ist <strong>in</strong> fünf Divisionen gegliedert: Airbus, Military Transport Aircraft, Aeronautics,<br />

Space sowie Defence and Civil Systems. Das Unternehmen zählt zu <strong>den</strong> Marktführern<br />

<strong>in</strong> der zivilen Luftfahrt, bei Verteidigungstechnologie, Hubschraubern, Raumfahrt,<br />

militärischen Transport- und Kampfflugzeugen sowie <strong>den</strong> dazugehörigen<br />

Dienstleistungen.<br />

Organisatorisches Umfeld<br />

EADS Astrium – Teil der EADS Space Division – versteht sich als „Systemhaus“<br />

und ist e<strong>in</strong>er der führen<strong>den</strong> Anbieter der Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> Bereichen der zivilen<br />

und militärischen Telekommunikationssatelliten, der Erdbeobachtung sowie bei<br />

Wissenschafts- und Navigationsprogrammen. Astrium beschäftigt ca. 6.000 Mitarbeiter,<br />

verteilt auf die Länder Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Spanien,<br />

war bereits für über 60 Kommunikationssatelliten Hauptvertragspartner und<br />

ist grösster europäischer Anbieter für Wissenschafts- und Erdbeobachtungsmissionen.<br />

Im Jahre 2002 wurde e<strong>in</strong> Umsatz von ca. 2,2 Mrd. EUR erzielt. Dabei wer<strong>den</strong><br />

bei Astrium 70 bis 80 % des Umsatzes durch Forschung und Entwicklung generiert.<br />

95 % dieser F&E-Aufträge ergeben sich durch Fremdaufträge der Kun<strong>den</strong> und nur<br />

5 % s<strong>in</strong>d Eigenmittel bzw. freie F&E-Mittel. Etwa 30 % des Umsatzes entfallen auf<br />

privatwirtschaftliche Projekte oder Kommunikationssatelliten für e<strong>in</strong>zelne Staaten.<br />

61


62 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Der grössere Umsatzanteil wird durch staatliche Projekte im Bereich der extraterrestrischen<br />

Forschung, der Erdbeobachtung und der satellitengestützten Navigation<br />

generiert. Diese Fallstudie bezieht sich auf <strong>den</strong> Standort Friedrichshafen mit ca. 800<br />

Mitarbeitern und Kernkompetenzen <strong>in</strong> der Fertigung von Erdbeobachtungs- und<br />

Wissenschaftssatelliten sowie von E<strong>in</strong>zelkomponenten und wissenschaftlichen Instrumenten.<br />

Die F&E-Quote beträgt an eigenen Aufwendungen ca. 2 % (vor wenigen Jahren lag<br />

sie noch bei 6 %; die Reduktion wurde durch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>bruch des Telekommunikationsmarktes<br />

notwendig). Hauptziel der F&E-Aktivitäten ist es, Know-how aufzubauen<br />

und damit für <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>teressanten Geschäftspartner zu wer<strong>den</strong>.<br />

Die Kun<strong>den</strong> übernehmen <strong>in</strong> dieser Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es schon<br />

zwei Drittel bis drei Viertel der Kostenanteile. Im Grossteil der Divisionen wird die<br />

Entwicklung von aussen bezahlt, nur der Bereich der Kommunikationssatelliten f<strong>in</strong>anziert<br />

se<strong>in</strong>e Entwicklung überwiegend mit Eigenmitteln. Teile der Gelder fliessen<br />

an Partnerfirmen, mit <strong>den</strong>en exklusive Zusammenarbeit besteht.<br />

Externes Umfeld<br />

Die Technologiedynamik <strong>in</strong> der Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie bietet die ganze Bandbreite von<br />

konservativ bis progressiv. Im Bereich der qualifizierten Systeme (z. B. Computer)<br />

herrscht e<strong>in</strong>e konservative E<strong>in</strong>stellung vor, während beispielsweise bei <strong>den</strong> Instrumenten<br />

und Werkstoffen sehr <strong>in</strong>novative Technologien entwickelt und genutzt wer<strong>den</strong>.<br />

Bei der Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie handelt es sich <strong>in</strong>sgesamt betrachtet um e<strong>in</strong>e progressive<br />

Branche, welche <strong>in</strong> vielen Aspekten an der Spitze der Technologieentwicklung<br />

steht, <strong>in</strong> <strong>den</strong> kritischen Bereichen der Satellitentechnik aber aufgrund der aufwändigen<br />

Qualifikationsverfahren sehr konservativ agiert.<br />

Betrachtet man die technologische Komplexität der von EADS Astrium angebotenen<br />

Produkte, so zeigt sich e<strong>in</strong>e grosse Bandbreite von kostengünstigen Standardprodukten<br />

h<strong>in</strong> zu technologisch komplexen High-Tech-Produkten. Je nach Komplexitätsgrad<br />

variiert auch der Grad der Zusammenarbeit mit dem Kun<strong>den</strong> von wenig<br />

bis gar nicht für Standardprodukte, bis h<strong>in</strong> zu sehr <strong>in</strong>tensiv bei technologischen<br />

Vorreiterprojekten (vgl. Abb. 12).


EADS ASTRIUM<br />

Technologische<br />

Komplexität<br />

Low-cost<br />

„Design to cost!“<br />

Budget als Treiber<br />

z. B.: Kommunikationssatelliten<br />

Wenig Zusammenarbeit<br />

mit dem Kun<strong>den</strong><br />

Effizienz<br />

Anforderungen als Treiber<br />

z. B.: Wettersatelliten<br />

Teilweise<br />

Plattformnutzung teilweise<br />

E<strong>in</strong>zelanfertigung<br />

Wissenschaft<br />

Wissenschaft<br />

F<strong>in</strong>anzierung F<strong>in</strong>anzierung<br />

High-Tech<br />

„Design to requirements!“<br />

Technologie als Treiber<br />

z. B.: ESA-Missionen<br />

Enge Zusammenarbeit<br />

mit dem Auftraggeber<br />

Abbildung 12: Technologische Komplexität bei Entwicklungsprojekten<br />

der EADS Astrium<br />

Kosten<br />

Auch für <strong>den</strong> Innovationsgrad der Produkte kann ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Aussage getroffen<br />

wer<strong>den</strong>. Inkrementelle Produktverbesserungen s<strong>in</strong>d zwar die Regel, doch<br />

kommt es auch immer wieder, beispielsweise bei Instrumenten wie der NIRSPEC-<br />

Kamera für e<strong>in</strong> Weltraumteleskop, zu radikalen Durchbrüchen.<br />

Produktlebenszyklen <strong>in</strong> der Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie liegen typischerweise bei etwa<br />

sechs bis zwanzig Jahren. Vor der eigentlichen Nutzung liegt noch die Vorentwicklungsphase,<br />

welche je nachdem ob neue Technologien entwickelt wer<strong>den</strong> müssen<br />

oder nicht, zwei bis zehn Jahre lang dauert. Die anschliessende Entwicklung nimmt<br />

dann zwischen zwei und fünf Jahre <strong>in</strong> Anspruch. Die eigentliche Nutzungsdauer<br />

liegt schliesslich <strong>in</strong> der Grössenordnung von zwei bis fünfzehn Jahren. Der Markt<br />

ist also von extrem langen Zyklen geprägt, <strong>in</strong>sbesondere auch dadurch verursacht,<br />

dass e<strong>in</strong>ige komplexe Technologien typischerweise bei Projektbeg<strong>in</strong>n noch gar<br />

nicht zur Verfügung stehen.<br />

Die Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie agiert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em öffentlichen, teilweise geschützten Markt<br />

mit wenigen Auftragnehmern. Zu dieser Begrenztheit kommen noch langsam gewachsene<br />

Strukturen und damit e<strong>in</strong>e hohe Vertrautheit der e<strong>in</strong>zelnen Marktteilnehmer<br />

untere<strong>in</strong>ander. Innerhalb der Branche s<strong>in</strong>d persönliche Kontakte mit Kun<strong>den</strong><br />

häufig und wer<strong>den</strong> <strong>in</strong>tensiv gepflegt. Kun<strong>den</strong>zufrie<strong>den</strong>heit und Kun<strong>den</strong>nähe s<strong>in</strong>d<br />

Schlüsselfaktoren für e<strong>in</strong>en erfolgreichen Marktauftritt. E<strong>in</strong>e gute Reputation ist es-<br />

63


64 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

senziell für die Gew<strong>in</strong>nung von weiteren Aufträgen. In <strong>den</strong> letzten Jahren kam es zu<br />

e<strong>in</strong>em Konzentrationsprozess h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>igen wenigen grossen Raumfahrtunternehmen.<br />

Die Hauptkonkurrenten von EADS Astrium als Systemanbieter s<strong>in</strong>d Alcatel <strong>in</strong><br />

Frankreich sowie Alenia <strong>in</strong> Italien.<br />

EADS Astrium erzielt <strong>den</strong> Grossteil ihres Umsatzes mit der europäischen Weltraumagentur<br />

(European Space Agency ESA). Die ESA versteht sich als ausführendes<br />

Organ und vertritt die 15 Teilnehmerstaaten bzw. handelt <strong>in</strong> deren Auftrag. Der<br />

Umsatzanteil von Astrium mit der ESA beträgt <strong>in</strong> Deutschland ca. 80 % und <strong>in</strong><br />

Frankreich, wo es geführt durch das Centre National d’Etudes Spatiales (CNES) e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>flussreiches eigenes Raumfahrtprogramm gibt, ca. 50 %. Wichtige Exportmärkte<br />

s<strong>in</strong>d zurzeit vor allem die ostasiatischen Staaten sowie <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen auch die USA<br />

und damit die dortige nationale Weltraumagentur National Aeronautic Space Adm<strong>in</strong>istration<br />

(NASA). Die EADS Astrium ist bestrebt, neben dem Umsatz mit der<br />

ESA weitere Wachstumsfelder zu erschliessen. Dies ist unter anderem aus folgen<strong>den</strong><br />

zwei Grün<strong>den</strong> notwendig. E<strong>in</strong>erseits stagnieren die nationalen europäischen<br />

Budgets für Raumfahrt und damit die Wachstumsmöglichkeiten für e<strong>in</strong>en auf diesen<br />

Markt fokussierten Satellitenhersteller. So führen viele Länder <strong>in</strong> Europa ke<strong>in</strong> bedeutendes<br />

eigenes Raumfahrtprogramm mehr und das Forschungsbudget der ESA<br />

wurde im Zuge genereller Sparmassnahmen ebenfalls gekürzt. Auf der anderen Seite<br />

entwickelt sich e<strong>in</strong> Trend <strong>in</strong> Richtung umfassender Geschäftsmodelle im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette von der Satellitenproduktion<br />

über <strong>den</strong> Betrieb h<strong>in</strong> zur Vermarktung der gemessenen Daten. Die neu gegründete<br />

Tochterfirma Infoterra (Aufbau neuer Geschäftsmodelle zur Verwertung von Satellitendaten)<br />

und die Beteiligung am europäischen Satellitennavigationssystem Galileo<br />

s<strong>in</strong>d Ausdruck dieser neuen Geschäftsstrategie der EADS Astrium.<br />

Die ESA, als Astriums grösster Auftraggeber, unterhält e<strong>in</strong> diversifiziertes Portfolio<br />

vom Standardsatelliten bis h<strong>in</strong> zum spezialisierten Unikat. Sie umfasst zurzeit 15<br />

Mitgliedstaaten, unter anderem auch die Schweiz, verfügt über e<strong>in</strong> Jahresbudget<br />

von 2,852 Mrd. EUR und be<strong>in</strong>ahe 2000 Mitarbeiter (Stand 2002). Der offizielle<br />

Hauptsitz bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Paris. Das Europäische Weltraumforschungs- und Technologiezentrum<br />

ESTEC (European Space Research and Technology Centre) ist mit<br />

Sitz <strong>in</strong> Noordwijk <strong>in</strong> <strong>den</strong> Niederlan<strong>den</strong> das Forschungs- und Entwicklungszentrum<br />

für die meisten ESA-Raumfahrzeuge und damit direkter Kunde der EADS Astrium.<br />

Da die ESA ihre Aufträge per Ausschreibung vergibt, hat sie ständig e<strong>in</strong>e grosse<br />

Zahl an verschie<strong>den</strong>en Ausschreibungen als Auftraggeber zu betreuen. Es wurde<br />

daher e<strong>in</strong> eigenes elektronisches System („emits“) für die Koord<strong>in</strong>ation der Ausschreibungstätigkeiten<br />

entwickelt. Sämtliche <strong>in</strong>teressierten Zulieferer und Vertrags-


EADS ASTRIUM<br />

partner erhalten so Zugang zu allen relevanten Informationen der Ausschreibungen.<br />

Die grossen Teilnehmer an Ausschreibungen (wie z. B. EADS Astrium) müssen ebenfalls<br />

auf dieser Plattform eigene Ausschreibungen für Sub-Kontrakte von ESA-<br />

Aufträgen publizieren, sodass sich dann wiederum nachgelagerte Zulieferer und<br />

Komponentenhersteller bei Astrium transparent bewerben können.<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Kun<strong>den</strong>gruppe stellt schliesslich die kommerzielle Kundschaft dar.<br />

Neben Wettersatelliten nehmen Kommunikationssatelliten für Unternehmen wie<br />

INTELSAT, EUTELSAT und INMARSAT <strong>den</strong> Grossteil dieses Marktes e<strong>in</strong>. Im<br />

grundsätzlichen Gegensatz zu <strong>den</strong> restlichen Astrium-Projekten handelt es sich dabei<br />

um e<strong>in</strong>en typischen Markt, <strong>in</strong> dem auch klassische Instrumente wie Market<strong>in</strong>g<br />

oder Plattformmanagement zur Kostenreduktion e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong>. Die folgen<strong>den</strong><br />

Ausführungen beziehen sich allerd<strong>in</strong>gs ausschliesslich auf die Integration der Kun<strong>den</strong>,<br />

vor allem der ESA, im Rahmen wissenschaftlicher Satellitenprojekte der<br />

EADS Astrium.<br />

3.3.2 <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Der für EADS Astrium relevante Gesamtlebenszyklus e<strong>in</strong>es Projektes setzt sich aus<br />

e<strong>in</strong>er Vorentwicklungsphase, der eigentlichen technischen Entwicklungsphase sowie<br />

e<strong>in</strong>er Nutzungs- und Entsorgungsphase zusammen. Die letzten bei<strong>den</strong> Phasen<br />

s<strong>in</strong>d für <strong>den</strong> Fokus dieser Arbeit nicht relevant und wer<strong>den</strong> daher im Folgen<strong>den</strong><br />

nicht näher betrachtet.<br />

Der eigentliche Produktentwicklungsprozess von Astrium wird <strong>in</strong> drei grosse<br />

Schritte unterteilt (vgl. Abb. 13), welche im Folgen<strong>den</strong> überblicksmässig beschrieben<br />

wer<strong>den</strong>, um im nächsten Schritt die Ausprägungen der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Phasen darstellen zu können.<br />

65


66 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

<strong>Frühe</strong>r <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Gelegenheitsphase Ideenphase Konzeptphase<br />

A<br />

Machbarkeitsstudie<br />

Technologiei<strong>den</strong>tifizierung<br />

B<br />

Projektdef<strong>in</strong>ition<br />

und Spezifikationsentwurf<br />

C / D<br />

Entwicklung/<br />

Fertigung, Test<br />

Verifikation<br />

Abbildung 13: Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es der EADS Astrium<br />

In Phase A erfolgt e<strong>in</strong>e Festlegung der Anforderungen an das jeweilige Projekt zusammen<br />

mit der I<strong>den</strong>tifikation und Analyse der Missionselemente (Schnittstellen,<br />

Missionsphasen). E<strong>in</strong> Hauptpunkt ist der Machbarkeitsnachweis bezüglich Technik,<br />

Zeit und F<strong>in</strong>anzen. Daraus ergeben sich e<strong>in</strong>erseits die I<strong>den</strong>tifikation von möglichen<br />

Kosten- und Risikotreibern, Konzeptalternativen sowie eventuell bereits e<strong>in</strong> bevorzugtes<br />

Lösungskonzept und andererseits die Feststellung der Notwendigkeit von<br />

Technologieentwicklungen. Als Fixpunkte stehen am Anfang dieser Phase e<strong>in</strong>e<br />

Mission Def<strong>in</strong>ition Review (MDR), <strong>in</strong> dem die Missionsdef<strong>in</strong>ition überprüft wird<br />

und am Ende die Prelim<strong>in</strong>ary Requirements Review (PRR), welche e<strong>in</strong>e vorläufige<br />

Anforderungsüberprüfung vornimmt.<br />

In der folgen<strong>den</strong> Phase B wird im Rahmen e<strong>in</strong>er Gesamtprojektdef<strong>in</strong>ition die Produktspezifikation<br />

samt Entwicklungsplanung vorgenommen. Zusätzlich kommt es<br />

zu e<strong>in</strong>er Evaluierung des Festpreisangebots zur Durchführung des Projektes. Zu <strong>den</strong><br />

vielfältigen Aufgaben <strong>in</strong> dieser Phase zählen die vertiefte Analyse von alternativen<br />

Systemlösungen, die Festlegung von Systemaufbruch und Produktbaum, das E<strong>in</strong>frieren<br />

der Anforderungen, der Entwurf der technischen Lösungen sowie die detaillierte<br />

Erstellung von Zeit- und Kostenplänen. Zum Abschluss der Phase B wird die<br />

System Specification Review (SSR) durchgeführt, um <strong>in</strong> die eigentliche Entwicklungsphase<br />

e<strong>in</strong>treten zu können.<br />

Die zentrale Entwicklungsphase ist <strong>in</strong> zwei Teilschritte unterteilt. Phase C führt<br />

vom Entwurf zur Entwicklung. An ihrem Ende ist die Gesamtentwicklung abgeschlossen<br />

und der Beg<strong>in</strong>n der eigentlichen Fertigung möglich. Alle Spezifikationen,<br />

Pläne und Fertigungsunterlagen können e<strong>in</strong>gefroren wer<strong>den</strong>. Ermöglicht wird dies<br />

durch umfangreiche Detailanalysen und -entwicklungen, <strong>den</strong> Bau von Entwicklungsmodellen<br />

sowie die Überarbeitung und Festlegung aller Pläne (für Management,<br />

Entwicklung, Zeit und Kosten). Am Beg<strong>in</strong>n von Phase C wird mit der Preli-


EADS ASTRIUM<br />

m<strong>in</strong>ary Design Review (PDR) e<strong>in</strong>e vorläufige Entwurfsüberprüfung als Endpunkt<br />

mit der Critical Design Review (CDR) die abschliessende Entwurfsüberprüfung<br />

durchgeführt. Die Laufzeiten variieren stark projektabhängig, typisch für die Raumfahrt<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> bis zwei Jahre. Phase D schliesst mit der Fertigung, dem Zusammenbau<br />

und der Abnahme des Produktes die eigentliche Produktentwicklung ab. Dies<br />

geschieht durch <strong>den</strong> Zusammenbau und die Hoch<strong>in</strong>tegration der Teilsysteme <strong>in</strong>s<br />

Gesamtsystem, die Abnahme des Produktes mit testierter Raumfahrtqualifikation<br />

und Systemleistung sowie die Vorbereitung der Inbetriebnahme.<br />

3.3.3 <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Grundlagen<br />

Die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ist <strong>in</strong> weiten Teilen der Astrium-Strategie explizit <strong>in</strong>tegriert.<br />

Als Beispiel für e<strong>in</strong>e Verankerung <strong>in</strong> der Geschäftsstrategie kann der Bereich der<br />

Earth Observation genannt wer<strong>den</strong>:<br />

„[…] Astrium is aim<strong>in</strong>g for close l<strong>in</strong>ks with the most respected scientists and users<br />

<strong>in</strong> order to ensure user driven missions and systems […] early <strong>in</strong>volvement of scientific<br />

and <strong>in</strong>stitutional users is essential“. 11<br />

Das generelle Ziel von EADS Astrium bei allen Kun<strong>den</strong>kontakten ist e<strong>in</strong>e möglichst<br />

frühe und umfassende Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung während des gesamten <strong>Innovationsprozess</strong>es.<br />

Im Gegenzug legen viele Auftraggeber Wert darauf, auch Unterauftragnehmer<br />

zu kennen und Entscheidungen über deren E<strong>in</strong>bezug zu treffen. Gerade<br />

im Fall der Wissenschaftsmissionen der ESA f<strong>in</strong><strong>den</strong> auf strategischer Ebene (Zeithorizont<br />

10 Jahre) bereits langfristige grundsätzliche Abstimmungen mit der ESA-<br />

Strategie statt. Diese Abstimmung hat für beide Seiten <strong>den</strong> Vorteil, dass e<strong>in</strong>e langfristige<br />

Planung möglich wird, welche e<strong>in</strong>e effizientere Allokation von Ressourcen<br />

zulässt.<br />

Die spezifischen Ziele der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung s<strong>in</strong>d explizit verankert, beispielsweise<br />

für die Geschäftsentwicklungse<strong>in</strong>heiten:<br />

Profitabilitätssteigerung und Auftragsakquirierung zugunsten von Astrium<br />

Erstellung e<strong>in</strong>er positiven B<strong>in</strong>dung zwischen dem Kun<strong>den</strong> und Astrium<br />

Kun<strong>den</strong>zufrie<strong>den</strong>heit am Ende des Auftrages zu überprüfen und zu dokumentieren<br />

11 Interne Unterlagen EADS Astrium Earth Observation.<br />

67


68 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Generell gilt, dass sich die Schlüsselpersonen des Auftraggebers wie auch des Auftragnehmers<br />

persönlich kennen (teilweise auch aus früheren Projekten). Durch e<strong>in</strong>e<br />

derartige Vertrautheit erreicht man effiziente und effektive Kommunikation als wesentliche<br />

Grundlage e<strong>in</strong>er erfolgreichen E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung.<br />

Organisation<br />

Die wichtigsten organisatorischen Instrumente, welche Astrium <strong>in</strong> Bezug auf die<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>setzt, s<strong>in</strong>d zwei eng zusammenarbeitende, unter der Organisationse<strong>in</strong>heit<br />

Geschäftsentwicklung zusammengefasste Gruppen, nämlich die eigentlichen<br />

Geschäftsentwicklungse<strong>in</strong>heiten (Bus<strong>in</strong>ess Development Units) und das<br />

Key Account Management (KAM).<br />

Die Bus<strong>in</strong>ess Development Units wur<strong>den</strong> gezielt zur weiteren Verstärkung der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

geschaffen. Diese Abteilungen besitzen zwar gewisse Ähnlichkeiten<br />

mit herkömmlichen Market<strong>in</strong>gabteilungen, s<strong>in</strong>d aber mehrheitlich mit Ingenieuren<br />

besetzt. Für das Geschäftsfeld Erdbeobachtung, Navigation und Wissenschaft besteht<br />

die Geschäftsentwicklung aus ungefähr 20 Mitarbeitern, welche organisatorisch<br />

entsprechend der jeweiligen Key Accounts aufgestellt s<strong>in</strong>d. Oberstes Ziel ist<br />

die langfristige Planung und Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>. Bei der so genannten<br />

Vorakquisition, also bei <strong>den</strong> ersten Kun<strong>den</strong>besuchen, ist stets auch e<strong>in</strong> Vertreter<br />

der Geschäftsentwicklung anwesend. Die genauen Aufgaben dieses Bus<strong>in</strong>ess Development<br />

Teams s<strong>in</strong>d Vorakquisition, Aufnahme des ersten Kontaktes sowie Abstimmung<br />

mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>anforderungen. Dies ist eng verzahnt mit der Steuerung<br />

der Angebotspolitik von EADS Astrium. Schliesslich kommt es zur Begleitung des<br />

Vorentwicklungsprozesses, wobei zu beachten ist, dass sobald e<strong>in</strong> Auftrag gewonnen<br />

wurde, die Aktivität der E<strong>in</strong>heit zurückgeht, um schliesslich zu Beg<strong>in</strong>n des eigentlichen<br />

Entwicklungsprozesses durch die Entwicklungsabteilung abgelöst zu<br />

wer<strong>den</strong>. Mit dem E<strong>in</strong>satz von Bus<strong>in</strong>ess Development sowie <strong>den</strong> zugehörigen Key<br />

Account Managern wird die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne geregelt, dass jeder<br />

Kunde <strong>in</strong>nerhalb von Astrium se<strong>in</strong>en persönlichen Ansprechpartner besitzt. Key<br />

Account Manager <strong>in</strong>nerhalb des Bereichs Erdbeobachtung betreuen die Bereiche<br />

Wissenschaft (mit besonderem Fokus auf die ESA), Export, Bo<strong>den</strong>systeme, Navigation<br />

sowie die nationalen Account Manager e<strong>in</strong>zelner Länder.<br />

Als Hilfsmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen <strong>den</strong> Key Account Managern<br />

Datenbanken zur Verfügung, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en Erfahrungen („Lessons learned“) aus vergangenen<br />

Projekten, Kun<strong>den</strong>rückmeldungen und Kontaktpartner zur Verfügung<br />

stehen.


EADS ASTRIUM<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

Typische Merkmale der Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong>nerhalb der Raumfahrtbranche s<strong>in</strong>d die Tätigkeit<br />

sowohl auf europäischer als auch <strong>in</strong>ternationaler Ebene, die sehr grosse Erfahrung<br />

sowie e<strong>in</strong>e ausgeprägte eigene Technologiekompetenz. Dazu kommt das Umfeld<br />

des nahezu monopolistischen Marktes auf dem, unter Verwendung transparenter<br />

Ausschreibungsprozesse, die meisten Aufträge durch die öffentliche Hand vergeben<br />

wer<strong>den</strong>. Wichtigster Punkt für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ist die generelle<br />

Bereitschaft der Kun<strong>den</strong> am <strong>Innovationsprozess</strong> teilzunehmen. Astrium ist <strong>in</strong> der<br />

angenehmen Lage, dass viele Kun<strong>den</strong> von selbst zu enger Interaktion motiviert<br />

s<strong>in</strong>d. Dabei spielen wissenschaftlicher Ehrgeiz, Forschungsdrang und kun<strong>den</strong>spezifische<br />

Lösungen, welche viele komplexe Entscheidungen vom Kun<strong>den</strong> selbst erfordern,<br />

e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle. Die relative Grösse der Kun<strong>den</strong> ist ebenso wie das<br />

vorhan<strong>den</strong>e Wissen sehr unterschiedlich, jedoch gibt es auf der Auftraggeberseite<br />

e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destgrösse, welche mit Rücksicht auf die F<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>es Projekts nicht<br />

unterschritten wird. Zusätzlich existieren, weil sich die Marktteilnehmer meistens<br />

seit langem kennen, oft vielfältige Erfahrungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern.<br />

Die Kun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d also genau bekannt und es besteht meistens auch e<strong>in</strong> starker Wille<br />

des Kun<strong>den</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong> Prozess e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> zu wer<strong>den</strong>. Auch ist der Informationsfluss<br />

zwischen Auftraggeber und Aufragnehmer viel spontaner und <strong>in</strong>formativer als dies<br />

<strong>in</strong> anderen Branchen der Fall ist. E<strong>in</strong>e gezielte zusätzliche Motivation der Kun<strong>den</strong><br />

ist daher nicht notwendig. E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Markt sowie viele Unikaterstellungen zw<strong>in</strong>gen<br />

Astrium automatisch zu „Markets of One“, d. h. zur Erstellung von kun<strong>den</strong>spezifischen<br />

Lösungen und damit zu e<strong>in</strong>er engen Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>. Da<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie über e<strong>in</strong> gewisses Grundniveau an Know-how<br />

und Professionalität verfügen, kommen durchaus konstruktive Vorschläge von<br />

Kun<strong>den</strong>seite. Die fachliche Kompetenz ist dabei bei der ESA mit Abstand am<br />

stärksten ausgeprägt und mit der <strong>in</strong>dustriellen Kompetenz vergleichbar.<br />

Ablauf<br />

Die Phase A (Machbarkeitsstudie) wird von e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Team (drei bis zehn<br />

Mitarbeiter) aus Generalisten mit Systemkompetenz durchgeführt. Die Teamzusammensetzung<br />

erfolgt basierend auf <strong>den</strong> jeweiligen Kompetenzen. Die Laufzeit<br />

beträgt je nach Umfang des Projektes zwischen mehreren Wochen und e<strong>in</strong>em Jahr.<br />

Konkrete Aufgaben s<strong>in</strong>d die Erstellung von Anforderungsanalyse, Funktionsanalyse,<br />

vorläufigen Spezifikationen sowie Konzeptvergleichen (Ideenwettbewerb, e<strong>in</strong>fache<br />

Analysen). Die Zusammenarbeit mit dem Kun<strong>den</strong> läuft <strong>in</strong> dieser Phase im<br />

69


70 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Rahmen e<strong>in</strong>es transparenten, organisatorisch formalisierten Prozesses ab. Nach Erstellung<br />

e<strong>in</strong>es Angebotes und der Auswahl als Kandidat folgen „Negotiation Meet<strong>in</strong>gs“<br />

und im Falle e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong> Vertrag. Dabei ist bereits im Angebot die gesamte<br />

Aufbau- und Ablauforganisation mit e<strong>in</strong>em hohen Detaillierungsgrad beschrieben.<br />

Im Verlauf der Phase kommt es zu regelmässigen „Progress Meet<strong>in</strong>gs“,<br />

bei <strong>den</strong>en neben Kun<strong>den</strong>vertretern aufseiten von Astrium die Projektleiter, Vertreter<br />

des System Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g und eventuell benötigte Experten teilnehmen. Neben diesen<br />

Treffen auf der operativen Ebene gibt es auch auf e<strong>in</strong>er höher gelegenen Hierarchieebene<br />

Präsentationsveranstaltungen zur Halbzeit der Phase A. Am Ende steht<br />

die Prelim<strong>in</strong>ary Requirements Review, welche e<strong>in</strong>e vorläufige Anforderungsüberprüfung<br />

vornimmt.<br />

In der folgen<strong>den</strong> Phase B ist der Personalaufwand mit 10 bis 30 Personen für das<br />

Gesamtsystem etwas höher als <strong>in</strong> Phase A, die Teamzusammensetzung ist e<strong>in</strong>e Mischung<br />

aus kreativen und strukturorientierten Mitarbeitern. Typische Laufzeiten <strong>in</strong><br />

Raumfahrtprojekten s<strong>in</strong>d dafür sechs bis zwölf Monate. Zu <strong>den</strong> vielfältigen Aufgaben<br />

<strong>in</strong> dieser Phase zählen die vertiefte Analyse von alternativen Systemlösungen,<br />

die Festlegung des Systemaufbruches, der Entwurf der technischen Lösungen sowie<br />

die detaillierte Erstellung von Zeit- und Kostenplänen. Die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> erfolgt<br />

dabei pr<strong>in</strong>zipiell genau gleich wie <strong>in</strong> Phase A, d. h. anhand e<strong>in</strong>es genau def<strong>in</strong>ierten<br />

Projektablaufes mit regelmässigen Treffen auf verschie<strong>den</strong>en Ebenen. Zusätzlich<br />

kommen <strong>in</strong> dieser Phase teilweise auch „Resi<strong>den</strong>ts“ des Kun<strong>den</strong> zum E<strong>in</strong>satz.<br />

Dabei handelt es sich um Experten des Kun<strong>den</strong>, welche für e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Zeitraum e<strong>in</strong> Büro der EADS Astrium beziehen und damit auch physisch Teil des<br />

Innovationsteams wer<strong>den</strong>. Zahlenmässig handelt es sich dabei <strong>in</strong> der Regel um e<strong>in</strong><br />

bis drei Personen. Generell wer<strong>den</strong> die Teams auf bei<strong>den</strong> Seiten grösser und die<br />

Frequenz der Treffen ist nun fast wöchentlich. Die Bus<strong>in</strong>ess Development E<strong>in</strong>heit<br />

spielt <strong>in</strong> dieser Phase ke<strong>in</strong>e grosse Rolle mehr, ihr Schwerpunkt liegt be<strong>in</strong>ahe ausschliesslich<br />

<strong>in</strong> der Geschäftsanbahnung. Bis Ende der Phase B (Produktdef<strong>in</strong>ition)<br />

ist die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung am grössten. Hier kann der Kunde <strong>den</strong> grössten Gestaltungse<strong>in</strong>fluss<br />

ausüben, auch wenn die Kosten für e<strong>in</strong>e Abänderung <strong>in</strong> diesem Stadium<br />

bereits beträchtliche Grössenordnungen erreichen. Zum Abschluss der Phase B<br />

erfolgt der Systemaufbruch, d. h. das System ist def<strong>in</strong>iert und es ist bekannt was<br />

entwickelt wer<strong>den</strong> muss. Es wird e<strong>in</strong>e System Specification Review durchgeführt,<br />

um <strong>in</strong> die eigentliche Entwicklungsphase e<strong>in</strong>treten zu können.<br />

Die zentrale Entwicklungsphase ist <strong>in</strong> zwei Teilschritte unterteilt. Phase C führt<br />

vom Entwurf zur Entwicklung. An ihrem Ende ist die Gesamtentwicklung abgeschlossen<br />

und der Beg<strong>in</strong>n der Fertigung möglich. Alle Spezifikationen, Pläne und<br />

Fertigungsunterlagen können e<strong>in</strong>gefroren wer<strong>den</strong>. Ermöglicht wird dies durch um-


EADS ASTRIUM<br />

fangreiche Detailanalysen und -entwicklungen, <strong>den</strong> Bau von Entwicklungsmodellen<br />

sowie die Festlegung aller Pläne. Die Teamgrösse hängt stark vom jeweiligen Projektziel<br />

und -typ ab. Für Satellitenprojekte liegt sie meistens zwischen 50 und mehreren<br />

100 Mitarbeitern. Die Zusammensetzung unterscheidet sich von <strong>den</strong> vorhergehen<strong>den</strong><br />

Phasen dah<strong>in</strong>gehend, dass der Schwerpunkt nun auf Fachspezialisten und<br />

weniger auf Kreativen und Generalisten liegt. Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Kun<strong>den</strong> erfolgt<br />

pr<strong>in</strong>zipiell wie <strong>in</strong> Phase B allerd<strong>in</strong>gs mit abnehmender Intensität. So übernimmt der<br />

Kunde beim Aufbau des Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g Models beispielsweise nur mehr e<strong>in</strong>e Beobachterrolle.<br />

Astrium ist aber auch <strong>in</strong> <strong>den</strong> Phasen C/D ständig im Kontakt mit dem<br />

Kun<strong>den</strong>. Die primäre Aufgabe liegt aber <strong>in</strong> der Entwicklung gemäss (geme<strong>in</strong>sam<br />

erstellter) Spezifikation. Phase D (Fertigung, Zusammenbau, Abnahme des Produktes)<br />

ist allerd<strong>in</strong>gs nicht mehr Teil der Innovationsfrühphase und wird daher nicht<br />

näher betrachtet.<br />

Betrachtet man <strong>den</strong> Ablauf der Frühphase bei Science Projekten, wie sie typischerweise<br />

mit der ESA durchgeführt wer<strong>den</strong>, so beg<strong>in</strong>nt dieser mit e<strong>in</strong>er „Ideenphase“<br />

noch vor Phase A. Die ESA entwickelt geme<strong>in</strong>sam mit Wissenschaftlern Missionsideen<br />

(z. B. Beobachtung extraterrestrischer Planeten zur Beantwortung der Frage,<br />

ob es Spuren von Leben gibt). Die EADS Astrium ist dabei nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen<br />

dabei. Gelegentlich wird e<strong>in</strong>e Idee oder Anregung von Astrium an die ESA herangetragen.<br />

Das bedeutet, dass diese typischen Wissenschaftsmissionen zu Beg<strong>in</strong>n<br />

durch die langfristige Planung der ESA (Zeithorizont rund 20 Jahre) und damit<br />

durch Wissenschaftler getrieben s<strong>in</strong>d und die Industrie dabei e<strong>in</strong>e eher passive bzw.<br />

re<strong>aktive</strong> Rolle <strong>in</strong>nehat. Workshops, welche <strong>in</strong> diesem Umfeld abgehalten wer<strong>den</strong>,<br />

wer<strong>den</strong> von der ESA angestossen und durchgeführt. Für Projekte der Erdbeobachtung<br />

sieht die Situation etwas anders aus. Es kommt dabei zu e<strong>in</strong>er engen Zusammenarbeit<br />

mit Wissenschaftlern (z. B. Universitäten oder Max Planck-Institut) und<br />

dem deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), um Szenarien aktiv zu bee<strong>in</strong>flussen.<br />

Astrium veranstaltet hier auch eigene Workshops, um beispielsweise<br />

zukünftige Bedürfnisse für Meteorologie und Klimaforschung zu diskutieren.<br />

Bei der ESA wird Wert auf grosse Prozesstransparenz gelegt und deshalb wird <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Vielzahl von Dokumenten und Regelwerken (European Cooperation for Space<br />

Standardization ECSS) die Interaktion zwischen der ESA und ihren Auftragnehmern<br />

festgelegt. Allgeme<strong>in</strong>e Leitl<strong>in</strong>ien für die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung auf operativer<br />

Ebene s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> <strong>den</strong> ECSS-Dokumenten unternehmensübergreifend geregelt.<br />

Gerade auf operativer Ebene wer<strong>den</strong> sämtliche Kommunikationsmittel e<strong>in</strong>gesetzt,<br />

bevorzugt wird aber der persönliche Kontakt oder das Telefon. M<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal<br />

pro Woche f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e Kontaktaufnahme statt, um auch über Fortschritte oder Änderungen<br />

von Kun<strong>den</strong>seite her <strong>in</strong>formiert zu bleiben. Der persönliche Kontakt wäh-<br />

71


72 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

rend der B/C/D-Phasen kann oft e<strong>in</strong>fach über die ständig vor Ort anwesen<strong>den</strong> Mitarbeiter<br />

des Auftraggebers hergestellt wer<strong>den</strong>. Astrium versucht, stets die eigene<br />

Projektorganisation an die des Kun<strong>den</strong> anzugleichen. Man ist auf bei<strong>den</strong> Seiten bestrebt,<br />

die Kommunikationswege kurz zu halten, sodass auch e<strong>in</strong> spontaner und ungezwungener<br />

Informationsfluss stattf<strong>in</strong><strong>den</strong> kann. Der Projektleiter ist <strong>in</strong> persona<br />

Bestandteil des geschlossenen Vertrages (welcher z. B. auch Lebensläufe der<br />

Schlüsselpersonen be<strong>in</strong>haltet). Ansprechpersonen müssen somit sorgfältig und klar<br />

schon im Voraus bestimmt wer<strong>den</strong>.<br />

Management der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Die Motivation der Kun<strong>den</strong> stellt im Falle der ESA bzw. der Erdbeobachtung ke<strong>in</strong><br />

Problem dar. Aufseiten der Kun<strong>den</strong> arbeiten überwiegend Naturwissenschaftler und<br />

Ingenieure, welche schon alle<strong>in</strong>e aufgrund ihrer persönlichen Mentalität und Interessen<br />

gerne an <strong>den</strong> F&E-Prozessen teilnehmen wollen. Dabei gilt es für die Astrium<br />

allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>ige Punkte zu beachten. Pr<strong>in</strong>zipiell s<strong>in</strong>d die Kun<strong>den</strong> ke<strong>in</strong>e Angestellten<br />

des Herstellers und können bzw. wollen ke<strong>in</strong>e Verantwortung für <strong>den</strong> Verlauf<br />

der Entwicklung übernehmen, diese sehr wohl aber aktiv mitgestalten. Ob<br />

Astrium daher von ihrer Teilnahme profitiert, hängt vom Geschick des Projektleiters<br />

ab. Die ganze Bandbreite von e<strong>in</strong>er wirklichen Mitarbeit bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er kontraproduktiven<br />

E<strong>in</strong>mischung ist möglich. Pr<strong>in</strong>zipiell neigen Kun<strong>den</strong> eher dazu, e<strong>in</strong>e<br />

Lösung zu kritisieren, als konkrete Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Kontrolle<br />

durch genaues Betrachten des Kun<strong>den</strong> und se<strong>in</strong>er Aktivitäten ist notwendig.<br />

Die oben beschriebenen Phasen des Produktentwicklungsprozesses wer<strong>den</strong> durch<br />

zwei Ausschreibungsvorgänge abgedeckt. Für die Projektphase A beträgt die Ausschreibungsdauer<br />

typischerweise sechs bis acht Wochen, für die B/C/D-Phasen drei<br />

Monate. Kun<strong>den</strong>kontakte während der Ausschreibungsphase <strong>in</strong> Form allfälliger<br />

Rückfragen an die ausschreibende Stelle s<strong>in</strong>d zwar erlaubt, doch wer<strong>den</strong> anschliessend<br />

sowohl Frage als auch Antwort anonymisiert und an alle Teilnehmer weitergeleitet.<br />

Die Ausschreibungsdauer wird von allen Teilnehmern als äusserst kurz wahrgenommen.<br />

Daher s<strong>in</strong>d gute Kun<strong>den</strong>kontakte schon vor der offiziellen Ausschreibung<br />

notwendig, weil auf diesem Wege wichtige Vor<strong>in</strong>formationen zur Ausschreibung<br />

gesammelt wer<strong>den</strong> können. Dies geht teilweise so weit, dass schon vor Bekanntgabe<br />

der Ausschreibung bei EADS Astrium Projektteams zusammengestellt<br />

und Anforderungen, welche das Projekt erfüllen muss, festgelegt wer<strong>den</strong>. F<strong>in</strong>anziert<br />

wird diese Tätigkeit durch e<strong>in</strong>en speziell dafür geschaffenen „Proposal Fonds“,<br />

welcher das EADS-<strong>in</strong>terne Angebotsbudget verwaltet.


EADS ASTRIUM<br />

E<strong>in</strong>mal pro Jahr wird mit <strong>den</strong> Hauptkun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e „Customer Satisfaction Review“<br />

durchgeführt, um Rückmeldungen zu bestimmten Projekten, aber auch zur generellen<br />

Arbeitsweise von Astrium aus Kun<strong>den</strong>perspektive erhalten. Ebenfalls jährlich<br />

veranstaltet Astrium e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternes „Bus<strong>in</strong>ess Development Sem<strong>in</strong>ar“, <strong>in</strong> welchem<br />

sich alle Bus<strong>in</strong>ess Development Mitarbeiter sowie e<strong>in</strong>ige Mitarbeiter aus anderen<br />

Bus<strong>in</strong>ess Units treffen. Dort wer<strong>den</strong> Erfahrungen, Prozessverbesserungsvorschläge<br />

und Pläne für das folgende Jahr besprochen. Zur Kontrolle der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesse<br />

wer<strong>den</strong> hochrangige Reviews durchgeführt. Diese basieren auf Überprüfungsmeilenste<strong>in</strong>en<br />

durch projektfremde Personen, welche vom Kun<strong>den</strong> durchgeführt<br />

wer<strong>den</strong>. Aufseiten der Astrium nehmen daran nur Mitglieder des Managements<br />

teil.<br />

Im gesamten Unternehmen wird besonderer Wert auf <strong>in</strong>tensive Kun<strong>den</strong>beziehungen<br />

gelegt und es f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> ausgeprägter bilateraler Informationsfluss mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong><br />

statt. Die Übergabe von akquirierten Aufträgen durch Bus<strong>in</strong>ess Development E<strong>in</strong>heiten<br />

zur Entwicklungsabteilung von Astrium erfolgt für <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> transparent.<br />

Erfahrungen aus vergangenen Projekten wer<strong>den</strong> beispielsweise <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternen Knowledge-Datenbanken<br />

systematisch festgehalten und verarbeitet. Es f<strong>in</strong><strong>den</strong> auch regelmässige<br />

Treffen statt und am Projektende tritt das Bus<strong>in</strong>ess Development für <strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong> wieder verstärkt <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung, um die Kun<strong>den</strong>zufrie<strong>den</strong>heit zu erfragen<br />

und „Lessons learned“ zu besprechen.<br />

3.3.4 Zusammenfassung<br />

Im S<strong>in</strong>ne der Dreiteilung des frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es <strong>in</strong> Gelegenheits-, Ideen-<br />

und Konzeptphase wer<strong>den</strong> bei der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der EADS Astrium im Rahmen<br />

wissenschaftlicher Projekte alle drei Felder abgedeckt. Die Gelegenheit entspricht<br />

dem ursprünglichen Missionsgedanken (z. B. extraterrestrische Beobachtung).<br />

Das „Mission Statement“ enthält neben dem eigentlichen Ziel der Mission oft<br />

auch schon e<strong>in</strong>e technischer Idee bzw. f<strong>in</strong>det sich diese <strong>in</strong>nerhalb der e<strong>in</strong>zelnen betrachteten<br />

Technologien. Das Konzept entspricht bei Astrium dem Entwurf, welcher<br />

das Ergebnis des iterativen Prozesses der Phasen A und B darstellt und zu Beg<strong>in</strong>n<br />

der Phase C <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en wesentlichen Punkten feststeht. Die abschliessende Entwurfsüberprüfung<br />

erfolgt dann mit der Critical Design Review ungefähr zur Halbzeit der<br />

Phase C. Die Zusammenarbeit mit dem Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em typischen ESA-Projekt<br />

beg<strong>in</strong>nt also mit dem Prelim<strong>in</strong>ary Mission Def<strong>in</strong>ition Document. Dar<strong>in</strong> ist die erste<br />

grobe Vorstellung der ESA festgehalten. Im Rahmen der Phase A erfolgt nun e<strong>in</strong>e<br />

Überprüfung der Machbarkeit und dabei e<strong>in</strong>e Präzisierung der Anforderungen. Dies<br />

passiert <strong>in</strong> enger Zusammenarbeit mit dem Kun<strong>den</strong>. Alle sechs Wochen kommt es<br />

73


74 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

zu Progress Meet<strong>in</strong>gs und zur Halbzeit zu e<strong>in</strong>em Midterm Treffen. Die Rolle der<br />

ESA wäre pr<strong>in</strong>zipiell mit dem E<strong>in</strong>sammeln der Lösung erfüllt, aber da sie über sehr<br />

gut ausgebildete, <strong>in</strong>teressierte Experten verfügt, welche sich auch aktiv <strong>in</strong> <strong>den</strong> Prozess<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen wollen, kommt es zu e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Konzeptentwicklung.<br />

Generell f<strong>in</strong>det im Bereich der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung häufig e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>formelle Kommunikation<br />

bei verschie<strong>den</strong>en Anlässen statt. Es s<strong>in</strong>d beispielsweise jährliche Direktorentreffen<br />

zu nennen, bei <strong>den</strong>en die Führungsebene von Astrium mit Führungskräften<br />

der wichtigen Auftraggeber zusammentrifft und so e<strong>in</strong> genereller Austausch von<br />

Informationen stattf<strong>in</strong><strong>den</strong> kann. Auf operativer Ebene, bei konkreten Projekten, ist<br />

der Kun<strong>den</strong>kontakt am <strong>in</strong>tensivsten und es f<strong>in</strong><strong>den</strong> regelmässige Besprechungen und<br />

Reviewmeet<strong>in</strong>gs statt. Bemerkenswert ist die Besonderheit, dass e<strong>in</strong>ige ESA-<br />

Mitarbeiter während des gesamten geme<strong>in</strong>samen Innovationsprojektes bei EADS<br />

Astrium Büroräume nutzen, um aus erster Hand Informationen zu erhalten bzw.<br />

E<strong>in</strong>fluss zu nehmen (<strong>in</strong>tern wird diese Form der Zusammenarbeit teilweise „fürsorgliche<br />

Belagerung“ genannt). Als Fazit lässt sich feststellen, dass Astrium die<br />

Spezifikation bei ganz neuen Entwicklungen geme<strong>in</strong>sam mit der ESA festlegt. Die<br />

ESA als Kunde setzt zunächst e<strong>in</strong>en sehr weitgehen<strong>den</strong> Rahmen, welcher schliesslich<br />

geme<strong>in</strong>sam im S<strong>in</strong>ne der notwendigen Detaillierung ausgefüllt wird. Dabei führen<br />

die hohen Anforderungen des Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>erseits zur Notwendigkeit von Innovationen<br />

und andererseits zur kooperativen Realisierung derselben. Der Kunde greift<br />

also durch Vorgaben und direkten Input <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> e<strong>in</strong>, lässt aber<br />

dem Hersteller Freiräume bei der technischen Umsetzung.<br />

Abbildung 14 gibt e<strong>in</strong>en zusammenfassen<strong>den</strong> Überblick der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

bei EADS Astrium.


EADS ASTRIUM<br />

Warum? Warum? Ziele<br />

M<strong>in</strong>imierung des Entwicklungsrisikos<br />

Nutzung der Kompetenzen des Kun<strong>den</strong> als Quelle von Ideen und Anregungen sowie zur Kontrolle<br />

Wann? Phase<br />

Als Anstoss am Beg<strong>in</strong>n der Gelegenheitsphase und im Verlauf der Machbarkeitsstudie<br />

In der Ideenphase zur Abstimmung der Missionsziele und der erforderlichen Systemspezifikation; <strong>in</strong> der<br />

Spezifikationsentwurfphase zur Festlegung der detaillierten Spezifikation<br />

In der Konzeptphase zur Verfe<strong>in</strong>erung und Validierung der Anforderungen<br />

Wen? Kun<strong>den</strong>charakteristika<br />

Auftraggeber mit grosser Expertise im Bereich der Kernkompetenz von Astrium, <strong>in</strong>sbesondere die europäische<br />

Weltraumagentur ESA<br />

Wie? Wie? Prozesscharakteristika<br />

Prozesscharakteristika<br />

Bus<strong>in</strong>ess Development E<strong>in</strong>heiten und Key Account Management zur Sicherstellung e<strong>in</strong>er permanenten Betreuung des<br />

Kun<strong>den</strong><br />

Operative E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung im Rahmen der Projekte durch regelmässige Treffen und Review Meet<strong>in</strong>gs bzw. durch „Resi<strong>den</strong>ts“,<br />

welche im Gebäude der Astrium arbeiten<br />

Genau spezifizierte öffentlich zugängliche Ausschreibungen und Prozessabläufe<br />

Besonderheiten<br />

Besonderheiten<br />

Im Bereich der betrachteten Wissenschaftsprojekte Fokussierung auf e<strong>in</strong>en zentralen Kun<strong>den</strong><br />

Kunde steuert durch die Spezifikation der genauen Anforderungen <strong>in</strong> der Innovationsfrühphase vor dem Beg<strong>in</strong>n des<br />

eigentlichen Entwicklungsprozesses<br />

Abbildung 14: Übersicht der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der EADS Astrium<br />

75


76 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

3.4 Hilti Diamond Systems<br />

3.4.1 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

Hilti wurde 1941 gegründet und entwickelte sich von e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Familienunternehmen<br />

zu e<strong>in</strong>em weltweit tätigen High-Tech-Konzern. Durch die Mart<strong>in</strong> Hilti Familienstiftung<br />

wird die Firma noch immer von der Familie Hilti kontrolliert. Hilti<br />

operiert <strong>in</strong> mehr als 120 Staaten und hat mehr als 14.000 Mitarbeiter. Rund zwei<br />

Drittel aller Angestellten arbeiten <strong>in</strong> <strong>den</strong> Marktorganisationen, d. h. <strong>in</strong> Verkauf, Beratung<br />

und Service. Die 1.500 Mitarbeiter umfassende Zentrale liegt <strong>in</strong> Schaan,<br />

Liechtenste<strong>in</strong>. Hilti versteht sich selbst als weltweiter Partner für Profis am Bau.<br />

Firmenziel ist es, die Produktivität der Kun<strong>den</strong> durch das Angebot technologisch<br />

führender Produkte und Systeme zu erhöhen. Die Produktpalette umfasst Drill<strong>in</strong>g<br />

und Demolition, Direct Fasten<strong>in</strong>g, Diamond Systems, Anchor<strong>in</strong>g Systems, Firestop,<br />

Installation, Position<strong>in</strong>g, Screw Fasten<strong>in</strong>g Systems sowie Cutt<strong>in</strong>g & Sand<strong>in</strong>g. Die<br />

drei Hauptsäulen von Hiltis Strategie s<strong>in</strong>d Innovationsexzellenz, direkte Kun<strong>den</strong>beziehungen<br />

und effektives Market<strong>in</strong>g. In die F&E wer<strong>den</strong> jährlich rund 4,5 % des<br />

Gesamtumsatzes <strong>in</strong>vestiert, d. h. ca. 136 Mio. CHF. Der Grossteil davon s<strong>in</strong>d Ausgaben<br />

für <strong>in</strong>terne Forschungstätigkeiten, nur e<strong>in</strong> Anteil von ca. 20 % betrifft externe<br />

Projekte. Die F&E-Struktur enthält verschie<strong>den</strong>e Bereiche wie Cutt<strong>in</strong>g-<br />

Technologies (Abbaumetho<strong>den</strong>), Drive-Technologies (Antriebsmotoren), Elektronik<br />

und Materialien. Für e<strong>in</strong>zelne Projekte wird aus <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Pools jeweils<br />

e<strong>in</strong> passendes Team zusammengestellt, wobei die F&E-Abteilung als Profitcenter<br />

agiert.<br />

Die besondere Beziehung zu <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> zeigt sich auch <strong>in</strong> der Firmenmission, <strong>in</strong><br />

der unter anderem folgende Aussagen enthalten s<strong>in</strong>d: „Wir wollen die besten Partner<br />

unserer Kun<strong>den</strong> se<strong>in</strong>. Ihre Anforderungen bestimmen unser Handeln.“ Hilti legt<br />

grossen Wert auf Innovationen, um ihre führende Stellung im Premiumsegment des<br />

Marktes zu halten. Dies zeigt sich nicht nur <strong>in</strong> der wichtigen Rolle, welche die<br />

Grundlagenforschung spielt, sondern auch <strong>in</strong> Hiltis Value Proposition (= Hilti<br />

Mehrwert) als Komb<strong>in</strong>ation von qualitativ hoch stehen<strong>den</strong> Produkten und Kun<strong>den</strong>services.<br />

Deshalb wer<strong>den</strong> gezielt neben Produkt- auch Dienstleistungs<strong>in</strong>novationen<br />

angestrebt.


HILTI DIAMOND SYSTEMS<br />

Organisatorisches Umfeld<br />

Die Organisation besteht aus Geschäftse<strong>in</strong>heiten (Bus<strong>in</strong>ess Units), welche zu Geschäftsfeldern<br />

(Bus<strong>in</strong>ess Areas) zusammengefasst s<strong>in</strong>d. Daneben gibt es firmenübergreifende<br />

Funktionsbereiche (Corporate Functions). Die grossen Marktorganisationen,<br />

mit mehr als zwei Dritteln aller Mitarbeiter, s<strong>in</strong>d für Vertrieb und Market<strong>in</strong>g<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> jeweiligen Ländern zuständig. Dieser Marktschwerpunkt ist e<strong>in</strong> Ergebnis<br />

von Hiltis Direktverkaufskonzept.<br />

Der Bereich Hilti Diamond Systems macht rund 10 % des Gesamtumsatzes der Hilti<br />

aus. Zur Produktpalette gehören Geräte aus <strong>den</strong> Bereichen Kernbohrung, Diamant-<br />

Sägen sowie Trenntechnik und Oberflächenbehandlung. Das Marktpotenzial für Diamantprodukte<br />

besteht zu ca.75 % aus Verbrauchsmaterialien, <strong>den</strong> so genannten<br />

Consumables. Neben Diamantprodukten bietet Hilti <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> auch umfangreiche<br />

Serviceleistungen, welche je nach Kun<strong>den</strong>gruppe differenziert angeboten wer<strong>den</strong>.<br />

Diese Leistungen bil<strong>den</strong> e<strong>in</strong>en wesentlichen Teil des Mehrwertes, welchen Hilti<br />

ihren Kun<strong>den</strong> bietet (Hilti Value Proposition).<br />

Als Ergebnis ihrer Innovationsbemühungen konnte die Diamanttechnik <strong>in</strong> jüngster<br />

Vergangenheit etliche Erfolge feiern. So wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten drei Jahren sechs<br />

komplett neue Produkte entwickelt sowie zahlreiche weitere Verbesserungen erzielt.<br />

Neue Produkte machen rund 30 % des Umsatzes aus. Als Beispiel sei das Modell<br />

DD EC-1 erwähnt, bei dem e<strong>in</strong>e Leistungssteigerung von bis zu 100 % und e<strong>in</strong>e<br />

verbesserte Handlichkeit erreicht wer<strong>den</strong> konnten. Möglich wurde das e<strong>in</strong>erseits<br />

durch e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von sehr hoher Drehzahl mit e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>novativen Bewegungsablauf<br />

der Bohrkrone. Zudem wurde das Gerät, erstmalig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Klasse, mit<br />

e<strong>in</strong>er weitgehend unabhängigen Wasserversorgung ausgerüstet, <strong>in</strong> der das Bohrwasser<br />

gefiltert und dem System wieder zugeführt wird.<br />

In <strong>den</strong> Marktorganisationen s<strong>in</strong>d im Market<strong>in</strong>g Produktmanager für die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Produktbereiche (z. B. Diamond, Bohrmontage, Anchor<strong>in</strong>g) etabliert, deren Hauptaufgabe<br />

die Umsetzung der Product Leadership Strategy darstellt. E<strong>in</strong>e so genannte<br />

Trade-Initiative bündelt nun Produkte aus verschie<strong>den</strong>en Bus<strong>in</strong>ess Units für e<strong>in</strong><br />

spezielles Kun<strong>den</strong>segment und erstellt damit e<strong>in</strong>en „Product Basket“. Dies bedeutet,<br />

dass nicht mehr die e<strong>in</strong>zelne Produktfamilie im Vordergrund steht, sondern die Anwendungskette<br />

des Kun<strong>den</strong>. In diesem S<strong>in</strong>ne gibt es beispielsweise e<strong>in</strong>en Trade Interior<br />

F<strong>in</strong>ish<strong>in</strong>g, der sämtliche Produkte verschie<strong>den</strong>er Bus<strong>in</strong>ess Units und Areas<br />

umfasst, welche für Tätigkeiten im Bereich des Innenausbaus benötigt wer<strong>den</strong>. Im<br />

Bereich der Diamond Systems wurde der Trade Diamond Service Contractor (DSC)<br />

e<strong>in</strong>gerichtet. Dabei handelt es sich um e<strong>in</strong>en Spezialfall, da er sich zu 80 % aus Diamond-Produkten<br />

zusammensetzt und daher <strong>in</strong> der Bus<strong>in</strong>ess Unit Diamant-Technik<br />

77


78 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

angesiedelt ist. Neben der klassischen Market<strong>in</strong>g Struktur wird gerade damit begonnen,<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Marktorganisationen auch e<strong>in</strong>en Trade Market<strong>in</strong>g mit eigenen<br />

Trade-Verantwortlichen aufzubauen. In dieser neuen Organisation ist e<strong>in</strong> Heavy-User-Verkäufer<br />

für Diamond Service Contractors oder Baufirmen mit eigenen<br />

Diamantabteilungen nicht mehr für e<strong>in</strong>e bestimmte Region, sondern für e<strong>in</strong>en Trade<br />

zuständig. So wird es beispielsweise <strong>in</strong> der Marktorganisation Deutschland im Heavy-User-Bereich<br />

15 „Tradespezialisten“ unterstützt von zwei Field Eng<strong>in</strong>eers geben.<br />

Externes Umfeld<br />

Diamanttechnik ist e<strong>in</strong>e Technologie, welche lange auf demselben Niveau stagnierte.<br />

Über viele Jahre wur<strong>den</strong> deswegen hauptsächlich Anstrengungen unternommen,<br />

um auf der Herstellerseite die Kosten zu senken. Es fan<strong>den</strong> dadurch vor allem <strong>in</strong>krementelle<br />

Verbesserungen statt. Die Kerntechnologie der Diamantgeräte (Universalmotor<br />

oder konventioneller Drehstrommotor) war aber die Gleiche geblieben. In<br />

<strong>den</strong> letzten Jahren gelang jedoch e<strong>in</strong> grosser Sprung, <strong>in</strong>dem mit Hochfrequenzmotoren<br />

e<strong>in</strong>e neue Motorentechnologie e<strong>in</strong>gesetzt wurde. Ausgelöst wurde diese Innovation<br />

durch erhöhte Kun<strong>den</strong>anforderungen bezüglich Produktivität und Handl<strong>in</strong>g.<br />

Auch bei der Abbautechnik gab es Verbesserungen. Dieser Schritt war notwendig<br />

gewor<strong>den</strong>, da e<strong>in</strong> Punkt erreicht wor<strong>den</strong> war, an dem selbst ger<strong>in</strong>ge Fortschritte<br />

kaum noch erzielt wer<strong>den</strong> konnten und es daher immer schwerer gewor<strong>den</strong> war,<br />

sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Im Allgeme<strong>in</strong>en ist die Dynamik aber<br />

eher ger<strong>in</strong>g, die Entwicklung der Werkzeuge läuft <strong>in</strong> der Regel kont<strong>in</strong>uierlich ab,<br />

radikale Sprünge, wie der auf die neue Motorentechnologie, s<strong>in</strong>d nicht regelmässig<br />

zu erwarten.<br />

Betrachtet man das Marktumfeld, so ist Hilti <strong>in</strong> diesem Segment e<strong>in</strong>es der wenigen<br />

Unternehmen, welches <strong>in</strong> der Lage ist, <strong>den</strong> gesamten Kun<strong>den</strong>prozess abzudecken.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong>vestiert Hilti im Vergleich massiv <strong>in</strong> die F&E und damit <strong>in</strong> Innovationen.<br />

E<strong>in</strong>er der grössten Konkurrenten von Hilti Diamond Systems ist Tyrolit,<br />

e<strong>in</strong> Unternehmen der Swarowski-Gruppe. Allerd<strong>in</strong>gs haben sich zwei weitere Konkurrenten<br />

vor kurzem zusammengeschlossen und s<strong>in</strong>d nun umsatzmässig doppelt so<br />

gross wie Hiltis Diamant-Division. Auch auf dem Gebiet der Verbrauchsgüter<br />

(Consumables) gibt es zwei bis drei grosse Wettbewerber und Hauptkonkurrenten.<br />

E<strong>in</strong> ähnliches Bild zeigt sich im Motorenbereich, wo es e<strong>in</strong>e Vielzahl an kle<strong>in</strong>en<br />

und nur zwei bis drei grosse Anbieter gibt. Hilti stellt Motoren selbst her oder entwickelt<br />

sie zusammen mit ihren Schlüssellieferanten. Für die nächsten Jahre lässt<br />

sich e<strong>in</strong> starker Trend zur Konsolidierung des Marktes, d. h. zu Zusammenschlüssen<br />

oder Akquisitionen, erkennen. Hilti konzentriert sich allerd<strong>in</strong>gs auf Wachstum aus


HILTI DIAMOND SYSTEMS<br />

eigener Kraft und zielt dabei auf e<strong>in</strong>e führende Position und e<strong>in</strong>en weltweit signifikanten<br />

Marktanteil ab. Hilti ist die Innovationsführer<strong>in</strong> ihrer Branche, wobei die Innovationen<br />

meistens unter Mitwirkung spezieller Kun<strong>den</strong> generiert wer<strong>den</strong>. Vere<strong>in</strong>facht<br />

ausgedrückt kommt die Idee vom Kun<strong>den</strong> und die Lösung von Hilti. Die Trockenabbau-Lösung<br />

des Modells PCC stellt e<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

dar. Sie kam dadurch zustande, dass Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> Kernkraftwerken Probleme<br />

mit anfallendem Bohrschlamm und <strong>den</strong> enormen Kosten bei dessen Entsorgung<br />

haben. Der Kunde suchte deshalb nach e<strong>in</strong>em Weg, die Bohrungen ohne <strong>den</strong> Anfall<br />

von Schlamm vornehmen zu können. Hilti veranstaltete daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Workshop<br />

zur Problematik des Rückbaus kerntechnischer Anlagen. Teilnehmer waren zwei<br />

verschie<strong>den</strong>e Kun<strong>den</strong>, zwei Dienstleister, e<strong>in</strong> Atomkraftwerksexperte, der Vertriebsleiter,<br />

der für das F&E-Projekt verantwortliche Manager aus der Forschung,<br />

der Verantwortliche für das Technologieprojekt aus der Entwicklung sowie der Leiter<br />

des Trades Diamond Service Contractor. Geme<strong>in</strong>sam wur<strong>den</strong> die Problemstellung<br />

konkretisiert sowie erste Ideen und Lösungsansätze generiert. Nach mehreren<br />

Versuchen mit Prototypen, konnten die ersten Lösungen <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> vorgestellt<br />

wer<strong>den</strong>. Darauf aufbauend gelang es Hilti, die so genannte PCC-<br />

Trockenabbaulösung weiterzuentwickeln und damit, mithilfe von Ideen und Anregungen<br />

der Kun<strong>den</strong>, e<strong>in</strong>e wesentliche Innovation im Trockenabbau zu erzielen.<br />

3.4.2 <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Der <strong>Innovationsprozess</strong> bei Hilti setzt sich aus drei Teilen zusammen: dem F&E-<br />

Projekt, dem Technologie-Projekt und dem Time-to-Money-Projekt. Die letzte Phase<br />

lässt sich ihrerseits <strong>in</strong> fünf Schritte (Def<strong>in</strong>itionsphase, Konzeptphase, Designphase,<br />

Launch-Vorbereitungsphase und Markte<strong>in</strong>führungsphase) und sechs Gates unterteilen,<br />

wobei für die Frühphase nur die bei<strong>den</strong> ersten Schritte bis h<strong>in</strong> zur Konzeptphase<br />

relevant s<strong>in</strong>d (vgl. Abb. 15). Am Anfang steht das so genannte F&E-<br />

Projekt. Es umfasst e<strong>in</strong>erseits die Erfassung der Kun<strong>den</strong>bedürfnisse über allgeme<strong>in</strong>e<br />

Marktforschung und andererseits die Grundlagenforschung der eigenen Forschungs-<br />

und Entwicklungsabteilung. Als e<strong>in</strong> mögliches Instrument wer<strong>den</strong> Fokusgruppen<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, welche von e<strong>in</strong>em externen Institut befragt wer<strong>den</strong>. Ebenso kommen<br />

Lead-User-Workshops oder Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>terviews <strong>in</strong>frage, um Probleme und Anliegen<br />

der Kun<strong>den</strong> detailliert zu erfassen. Mittels Quality Function Deployment (QFD)<br />

wer<strong>den</strong> diese Bedürfnisse dann nach ihrer Wichtigkeit klassifiziert. Das F&E-<br />

Projekt ist zentral <strong>in</strong>nerhalb der Forschung angesiedelt, ebenso wie die erste Hälfte<br />

des Technologieprojektes. Die zweite Hälfte des Technologieprojektes erfolgt dann<br />

dezentral <strong>in</strong> <strong>den</strong> jeweiligen Entwicklungsabteilungen der Bus<strong>in</strong>ess Units. Das ge-<br />

79


80 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

samte Time-to-Money-Projekt wird dann geme<strong>in</strong>sam zwischen Entwicklung und<br />

Market<strong>in</strong>g (ebenfalls dezentral <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bus<strong>in</strong>ess Units) abgewickelt.<br />

<strong>Frühe</strong>r <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Gelegenheitsphase Ideenphase Konzeptphase<br />

F&E-Projekt<br />

Technologieprojekt<br />

Def<strong>in</strong>itionsphase Konzeptphase<br />

Abbildung 15: Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es der Hilti Diamond Systems<br />

F&E-Projekte s<strong>in</strong>d stark <strong>in</strong>tern getrieben und f<strong>in</strong><strong>den</strong> nur bei neuen Technologien<br />

statt. Basierend auf e<strong>in</strong>em Problem des Kun<strong>den</strong> (z. B. Trockenbohren <strong>in</strong> armiertem<br />

Beton) wird e<strong>in</strong> Problem def<strong>in</strong>iert, für welches dann e<strong>in</strong>e Lösung gesucht wird. Neben<br />

diesen Anwendungsproblemen kann auch die Suche nach E<strong>in</strong>sparungspotenzialen<br />

<strong>den</strong> Anstoss zur Entwicklung bzw. Suche neuer Technologien geben. In bei<strong>den</strong><br />

Fällen kommen zur Durchführung des Projektes praktisch ke<strong>in</strong>e konzeptionellen<br />

Vorschläge von Kun<strong>den</strong>seite. Das Time-to-Money-Projekt beg<strong>in</strong>nt erst dann, wenn<br />

alle relevanten Risiken aus e<strong>in</strong>er Technologie ausgeschaltet s<strong>in</strong>d.<br />

3.4.3 <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Grundlagen<br />

Die Hilti Unternehmensstrategie „Champion 3C“ – „Customer“, „Competence“ und<br />

„Concentration“ – richtet das Unternehmen klar auf die Bedürfnisse der Kun<strong>den</strong><br />

aus. Seit mehr als fünf Jahren orientiert sich Hilti an dieser Strategie. Der Kunde<br />

steht dabei an erster Stelle, daher der Buchstabe C für das englische Wort Customer.<br />

Konzentration auf Key-Kun<strong>den</strong> und auf die Lösung ihrer Probleme lautet das<br />

Rational. Die zentrale Bedeutung des Kun<strong>den</strong> spiegelt auch Hiltis Organigramm<br />

wider. Der Kunde steht zuoberst, bedient durch die Regionen und Märkte. Hilti<br />

Mitarbeiter wer<strong>den</strong> <strong>in</strong>tensiv geschult, um Kun<strong>den</strong>anforderungen mit gezielter Beratung<br />

und Anwendungs- bzw. Produktwissen optimal erfüllen zu können. Die Strategie<br />

Champion 3C steht dabei <strong>in</strong> allen Bereichen im Mittelpunkt, so auch <strong>in</strong> der<br />

Konzernforschung und Entwicklung. Die Entwickler haben ebenfalls direkten Kun-


HILTI DIAMOND SYSTEMS<br />

<strong>den</strong>kontakt, um e<strong>in</strong> besseres Marktverständnis zu entwickeln. Auch die Vertriebskanäle<br />

richten sich stets auf maximalen Kun<strong>den</strong>nutzen aus. Hilti offeriert se<strong>in</strong>en<br />

Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>zigartige Kompetenz (zweites C von Competency): Die Produkte, Systeme<br />

und Serviceangebote zeichnen sich durch richtungsweisende Innovationen und<br />

umfassende Qualität aus. Hilti versteht sich als kompetenter Ansprechpartner für<br />

<strong>den</strong> Profi am Bau. Das dritte C steht für Concentration, also Konzentration. Diese<br />

f<strong>in</strong>det sich sowohl bei <strong>den</strong> Märkten als auch <strong>den</strong> Produkten und ermöglicht Hilti,<br />

e<strong>in</strong> Führungsrolle zu übernehmen und zu behaupten. Das Unternehmen konzentriert<br />

sich auf Produkte und Märkte mit und <strong>in</strong> <strong>den</strong>en es Führungspositionen erlangen und<br />

halten kann. Man setzt also nicht auf so genannte „Me-too-Produkte“. Hilti will <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Märkten, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en sie tätig ist, die Nummer e<strong>in</strong>s, zwei oder drei se<strong>in</strong>. Dies erfordert<br />

massive Investitionen, um die Rolle der Innovationsführer<strong>in</strong> zu behalten.<br />

Um die Zufrie<strong>den</strong>heit der Kun<strong>den</strong>, aber auch die <strong>in</strong>terne Effizienz weiter zu steigern,<br />

hat Hilti weltweit e<strong>in</strong>heitliche Geschäftsprozesse def<strong>in</strong>iert. Die Strategie wird<br />

konkretisiert durch die drei Stossrichtungen „Product Leadership“, „Market Reach“<br />

und „Operational Excellence“. Zur Messung der Effizienz dieser Bemühungen wer<strong>den</strong><br />

Messgrössen wie der B<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g-Index (Wie stark ist der Kunde mit dem Produkt<br />

an Hilti gebun<strong>den</strong>?) oder auch der HILTI-Fan-Index (Würde uns der Kunde une<strong>in</strong>geschränkt<br />

weiterempfehlen?) herangezogen.<br />

Diese Zuwendung zum Kun<strong>den</strong> manifestiert sich ganz deutlich durch die Aktivitäten<br />

im Servicebereich der Hilti Diamond Systems. Nicht nur die physischen Produkte,<br />

sondern auch die Dienstleistungen sollen auf <strong>den</strong> jeweiligen Kun<strong>den</strong> angepasst<br />

wer<strong>den</strong>. Im Rahmen e<strong>in</strong>er neuen Servicestruktur wird gerade e<strong>in</strong> dreistufiges<br />

Partnerschaftsmodell aufgebaut. Dar<strong>in</strong> wer<strong>den</strong> Standard-Partner, Advanced-Partner<br />

und Top-Partner unterschie<strong>den</strong> (vgl. Abb. 16). Der Standardkunde kann aus der<br />

kompletten Produktpalette auswählen und profitiert von diversen Dienstleistungen<br />

wie 2-Jahre-Reparaturservice, 24-h-Lieferservice für Werkzeuge oder Vorort-<br />

Beratungen. Dieses Angebot wird beim Advanced Service durch e<strong>in</strong> Fleet Management<br />

ergänzt. Beim Top Service wird dann unter anderem die direkte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> sowie Projektunterstützung und Mitgliedschaft im Hilti<br />

Top Club angeboten. Die Preise für die e<strong>in</strong>zelnen Produkte und Serviceangebote<br />

wer<strong>den</strong> dabei mit steigen<strong>den</strong> jährlichen Abnahmemengen immer attr<strong>aktive</strong>r und<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>ternational harmonisiert.<br />

81


82 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Basis Service<br />

24-Stun<strong>den</strong>-Service<br />

Testgeräte<br />

Ferndiagnostik<br />

Top Service<br />

Leihgeräte<br />

Flottenmanagement<br />

Trockenbohre<strong>in</strong>sätze<br />

Projekteng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g<br />

Standard<br />

Basisprogramm<br />

E<strong>in</strong>malgeschäft<br />

< 15% des<br />

jährlichen Bedarfs<br />

Top<br />

Advanced<br />

Spitzenprogramm<br />

Erweitertes<br />

Loyalitätsüber-<br />

Programm<br />

e<strong>in</strong>kommen<br />

Lieferung von<br />

> 30%des<br />

Werkzeugen<br />

jährlichen Bedarfs<br />

15 bis 30 % des<br />

jährlichen Bedarfs<br />

Entwicklung der Partnerschaft<br />

Abbildung 16: Partnerschaftsniveaus für Diamond Service Contractors<br />

der Hilti Diamond Systems<br />

Für Hilti liegt der grosse Vorteil der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

dar<strong>in</strong>, dass man die Entwicklung schneller vorantreiben kann und e<strong>in</strong>e grössere Sicherheit<br />

hat, kun<strong>den</strong>gerechte Produkte zu entwickeln. Produkte müssen baustellentauglich<br />

se<strong>in</strong>, deshalb muss auch schon während der Entwicklung das Produkt zusätzlich<br />

zum Labor auf der Baustelle getestet wer<strong>den</strong>. Wichtig ist, dass man schon<br />

früh mit Prototypen zum Kun<strong>den</strong> geht bzw. <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> bei der Entwicklung des<br />

Prototypen e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>det, um so die Effizienz der Entwicklung zu steigern und die Anzahl<br />

der notwendigen Änderungen zu reduzieren. Der Kunde soll deshalb so schnell<br />

wie möglich das Produkt – am besten im E<strong>in</strong>satz direkt auf der Baustelle – testen<br />

können.<br />

Ziel ist es, dem Kun<strong>den</strong> Mehrwert durch Produkte und Serviceangebote zu bieten.<br />

Grundlage dafür ist, dass mit <strong>den</strong> Produkten e<strong>in</strong> deutlicher Mehrwert erzielt wer<strong>den</strong><br />

kann. Durch das Angebot an speziellen Services soll dem Kun<strong>den</strong> der nötige Wettbewerbsvorteil<br />

geboten wer<strong>den</strong>. Dies erfolgt durch das Top-Service-Angebot, welches<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Märkten Flottenmanagement als tragende Säule hat.


HILTI DIAMOND SYSTEMS<br />

Hiltis Kultur basiert auf e<strong>in</strong>em strengen Ethikkodex und steht für Seriosität und<br />

Ehrlichkeit. Der Kunde sollte wann immer möglich dieselben ethischen Grundsätze<br />

vertreten. Fokuskun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d im Speziellen Kun<strong>den</strong> bei <strong>den</strong>en Loyalität und Partnerschaft<br />

ebenfalls e<strong>in</strong>e zentrale Rolle <strong>in</strong> ihrem Geschäftsverständnis spielen. Das geme<strong>in</strong>same<br />

Ziel sollte e<strong>in</strong>e langfristige Partnerschaft se<strong>in</strong>, welche auf dem Pr<strong>in</strong>zip<br />

des „Value for money“ beruht. Dabei ist beiderseitiges Commitment sehr wichtig.<br />

Die Vertrauenskultur zum Kun<strong>den</strong> wird oft durch persönlichen Kontakt aufgebaut<br />

(z. B. kennt man die Geschäftsführer persönlich). Auch Gegenseitigkeit, im S<strong>in</strong>ne<br />

von Profit für beide Seiten, stellt e<strong>in</strong> Ziel dar. Die Kun<strong>den</strong> sollen darüber h<strong>in</strong>aus<br />

Me<strong>in</strong>ungsbildner se<strong>in</strong> und so die Hilti-Produkte für weitere Unternehmen attraktiv<br />

machen.<br />

Organisation<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

Hilti ist im Bereich Diamantdienstleister pr<strong>in</strong>zipiell auf grosse und mittlere Kun<strong>den</strong><br />

fokussiert. Die Differenzierung gegenüber der Konkurrenz f<strong>in</strong>det über die Qualität<br />

statt und zielt auf Partnerschaften, welche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>-W<strong>in</strong>-Situation mün<strong>den</strong>. Hilti<br />

teilt die Kun<strong>den</strong> pr<strong>in</strong>zipiell <strong>in</strong> zwei Kategorien e<strong>in</strong>, das Profi-Segment<br />

(Dienstleister) und das Ma<strong>in</strong>stream-Segment des Bauhaupt- (z. B. die Firma Hoch-<br />

Tief)- und Nebengewerbes (z. B. Installateure und Elektriker). Gerade im Profi-<br />

Segment verfügt Hilti über sehr genaue Kenntnisse ihrer Kun<strong>den</strong>struktur. Zahlenmässig<br />

handelt es sich dabei <strong>in</strong> <strong>den</strong> deutschsprachigen Ländern um rund 1.200<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> Deutschland, 300 <strong>in</strong> der Schweiz und 200 <strong>in</strong> Österreich. Die Pflege der<br />

Beziehungen ist Hilti e<strong>in</strong> zentrales Anliegen und wird entsprechend <strong>in</strong>tensiv und<br />

gründlich betrieben. So wer<strong>den</strong> Grosskun<strong>den</strong> beispielsweise regelmässig an <strong>den</strong><br />

Hauptsitz nach Schaan e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>.<br />

Die Profi-Kun<strong>den</strong> – im Falle der Diamond Systems die so genannten Diamond Service<br />

Contractors (DSC) 12 – wer<strong>den</strong> verstärkt <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> mite<strong>in</strong>bezogen.<br />

Der professionelle Anwender kann die Qualität der Produkte, im Besonderen<br />

der Consumables sehr schnell und kompetent beurteilen. Die Produktentwicklung<br />

geschieht für Diamond Service Contractors und Ma<strong>in</strong>stream-Segment jedoch geme<strong>in</strong>sam.<br />

Teilweise wer<strong>den</strong> die Diamantwerkzeuge und Systeme dann <strong>in</strong> leicht abgewandelter<br />

Form für Dienstleister und Ma<strong>in</strong>stream-Kun<strong>den</strong> auf <strong>den</strong> Markt gebracht.<br />

Diese zweistufige Marktbearbeitung – zunächst „Formel 1“ und anschlies-<br />

12 Unter dem Begriff Services Contractor (= Dienstleister) wer<strong>den</strong> neben <strong>den</strong> unabhängigen Dienstleistern<br />

auch noch <strong>in</strong>tegrierte Dienstleister, d. h. eigene Gruppen <strong>in</strong>nerhalb grosser Baufirmen, verstan<strong>den</strong>.<br />

83


84 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

send Volumengeschäft – ist auch sehr wichtig für die strategische Positionierung,<br />

um die getätigten Innovations<strong>in</strong>vestitionen optimal zu nützen.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell sucht Hilti-Kun<strong>den</strong>, welche e<strong>in</strong>e echte Partnerschaft e<strong>in</strong>gehen wollen,<br />

sodass der Aufbau e<strong>in</strong>er W<strong>in</strong>-W<strong>in</strong>-Beziehung möglich ist. Der Kunde soll loyal und<br />

vertrauenswürdig se<strong>in</strong>, da dadurch die Penetration und Profitabilität (von Hilti bei<br />

und mit diesen Kun<strong>den</strong>) steigt. Die Grösse des Kun<strong>den</strong> spielt gerade für <strong>den</strong> Markt<br />

der Diamond Service Contractors ebenfalls e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Hilti konzentriert<br />

sich stark auf die grossen Player der Branche. Dabei möchte Hilti Me<strong>in</strong>ungsbildner<br />

für sich gew<strong>in</strong>nen, welche dazu beitragen, die Bekanntheit bei weiteren potenziellen<br />

Kun<strong>den</strong> zu steigern. Daneben spielen auch Wissen und Kompetenz e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Rolle, um <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>nvoll <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> <strong>in</strong>volvieren zu können.<br />

Daher s<strong>in</strong>d diese Fähigkeiten der Kun<strong>den</strong> auch e<strong>in</strong> zentrales Kriterium bei der Kun<strong>den</strong>auswahl.<br />

E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Aspekt bei der Auswahl der Fokusgruppen und<br />

Lead-User s<strong>in</strong>d die regionalen Unterschiede. Es reicht nicht, nur Kun<strong>den</strong> aus dem<br />

deutschsprachigen Raum zu befragen, da Kun<strong>den</strong> beispielsweise <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA oder<br />

Japan ganz andere Bedürfnisse haben können. Pr<strong>in</strong>zipiell erfolgt der direkte Erstkontakt<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Fällen über die Bus<strong>in</strong>ess Units und ihre lokalen Organisationse<strong>in</strong>heiten.<br />

Ablauf<br />

Kun<strong>den</strong> spielen im Verlauf des gesamten frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es der Hilti Diamond<br />

Systems e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. Dies beg<strong>in</strong>nt im F&E-Projekt, wo sie als<br />

Bedürfnisträger und Ideengeber auftreten. In <strong>den</strong> späteren Phasen, wenn bereits<br />

konkrete Vorstellungen über das Produkt bestehen, geht die <strong>in</strong>tensive Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

weiter – durch Fokusgruppen, Lead-User-Workshops und Feldtests von<br />

Prototypen, so genannte Customer Acceptance Tests (CAT). Diese Schritte der<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> wer<strong>den</strong> im Folgen<strong>den</strong> näher beleuchtet.<br />

Die F&E-Projekt-Phase entspricht bei Hilti e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en F-Phase und be<strong>in</strong>haltet<br />

noch ke<strong>in</strong>e eigentliche Entwicklung. Forschungsprojekte wer<strong>den</strong> durch Ideen und<br />

Kun<strong>den</strong>bedürfnisse angestossen. Die eigentliche Market<strong>in</strong>gabteilung ist dabei noch<br />

wenig <strong>in</strong>volviert, da e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Marktorientierung und weniger gezielte Marktforschung<br />

dom<strong>in</strong>iert. Diese Marktorientierung geschieht bei Hilti vor allem über das<br />

eigene, weltumspannende Vertriebsnetz, welches sich direkt an <strong>den</strong> gewerblichen<br />

Endverbraucher richtet. Je nach Bedürfnis stehen <strong>den</strong> Verkaufsberatern lokale Hilti<br />

Center oder der telefonische Kun<strong>den</strong>dienst des entsprechen<strong>den</strong> Landes zur Verfügung.<br />

Der Direktvertrieb ist e<strong>in</strong> sehr starkes Instrument, um Kun<strong>den</strong>anforderungen<br />

besser zu verstehen sowie langfristige Beziehungen aufzubauen. Als nächster


HILTI DIAMOND SYSTEMS<br />

Schritt schliesst sich als zweite Phase e<strong>in</strong> so genanntes Technologieprojekt an. Dafür<br />

muss das F&E-Projekt soweit fortgeschritten se<strong>in</strong>, dass die Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

konkreten Produktes möglich ist. Es kommt dabei nun zu e<strong>in</strong>er starken Interaktion<br />

zwischen Produktentwicklung und Market<strong>in</strong>g. Bereits <strong>in</strong> diesem frühen Stadium<br />

wer<strong>den</strong>, zur Vorbereitung der folgen<strong>den</strong> Phase, erste Marktzahlen erhoben und Abschätzungen<br />

der Marktpotenziale durchgeführt. In diesem zweiten Prozessschritt<br />

wer<strong>den</strong> das neue bzw. verbesserte Produkt entwickelt und erste Baumuster angefertigt.<br />

Diese stehen am Beg<strong>in</strong>n der dritten Phase, dem Time-to-Money-Projekt. Hier<br />

ist wiederum die Interaktion mit dem Kun<strong>den</strong> entschei<strong>den</strong>d. Grundsätzlich wird das<br />

Ziel verfolgt, <strong>den</strong> Lead-Usern möglichst schnell e<strong>in</strong>en ersten Prototyp vorstellen zu<br />

können. Ausgewählte Kun<strong>den</strong> erhalten e<strong>in</strong>e erste Version, um das neue Produkt <strong>in</strong><br />

der Praxis zu testen. Die Kun<strong>den</strong> geben so wichtiges Feedback für Verbesserungen<br />

und Weiterentwicklungen. Teure Änderungen an späteren Serienprodukten können<br />

damit <strong>in</strong> vielen Fällen verh<strong>in</strong>dert wer<strong>den</strong>. Der pr<strong>in</strong>zipielle Ablauf enthält die folgen<strong>den</strong><br />

drei Schritte:<br />

Input des Problems meist über Vertriebskanäle; bei Diamond Systems<br />

nicht systematisch; nicht speziell auf Nischen oder Randgruppen abzielend;<br />

führt zur so genannten Bus<strong>in</strong>ess Opportunity Description<br />

Konzeptioneller Teil; verschie<strong>den</strong>e Vorschläge wer<strong>den</strong> erarbeitet und anhand<br />

von Technologieträgern und Prototypen realisiert; Auswahl und Anreicherung<br />

mit Unterstützung von Fokusgruppen<br />

Überprüfung und Verfe<strong>in</strong>erung des Konzeptes (d. h. der Value Proposition)<br />

durch Lead-User und Customer Acceptance Tests; dabei wird schon<br />

das Gesamtpaket <strong>in</strong>klusive des Preises betrachtet<br />

Die I<strong>den</strong>tifikation von Fokusgruppen und Lead-Usern wird sehr ernst genommen<br />

und sorgfältig durchgeführt. Für <strong>den</strong> Erfolg dieser Metho<strong>den</strong> ist es wesentlich, dass<br />

die Resultate und Erkenntnisse auch repräsentativ für die Märkte und Regionen<br />

s<strong>in</strong>d. Fokusgruppen gibt es also nicht nur <strong>in</strong> der frühen Phase des F&E-Projekts,<br />

sondern auch im Time-to-Money-Projekt. Dabei handelt es sich <strong>in</strong> Letzterem um<br />

e<strong>in</strong>e Abfrage, wie die Kun<strong>den</strong> zu e<strong>in</strong>er neuen Lösung stehen wür<strong>den</strong>. Zum Teil gibt<br />

es zur Unterstützung dieser Workshops bereits Beispiele – frühe Prototypen – für<br />

die neuen Lösungen. Fokusgruppen im S<strong>in</strong>ne von Diamond Systems entsprechen<br />

eher <strong>den</strong> klassischen Lead-Usern (im Gegensatz zu der Verwendung des Namens<br />

Lead-User bei Hilti Diamond Systems). Lead-User wer<strong>den</strong> etwas später, am Beg<strong>in</strong>n<br />

des Time-to-Money-Projektes zu spezifischen Themen e<strong>in</strong>gesetzt. Ihre Teilnahme<br />

stellt eigentlich e<strong>in</strong>e andere Art der Customer Acceptance Tests dar und dient dazu,<br />

85


86 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

bereits ausgewählte Lösungen zu diskutieren und Anregungen zur Verbesserung zu<br />

erhalten. Die Fokusgruppe dient somit der Auswahl e<strong>in</strong>er Lösung bzw. „Value Proposition“<br />

aus mehreren Angeboten (und damit der Konzepterstellung) und der<br />

Lead-User-Ansatz ebenso wie der Customer Acceptance Test der Bestätigung dieser<br />

Value Proposition (und damit der Konzeptverfe<strong>in</strong>erung; z. B. „Das ist die Lösung,<br />

was halten Sie davon?“). Top-Partner s<strong>in</strong>d ab der Time-to-Money-Phase <strong>in</strong>volviert,<br />

wobei von ihrer Seite her selten grosse Innovationssprünge, sondern meistens<br />

kle<strong>in</strong>e Schritte (z. B. Handl<strong>in</strong>gverbesserung) angestossen wer<strong>den</strong>. Die Lead-<br />

User im obigen S<strong>in</strong>ne setzen sich vor allem aus Top-Partnern zusammen. Für die<br />

Fokusgruppen wäre dies e<strong>in</strong>e zu starke E<strong>in</strong>schränkung. Hier gilt es vielmehr e<strong>in</strong>e<br />

statistische Streuung zu berücksichtigen. Dazu stellt die Marktforschung, mit dem<br />

Ziel der Zusammenstellung e<strong>in</strong>er statistisch repräsentativen Gruppe, Daten zur<br />

Auswahl zur Verfügung. Es ist entschei<strong>den</strong>d, dass die Auswahl der Fokusgruppen<br />

statistisch abgesichert ist, die Auswahl also repräsentativ ist und nicht willkürlich<br />

beliebige Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong>.<br />

Zusätzlich muss auch auf regionale Unterschiede e<strong>in</strong>gegangen wer<strong>den</strong>, da die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Länder unterschiedliche Bedürfnisse haben. Marktorganisationen, welche an<br />

der Thematik <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d, beteiligen sich, wobei entweder e<strong>in</strong> bis zwei Fokusgruppen<br />

für alle Länder oder länderspezifische Gruppen durchgeführt wer<strong>den</strong>.<br />

Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> von der jeweiligen Bus<strong>in</strong>ess Unit nach Trade und Grössenklasse<br />

vorspezifiziert. Die Durchführung erfolgt mit e<strong>in</strong>er externen Firma, welche auch die<br />

Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Die Gruppengrösse umfasst 8 bis 12 Personen,<br />

wobei auch die Funktionen der Teilnehmer auf Kun<strong>den</strong>seite e<strong>in</strong> wesentliches<br />

Auswahlkriterium darstellen. Im Bereich der Dienstleister kommen meistens die<br />

selben Kun<strong>den</strong> zum E<strong>in</strong>satz. Entschei<strong>den</strong>d ist, dass Kun<strong>den</strong> Anwendungen und<br />

Problemstellungen haben, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en sie <strong>den</strong> zum jeweiligen Projekt passen<strong>den</strong> Bedarf<br />

selbst verspüren.<br />

Für die Durchführung der Customer Acceptance Tests besteht e<strong>in</strong>e eigene Richtl<strong>in</strong>ie.<br />

Sie wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Konzeptphase abgehalten und führen zur Bestätigung der Value<br />

Proposition. Operativ erfolgt die Durchführung <strong>in</strong> <strong>den</strong> Märkten, d. h. auf <strong>den</strong><br />

Baustellen. Seitens Hilti s<strong>in</strong>d die jeweiligen Projektleiter und Produktmanager<br />

ebenso wie die Entwickler vertreten. In vielen Fällen wer<strong>den</strong> nach <strong>den</strong> Tests die<br />

verwendeten Testgeräte für Top-Kun<strong>den</strong> bereitgestellt. Die Customer Acceptance<br />

Tests schliessen die Konzeptphase ab, an deren Ende der „Po<strong>in</strong>t of no return“ des<br />

Gesamtprojektes steht.<br />

Management der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>


HILTI DIAMOND SYSTEMS<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Frage stellt sich bezüglich der Anreize, welche die Kun<strong>den</strong> zur <strong>aktive</strong>n<br />

Mitarbeit motivieren. Weshalb sollte e<strong>in</strong> Lead-User bereit se<strong>in</strong>, se<strong>in</strong>e Ideen<br />

preiszugeben, deren Geheimhaltung ihm eventuell e<strong>in</strong>en Wettbewerbsvorteil bieten<br />

könnte? Weder wer<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> dafür bezahlt, an <strong>den</strong> Workshops teilzunehmen,<br />

noch haben sie danach irgendwelche Ansprüche auf die Verwertung möglicher Innovationen<br />

(z. B. durch Patente). Die Lösung liegt zum e<strong>in</strong>en sicherlich <strong>in</strong> extr<strong>in</strong>sischen<br />

Motiven. Die Kun<strong>den</strong> haben e<strong>in</strong> Interesse daran, dass ihre Me<strong>in</strong>ung, ihre Sorgen<br />

und Probleme gehört und vor allem gelöst wer<strong>den</strong>. Viele der Hilti-Kun<strong>den</strong> haben<br />

vielleicht Lösungsideen, ihnen fehlt aber das Know-how und die Infrastruktur,<br />

diese auch umzusetzen. So s<strong>in</strong>d sie froh, wenn die Lösung der Anwendungsprobleme<br />

durch konkrete Produktentwicklung und -umsetzung realisiert wird und daraus<br />

„massgeschneiderte“ Geräte und Systeme entstehen. Nehmen Kun<strong>den</strong> an Lead-<br />

User-Workshops teil, können sie ihre Anliegen direkt e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und haben die<br />

Möglichkeit, Produkte nach ihren Präferenzen zu bee<strong>in</strong>flussen. Zudem wer<strong>den</strong> sie<br />

auch die Ersten se<strong>in</strong>, die Innovationen testen und schliesslich anwen<strong>den</strong> dürfen. Dazu<br />

kommt noch die <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motivationskomponente. Wichtig ist, dass dem<br />

Kun<strong>den</strong> das Gefühl vermittelt wird, dass se<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung und Mitarbeit für Hilti sehr<br />

wichtig s<strong>in</strong>d. Hilti versteht es, <strong>den</strong> ausgewählten Kun<strong>den</strong> durch E<strong>in</strong>ladungen zu<br />

Mitgliederevents und ähnlichen Veranstaltungen dieses Gefühl zu vermitteln. In<br />

diesen Treffen und Workshops stellt sich oft e<strong>in</strong> „Community-Gefühl“ e<strong>in</strong>, welches<br />

zur geme<strong>in</strong>samen Ideenentwicklung motiviert. Es kommen also Experten zusammen,<br />

um sich auszutauschen und <strong>in</strong> gewissem Grade die „Peer-Anerkennung“ zu<br />

suchen. Gerade aufgrund dieser fundierten Vertrauenskultur zwischen Hilti und se<strong>in</strong>en<br />

Kun<strong>den</strong> ist es für Konkurrenten äusserst schwierig, mit der Dynamik und Innovationsrate<br />

von Hilti mitzuhalten. Der Vorteil für die Kun<strong>den</strong> besteht also dar<strong>in</strong>,<br />

dass sie frühzeitig <strong>in</strong> <strong>den</strong> Entwicklungsprozess e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> und ihre Ideen<br />

und Anliegen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können und somit ihre Probleme gelöst bzw. ihre Bedürfnisse<br />

bestmöglich erfüllt wer<strong>den</strong>. Zudem s<strong>in</strong>d sie die Ersten, welche die neuen Produkte<br />

testen und anwen<strong>den</strong> können, und sie gehören e<strong>in</strong>em exklusiven Zirkel von<br />

Experten an.<br />

Bei <strong>den</strong> Fokusgruppen spielen auch noch andere extr<strong>in</strong>sische Faktoren e<strong>in</strong>e Rolle,<br />

da deren Teilnehmer e<strong>in</strong>en Spesenersatz erhalten. Ausserdem wird ihnen e<strong>in</strong> aufwändiges<br />

Rahmenprogramm geboten, Hilti lädt zum Essen e<strong>in</strong> und zeigt Produktion<br />

und Entwicklung. Der Kunde soll spüren, dass er für Hilti sehr wichtig ist. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus soll er die Herstellerseite kennen lernen und dadurch besser verstehen. Im<br />

Profi-Segment, bei <strong>den</strong> Dienstleistern, s<strong>in</strong>d es rund 40–50 Kun<strong>den</strong>, welche verstärkt<br />

befragt bzw. mite<strong>in</strong>bezogen wer<strong>den</strong>. Zudem wer<strong>den</strong> ausgewählte Grosskun<strong>den</strong> zu<br />

87


88 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Workshops nach Schaan e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>, wo sie im Rahmen der oben beschriebenen Instrumente<br />

direkten E<strong>in</strong>fluss auf <strong>den</strong> Entwicklungsprozess nehmen können.<br />

Bereits sehr früh, <strong>in</strong> der F&E-Phase oder spätestens <strong>in</strong> der Technologie-Phase, wird<br />

die Intellectual Property (IP)-Abteilung <strong>in</strong>volviert und startet Patentrecherchen, um<br />

so mögliche Patente e<strong>in</strong>zugeben und Innovationen langfristig gegenüber <strong>den</strong> Konkurrenten<br />

abzusichern. Die Schutzrechte liegen immer bei Hilti. Die Kun<strong>den</strong> müssen,<br />

bevor sie <strong>in</strong>volviert wer<strong>den</strong>, e<strong>in</strong>e Geheimhaltungserklärung unterschreiben. Sie<br />

haben ke<strong>in</strong>e Ansprüche auf Innovationen, welche aus geme<strong>in</strong>samen Workshops<br />

entstehen. Hilti setzt Patente vor allem als Schutz vor Konkurrenten e<strong>in</strong>, um sich<br />

<strong>den</strong> entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Vorteil bei ihren Kerntechnologien zu sichern. Lizenzvergabe<br />

als zusätzliche E<strong>in</strong>nahmequelle ist ke<strong>in</strong> strategisches Ziel, Patente wer<strong>den</strong> also als<br />

„Legal Tools“ und nicht als „F<strong>in</strong>ancial Assets“ betrachtet.<br />

3.4.4 Zusammenfassung<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell legt Hilti für ihre Kernprodukte grossen Wert auf die eigene Entwicklung<br />

der Technologien von <strong>den</strong> ersten Grundlagenforschungen bis h<strong>in</strong> zum fertigen<br />

Produkt. Nur wenn e<strong>in</strong>e Technologie nicht zu <strong>den</strong> Kernkompetenzen gehört, wer<strong>den</strong><br />

mit externen Partnern Entwicklungsvere<strong>in</strong>barungen abgeschlossen. Diese starke<br />

Autonomie auf technischer Seite wird bei Hilti durch e<strong>in</strong>e aussergewöhnlich hohe<br />

Marktorientierung ergänzt. Während des gesamten <strong>Innovationsprozess</strong>es, speziell <strong>in</strong><br />

der Frühphase desselben, ist Hilti bestrebt, ihre Kun<strong>den</strong> und damit die Marktseite<br />

aktiv e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>den</strong>. Hilti gilt nicht ohne Grund als Musterbeispiel bezüglich Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung.<br />

Die Unternehmung setzt diverse, gut abgestimmte Modelle der<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>.<br />

Bezüglich des Innovationsgrades kann man feststellen, dass e<strong>in</strong>zelne Komponenten<br />

oder Funktionalitäten der Geräte neu entwickelt wer<strong>den</strong>, um Kun<strong>den</strong>probleme zu<br />

lösen, dass es sich aber meistens um ke<strong>in</strong>e völlig neuen Produkte handelt. Die Bedürfnisse<br />

der Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> ganz am Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Innovationsprojektes mittels<br />

Interviews von Fokusgruppen, Lead-User-Workshops und im stetigen direkten<br />

Kontakt mit Kun<strong>den</strong> eruiert und dienen als entschei<strong>den</strong>der Input. Die Lead-User<br />

bil<strong>den</strong> dabei die zentrale Säule <strong>in</strong> Hiltis kun<strong>den</strong>getriebenem Innovationsmanagement.<br />

Im Verlauf des eigentlichen Entwicklungsprojektes wird die Rolle der Kun<strong>den</strong><br />

besonders dann relevant, sobald erste Anschauungsmodelle vorhan<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. Ab<br />

diesem Zeitpunkt ist die Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>teraktion wieder <strong>in</strong>tensiver, beispielsweise durch<br />

Instrumente wie Customer Acceptance Tests und Workshops. Fokusgruppen wer<strong>den</strong><br />

e<strong>in</strong>gesetzt, um Kun<strong>den</strong>bedürfnisse zu i<strong>den</strong>tifizieren. Lead-User-Workshops liefern<br />

wichtige Inputs für neue Entwicklungen. Im anschliessen<strong>den</strong> Prozess des Qua-


HILTI DIAMOND SYSTEMS<br />

lity Function Deployments (QFD) wird die Wichtigkeit der e<strong>in</strong>zelnen Features beurteilt,<br />

um schliesslich die Kun<strong>den</strong> erste Prototypen <strong>in</strong> Workshops und auf der Baustelle<br />

testen zu lassen. Die Forschung und Entwicklung folgt aber von Anfang an<br />

immer dem Ziel der optimalen Bedürfnisbefriedigung der Kun<strong>den</strong>. Hilti will die<br />

Kun<strong>den</strong> verstehen und möglichst gut kennen, auf professionelle „Customer Intelligence“<br />

wird grosser Wert gelegt. Man ist bestrebt vom „Bauchgefühl“, dem gedachten<br />

Kun<strong>den</strong>wunsch, wegzukommen und es durch e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Teilnahme des<br />

Kun<strong>den</strong> an der frühen Innovationsphase zu ersetzen. Alle Metho<strong>den</strong> der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

s<strong>in</strong>d sorgfältig konzipiert und wer<strong>den</strong> koord<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong>gesetzt. Zusammenfassend<br />

s<strong>in</strong>d die wichtigsten dieser Charakteristika <strong>in</strong> Abbildung 17 dargestellt.<br />

89


90 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Warum? Ziele<br />

Ausdruck der strategisch verankerten Ausrichtung nach dem Kun<strong>den</strong><br />

Zur Auswahl („Fokusgruppen“) und Bestätigung („Lead-User“ und Customer Acceptance Test) e<strong>in</strong>er Value Proposition<br />

Wann? Phase<br />

E<strong>in</strong>erseits im Rahmen des F&E-Projektes <strong>in</strong> der Gelegenheitsphase und<br />

Andererseits ab der Hälfte der Def<strong>in</strong>itionsphase und während der gesamten Konzeptphase<br />

Wen? Kun<strong>den</strong>charakteristika<br />

Für die Fokusgruppen e<strong>in</strong>en statistisch relevanten Querschnitt der betroffenen Märkte<br />

Für die Lead-User-Workshops <strong>in</strong>novative Vorreiterkun<strong>den</strong>, oft aus dem Pool der Top-Partner<br />

Wie? Wie? Prozesscharakteristika<br />

Klassische Marktorientierung gewährleistet durch Aufstellung mit dom<strong>in</strong>ieren<strong>den</strong> Marktorganisationen<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus Partnerschaftsmodell mit Stufen von „Standard“ über „Advanced“ bis h<strong>in</strong> zu „Top“<br />

Fokusgruppen zur Unterstützung der Konzeptauswahl und Lead-User-Workshops zur Bestätigung des Mehrwerts des<br />

selektierten Konzeptes, gefolgt von Customer Acceptance Tests zu Beg<strong>in</strong>n der Konzeptphase<br />

Besonderheiten<br />

Starker Kun<strong>den</strong>bezug durch Organisation und Direktvertrieb gegeben<br />

Umfassendes, die Integration begleitendes, Servicekonzept als Mehrwert für die Kun<strong>den</strong><br />

Abbildung 17: Übersicht der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Hilti Diamond Systems


ZUMTOBEL STAFF<br />

3.5 Zumtobel Staff<br />

Die Zumtobel AG ist e<strong>in</strong> österreichischer Konzern der Licht<strong>in</strong>dustrie. Unternehmensziel<br />

ist es, mit Licht Erlebniswelten zu schaffen, die Arbeit zu erleichtern und<br />

Kommunikation sowie Sicherheit zu erhöhen. Technologische Führerschaft und<br />

kompromissloses Bekenntnis zu Kreativität und Innovation stellen die zentralen<br />

Werte der Zumtobel AG dar. Die Unternehmensgruppe ist <strong>in</strong> die Geschäftsfelder<br />

Leuchten und Lichtlösungen, Lichtkomponenten und Verb<strong>in</strong>dungstechnik, Lichtmanagement<br />

sowie Kunststoffleuchten aufgeteilt. Die Zumtobel AG erwirtschaftete<br />

<strong>in</strong> der Periode 2002/03 mit ca. 8.000 Mitarbeitern be<strong>in</strong>ahe 1,2 Mrd. EUR Umsatz.<br />

Im Mittelpunkt dieser Fallstudie steht der Teilkonzern Zumtobel Staff GmbH <strong>in</strong><br />

Dornbirn, welcher als Premium-Marke und Innovationsführer der Zumtobel AG positioniert<br />

ist und <strong>den</strong> Bereich Leuchten und Lichtlösungen vertritt. Der Schwerpunkt<br />

wird dabei auf die bei<strong>den</strong> Sparten Industrie- und Officeleuchten gelegt. Zumtobel<br />

Staff versteht sich als kompetenter Partner der Architekten sowie Licht- und Elektroplaner<br />

und verfügt über Tochterfirmen, Produktionsstätten und Vertretungen <strong>in</strong><br />

über 70 Ländern weltweit. Im Geschäftsjahr 2002/03 trug Zumtobel Staff mit 2.765<br />

Mitarbeitern 455 Mio. EUR zum Konzernumsatz bei, wovon über 30 % auf neu<br />

entwickelten Lichtsystemen basierten.<br />

Zwecks Erschliessung von Outside-<strong>in</strong>-Innovationen b<strong>in</strong>det die Zumtobel Staff mit<br />

Forschungs<strong>in</strong>stituten, Universitäten, Lieferanten und Behör<strong>den</strong> zahlreiche externe<br />

Quellen im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terorganisationalen Netzwerkes <strong>in</strong> ihre F&E-Organisation<br />

e<strong>in</strong>. Der eigentliche Schlüssel des Erfolges der Zumtobel Staff liegt aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

konsequenten Orientierung an <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>anforderungen. Um daraus neue Geschäftsideen<br />

erschliessen zu können, wird e<strong>in</strong>e Vielzahl an Metho<strong>den</strong> und Techniken<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. E<strong>in</strong> sehr hoher Stellenwert kommt <strong>den</strong> <strong>in</strong>direkten Kun<strong>den</strong>, <strong>den</strong> Architekten<br />

und Lichtplanern, zu. Sie s<strong>in</strong>d visionäre Ideenträger und br<strong>in</strong>gen so e<strong>in</strong>e<br />

Vielzahl von Innovationsimpulsen e<strong>in</strong>, welche oft zu neuen Produkten führen. Von<br />

Elektro<strong>in</strong>stallateuren gehen Produkt<strong>in</strong>novationen <strong>in</strong>sbesondere basierend auf ihren<br />

Montageerfahrungen e<strong>in</strong> und Designer wer<strong>den</strong> im Rahmen von konkreten Aufträgen<br />

<strong>in</strong>tegriert. Der Endkunde wird vorwiegend durch Beobachtungen <strong>in</strong>s <strong>in</strong>terorganisationale<br />

Netzwerk e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>. Im Folgen<strong>den</strong> sollen vor allem die <strong>in</strong>direkten<br />

Kun<strong>den</strong> der Zumtobel Staff betrachtet wer<strong>den</strong>, wobei der Schwerpunkt auf <strong>den</strong> Architekten<br />

und Lichtplanern liegt, da diese das grösste Innovationspotenzial für die<br />

gesamte Leuchtenlösung darstellen (meistens nicht <strong>in</strong> technologischer, sondern <strong>in</strong><br />

gestalterischer H<strong>in</strong>sicht).<br />

3.5.1 Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

91


92 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Organisatorisches Umfeld<br />

Die Zumtobel Staff beschäftigt knapp 100 Mitarbeiter <strong>in</strong> der F&E-Abteilung, wobei<br />

die gesamte Mitarbeiterzahl rund 2.700 beträgt. Der Umsatz betrug zuletzt 430 Mio.<br />

EUR, wovon mit dem Ziel der Innovationsführerschaft rund 2 % (d. h. e<strong>in</strong> im Branchenvergleich<br />

eher hoher Wert) für die F&E aufgewendet wur<strong>den</strong>. Die Forschung<br />

und Vorentwicklung der Zumtobel Staff ist zentral organisiert und bef<strong>in</strong>det sich im<br />

österreichischen Dornbirn. Ihr Auftrag ist es, visionäre Technologien und darauf<br />

aufbauend Plattformen, welche auf allen Kont<strong>in</strong>enten <strong>in</strong> die Produkte e<strong>in</strong>gesetzt<br />

wer<strong>den</strong> können, zu entwickeln, um die technologische Führerschaft aufrechtzuerhalten.<br />

Basierend auf <strong>den</strong> stark divergieren<strong>den</strong> Anforderungen der verschie<strong>den</strong>en<br />

kont<strong>in</strong>entalen Märkte und <strong>den</strong> länderspezifischen Normen und Leuchtenbauvorschriften<br />

ist die Produktentwicklung dezentral organisiert und wird auf <strong>den</strong> Kont<strong>in</strong>enten<br />

Europa, Amerika und Australien im Rahmen der dortigen Gesellschaften<br />

vorgenommen. Diese dezentrale Entwicklungsorganisation erlaubt Zumtobel Staff,<br />

e<strong>in</strong>en ausgeprägten Kun<strong>den</strong>kontakt zu pflegen und visionäre Kun<strong>den</strong> weltweit <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>den</strong>. Nur e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger Anteil der F&E-Ausgaben<br />

fliesst <strong>in</strong> externe F&E-Projekte. Generell wer<strong>den</strong> rund 20 % des Umsatzes mit Sonderprodukten,<br />

welche ausserhalb des katalogisierten Produktportfolios liegen, erzielt.<br />

Diese speziellen Produkte wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> Sonderprojekten geme<strong>in</strong>sam mit externen<br />

Spezialisten entwickelt und führen aus technologischer Sicht zwar meistens zu <strong>in</strong>krementellen<br />

Innovationsschritten, gesamthaft gesehen aber zu <strong>in</strong>novativen Lösungsansätzen,<br />

welche sich im Idealfall zu komplett neuen eigenen Produktl<strong>in</strong>ien<br />

entwickeln können. Radikale technologische Innovationen kommen meistens aus<br />

dem Technologiebereich und zwar entweder von der eigenen Forschung (z. B. neue<br />

Arten der Lichtbrechung oder -lenkung) oder aus anderen Branchen. So waren die<br />

letzten drei erfolgreichen bahnbrechen<strong>den</strong> Innovationen der Leuchtenbranche die<br />

LED-Technologie der Lampenhersteller, die Waveguide-Technologie e<strong>in</strong>es Technologieunternehmens<br />

aus e<strong>in</strong>er anderen Branche und die Durchlichtmikrostruktur<br />

aus der eigenen Forschungsabteilung. Innerhalb der letzten drei Jahre wur<strong>den</strong> abgesehen<br />

von <strong>den</strong> e<strong>in</strong>fachen Produktverbesserungen mehr als 30 neue Produktfamilien<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Markt e<strong>in</strong>geführt. Der Anteil dieser neuen Produkte am gesamten Umsatz lag<br />

mit 34 % über dem <strong>in</strong>ternen Ziel von 30 %.


ZUMTOBEL STAFF<br />

Externes Umfeld<br />

Die Technologiedynamik der Beleuchtungsbranche nimmt kont<strong>in</strong>uierlich zu. Dadurch<br />

steigt die Zahl der Innovationen permanent an und die Produktlebenszyklen<br />

wer<strong>den</strong> immer kürzer. Betrachtet man die Produkte dieser Branche genauer, so zeigt<br />

sich, dass sie sich aus drei Teilen zusammensetzen mit <strong>den</strong>en jeweils e<strong>in</strong> eigener<br />

Industriezweig verbun<strong>den</strong> ist, nämlich der Lampe, dem Betriebsgerät und der<br />

Leuchte. Dabei haben nur die Leuchtenhersteller, wie Zumtobel, direkten Kontakt<br />

zum Kun<strong>den</strong>. Der Markt der Lampenhersteller ist im Wesentlichen e<strong>in</strong> Oligopol gebildet<br />

von General Electric, Osram und Philips. Dazu kommen noch ungefähr sieben<br />

kle<strong>in</strong>ere Hersteller, welche aber zusammen weniger als 30 % des weltweiten<br />

Umsatzes erwirtschaften. Innovationen im Bereich der Lampen wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong><br />

drei grossen Marktteilnehmern vorangetrieben und gesteuert. Auch alternative<br />

Lampensysteme, beispielsweise die LED-Technologie, wer<strong>den</strong> mittlerweile von ihnen<br />

kontrolliert. Bei der Entscheidung bezüglich der E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Innovation<br />

bzw. neuer Technologie spielen die drei grossen Player, alle<strong>in</strong>e schon durch ihren<br />

grössenbed<strong>in</strong>gten E<strong>in</strong>fluss auf die Normung, e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle. Zumtobel<br />

Staff nimmt im Segment der Lampen nur die Rolle e<strong>in</strong>es OEM-Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>, welcher<br />

von <strong>den</strong> Lampenherstellern h<strong>in</strong> und wieder zu Workshops e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong> wird, um<br />

ihnen die frühzeitige Abschätzung von Marktentwicklungen zu ermöglichen.<br />

Der Markt für Betriebsgeräte ist nicht so stark konzentriert wie der Lampenmarkt.<br />

Den gesamten Markt mit e<strong>in</strong>em Umsatz von ca. 1 Mrd. EUR teilen sich zwölf grössere<br />

Hersteller. Die grössten drei, nämlich Osram, Philips und die zur Zumtobel AG<br />

gehörende Tridonic, erzielen davon rund 40 bis 50 %.<br />

Der Leuchtenmarkt unterscheidet sich grundsätzlich von <strong>den</strong> Märkten für Lampen<br />

und Betriebsgeräte. Er besteht praktisch aus mehr als 1.000 kle<strong>in</strong>en und mittleren<br />

Unternehmen. Die drei grössten Hersteller decken weniger als 10 % des weltweiten<br />

Umsatzes ab und haben <strong>in</strong> ihren jeweils stärksten Regionen weniger als 15 %<br />

Marktanteil (z. B. Zumtobel Staff <strong>in</strong> Europa rund 10 %, weltweit 3–4 %). Dieser<br />

„kont<strong>in</strong>entale Markt“ kann damit erklärt wer<strong>den</strong>, dass die Leuchten<strong>in</strong>dustrie vor allem<br />

Bauprojekte bearbeitet und damit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em stark regional geprägten Geschäft<br />

tätig ist.<br />

Zumtobel Staff ist <strong>in</strong>nerhalb des Baumarktes im Bereich der professionellen Innenraumbeleuchtung<br />

im Non-resi<strong>den</strong>tial Bereich (d. h. nicht im privaten Wohnbau) tätig.<br />

Firmen<strong>in</strong>tern wird dieser Markt <strong>in</strong> die drei Bereiche Industrie, Büro und Verwaltung<br />

sowie Kunst/Kultur und Geschäft/Shop aufgeteilt. Zwischen öffentlichen<br />

und privaten Auftraggebern wird nicht unterschie<strong>den</strong>, da <strong>in</strong> diesem Segment Auf-<br />

93


94 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

träge zumeist per Ausschreibung vergeben wer<strong>den</strong> und ke<strong>in</strong>e gravieren<strong>den</strong> Unterschiede<br />

<strong>in</strong> der jeweiligen Abwicklung bestehen.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell wird bei Zumtobel zwischen Sonder- oder Projektgeschäft und Standardprodukten<br />

unterschie<strong>den</strong>. Letztere wer<strong>den</strong> über e<strong>in</strong>en Katalog im Rahmen des<br />

regulären Vertriebes angeboten, während die Sonderleuchten immer aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen<br />

Projekt und der konkreten Zusammenarbeit mit m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em externen<br />

Partner entspr<strong>in</strong>gen. Auf die genaue Unterscheidung dieser bei<strong>den</strong> Produktentstehungsprozesse<br />

wird im weiteren Verlauf dieser Fallstudie noch im Detail e<strong>in</strong>gegangen,<br />

wobei der Fokus auf die Sonderprojekte gelegt wird. Aus e<strong>in</strong>em anderen<br />

Blickw<strong>in</strong>kel betrachtet kann man von Direkt- und Mittlergeschäft sprechen. Im<br />

Rahmen des Direktgeschäfts s<strong>in</strong>d die Kun<strong>den</strong> Bauherren, Elektro<strong>in</strong>stallateure und<br />

Grosshändler, während sie im Mittlergeschäft <strong>in</strong>direkt Lichtplaner und Architekten<br />

s<strong>in</strong>d. Beide stellen also nicht die Endkun<strong>den</strong>, im S<strong>in</strong>ne des Benutzers der Leuchte<br />

oder Lichtlösung dar, spielen aber aufgrund der speziellen Wertschöpfungssituation<br />

der Branche, auf die im nächsten Abschnitt e<strong>in</strong>gegangen wird, e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Rolle im <strong>Innovationsprozess</strong> der Zumtobel Staff.<br />

Die eigentlichen Kun<strong>den</strong> und Partner der Zumtobel Staff – die Architekten, Lichtplaner<br />

und Elektro<strong>in</strong>stallateure – haben e<strong>in</strong>en Auftrag des Auftraggebers oder Bauherren,<br />

bauen selbst aber nicht. Der Architekt ist eigentlich Mittler und nicht Kunde.<br />

Er ist ke<strong>in</strong> Fachmann und weiss im Normalfall beispielsweise nicht, wie viel<br />

Stück von e<strong>in</strong>er Leuchte <strong>in</strong> welchen Abstän<strong>den</strong> zu montieren s<strong>in</strong>d. Diese Funktion<br />

erledigt bei kle<strong>in</strong>eren Projekten der Elektroplaner und bei grösseren Projekten der<br />

Lichtplaner. Das Ergebnis ist <strong>in</strong> bei<strong>den</strong> Fällen e<strong>in</strong>e Ausschreibung an <strong>den</strong> Elektro<strong>in</strong>stallateur.<br />

Dieser ist der eigentliche, zahlende Kunde der Zumtobel Staff. Der Planer<br />

entscheidet, ob die Ausschreibung erfüllt ist oder nicht. Die Kette ist dabei für<br />

Standard- und Sonderprojekte die gleiche, wobei <strong>in</strong>nerhalb der Kette, abgesehen<br />

von Zumtobel Staff vor allem der Architekt und der Planer an e<strong>in</strong>er hochwertigen<br />

Lösung <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d. Für <strong>den</strong> Elektro<strong>in</strong>stallateur gilt dies nicht im gleichen Masse,<br />

da diesem bei hochwertigen Lösungen typischerweise das Fabrikat vorgeschrieben<br />

wird und er deshalb weniger Spielraum hat, um se<strong>in</strong>e Marge zu verbessern.<br />

Diese Auftragskette („Kette am Bau“) unterscheidet sich von der eigentlichen Wertschöpfungskette,<br />

welche entlang des Produktaufbaues über Vorlieferanten zum<br />

Lampenhersteller, Betriebsgerätehersteller und Leuchtenhersteller verläuft (vgl.<br />

Abb. 18). Innerhalb dieser Kette gibt es starke Kämpfe um <strong>den</strong> jeweiligen Anteil an<br />

der Wertschöpfung. So haben es die Lampenhersteller beispielsweise geschafft,<br />

durch die <strong>in</strong> Energiesparlampen <strong>in</strong>tegrierten Betriebsgeräte, das Geschäft der re<strong>in</strong>en<br />

Betriebsgerätehersteller zu schmälern. E<strong>in</strong> weiteres Beispiel s<strong>in</strong>d Halogenlampen


ZUMTOBEL STAFF<br />

mit <strong>in</strong>tegriertem Reflektor (so genannte „Cool-Beam“-Lampen), welche <strong>in</strong> das Geschäftsfeld<br />

der Leuchtenhersteller e<strong>in</strong>greifen.<br />

Wertschöpfungskette<br />

Auftragskette<br />

Leuchtenhersteller/<br />

Produzent<br />

Vorlieferant<br />

Elektrogrosshandel<br />

Lampenhersteller<br />

Elektro<strong>in</strong>stallateur<br />

Betriebsgerätehersteller<br />

Licht-/Elektro-<br />

Planer<br />

Leuchtenhersteller/<br />

Produzent<br />

Architekt<br />

Bauherr<br />

Abbildung 18: Wertschöpfungskette und Auftragskette der Zumtobel Staff<br />

3.5.2 <strong>Innovationsprozess</strong><br />

95<br />

Bauherr<br />

Zumtobel Staff verfolgt für Standardprodukte und Sonderprodukte zwei unterschiedliche<br />

Produktdef<strong>in</strong>itionsprozesse. Für Standardprodukte gibt es e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>en<br />

Technology-Push durch die hauseigene Forschung und Vorentwicklung. Dadurch<br />

ergeben sich oft grosse Sprünge, beispielsweise neue Lichtlenkungsmetho<strong>den</strong>.<br />

Daneben können Entwicklungsprojekte auch durch die Market-Pull-Funktion<br />

der Vertriebs-, Verkaufs- oder Market<strong>in</strong>gorganisationen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Regionen gestartet<br />

wer<strong>den</strong>. Ausgangspunkt s<strong>in</strong>d dabei die jeweiligen Anwendungsfelder sowie die<br />

zahlreichen durch das Market<strong>in</strong>g betreuten „anonymen“ Kun<strong>den</strong>. Dabei handelt es<br />

sich um <strong>den</strong> Outside-<strong>in</strong>-Teil des Standard<strong>in</strong>novationsprozesses. Für Sonderprojekte<br />

stehen am Beg<strong>in</strong>n des Prozesses auf der Marktseite immer das konkrete Projekt und<br />

damit der konkrete Kunde bzw. der Architekt oder Planer.<br />

Zumtobel Staff folgt e<strong>in</strong>em strukturierten <strong>Innovationsprozess</strong>, welcher sich von der<br />

Erf<strong>in</strong>dung bis zur erfolgreichen Markte<strong>in</strong>führung erstreckt. Er ist <strong>in</strong> vier, grösstenteils<br />

parallel ablaufende Teilprozesse unterteilt, nämlich <strong>den</strong> Technologieentwicklungsprozess,<br />

<strong>den</strong> Produktentwicklungsprozess, <strong>den</strong> Produktmarket<strong>in</strong>gprozess und


96 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

<strong>den</strong> Markte<strong>in</strong>führungsprozess. Der Produktmarket<strong>in</strong>gprozess hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er strukturierten<br />

Form nur für die Entwicklung von Standardprodukten Gültigkeit. Er beg<strong>in</strong>nt<br />

mit e<strong>in</strong>er Lead-User-Phase (noch vor Beg<strong>in</strong>n des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses)<br />

und läuft über e<strong>in</strong>e Conjo<strong>in</strong>t-Measurement-Phase (zur Ermittlung<br />

der Mehrpreisbereitschaft) parallel zur Konzeptf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> der Entwicklung h<strong>in</strong> zu<br />

e<strong>in</strong>er Akzeptanztestphase während der Konzeptfestlegung und Prototypenentwicklung.<br />

Er dient der Entwicklung von Nachfolgeprodukten für Standardprodukte.<br />

Lead-User wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die grössten Benutzer bzw. Käufer<br />

des alten Produktes genannt, welche e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, da angenommen wird,<br />

dass sie die Anforderungen an das Nachfolgeprodukt am besten kennen. Diese<br />

Kun<strong>den</strong>gruppe setzt sich aus Installateuren oder direkten Industriekun<strong>den</strong> zusammen.<br />

Sie wer<strong>den</strong> auch als Teilsample für das Conjo<strong>in</strong>t-Measurement-Verfahren (alte<br />

und neue Produktfeatures) sowie für die Akzeptanztests später im Prozess herangezogen.<br />

Bei dieser Art von Entwicklung handelt es sich um das klassische Tagesgeschäft<br />

der Zumtobel Staff. Verantwortlich für <strong>den</strong> Produktmarket<strong>in</strong>gprozess ist<br />

der Produktmanager.<br />

<strong>Frühe</strong>r <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Partner- und<br />

Projektauswahl<br />

Gelegenheitsphase<br />

Anforderung<br />

Ausschreibung<br />

Ideenphase<br />

Projektzusammenarbeit<br />

mit konkretem Kun<strong>den</strong><br />

Konzept<br />

-phase<br />

Auslegung<br />

Konstruktion<br />

Konzept<br />

Abbildung 19: Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es der Zumtobel Staff<br />

Sonderprojekte basieren im Gegensatz dazu immer auf e<strong>in</strong>em konkreten Projekt und<br />

damit e<strong>in</strong>em konkreten Partner bzw. Kun<strong>den</strong>. Die möglichen Gelegenheiten wer<strong>den</strong><br />

damit quasi schon <strong>in</strong> der Auswahl der Partner vorherbestimmt. So ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

höher, <strong>in</strong>novative Produkte aus der Integration zu erzielen, wenn Architekten<br />

und Lichtplaner mit ausgewiesenen <strong>in</strong>novativen Referenzen bzw. hohem<br />

Potenzial ausgewählt wer<strong>den</strong>. Die Entwicklung der Produktideen erfolgt dann geme<strong>in</strong>sam<br />

mit <strong>den</strong> <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> am Beg<strong>in</strong>n des Projektes, welches gegen Ende<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en grösstenteils standardmässig ablaufen<strong>den</strong> Produktentwicklungsprozess<br />

übergeht (vgl. Abb. 19). Die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> erfolgt bei Sonderleuchten über <strong>den</strong>


ZUMTOBEL STAFF<br />

Verlauf des gesamten Prozesses, da diese Produkte speziell und zunächst auch ausschliesslich<br />

nach <strong>den</strong> Anforderungen der Kun<strong>den</strong> entwickelt wer<strong>den</strong>. Das Ergebnis<br />

des <strong>Innovationsprozess</strong>es ist bei diesen Projekten immer e<strong>in</strong> fertiges Produkt, welches<br />

im Projektrahmen zur Anwendung kommt. Im Idealfall kann die Innovation<br />

des Endprodukts dann auch noch <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er neuen Standardproduktl<strong>in</strong>ie multipliziert<br />

wer<strong>den</strong>. Die Integration des Kun<strong>den</strong> ist also über <strong>den</strong> gesamten Prozess gegeben,<br />

hat ihre höchste Intensität aber <strong>in</strong> der Frühphase bis h<strong>in</strong> zur Konzeption des<br />

Produktes.<br />

Beispiele für diese Art von Sonderprojekten <strong>in</strong> der Leuchtenbranche s<strong>in</strong>d spezielle<br />

Leuchtenlösungen, welche im Zuge grosser Bauprojekte von <strong>den</strong> Architekten passend<br />

zur Architektur entworfen wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong> Architekt hat also die Idee und <strong>den</strong><br />

Willen, e<strong>in</strong>e eigene Leuchtenlösung zu kreieren. Beispielsweise hat das Architekturbüro<br />

Herzog & de Meuron aus Basel im Zuge des Zubaues zum Gebäude der<br />

Helvetia Patria Versicherung <strong>in</strong> St. Gallen im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Gesamtentwurfs auch<br />

spezielle hoch <strong>in</strong>novative Leuchten entwickelt. Diese zeichnen sich e<strong>in</strong>erseits durch<br />

ihren transparenten Korpus und andererseits durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative Befestigungslösung<br />

an <strong>den</strong> Raumdecken aus. Beide Attribute führen dazu, dass der offene lichtdurchflutete<br />

E<strong>in</strong>druck der Gebäudearchitektur noch weiter verstärkt wird. Im Zuge<br />

e<strong>in</strong>es Ausschreibungsverfahrens wurde nach e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>novativen Leuchtenhersteller<br />

zur Realisierung dieser Lösung gesucht und die italienische Firma Artemide mit der<br />

Ausführung betraut. Die Leuchtenlösung hat schliesslich auch E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> das Standardprogramm<br />

Artemides gefun<strong>den</strong> und wird nun über die klassischen Vertriebswege<br />

angeboten.<br />

Die folgen<strong>den</strong> Ausführungen zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> die frühen Innovationsphasen<br />

befassen sich gezielt mit der Organisation und dem Management solcher Sonderprojekte<br />

bei Zumtobel Staff.<br />

Neben der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung spielt auch die Integration anderer externer Innovationsquellen<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. Die Forschungs<strong>in</strong>stitute und Universitäten wer<strong>den</strong><br />

im Rahmen konkreter Forschungsaufträge e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>, beispielsweise <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Bereichen Materialforschung oder Lichtlenkung. Daraus resultieren wertvolle Erkenntnisse<br />

für technologische Innovationen. Die Lieferanten gelten ebenfalls als<br />

Technologieträger und wer<strong>den</strong> daher zur Erschliessung neuer Technologien <strong>in</strong> die<br />

Projekte e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>. Auch die Behör<strong>den</strong> stellen mit ihren neuen Normen e<strong>in</strong>e Innovationsquelle<br />

dar, weshalb zwei Angestellte der Zumtobel Staff weltweit <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

entsprechen<strong>den</strong> Gremien mitarbeiten.<br />

3.5.3 <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

97


98 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Grundlagen<br />

Zumtobel Staff besitzt e<strong>in</strong>e klar formulierte Strategie, <strong>in</strong> der die Innovationsführerschaft<br />

als wesentliches Ziel verankert ist. Dies manifestiert sich beispielsweise <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er hohen Risikobereitschaft im F&E-Umfeld, wo bis zu 10 % der Ressourcen auf<br />

so genannte „Jokerprojekte“ mit hohem Potential aber auch hohem Risiko verteilt<br />

wer<strong>den</strong>. Entschei<strong>den</strong>d ist aber die angestrebte <strong>in</strong>dividuelle Betreuung von Schlüsselkun<strong>den</strong><br />

(Architekten und Lichtplanern), basierend auf der Erkenntnis, dass die<br />

Mittler zwischen Zumtobel und <strong>den</strong> eigentlichen Auftraggebern im S<strong>in</strong>ne von Vor<strong>den</strong>kern<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen und daher zentral betreut wer<strong>den</strong> müssen. Dah<strong>in</strong>ter<br />

steckt e<strong>in</strong>e langfristige strategische Fokussierung der Zumtobel Staff, welche<br />

trotz ihrer mehrjährigen Ausrichtung flexibel durch ergänzende Initiativen adaptiert<br />

wird. Beispielsweise wurde vor kurzem e<strong>in</strong>e Initiative gestartet, neben <strong>den</strong> Schlüsselkun<strong>den</strong><br />

gezielt und verstärkt Elektro<strong>in</strong>stallateure zu betreuen.<br />

Die Schlüsselkun<strong>den</strong> übernehmen die Rolle e<strong>in</strong>es Partners, welcher <strong>in</strong> <strong>den</strong> Sonderprojekten<br />

im Wechselspiel mit Zumtobel Staff se<strong>in</strong>e jeweiligen Kompetenzen (formale<br />

Gestaltung bei Architekten sowie technische Planung und Datenermittlung bei<br />

Lichtplanern) e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt. Es wird von ihnen erwartet, aktuelle und marktgängige<br />

Produkte und Konzepte zu entwickeln. Durchbrüche <strong>in</strong> der Lichttechnik stehen<br />

nicht im Fokus solcher Integrationsprojekte. Gerade Architekten übernehmen vielmehr<br />

die Rolle von Trendscouts bzw. liefern schöne Leuchten und komplementieren<br />

mit ihrer Anwendungskompetenz die Expertise Zumtobels. Lichtplaner s<strong>in</strong>d<br />

demgegenüber auch <strong>in</strong> der Lage, profun<strong>den</strong> technischen Input zu liefern.<br />

Es wird von <strong>den</strong> Architekten und Lichtplanern also erwartet, dass sie Ideen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen,<br />

welche effizient realisiert wer<strong>den</strong> können und das Potenzial für e<strong>in</strong> Standardprodukt<br />

aufweisen. Die dazu notwendigen Kompetenzen s<strong>in</strong>d vielfältig. Auf Seite<br />

der Architekten ist e<strong>in</strong> Interesse für Licht und das Streben nach e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Lichtwirkung notwendig. Für Lichtplaner spielt zusätzlich noch technisches Wissen<br />

e<strong>in</strong>e grosse Rolle. Sie müssen <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, mit neuen Konzepten planerisch<br />

umzugehen, um diese Lösungen ihren Kun<strong>den</strong>, also <strong>den</strong> Bauherren, verkaufen zu<br />

können. Das übergeordnete Ziel ist also zunächst der Umsatz, welcher mit <strong>den</strong> strategischen<br />

Partnern im Sonderprojekt erzielt wird. An zweiter Stelle folgt der Input<br />

für die Standardprodukte, welche aus <strong>den</strong> Sonderprodukten entstehen sollen. Pr<strong>in</strong>zipiell<br />

betrachtet Zumtobel Staff <strong>den</strong> kompletten Prozess vom Beg<strong>in</strong>n des Projektes<br />

bis h<strong>in</strong> zum fertigen Produkt. Sollte es, wie angestrebt, zu e<strong>in</strong>er Standardisierung<br />

des geme<strong>in</strong>sam entwickelten Sonderproduktes kommen, s<strong>in</strong>d die Partner meist auch<br />

noch <strong>in</strong>volviert und ihr Aufwand wird abgegolten.


ZUMTOBEL STAFF<br />

Neben diesem strategischen gibt es auch noch e<strong>in</strong>en kulturellen Aspekt. Kreativität<br />

und Innovation gehören zu <strong>den</strong> höchsten Werten der Zumtobel Staff und wer<strong>den</strong><br />

täglich gelebt. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Firma als Familienunternehmen<br />

schon immer stark von der weltoffenen und aufgeschlossenen Haltung<br />

der Familie Zumtobel geprägt wor<strong>den</strong> ist. Auch der momentane Firmenleiter, Herr<br />

Jürg Zumtobel, verkörpert diesen Anspruch durch se<strong>in</strong>e hohe Verbun<strong>den</strong>heit mit<br />

<strong>den</strong> Produkten und der Technologie sowie se<strong>in</strong> visionäres Mitgestalten der Licht<strong>in</strong>dustrie.<br />

Der hohe Stellenwert der Innovation zeigt sich auch <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternen<br />

Buches, welches die Werte des Unternehmens enthält und an sämtliche Mitarbeiter<br />

verteilt wird. Die Vision basiert demnach auf Kernkompetenzen, Kernprodukten<br />

und Kerndifferenzierung, Kreativität und Innovation. Entsprechend tragen die Kun<strong>den</strong><br />

ihren Innovationsbedarf und ihre Innovationsideen umfassend an die Zumtobel<br />

Staff heran und die Mitarbeiter leiten die Informationen vollständig an die verantwortlichen<br />

Stellen weiter. Der Teilkonzern Zumtobel Staff erschliesst so e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />

von Innovationsideen. Der Schlüssel zur ausgeprägten Innovationsbereitschaft<br />

der Mitarbeiter und Kun<strong>den</strong> liegt also <strong>in</strong> der stark <strong>in</strong>novativen Unternehmenskultur<br />

der Zumtobel Staff. Innovation gehört zum Alltag und wird umfassend durch Anerkennung<br />

der erbrachten Leistungen honoriert. Basierend auf der gewachsenen <strong>in</strong>novativen<br />

Unternehmenskultur ist die Innovationsfähigkeit und -bereitschaft e<strong>in</strong>es<br />

Mitarbeiters e<strong>in</strong> wesentliches Kriterium für e<strong>in</strong>e Beförderung. Innerhalb der gesamten<br />

Zumtobel Staff herrscht e<strong>in</strong>e Atmosphäre der Offenheit gegenüber Ideen und<br />

E<strong>in</strong>flüssen von aussen. Dies zeigt sich beispielsweise auch dar<strong>in</strong>, dass ke<strong>in</strong>e eigene<br />

Designabteilung aufgebaut wor<strong>den</strong> ist, sondern ausschliesslich mit externen Designern<br />

zusammenarbeitet wird.<br />

Organisation<br />

Im Unterschied zur klassischen Def<strong>in</strong>ition der Lead-User, bei der es sich um fortschrittliche<br />

Anwender e<strong>in</strong>es Produktes handelt, übernehmen deren Rolle im Falle<br />

von Zumtobel Staff Architekten und Planer (so genannte „strategische Partner“).<br />

Die Pflege dieser Sonderkun<strong>den</strong> kommt sowohl <strong>den</strong> Sonderprojekten als auch dem<br />

Standardproduktentstehungsprozess zugute. Betreut wer<strong>den</strong> die Sonderkun<strong>den</strong> <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Abteilung International Projects von e<strong>in</strong>er zentralen Gruppe mit dem<br />

Namen „Strategic Partner Development“. Die Abteilung für <strong>in</strong>ternationale Projekte<br />

ist neben <strong>den</strong> Produktmanagern und der Planung unter dem Geschäftsführer für<br />

Market<strong>in</strong>g und Vertrieb angesiedelt und beschäftigt rund 20 Mitarbeiter (davon 6<br />

für die Gruppe Strategic Partner Development). Dabei erzielt sie selbst ke<strong>in</strong>en Umsatz,<br />

sondern erfüllt e<strong>in</strong>e Unterstützungsfunktion für Vertrieb und Market<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>dem<br />

sie versucht, die Beziehung zu Kun<strong>den</strong> aufrechtzuerhalten. Man könnte die Tätig-<br />

99


100 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

keit also mit Vorverkauf bezeichnen, auch wenn teilweise selbst Aufträge akquiriert<br />

wer<strong>den</strong>. Das primäre Ziel ist es, Projekte und damit Umsatz mit strategischen Partnern<br />

zu generieren. Dabei liegt der Fokus auf aussergewöhnlichen Projekten mit <strong>in</strong>novativen<br />

Produkten. Strategic Partner Development ist <strong>in</strong>tensiv <strong>in</strong> <strong>den</strong> eigentlichen<br />

<strong>Innovationsprozess</strong> e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>, ist bei der Erstellung von Anforderungsliste und<br />

Pflichtenheft <strong>in</strong>volviert bzw. liefert immer wieder auch selbst Innovationsideen.<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

Zumtobel Staff unterscheidet an speziellen Kun<strong>den</strong>gruppen Schlüsselkun<strong>den</strong> (Key<br />

Accounts) und Lead-User aufseiten der zahlen<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> sowie die im Mittelpunkt<br />

dieser Untersuchung stehen<strong>den</strong> „Front End Kun<strong>den</strong>“ wie Architekten und<br />

Lichtplaner. Dabei können strategische Partner auch teilweise i<strong>den</strong>tisch mit Lead-<br />

Usern se<strong>in</strong>.<br />

Unter Front End Kun<strong>den</strong> oder strategischen Partnern wer<strong>den</strong> dabei Architekten und<br />

Planer verstan<strong>den</strong>, welche Trends erkennen können und <strong>in</strong> ihren Anforderungen der<br />

Zeit voraus s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Beispiel dafür ist das Erkennen der Entwicklung, dass <strong>in</strong> Zukunft<br />

mehr mit Glas gebaut wer<strong>den</strong> wird. Um zeitgerecht und verlässlich an solche<br />

Informationen zu gelangen, bedarf es e<strong>in</strong>es be<strong>in</strong>ahe tagtäglichen Umgangs mit <strong>den</strong><br />

ausgewählten Partner. Diese s<strong>in</strong>d meistens Architekten, manchmal allerd<strong>in</strong>gs auch<br />

Lichtplaner, da man bestrebt ist, für alle relevanten Gruppen offen und durchgängig<br />

zu bleiben.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Gruppe von wichtigen Kun<strong>den</strong>, welche speziell behandelt wird, s<strong>in</strong>d<br />

die so genannten Schlüsselkun<strong>den</strong> (Key Accounts) beispielsweise der Spar Konzern<br />

oder die Swatch Gruppe. Es handelt sich dabei um Kun<strong>den</strong> mit grossem Umsatzvolumen,<br />

welche im Gegensatz zu <strong>den</strong> strategischen Partnern allerd<strong>in</strong>gs über wenig<br />

eigene Leuchtenkompetenz verfügen. Sie wer<strong>den</strong> durch <strong>den</strong> mit ihnen erzielten<br />

Umsatz weiter unterteilt, wobei je nach Grösse drei Kategorien unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong><br />

(A, B, C). Für diese Kun<strong>den</strong> betreibt Zumtobel Staff e<strong>in</strong> klassisches Key Account<br />

Management, dessen zentrale Kompetenz <strong>in</strong> Dornbirn liegt. Entsprechende<br />

Konzepte der Kun<strong>den</strong>betreuung wer<strong>den</strong> hier entwickelt und dann weltweit ausgerollt.<br />

Während für Key Accounts vor allem die Höhe des Umsatzes und damit Grösse<br />

bzw. f<strong>in</strong>anzielle Attraktivität zählen, s<strong>in</strong>d bei der Auswahl der strategischen Partner<br />

der Ruf, die Kompetenzen und besonders die vergangenen Erfahrungen wichtig.<br />

Die Grösse des Partners ist unerheblich, da dieser nicht direkt kauft und se<strong>in</strong>e Grösse<br />

damit ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf <strong>den</strong> Umfang möglicher Projekte hat. Neben der pr<strong>in</strong>zipiellen<br />

Eignung des potenziellen Partners ist vor allem entschei<strong>den</strong>d, dass er <strong>in</strong> der


ZUMTOBEL STAFF<br />

Lage ist, sich im Projektumfeld durchzusetzen. Wenn es der Mittler nicht e<strong>in</strong>mal<br />

schafft, se<strong>in</strong>e eigenen Ideen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Projekt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, dann eignet er sich nicht<br />

als strategischer Partner für die Zumtobel Staff.<br />

Das Auswahlverfahren funktioniert folgendermassen: Die Länder benennen Kun<strong>den</strong>,<br />

d. h. Personen bzw. Büros mit Potenzial. Beispielsweise würde der Vertriebsleiter<br />

Schweiz wegen des zu erwarten<strong>den</strong> Umsatzes e<strong>in</strong> Architekturbüro wie Herzog<br />

& de Meuron nennen. E<strong>in</strong> Rolle bei der Auswahl spielen auch der Leiter der Abteilung<br />

International Projects, der Geschäftsführer Market<strong>in</strong>g sowie der Inhaber und<br />

gleichzeitig Vorstandsvorsitzende. Zumtobel verfügt über e<strong>in</strong>en sehr guten Überblick<br />

der Architekturszene und der eigenen Position <strong>in</strong> <strong>den</strong> wichtigsten Märkten,<br />

nämlich <strong>in</strong> Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darauf aufbauend wer<strong>den</strong><br />

Ziele bezüglich der Auswahl von strategischen Partner festgelegt, beispielsweise<br />

Vorgaben über e<strong>in</strong>e Aufteilung von 50:50 betreffend des Anteils an deutschsprachigen<br />

und fremdsprachigen Partnern. Gerade bezüglich der Fremdsprachigkeit wer<strong>den</strong><br />

gezielt italienische, französische und englische Architekten und Planer mit Potenzial<br />

als strategischer Partner gesucht. E<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt dabei der Vertrieb,<br />

der gefragt wird, wer als <strong>in</strong>novativ gilt und an wen e<strong>in</strong>e Annäherung noch<br />

nicht geklappt hat. Mit diesen potenziellen Partnern nimmt dann die Strategic Partner<br />

Development Gruppe Kontakt auf und versucht, über <strong>in</strong>tensive Kommunikation<br />

das erste Projekt zu starten. Der Beziehungsaufbau, bis zum Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er konkreten<br />

Zusammenarbeit, bewegt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zeitlichen Rahmen von drei bis sechs Monaten.<br />

Für beide Kun<strong>den</strong>gruppen gilt aber, dass es sich um <strong>in</strong>novationsfreundliche Kun<strong>den</strong><br />

handelt, welche bereit s<strong>in</strong>d, für überlegene Produkte das Preis/Leistungsverhältnis<br />

von Zumtobel Staff zu akzeptieren. Analysiert man <strong>den</strong> Markt anhand der Innovationsfreundlichkeit,<br />

so handelt es sich bei <strong>den</strong> bevorzugten Kun<strong>den</strong> um Vertreter der<br />

Innovatoren, der frühen Abnehmer oder der frühen Mehrheit. Die späte Mehrheit<br />

sowie die Nachzügler wer<strong>den</strong> nicht als potenzielle Kun<strong>den</strong> anvisiert.<br />

Die Kompatibilität der Firmenkulturen spielt e<strong>in</strong>e wichtige Rolle bei der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

der Kun<strong>den</strong> bzw. Partner. E<strong>in</strong> grosser Vorteil der Zumtobel Staff ist die durch<br />

die Eigentümerfamilie vorgelebte Beziehung zu Architektur, Kunst und Kultur. Dadurch<br />

kommt es manchmal auch zur Durchführung von Projekten, welche vor allem<br />

kulturell und weniger f<strong>in</strong>anziell <strong>in</strong>teressant s<strong>in</strong>d.<br />

Das Commitment („Ja, dieses Projekt will ich realisieren.“) ist für <strong>den</strong> jeweiligen<br />

Partner von entschei<strong>den</strong>der Bedeutung, da er sonst Gefahr läuft, früher oder später<br />

das Vertrauen des Bauherren zu verlieren. Generell s<strong>in</strong>d Vertrauen und Commitment<br />

im Leuchtengeschäft des oberen Preissegments sehr wichtig.<br />

101


102 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Die räumliche Distanz zum Kun<strong>den</strong> bzw. Partner spielt ke<strong>in</strong>e grosse Rolle für die<br />

Zusammenarbeit. Entweder fliegen die Mitarbeiter zum Kun<strong>den</strong> oder dieser kommt<br />

nach Dornbirn. Geographisch konzentrieren sich die für Zumtobel Staff wichtigen<br />

Architekten und Lichtplaner auf Europa und die USA, da sich dort die meisten Büros<br />

bef<strong>in</strong><strong>den</strong>. So f<strong>in</strong>det beispielsweise die Zusammenarbeit mit e<strong>in</strong>em Stararchitekten<br />

wie Norman Foster <strong>in</strong> London statt, auch wenn das entsprechende Bauprojekt <strong>in</strong><br />

Südostasien geplant ist.<br />

Ablauf<br />

Der Produktdef<strong>in</strong>itionsprozess für Sonderprodukte der Zumtobel Staff unterscheidet<br />

sich gerade <strong>in</strong> der Anfangsphase wesentlich von dem für Standardprodukte. Am<br />

Beg<strong>in</strong>n des Prozesses für e<strong>in</strong> Sonderprojekt steht auf der Marktseite immer das<br />

konkrete Projekt und damit der konkrete strategische Partner (Planer oder Architekt)<br />

als Mittler zum Kun<strong>den</strong>.<br />

Am Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es solchen Sonderprojektes steht immer der konkrete Kunde im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>es konkreten Projektes. E<strong>in</strong>e genaue geme<strong>in</strong>same Zielfestlegung ergibt<br />

sich automatisch durch das Marktumfeld der Baubranche, <strong>in</strong> welcher konkrete Spezifikationen<br />

<strong>den</strong> Standard darstellen. Die Kommunikation zwischen <strong>den</strong> Partnern<br />

und Zumtobel Staff erfolgt über die Abteilung Internationale Projekte. Die dafür<br />

geeigneten Mitarbeiter haben e<strong>in</strong>en starken technischen Background, hohe Kreativität<br />

sowie Erfahrung im Leuchtengeschäft. Sie müssen auch über e<strong>in</strong>e ausgeprägte<br />

Dialogfähigkeit verfügen und die jeweils notwendigen sprachlichen Fähigkeiten<br />

mitbr<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong>e zentrale Aufgabe dieser Mitarbeiter ist es, frühzeitig zu erkennen,<br />

ob das angedachte Produkt technisch realisierbar ist. Die Betreuung der strategischen<br />

Partner erfolgt permanent, im Idealfall auftragsneutral, d. h. unabhängig von<br />

e<strong>in</strong>em konkreten Projekt. Alle zwei bis drei Monate wer<strong>den</strong> die Kun<strong>den</strong> besucht<br />

und nach spezifischen Anforderungen gefragt. Im weiteren Verlauf der daraus entstehen<strong>den</strong><br />

Diskussionen wer<strong>den</strong> Konstrukteure und Entwickler beigezogen. Ziel<br />

dieser speziellen Kun<strong>den</strong>betreuung ist e<strong>in</strong> permanenter Austausch. Dieser Dialog ist<br />

e<strong>in</strong> wesentlicher Bestandteil der Integration und wird mit Meilenste<strong>in</strong>en bis h<strong>in</strong> zur<br />

Bemusterung unterstützt. Zwischen diesen Meilenste<strong>in</strong>en erfolgen zahlreiche Kontakte<br />

per Telefon oder E-Mail. Die Ansprechpartner aufseiten von Zumtobel Staff<br />

s<strong>in</strong>d dabei nicht nur die speziellen Betreuer aus dem Strategic Partner Development,<br />

sondern vor allem auch die Konstrukteure. Falls sich e<strong>in</strong> Projekt abzeichnet, <strong>in</strong>tensiviert<br />

sich die Kommunikation, es kommt zu ersten Projektmeet<strong>in</strong>gs, zu e<strong>in</strong>er Aufgabenbeschreibung,<br />

dem Bau von ersten Prototypen sowie ersten Kostenabschätzungen.


ZUMTOBEL STAFF<br />

Die Planer erhalten neben e<strong>in</strong>er grundsätzlichen Beratung auch spezielle Planungsprodukte,<br />

beispielsweise Software zur Auslegung der Lichtlösung. Das Ziel dieser<br />

systematischen Bemühungen der Zumtobel Staff s<strong>in</strong>d Ausschreibungen, als Ausgangsbasis<br />

für das Angebot des Elektro<strong>in</strong>stallateure, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en „Zumtobel Staff oder<br />

gleichwertig“ vorgeschrieben wird. Die beste Strategie gegen hochwertige Konkurrenz<br />

liegt also dar<strong>in</strong>, die Planer von <strong>den</strong> eigenen Produkten zu überzeugen. E<strong>in</strong>e<br />

Schwierigkeit dabei besteht dar<strong>in</strong>, dass die eigentliche Wertschöpfungskette von der<br />

Angebotskette abweicht. Die Planer wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Architekten statt direkt vom<br />

Leuchtenhersteller bezahlt und s<strong>in</strong>d dadurch nicht direkt „käuflich“. Die eigentliche<br />

Entscheidung für e<strong>in</strong>e Licht-/Leuchtenlösungen wird im Dreieck zwischen Bauherr,<br />

Architekt und Lichtplaner getroffen. Für Zumtobel Staff ist es wichtig, das starke<br />

Element <strong>in</strong> dieser Gruppe zu erkennen und sich ab e<strong>in</strong>em möglichst frühen Zeitpunkt<br />

mit ihrem Lobby<strong>in</strong>g für <strong>den</strong> Architekten oder <strong>den</strong> Planer zu entschei<strong>den</strong>. Im<br />

Gegensatz zu diesen bei<strong>den</strong> speziellen Kun<strong>den</strong>gruppen wer<strong>den</strong> die Elektrotechniker<br />

durch das reguläre Vertriebssystem betreut.<br />

Die Schnittstelle zwischen F&E und Market<strong>in</strong>g stellt dabei ke<strong>in</strong> Problem dar. Viele<br />

Abläufe <strong>in</strong> <strong>den</strong> def<strong>in</strong>ierten Prozessen, beispielsweise die Bewertung von Produktideen,<br />

sehen enge Zusammenarbeit vor. Generell zieht sich durch <strong>den</strong> gesamten <strong>Innovationsprozess</strong><br />

der E<strong>in</strong>satz von Dreipersonen-Teams bestehend aus Produktmanagern<br />

der Market<strong>in</strong>gseite, Entwicklern und Vertretern der Produktion.<br />

Im Bereich der operativen Bedarfserfassung kommt der weltweiten Marktorganisation<br />

e<strong>in</strong> hoher Stellenwert zu. Kreative Vertriebs- und Market<strong>in</strong>gleute konnten<br />

schon zahlreiche neue Geschäftsideen wie leuchtende Tapeten oder auf Induktion<br />

basierende Leuchten anstossen. Auch durch die F&E-Mitarbeiter wer<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>besuche<br />

durchgeführt, diese s<strong>in</strong>d aber vorwiegend projektbegleitend organisiert. Sie<br />

können das Bewusstse<strong>in</strong> für neue Geschäftsfelder wecken, helfen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aber<br />

die Potenziale <strong>in</strong>krementeller Innovation auszuschöpfen. Die strategische Bedarfserfassung<br />

ist durch Anwenderbeobachtungen und Trendanalysen gewährleistet.<br />

Die Anwenderbeobachtung erfolgt nicht regelmässig und erstreckt sich vor allem<br />

auf die Elektro<strong>in</strong>stallateure und damit das Tagesgeschäft. Diese wer<strong>den</strong> bei ihren<br />

Montagen beobachtet, um Innovationen im Montageprozess erschliessen zu können.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus wer<strong>den</strong> die Markttrends durch professionelle Partizipation an<br />

Lichtmessen eruiert, wo Herr Zumtobel teilweise persönlich teilnimmt. Mit der<br />

Messepräsenz strebt Zumtobel Staff <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nicht die Gew<strong>in</strong>nung neuer<br />

Kun<strong>den</strong> an, sondern <strong>den</strong> Austausch von Erfahrungen und Erkenntnissen mit ihren<br />

aktuellen und potenziellen Kun<strong>den</strong>. Oft wer<strong>den</strong> die visionären Kun<strong>den</strong> messebegleitend<br />

zu Side-Events zwecks Diskussion neuer Trends e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>.<br />

103


104 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Im Verlauf des eigentlichen Entwicklungsprozesses wer<strong>den</strong> auch Elektriker bzw.<br />

Elektro<strong>in</strong>stallateure e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>. Dabei spielt das bisherige Kaufverhalten e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Rolle. Bevorzugt wer<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>, welche das Vorgängerprodukt<br />

stark gekauft haben bzw. als kritische Abnehmer <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung getreten<br />

s<strong>in</strong>d. Gegenüber dem Elektro<strong>in</strong>stallateur wird vor allem die Montagefreundlichkeit<br />

sowie das Preis/Leistungsverhältnis betont. Elektro<strong>in</strong>stallateure streben naturgemäss<br />

danach, ihre Margen gegenüber ihren Kun<strong>den</strong> zu erhöhen. Sie bevorzugen daher<br />

Produkte, bei <strong>den</strong>en sie dementsprechende Spielräume gegenüber dem Planer haben.<br />

Begriffe <strong>in</strong> diesem Zusammenhang s<strong>in</strong>d „Spec Switch<strong>in</strong>g“ (Wechsel auf e<strong>in</strong><br />

anderes <strong>in</strong> der Regel günstigeres Produkt) bzw. das von Zumtobel Staff angestrebte<br />

„Spec Lock<strong>in</strong>g“ (Festhalten an der ursprünglichen Spezifikation).<br />

Generell gilt für alle Kun<strong>den</strong>gruppen, dass im Rahmen der operativen Ideengenerierung<br />

Kun<strong>den</strong>anfragen ausgewertet und Mitarbeiter aus dem Kun<strong>den</strong>segment angestellt<br />

wer<strong>den</strong>. Anfragen wer<strong>den</strong> systematisch aufgenommen, geclustert und regelmässig<br />

ausgewertet. Der jeweilige Produktmanager sammelt Anfragen, welche entweder<br />

über <strong>den</strong> Vertrieb oder über das Internet e<strong>in</strong>langen. Diese kommen vor allem<br />

von heutigen Anwendern aus dem Segment der Elektro<strong>in</strong>stallateure. Inputs entstehen<br />

aber auch bei Endkun<strong>den</strong>kontakten bzw. Kontakten mit <strong>in</strong>dustriellen Benutzern<br />

beispielsweise Handelsketten oder grossen Autowerken (über Key Account Management<br />

betreut). E<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanter Aspekt der Leuchtenbranche ist der Umstand,<br />

dass der eigentliche Anwender bzw. Endnutzer der Produkte im Normalfall überhaupt<br />

ke<strong>in</strong>e Möglichkeit hat, auf die Beleuchtung E<strong>in</strong>fluss zu nehmen. Daher ist es<br />

nicht direkt s<strong>in</strong>nvoll, endkun<strong>den</strong>nahe Features <strong>in</strong> die Produkte e<strong>in</strong>zubauen.<br />

Management<br />

Die Motivation der e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> erfolgt bei <strong>den</strong> strategischen Partnern auf<br />

zwei Ebenen. E<strong>in</strong>erseits durch <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motive wie die Möglichkeit, das meistens<br />

stark ausgeprägte Ego durch die Gestaltung e<strong>in</strong>er Sonderleuchte zu befriedigen.<br />

Im S<strong>in</strong>ne von „grosse Namen wollen grosse Marken“ ist die Zumtobel Staff e<strong>in</strong>e<br />

der ersten Anlaufstellen für renommierte Kun<strong>den</strong> (z. B. „Stararchitekten“). Im Gegenzug<br />

stellt dies für <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Anreiz dar, Innovationsideen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />

Die zweite Ebene bil<strong>den</strong> extr<strong>in</strong>sische Faktoren, wie die E<strong>in</strong>ladung zu exklusiven<br />

Events und die mögliche Umsatzbeteiligung im Falle e<strong>in</strong>er Standardproduktion der<br />

geme<strong>in</strong>sam entwickelten Sonderleuchten. E<strong>in</strong> wichtiger Aspekt zur Gew<strong>in</strong>nung gefragter<br />

Architekten ist die Fähigkeit von Zumtobel Staff, sich selbst als kompetent<br />

für die Realisierung e<strong>in</strong>er Lösung darstellen zu können. Architekten suchen zur<br />

Umsetzung ihrer lichttechnischen Ideen grosse, f<strong>in</strong>anzstarke und kompetente Partner.<br />

Manchmal geht das Ego der Architekten soweit, dass sie ke<strong>in</strong>e Leuchten e<strong>in</strong>es


ZUMTOBEL STAFF<br />

bestimmten Leuchtenherstellers akzeptieren, weil er Konkurrent ihres bevorzugten<br />

Partners ist. Zumtobel Staff versteht es, für diese anspruchsvollen Kun<strong>den</strong>gruppen<br />

die Kun<strong>den</strong>anforderungen umfassend <strong>in</strong> spezifische Lösungen umzusetzen und erzielt<br />

so e<strong>in</strong>e hervorragende Kun<strong>den</strong>zufrie<strong>den</strong>heit. Für die Motivation der Kun<strong>den</strong> zu<br />

<strong>den</strong> Conjo<strong>in</strong>t-Messungen bzw. <strong>den</strong> Akzeptanztests im Rahmen des Standardproduktentwicklungsprozesses<br />

wer<strong>den</strong> meist kle<strong>in</strong>e materielle Anreize („Goodies“)<br />

verteilt.<br />

Der Erfolg wird dann, neben dem positiven Image durch das eigentliche Projekt,<br />

durch die Übertragung auf Standardprodukte gemessen. Das heisst erfolgreich ist<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novatives Prestigeprojekt dann, wenn die speziell entwickelten Produkte später<br />

E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> <strong>den</strong> Standardkatalog f<strong>in</strong><strong>den</strong> und damit zu neuen Produkten bzw. Produktgruppen<br />

wer<strong>den</strong>. Zumtobel Staff ist bestrebt, möglichst viele Sonderleuchten <strong>in</strong><br />

das Standardprogramm aufzunehmen. Dazu erfolgt alle sechs Monate e<strong>in</strong>e Beurteilung<br />

der Sonderleuchten h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Standardisierbarkeit. Auf dem Weg <strong>in</strong><br />

das Standardleuchtenprogramm existiert noch e<strong>in</strong> Zwischenschritt von so genannten<br />

„Specials“, für die e<strong>in</strong>e eigene Broschüre zusätzlich zum normalen Katalog herausgegeben<br />

wird. Falls sich diese Specials am Markt bewähren, wer<strong>den</strong> sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

zweiten Schritt Teil des Standardprogramms. Jedes Jahr wer<strong>den</strong> rund zehn Produkte<br />

als Special ausgewählt, wovon es schliesslich nur e<strong>in</strong> bis zwei wirklich zum Standard<br />

schaffen.<br />

Der Prozess der Partnere<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung unterliegt ke<strong>in</strong>er speziellen Kontrolle. Die Job<br />

Description und Zielvere<strong>in</strong>barungen des verantwortlichen Managers enthalten die<br />

notwendigen Vorgaben, um <strong>den</strong> Prozess zu steuern. Beispielsweise ist die Zahl der<br />

pro Jahr neu zu akquirieren<strong>den</strong> strategischen Partner festgelegt. E<strong>in</strong>e Fluktuation<br />

der Partner ergibt sich vor allem dadurch, dass immer wieder Architekten und<br />

Lichtplaner aus diesem Kreis herausfallen, wenn sie nicht <strong>in</strong>novativ s<strong>in</strong>d bzw. ihre<br />

Ideen und damit Zumtobel Staff als Realisierungspartner bei <strong>den</strong> Projekten nicht<br />

durchsetzen können. Das bedeutet, dass diese spezielle Form der Integration beendet<br />

wird, wenn sich nach e<strong>in</strong>er gewissen Frist (bei Stararchitekten drei bis fünf Jahre)<br />

ke<strong>in</strong>e konkreten Projekte ergeben. E<strong>in</strong>e weitere Steuergrösse ist, ähnlich wie im<br />

klassischen Vertrieb, das „Lichtvolumen“ bei Architekten – d. h. wie viel Prozent<br />

se<strong>in</strong>es Umsatzes der Partner mit Zumtobel erzielt. Beispielsweise könnte e<strong>in</strong> Richtwert<br />

e<strong>in</strong> Anteil von Zumtobel-Produkten von 5 bis 10 % im zweiten Jahr der konkreten<br />

Partnerschaft se<strong>in</strong>. Bei Lichtplanern ist es nicht möglich, solche Vorgaben zu<br />

machen, da diese gemäss ihrer Rolle um Unabhängigkeit bemüht se<strong>in</strong> müssen.<br />

Bezüglich des Innovationsgrades führen Sonderleuchten, d. h. Leuchten aus Sonderprojekten,<br />

aus speziell leuchtentechnischer Sicht betrachtet, meistens zu kle<strong>in</strong>en<br />

105


106 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Schritten bzw. <strong>in</strong>krementellen Innovationen. In H<strong>in</strong>sicht auf die Form und Funktionalität<br />

kommt es jedoch immer wieder zu echten Durchbrüchen. Da es am Anfang<br />

e<strong>in</strong>es Sonderprojektes nicht sicher ist, ob die zu entwickelnde Leuchte je e<strong>in</strong>e<br />

Kle<strong>in</strong>serie bzw. e<strong>in</strong> Standardprodukt wer<strong>den</strong> wird, muss der erste Verkauf die gesamten<br />

Kosten abdecken. Dies bedeutet, dass technologisch ke<strong>in</strong>e aufwändigen und<br />

damit teuren Schritte gesetzt wer<strong>den</strong> können. Andererseits handelt es sich bei solchen<br />

Leuchten aber oft um sehr aktuelle marktgängige Produkte, welche e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle<br />

für neue Produktfamilien übernehmen können. Beispielsweise das „milde<br />

Licht“, welches mit Architekten und Lichtplanern für das schweizerische Unternehmen<br />

SFS Stadler entwickelt wurde und mittlerweile e<strong>in</strong> Standardprodukt gewor<strong>den</strong><br />

ist.<br />

Die eigene Konstruktionsabteilung ist laufend <strong>in</strong> die Sonderprojekte e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong><br />

und kann dadurch die gewonnen Erkenntnisse <strong>in</strong>nerhalb Zumtobels verteilen und<br />

verwen<strong>den</strong>. Dies gilt auch für Projekte, welche nicht realisiert wer<strong>den</strong> und stellt sicher,<br />

dass die gesamte Organisation am Lernprozess teilnimmt, der durch die <strong>in</strong>novativen<br />

Vorzeigeprojekte ausgelöst wird. Als Rahmen dafür dienen die genau def<strong>in</strong>ierten<br />

Prozesse für die Entwicklung von Sonderprojekten und deren Umwandlung<br />

<strong>in</strong> Standardprodukte über <strong>den</strong> Zwischenschritt der Specials.<br />

Verträge mit dem Partner gibt es oft erst dann, wenn e<strong>in</strong>e Lösung entsteht, bei der<br />

Rechte festgelegt wer<strong>den</strong> müssen. Wenn e<strong>in</strong> Produkt bzw. e<strong>in</strong>e formale Schöpfung,<br />

welche <strong>in</strong> Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em strategischen Partner entstan<strong>den</strong> ist, als schützenswert<br />

erachtet wird, kommt es zu e<strong>in</strong>er Anmeldung als Gebrauchsmuster oder<br />

Patent. Zumtobel Staff übernimmt <strong>in</strong> diesen Fällen die Rechte, meldet an und hält<br />

die Schutzrechte. Die beteiligten Architekten bzw. Lichtplaner erhalten dann je<br />

nach verkauften Stückzahlen, welche über <strong>den</strong> ursprünglichen Projektumfang h<strong>in</strong>ausgehen,<br />

Lizenzgebühren. In <strong>den</strong> letzten Jahren wur<strong>den</strong> rund 115 Schutzrechte<br />

angemeldet, davon 15 bis 20 mit externen Partnern. Die Kun<strong>den</strong>gruppe kennt und<br />

akzeptiert dieses Vorgehen.<br />

3.5.4 Zusammenfassung<br />

Betrachtet man die Sonderprojekte als Ausdruck der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

(auch wenn bei Zumtobel Staff Mittler zum Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>), so gibt<br />

es mit der Strategic Partner Development Gruppe spezielle Betreuer <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Organisation der Zumtobel Staff für strategische Partner aus der relevanten Kun<strong>den</strong>gruppe<br />

der Architekten und Lichtplaner. Diese Spezialisten beraten und <strong>in</strong>formieren<br />

die Partner e<strong>in</strong>erseits durch die Bereitstellung von speziellen Unterlagen,<br />

primär aber durch bevorzugt persönliche Besuche.


ZUMTOBEL STAFF<br />

Entsprechend wer<strong>den</strong> partnerschaftlich Speziallösungen entwickelt, welche auf das<br />

jeweilige Gebäudedesign abgestimmt s<strong>in</strong>d, wobei der Architekt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Produktanforderungen<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt und <strong>den</strong> Entwicklungsprozess als Berater bezüglich<br />

der Funktionsausprägungen unterstützt. Ins Entwicklungsprojekt wer<strong>den</strong> dann je<br />

nach Bedarf weitere Partner beispielsweise Lichtdesigner e<strong>in</strong>bezogen. Durch die<br />

Nutzung verschie<strong>den</strong>er Wissensquellen entstehen neue visionäre Speziallösungen.<br />

Parallel dazu wer<strong>den</strong> die täglich e<strong>in</strong>gehen<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>anfragen gesammelt und<br />

gruppiert. Diese verdichteten Bedarfs<strong>in</strong>formationen wer<strong>den</strong> periodisch mit <strong>den</strong> im<br />

Rahmen der Sonderprojekte entwickelten Speziallösungen abgeglichen. F<strong>in</strong>det sich<br />

für e<strong>in</strong>e Sonderlösung e<strong>in</strong>e grössere Nachfrage, so können dafür kle<strong>in</strong>ere Serien<br />

lanciert wer<strong>den</strong>. Dadurch gel<strong>in</strong>gt es Zumtobel Staff, sowohl die technische als auch<br />

die gestalterische Innovationsführerschaft aufrechtzuerhalten. E<strong>in</strong>en Überblick der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> bei Zumtobel Staff gibt Abbildung 20.<br />

107


108 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Warum? Ziele<br />

Generierung von Umsatz durch geme<strong>in</strong>same <strong>in</strong>novative Sonderprojekte<br />

Umwandlung der Sonderprodukte <strong>in</strong> Standardprodukte (wo immer möglich und s<strong>in</strong>nvoll)<br />

Wann? Phase<br />

Im Verlauf des gesamten Prozesses im Rahmen von Sonderprojekten, welche für spezielle Produkte durchgeführt wer<strong>den</strong><br />

Wen? Kun<strong>den</strong>charakteristika<br />

Ausgesuchte Architekten und Partner<br />

Kriterien neben der Innovativität und dem kulturellen Fit s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits das Umsatzpotenzial und andererseits die Fähigkeit<br />

des Partners, se<strong>in</strong>e Ideen im Rahmen se<strong>in</strong>er Projekte durchsetzen zu können<br />

Bereitschaft für langfristige, mehrjährige Zusammenarbeit muss gegeben se<strong>in</strong><br />

Wie? Wie? Prozesscharakteristika<br />

Prozesscharakteristika<br />

Gruppe Strategic Partner Development im Geschäftsbereich Market<strong>in</strong>g und Vertrieb<br />

Spezielle permanente Betreuung der strategischen Partner<br />

Eigener Entwicklungsprozess für Sonderprodukte als Ergebnis der Partner<strong>in</strong>tegration<br />

Besonderheiten<br />

Integration von Architekten und Lichtplanern als fachmännische Vertreter des Bauherrn und Nutzers<br />

Der Beg<strong>in</strong>n der Integration löst <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> aus (Extremfall der frühen Integration) und erstreckt sich über <strong>den</strong><br />

gesamten <strong>Innovationsprozess</strong> bis h<strong>in</strong> zum fertigen Produkt<br />

Innovation entsteht durch die komplementären Kompetenzen von Hersteller und <strong>in</strong>tegriertem Partner<br />

Abbildung 20: Übersicht der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Zumtobel Staff


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

4 Konzeptualisierung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

4.1 Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

In diesem Abschnitt wer<strong>den</strong> die Fallstudiendaten ausgewertet, um daraus e<strong>in</strong>e Konzeptualisierung<br />

des Konstruktes der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> aufzubauen. Die Analyse<br />

der Fallstudien erfolgt dabei mit e<strong>in</strong>er doppelten Zielsetzung. Zunächst sollen<br />

die grundsätzlichen Determ<strong>in</strong>anten der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ermittelt wer<strong>den</strong>.<br />

Diese bestimmen die spezifische Rolle des <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> und damit <strong>den</strong><br />

jeweiligen Ablauf der Integration. Der zweite Analyseaspekt zielt dann auf die I<strong>den</strong>tifikation<br />

derjenigen Gestaltungsfelder, welche die wesentlichen Dimensionen<br />

der frühen Kun<strong>den</strong>nähe darstellen. Durch die Ausprägung dieser Gestaltungsfelder<br />

wer<strong>den</strong> die operative Gestaltung und die Durchführung der Integration bestimmt.<br />

Daher erfolgt anschliessend e<strong>in</strong>e ausführliche Beschreibung der für e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />

Integration relevanten Gestaltungsfaktoren.<br />

4.1.1 Vergleich der Fallstudienergebnisse<br />

Für <strong>den</strong> Fallstudienvergleich wer<strong>den</strong> Kriterien herangezogen, welche nicht im Analyseraster<br />

(vgl. Abb. 8) der ersten E<strong>in</strong>zelfallanalysen enthalten s<strong>in</strong>d. Dieser Schritt<br />

ist notwendig, um die vorhan<strong>den</strong>en Daten unabhängig von der ersten Analyse vergleichen<br />

und damit neue, zusätzliche Erkenntnisse gew<strong>in</strong>nen zu können (vgl. Eisenhardt<br />

1989). Als Vergleichskriterien wer<strong>den</strong> daher diejenigen strategischen<br />

Grundlagen und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen herangezogen, welche anhand der E<strong>in</strong>zelfallanalyse<br />

als wesentlich für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> i<strong>den</strong>tifiziert wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d.<br />

Bei der Erhebung der Daten sowie der Analyse der E<strong>in</strong>zelfallstudien wurde überprüft,<br />

welche der generellen <strong>in</strong> der Literatur beschriebenen strategischen Grundlagen<br />

der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Kun<strong>den</strong> für <strong>den</strong> speziellen Fall der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

hohe Relevanz aufweisen. Da die strategischen Grundlagen aus Arbeiten über<br />

verschie<strong>den</strong>e Formen der E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

stammen, spiegeln sie pr<strong>in</strong>zipiell mögliche Merkmale der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung unter<br />

verschie<strong>den</strong>sten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wider. Die Ausgangsbasis bildeten also die <strong>in</strong><br />

Abschnitt 2.1 aus der Literatur hergeleiteten strategischen Grundlagen der erfolgreichen<br />

E<strong>in</strong>beziehung von Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> (vgl. Abb. 7). Dem Fokus<br />

dieser Arbeit entsprechend liegt e<strong>in</strong> erster Erkenntnisschritt zunächst dar<strong>in</strong>,<br />

durch die E<strong>in</strong>zelfallanalyse diejenigen strategischen Grundlagen zu i<strong>den</strong>tifizieren,<br />

welche für alle betrachteten Fälle relevant s<strong>in</strong>d. Aufseiten des Herstellers waren<br />

dies e<strong>in</strong>e strategische und organisatorische E<strong>in</strong>bettung sowie e<strong>in</strong> organisatorischer<br />

109


110 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Lernprozess, aufseiten des Kun<strong>den</strong> dessen Kompetenzen und Motivation. Für die<br />

Interaktion zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Partnern spielen vor allem Struktur und Form der<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung sowie die Beziehungsvariablen (samt Kommunikation) e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de<br />

Rolle. Zusätzlich zu diesen Elementen wur<strong>den</strong> auch noch drei Rahmenbed<strong>in</strong>gungen,<br />

welche Auswirkungen auf die Ausprägung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

haben, i<strong>den</strong>tifiziert. Es s<strong>in</strong>d dies die Position des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette,<br />

der Zeitpunkt der Integration im Verlauf der Innovationsfrühphase sowie die<br />

spezifischen Ziele des Herstellers und damit der erwartete Kun<strong>den</strong>beitrag. Abbildung<br />

21 zeigt e<strong>in</strong>en Überblick dieser Kriterien.<br />

Hersteller<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit Strategie<br />

Organisatorische Ausformung<br />

(Schnittstelle F&E/Market<strong>in</strong>g)<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

Position des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette<br />

Zeitpunkt der Integration im Verlauf der Frühphase<br />

Ziel des Herstellers und erwarteter Kun<strong>den</strong>beitrag<br />

Strategischen Grundlagen<br />

Integrationsprozess<br />

Rahmen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

(Passende Strukturen,<br />

Form der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung)<br />

Beziehungsvariablen<br />

Kunde<br />

Kompetenz<br />

(Wissen und Fähigkeiten)<br />

Motivation<br />

Abbildung 21: Kriterien für <strong>den</strong> Vergleich der Fallstudienergebnisse<br />

Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> die jeweiligen Ausprägungen der e<strong>in</strong>zelnen Fallstudien anhand<br />

dieser neuen Kriterien herausgearbeitet. In e<strong>in</strong>er vergleichen<strong>den</strong> Analyse erfolgt<br />

daraus schliesslich die Herleitung der Determ<strong>in</strong>anten und Gestaltungsfelder<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Bayer MaterialScience<br />

Bayer Polymers hat die Ausrichtung nach dem Kun<strong>den</strong> bereits auf Ebene der Divisionsstrategie<br />

explizit verankert. So ist „one lead to the customer“ der zentrale Leitsatz,<br />

der auf <strong>den</strong> Aufbau und die Ziele der gesamten Organisation ausstrahlt. Die<br />

Gründung des Creative Centers mit dem speziellen Fokus auf die Marktseite und<br />

dem <strong>aktive</strong>n Kontakt zum Kun<strong>den</strong> ist e<strong>in</strong> deutliches Zeichen zur Festigung dieses<br />

Ansatzes. Man kann also von e<strong>in</strong>er strategischen Verankerung (Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

mit der Strategie) und durchgängigen organisatorischen Verankerung des Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungsgedankens<br />

sprechen. Das Creative Center erfüllt zwar auch Aufgaben,<br />

welche typisch für klassische <strong>in</strong> der F&E angesiedelte Innovationsgruppen s<strong>in</strong>d, es<br />

ist aber grundsätzlich auf <strong>den</strong> Markt fokussiert. Dies zeigt sich beispielsweise dar<strong>in</strong>,<br />

dass rund 80 % aller externen Kontakte mit Kun<strong>den</strong> erfolgen. Rund um diese spezielle<br />

Gruppe existieren die klassischen Organisationsformen des Market<strong>in</strong>gs samt<br />

Key Account Management und der technologiefokussierten Forschung. Die Schnittstelle<br />

zum Market<strong>in</strong>g stellt dabei ke<strong>in</strong> Problem dar. Die <strong>in</strong>terne Kommunikation<br />

funktioniert ausgezeichnet und Kontakte zu bzw. Treffen mit wichtigen Kun<strong>den</strong><br />

wer<strong>den</strong> immer mit dem Key Account Management abgestimmt.<br />

Die <strong>in</strong>terne organisatorische Ausformung bei Bayer muss die Kun<strong>den</strong>bedürfnisse<br />

verstehen können und adäquat zur Entwicklung neuer Produkte verwen<strong>den</strong>. Diese<br />

Fähigkeit wird durch das Creative Center <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht unterstützt. Zunächst<br />

wer<strong>den</strong> die Informationen, welche durch <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> gewonnen wer<strong>den</strong>,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternen Prozess aufgearbeitet und zu fertigen Konzepten weiterentwickelt.<br />

Die Schnittstelle zum nachgelagerten Segment Industry Innovations funktioniert<br />

durch das Vorhan<strong>den</strong>se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es def<strong>in</strong>ierten Übergabeprotokolls (Balanced<br />

Innovation Card) problemlos. Zusätzlich arbeitet das Creative Center am Aufbau<br />

e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternen Innovationsnetzwerkes, um se<strong>in</strong> Wissen weiterzugeben und zu e<strong>in</strong>er<br />

pr<strong>in</strong>zipiell offenen Innovationskultur beizutragen.<br />

Der eigentliche Rahmen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung wird aus Workshops gebildet, welche<br />

meist an neutralen Orten mit e<strong>in</strong>er zielgerichteten Auswahl an Kun<strong>den</strong> durchgeführt<br />

wer<strong>den</strong>. Durch die überwiegende Betrachtung präkompetitiver Themen ist es möglich,<br />

auch konkurrierende Kun<strong>den</strong>unternehmen zu geme<strong>in</strong>samen Workshops e<strong>in</strong>zula<strong>den</strong>.<br />

Generell zeigen sich am Beg<strong>in</strong>n der Innovationsfrühphase Spitzen bezüglich<br />

der Häufigkeit derartiger Treffen. Viele Kun<strong>den</strong> nehmen daher nur e<strong>in</strong>mal bzw.<br />

wenige Male an Integrationsworkshops teil.<br />

Die Mitarbeiter des Creative Centers s<strong>in</strong>d sehr bemüht, Vertrauen als Grundlage e<strong>in</strong>er<br />

offenen Atmosphäre herzustellen. Als Zeichen dieser Offenheit wer<strong>den</strong> das<br />

Wissen und die Überlegungen von Bayer immer als erstes auf <strong>den</strong> Tisch gelegt. Es<br />

111


112 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

gel<strong>in</strong>gt dadurch, auch ohne detaillierte Vertraulichkeitsvere<strong>in</strong>barungen zu e<strong>in</strong>em Informationsaustausch<br />

zu gelangen, von dem beide Seiten profitieren. Vertrauen,<br />

Commitment und Gegenseitigkeit s<strong>in</strong>d die wichtigsten Beziehungsvariablen, welche<br />

<strong>in</strong> diesem Zusammenhang genannt wer<strong>den</strong>. Die Entwicklung klarer Ziele und<br />

das Controll<strong>in</strong>g spielen nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Kun<strong>den</strong><br />

erfolgt, angestossen durch das Creative Center, <strong>in</strong> Form von Kun<strong>den</strong>besuchen bzw.<br />

Workshops an neutralen Orten.<br />

Die Motivation der Kun<strong>den</strong>, sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> frühen <strong>Innovationsprozess</strong> zu <strong>in</strong>tegrieren,<br />

erfolgt durch die Schaffung e<strong>in</strong>er Situation <strong>in</strong> der beide Parteien profitieren. Pr<strong>in</strong>zipiell<br />

wird der Kunde durch Bekanntgabe von neuesten Trends und Technologien<br />

motiviert. Se<strong>in</strong> Nutzen liegt (vor allem bei <strong>den</strong> kle<strong>in</strong>eren Partnern) also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Ausweitung der eigenen Möglichkeiten durch <strong>den</strong> Partner Bayer. Dies gestaltet sich<br />

nicht immer problemlos. Da Bayer meistens nicht <strong>den</strong> nächstgelegenen Kun<strong>den</strong>,<br />

sondern oft <strong>den</strong> OEM <strong>in</strong>tegriert, s<strong>in</strong>d die Anreize für dessen Vertreter oft nicht direkt<br />

ersichtlich. So ist es beispielsweise nur schwer möglich, <strong>in</strong>teressante Vertreter<br />

e<strong>in</strong>es Automobilherstellers zu e<strong>in</strong>er längerfristigen Zusammenarbeit im oben beschriebenen<br />

S<strong>in</strong>ne zu gew<strong>in</strong>nen. Entschei<strong>den</strong>d ist die Auswahl der richtigen Personen<br />

beim Kun<strong>den</strong>, welche <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, ihren Nutzen zu erkennen und <strong>in</strong> ihren<br />

Unternehmen zu kommunizieren.<br />

Das Hauptziel der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> für das Creative Center ist die Abschätzung<br />

von Marktpotenzialen <strong>in</strong> Form von Roadmaps für Marktentwicklungen und Technologien.<br />

Es kommen daher nur die Kun<strong>den</strong> als Partner <strong>in</strong>frage, welche selbst Interesse<br />

und Kompetenz auf dem Gebiet der Entwicklung zukünftiger Szenarien aufweisen.<br />

Der Kunde muss e<strong>in</strong> Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmal (z. B. Fachkompetenz oder<br />

Marktstellung) aufweisen, welches ihm ermöglicht, e<strong>in</strong>en für Bayer wichtigen Beitrag<br />

zu leisten. E<strong>in</strong>e weitere wichtige Voraussetzung für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Integration<br />

ist die Fähigkeit <strong>in</strong> der „gleichen Sprache zu sprechen“. Der erwartete Kun<strong>den</strong>beitrag<br />

besteht für das Creative Center <strong>in</strong> Szenarien und Roadmaps zu vorher festgelegten<br />

Themen, welche mit <strong>den</strong> eigenen abgeglichen wer<strong>den</strong> können. Der Kunde<br />

muss also <strong>in</strong> der Regel Marktwissen <strong>in</strong> der Form von Trends und zukünftigen Entwicklungen<br />

rund um se<strong>in</strong> Produkt besitzen. Technologisches Wissen im S<strong>in</strong>ne von<br />

Polymerkompetenz wird bei der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> nicht erwartet. Zulieferer und<br />

kle<strong>in</strong>e Start-ups wer<strong>den</strong> bei solchen technischen Fragestellungen als externe Partner<br />

herangezogen.<br />

E<strong>in</strong>e Zusammenfassung dieser Analyse zeigt Abbildung 22.


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Hersteller<br />

Zulieferprodukt<br />

Position des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette<br />

Modulzulieferer<br />

Tier 1 Supplier<br />

Integration<br />

Integration<br />

Kunde<br />

Hersteller Endprodukt<br />

(=Kunde des Kun<strong>den</strong>)<br />

Strategische Grundlagen<br />

Absatzmittler<br />

(opt.)<br />

Hersteller Integrationsprozess Kunde<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit Strategie<br />

Bayer sieht sich als Technologieführer<br />

und Lösungsanbieter,<br />

der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e eigene Abteilung<br />

<strong>in</strong>vestiert, um die erste<br />

Adresse für neue Lösungen<br />

zu se<strong>in</strong>, eigene Technologieabteilung<br />

näher an <strong>den</strong><br />

Markt zu br<strong>in</strong>gen<br />

Organisatorische Ausformung<br />

Eigene Organisationse<strong>in</strong>heit<br />

unabhängig vom klassischen<br />

Market<strong>in</strong>g (unter Vorstand<br />

Market<strong>in</strong>g und Innovation)<br />

Das Creative Center ist e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äres Team (aus<br />

Chemikern, Physikern und<br />

Ingenieuren), welches direkten<br />

Kontakt zu <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong><br />

hat<br />

Rahmen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> besucht, zu<br />

Bayer oder an neutrale Orte zu<br />

Workshops e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong><br />

Durch die vorwettbewerbliche<br />

Betrachtung ist es möglich,<br />

auch konkurrierende Kun<strong>den</strong>unternehmen<br />

zu geme<strong>in</strong>samen<br />

Workshops e<strong>in</strong>zula<strong>den</strong><br />

Beziehungsvariablen<br />

Vertrauen und Gegenseitigkeit<br />

spielen wesentliche Rolle („gleiche<br />

Augenhöhe“ mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>)<br />

Nur durch Offenlegung des eigenen<br />

Wissensstandes kommt<br />

es zu e<strong>in</strong>er Öffnung aufseiten<br />

der Kun<strong>den</strong><br />

Zeitpunkt der Integration<br />

Am Beg<strong>in</strong>n der Frühphase (Gelegenheitsi<strong>den</strong>tifikationsphase)<br />

Ziele des Herstellers und erwarteter Kun<strong>den</strong>beitrag<br />

Abschätzung von Marktpotenzialen und Technologieentwicklungen<br />

Kunde muss Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmal (Fachkompetenz oder Marktstellung) aufweisen<br />

Endkunde<br />

Benutzer<br />

Kompetenz<br />

Auf Gelegenheiten ausgerichtetes<br />

Marktwissen<br />

113<br />

Motivation<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell wird der Kunde<br />

durch Bekanntgabe von<br />

neuen Trends und Technologien<br />

motiviert<br />

Auswahl der richtigen Personen<br />

beim Kun<strong>den</strong> entschei<strong>den</strong>d<br />

Der Kun<strong>den</strong>nutzen<br />

liegt (vor allem bei <strong>den</strong><br />

kle<strong>in</strong>eren Partnern) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Ausweitung der eigenen<br />

Möglichkeiten durch <strong>den</strong><br />

Partner Bayer<br />

Abbildung 22: Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

der Bayer MaterialScience


114 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

EADS Astrium<br />

Die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung wird bei Astrium <strong>in</strong> weiten Teilen der Strategie explizit angesprochen.<br />

Diese strategische Verankerung manifestiert sich unter anderem dar<strong>in</strong>,<br />

dass im gesamten Unternehmen besonderer Wert auf <strong>in</strong>tensive Kun<strong>den</strong>beziehungen<br />

gelegt wird und e<strong>in</strong> ausgeprägter bilateraler Informationsfluss mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> stattf<strong>in</strong>det.<br />

Dies zeigt sich auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Transparenz <strong>in</strong>terner Abläufe gegenüber <strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong>, beispielsweise bei der Übergabe von erhaltenen Aufträgen von <strong>den</strong> Bus<strong>in</strong>ess<br />

Development E<strong>in</strong>heiten zur Entwicklungsabteilung.<br />

Diese Bus<strong>in</strong>ess Development E<strong>in</strong>heiten bil<strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Bestandteil der organisatorischen<br />

Ausformung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> bei EADS Astrium. Aufträge wer<strong>den</strong><br />

durch sie geführt und zusammen mit der Vorentwicklung akquiriert. Daneben<br />

gibt es noch e<strong>in</strong> Key Account Management, welches Kun<strong>den</strong>betreuung im klassischen<br />

S<strong>in</strong>n betreibt. Durch die ger<strong>in</strong>ge Zahl an Kun<strong>den</strong> und die Grösse der Aufträge<br />

(bezüglich des Auftragsvolumens und der Laufzeit) gibt es ke<strong>in</strong>e herkömmliche<br />

Market<strong>in</strong>gorganisation. Die eigentliche operative Durchführung der Integration passiert<br />

durch die Entwicklungsabteilung im Zuge der geme<strong>in</strong>samen Def<strong>in</strong>ition der<br />

Produktspezifikation. Der organisatorischer Lernprozess wird sowohl auf persönlicher<br />

Ebene durch regelmässige Treffen (z. B. Bus<strong>in</strong>ess Development Meet<strong>in</strong>gs) als<br />

auch IT-basiert durch Wissensdatenbanken unterstützt. Dadurch wird sichergestellt,<br />

dass Erfahrungen aus vergangenen Projekten gerade auch bezüglich des jeweiligen<br />

Kun<strong>den</strong> aufgearbeitet und festgehalten wer<strong>den</strong>.<br />

Die Rahmen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung entspricht dem e<strong>in</strong>es regulären komplexen Entwicklungsprojektes.<br />

Die verwendeten Instrumente reichen dabei über Workshops und<br />

regelmässige Review-Treffen bis h<strong>in</strong> zu Job-Rotation und E<strong>in</strong>bezug der Mitarbeiter<br />

des Kun<strong>den</strong> als „Resi<strong>den</strong>ts“ vor Ort bei Astrium. Grundsätzlich besteht e<strong>in</strong>e enge<br />

Verzahnung mit <strong>den</strong> technologischen Abteilungen der Kun<strong>den</strong> im gesamten Verlauf<br />

e<strong>in</strong>es Projektes.<br />

Beziehungsvariablen <strong>in</strong> Form von Vertrauen und Commitment spielen e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Rolle. Durch die begrenzte Grösse des Marktes kennen sich viele Marktteilnehmer<br />

bereits persönlich und es gibt vielfältige Erfahrungen zwischen Auftraggebern<br />

und Auftragnehmern. Dadurch, sowie durch e<strong>in</strong>e weitgehende kulturelle Übere<strong>in</strong>stimmung,<br />

wird der Aufbau e<strong>in</strong>er Vertrauensbasis erleichtert.<br />

Bezüglich der Motivation der Kun<strong>den</strong>, also der generellen Bereitschaft der Kun<strong>den</strong>,<br />

am <strong>Innovationsprozess</strong> teilzunehmen, ist EADS Astrium <strong>in</strong> der angenehmen Lage,<br />

dass viele Kun<strong>den</strong> von selbst zu enger Interaktion motiviert s<strong>in</strong>d. Dies beruht auf


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

dem wissenschaftlichen Ehrgeiz und Forschungsdrang vieler Kun<strong>den</strong>mitarbeiter<br />

sowie der grossen Zahl kun<strong>den</strong>spezifischer Lösungen, welche viele komplexe Entscheidungen<br />

vom Kun<strong>den</strong> selbst erfordern. Die relative Grösse der Kun<strong>den</strong> ist ebenso<br />

wie das vorhan<strong>den</strong>e Wissen sehr unterschiedlich ausgeprägt. EADS Astrium<br />

erwartet aus F<strong>in</strong>anzierungsgrün<strong>den</strong> allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destgrösse des Kun<strong>den</strong>.<br />

In der Satellitenbranche ist es für <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> unumgänglich, ebenfalls Entwicklungs-Know-how<br />

zu besitzen. Dies mag unterschiedlich ausgeprägt se<strong>in</strong> und<br />

von <strong>den</strong> personellen wie auch f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen des Kun<strong>den</strong> abhängen. Jeder<br />

Kunde muss jedoch zum<strong>in</strong>dest im Stande se<strong>in</strong>, M<strong>in</strong>destanforderungen zu spezifizieren<br />

sowie deren E<strong>in</strong>haltung bei Abschluss des Projektes zu überprüfen. Vom Auftragnehmer<br />

wird die E<strong>in</strong>haltung der spezifizierten Funktionalität erwartet. Der erwartete<br />

Kun<strong>den</strong>beitrag der EADS Astrium ist also e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>imierung des Entwicklungsrisikos<br />

durch die Nutzung des Kun<strong>den</strong> als Quelle von Ideen und Anregungen<br />

sowie als Kontroll<strong>in</strong>stanz. Die Kompetenzen des Kun<strong>den</strong> müssen sich also für bestimmte<br />

Bereiche mit <strong>den</strong>en des Herstellers decken.<br />

Abbildung 23 fasst diese Kriterien für die EADS Astrium zusammen.<br />

115


116 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Position des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette<br />

Hersteller<br />

Endprodukt<br />

Integration<br />

Kunde<br />

Benutzer<br />

Strategische Grundlagen<br />

Hersteller Integrationsprozess Kunde<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit Strategie<br />

Die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ist <strong>in</strong><br />

weiten Teilen der Astrium-<br />

Strategie explizit verankert<br />

Im gesamten Unternehmen<br />

wird besonderer Wert auf <strong>in</strong>tensive<br />

Kun<strong>den</strong>beziehungen<br />

gelegt und es f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> ausgeprägter<br />

bilateraler Informationsfluss<br />

statt<br />

Organisatorische Ausformung<br />

Aufträge wer<strong>den</strong> geführt<br />

durch die Bus<strong>in</strong>ess Development<br />

E<strong>in</strong>heiten und zusammen<br />

mit der Vorentwicklung<br />

akquiriert<br />

Durch die ger<strong>in</strong>ge Zahl an<br />

Kun<strong>den</strong> und die Grösse der<br />

Aufträge (Auftragsvolumen<br />

und Laufzeit) gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

klassische Market<strong>in</strong>gorganisation<br />

Rahmen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

Es besteht e<strong>in</strong>e enge Verzahnung<br />

mit <strong>den</strong> technologischen<br />

Abteilungen der Kun<strong>den</strong><br />

Beziehungsvariablen<br />

Durch die Beschränktheit des<br />

Marktes spielt persönliche Bekanntheit<br />

e<strong>in</strong>e grosse Rolle<br />

Die kulturelle Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

im engen Satellitenmarkt ist wesentlich<br />

für <strong>den</strong> Aufbau e<strong>in</strong>er<br />

Vertrauensbasis<br />

Zeitpunkt der Integration<br />

Ab der Ideengenerierungsphase über <strong>den</strong> gesamten Verlauf des frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

Ziel des Herstellers und erwarteter Kun<strong>den</strong>beitrag<br />

M<strong>in</strong>imierung des Entwicklungsrisikos<br />

Kun<strong>den</strong> als Quelle von Ideen und Anregungen sowie als Kontroll<strong>in</strong>stanz<br />

Kompetenz<br />

Technisches Fachwissen auf<br />

dem Gebiet der Kernkompetenz<br />

des Herstellers<br />

Motivation<br />

Kun<strong>den</strong> von selbst durch<br />

wissenschaftlichen Ehrgeiz<br />

und Forschungsdrang zu<br />

enger Interaktion motiviert<br />

Die grosse Expertise der<br />

Kun<strong>den</strong> führt dazu, dass sie<br />

teilweise zu viel E<strong>in</strong>fluss auf<br />

<strong>den</strong> Entwicklungsprozess<br />

nehmen wollen<br />

Abbildung 23: Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der EADS Astrium


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Hilti Diamond Systems<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell legt Hilti für ihre Kernprodukte grossen Wert auf die eigene Entwicklung<br />

der Technologien von <strong>den</strong> ersten Grundlagenforschungen bis h<strong>in</strong> zum fertigen<br />

Produkt. Diese starke Autonomie auf technischer Seite wird durch e<strong>in</strong>e aussergewöhnlich<br />

hohe Marktorientierung ergänzt. Diese manifestiert sich am deutlichsten<br />

<strong>in</strong> der Aufbauorganisation mit starken Marktorganisationen und e<strong>in</strong>em ausschliesslichen<br />

Fokus auf das eigene Vertriebsnetz. Diese starke Kun<strong>den</strong>orientierung zeigt<br />

sich auch <strong>in</strong> der strategischen Verankerung des Kun<strong>den</strong> als e<strong>in</strong>er von drei Kernbauste<strong>in</strong>en<br />

der Hilti Strategie. Dadurch wird die Basis für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Integration<br />

gelegt.<br />

Auf der operativen Ebene ist Hilti bestrebt, <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> während des gesamten <strong>Innovationsprozess</strong>es,<br />

speziell <strong>in</strong> der Frühphase desselben, aktiv e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>den</strong>. Die organisatorische<br />

Ausformung erfolgt ihm Rahmen e<strong>in</strong>es def<strong>in</strong>ierten Prozesses, <strong>in</strong> welchem<br />

e<strong>in</strong>e Reihe von Metho<strong>den</strong> zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> enthalten s<strong>in</strong>d. Dazu wer<strong>den</strong><br />

im Bereich der Diamond Systems die Kun<strong>den</strong> pr<strong>in</strong>zipiell <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Profi-Segment und<br />

e<strong>in</strong>en Ma<strong>in</strong>stream-Markt e<strong>in</strong>geteilt. Der Erstkontakt zum Profikun<strong>den</strong> erfolgt dabei<br />

über die Betreuer im neu geschaffenen Trade Diamond Service Contractors.<br />

Forschungsprojekte wer<strong>den</strong>, basierend auf Bedürfnissen der Kun<strong>den</strong>, <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Forschung gestartet und vorangetrieben. Im weiteren Verlauf des Prozesses wird die<br />

Rolle der Kun<strong>den</strong> wieder besonders relevant, sobald erste Anschauungsmodelle<br />

vorhan<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. Ab diesem Zeitpunkt kommt es zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiven Interaktion mit<br />

ausgewählten Kun<strong>den</strong>. Der Rahmen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung wird dabei durch Fokusgruppen,<br />

Lead-User-Workshops und Customer Acceptance Tests festgelegt, welche die<br />

Def<strong>in</strong>itions- und Konzeptphase der eigentlichen Produktentwicklung begleiten. Im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>es erweiterten Servicegedankens wird die Integration auch durch die<br />

Schaffung von speziellen Partnerschaftsniveaus und damit verbun<strong>den</strong>en Aktivitäten<br />

unterstützt. Die Auswahl der Kun<strong>den</strong> erfolgt dabei e<strong>in</strong>erseits nach deren Kompetenzen<br />

und andererseits basierend auf der Stufe der Partnerschaft, auf welcher sich der<br />

jeweilige Kunde bef<strong>in</strong>det. Als Lead-User im S<strong>in</strong>ne der Überprüfung der Value Proposition<br />

e<strong>in</strong>es neuen Konzeptes kommen beispielsweise nur Kun<strong>den</strong> aus der höchsten<br />

Partnerschaftsstufe, so genannte Top-Partner <strong>in</strong>frage. Diese zeichnen sich neben<br />

ihrer Innovativität auch durch e<strong>in</strong>en hohen Umsatzanteil mit Hilti-Produkten und<br />

e<strong>in</strong>e hohe Loyalität aus.<br />

Generell legt Hilti viel Wert auf langfristige Beziehungen mit ihren ausgewählten<br />

Partnern. Der Grundstock dafür wird durch e<strong>in</strong> deutliches Commitment, e<strong>in</strong>e ausgereifte<br />

organisatorische Verankerung und professionelle Prozesse gelegt. Auch spielen<br />

die Beziehungsvariablen Vertrauen und Gegenseitigkeit wesentliche Rollen.<br />

117


118 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Die Motivation der Kun<strong>den</strong> erfolgt durch die Erarbeitung e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Problemlösung,<br />

zu welcher sich Hilti als kompetenter Partner anbietet. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

bietet die Mitgliedschaft im Top-Partner-Club auch noch soziale Vorteile beispielsweise<br />

erhöhtes Prestige und die Möglichkeit <strong>in</strong>tensiver persönlicher Interaktion.<br />

E<strong>in</strong>e Zusammenfassung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Hilti Diamond Systems<br />

aus dem Blickw<strong>in</strong>kel dieser Kriterien zeigt Abbildung 24.


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Position des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette<br />

Hersteller<br />

Endprodukt<br />

Integration<br />

Integration<br />

Kunde<br />

Benutzer<br />

Strategische Grundlagen<br />

Hersteller Integrationsprozess Kunde<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit Strategie<br />

Kun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e der drei<br />

zentralen Säulen der Strategie<br />

Spezielle Kun<strong>den</strong>orientierung<br />

auch durch <strong>den</strong> Direktvertrieb<br />

bed<strong>in</strong>gt<br />

Organisatorische Ausformung<br />

Erstkontakt zum Profikun<strong>den</strong><br />

erfolgt dabei über die Betreuer<br />

im neu geschaffenen<br />

Trade Diamond Service<br />

Contractors (Teil der Marktorganisation)<br />

Ke<strong>in</strong>e spezielle Abteilung zur<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> etabliert<br />

Rahmen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> im Rahmen von<br />

Realisierungsprojekten durch<br />

Fokusgruppen, Lead-User-<br />

Workshops und Customer Acceptance<br />

Tests e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong><br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>es erweiterten<br />

Servicegedankens auch durch<br />

die Schaffung von speziellen<br />

Partnerschaftsniveaus und damit<br />

verbun<strong>den</strong>en Aktivitäten<br />

Beziehungsvariablen<br />

Grosses Interesse an langfristigen<br />

Partnerschaften mit <strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong>; es wird daher Commitment<br />

gezeigt und versucht,<br />

Vertrauen aufzubauen<br />

Zeitpunkt der Integration<br />

119<br />

Kompetenz<br />

Anwendungsorientiertes<br />

Marktwissen<br />

Motivation<br />

Primär durch die geme<strong>in</strong>same<br />

Erarbeitung von Problemlösungen;<br />

der Kunde<br />

sucht e<strong>in</strong>en kompetenten<br />

Partner, welcher se<strong>in</strong> Problem<br />

löst<br />

Zusätzlich wer<strong>den</strong> durch<br />

verschie<strong>den</strong>e genau def<strong>in</strong>ierte<br />

Stufen der Zusammenarbeit<br />

Möglichkeiten geboten,<br />

exklusiven Gruppen anzugehören<br />

und dadurch spezielle<br />

Vorteile zu geniessen<br />

Ende der Frühphase tlw. Überschneidung mit dem Beg<strong>in</strong>n des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses<br />

Ziel des Herstellers und erwarteter Kun<strong>den</strong>beitrag<br />

Optimierung von Konzepten<br />

Kun<strong>den</strong> müssen <strong>in</strong>novativ und an Lösung <strong>in</strong>teressiert se<strong>in</strong><br />

Abbildung 24: Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

der Hilti Diamond Systems


120 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Zumtobel Staff<br />

Zumtobel Staff <strong>in</strong>tegriert systematisch im Rahmen von Sonderprojekten Architekten<br />

und Lichtplaner als fachmännische Vertreter der eigentlichen Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>. Diese Integration ist e<strong>in</strong>e Ausdruck der Offenheit des Unternehmens,<br />

welche auf e<strong>in</strong>er offenen <strong>in</strong>novationsfreundlichen Firmenkultur sowie e<strong>in</strong>er<br />

entsprechen<strong>den</strong> strategischen Verankerung basiert.<br />

Mit der Gruppe Strategic Partner Development gibt es spezielle Betreuer <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Organisation der Zumtobel Staff, welche die Integration der strategischen Partner<br />

operativ umsetzen. Diese Spezialisten beraten und <strong>in</strong>formieren die Partner e<strong>in</strong>erseits<br />

durch die Bereitstellung von speziellen Unterlagen, primär aber durch persönliche<br />

Gespräche und Besuche. Diese organisatorische Ausformung wurde zusätzlich<br />

zum traditionellen Market<strong>in</strong>g und Key Account Management geschaffen.<br />

Grundsätzlich wer<strong>den</strong> aber alle Projekte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Team aus Vertretern<br />

von F&E, Market<strong>in</strong>g und Produktion abgewickelt.<br />

Den Rahmen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung bil<strong>den</strong> so genannte Sonderprojekte. Deren Ziel ist es,<br />

partnerschaftlich Speziallösungen zu entwickeln, welche zunächst als Sonderprodukte<br />

umgesetzt und im Idealfall später zu <strong>in</strong>novativen Standardprodukten umgewandelt<br />

wer<strong>den</strong> können. Die Integration der Kun<strong>den</strong> stellt <strong>in</strong> Form des Starts geme<strong>in</strong>samer<br />

Projekte gleichzeitig <strong>den</strong> Beg<strong>in</strong>n des <strong>Innovationsprozess</strong>es dar. Sie verläuft<br />

über <strong>den</strong> gesamten Prozess und endet erst, wenn das Sonderprodukt entwickelt<br />

und verkauft wurde bzw. nach der Umwandlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Standardprodukt. Die Auswahl<br />

der Partner erfolgt basierend auf ihrer <strong>in</strong>novativen Grundhaltung, fachlichen<br />

Qualifikation und Fähigkeit, sich im Rahmen e<strong>in</strong>es Bauprojektes mit ihren Ideen<br />

durchzusetzen.<br />

Das Ziel der Zumtobel Staff ist es, langfristige Partnerschaften mit <strong>in</strong>novativen<br />

Partnern zu erreichen. Dabei spielt der Aufbau e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Vertrauensbasis<br />

sowie e<strong>in</strong> gegenseitiges Commitment e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. Die Basis für diese<br />

Beziehungsvariablen bildet der beidseitige Nutzen, als Manifestation der Gegenseitigkeit.<br />

Die Motivation der Kun<strong>den</strong> liegt <strong>in</strong> der Möglichkeit, im Rahmen der Integration mit<br />

e<strong>in</strong>em angesehenen Spezialisten <strong>in</strong>dividuelle Sonderlösungen realisieren zu können.<br />

Der von Zumtobel Staff erwartete Kun<strong>den</strong>beitrag ist neben der fachlichen Qualifikation<br />

des Partners auch se<strong>in</strong>e Fähigkeit, e<strong>in</strong>e Lösung im Bauprojekt durchsetzen zu<br />

können.


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Es kann nur dann zu e<strong>in</strong>er nachhaltigen Verstärkung der Innovationsfähigkeit<br />

kommen, wenn die geme<strong>in</strong>sam entwickelten <strong>in</strong>novativen Produkte auch realisiert<br />

wer<strong>den</strong> und zum wirtschaftlichen Erfolg führen.<br />

Abbildung 25 fasst diese Punkte zusammen.<br />

Hersteller<br />

Endprodukt<br />

Position des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette<br />

Integration<br />

Architekt<br />

Lichtplaner<br />

Strategische Grundlagen<br />

Endkunde<br />

Bauträger<br />

Benutzer<br />

Hersteller Integrationsprozess Kunde<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit Strategie<br />

Die Offenheit nach aussen<br />

und Integration von speziellen<br />

Kun<strong>den</strong> durch die Kultur<br />

der Eigentümerfamilie an<br />

höchster Stelle verankert<br />

Organisatorische Ausformung<br />

Strategic Partner Development<br />

Gruppe zusätzlich zum<br />

traditionellen Market<strong>in</strong>g und<br />

dem Key Account Management<br />

mit <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

betraut<br />

Alle Projekte wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Team<br />

aus Vertretern von F&E,<br />

Market<strong>in</strong>g und Produktion<br />

abgewickelt<br />

In der Ideengenerierungsphase<br />

Rahmen der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> im Rahmen von<br />

Sonderprojekten e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong><br />

Aufgrund der Machtverhältnisse<br />

erfolgt die Betreuung durch<br />

Strategic Partner Development<br />

auch an Bürostandorten prom<strong>in</strong>enter<br />

Kun<strong>den</strong><br />

Beziehungsvariablen<br />

Ziel s<strong>in</strong>d langfristige auf Vertrauen<br />

basierte Beziehungen<br />

Das Commitment beider Seiten<br />

muss gegeben se<strong>in</strong>; Gegenseitigkeit<br />

gibt es <strong>in</strong> der Baubranche<br />

allerd<strong>in</strong>gs sehr selten<br />

Zeitpunkt der Integration<br />

Ziel des Herstellers und erwarteter Kun<strong>den</strong>beitrag<br />

121<br />

Kompetenz<br />

Technisches Fachwissen auf<br />

e<strong>in</strong>em die Kompetenz des<br />

Herstellers ergänzen<strong>den</strong><br />

Feld<br />

Motivation<br />

Kreative Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong><br />

durch die Möglichkeit motiviert,<br />

ihre eigenen Kreationen<br />

mit e<strong>in</strong>em kompetenten<br />

Partner umsetzen zu können<br />

Für Kun<strong>den</strong> mit Installationskompetenz<br />

wer<strong>den</strong> auch<br />

Sachspen<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gesetzt<br />

Realisierung geme<strong>in</strong>samer Innovationsprojekte<br />

Partner muss neben der fachlichen Qualifikation auch Durchsetzungsvermögen für <strong>in</strong>novative Lösungen mitbr<strong>in</strong>gen<br />

Abbildung 25: Charakteristika der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Zumtobel Staff


122 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

4.1.2 Determ<strong>in</strong>anten und Gestaltungsfelder<br />

Die detailliertere vergleichende Betrachtung der Daten anhand der als wesentlich<br />

i<strong>den</strong>tifizierten Kriterien ermöglicht nun, im S<strong>in</strong>ne generell auftretender Merkmale,<br />

die Ableitung der relevanten Determ<strong>in</strong>anten und Gestaltungsfelder der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

Determ<strong>in</strong>anten<br />

Vergleicht man die fokussierten Analysen der Fallstudien des vorherigen Abschnittes<br />

so lässt sich zunächst bezüglich der Rahmenbed<strong>in</strong>gungen feststellen, dass die<br />

Position des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette ke<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf<br />

die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> aufweist. Die vorhan<strong>den</strong>en Unterschiede bezüglich der<br />

Distanz und der Beziehung zwischen <strong>den</strong> Unternehmen und ihren <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong><br />

wirkt sich nicht entschei<strong>den</strong>d auf Gestaltung, Ablauf und Management der Integration<br />

aus. E<strong>in</strong> derartiger E<strong>in</strong>fluss ist allerd<strong>in</strong>gs bei <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> anderen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

feststellbar. Dabei zeigt sich für <strong>den</strong> Zeitpunkt der Integration folgendes<br />

Bild. Die Integration der Kun<strong>den</strong> erfolgt bei Bayer MaterialScience ganz am<br />

Beg<strong>in</strong>n der Frühphase bzw. des <strong>Innovationsprozess</strong>es. Das Creative Center strebt<br />

geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> Szenarien und Roadmaps für zukünftige Entwicklungen<br />

an. Zu diesem Zeitpunkt liegen noch ke<strong>in</strong>e konkreten Produktideen bzw. Konzepte<br />

vor. Es wer<strong>den</strong> vielmehr geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> neue Geschäftschancen<br />

gesucht und deren zukünftige Entwicklung abgeschätzt. EADS<br />

Astrium beg<strong>in</strong>nt mit der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> erst im nächsten Schritt der Innovationsfrühphase,<br />

der Ideengenerierungsphase. In dieser Phase ist im Zuge e<strong>in</strong>er<br />

geme<strong>in</strong>samen Entwicklung der genauen Spezifikations<strong>in</strong>halte die Intensität der Integration<br />

am höchsten, auch wenn diese über <strong>den</strong> gesamten Verlauf des frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

anhält. Auch bei Zumtobel Staff zeigt sich die engste Zusammenarbeit<br />

während der Phase der Ideenentstehung. Da dort pr<strong>in</strong>zipiell langfristige<br />

Partnerschaften angestrebt wer<strong>den</strong>, besteht oft schon vor dem eigentlichen Innovationsprojekt<br />

Kontakt zwischen Hersteller und Partnern, doch die relevante Interaktion<br />

passiert, wenn es um das F<strong>in</strong><strong>den</strong> und Verfe<strong>in</strong>ern von Ideen geht. Die Konzepte,<br />

welche aus <strong>den</strong> Ideen entwickelt wer<strong>den</strong>, stehen bei Hilti Diamond Systems im Mittelpunkt<br />

der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Am Ende der Frühphase wer<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>,<br />

um bestehende Konzepte zu beurteilen und an deren Auswahl und Verbesserung<br />

mitzuwirken. Dabei kommt es teilweise zu e<strong>in</strong>er Überschneidung mit dem<br />

Beg<strong>in</strong>n des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses.<br />

E<strong>in</strong>e ähnliche Differenzierung zeigt sich auch bei <strong>den</strong> mit der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

verbun<strong>den</strong>en Zielen des Herstellers und <strong>den</strong> erwarteten Kun<strong>den</strong>beiträgen


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

bzw. der eng damit verknüpften notwendigen Kompetenz des Kun<strong>den</strong>. Bayer MaterialScience<br />

erwartet sich von der Integration e<strong>in</strong> besseres Verständnis der Marktentwicklungen<br />

und -potenziale. Im Dialog mit <strong>den</strong> <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> sollen Szenarien<br />

abgestimmt und darauf aufbauend Roadmaps mit möglichst realistischen<br />

Time-to-Market-Schätzungen entwickelt wer<strong>den</strong>. Zusammenfassend formuliert liegt<br />

das Ziel also <strong>in</strong> der I<strong>den</strong>tifikation von Trends sowie deren Ausarbeitung und Aufbereitung.<br />

Als wesentliche Eigenschaft muss e<strong>in</strong> potenzieller Integrationspartner e<strong>in</strong><br />

Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmal, welches <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Fachkompetenz oder Marktstellung begründet<br />

se<strong>in</strong> kann, aufweisen. Der gewünschte Kun<strong>den</strong>beitrag ergibt sich dann aus<br />

der Umsetzung dieser Eigenschaft <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er konstruktiven Teilnahme am Innovationsprojekt.<br />

Für Hilti Diamond Systems müssen die ausgewählten Kun<strong>den</strong> vor<br />

allem selbst <strong>in</strong>novativ bzw. an Innovationen <strong>in</strong>teressiert se<strong>in</strong>. Dadurch spielen sie<br />

oft e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle am Markt und s<strong>in</strong>d an kompetenten Lösungen ihrer, <strong>in</strong> vielen<br />

Fällen neuartigen, Probleme <strong>in</strong>teressiert. Hiltis Ziel ist es, <strong>in</strong> <strong>in</strong>ter<strong>aktive</strong>n<br />

Workshops Informationen bezüglich der Verbesserung von selektierten Produktkonzepten<br />

zu erhalten, also e<strong>in</strong>e Auswahl und Konzeptverfe<strong>in</strong>erung zu erreichen.<br />

Zumtobel Staff geht noch e<strong>in</strong>en Schritt weiter. Ziel der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> dort ist<br />

es, geme<strong>in</strong>sam mit dem Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong>novative Sonderprodukte zu entwickeln, welche<br />

Zumtobel alle<strong>in</strong>e nicht realisieren könnte. Dazu bedarf es e<strong>in</strong>er komplementären<br />

Kompetenz des Kun<strong>den</strong>, welche im Bereich des Designs bzw. der Lichtplanung<br />

liegt. Zusätzlich ist neben der fachlichen Qualifikation des Partners auch entschei<strong>den</strong>d,<br />

dass dieser die Fähigkeit mitbr<strong>in</strong>gt, die geme<strong>in</strong>same Lösung im Bauprojekt<br />

durchzusetzen. Für EADS Astrium liegt das primäre Ziel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>imierung des<br />

Entwicklungsrisikos. Durch die geme<strong>in</strong>same Erarbeitung e<strong>in</strong>er detaillierten Spezifikation<br />

leistet der Kunde e<strong>in</strong>en wertvollen Beitrag als Quelle von Ideen und Anregungen<br />

sowie als Kontroll<strong>in</strong>stanz. Dies ist nur möglich, da der Kunde über e<strong>in</strong> ähnliches<br />

Kompetenzprofil wie Astrium selbst verfügt.<br />

Man kann also die Erfüllung der Ziele, welche der Hersteller an die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

knüpft, auf die Kompetenz des Kun<strong>den</strong> – grundsätzlich e<strong>in</strong>zuteilen <strong>in</strong><br />

Marktwissen und technisches Wissen – beziehen. Nur wenn der Kunde mit dem geeigneten<br />

Kompetenzprofil ausgestattet ist, kann er <strong>den</strong> gewünschten Beitrag erbr<strong>in</strong>gen<br />

und dadurch zur Erfüllung der Herstellerziele beitragen. Diese Kompetenz des<br />

Kun<strong>den</strong> stellt gleichzeitig e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>flussfaktor auf die Gestaltung und<br />

Durchführung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> dar.<br />

123


124 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Die zentralen Unterschiede der untersuchten Fälle zur frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

liegen demnach im Zeitpunkt der Integration <strong>in</strong> die Innovationsfrühphase und der<br />

Kompetenz der <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> bzw. dem jeweils angestrebten Ziel der Hersteller.<br />

Tabelle 3 fasst diese Unterschiede zusammen.<br />

Unternehmen<br />

Bayer<br />

Material<br />

Science<br />

EADS<br />

Astrium<br />

Hilti Diamond<br />

Systems<br />

Zumtobel<br />

Staff<br />

Zeitpunkt der Integration<br />

Herstellerziel/erwarteter<br />

Kun<strong>den</strong>beitrag<br />

Am Beg<strong>in</strong>n der Frühphase Abschätzung von Marktpotenzialen<br />

und Technologieentwicklungen<br />

Ab der Ideengenerierungsphase<br />

über <strong>den</strong> gesamten<br />

Verlauf des frühen<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

Ende der Frühphase tlw.<br />

Überschneidung mit dem<br />

Beg<strong>in</strong>n des eigentlichen<br />

Produktentwicklungsprozesses<br />

In der Ideengenerierungsphase<br />

Kunde muss Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmal(Fachkompetenz<br />

oder Marktstellung)<br />

aufweisen<br />

M<strong>in</strong>imierung des Entwicklungsrisikos<br />

Kun<strong>den</strong> als Quelle von Ideen<br />

und Anregungen sowie<br />

als Kontroll<strong>in</strong>stanz<br />

Optimierung von Konzepten<br />

Kun<strong>den</strong> müssen <strong>in</strong>novativ<br />

und an Lösung <strong>in</strong>teressiert<br />

se<strong>in</strong><br />

Realisierung geme<strong>in</strong>samer<br />

Innovationsprojekte<br />

Partner muss neben der<br />

fachlichen Qualifikation<br />

Durchsetzungsvermögen<br />

für <strong>in</strong>novative Lösungen<br />

mitbr<strong>in</strong>gen<br />

Kompetenz des Kun<strong>den</strong><br />

Auf Gelegenheiten ausgerichtetes<br />

Marktwissen<br />

Technisches Fachwissen<br />

auf dem Gebiet der Kernkompetenz<br />

des Herstellers<br />

Anwendungsorientiertes<br />

Marktwissen<br />

Technisches Fachwissen<br />

auf e<strong>in</strong>em die Kompetenz<br />

des Herstellers ergänzen<strong>den</strong><br />

Feld<br />

Tabelle 3: Zentrale Unterschiede der Fokussierung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> betrachteten Fallstudien


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Der Vergleich der Fallstudien liefert also zunächst zwei Determ<strong>in</strong>anten, welche die<br />

Ausprägung früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> bestimmen. Es s<strong>in</strong>d dies der Zeitpunkt der<br />

Integration <strong>in</strong> die Innovationsfrühphase sowie die spezielle Kompetenz des Kun<strong>den</strong><br />

(vgl. Abb. 26). Die Charakteristika und Ausprägungen dieser Determ<strong>in</strong>anten wer<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> Abschnitt 5.1.3 näher beschrieben und als Basis e<strong>in</strong>er Typologie spezifischer<br />

Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> verwendet.<br />

Je nach Integrationszeitpunkt und Kompetenz des Kun<strong>den</strong> zeigen sich bei <strong>den</strong> untersuchten<br />

Unternehmen unterschiedliche Gestaltungen und Abläufe der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Die h<strong>in</strong>ter diesen Ausprägungen liegen<strong>den</strong> Gestaltungsfelder<br />

wer<strong>den</strong> im Folgen<strong>den</strong> näher betrachtet.<br />

Zeitpunkt der Integration<br />

Gelegenheitsphase Ideenphase Konzeptphase<br />

Technisches Wissen Kompetenz des Kun<strong>den</strong> Marktwissen<br />

Abbildung 26: Determ<strong>in</strong>anten der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> als Ergebnis der Fallstudienanalyse<br />

Aus e<strong>in</strong>er zusammenfassen<strong>den</strong> Betrachtung der strategischen Grundlagen der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> vier betrachteten Unternehmen wer<strong>den</strong> nun Gestaltungsfelder<br />

i<strong>den</strong>tifiziert. Diese s<strong>in</strong>d im S<strong>in</strong>ne von Dimensionen des Konstruktes der<br />

frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu verstehen. Dieser Schritt e<strong>in</strong>er Strukturierung<br />

e<strong>in</strong>es Konstruktes durch die Erarbeitung der relevanten Dimensionen wird von<br />

Homburg als Konzeptualisierung bezeichnet, während die Operationalisierung die<br />

darauf aufbauende Entwicklung e<strong>in</strong>es Mess<strong>in</strong>struments me<strong>in</strong>t (Homburg 2000).<br />

Diese Dimensionen s<strong>in</strong>d ihrerseits wieder aus Faktoren aufgebaut. Im Rahmen der<br />

vorliegen<strong>den</strong> Arbeit wer<strong>den</strong> diese Faktoren Gestaltungsfaktoren genannt und die<br />

übergeordneten Dimensionen entsprechend Gestaltungsfelder. Die folgende Herleitung<br />

der relevanten Gestaltungsfelder stellt also <strong>den</strong> ersten Schritt der Konzeptualisierung<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> dar.<br />

125


126 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Gestaltungsfelder<br />

E<strong>in</strong> Vergleich der Fälle ergibt e<strong>in</strong>e Reihe von Geme<strong>in</strong>samkeiten h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

E<strong>in</strong>bettung, der Gestaltung und des Ablaufs der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Dabei<br />

lässt sich zunächst e<strong>in</strong>e Unterteilung <strong>in</strong> übergeordnete und operative Gestaltungsfelder<br />

treffen. Die übergeordnete Ebene bildet <strong>den</strong> unternehmerischen Rahmen, <strong>in</strong><br />

welchen die operative Integration e<strong>in</strong>gebettet ist.<br />

Unternehmerischer Rahmen<br />

E<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>samkeit aller untersuchten Unternehmen ist der Umstand, dass der<br />

Grundgedanke e<strong>in</strong>er Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es bereits auf höchstem Niveau<br />

<strong>in</strong> der Strategie verankert ist. Ausgehend von e<strong>in</strong>er derartigen Leitl<strong>in</strong>ie wer<strong>den</strong><br />

die e<strong>in</strong>zelnen strategischen Vorgaben und Ziele der Divisionen, Abteilungen und<br />

Gruppen geformt. Nur wenn die Integrationsaktivitäten <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit<br />

derartigen strategischen Vorgaben ablaufen, können sie nachhaltig betrieben wer<strong>den</strong><br />

und zum Erfolg führen. Das erste übergreifende Gestaltungsfeld ist daher die<br />

übergeordnete Strategie.<br />

Untrennbar mit e<strong>in</strong>er strategischen Ausrichtung ist e<strong>in</strong>e passende Kultur verbun<strong>den</strong>.<br />

Auch im Fall der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> konnte dies e<strong>in</strong>drucksvoll gezeigt wer<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e offene Innovationskultur ist e<strong>in</strong>e absolut notwendige Voraussetzung für<br />

<strong>den</strong> Erfolg. Es bedarf e<strong>in</strong>es Klimas, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> kreativer Austausch <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Abteilungen sowie über Unternehmensgrenzen h<strong>in</strong>weg (<strong>in</strong>tra- und <strong>in</strong>terorganisational)<br />

möglich ist. Dieser Dialog muss vom obersten Management vorgelebt und gefördert<br />

wer<strong>den</strong>. Kultur bildet daher die zweite Säule des unternehmerischen Rahmens.<br />

Der dritte übergeordnete Aspekt ist e<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipielle strukturelle Verankerung der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> der Organisation des Herstellers. Die Analyse der Fälle<br />

hat dazu verschie<strong>den</strong>e Möglichkeiten aufgezeigt, welche sich alle durch e<strong>in</strong>deutige<br />

Verantwortlichkeiten und entsprechende Ressourcenausstattung auszeichnen. E<strong>in</strong>e<br />

derartige übergeordnete Struktur schliesst <strong>den</strong> notwendigen Rahmen für die operative<br />

Gestaltung ab.<br />

Operative Gestaltungsfelder<br />

Auf der operativen Ebene lassen sich die Erkenntnisse des Fallstudienvergleiches <strong>in</strong><br />

zwei Gruppen e<strong>in</strong>teilen. Zunächst zeigen e<strong>in</strong>ige Kriterien die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er<br />

operativen Strukturierung der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Primär durch <strong>den</strong> Rahmen der<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung, aber auch durch Faktoren der organisatorischen Ausformung wird


CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

festgelegt, wie oft, welche Kun<strong>den</strong>, wo und mit welcher Intensität <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong>.<br />

Die Fälle haben also gezeigt, dass für die operative Gestaltung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

die Integration strukturell an die jeweiligen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen sowie<br />

die Intentionen des Herstellers angepasst wer<strong>den</strong> muss. Diese Integrationsstruktur<br />

bildet das erste operative Gestaltungsfeld.<br />

Der zweite Gestaltungsschwerpunkt, welcher sich aus <strong>den</strong> Fällen herauskristallisiert<br />

hat, liegt <strong>in</strong> der operativen Durchführung des eigentlichen Integrationsprozesses.<br />

Dieses Feld deckt <strong>in</strong> Ergänzung zu <strong>den</strong> strukturellen Elementen Aspekte der kulturellen<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung, der Kommunikation und der Beziehungsvariablen ab.<br />

Aufbauend auf e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Vertrauensbasis spielen dabei das beidseitige<br />

Commitment und die Gegenseitigkeit des Nutzens durch die Integration wesentliche<br />

Rollen. Dabei hat sich die Motivation der Kun<strong>den</strong> als e<strong>in</strong> entschei<strong>den</strong>des Element<br />

herausgestellt. Als Ergebnis dieses Interaktionsprozesses wird schliesslich – als<br />

Kernpunkt der Integration – neues Wissen generiert.<br />

Diese fünf i<strong>den</strong>tifizierten Gestaltungsfelder der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

Abbildung 27 dargestellt.<br />

Unternehmerischer<br />

Rahmen<br />

Operative<br />

Gestaltungsfelder<br />

Strategie<br />

Kultur<br />

Struktur<br />

Integrationsstruktur Interaktionsprozess<br />

Abbildung 27: Gestaltungsfelder als Ergebnis der Fallstudienanalyse<br />

Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, dem Fokus dieser Arbeit entsprechend, die bei<strong>den</strong> operativen<br />

Gestaltungsfelder weiter vertieft, <strong>in</strong>dem für sie entsprechende Gestaltungsfaktoren<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> i<strong>den</strong>tifiziert bzw. entwickelt wer<strong>den</strong>. Der unternehmerische<br />

Rahmen wird im Zuge der Aufstellung der Gestaltungsempfehlungen<br />

<strong>in</strong> Abschnitt 6.3 wieder aufgegriffen.<br />

127


128 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

In diesem Abschnitt soll zum tieferen Verständnis der Ausgestaltung der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>e genaue Analyse der relevanten operativen Gestaltungsfelder<br />

Integrationsstruktur und Interaktionsprozess durchgeführt wer<strong>den</strong>. Dazu wer<strong>den</strong> die<br />

wichtigsten h<strong>in</strong>ter <strong>den</strong> E<strong>in</strong>flussfeldern liegen<strong>den</strong> Theorien und Forschungsfelder herangezogen<br />

und relevante Gestaltungsfaktoren i<strong>den</strong>tifiziert.<br />

In der umfangreichen und vielfältigen Literatur über Organisationslehre, Theorien<br />

der Firma sowie Management- und Innovationsforschung (z. B. Galbraith 1973;<br />

Miller 1993; Sanchez, Mahoney 1996; Daft 2001) wur<strong>den</strong> bereits Gestaltungselemente<br />

zur Unterstützung von Innovation <strong>in</strong> Unternehmen beschrieben. Dabei handelt<br />

es sich beispielsweise um Elemente der Organisationskultur, spezielle <strong>in</strong>novationsfördernde<br />

Rollen, aber auch die Art der <strong>in</strong>tra- und <strong>in</strong>terorganisationalen Verb<strong>in</strong>dungen<br />

und die Natur von Incentivesystemen. Diese Ansätze passen sehr gut zu <strong>den</strong><br />

i<strong>den</strong>tifizierten Gestaltungsfeldern der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>: Das Feld der Integrationsstruktur<br />

(struktureller Aspekt) behandelt die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des ausgewählten<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> die <strong>in</strong>ternen Teamstrukturen und Abläufe des Herstellers. Es wird<br />

gezeigt, dass verschie<strong>den</strong>e Kun<strong>den</strong>rollen verschie<strong>den</strong>e Arten der Anb<strong>in</strong>dung des<br />

Kun<strong>den</strong> und damit unterschiedliche Typen von Integrations- und Koord<strong>in</strong>ationsmechanismen<br />

erfordern. Die Ausprägung des Interaktionsprozesses (sozialer Aspekt)<br />

zwischen Hersteller und Kun<strong>den</strong> wird durch <strong>den</strong> Umstand dom<strong>in</strong>iert, dass im Falle<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der überwiegende, ergebnisrelevante Teil der Kontakte<br />

– und damit der Kommunikation – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em persönlichen Umfeld stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>. E<strong>in</strong><br />

spezieller Fokus wird dabei auf die Kernaktivität der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, die<br />

kognitiven Prozesse der Wissensentstehung, gelegt. Es wird Bezug darauf genommen,<br />

wie der Prozess der Wissensentstehung mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>rollen variiert und <strong>den</strong><br />

Bedarf für verschie<strong>den</strong>e Arten von Wissensmanagementmechanismen <strong>in</strong> der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> impliziert. Als Grundtenor der empirischen Untersuchung hat<br />

sich dabei die Kun<strong>den</strong>motivation als e<strong>in</strong> entschei<strong>den</strong>des Element herauskristallisiert.<br />

Dies erklärt sich durch <strong>den</strong> grundsätzlich freiwilligen Charakter der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

und betont die Notwendigkeit von Anreizsystemen <strong>in</strong> der Gestaltung des<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesses.<br />

E<strong>in</strong>ige dieser Ansätze überlappen teilweise bezüglich der Gestaltungs<strong>in</strong>formationen,<br />

welche sie liefern. Zusammengenommen ermöglichen sie aber, die verschie<strong>den</strong>en<br />

Beziehungen und Abhängigkeiten e<strong>in</strong>er frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu erfassen und<br />

die notwendigen Gestaltungselemente zur Unterstützung e<strong>in</strong>es derartigen offenen<br />

Innovationssystems zu entwickeln.


GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

4.2.1 Strukturelle Gestaltung<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell müssen Unternehmen ihre Entwicklungsumgebung für neue Produkte so<br />

strukturieren, dass e<strong>in</strong> Mittelweg zwischen Flexibilität, welche für Kreativität und<br />

damit Innovation erforderlich ist, und Diszipl<strong>in</strong>, zur Sicherstellung der Effektivität<br />

des Entwicklungsprozesses, gewährleistet ist. Dies gilt umso mehr für die Aufnahme<br />

von Beiträgen externer Teammitglieder. <strong>Frühe</strong>re Studien der Innovationsforschung<br />

bzw. der Neuproduktentwicklung zeigen, dass die Muster der Interaktion<br />

zwischen e<strong>in</strong>em Unternehmen und se<strong>in</strong>en Kun<strong>den</strong> mit der Rolle der Kun<strong>den</strong> im<br />

Entwicklungsprozess variieren (z. B. Leonard-Barton 1995; Kaulio 1998). Unternehmen<br />

müssen daher e<strong>in</strong> Umfeld schaffen, um die Interaktionsmuster der jeweiligen<br />

Rolle, welche ihre <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Innovationsfrühphase spielen sollen,<br />

zu ermöglichen (vgl. z. B. Nambisan 2002). Dadurch kann sichergestellt wer<strong>den</strong>,<br />

dass Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>formationen genau und umfassend gesendet und empfangen<br />

wer<strong>den</strong>. Relevante Eigenschaften der Hersteller-Kun<strong>den</strong>-Beziehung und damit<br />

Merkmale der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> s<strong>in</strong>d die Dauer, die Häufigkeit der Kontakte, die<br />

Stärke der E<strong>in</strong>beziehung und e<strong>in</strong>e wechselseitig verständliche Kommunikation<br />

(Brockhoff 2002).<br />

E<strong>in</strong> wichtiger Gestaltungsfaktor ist dabei die Verb<strong>in</strong>dungsstärke bzw. die Intensität<br />

zwischen dem Kun<strong>den</strong> und dem Hersteller. Gruner (1997) operationalisiert Intensität<br />

der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung mit <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Indikatoren: Häufigkeit der Kontakte<br />

und Anzahl der Verhandlungen („Häufigkeit der Treffen mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>“), Dauer<br />

der Verhandlungen („Dauer der geme<strong>in</strong>samen Zusammenarbeit“), Anzahl der Kooperationspartner<br />

(Anzahl der Kun<strong>den</strong>teilnehmer bei e<strong>in</strong>em Treffen und Anzahl der<br />

vom Hersteller <strong>in</strong>volvierten verschie<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong>).<br />

E<strong>in</strong> Mittel zur Erzielung e<strong>in</strong>er stärkeren B<strong>in</strong>dung ist neben e<strong>in</strong>er Erhöhung der Häufigkeit<br />

der Kontakte beispielsweise die Schaffung e<strong>in</strong>er eigenen Position auf Herstellerseite,<br />

welche spezielle Integrationsaufgaben übernimmt.<br />

Weitere relevante Faktoren der strukturellen Integration s<strong>in</strong>d dabei die zeitliche<br />

Struktur, die Zahl der Kun<strong>den</strong> sowie der Ort der Interaktion (vgl. Gruner 1997; Lettl<br />

2004). Die zeitliche Struktur (wie oft und wie lange?) wird im Rahmen dieser Arbeit<br />

<strong>in</strong> die folgen<strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Elemente aufgeteilt. Das Zeitmuster der Interaktion im<br />

S<strong>in</strong>ne der Intervalle, welche zwischen <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Interaktionen liegen (entspricht<br />

der Häufigkeit) und die Dauer der e<strong>in</strong>zelnen Interaktionen. Komb<strong>in</strong>iert man diese<br />

bei<strong>den</strong> Elemente, so kann man von punktueller Interaktion sprechen, wenn zwischen<br />

<strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Interaktionen Intervalle ohne Interaktion liegen und die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Interaktionen von kurzer Dauer s<strong>in</strong>d (max. 1 Tag). Auf der anderen Seite ist<br />

permanente Integration durch e<strong>in</strong>en längerfristigen Charakter gekennzeichnet. Die-<br />

129


130 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

ser kann sich entweder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen Zusammenarbeit über e<strong>in</strong>e längeren<br />

Zeitraum (mehrere Tage, Wochen oder Monate; beispielsweise im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

mehrtägigen Workshops) oder überhaupt durch e<strong>in</strong>e Integration <strong>in</strong> das Innovationsteam<br />

des Hersteller über e<strong>in</strong>e längeren Zeitraum manifestieren (vgl. Lettl<br />

2004). Pr<strong>in</strong>zipiell lässt sich feststellen, dass es sich im Falle der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

(im S<strong>in</strong>ne der Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>er frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> im B-2-<br />

B-Umfeld) ten<strong>den</strong>ziell um längerfristige Lösungen handelt. Grund dafür ist primär<br />

e<strong>in</strong>e relativ kle<strong>in</strong>e Gruppe an Kun<strong>den</strong>, welche überhaupt <strong>in</strong>frage kommt, und damit<br />

e<strong>in</strong> beschränktes Reservoir an potenziellen Integrationspartnern.<br />

Auch die Zahl der Kun<strong>den</strong>, welche e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>en wer<strong>den</strong>, stellt e<strong>in</strong> Instrument<br />

dar, mit dem die Integrationsstruktur bee<strong>in</strong>flusst wer<strong>den</strong> kann. Pr<strong>in</strong>zipiell hat die<br />

Kun<strong>den</strong>zahl doppelte Bedeutung. Erstens die Zahl der Kun<strong>den</strong>teilnehmer bei e<strong>in</strong>em<br />

Interaktionsevent und zweitens die Zahl der verschie<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong>firmen im Laufe<br />

e<strong>in</strong>es Projektes. Der Ort der Interaktion verkörpert e<strong>in</strong>en weiteren Faktor der strukturellen<br />

Gestaltung. Räumlich betrachtet kann die Interaktion beim Hersteller, beim<br />

Kun<strong>den</strong> oder an e<strong>in</strong>em neutralen dritten Ort stattf<strong>in</strong><strong>den</strong> (vgl. Lettl 2004).<br />

4.2.2 Prozessuale Gestaltung<br />

Die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ermöglicht e<strong>in</strong>em Unternehmen, ausgewählte Kun<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Organisation h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuholen und sie, als Teil e<strong>in</strong>es „gemischten Innovationsteams“<br />

13, zum<strong>in</strong>dest temporär quasi <strong>in</strong> „Angestellte“ zu transformieren. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

ist e<strong>in</strong> derartiger offener <strong>Innovationsprozess</strong> aufgrund der höheren Komplexität<br />

schwerer zu managen und mit höherem Risiko verbun<strong>den</strong> als e<strong>in</strong> klassischer,<br />

ausschliesslich firmen<strong>in</strong>terner Prozess. Auch wenn die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

ke<strong>in</strong>e verteilte Innovationsgeme<strong>in</strong>schaft im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „Community of Creation“<br />

darstellt, so gilt doch auch für sie der Bedarf nach speziellen Kontroll- und Führungsmechanismen<br />

(vgl. Sawhney, Prandelli 2000). Dabei müssen speziell Fragestellungen<br />

der Interaktion bzw. Kommunikation 14 mit <strong>den</strong> <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> berücksichtigt<br />

wer<strong>den</strong>. Der Fokus liegt daher im Folgen<strong>den</strong> auf <strong>den</strong> prozessbezogenen<br />

Gestaltungsfaktoren der Interaktion.<br />

E<strong>in</strong>e hohes Niveau an struktureller Integration wie im vorhergehen<strong>den</strong> Abschnitt<br />

beschrieben, muss nicht notwendigerweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohen Kooperationsniveau re-<br />

13 Im Rahmen dieser Arbeit bedeutet „gemischtes Innovationsteam“ e<strong>in</strong> räumlich beim Hersteller angesiedeltes<br />

Team, welches neben Vertretern des Herstellers auch m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>en Kun<strong>den</strong> enthält. Die Grösse,<br />

Gestaltung und Bestandsdauer dieses Teams hängt dabei, wie <strong>in</strong> diesem Kapitel ausgeführt wird, wesentlich<br />

von <strong>den</strong> jeweiligen Kun<strong>den</strong>rollen ab.<br />

14 E<strong>in</strong>e genaue Differenzierung zwischen Interaktion und Kommunikation liefert beispielsweise Homans<br />

(1972). Für die vorliegende Arbeit wer<strong>den</strong> beide Begriffe nicht unterschie<strong>den</strong>.


GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

sultieren (Jassawalla, Sashittal 1998). Firmen müssen daneben auch noch e<strong>in</strong>e Reihe<br />

an prozessbezogenen Faktoren berücksichtigen (vgl. Nambisan 2002) – nämlich<br />

die Transparenz der Rolle und des Prozesses sowie <strong>den</strong> kulturellen Fit zwischen <strong>den</strong><br />

externen und <strong>in</strong>ternen Playern. Diese Faktoren haben e<strong>in</strong>e generelle Auswirkung<br />

auf das Vertrauen und die Offenheit im Rahmen des Integrationsprozesses. Prozess-<br />

und Rollentransparenz bezeichnet e<strong>in</strong>en Zustand grosser Offenheit und Awareness<br />

durch <strong>in</strong>tensive Kommunikation und Informationsaustausch. In diesem Zusammenhang<br />

bedeutet dies zunächst, dass die Erwartungen an die Rolle der <strong>in</strong>tegrierten<br />

Kun<strong>den</strong> für beide Seiten explizit gemacht wer<strong>den</strong> (z. B. Dougherty 1992; Jassawalla,<br />

Sashittal 1998). Neben diesem klaren Verständnis ihrer eigenen Rolle müssen<br />

die Kun<strong>den</strong> auch verstehen, wie ihre Beiträge im Rahmen des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

weiterverarbeitet wer<strong>den</strong>. Dies schliesst Fragen nach <strong>den</strong> handeln<strong>den</strong> Personen ebenso<br />

e<strong>in</strong> wie solche nach dem übergeordneten Zeitplan. Für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

s<strong>in</strong>d sowohl die Klarheit bezüglich der Rollen als auch der Transparenz<br />

des Prozesses wesentlich. E<strong>in</strong>e diesbezügliche Unsicherheit auf e<strong>in</strong>er der bei<strong>den</strong><br />

Seiten kann zur Unzufrie<strong>den</strong>heit der Kun<strong>den</strong> führen und dadurch die Qualität der<br />

Kun<strong>den</strong>beiträge negativ bee<strong>in</strong>flussen (Thomas, Dunn 1994).<br />

Der zweite Gestaltungsfaktor betrifft <strong>den</strong> kulturellen Fit und damit e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

Grundlage bezüglich der geistigen Modelle und Vorstellungen (Dougherty<br />

1992; Jassawalla, Sashittal 1998; Madhavan, Grover 1998). Als Grundlage der Beziehung<br />

sollten die Akteure geme<strong>in</strong>same mentale Modelle bzw. e<strong>in</strong>e kognitive<br />

Kompatibilität (Sawhney, Prandelli 2000) bezüglich der Ziele, Prioritäten, Zeitpläne<br />

und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen aufweisen. E<strong>in</strong> solche geme<strong>in</strong>same Grundlage hilft, die<br />

Anstrengungen der Kun<strong>den</strong> zielgerichtet zu fokussieren.<br />

Um tiefer <strong>in</strong> die Kun<strong>den</strong>rollen e<strong>in</strong>zudr<strong>in</strong>gen, ist es hilfreich, auf die Wissensgenerierung<br />

durch die Integration näher e<strong>in</strong>zugehen. Die Schaffung neuen Wissens stellt<br />

das zentrale Thema jedes Innovations- bzw. Neuproduktentwicklungsprozesses dar<br />

(vgl. Leonard-Barton 1995; Madhavan, Grover 1998; Aslanidis, Korell 2003). 15 Der<br />

„Knowledge-based View of the Firm“ dient daher als theoretischer Rahmen für die<br />

folgen<strong>den</strong> Überlegungen. Dabei wird nicht <strong>in</strong> allen Details auf <strong>den</strong> weit entwickelten<br />

Forschungszweig des Wissensmanagements e<strong>in</strong>gegangen, da dies <strong>den</strong> Rahmen<br />

dieser Arbeit sprengen würde und zur Herleitung der Gestaltungspr<strong>in</strong>zipien nicht<br />

notwendig ist. Es kann aus diesen Forschungen aber abgeleitet wer<strong>den</strong>, dass die soziologische<br />

Perspektive der Wissens- und Wertentstehung e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle<br />

bei der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> spielt (z. B. Nahabiet, Goshal 1998; Nonaka,<br />

15 Es existiert ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Modell des Zusammenhangs zwischen Innovation und Wissen (vgl. Barker<br />

2002).<br />

131


132 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Konno 1998). Geme<strong>in</strong>schaftliche Wissensentstehung beruht auf sozialen Beziehungen,<br />

welche durch die persönliche Interaktion zwischen <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong>volvierten<br />

Personen – hier zwischen Vertretern des Herstellers und des Kun<strong>den</strong> – entstehen.<br />

Die Umsetzung des so entstehen<strong>den</strong> Wissens hängt an <strong>den</strong> <strong>in</strong>tegrativen Fähigkeiten<br />

der Herstellerfirma und damit an <strong>den</strong> Systemen und Prozessen, welche diese unterstützen<br />

(z. B. Kogut, Zander 1992; Nadler, Tushman 1997; Adams, Day et al. 1998;<br />

Verona 1999).<br />

Bezüglich der Art und der Entstehung von Wissen lassen sich folgende E<strong>in</strong>teilungen<br />

treffen. Auf der Ebene des Grundtyps bzw. der Vermittelbarkeit besteht die<br />

klassische Unterscheidung <strong>in</strong> implizites und explizites Wissen (vgl. Nonaka, Takeuchi<br />

1995) und auf e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>haltlichen Ebene die Trennung <strong>in</strong> marktbezogenes und<br />

technologiebezogenes Wissen (vgl. Gassmann, Gaso 2004). Schliesslich können<br />

noch bezüglich der Art der Wissensentstehung die zwei grundsätzlichen Typen der<br />

Wissensakquise und der Wissenskonversion unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> (Huber 1991;<br />

Nonaka, Takeuchi 1995). Wissensakquisition me<strong>in</strong>t die Aneignung von Wissen über<br />

e<strong>in</strong> Produkt oder e<strong>in</strong>e Technologie aus verschie<strong>den</strong>en Quellen. Die Wissensumwandlung<br />

wird durch die Transformation von Wissen von e<strong>in</strong>em Typ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

anderen (z. B. die Umwandlung von faktischem Wissen über e<strong>in</strong> Produkt <strong>in</strong> experimentelles<br />

Wissen über se<strong>in</strong>e Benutzung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es bestimmten Kontextes)<br />

charakterisiert.<br />

Wissensakquisition kann im Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> vor allem im<br />

Rahmen des Netzwerkes des gemischten Innovationsteams passieren. Das Wissen<br />

der e<strong>in</strong>zelnen Teammitglieder kann <strong>in</strong>nerhalb des Teams transferiert wer<strong>den</strong>. Dabei<br />

kann es zu e<strong>in</strong>er direkten Akquisition des Kun<strong>den</strong>wissens durch <strong>den</strong> Hersteller oder<br />

zu e<strong>in</strong>em Wissensaustausch zwischen verschie<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong> kommen. Im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>es Netzwerkes (Alavi 2000) s<strong>in</strong>d alle Verb<strong>in</strong>dungen möglich, auch vom Hersteller<br />

zum Kun<strong>den</strong>, um diesen beispielsweise über bestimmte Merkmale e<strong>in</strong>er Technologie<br />

zu <strong>in</strong>formieren.<br />

Der zweite und für diese Arbeit wichtigere Prozess bezieht sich auf die Wissenskonvertierung.<br />

Nonaka und Takeuchi (1995) haben <strong>in</strong> ihrer Wissensentstehungsspirale<br />

vier grundsätzliche Arten der Wissenskonvertierung i<strong>den</strong>tifiziert – die Sozialisation<br />

(implizit zu implizit), die Externalisation (implizit zu explizit), die Komb<strong>in</strong>ation<br />

(explizit zu explizit) und die Internalisation (explizit zu implizit). Im H<strong>in</strong>blick<br />

auf <strong>den</strong> Fokus dieser Arbeit, e<strong>in</strong>em Hersteller und ausgewählten se<strong>in</strong>er Kun<strong>den</strong> <strong>den</strong><br />

Austausch und die Schaffung von produkt- und anwendungsbezogenem Wissen zu<br />

ermöglichen, s<strong>in</strong>d vor allem die Komb<strong>in</strong>ation und die Externalisation von Bedeu-


GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

tung. Beispielsweise können <strong>in</strong>tegrierte Kun<strong>den</strong> neues Wissen aus der Komb<strong>in</strong>ation<br />

vielfältiger expliziter Wissenselemente des Herstellers synthetisieren.<br />

Auf der Umwandlung von implizitem <strong>in</strong> explizites Wissen basierende Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>novationen<br />

unterstreichen die Bedeutung <strong>in</strong>dividueller und verteilter Kognitionssysteme<br />

(vgl. z. B. Leonard, Sensiper 1998). Damit solche Innovationen auftreten können,<br />

müssen die Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, vielfältige Interpretationen e<strong>in</strong>es gegebenen<br />

Produktes oder e<strong>in</strong>er gegebenen Technologie zu machen sowie diese mit anderen<br />

Mitgliedern des gemischten Innovationsteams auszutauschen. E<strong>in</strong> wesentlicher<br />

Fokus liegt also auf der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des impliziten Kun<strong>den</strong>wissens über e<strong>in</strong> Produkt<br />

samt Anwendungskontext und dessen Umwandlung <strong>in</strong> explizites Wissen zur Nutzung<br />

<strong>in</strong>nerhalb des <strong>Innovationsprozess</strong>es des Herstellers. E<strong>in</strong> verteiltes Wahrnehmungssystem<br />

unterstützt solche Interpretationen und Dialoge <strong>in</strong>nerhalb des Innovationsteams<br />

durch die Unterstützung hochentwickelter Formen von Selbstreflexion<br />

und Kommunikation. Nonaka und Konno (1998) sprechen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

vom „Interact<strong>in</strong>g Ba“ <strong>in</strong> dem Individuen ihre geistigen Modelle austauschen,<br />

aber gleichzeitig auch ihre eigenen reflektieren und analysieren. Solche Prozesse<br />

können zu <strong>in</strong>novativen Ergebnissen führen, welche aus der geme<strong>in</strong>samen Wissensbasis<br />

des gemischten Innovationsteams entspr<strong>in</strong>gen.<br />

Wie vorher angemerkt, variieren die Natur der Wissensakquisition und Wissenskonvertierung<br />

mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>rollen <strong>in</strong> der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Dementsprechend<br />

müssen die Instrumente der Unterstützung der Wissensgenerierung durch <strong>den</strong><br />

Hersteller rollenspezifisch ausgewählt und angepasst wer<strong>den</strong>.<br />

Kun<strong>den</strong>teilnahme im Innovations- und Produktentwicklungsprozess basiert fast<br />

ausschliesslich auf e<strong>in</strong>em freiwilligen Engagement der Kun<strong>den</strong>. Diese erwarten wie<br />

auch immer geartete Vorteile durch die Ausübung ihrer Rolle als Mitentwickler.<br />

Die Literatur beschreibt verschie<strong>den</strong>e Arten der Kun<strong>den</strong>motivation, um die potenziellen<br />

Anreize für e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Teilnahme der Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Produktentwicklung zu<br />

erhöhen. Darunter fallen beispielsweise erhöhtes Selbstbewusstse<strong>in</strong> durch ihren<br />

stärkeren E<strong>in</strong>fluss, mehr Wahlmöglichkeiten sowie e<strong>in</strong>e stärkere Anpassung des<br />

Produktes an ihre Bedürfnisse (z. B. Schneider, Bowen 1995; Brockhoff 2003). Daher<br />

kann die I<strong>den</strong>tifikation und sorgfältige Analyse dieser Vorteile wertvolle E<strong>in</strong>sichten<br />

liefern, wie der Hersteller die Grundhaltung und das Engagement der Kun<strong>den</strong><br />

zur Zusammenarbeit im Wertschöpfungsprozess durch die Wahl geeigneter<br />

Gestaltungselemente der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> erhöhen kann.<br />

Betrachtet man die möglichen Kun<strong>den</strong>vorteile genauer, so lassen sich, im Zusammenhang<br />

mit früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, zunächst die bei<strong>den</strong> grossen Gruppen der<br />

produktbezogenen und sozialen (gruppenbezogenen) Vorteile unterschei<strong>den</strong> (vgl.<br />

133


134 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Nambisan 2002). Auch wenn der produktbezogene Nutzen traditionellerweise <strong>den</strong><br />

Hauptantrieb für Kun<strong>den</strong>beteiligung darstellt (z. B. Wayland, Cole 1997; Brockhoff<br />

1998), so verdienen im Fall der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> auch die sozialen Konsequenzen<br />

Beachtung 16.<br />

In der Literatur wur<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>e Quellen von produkt- oder servicebezogenen<br />

Kun<strong>den</strong>vorteilen i<strong>den</strong>tifiziert, wobei diese sowohl physischer als auch immaterieller<br />

Natur se<strong>in</strong> können. E<strong>in</strong>e Verbesserung der Qualität des Produktes, welche der Kunde<br />

durch se<strong>in</strong>e direkte Beteiligung an der Innovationsfrühphase erzielt, stellt <strong>den</strong><br />

wichtigsten immateriellen Kun<strong>den</strong>vorteil dar. Aus Sicht der Agency-Theorie kann<br />

die Motivation der Kun<strong>den</strong> auf ihrem Gefühl beruhen, dass ihre <strong>aktive</strong> Beteiligung<br />

notwendig ist, um die Qualität des Produktes oder Services zu garantieren (z. B.<br />

Mills 1986; Lengnick-Hall 1996). Beispielsweise kann im Servicebereich der Kunde<br />

als Pr<strong>in</strong>zipal die Erfüllung des Servicevertrages durch <strong>den</strong> Service-Agenten überwachen<br />

(Larsson, Bowen 1989). E<strong>in</strong> weiterer produktbezogener Vorteil, welchen<br />

die Kun<strong>den</strong> durch die Integration gew<strong>in</strong>nen können, ist e<strong>in</strong> Wissenszuwachs<br />

(z. B. Thomas, Dunn 1994; Brockhoff 2003). Sehr oft vergrössert die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

das Wissen der Kun<strong>den</strong> sowohl über das Produkt als auch die dah<strong>in</strong>ter liegen<strong>den</strong><br />

Technologien, wodurch sie <strong>in</strong> die Lage versetzt wer<strong>den</strong>, das Produkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

umfassenderen Art und Weise zu nutzen und damit die potenziellen Vorteile der<br />

Nutzung zu vergrössern.<br />

Zudem können Kun<strong>den</strong> davon ausgehen, dass es durch ihre Teilnahme <strong>in</strong> der Produktentwicklung<br />

möglich ist, <strong>den</strong> Hersteller dah<strong>in</strong>gehend zu bee<strong>in</strong>flussen, bestimmte<br />

im Anwendungskontext des Kun<strong>den</strong> sehr wertvolle Produkteigenschaften e<strong>in</strong>zubauen.<br />

Diese Erzielung physischer Vorteile wurde oft im Markt für Unternehmenssoftware<br />

beobachtet, wo Kun<strong>den</strong> aus e<strong>in</strong>er bestimmten Industrie (z. B. Automobil<strong>in</strong>dustrie)<br />

aktiv an der Produktentwicklung teilnehmen, um sicherzustellen, dass ihre<br />

ureigensten Interessen durch das Produkt abgedeckt wer<strong>den</strong> (z. B. Hoch, Roed<strong>in</strong>g<br />

et al. 1999).<br />

Neben diesen von aussen kommen<strong>den</strong>, extr<strong>in</strong>sischen Anreizen können Kun<strong>den</strong><br />

schliesslich auch deshalb bei der Produktentwicklung mitwirken, weil sie dies als<br />

<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch attraktiv empf<strong>in</strong><strong>den</strong> und es sowohl ihre Neugierde bezüglich des Produktes<br />

oder der Technologie als auch ihre kreativen Energien befriedigt (Bateson<br />

1983).<br />

16 Die gruppenbezogenen Vorteile spielen auch bei Kun<strong>den</strong>communities (d. h. vor allem <strong>in</strong> B-2-C-Märkten)<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle; e<strong>in</strong>erseits im Verhältnis des Kun<strong>den</strong> zum Hersteller, andererseits vor allem aber<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Kun<strong>den</strong>gruppe selbst.


GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Der zweite Typ von Vorteilen entsteht aus dem Umstand, dass e<strong>in</strong> Kunde durch die<br />

Teilnahme an der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> meistens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ausgewählte Gruppe<br />

von Anwendern e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> ist. In bestimmten Fällen (siehe z. B. das Fallbeispiel<br />

Hilti <strong>in</strong> Abschnitt 3.4) wird vom Hersteller bewusst angestrebt, dass die <strong>in</strong>tegrierten<br />

Kun<strong>den</strong> sich als Teil e<strong>in</strong>er exklusiven Geme<strong>in</strong>schaft fühlen. Daher bedürfen alle<br />

Vorteile, welche aus so e<strong>in</strong>er Mitgliedschaft resultieren könnten, der Aufmerksamkeit<br />

des Herstellers. Die Gruppen der ausgewählten Kun<strong>den</strong> bieten diesen mehr als<br />

nur e<strong>in</strong> Forum zur Klärung produktbezogener Fragestellungen. Die Kun<strong>den</strong> entwickeln<br />

als Mitglied e<strong>in</strong>er sozialen Gruppe 17 auch starke soziale I<strong>den</strong>titäten und durch<br />

ihre Teilnahme können persönliche Beziehungen entstehen (Prahalad, Ramaswamy<br />

2000). Solche sozialen Beziehungen liefern dem Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e Reihe von Vorteilen.<br />

Zunächst bewirken sie e<strong>in</strong>erseits durch <strong>den</strong> Gebrauch der gleichen Produkte und<br />

andererseits durch Gruppennormen, welche sich im Laufe der Zeit entwickeln können,<br />

e<strong>in</strong> Gefühl der Zugehörigkeit und geme<strong>in</strong>samen I<strong>den</strong>tität. Zusätzlich ermöglicht<br />

das Forum der Gruppe <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>, ihre <strong>in</strong>novativen und wertschöpfen<strong>den</strong> Ideen<br />

mit anderen zu teilen und dadurch die Möglichkeit zu haben, altruistisch zu<br />

handeln. 18 Kun<strong>den</strong> nutzen solche Gruppen oft auch zur Diskussion von nicht produktbezogenen<br />

Problemen. Die Geme<strong>in</strong>schaft kann also auch als Chance empfun<strong>den</strong><br />

wer<strong>den</strong>, andere Probleme geschäftlicher und persönlicher Natur zu lösen.<br />

Schliesslich wer<strong>den</strong> die Beiträge der Kun<strong>den</strong> nicht nur vom Hersteller, sondern<br />

auch von anderen Gruppenteilnehmern wahrgenommen. Dadurch kann die Erlangung<br />

e<strong>in</strong>er speziellen Position <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe erfolgen. Dies befriedigt e<strong>in</strong>erseits<br />

<strong>den</strong> Wunsch des Kun<strong>den</strong> nach Anerkennung <strong>in</strong> der Gruppe („Peer Recognition“)<br />

und andererseits se<strong>in</strong> soziales Statusstreben. Im E<strong>in</strong>zelfall kann dies sogar so<br />

weit gehen, dass das Produkt <strong>in</strong> <strong>den</strong> H<strong>in</strong>tergrund und die Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong>nerhalb<br />

der sozialen Organisation, <strong>in</strong> diesem Fall des Innovationsteams, <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vordergrund<br />

tritt (Oliver 1999).<br />

Für die <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Seite der Motivationsstruktur des Kun<strong>den</strong>, kann die Open-<br />

Source-Softwareentwicklung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen dienen.<br />

Was motiviert e<strong>in</strong>en L<strong>in</strong>uxprogrammierer dazu, Programmcode zu schreiben und<br />

diesen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen? Neue Untersuchungen zeigen, dass<br />

vor allem der persönliche Nutzen (Wissensvermehrung, Erhalt besserer und günstiger<br />

Software und Spass am Programmieren) und Ego-Gratifikation (Wunsch nach<br />

Anerkennung, Reputation <strong>in</strong> der Peergroup, Mitarbeit im Team prom<strong>in</strong>enter Programmierer<br />

und die angenommene Unersetzbarkeit für das Team) Open-Source-<br />

17 Zur Theorie der sozialen Gruppen siehe z. B. Homans (1972).<br />

18 Vgl. Ekeh (1974) für Details der sozialen Austauschtheorien.<br />

135


136 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Entwickler antreiben (vgl. Gassmann 2001; Achtenhagen, Müller-Lietzkow et al.<br />

2003; von Krogh 2003; von Krogh, von Hippel 2003). Achtenhagen, Müller-<br />

Lietzkow et al. (2003) weisen darüber h<strong>in</strong>aus darauf h<strong>in</strong>, dass auch Karriereüberlegungen<br />

wie das Zeigen des eigenen Talents oder die Beteiligung an Open-Sourcebasierten<br />

Unternehmen ebenfalls e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen.<br />

Die jeweilige Bedeutung der oben beschriebenen Arten von Kun<strong>den</strong>vorteilen variiert<br />

mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Daher müssen die Hersteller<br />

die passen<strong>den</strong> Gestaltungselemente sorgfältig abgestimmt auf die jeweilige Rolle<br />

des Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>setzen.<br />

E<strong>in</strong>e zusammenfassende Übersicht der relevanten operativen Gestaltungsfaktoren<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zeigt Tabelle 4.<br />

Gestaltungsfeld Gestaltungsfaktoren Ausprägungen<br />

Integrationsstruktur Verb<strong>in</strong>dungsstärke Kont<strong>in</strong>uum (tief – hoch)<br />

Zeitliche Struktur Dauer und Häufigkeit<br />

Zahl der Kun<strong>den</strong> E<strong>in</strong>zelkunde Kun<strong>den</strong>gruppe<br />

Ort der Interaktion Beim Hersteller/Kun<strong>den</strong><br />

Interaktionsprozess Prozess- und Rollentransparenz<br />

An neutralem Ort<br />

Kont<strong>in</strong>uum (tief -–hoch)<br />

Kultureller Fit Kont<strong>in</strong>uum (tief – hoch)<br />

Wissensgenerierung Akquisition Konvertierung<br />

Art des Kun<strong>den</strong>vorteils Produktbezogen Gruppenbezogen<br />

Motivationstyp Intr<strong>in</strong>sisch Extr<strong>in</strong>sisch<br />

Tabelle 4: Operative Gestaltungsfaktoren der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Dabei gilt zu beachten, dass <strong>in</strong> drei Fällen die Ausprägungen der i<strong>den</strong>tifizierten<br />

Gestaltungsfaktoren durch Kont<strong>in</strong>uitäten repräsentiert wer<strong>den</strong>, entlang derer die<br />

verschie<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong>rollen angeordnet s<strong>in</strong>d. Es gilt also – wie auch Gruner (1997)<br />

gezeigt hat – je stärker diese Elemente ausgeprägt s<strong>in</strong>d und damit je <strong>in</strong>tensiver die<br />

Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> und <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong>, desto grösser ist die Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> und damit des <strong>Innovationsprozess</strong>es.


GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

E<strong>in</strong>e detaillierte Diskussion der Gestaltungsmöglichkeiten zur Erreichung dieser<br />

hohen Intensität bzw. der rollenspezifischen Werte der anderen Faktoren f<strong>in</strong>det sich<br />

<strong>in</strong> Abschnitt 6.3.2.<br />

Zunächst wer<strong>den</strong> im folgen<strong>den</strong> Kapitel, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er von <strong>den</strong> Determ<strong>in</strong>anten bestimmten<br />

Typologie, spezifische Kun<strong>den</strong>rollen entwickelt und beschrieben.<br />

4.3 Zusammenfassung<br />

Die Fallstudien aus Kapitel 3 wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> zwei Schritten analysiert. Anhand des Analyserasters<br />

erfolgte zunächst e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelfallanalyse der vier Fallstudien und<br />

schliesslich e<strong>in</strong> Fallstudienvergleich basierend auf relevanten aus der Literatur gefun<strong>den</strong>en<br />

Kriterien. Ziel war es, e<strong>in</strong>erseits diejenigen Gestaltungsmerkmale herauszufiltern,<br />

welche entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> E<strong>in</strong>fluss auf <strong>den</strong> jeweiligen Erfolg der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> haben und andererseits bereits erste H<strong>in</strong>weise auf die Ausprägungen<br />

der jeweiligen Gestaltungsfaktoren zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

Auf der Basis der i<strong>den</strong>tifizierten relevanten Merkmale früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

wur<strong>den</strong> zwei Dimensionen und damit Gestaltungsfelder des Konstruktes frühe <strong>aktive</strong><br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>geführt, nämlich die Integrationsstruktur und der Interaktionsprozess.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus wurde der unternehmerische Rahmen mit <strong>den</strong> drei<br />

Gestaltungsfeldern Strategie, Kultur und Struktur als wesentlich für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

i<strong>den</strong>tifiziert. Die Integration des Kun<strong>den</strong> muss also – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em passen<strong>den</strong><br />

Rahmen – neben der strukturellen auch auf der prozessualen Ebene erfolgen.<br />

Der Hersteller hat, <strong>in</strong> Abstimmung mit <strong>den</strong> jeweiligen Kun<strong>den</strong>rollen, explizite<br />

Massnahmen zu ergreifen, um <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> effektiv <strong>in</strong> <strong>den</strong> eigentlichen frühen <strong>Innovationsprozess</strong><br />

zu <strong>in</strong>tegrieren.<br />

137


138 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

5 Spezifische Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> zunächst die möglichen Rollen der Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der frühen Innovationsphase<br />

i<strong>den</strong>tifiziert. Dies erfolgt aufbauend auf Erkenntnissen aus <strong>den</strong> Fallstudien<br />

mit speziellem Fokus auf die Ziele und Ergebniserwartungen des <strong>in</strong>tegrieren<strong>den</strong><br />

Herstellers. Die Beiträge der Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> als Kriterien verwendet, anhand<br />

derer die Ausprägungen und Managementanforderungen des jeweiligen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesses<br />

beschrieben wer<strong>den</strong>. Basierend auf allgeme<strong>in</strong>en Überlegungen<br />

zu Kun<strong>den</strong>rollen sowie <strong>den</strong> im Fallstudienvergleich i<strong>den</strong>tifizierten Determ<strong>in</strong>anten<br />

wird e<strong>in</strong>e Systematik aufgebaut. Die daraus resultierende Typologie der<br />

Kun<strong>den</strong>rollen erweitert und ergänzt <strong>den</strong> klassischen Lead-User-Ansatz. Schliesslich<br />

wird der Prozesscharakter der Integration näher beleuchtet und mit <strong>den</strong> Gestaltungselementen<br />

zu e<strong>in</strong>em konzeptionellen Managementmodell der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

vere<strong>in</strong>t. Dieses Modell dient im weiteren Verlauf als Grundlage der<br />

praktischen Implikationen und Gestaltungsempfehlungen <strong>in</strong> Abschnitt 6.3.<br />

5.1 Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

In dieser Arbeit wird e<strong>in</strong> spezieller Fokus auf die Ziele und Erwartungen gelegt,<br />

welche e<strong>in</strong>en Hersteller zur frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> motivieren, sowie auf die<br />

daraus resultieren<strong>den</strong> Rollen der <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong>. Die genaue Differenzierung<br />

der möglichen Kun<strong>den</strong>rollen <strong>in</strong> der Innovationsfrühphase stellt e<strong>in</strong>e Lücke <strong>in</strong> der<br />

vorhan<strong>den</strong>en Literatur dar und bildet <strong>den</strong> Kernpunkt dieses Kapitels. Dabei wer<strong>den</strong><br />

zunächst die Ergebniserwartungen des Herstellers an die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> betrachtet,<br />

um daraus Schlüsse auf die notwendigen Beiträge der Kun<strong>den</strong> und damit<br />

schliesslich deren Rollen zu ziehen. Konkret wer<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>e, auf <strong>den</strong> Strategien<br />

und Zielen des Herstellers basierende, Ausprägungen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

i<strong>den</strong>tifiziert. Die jeweils korrespondieren<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>rollen wer<strong>den</strong> dann detaillierter<br />

analysiert.<br />

Welches Ziel verfolgt der Hersteller durch die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Kun<strong>den</strong>? Was ist der<br />

von Kun<strong>den</strong> erwartete Beitrag? Diese Fragestellungen stehen im Mittelpunkt der<br />

folgen<strong>den</strong> Überlegungen. Bisherige Arbeiten zu Ergebnissen der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

betrachten jene meist auf e<strong>in</strong>er übergeordneten unspezifischen Ebene, ohne<br />

die Verb<strong>in</strong>dung zu <strong>den</strong> resultieren<strong>den</strong> Rollen der Kun<strong>den</strong> und <strong>den</strong> Implikationen für<br />

die Praxis herzustellen. Dabei stellen gerade Herstellerziele und Kun<strong>den</strong>rollen wesentliche<br />

E<strong>in</strong>flussfaktoren für die Gestaltung und das Management der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

dar. Betrachtet man die E<strong>in</strong>flusskette, welche zu <strong>den</strong> Ergebnissen der


RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> führt (vgl. Abb. 28), so stehen die Ziele des Herstellers<br />

am Anfang. Basierend auf klaren und konkreten Zielen öffnet der Hersteller se<strong>in</strong>en<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>, um Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>zula<strong>den</strong>, e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Rolle zu übernehmen und<br />

e<strong>in</strong>en, ihrem Wissen und Können entsprechen<strong>den</strong>, Beitrag zu leisten. Die Kun<strong>den</strong><br />

müssen also basierend auf diesen Zielen verschie<strong>den</strong>e Rollen e<strong>in</strong>nehmen und verschie<strong>den</strong>e<br />

Beiträge beisteuern. Nur mit <strong>den</strong> richtigen Kun<strong>den</strong>beiträgen kann die<br />

frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu <strong>den</strong> gewünschten Verbesserungen des Innovationsergebnisses<br />

führen. Dieses kann dann im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es geschlossenen Regelkreises mit<br />

<strong>den</strong> ursprünglichen Herstellerzielen verglichen wer<strong>den</strong> und eventuell notwendige<br />

Adaptionen bei e<strong>in</strong>em der E<strong>in</strong>flussfaktoren auslösen. Die Ergebnisse der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> wer<strong>den</strong> also durch die vone<strong>in</strong>ander abhängigen Themengebiete<br />

der Ziele des Herstellers, Rolle des Kun<strong>den</strong> und Kun<strong>den</strong>beiträge bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Da die Messung des Integrationserfolges nicht Teil dieser Arbeit ist, steht der Unterschied<br />

zwischen <strong>den</strong> erwarteten und <strong>den</strong> tatsächlich erreichten Ergebnissen nicht<br />

im Vordergrund. E<strong>in</strong> derartiger Erfolgsnachweis stellt, gerade mit Fokus auf spezifische<br />

Ergebnisse früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, e<strong>in</strong>e grosse Herausforderung für zukünftige<br />

Forschungsprojekte dar. E<strong>in</strong> erster Ansatz dazu könnte die Ermittlung der<br />

Erfolgsraten für die unterschiedlichen zielorientierten Ausprägungen der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> se<strong>in</strong> und falls diese unterschiedlich ausfallen, wovon auszugehen<br />

ist, die Aufstellung e<strong>in</strong>es Erklärungsansatzes für diese Unterschiede.<br />

Ziele des Herstellers<br />

Ergebnis der<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Rolle des Kun<strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong>beiträge<br />

Abbildung 28: E<strong>in</strong>flusskette auf das Integrationsergebnis<br />

139


140 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

5.1.1 Ziele des Herstellers<br />

Das pr<strong>in</strong>zipielle Rational h<strong>in</strong>ter der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> im Speziellen und der<br />

Integration von Kun<strong>den</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en ist die Steigerung des Innovationserfolges<br />

des <strong>in</strong>tegrieren<strong>den</strong> Unternehmens. Die externen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wer<strong>den</strong> dabei<br />

von steigen<strong>den</strong> F&E-Ausgaben und hohen Misserfolgsraten neuer Produkte bestimmt.<br />

Der Hersteller erwartet aus der Zusammenarbeit mit dem Kun<strong>den</strong> also Vorteile,<br />

welche er mit se<strong>in</strong>en eigenen Ressourcen und Kompetenzen alle<strong>in</strong>e nicht erzielen<br />

könnte. Ähnliche Überlegungen gelten pr<strong>in</strong>zipiell auch für <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>, wer<strong>den</strong><br />

jedoch, da diese Arbeit die Perspektive des Herstellers e<strong>in</strong>nimmt, hier nicht näher<br />

behandelt. Der Hersteller <strong>in</strong>tegriert Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> die frühen Innovationsphasen,<br />

um geme<strong>in</strong>same Ideen für Produkte mit höherem Markt- und Geschäftspotenzial zu<br />

entwickeln. Das übergeordnete Ziel liegt also <strong>in</strong> der Erzielung besserer Innovationsresultate<br />

(vgl. z. B. von Hippel 1988; Lilien, Morrison et al. 2002; Lettl 2004). Die<br />

Integration von Kun<strong>den</strong> wirkt sich aber nicht automatisch immer positiv auf <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

des Herstellers aus, sie kann auch mit bestimmten Nachteilen<br />

bzw. Risiken verbun<strong>den</strong> se<strong>in</strong>. Potenzielle Nachteile können grundsätzlich <strong>in</strong> der<br />

Schwierigkeit des Aufbaus und Erhaltes e<strong>in</strong>es technologischen Vorsprunges, e<strong>in</strong>er<br />

grösseren Abhängigkeit von externen Partnern sowie e<strong>in</strong>em wachsen<strong>den</strong> Abstimmungsbedarf<br />

und damit der Gefahr erhöhter Kosten und verlängerter Dauer liegen<br />

(vgl. Kirchmann 1994; Brockhoff 2002; Enkel, Kausch et al. 2005).<br />

Betrachtet man bestehende Untersuchungen, welche sich mit generellen Zielen von<br />

F&E-Kooperationen bzw. mit Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungszielen von Herstellern beschäftigen,<br />

so zeigt sich, dass die meisten Studien e<strong>in</strong>e Makrosicht (im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Unterscheidung<br />

<strong>in</strong> Mikro- und Makroebene) e<strong>in</strong>nehmen (z. B. Kirchmann 1994; Gruner<br />

1997). Auch wenn diese Arbeiten nicht speziell auf die Frühphase und e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong><br />

Kun<strong>den</strong>rolle fokussieren, s<strong>in</strong>d ihre grundsätzlichen Aussagen <strong>den</strong>noch auf die vorliegende<br />

Arbeit übertragbar. Dementsprechend liegen die übergeordneten Ziele von<br />

F&E-Kooperationen (und damit von <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> als e<strong>in</strong>er spezifischen Konfiguration<br />

derselben) vor allem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reduktion von Ressourcen und Kosten der<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>er technologischen Innovation, e<strong>in</strong>er Steigerung bezüglich Qualität<br />

und Geschw<strong>in</strong>digkeit auf dem Weg h<strong>in</strong> zu F&E-Resultaten, e<strong>in</strong>er Reduktion technologischer<br />

und wirtschaftlicher Innovationsrisiken sowie e<strong>in</strong>er Vorbereitung der<br />

Eröffnung neuer Märkte (Roter<strong>in</strong>g 1990; Sakakibara 1997; Gerpott 1999; Hauschildt<br />

1998). Nach thematischer Zusammenfassung lassen sich daraus drei Hauptgruppen<br />

bil<strong>den</strong>, nämlich akquisitorische, effektivitätssteigernde und effizienzsteigernde<br />

Ziele. Diese drei Grundtypen wer<strong>den</strong> auch marktbezogene, risikobezogene<br />

und ressourcenbezogene Ziele genannt (Kirchmann, Warschburger 2003). H<strong>in</strong>ter<br />

jedem Hauptziel stecken mehrere Unterziele bzw. Intentionen des Herstellers: Be-


RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

zogen auf <strong>den</strong> Markt s<strong>in</strong>d dies e<strong>in</strong> besseres Verständnis des Anwendermarktes, stärkere<br />

Kun<strong>den</strong>beziehungen, verbesserte Innovationsabsatzprognosen und Wettbewerbs<strong>in</strong>formationen.<br />

Bezüglich des Risikos wur<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e reduzierte Fehlerrate während<br />

des Innovations- und F&E-Prozesses sowie e<strong>in</strong>e generell verbesserte Produktqualität<br />

empirisch nachgewiesen. Synergieeffekte führen schliesslich zu e<strong>in</strong>er Zeit-<br />

und Kostenreduktion und damit zur E<strong>in</strong>sparung wertvoller Ressourcen auf dem<br />

Weg zu erfolgreichen Innovationen (vgl. Tab. 5).<br />

Art der Ziele/Fokus Intentionen<br />

Akquisitorische Ziele/ Marktfokus<br />

Effektivitätssteigernde Ziele/<br />

Risikofokus<br />

Effizienzsteigernde Ziele/<br />

Ressourcenfokus<br />

Besseres Marktverständnis durch E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> <strong>den</strong> Anwendermarkt,<br />

Gew<strong>in</strong>nung von Informationen über <strong>den</strong> Wettbewerb<br />

Verbesserung der Wettbewerbsposition durch Referenzkun<strong>den</strong>,<br />

Marktausweitung, verbesserte Prognosen und die Erzielung von<br />

Imageeffekten<br />

Verstärkung der Kun<strong>den</strong>b<strong>in</strong>dung durch <strong>in</strong>tensivere Beziehung<br />

Risikom<strong>in</strong>derung durch Fehlerreduktion<br />

E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Produktnutzung durch <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> und Gew<strong>in</strong>nung<br />

von Kun<strong>den</strong>-Know-how<br />

Optimierung der Qualität und technischen Leistungsfähigkeit des<br />

Neuproduktes<br />

Reduktion von F&E- und Produktionskosten<br />

Zeitersparnis durch Duchlaufzeitverkürzung des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

Erhöhung der Zahl gleichzeitig realisierbarer Innovationsprojekte<br />

und Synergieeffekte <strong>in</strong> F&E<br />

Tabelle 5: Integrationsziele des Herstellers auf der Makroebene<br />

Die Mikrosicht auf die Ziele der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> führt direkt auf <strong>den</strong> Fokus dieser<br />

Arbeit – die spezifischen Ziele des Herstellers. Biemans (1992) zählt folgende<br />

Punkte als mögliche Beiträge der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zum <strong>Innovationsprozess</strong> auf:<br />

Generierung neuer Produktideen<br />

Verfügbarkeit von genauen Informationen bezüglich der Kun<strong>den</strong>bedürfnisse<br />

Feedback zu Konzepten und Prototypen<br />

141


142 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Hilfestellung während der Entwicklung<br />

Unterstützung beim Innovationsmarket<strong>in</strong>g<br />

Dieser Ansatz eignet sich (mit <strong>den</strong> Erkenntnissen aus der Makrosichtweise als<br />

Rahmen) als Startpunkt für die Entwicklung der spezifischen Herstellerziele. Dazu<br />

wer<strong>den</strong> aus <strong>den</strong> obigen Punkten die Hilfestellung während der eigentlichen Entwicklung<br />

sowie das Innovationsmarket<strong>in</strong>g für die folgen<strong>den</strong> Überlegungen ausgeklammert,<br />

da sie nicht mehr <strong>in</strong> der Innovationsfrühphase und damit ausserhalb des<br />

Schwerpunktes dieser Arbeit liegen. Es verbleiben also die Generierung neuer Produktideen,<br />

Informationen über Kun<strong>den</strong>bedürfnisse und Feedback zu Konzepten. Für<br />

<strong>den</strong> im Rahmen dieser Arbeit untersuchten konkreten Innovationsbeitrag des Kun<strong>den</strong>,<br />

ist aber e<strong>in</strong>e weiter gehende Zielkonkretisierung notwendig, welche <strong>in</strong> dieser<br />

Form noch nicht existiert.<br />

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass der Zusammenhang zwischen <strong>den</strong><br />

spezifischen Zielen des Herstellers für frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> und <strong>den</strong> jeweiligen<br />

Kun<strong>den</strong>rollen bzw. <strong>den</strong> daraus resultieren<strong>den</strong> Beiträgen bisher nicht vertiefend untersucht<br />

wor<strong>den</strong> ist. Die nachfolgen<strong>den</strong> Ausführungen versuchen diese Lücke zu<br />

schliessen. Dazu wer<strong>den</strong> im folgen<strong>den</strong> Abschnitt zunächst die pr<strong>in</strong>zipiell möglichen<br />

Kun<strong>den</strong>rollen während des <strong>Innovationsprozess</strong>es betrachtet.<br />

5.1.2 Generische Rollen des Kun<strong>den</strong><br />

Die klassische Annahme der Wirtschaftswissenschaften sieht <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> als Nachfrager,<br />

welcher Bedürfnisse erkennen lässt (z. B. Brockhoff 1998). Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong><br />

dabei ganz allgeme<strong>in</strong> als Quelle von aus Bedürfnissen resultieren<strong>den</strong> Produktideen<br />

verstan<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e genauere Betrachtung der möglichen Funktionen des Kun<strong>den</strong> im<br />

Wertschöpfungsprozess hat <strong>in</strong> der strategischen Managementliteratur zur I<strong>den</strong>tifikation<br />

von fünf übergeordneten Rollen geführt. Es s<strong>in</strong>d dies Ressource, Mitentwickler,<br />

Käufer, Nutzer 19 und Produkt (Lengnick-Hall 1996; Kaulio 1998; Nambisan 2002).<br />

Die ersten bei<strong>den</strong> Rollen liegen auf der E<strong>in</strong>gangsseite, die anderen drei h<strong>in</strong>gegen<br />

auf der Ausgangsseite organisationaler Aktivität. Der Kunde als Käufer oder als<br />

Produkt kann ke<strong>in</strong>en signifikanten Beitrag zur Innovationsentstehung, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

<strong>aktive</strong>n Rolle leisten, sondern ist vielmehr Objekt des Wertschöpfungsprozesses<br />

(Lengnick-Hall 1996). Diese bei<strong>den</strong> Rollen wer<strong>den</strong> daher nicht weiter betrachtet.<br />

Die Rolle der Ressource bezeichnet die Funktion des Kun<strong>den</strong> als Innovationsquelle,<br />

19 In diesem Zusammenhang wird – obwohl sämtliche Rollen aus der Anwendungserfahrung des Kun<strong>den</strong><br />

entstehen – e<strong>in</strong>e spezielle Kun<strong>den</strong>rolle „Nutzer“ genannt, weil der Kun<strong>den</strong>beitrag dabei direkt auf die<br />

Verwendung des Produktes zurückgeht (vgl. Lengnick-Hall 1996; Nambisan 2002).


RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

die des Mitentwicklers se<strong>in</strong>e Mitwirkung an Produktdesign und -entwicklung und<br />

die des Benutzers se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Produkttests und Produktverbesserungen.<br />

Diese drei Rollen wer<strong>den</strong> im Folgen<strong>den</strong> detaillierter betrachtet und im H<strong>in</strong>blick auf<br />

ihre Anwendbarkeit für diese Arbeit analysiert. Generell lässt sich für alle Rollen<br />

anmerken, dass ihre Wirksamkeit von Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und E<strong>in</strong>flussfaktoren<br />

bee<strong>in</strong>flusst wird. Diese können Charakteristika des Kun<strong>den</strong>, des Prozesses der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

oder des Herstellers se<strong>in</strong> (Brockhoff 2002). Auf der Seite des Herstellers<br />

stehen beispielsweise Merkmale des Entwicklungsprozesses wie der Neuheitsgrad,<br />

die Phase im <strong>Innovationsprozess</strong> <strong>in</strong> welcher der Kunde e<strong>in</strong>bezogen wird, das Controll<strong>in</strong>g<br />

und der Unsicherheitsgrad. Der E<strong>in</strong>fluss des Kun<strong>den</strong> manifestiert sich, allgeme<strong>in</strong><br />

betrachtet, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Innovationsbereitschaft, se<strong>in</strong>er f<strong>in</strong>anziellen Potenz sowie<br />

se<strong>in</strong>er Prognosefähigkeit für segmentspezifische zukünftige Bedürfnisse. Relevante<br />

Merkmale des Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungsprozesses s<strong>in</strong>d Dauer und Häufigkeit der<br />

Kontakte, Stärke der E<strong>in</strong>beziehung sowie e<strong>in</strong>e wechselseitig verständliche Kommunikation.<br />

Die wichtigsten dieser Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wur<strong>den</strong> bereits im vorhergehen<strong>den</strong><br />

Kapitel behandelt und f<strong>in</strong><strong>den</strong> als Determ<strong>in</strong>anten oder Gestaltungsfaktoren<br />

früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> das konzeptionelle Managementmodell. Im<br />

Folgen<strong>den</strong> erfolgt aber zunächst die Analyse der generischen Kun<strong>den</strong>rollen.<br />

Kunde als Ressource<br />

Die am besten dokumentierte Rolle des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Managementliteratur ist die<br />

als Ressource für Information und Wohlstand für das Unternehmen (z. B. Lengnick-<br />

Hall 1996). Für diese Arbeit ist der Fokus auf <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> als Quelle neuer Produktideen<br />

bzw. Gelegenheiten beschränkt. In der Market<strong>in</strong>g- und Innovationsliteratur<br />

wurde diese Kun<strong>den</strong>rolle im Rahmen der Ideenentstehung und Produktkonzeptualisierung<br />

ausführlich erforscht (z. B. von Hippel 1986; Leonard-Barton 1995;<br />

Brockhoff 1998; Christensen 2000; Brockhoff 2002; von Hippel, Katz 2002). Zahlreiche<br />

Arbeiten argumentieren dafür, dass Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e zentrale Rolle bei der Generierung<br />

neuer Produktideen spielen sollen, andere wiederum weisen auf die Gefahr<br />

h<strong>in</strong>, dass Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die frühen Innovationsphasen nur zu <strong>in</strong>krementellen<br />

Innovationen führen kann. 20 Aber selbst unter solchen Bed<strong>in</strong>gungen, bei <strong>den</strong>en e<strong>in</strong>e<br />

frühe Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>e anerkannt viel versprechende Ressource darstellt, haben<br />

Kun<strong>den</strong> bis jetzt vor allem e<strong>in</strong>e grösstenteils passive Rolle gespielt. E<strong>in</strong>e Ausnahme<br />

stellt die für <strong>den</strong> Technologiesektor beschriebene Kun<strong>den</strong>rolle des Lead-<br />

20 Es liegt nicht im Fokus dieser Arbeit, diesen Disput detailliert wiederzugeben oder gar endgültig zu lösen.<br />

Wohl aber kann e<strong>in</strong> Beitrag geleistet wer<strong>den</strong>, der aufzeigt, dass e<strong>in</strong>e gezielte, richtig geführte frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> zur Steigerung der Innovationsfähigkeit des Herstellers beitragen<br />

kann.<br />

143


144 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Users dar, welche e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Teilnahme des Kun<strong>den</strong> bei der Ideenf<strong>in</strong>dung im <strong>Innovationsprozess</strong><br />

des Herstellers be<strong>in</strong>haltet (von Hippel 1986). Der Erfolg e<strong>in</strong>er derartigen<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung wurde schon vielfach aufgezeigt (z. B. von Hippel, Thomke et al.<br />

1999; Herstatt 2002b; Lettl 2004). Lead-User zeichnen sich dadurch aus, dass sie<br />

über e<strong>in</strong> grosses <strong>in</strong>novatives Potenzial verfügen, bestimmte Bedürfnisse vor dem<br />

Rest des Marktes aufweisen und durch die Lösung dieser Probleme stark profitieren<br />

wür<strong>den</strong>. 21 Brockhoff (2002) betont <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Übernahme e<strong>in</strong>er<br />

quasi-fertigen Problemlösung des Kun<strong>den</strong> durch <strong>den</strong> Hersteller, auch wenn von<br />

Hippel das Vorhan<strong>den</strong>se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Problemlösung des Kun<strong>den</strong> als Möglichkeit und<br />

nicht als Notwendigkeit ansieht (vgl. von Hippel 1986).<br />

Kunde als Mitentwickler<br />

Kun<strong>den</strong> können auch als Mitentwickler 22 neuer Produkte e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Rolle im Produktentwicklungsprozess<br />

e<strong>in</strong>nehmen. Brockhoff (1998; 2002) versteht darunter die<br />

Integration von Mitarbeitern des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Produktentwicklungsprozess des<br />

Herstellers als Ideengeber, Anreger, Gestalter und möglicherweise Problemlöser.<br />

Dabei reicht die Teilnahme der Kun<strong>den</strong> von Aktivitäten bei der Produktauslegung<br />

bis h<strong>in</strong> zur eigentlichen Produktentwicklung. Als Mitentwickler können Kun<strong>den</strong> zu<br />

e<strong>in</strong>er Reihe von Entwicklungsaktivitäten, beispielsweise der Validierung der Entscheidung<br />

für e<strong>in</strong>e bestimmte Produktarchitektur, der Gestaltung und Priorisierung<br />

von Produkteigenschaften, der Festlegung von Anforderungen an Produktschnittstellen<br />

und der Aufstellung von Prioritäten und Messkriterien für <strong>den</strong> Entwicklungsprozess,<br />

beitragen. Die Rolle des Kun<strong>den</strong> als Mitentwickler ist häufiger bei<br />

Industriegütern als bei Konsumgütern anzutreffen (z. B. Garv<strong>in</strong> 1988), da diese<br />

Form der verschränkten Produktentwicklung besonders bei komplexen Produkten<br />

mit untere<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Wechselwirkung stehen<strong>den</strong> Systemteilen im B-2-B-Umfeld<br />

(z. B. „Launch<strong>in</strong>g Customer“ <strong>in</strong> der Flugzeug<strong>in</strong>dustrie) relevant ist. Aber auch <strong>in</strong><br />

anderen Branchen verlassen sich die Hersteller auf Beiträge der Kun<strong>den</strong>, beispielsweise<br />

als Mitglieder von Produktentwicklungsteams bei der Konzeptauswahl<br />

(Chase, Garv<strong>in</strong> 1989; Kambil, Friesen et al. 1999). Auch im Konsumgüterbereich<br />

gibt es Beispiele für die Mitentwicklung spezieller Kun<strong>den</strong> bei Konzepttests, „Consumer<br />

Idealized Design“ oder der Auswahl von Komponenten (Page, Rosenbaum<br />

1992; Ciccantelli, Magidson 1993; Kambil, Friesen et al. 1999). E<strong>in</strong>e Pionierfunktion<br />

übernimmt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Softwarebranche.<br />

21 Die Rolle des Lead-Users wird detailliert <strong>in</strong> Abschnitt 2.1 behandelt.<br />

22 In der englischsprachigen Literatur wird diese Kun<strong>den</strong>rolle als „Co-producer“ oder „Co-creator“ bezeichnet<br />

(vgl. Lengnick-Hall 1996; Nambisan 2002).


RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

So nehmen grosse Softwareentwicklungsunternehmen (z. B. SAP und Microsoft) oft<br />

Vertreter des Kun<strong>den</strong> als Teilnehmer <strong>in</strong> ihre Produktentwicklungsteams auf (Hoch,<br />

Roed<strong>in</strong>g et al. 1999). 23<br />

Kunde als Nutzer<br />

Die dritte Rolle schliesslich umfasst <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> als Quelle von Anwendungswissen<br />

und Nutzungserfahrung. Als primäre Empfänger und Benutzer von Produkten<br />

und Serviceangeboten können Kun<strong>den</strong> wertvolle Beiträge beim Test von Produkten<br />

liefern. Die Rolle des Kun<strong>den</strong> als Produkttester ist ke<strong>in</strong>esfalls neu. Schon lange zeigen<br />

Studien, dass Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e sehr produktive Rolle beim Testen von Prototypen<br />

und Produkten e<strong>in</strong>nehmen können (z. B. Dolan, Matthews 1993; Nielsen 1994; Dahan,<br />

Hauser 2002). E<strong>in</strong> derartiger E<strong>in</strong>satz von Kun<strong>den</strong> erfolgt sowohl bei Industrie-<br />

als auch Konsumgütern. Beispielsweise ist für die Software<strong>in</strong>dustrie sehr gut dokumentiert,<br />

wie Kun<strong>den</strong> rout<strong>in</strong>emässig als so genannte Beta-Tester e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong><br />

und die Hersteller dadurch ihre Investitionen für <strong>in</strong>terne Produkttests reduzieren<br />

können (z. B. Cusumano, Yoffie 1998; Hoch, Roed<strong>in</strong>g et al. 1999). In dieser Rolle<br />

wer<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> auch als Referenzkun<strong>den</strong> bezeichnet. Sie können ihre Erfahrungen<br />

an <strong>den</strong> Produkthersteller zurückgeben, wo diese dann zur Weiterentwicklung bzw.<br />

Überarbeitung der Produkte verwendet oder künftigen Anwendern vermittelt wer<strong>den</strong><br />

(Brockhoff 1998). Die Gruppe der Referenzkun<strong>den</strong> be<strong>in</strong>haltet auch Nutzergruppen<br />

(„Communities“) der Software<strong>in</strong>dustrie sowie Fokusgruppen der Konsumgüter<strong>in</strong>d<strong>in</strong>dustrie.<br />

Die zugrunde liegende Geme<strong>in</strong>samkeit ist dabei die Ersterprobung<br />

neuer Produkte unter realistischen E<strong>in</strong>satzbed<strong>in</strong>gungen. Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> das Testen von Produkten ermöglicht das frühzeitige Auff<strong>in</strong><strong>den</strong> von<br />

Produktschwächen und -fehlern und dadurch die Reduktion kostspieliger Überarbeitungen<br />

und Korrekturarbeiten. Ausserdem haben die Unternehmen durch die<br />

Auswahl verschie<strong>den</strong>er Kun<strong>den</strong>typen die Chance, e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Aufnahme<br />

ihrer Produkte <strong>in</strong> verschie<strong>den</strong>en Umgebungen und Nutzungszusammenhängen zu<br />

gew<strong>in</strong>nen.<br />

Herausforderungen bei der Umsetzung der Kun<strong>den</strong>rollen<br />

23 Die Softwarebranche ist <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht beispielgebend bezüglich der Kun<strong>den</strong>rollen im <strong>Innovationsprozess</strong>.<br />

Hervorzuheben s<strong>in</strong>d hier e<strong>in</strong>erseits die Agile-Comput<strong>in</strong>g-Ansätze wie z. B. Extreme Programm<strong>in</strong>g<br />

(XP), bei dem es im Rahmen e<strong>in</strong>er stark modularisierten Produktentwicklung zu zahlreichen<br />

frühen Feedbackschleifen mit dem Kun<strong>den</strong> kommt (vgl. Beck 2000; Gassmann, Sandmeier et al.<br />

forthcom<strong>in</strong>g). Andererseits stellt die sehr erfolgreiche Open-Source-Bewegung e<strong>in</strong>e Extremform der<br />

Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>novation dar, bei der die klassische Herstellerrolle komplett verschwun<strong>den</strong> ist (z. B. von Hippel<br />

2001a; von Krogh 2003).<br />

145


146 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Unternehmen sehen sich beim E<strong>in</strong>satz von Kun<strong>den</strong> als Quelle neuer Produktideen<br />

auch mit verschie<strong>den</strong>en Herausforderungen konfrontiert. Zunächst gilt es, die Auswahl<br />

der Kun<strong>den</strong> und die Entwicklung von Kontakten mit diesen kosteneffizient zu<br />

meistern. E<strong>in</strong>e grosse Herausforderung liegt auch <strong>in</strong> der Gestaltung geeigneter Anreize<br />

zur Unterstützung der Bereitschaft der Kun<strong>den</strong>, neue Ideen beizutragen. Ausserdem<br />

vergrössert die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die Produktentwicklung oft <strong>den</strong> Grad<br />

der Unsicherheit des Projektes und kann neue Mechanismen zur Überwachung und<br />

Kontrolle der Entwicklungsqualität und -effizienz erfordern (Lengnick-Hall 1996).<br />

Schliesslich s<strong>in</strong>d die Mittel zur Unterstützung dieser Interaktionen aufwändiger,<br />

teurer und im Falle von virtueller E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung auch technologie<strong>in</strong>tensiver als ausschliesslich<br />

firmen<strong>in</strong>terne Innovations<strong>in</strong>strumente. <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> muss daher<br />

sorgfältig gesteuert wer<strong>den</strong>, um sicherzustellen, dass die Vorteile der Kun<strong>den</strong>beiträge<br />

die Kosten der steigen<strong>den</strong> Systemunsicherheit sowie der zusätzlich benötigten<br />

Rahmenelemente und Unterstützungsmechanismen überwiegen. E<strong>in</strong>e weitere<br />

Schwierigkeit besteht <strong>in</strong> der Aufnahme und Weiterverarbeitung des Kun<strong>den</strong>wissens<br />

bzw. des geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> generierten Wissens. Dabei können die hohen<br />

Kosten zur Strukturierung und Kanalisierung dieser Kun<strong>den</strong>beiträge, welche durch<br />

die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur anfallen, beschränkend wirken<br />

(Nambisan 2002).<br />

Brockhoff (1997) und andere Autoren (z. B. Lengnick-Hall 1996; Enkel, Kausch<br />

et al. 2005) weisen auch auf mögliche Störungen von Produktentwicklungsprozessen<br />

durch Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>beziehung h<strong>in</strong>. Beg<strong>in</strong>nend bei der fehlerhaften I<strong>den</strong>tifizierung<br />

von Pilotkun<strong>den</strong> (<strong>in</strong>sbesondere von Lead-Usern), dem Problem der zu starken Nischenorientierung<br />

(durch zu starke Fokussierung auf die ausgewählten Kun<strong>den</strong>) und<br />

dem „Not-Invented-Here-Syndrom“ 24, reichen die Ursachen bis h<strong>in</strong> zu opportunistischem<br />

Verhalten des Kun<strong>den</strong>. Ausserdem besteht die Gefahr, dass <strong>in</strong>tegrierte Kun<strong>den</strong><br />

ihre Rolle als Mitentwickler von sich aus been<strong>den</strong> und dadurch starke Störungen<br />

des Entwicklungsprozesses bewirken. Aus diesen möglichen Störungsursachen<br />

erwachsen dem Hersteller Kosten, welche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Optimierungsproblem <strong>den</strong> Vorteilen<br />

und Erlösen gegenüberzustellen s<strong>in</strong>d (Brockhoff 1998).<br />

Tabelle 6 zeigt e<strong>in</strong>e Übersicht der Charakteristika der drei beschriebenen generischen<br />

Kun<strong>den</strong>rollen.<br />

24 Siehe dazu z. B. Katz und Allen (1982).<br />

Ressource Mitentwickler Nutzer


RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Rational Kunde wird als Informationsquellebetrachtet<br />

Ziele (primär und sekundär)<br />

Phase der Neuprodukt-entwicklung<br />

Akquisitorische und effektivitätssteigernde<br />

Ziele<br />

Problemerkennung<br />

und Ideenformulierung<br />

Ideengenerierung<br />

Kun<strong>den</strong>beiträge Bedürfnisse, Ideen,<br />

quasi-fertige Problemlösung<br />

Innovativität und Kreativität<br />

Teilnahme des Kun<strong>den</strong><br />

an Produktentwurf<br />

und<br />

-gestaltung<br />

Effizienzsteigernde<br />

und akquisitorische<br />

Ziele<br />

Entwurf/Auslegung<br />

und Entwicklung<br />

Ideenkonkretisierung<br />

Auswahl- und Auslegungs-entscheidungen <br />

Entwicklungskompetenz<br />

Kunde testet Prototypen<br />

und Produkte<br />

147<br />

Effektivitätssteigernde<br />

und akquisitorische<br />

Ziele<br />

Produkttest und Realisierung <br />

Ideenkommerzialisierung<br />

Rückmeldung aus<br />

Anwendungszusammenhang<br />

Testkompetenz<br />

Tabelle 6: Charakteristika generischer Kun<strong>den</strong>rollen im <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der frühen Innovationsphase und daher im obigen<br />

S<strong>in</strong>ne vor allem auf der Rolle des Kun<strong>den</strong> als Ressource und Ideengeber. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

ist die direkte Übernahme der vorgestellten Betrachtungsweise und damit e<strong>in</strong>e ausschliessliche<br />

Fokussierung auf diese Kun<strong>den</strong>rolle für die vorliegende Arbeit aus<br />

zwei Grün<strong>den</strong> nicht möglich:<br />

Die Rolle des Kun<strong>den</strong> als Ressource wird grösstenteils passiv gesehen (Ausnahme<br />

Lead-User). E<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Rolle des Kun<strong>den</strong> f<strong>in</strong>det sich im bisherigen<br />

Kontext vor allem später im <strong>Innovationsprozess</strong> bei der Mitentwicklung,<br />

welche typischerweise von deutlich <strong>in</strong>tensiveren und höherfrequenten Interaktionen<br />

geprägt ist als die Rolle der Ressource (z. B. Sawhney, Prandelli<br />

2000).<br />

Die bisherigen Betrachtungen liegen – durch die Berücksichtigung des gesamten<br />

Neuproduktentwicklungs- bzw. <strong>Innovationsprozess</strong>es sowie e<strong>in</strong> umfassendes<br />

Verständnis der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung generell – auf e<strong>in</strong>em zu hohen<br />

Abstraktionsniveau, um genaue Aussagen über die konkreten Beiträge der<br />

Kun<strong>den</strong> und damit detaillierter Rollenbilder der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu<br />

ermöglichen.<br />

Gerade diese genaue Differenzierung der möglichen Kun<strong>den</strong>rollen im frühen <strong>Innovationsprozess</strong><br />

stellt e<strong>in</strong>e Lücke der bisherigen Forschung dar und bildet <strong>den</strong> Kern-


148 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

punkt dieser Arbeit. Durch <strong>den</strong> gewählten Fokus auf die Frühphase und das hohe<br />

Aktivitätsniveau des Kun<strong>den</strong> (wie beim Kun<strong>den</strong> als Mitentwickler) s<strong>in</strong>d also Elemente<br />

aller drei generischen Rollen, wenn auch mit e<strong>in</strong>em Schwerpunkt auf <strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong> als Ressource, zu berücksichtigen. Wie im späteren Teil der Arbeit gezeigt<br />

wird, kann der Kunde <strong>in</strong> der Frühphase nicht nur zur I<strong>den</strong>tifikation von Gelegenheiten<br />

und Chancen, sondern auch zur geme<strong>in</strong>samen Entwicklung erster Ideen bis h<strong>in</strong><br />

zu fertigen Konzepten sowie zum Testen derselben herangezogen wer<strong>den</strong>. Wesentliche<br />

Elemente der drei generischen Rollen lassen sich somit auch auf e<strong>in</strong>em konkreteren<br />

Niveau, beschränkt auf <strong>den</strong> ersten Teilabschnitt des <strong>Innovationsprozess</strong>es,<br />

wiederf<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Diese Überlegungen zu generischen Kun<strong>den</strong>rollen wer<strong>den</strong> dem Fokus der Arbeit<br />

entsprechend <strong>in</strong> <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Abschnitten als Grundlage für die Aufstellung spezifischer<br />

Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> herangezogen.<br />

5.1.3 Organisationale Parameter<br />

In diesem Abschnitt wer<strong>den</strong> die bisherigen Erkenntnisse dazu verwendet, pr<strong>in</strong>zipielle<br />

Integrationsstrategien und spezifische Integrationsziele des Herstellers sowie dazu<br />

passende Kun<strong>den</strong>rollen zu i<strong>den</strong>tifizieren. Die im vorhergehen<strong>den</strong> Abschnitt besprochenen<br />

Herstellerziele und generischen Kun<strong>den</strong>rollen dienen dazu als Grundlage.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs können diese Ziele und Rollen nicht direkt im nächsten Schritt verwendet<br />

wer<strong>den</strong>, da sie nicht auf <strong>den</strong> vorliegen<strong>den</strong> Fokus ausgerichtet s<strong>in</strong>d. Es gilt<br />

vielmehr, basierend auf der bisherigen Forschung, mithilfe der eigenen empirischen<br />

Daten gezielter auf die Innovationsfrühphase e<strong>in</strong>zugehen und relevante Ausprägungen<br />

der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu beschreiben. Dazu wer<strong>den</strong> zunächst, aufbauend auf<br />

<strong>den</strong> Ergebnissen des Fallstudienvergleiches, drei Integrationsstrategien i<strong>den</strong>tifiziert,<br />

welche die Antriebe und H<strong>in</strong>tergründe der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> aufseiten der<br />

Hersteller abbil<strong>den</strong>.<br />

Der Fallstudienvergleich (vgl. Abschnitt 4.1) lieferte neben <strong>den</strong> relevanten Gestaltungsfeldern<br />

auch zwei Determ<strong>in</strong>anten, welche die Ausprägung früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

bestimmen. Es s<strong>in</strong>d dies der Zeitpunkt der Integration des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

frühen <strong>Innovationsprozess</strong> und die spezielle Kompetenz des Kun<strong>den</strong>, welche zu Erreichung<br />

der Ziele des Herstellers notwendig ist (vgl. Abb. 26). Die Charakteristika<br />

und Ausprägungen dieser Determ<strong>in</strong>anten wer<strong>den</strong> nun näher beschrieben.<br />

Zeitpunkt der Integration <strong>in</strong> <strong>den</strong> frühen <strong>Innovationsprozess</strong>


RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Betrachtet man die Phasen des <strong>Innovationsprozess</strong>es, so f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Literatur<br />

e<strong>in</strong>e Vielzahl an möglichen Unterteilungen. Auch wenn die e<strong>in</strong>zelnen Modelle jeweils<br />

aus unterschiedlich vielen, verschie<strong>den</strong> bezeichneten Phasen zusammengesetzt<br />

s<strong>in</strong>d, so lassen sich doch als geme<strong>in</strong>samer Nenner drei generische Grundschritte<br />

i<strong>den</strong>tifizieren. Jeder prototypische <strong>Innovationsprozess</strong> setzt sich aus <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong><br />

Elementen zusammen: e<strong>in</strong>er Phase, <strong>in</strong> der Ideen gesammelt oder entwickelt<br />

wer<strong>den</strong> („Ideengenerierung“), e<strong>in</strong>er weiteren, <strong>in</strong> der diese Ideen weiterentwickelt<br />

und spezifiziert wer<strong>den</strong> („Ideenkonkretisierung“) und schliesslich e<strong>in</strong>er dritten, <strong>in</strong><br />

der die eigentliche Wertschöpfung passiert und die Ideen <strong>in</strong> Produkte umgewandelt<br />

wer<strong>den</strong> („Ideenkommerzialisierung“) (vgl. Cooper, Kle<strong>in</strong>schmidt 1988; Gerpott<br />

1999; Koen, Ajamian et al. 2001). In ähnlicher Weise bezeichnet Kirchmann (1994)<br />

diese drei pr<strong>in</strong>zipiellen Schritte als Problemerkennung, Entwicklung und Realisierung.<br />

Kle<strong>in</strong>altenkamp und Dahlke (1998) nennen sie Problemi<strong>den</strong>tifikation, Entwurf<br />

der Problemlösung und Realisierung der selektierten Lösung. Im Fokus dieser<br />

Arbeit liegt nach diesen E<strong>in</strong>teilungen vor allem die erste Phase der Problemerkennung<br />

und Ideenformulierung sowie im Übergangsbereich auch noch der Beg<strong>in</strong>n des<br />

eigentlichen Neuproduktentwicklungsprozesses. 25 Zur genaueren Betrachtung dieses<br />

– im englischen Sprachraum oft „Fuzzy Front End“ (FFE) genannten – frühen<br />

Innovationsbereiches schlägt die amerikanische Product Development & Management<br />

Association (PDMA) e<strong>in</strong> Modell vor, welches aus fünf Segmenten besteht<br />

(Koen, Ajamian et al. 2002). Diese s<strong>in</strong>d nicht sequenziell, sondern kreisförmig angeordnet,<br />

um dem zufälligen und unscharfen Charakter des FFE gerecht zu wer<strong>den</strong>.<br />

Nach der I<strong>den</strong>tifizierung der Gelegenheit („Opportunity“), folgt deren Analyse,<br />

dann die Ideengenerierung, Ideenanreicherung und Ideenauswahl („Idea“) sowie<br />

abschliessend die Konzeptdef<strong>in</strong>ition („Concept“). Dabei kann der <strong>Innovationsprozess</strong><br />

bei jedem e<strong>in</strong>zelnen dieser Elemente beg<strong>in</strong>nen und es müssen nicht notwendigerweise<br />

immer alle drei Segmente <strong>in</strong> voller Länge bzw. e<strong>in</strong>er vorgegebenen Reihenfolge<br />

durchlaufen wer<strong>den</strong>.<br />

25 Für diese Arbeit wurde e<strong>in</strong> dreistufiges <strong>Innovationsprozess</strong>model gewählt: Frühphase (FFE) – Neuproduktentwicklungsphase<br />

(NPD) – Kommerzialisierungsphase (vgl. Gerpott 1999 und Brockhoff 2002 zu<br />

unterschiedlichen Abgrenzungen betriebswirtschaftlicher <strong>Innovationsprozess</strong>e).<br />

149


150 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

<strong>Frühe</strong>r <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Gelegenheitsphase Ideenphase Konzeptphase<br />

• Gelegenheitsi<strong>den</strong>tifizierung<br />

• Gelegenheitsanalyse<br />

• Ideengenerierung<br />

• Ideenbereicherung<br />

• Ideenselektion<br />

• Konzeptdef<strong>in</strong>ition<br />

Quelle: In Anlehnung an Koen, Ajamian et al. (2002)<br />

Abbildung 29: Phasen des frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

Für diese Arbeit wird aus Grün<strong>den</strong> der Übersichtlichkeit auf e<strong>in</strong> dreistufiges sequenzielles<br />

Modell zurückgegriffen, welches aus dem PDMA-Modell die drei<br />

Grundbauste<strong>in</strong>e Gelegenheit, Idee und Konzept übernimmt (vgl. Abb. 29). E<strong>in</strong> derartiger<br />

Ablauf stellt zwar gegenüber <strong>den</strong> meisten realen <strong>Innovationsprozess</strong>en e<strong>in</strong>e<br />

Vere<strong>in</strong>fachung dar, er ermöglicht aber e<strong>in</strong>e Strukturierung der folgen<strong>den</strong> Überlegungen<br />

gerade im H<strong>in</strong>blick auf die jeweils benötigten Kun<strong>den</strong>beiträge. Aus <strong>den</strong><br />

Charakteristika der e<strong>in</strong>zelnen Phasen können Rückschlüsse auf die jeweils notwendigen<br />

Beiträge im Allgeme<strong>in</strong>en und auf die Inputs der Kun<strong>den</strong> im Besonderen gezogen<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

Kompetenz des Kun<strong>den</strong><br />

Die Kun<strong>den</strong> müssen e<strong>in</strong> passendes Kompetenzprofil aus speziellem Wissen und Fähigkeiten<br />

aufweisen, um die vom Hersteller gewünschten Beiträge leisten zu können.<br />

Dabei kann auf e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>haltlichen Ebene pr<strong>in</strong>zipiell zwischen zwei grossen Bereichen<br />

unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, dem Marktwissen und dem technischen Wissen (vgl.<br />

Gassmann, Gaso 2004). Beide Teilgebiete wer<strong>den</strong> im Folgen<strong>den</strong> noch genauer unterteilt,<br />

um die hohe Spezifität der Kun<strong>den</strong>beiträge darstellen zu können.<br />

Die Marktkompetenz des Kun<strong>den</strong> kann entweder <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Erfahrung als Benutzer<br />

des Produktes oder <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Kenntnis des Marktes begründet se<strong>in</strong>. Die zwei entsprechen<strong>den</strong><br />

Ausprägungen können daher als applikationsbezogenes bzw. chancenbezogenes<br />

Marktwissen bezeichnet wer<strong>den</strong>.<br />

Das applikationsbezogene Marktwissen – kurz Applikationswissen – beruht auf der<br />

Anwenderrolle und stellt die klassische Kompetenz e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> <strong>den</strong> Entwicklungsprozess<br />

e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong> dar (von Hippel 1988; Leonard-Barton 1995; Brockhoff<br />

1998). Es tritt im hier betrachteten Rahmen allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er speziellen Aus-


RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

prägung auf, da am Ende der Innovationsfrühphase, am Beg<strong>in</strong>n des eigentlichen<br />

Neuproduktentwicklungsprozesses meistens noch ke<strong>in</strong>e Prototypen des kompletten<br />

Produktes, sondern erst Konzeptentwürfe vorliegen. Dies zeigt beispielsweise das<br />

Creative Center der Bayer MaterialScience. Dort wer<strong>den</strong> am Ende der Frühphase<br />

geprüfte Konzepte zusammen mit genau def<strong>in</strong>ierten Unterlagen (e<strong>in</strong>er so genannten<br />

„Balanced Innovation Card“) an die Produktentwicklung übergeben und erst damit<br />

der eigentliche Neuproduktentwicklungsprozess gestartet. Die Erfahrungen des<br />

Kun<strong>den</strong> mit bestehen<strong>den</strong> Produkten wer<strong>den</strong> daher <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Fällen nicht ausreichen,<br />

um auch komplett neue Konzepte beurteilen und an deren Verfe<strong>in</strong>erung<br />

mitwirken zu können. 26 Kun<strong>den</strong> müssen daher e<strong>in</strong>e spezielle Kompetenz aufweisen,<br />

um zur Beurteilung dieser Konzepte bzw. der Konzeptentwürfe herangezogen zu<br />

wer<strong>den</strong>. Obwohl es noch ke<strong>in</strong>en Prototypen des Produktes gibt und das Konzept –<br />

unter der Annahme mittlerer bis grosser Innovationshöhen – zu fundamental neuen<br />

Produkten führen kann, müssen sie <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, qualifizierte Rückmeldungen<br />

zu geben und <strong>in</strong>teraktiv an der Verfe<strong>in</strong>erung des Konzepte mitzuarbeiten. Dazu bedarf<br />

es mehr als e<strong>in</strong>facher Anwendungserfahrungen mit existieren<strong>den</strong> Produkten.<br />

Zur bewussten Abgrenzung von klassischem Applikationswissen soll dieses Wissen<br />

daher „vorausschauendes Applikationswissen“ genannt wer<strong>den</strong>. Dieses beruht zwar<br />

auf dem Applikationswissen über bestehende Produkte, be<strong>in</strong>haltet zusätzlich aber<br />

auch die Fähigkeiten zur Abschätzung des Produktpotenzials aus Anwendersicht<br />

und zur Formulierung konstruktiver Verbesserungsvorschläge. Kun<strong>den</strong> qualifizieren<br />

sich für derartige Aufgaben, wenn aus ihrem grundsätzlichen für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

geeigneten Kompetenzprofil 27 besonders das Interesse an neuen Lösungen<br />

und das Prozessverständnis zur Vorstellung der fertigen, auf dem zu beurteilen<strong>den</strong><br />

Konzept aufbauen<strong>den</strong>, Produkte stark hervorstechen.<br />

Die zweite spezifische Ausprägung der Marktkompetenz des Kun<strong>den</strong> bezieht sich<br />

auf se<strong>in</strong>e Fähigkeit, Marktchancen vorherzusagen. Dies bedeutet, dass der Kunde <strong>in</strong><br />

der Lage ist, geme<strong>in</strong>sam mit dem Hersteller zu e<strong>in</strong>em sehr frühen Zeitpunkt – am<br />

eigentlichen Beg<strong>in</strong>n des <strong>Innovationsprozess</strong>es – aktuelle Trends und Entwicklungen<br />

vorherzusagen bzw. abzuschätzen. Dies erfolgt naturgemäss auf e<strong>in</strong>er übergeordneten<br />

Betrachtungsebene und kann breite gesellschaftliche bzw. technologische Ent-<br />

26 Aus diesem Umstand entspr<strong>in</strong>gt das oft vorgebrachte Argument, dass Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die Innovationsfrühphase<br />

kontraproduktiv wäre bzw. zu ke<strong>in</strong>en grossen Innovationssprüngen führt (z. B. Conway,<br />

McGu<strong>in</strong>ness 1986; Atuahene-Gima 1995; Henard, Szymanski 2001). Für durchschnittliche Kun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d<br />

diese Aussagen e<strong>in</strong>leuchtend. Umso mehr ergibt sich also die Notwendigkeit, ausgewählte Kun<strong>den</strong> mit<br />

speziellen Kompetenzprofilen auszuwählen, um der „<strong>in</strong>krementellen Innovationsfalle“ zu entgehen.<br />

27 Pr<strong>in</strong>zipiell benötigen Kun<strong>den</strong> für alle Rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong> Bündel an Grundkompetenzen<br />

aus Innovationsfreude und -bereitschaft sowie e<strong>in</strong>er besonders tiefen oder breiten Erfahrung mit<br />

<strong>den</strong> Produkten des Herstellers bzw. Substitutionsprodukten.<br />

151


152 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

wicklungen betreffen, welche noch ke<strong>in</strong>e direkten Bezüge zu <strong>den</strong> Produkten und<br />

Technologien des Herstellers erkennen lassen. Diese Kompetenz ist typisch für das<br />

B-2-B-Umfeld. Grosse Unternehmen – gerade wenn sie am Ende der Wertschöpfung<br />

stehen und ihre Produkte direkt an Benutzer verkaufen – versuchen <strong>in</strong> vielen<br />

Fällen, die Zukunft ihrer Märkte mit Szenariotechniken und Zukunftsanalysen vorherzusagen<br />

bzw. <strong>den</strong> Blick für neue Marktchancen zu schärfen. Wer<strong>den</strong> solche Unternehmen,<br />

<strong>in</strong> ihrer Rolle als Kun<strong>den</strong>, von e<strong>in</strong>em ihrer Zulieferer <strong>in</strong> dessen Innovationsfrühphase<br />

<strong>in</strong>tegriert, so kann dieser im Dialog wertvolle H<strong>in</strong>weise für die Entwicklung<br />

se<strong>in</strong>er eigenen Märkte und die erforderliche Richtung se<strong>in</strong>er Innovationsaktivitäten<br />

gew<strong>in</strong>nen. Kun<strong>den</strong> müssen also quasi die Kompetenz e<strong>in</strong>es „Trend-<br />

Scouts“ mitbr<strong>in</strong>gen, um für derartige Aufgaben geeignet zu se<strong>in</strong>.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell spielen die bei<strong>den</strong> Pole des Marktwissens bei jeder Art von <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

e<strong>in</strong>e Rolle und müssen daher auf e<strong>in</strong>em gewissen Grundniveau bei allen<br />

potenziellen Integrationskandidaten vorhan<strong>den</strong> se<strong>in</strong>. Die hier vorgestellte Unterteilung<br />

zeigt aber über diese grundsätzliche Qualifikation h<strong>in</strong>ausgehende Kompetenzen<br />

(d. h. Kompetenzprofilschwerpunkte), welche bei der Kun<strong>den</strong>auswahl für spezifische<br />

Rollen entschei<strong>den</strong>de Bedeutung haben.<br />

Der zweite grosse Wissensblock, die Technologiekompetenz des Kun<strong>den</strong>, liegt im<br />

Produktbereich und be<strong>in</strong>haltet zwei spezielle Wissensbereiche. E<strong>in</strong>erseits das Feld<br />

der Kernkompetenz des Herstellers und andererseits Fachwissen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en dazu<br />

komplementären produktbezogenen Bereich. Auf dem Feld der Fachkompetenz des<br />

Herstellers kann der Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong> gleichberechtigter Partner se<strong>in</strong>, wenn er ebenfalls<br />

über tiefes Wissen auf diesem Gebiet verfügt. Er ist dann <strong>in</strong> der Lage, als Teil des<br />

Innovationsteams e<strong>in</strong>e breite Palette an Aufgaben zu übernehmen. Die Kernkompetenz<br />

des Herstellers kann dabei technischer Natur se<strong>in</strong> oder auf e<strong>in</strong>em anderen produktbezogenen<br />

Gebiet liegen. Auf dem Gebiet des zum Hersteller komplementären<br />

technischen bzw. sonstigen Wissens kann der Kunde beispielsweise spezielle Fähigkeiten<br />

im Bereich der System<strong>in</strong>tegration, des Produktdesigns oder des Market<strong>in</strong>gs<br />

aufweisen. Durch e<strong>in</strong>e Bündelung derartiger Kompetenzen des Kun<strong>den</strong> mit<br />

<strong>den</strong>en des Herstellers entsteht e<strong>in</strong> Potenzial Innovationen zu realisieren, zu <strong>den</strong>en<br />

der Hersteller alle<strong>in</strong>e nicht <strong>in</strong> der Lage gewesen wäre.<br />

Die Kompetenzen des Lead-Users – so wie er <strong>in</strong> der Literatur beschrieben wird<br />

(z. B. von Hippel 1986; Herstatt, von Hippel 1992; Lüthje, Herstatt 2004) – liegen<br />

für beide Wissensfelder (Markt und Technologie) im jeweiligen Mittelbereich, ohne<br />

spezielle Ausprägung <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>es spezifischen Kompetenzschwerpunktes.<br />

Der klassische Lead-User verfügt, obwohl er teilweise selbst an <strong>den</strong> bestehen<strong>den</strong><br />

Produkten Verbesserungen vornimmt oder eigene Prototypen entwirft, über ke<strong>in</strong>


RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

ausgeprägtes technisches Spezialwissen. Ausserdem benötigt er auch ke<strong>in</strong>e das Herstellerwissen<br />

ergänzen<strong>den</strong> Kompetenzen. Er zeichnet sich vielmehr durch se<strong>in</strong>e<br />

speziellen „<strong>in</strong>novativen“ Bedürfnisse sowie e<strong>in</strong>en grossen Problemdruck zur Befriedigung<br />

derselben aus. Auf der Seite des Marktwissens kann er ebenfalls zwischen<br />

<strong>den</strong> bei<strong>den</strong> betrachteten speziellen Wissensgebieten e<strong>in</strong>geordnet wer<strong>den</strong>. Er<br />

muss ke<strong>in</strong> Spezialist für die I<strong>den</strong>tifikation von Trends se<strong>in</strong>, da dieser Schritt bereits<br />

vor se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung erfolgt, sollte aber neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen<br />

se<strong>in</strong>. Auch die Beurteilung und Auswahl von bereits vorliegen<strong>den</strong> Konzepten<br />

ist nicht der Hauptgrund se<strong>in</strong>er Integration – dieser liegt vielmehr <strong>in</strong> der Generierung<br />

und Vertiefung von Ideen für Konzepte sowie <strong>in</strong> der Konzeptformulierung<br />

und -entwicklung.<br />

E<strong>in</strong>en zusammenfassen<strong>den</strong> Überblick über die i<strong>den</strong>tifizierten potenziellen Kompetenzfelder<br />

der Kun<strong>den</strong> gibt Abbildung 30.<br />

153


154 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Marktwissen des Kun<strong>den</strong><br />

Chancenbezogen Applikationsbezogen<br />

Kenntnis neuester<br />

Marktentwicklungen<br />

Gespür für kommende<br />

Entwicklungen und Trends<br />

Potenzialabschätzung neuer<br />

(technologischer) Lösungen<br />

Erfahrung als Benutzer oder<br />

Anwender<br />

Praxis mit bestehen<strong>den</strong><br />

Produkten oder<br />

Substitutionsprodukten<br />

Möglicherweise Feedback zu<br />

selbst entwickelten Prototypen<br />

Technisches Wissen des Kun<strong>den</strong><br />

Kongruent Komplementär<br />

Überdurchschnittliches<br />

Fachwissen auf dem Gebiet<br />

der Kernkompetenz des<br />

Herstellers<br />

Im technologischen Bereich<br />

notwendig zur Spezifikation<br />

des <strong>in</strong>novativen Produktes<br />

Fachwissen auf e<strong>in</strong>em die<br />

Expertise des Herstellers<br />

ergänzen<strong>den</strong> Feld<br />

Bei technischen Produkten<br />

kann dieses beispielsweise <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Bereichen der<br />

System<strong>in</strong>tegration, des Designs<br />

oder des Market<strong>in</strong>gs liegen<br />

Abbildung 30: Dimensionen der Kompetenzen des Kun<strong>den</strong><br />

5.2 Integrationsstrategien des Herstellers<br />

Mithilfe der bei<strong>den</strong> beschriebenen Determ<strong>in</strong>anten – Zeitpunkt der Integration <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

frühen <strong>Innovationsprozess</strong> und Kompetenz des Kun<strong>den</strong> – wird nun e<strong>in</strong> Rahmen für<br />

die weitere Analyse aufgespannt. Dar<strong>in</strong> wer<strong>den</strong> im Folgen<strong>den</strong> aus Sicht des Herstellers<br />

zwei grundsätzliche Strategien für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> sowie vier spezifische<br />

Herstellerziele samt entsprechender Kun<strong>den</strong>rollen i<strong>den</strong>tifiziert und beschrieben.<br />

5.2.1 Fokus auf Effektivität<br />

Diese Strategie manifestiert sich <strong>in</strong> zwei Ausprägungen. Am Anfang der Innovationsfrühphase<br />

mit dem Rational der Auswahl der richtigen Gelegenheit bzw. des<br />

richtigen Innovationsfeldes und am Ende bei der Selektion und Verfe<strong>in</strong>erung des <strong>in</strong><br />

der Entwicklungsphase weiter zu verfolgen<strong>den</strong> Konzeptes.


INTEGRATIONSSTRATEGIEN DES HERSTELLERS<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n des <strong>Innovationsprozess</strong>es zielt diese Strategie auf die I<strong>den</strong>tifizierung<br />

neuer Gelegenheiten und Chancen mithilfe der <strong>aktive</strong>n Integration des Kun<strong>den</strong>. Der<br />

Hersteller trachtet danach, wertvolle Impulse für <strong>den</strong> weiteren Verlauf des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

zu erhalten, se<strong>in</strong> spezifisches Ziel ist die Trendi<strong>den</strong>tifikation. Daher<br />

liegt der Fokus auf Trends und Szenarios, welche neue Gelegenheiten im Markt<br />

aufzeigen. Dabei wird zunächst nicht nach e<strong>in</strong>er spezifischen neuen Technologie<br />

gesucht, auch wenn die Integration <strong>in</strong> grundlegen<strong>den</strong> Technologieroadmaps zur<br />

Nutzung der i<strong>den</strong>tifizierten Chancen resultieren kann. Trotz ihrer Ausrichtung auf<br />

die Marktseite hat dieser Teil der effektivitätsfokussierten <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> primär<br />

ke<strong>in</strong>en Akquisitionscharakter, sondern dient vor allem der Risikoreduktion<br />

durch e<strong>in</strong>en frühen und engen Marktkontakt und damit vor allem der Effektivitätssteigerung.<br />

Die technologische Kompetenz des Kun<strong>den</strong> kann bei diesem Integrationsziel<br />

zwar auch e<strong>in</strong>e Rolle spielen, ist aber auf je<strong>den</strong> Fall dem Marktwissen untergeordnet.<br />

Die Rolle des Kun<strong>den</strong> ist die e<strong>in</strong>es Sensors für neue Gelegenheiten und Marktentwicklungen.<br />

Der konkrete vom Kun<strong>den</strong> geleistete Beitrag besteht aus Informationen<br />

über Trends, neue Technologien oder Marktentwicklungen. So b<strong>in</strong>det das Creative<br />

Center der Bayer MaterialScience zur I<strong>den</strong>tifikation neuer Geschäftsmöglichkeiten<br />

bereits ganz am Anfang des <strong>Innovationsprozess</strong>es Automobilhersteller e<strong>in</strong>. Es<br />

kommt dabei zur geme<strong>in</strong>samen Diskussion von Szenarien und dadurch zur I<strong>den</strong>tifikation<br />

relevanter Trends. Diese wer<strong>den</strong> dann <strong>in</strong>nerhalb des Creative Centers angereichert<br />

und im weiteren Verlauf des Prozesses unter e<strong>in</strong>er anderen Zielsetzung,<br />

aber wieder unter E<strong>in</strong>bezug ausgewählter Kun<strong>den</strong>, zu Konzepten weiterentwickelt.<br />

Betrachtet man das Ende der Innovationsfrühphase, so spielen Kun<strong>den</strong> auch dort im<br />

S<strong>in</strong>ne der effektivitätsfokussierten Strategie e<strong>in</strong>e wichtige Rolle und es gibt zahlreiche<br />

Wege, ihren Input zu nutzen. Beispiele s<strong>in</strong>d die Generierung und der Test von<br />

Konzepten oder die Selektion der beliebtesten Problemlösungen und Konzeptentwürfe<br />

(z. B. Dahan, Hauser 2002; Kohn, Niethammer 2002). Generell bezweckt der<br />

Hersteller mit e<strong>in</strong>er derartigen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>e Konzeptverfe<strong>in</strong>erung.<br />

Die Rolle des Kun<strong>den</strong> liegt hier dar<strong>in</strong>, Hilfe bei der Suche, Auswahl – daher der<br />

Name Selektor – und Verfe<strong>in</strong>erung der richtigen Lösung zu leisten. Lösung<br />

bedeutet <strong>in</strong> diesem Zusammenhang e<strong>in</strong> geprüftes Konzept für die vorher<br />

i<strong>den</strong>tifizierte Gelegenheit bzw. das behandelte Problem. Dieses Konzept muss nach<br />

Beendigung dieser Phase fertig für die Übergabe an <strong>den</strong> eigentlichen<br />

Neuproduktentwicklungsprozess se<strong>in</strong>. Zu diesem Zeitpunkt der Frühphase erfolgt<br />

die Qualifikation des Kun<strong>den</strong> für e<strong>in</strong>e Integration nicht mehr aufgrund e<strong>in</strong>es<br />

spezifischen technischen Wissens, sondern vielmehr durch se<strong>in</strong>e Expertise als<br />

155


156 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

potenzieller zukünftiger Nutzer und damit se<strong>in</strong>e Applikationskompetenz.<br />

Aufbauend auf bereits vorhan<strong>den</strong>en Ideen und Konzeptentwürfen – entweder <strong>in</strong>tern<br />

beim Hersteller entwickelt oder zusammen mit externen Partnern beispielsweise<br />

Kun<strong>den</strong> – wird das endgültige Konzept normalerweise aus e<strong>in</strong>er Gruppe<br />

verschie<strong>den</strong>er Optionen ausgewählt und verfe<strong>in</strong>ert. Es wer<strong>den</strong> also aus bestehen<strong>den</strong><br />

Ideen Konzepte entwickelt, welche dann <strong>in</strong> <strong>den</strong> eigentlichen Entwicklungsprozess<br />

e<strong>in</strong>gebracht wer<strong>den</strong> können. Auf dem Gebiet der Auswahl und Evaluierung durch<br />

<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> wächst die Anwendung neuer IT-Tools zur Verbesserung der<br />

Schnittstelle zwischen Hersteller und Kunde rapide. Neue Produktkonzepte,<br />

Prototypen und Vorserienmodelle können von <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> schneller, mit grösserer<br />

Genauigkeit und mit niedrigeren Kosten evaluiert wer<strong>den</strong>, wenn virtuelle<br />

Neuproduktentwicklungswerkzeuge angewandt wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e Forschungs<strong>in</strong>itiative<br />

am Massachusetts Institute of Technology (MIT) – genannt „Virtual Customer<br />

Initiative“ – arbeitet an der Erforschung und Entwicklung solcher Werkzeuge (vgl.<br />

Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002).<br />

Manche Firmen erweitern die ursprüngliche Def<strong>in</strong>ition des Lead-Users, <strong>in</strong>dem sie<br />

Kun<strong>den</strong>, welche eigentlich e<strong>in</strong>e Selektor-Rolle e<strong>in</strong>nehmen, als Lead-User<br />

bezeichnen (siehe dazu auch das Fallbeispiel Hilti <strong>in</strong> Abschnitt 3.4). Die<br />

effizienzfokussierte Integrationsstrategie ist auch eng mit <strong>den</strong> Metho<strong>den</strong> der<br />

Fokusgruppen und Kun<strong>den</strong>kl<strong>in</strong>iken aus der Marktforschung verwandt. Das<br />

wesentliche Unterscheidungsmerkmal ist aber die <strong>aktive</strong> Rolle der Kun<strong>den</strong> und<br />

damit verbun<strong>den</strong> deren anspruchsvolles Kompetenzprofil. Daher spielt dabei auch,<br />

im Gegensatz beispielsweise zu <strong>den</strong> vom Market<strong>in</strong>g dom<strong>in</strong>ierten Fokusgruppen, die<br />

F&E-Abteilung des Herstellers e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle. Die traditionellen<br />

Aktivitäten der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung sollen aber ke<strong>in</strong>esfalls durch die frühe<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ersetzt wer<strong>den</strong>. Diese baut vielmehr auf <strong>den</strong> bereits etablierten<br />

Metho<strong>den</strong> auf und ergänzt diese.<br />

Die übergeordneten strategischen Ziele des Herstellers im effektivitätsfokussierten<br />

Strategietyp s<strong>in</strong>d primär e<strong>in</strong> Streben nach Risikom<strong>in</strong>imierung und damit nach e<strong>in</strong>er<br />

Effektivitätssteigerung. Sehr oft spielen <strong>in</strong> diesen Phasen aber auch akquisitorische<br />

Ziele e<strong>in</strong>e Rolle. Der Kunde erfährt durch se<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Mitwirkung an Ideenf<strong>in</strong>dung<br />

sowie Auswahl und Verfe<strong>in</strong>erung des Konzeptes Anerkennung und Respekt.<br />

Dadurch fühlt er sich <strong>in</strong> gewisser H<strong>in</strong>sicht an <strong>den</strong> Hersteller gebun<strong>den</strong> und ist <strong>in</strong><br />

vielen Fällen auch stärker motiviert, Produkte des Herstellers zu kaufen.<br />

5.2.2 Fokus auf Effizienz


INTEGRATIONSSTRATEGIEN DES HERSTELLERS<br />

Im Mittelpunkt dieser für <strong>den</strong> B-to-B-Bereich typischen Strategie stehen die<br />

technologischen Kompetenzen des Kun<strong>den</strong>. E<strong>in</strong> Hersteller muss zwar zur<br />

erfolgreichen Entwicklung und Herstellung se<strong>in</strong>er Produkte über alle notwendigen<br />

Kompetenzen verfügen, diese jedoch nicht notwendigerweise zu jedem Zeitpunkt<br />

im eigenen Haus besitzen. Hier manifestiert sich deutlich das neue Paradigma e<strong>in</strong>es<br />

offenen <strong>Innovationsprozess</strong>es. Falls es dem Hersteller vorteilhaft ersche<strong>in</strong>t,<br />

notwendige Kompetenzen Externer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Prozesse zu <strong>in</strong>tegrieren, so wird er<br />

dieses tun. Mit Blickw<strong>in</strong>kel auf nachgelagerte Wertschöpfungsstufen bedeutet dies<br />

die Integration von <strong>in</strong>novativen, fortschrittlichen Kun<strong>den</strong>, welche – neben ihrer<br />

immanenten Expertise bezüglich ihrer Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen –<br />

e<strong>in</strong> hohes Niveau an technischem Wissen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> des Herstellers<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können. Ziel ist die Suche nach Synergien im technischen,<br />

produktbezogenen Wissensbereich (im Feld der Kernkompetenz des Herstellers<br />

oder komplementär dazu) und deren Nutzung zur Generierung <strong>in</strong>novativer<br />

Lösungen. Die Kun<strong>den</strong> müssen daher für derartige kooperative <strong>Innovationsprozess</strong>e<br />

offen und sensibilisiert se<strong>in</strong>, um zu diesem Ansatz zu passen. Die Nutzung des<br />

Marktwissens der Kun<strong>den</strong> hat nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Bedeutung für die<br />

effizienzfokussierte Integrationsstrategie, <strong>in</strong>nerhalb derer im Folgen<strong>den</strong> drei<br />

verschie<strong>den</strong>e Kun<strong>den</strong>rollen unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />

Die erste Rolle ist die des klassischen Lead-Users. Das von von Hippel bereits <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> 1980er-Jahren entwickelte Lead-User-Konzept stellt <strong>den</strong> Prototyp dieses<br />

Strategietyps dar (von Hippel 1976; 1977; 1988). Von Hippel stellte fest, dass<br />

Kun<strong>den</strong> bzw. Benutzer e<strong>in</strong>es bestimmten Produktes wesentlich für die schnelle und<br />

erfolgreiche Entwicklung <strong>in</strong>novativer neuer Produkte se<strong>in</strong> können. Dabei wer<strong>den</strong><br />

Lead-User als Kun<strong>den</strong> beschrieben, welche schon heute Bedürfnisse aufweisen, die<br />

erst Monate oder Jahre später allgeme<strong>in</strong> relevant se<strong>in</strong> wer<strong>den</strong>, d.h. die e<strong>in</strong>en Bedarf<br />

lange vor dem restlichen Markt verspüren. Zusätzlich lässt sie ihre Situation stark<br />

von e<strong>in</strong>er Befriedigung dieser Bedürfnisse bzw. e<strong>in</strong>er Lösung ihrer Probleme<br />

profitieren. Der Lead-User zeichnet sich also durch e<strong>in</strong> spezielles Bedürfnisprofil<br />

aus, er muss aber zusätzlich sowohl auf der technischen als auch der<br />

anwendungsbezogenen Wissensebene gewisse Kompetenzen aufweisen, welche<br />

se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> das Zentrum des frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es ermöglichen.<br />

Lead-User haben <strong>in</strong> vielen Fällen genug technologische Kompetenz und<br />

Problemdruck, um selbst mit der Verbesserung bestehender Produkte oder sogar mit<br />

der Entwicklung eigener Prototypen zu beg<strong>in</strong>nen. Trotzdem müssen Lead-User<br />

weder bezüglich ihres technischen Wissens noch ihres Marktwissens ausgewiesene<br />

Spezialisten se<strong>in</strong>.<br />

157


158 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Von Hippel beschreibt anhand e<strong>in</strong>es fünfstufigen Prozesses, wie Lead-User zu<br />

i<strong>den</strong>tifizieren und ihre Kompetenzen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Neuproduktentwicklungsprozess zu<br />

<strong>in</strong>tegrieren s<strong>in</strong>d. Am Beg<strong>in</strong>n steht dabei die I<strong>den</strong>tifikation neuer Markttrends und<br />

Produktgelegenheiten. Nach der Auswahl geeigneter Lead-User wird <strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Workshops mit Vertretern des Herstellers versucht, Informationen<br />

über ihre speziellen Bedürfnisse und Anforderungen zu erhalten. Daraus können<br />

erste mögliche Lösungen und darauf aufbauende Produktkonzepte generiert wer<strong>den</strong>.<br />

Diese Konzepte müssen schliesslich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em grösseren Rahmen getestet wer<strong>den</strong>,<br />

um die Übertragbarkeit der Lead-User-Bedürfnisse auf <strong>den</strong> allgeme<strong>in</strong>en Markt<br />

abzuschätzen zu können (vgl. z. B. Herstatt, von Hippel 1992). Es wer<strong>den</strong> also<br />

pr<strong>in</strong>zipiell Kun<strong>den</strong> gesucht, welche eigene Problemlösungen entwerfen bzw.<br />

entwickeln können und bereit s<strong>in</strong>d, diese im Rahmen e<strong>in</strong>es Lead-User-Workshops<br />

mit dem Hersteller zu e<strong>in</strong>em tragfähigen Konzeptentwurf zu verfe<strong>in</strong>ern. Aktuelle<br />

Publikationen zu diesem Thema zeigen, dass Lead-User-Projekte im Vergleich zu<br />

traditionellen Innovationsprojekten e<strong>in</strong>en höheren Anteil an radikal neuen<br />

Produkten hervorbr<strong>in</strong>gen. Die Hauptgründe dafür wer<strong>den</strong> dar<strong>in</strong> gesehen, dass durch<br />

die Zusammenarbeit mit Lead-Usern Informationen über Bedürfnisse und Lösungen<br />

von <strong>den</strong> führen<strong>den</strong> Bereichen des Zielmarktes bzw. von Märkten mit ähnlichen<br />

Problemen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er extremen Form verarbeitet wer<strong>den</strong> (Lilien, Morrison et al.<br />

2002). Es ist allerd<strong>in</strong>gs zu beachten, dass Lead-User nicht <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong>, um die<br />

neuesten Trends und Marktchancen zu f<strong>in</strong><strong>den</strong> – dies wird bei dieser Methode<br />

bereits vor der Kun<strong>den</strong>auswahl durchgeführt. Das Ziel ihrer Integration liegt auch<br />

nicht dar<strong>in</strong>, Konzepte zu Ende zu entwickeln oder zu selektieren, da das Hauptziel<br />

ihrer Integration die Hilfestellung bei der Erarbeitung von Konzeptentwürfen ist,<br />

welche dann im nächsten Abschnitt der Innovationsfrühphase weiterentwickelt<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong> aktuelles Beispiel für die erfolgreiche Anwendung des Lead-User-<br />

Ansatzes stellt die Mediz<strong>in</strong>altechniksparte des amerikanischen 3M-Konzerns<br />

dar. Sie suchte gezielt nach Anwendern bzw. potenziellen Anwendern, welche<br />

<strong>in</strong>novative oder andersartige technologische Lösungen für das elementare<br />

Problem der Wunddes<strong>in</strong>fektion während e<strong>in</strong>er Operation gefun<strong>den</strong> oder<br />

entwickelt hatten. Man wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Parallelmarkt, nämlich der<br />

Veter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>, fündig und entwickelte geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>en<br />

Tierärzten die Ideen für e<strong>in</strong> radikal neues Konzept <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />

Des<strong>in</strong>fektionsfolie. 28<br />

28 Basierend auf von Hippel, Thomke et al. (1999).


INTEGRATIONSSTRATEGIEN DES HERSTELLERS<br />

In eigenen Interviews bei der Firma Hilti AG aus Schaan kam die Bedeutung der<br />

technologischen Innovationskompetenz e<strong>in</strong>zelner Kun<strong>den</strong> ebenfalls zum Ausdruck.<br />

So wer<strong>den</strong> bei Hilti über die Marktorganisationen i<strong>den</strong>tifizierte Anwender, welche<br />

eigene Prototypen für neue Geräte entwickelt haben bzw. an Hilti-Produkten<br />

Modifikationen vorgenommen haben, gezielt kontaktiert. Bei beidseitigem Interesse<br />

wer<strong>den</strong> diese Kun<strong>den</strong> von <strong>den</strong> jeweils betroffenen Geschäftse<strong>in</strong>heiten zu Lead-<br />

User-Workshops im oben beschriebenen S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>.<br />

Neben der für <strong>den</strong> Lead-User typischen Mischung aus „<strong>in</strong>novativem“<br />

Bedürfnisprofil, Anwendungswissen und grundsätzlicher technologischer<br />

Kompetenz, zeichnen sich die bei<strong>den</strong> anderen Rollen <strong>in</strong>nerhalb dieses Strategietyps<br />

durch spezielle Ausprägungen ihres technischen Wissens aus. Komplementäres<br />

Wissen bzw. komplementäre Fähigkeiten, welche die Möglichkeiten des Herstellers<br />

abrun<strong>den</strong>, bil<strong>den</strong> die zweite grosse Gruppe mit dem spezifischen Herstellerziel e<strong>in</strong>er<br />

Innovationsverstärkung. In diesem Fall sucht der Hersteller Unterstützung nicht<br />

bezüglich se<strong>in</strong>er Kernfähigkeiten, sondern zur Verstärkung se<strong>in</strong>es eigenen<br />

Kompetenzprofils und damit se<strong>in</strong>er eigenen Innovationsfähigkeit. Beispiele für<br />

diesen Typ – mit dem Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Rolle e<strong>in</strong>es Spezialisten – f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich sowohl<br />

auf der Markt- als auch der Technologieseite.<br />

Bayer MaterialScience hat beispielsweise e<strong>in</strong>e hoch <strong>in</strong>novative Handtasche<br />

mit leuchtender Polymerfolie im Inneren geme<strong>in</strong>sam mit Bree, e<strong>in</strong>em<br />

deutschen Gepäckhersteller im oberen Marktsegment, entwickelt und<br />

präsentiert. Dies ermöglichte Bayer, se<strong>in</strong>e topaktuelle Polymertechnologie<br />

und damit se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>novativen Ruf mithilfe e<strong>in</strong>es nicht traditionellen Kun<strong>den</strong><br />

zu verbreiten. Bree brachte se<strong>in</strong> Produkt- und Marktwissen im Bereich der<br />

luxuriösen Accessoires e<strong>in</strong>. 29<br />

Neben dem oben beschriebenen komplementären Wissenstyp zeigt sich e<strong>in</strong> weiteres<br />

spezifisches Phänomen, welches e<strong>in</strong>en dritten Modus <strong>in</strong>nerhalb der<br />

effizienzfokussierten Integrationsstrategie darstellt, die geme<strong>in</strong>same<br />

Spezifikationsausarbeitung. In Fällen, bei <strong>den</strong>en der Kunde tiefes kongruentes<br />

Expertenwissen auf dem Gebiet der Kernkompetenz des Herstellers besitzt, kann er<br />

auch die Rolle e<strong>in</strong>es Co-Creators e<strong>in</strong>nehmen, welcher die Innovation mithilfe der<br />

Spezifikation 30, welche geme<strong>in</strong>sam mit dem Hersteller entwickelt wird, vorantreibt<br />

und steuert. Diese Rolle des Kun<strong>den</strong> als Spezifikator verlangt e<strong>in</strong> Wissensniveau<br />

des Kun<strong>den</strong>, welches über das e<strong>in</strong>es typischen Lead-Users weit h<strong>in</strong>ausgeht und<br />

29 Interview Bayer MaterialScience.<br />

30 In diesem Zusammenhang legt die „Spezifikation“ <strong>den</strong> Rahmen der Innovation fest und steht daher vor<br />

dem Konzept, welches dann auf ihr basiert, <strong>in</strong> der Ideenphase des FFE.<br />

159


160 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

meistens nur <strong>in</strong> speziellen Branchen bzw. Technologiefeldern gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong><br />

kann. Dieser Typ stellt auch <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>e Besonderheit dar, als die Impulse, welche<br />

zur Integration führen, nicht notwendigerweise immer vom Hersteller kommen, wie<br />

es typisch und charakteristisch für die anderen Typen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

ist. Kun<strong>den</strong>, welche das notwendige Wissen aufweisen, haben oft auch e<strong>in</strong>e<br />

entsprechende Grösse und Machtposition gegenüber dem Hersteller und können im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Integration ihres Zulieferers die Initiative übernehmen.<br />

Zusammenfassend zeigt Abbildung 31 wie über <strong>den</strong> Verlauf der Frühphase des<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es die jeweiligen Kun<strong>den</strong>rollen mit <strong>den</strong> übergeordneten<br />

Integrationsstrategien und <strong>den</strong> spezifischen Zielen des Herstellers<br />

zusammenhängen.<br />

<strong>Frühe</strong>r <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Integrationsstrategie<br />

Ziele des<br />

Herstellers<br />

Rolle des<br />

Kun<strong>den</strong><br />

Gelegenheitsphase Ideenphase Konzeptphase<br />

Effektivitätsfokussiert Effizienzfokussiert Effektivitätsfokussiert<br />

Innovationsverstärkung<br />

Trendi<strong>den</strong>tifikation Konzeptverfe<strong>in</strong>erung<br />

Spezifikationsausarbeitung<br />

Spezialist<br />

Sensor Selektor<br />

Spezifikator<br />

Abbildung 31: Kun<strong>den</strong>rollen als phasenspezifische Umsetzung der<br />

Integrationsstrategien des Herstellers


AUSPRÄGUNGEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

5.3 Ausprägungen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> nun die Charakteristika der spezifischen Kun<strong>den</strong>rollen der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> – als Fazit der Abschnitte 5.1.1, 5.1.2 und 5.1.3 – näher<br />

betrachtet. Dazu wer<strong>den</strong> die Rollen zunächst bezüglich der Kompetenzen der<br />

<strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Matrix e<strong>in</strong>geordnet (vgl. Abb. 32). Diese zeigt für jede<br />

Rolle, welches Wissensfeld der Kun<strong>den</strong> für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Erfüllung der Rolle<br />

besonders stark ausgeprägt se<strong>in</strong> muss.<br />

Kongruent Komplementär<br />

Spezifikator<br />

a) Effizienzfokussiert<br />

b) Spezifikationsausarbeitung<br />

c) Ideenphase<br />

Spezialist<br />

a) Effizienzfokussiert<br />

b) Innovationsverstärkung<br />

c) Ideenphase<br />

Selektor<br />

a) Effektivitätsfokussiert<br />

b) Konzeptverfe<strong>in</strong>erung<br />

c) Konzeptphase<br />

Technisches Wissen Kompetenz des Kun<strong>den</strong> Marktwissen<br />

Sensor<br />

a) Effektivitätsfokussiert<br />

b) Trendi<strong>den</strong>tifikation<br />

c) Gelegenheitsphase<br />

Legende:<br />

a) a) Integrationsstrategie b) Ziel des Herstellers c) Zeitpunkt der Integration<br />

Abbildung 32: Dom<strong>in</strong>ierende Kun<strong>den</strong>kompetenzfelder der spezifischen<br />

Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Chancenbezogen Applikationsbezogen<br />

161


162 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

E<strong>in</strong>e zusammenfassende Übersicht der Charakteristika der i<strong>den</strong>tifizierten<br />

Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zeigt Tabelle 7.<br />

Integrationsstrategie<br />

des<br />

Herstellers<br />

Herstellerziel/<br />

Rational<br />

Zeitpunkt der<br />

Integration<br />

Dom<strong>in</strong>ierende<br />

Kun<strong>den</strong>kompetenz<br />

Sensor Spezialist Spezifikator Selektor<br />

Effektivitätsfokussiert <br />

Trendi<strong>den</strong>tifikation<br />

(I<strong>den</strong>tifikation von<br />

Chancen und<br />

Problemen)<br />

Gelegenheitsphase <br />

Chancenbezogenes<br />

Marktwissen<br />

(Trendsensibilität)<br />

Effizienzfokussiert Effizienzfokussiert Effektivitätsfokussiert <br />

Innovationsverstärkung<br />

(Ideenentwicklung<br />

und<br />

-verfe<strong>in</strong>erung)<br />

Spezifikationsausarbeitung<br />

(Ideenentwicklung<br />

und<br />

-verfe<strong>in</strong>erung)<br />

Konzeptverfe<strong>in</strong>erung(Konzeptentwicklung)<br />

Ideenphase Ideenphase Konzeptphase<br />

Komplementäres<br />

Technologiewissen<br />

(und<br />

Bedürfnisträger)<br />

Kongruentes<br />

Technologiewissen<br />

(und<br />

Bedürfnisträger)<br />

Applikationsbezogenes<br />

Marktwissen<br />

(vorausschauend)<br />

Tabelle 7: Charakteristika der spezifischen Kun<strong>den</strong>rollen der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

In Abstimmung mit se<strong>in</strong>er Firmenstrategie gilt es für <strong>den</strong> Hersteller, se<strong>in</strong>e mit der<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> verbun<strong>den</strong>en Ziele zu analysieren und darauf aufbauend – <strong>in</strong><br />

Abstimmung mit <strong>den</strong> jeweiligen Unternehmenskompetenzen – die richtige Form<br />

der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> auszuwählen. Man kann vier spezifische Ziele<br />

unterschei<strong>den</strong>, welche <strong>in</strong>nerhalb der zwei Integrationsstrategien der<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> Betracht kommen, nämlich Trendi<strong>den</strong>tifikation,<br />

Innovationsverstärkung, Spezifikationsausarbeitung und Konzeptverfe<strong>in</strong>erung. Aus<br />

diesen Zielen lassen sich vier Kun<strong>den</strong>rollen ableiten, welche dem Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong><br />

Ergänzung der klassischen Lead-User-Rolle im frühen <strong>Innovationsprozess</strong> zugeteilt<br />

wer<strong>den</strong> können. Auf die spezifischen Managementaspekte des Integrationsprozesses<br />

wird <strong>in</strong> Kapitel 6 detailliert e<strong>in</strong>gegangen.


AUSPRÄGUNGEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Mittels der Achsen „<strong>Frühe</strong>r <strong>Innovationsprozess</strong>“ und „Herstellerziel“ wird nun e<strong>in</strong><br />

Rahmen aufgespannt, <strong>in</strong> welchen die Integrationsstrategien des Herstellers und die<br />

Kun<strong>den</strong>rollen e<strong>in</strong>getragen wer<strong>den</strong>. Die Rolle des Lead-Users – des Prototyps der<br />

frühen Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung – kommt dabei als Referenzpunkt genau im Zentrum der<br />

Darstellung zu liegen (vgl. Abb. 33).<br />

Trendi<strong>den</strong>tifikation<br />

<strong>Frühe</strong><br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Innovationsverstärkung<br />

Spezialist<br />

Sensor<br />

Lead-User<br />

Selektor<br />

Effektivitätsfokussiert<br />

<strong>Frühe</strong>r <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Spezifikator<br />

Spezifikationsausarbeitung<br />

EffizienzEffektivitätsfokussiertfokussiert Konzeptverfe<strong>in</strong>erung<br />

Legende<br />

Gelegenheitsphase Ideenphase Konzeptphase<br />

Abbildung 33: Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Herstellerziel<br />

Herstellerziel<br />

Kun<strong>den</strong>rolle<br />

163


164 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

5.4 Zusammenfassung<br />

Die obigen Überlegungen haben Folgendes gezeigt: Es können verschie<strong>den</strong>e Wege<br />

i<strong>den</strong>tifiziert wer<strong>den</strong>, um <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> zu <strong>in</strong>tegrieren. Im<br />

Zentrum der Innovationsfrühphase wird die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> als<br />

Aktionsfeld rund um <strong>den</strong> klassischen Lead-User-Ansatz e<strong>in</strong>geführt. Passend zu <strong>den</strong><br />

spezifischen Beiträgen, welche Kun<strong>den</strong> zur Neuproduktentwicklung liefern können,<br />

f<strong>in</strong>det die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> während verschie<strong>den</strong>er Phasen <strong>in</strong>nerhalb des<br />

frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es mit unterschiedlichen Zielen, Intensitäten und<br />

Ausgestaltungen statt.<br />

Abhängig vom jeweiligen Ziel des Herstellers bzw. dem erwarteten Ergebnis<br />

können zwei Strategien unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, welche die Art bestimmen, wie die<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong>, nämlich effizienzfokussiert oder effektivitätsfokussiert.<br />

Diese Strategien führen zu vier, durch je e<strong>in</strong>e Kun<strong>den</strong>rolle manifestierten,<br />

spezifischen Zielen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Der Hersteller muss, nach der<br />

grundsätzlichen Entscheidung für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, unter<br />

Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, die passende Strategie und<br />

das spezifische Integrationsziel festlegen. Die damit bestimmte Kun<strong>den</strong>rolle wird<br />

dann im Rahmen der bei<strong>den</strong> Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und<br />

Interaktionsprozess operativ umgesetzt. Dabei gilt es, Kont<strong>in</strong>genzfaktoren wie das<br />

jeweilige Marktumfeld (Kun<strong>den</strong>spezifika, Wettbewerbssituation), die Spezifität der<br />

Produkte, <strong>den</strong> Entwicklungsstand der e<strong>in</strong>gesetzten Technologien und die eigene<br />

Firmen<strong>in</strong>novationskultur zu berücksichtigen. Diese erste Analyse betrachtet noch<br />

nicht die Fragestellung nach <strong>den</strong> notwendigen konkreten Ausprägungen der<br />

Gestaltungsfaktoren zur Realisierung der e<strong>in</strong>zelnen Kun<strong>den</strong>rollen.<br />

Es zeigt sich, dass die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> die Effektivität des<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es durch die Ermöglichung kraftvoller neuer Wissensentstehung<br />

verbessern kann, ihre konkrete Anwendung aber nach e<strong>in</strong>er sorgfältigen Gestaltung<br />

des Prozessaufbaus und der Durchführung verlangt.


PROZESS DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

6 Ablauf und Organisation der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

6.1 Prozess der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Neben der Betrachtung der Gestaltungsfelder und Gestaltungsfaktoren wird nun auf<br />

<strong>den</strong> zeitlichen Ablauf und damit <strong>den</strong> Prozesscharakter der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

e<strong>in</strong>gegangen. Dies erfolgt im H<strong>in</strong>blick auf die Gestaltungsempfehlungen (siehe<br />

Abschnitt 6.3). Die bisherigen Betrachtungen haben auf die relevanten<br />

E<strong>in</strong>flussfelder und Gestaltungsfaktoren der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> sowie die<br />

dah<strong>in</strong>ter liegen<strong>den</strong> Theorien fokussiert. Die Schritte des notwendigen Prozesses, <strong>in</strong><br />

welchen diese Gestaltungselemente e<strong>in</strong>gebettet s<strong>in</strong>d, stehen im Zentrum der<br />

folgen<strong>den</strong> Überlegungen. Als Basis dienen e<strong>in</strong>erseits die theoretischen Grundlagen<br />

aus dem Feld der F&E-Kooperationen und andererseits die empirischen Daten,<br />

welche für diese Studie erhoben wur<strong>den</strong> (siehe die vier Fallstudien Kapitel 3 und<br />

<strong>den</strong> Anhang „Interviewleitfa<strong>den</strong> und Ergänzungsfragen“).<br />

Zur Analyse des Prozesses der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> wird auf die allgeme<strong>in</strong>e<br />

Kooperationsliteratur zurückgegriffen. Zahlreiche Arbeiten aus <strong>den</strong> Gebieten der<br />

strategischen Managementlehre und des Innovationsmanagements beschäftigen sich<br />

mit F&E-Kooperationen im Allgeme<strong>in</strong>en bzw. Innovationskooperationen im<br />

Besonderen (z. B. Staudt, Toberg et al. 1992; Kirchmann 1994; Fuchs 1999; Marxt<br />

2000). Auch wenn die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ke<strong>in</strong>e klassische Kooperation<br />

darstellt, so unterschei<strong>den</strong> sich die grundsätzlichen Ablaufschritte nicht wesentlich.<br />

Es können also für diese Arbeit die gleichen übergeordneten Phasen zur<br />

Prozessgliederung herangezogen wer<strong>den</strong>.<br />

Phasen der Integration<br />

Es existieren zahlreiche Phasenmodelle für die allgeme<strong>in</strong>e Struktur e<strong>in</strong>es<br />

Kooperationsprozesses (Staudt, Toberg et al. 1992; Lorange, Roos 1993; Ball<strong>in</strong>g<br />

1997; Fuchs 1999). Pr<strong>in</strong>zipiell lassen sich aber immer drei grundsätzliche<br />

Abschnitte i<strong>den</strong>tifizieren, nämlich e<strong>in</strong>e Gestaltungs-, Lenkungs-, und<br />

Entwicklungsphase. Fuchs detailliert diese drei Schritte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fünfstufigen<br />

Lebenszyklusmodell e<strong>in</strong>er Kooperation und zwar als Initialisierung, Konfiguration,<br />

Design, Betrieb und Rekonfiguration (Fuchs 1999). Fontanari (1995) legt<br />

besonderes Augenmerk auf die Frühphase und unterteilt diese <strong>in</strong> drei Teilphasen,<br />

welche vor der eigentlichen Durchführung der Kooperation zu durchlaufen s<strong>in</strong>d. Es<br />

s<strong>in</strong>d dies e<strong>in</strong>e strategische Analyse, <strong>in</strong> der nach möglichen Lösungen und<br />

165


166 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Alternativen gesucht wird, die Partnersuche und -auswahl sowie die<br />

Verhandlungsphase mit dem Vertragsabschluss. Als Essenz der bestehen<strong>den</strong><br />

Ansätze wer<strong>den</strong> für die vorliegende Arbeit drei übergeordnete Prozessschritte<br />

unterschie<strong>den</strong>:<br />

Schritt 1: Initiierungsphase<br />

Schritt 2: Vorbereitungsphase<br />

Schritt 3: Realisierungsphase<br />

Für je<strong>den</strong> Schritt wer<strong>den</strong> zwei Hauptkriterien e<strong>in</strong>geführt, welche die jeweils zu<br />

erreichen<strong>den</strong> Teilziele repräsentieren. Diese drei i<strong>den</strong>tifizierten Schritte der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> mit <strong>den</strong> jeweiligen Hauptkriterien s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Abbildung 34<br />

dargestellt.<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess<br />

Schritte Hauptkriterien<br />

Hauptkriterien<br />

Realisierungsphase Vorbereitungsphase<br />

Vorbereitungsphase Vorbereitungsphase<br />

Vorbereitungsphase Initiierungsphase<br />

Entscheidung zur<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Ergebnisfestlegung<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

Vertragsabschluss<br />

Operative<br />

Gestaltung<br />

Integration<br />

der Ergebnisse<br />

Abbildung 34: <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess


PROZESS DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Initiierungsphase<br />

Am Beg<strong>in</strong>n der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> steht, so wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em klassischen<br />

Kooperationsprozess, die Willensbildung, d. h. das Erkennen der Notwendigkeit<br />

und der strategische Entscheid für die externe Zusammenarbeit. Im Rahmen der<br />

Strategieprozesse des Herstellers kommt es <strong>in</strong> dieser Phase zu e<strong>in</strong>er I<strong>den</strong>tifikation<br />

und Bewertung von Wertschöpfungsprojekten, welche mithilfe <strong>in</strong>tegrierter Kun<strong>den</strong><br />

oder durch andere Umsetzungsformen realisiert wer<strong>den</strong> können (Fuchs 1999).<br />

E<strong>in</strong>e Entscheidung für die Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es für Externe soll<br />

immer <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang mit der Unternehmens- und Technologiestrategie erfolgen bzw.<br />

aus dieser hergeleitet wer<strong>den</strong>. Der erwartete Beitrag durch die Integration des<br />

Kun<strong>den</strong> ist dabei – wie <strong>in</strong> der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit gezeigt wurde – e<strong>in</strong> wesentliches<br />

Element, welches für <strong>den</strong> weiteren Verlauf des Prozesses e<strong>in</strong>e entschei<strong>den</strong>de Rolle<br />

spielt. Beispielsweise wurde <strong>in</strong> Kapitel 5 gezeigt, dass <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> unterschiedliche<br />

Rollen zugeteilt wer<strong>den</strong> können, je nach <strong>den</strong> vom Hersteller erwarteten<br />

Kun<strong>den</strong>beiträgen.<br />

Das Technologie- und Innovationsmanagement hat also als ersten Schritt die<br />

eigentliche Integrationsentscheidung vorzubereiten und zu treffen. Als zweiten<br />

wichtigen Schritt gilt es, zur Klärung der Ergebniserwartung, die Kooperationsziele<br />

festzulegen. Pr<strong>in</strong>zipiell können die Ziele <strong>in</strong> Ergebnis-, Aufwands- und Zeitziele<br />

e<strong>in</strong>geteilt wer<strong>den</strong>, wobei für <strong>den</strong> Fokus der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit <strong>in</strong> dieser Phase die<br />

Ergebnisziele die dom<strong>in</strong>ierende Rolle spielen. Ziele können dabei pr<strong>in</strong>zipiell als<br />

Orientierungsgrössen für die Bewertung und Auswahl der Kun<strong>den</strong> dienen.<br />

Ausserdem bil<strong>den</strong> sie <strong>den</strong> Massstab zur Bewertung des Integrationserfolges im<br />

Verlauf und nach Ende der Integration. Mit der Zielfestlegung e<strong>in</strong>her geht die<br />

Abgrenzung des Gegenstandsbereiches der Zusammenarbeit mit dem Kun<strong>den</strong>. Der<br />

Hersteller muss sich über diejenigen technologischen Bereiche im Klaren se<strong>in</strong>,<br />

welche er als se<strong>in</strong>e Kernkompetenzen und Wettbewerbsvorteile betrachtet und<br />

welche er daher ohne externe Beteiligung betreiben will. In Ergänzung dazu<br />

eröffnen sich diejenigen Bereiche, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en externe Kompetenzen e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong><br />

wer<strong>den</strong> sollen.<br />

Nach der generellen Willensbildung (bzw. dem Erkennen der Notwendigkeit) und<br />

der pr<strong>in</strong>zipiellen Festlegung auf e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sam mit dem Kun<strong>den</strong> zu erbr<strong>in</strong>gendes<br />

Ergebnis (d. h. des Kun<strong>den</strong>beitrages), be<strong>in</strong>haltet der nächste Prozessschritt die<br />

Suche der passen<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> sowie die Ausformulierung eventuell notwendiger<br />

Verträge.<br />

167


168 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Konfigurationsphase<br />

Nach der Entscheidung für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> stellen Auswahl und<br />

Gew<strong>in</strong>nung geeigneter Kun<strong>den</strong> zentrale Erfolgsfaktoren dar (vgl. z. B. Yosh<strong>in</strong>go,<br />

Rangan 1995). Potenzielle Partner müssen mit System gesucht wer<strong>den</strong> sowie unter<br />

Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen (z. B. Konkurrenzsituation,<br />

Marktsituation, vergangene Erfahrungen), bezüglich ihrer Eignung geprüft wer<strong>den</strong>.<br />

Dies geschieht e<strong>in</strong>erseits durch die Abschätzung der Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit der<br />

oben beschriebenen Ziele sowie andererseits durch e<strong>in</strong>e Vorabbewertung des<br />

strategischen und kulturellen „Fits“ potenzieller Integrationspartner mit dem<br />

eigenen Unternehmen.<br />

Die <strong>in</strong>frage kommen<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> müssen, <strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>den</strong> <strong>in</strong> der<br />

Initiierungsphase festgelegten Ziele (d. h. <strong>den</strong> erwarteten Ergebnissen) dem Profil<br />

der jeweiligen spezifischen Rolle so weit wie möglich entsprechen. Nach der<br />

genauen Festlegung des Anforderungsprofils erfolgt zunächst e<strong>in</strong> Suchprozess zur<br />

Ermittlung geeigneter Kandidaten und schliesslich e<strong>in</strong>e endgültige Auswahl. Der<br />

Suchvorgang kann sehr schnell (wie im Falle leicht überschaubarer Märkte) oder<br />

zeitlich aufwändig (mittels umfangreicher Aktivitäten mehrerer Abteilungen des<br />

Herstellers) ablaufen. Der Suchteil ist <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Fällen mit e<strong>in</strong>er Selektion<br />

möglicher Partner für die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> verbun<strong>den</strong>. Neben <strong>den</strong><br />

rollenspezifischen Selektionskriterien, welche engen Bezug auf die jeweiligen<br />

Rollencharakteristika nehmen müssen, spielt auch die grundsätzliche<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung auf strategischer und kultureller Ebene e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle.<br />

Der strategische Fit (vgl. Roter<strong>in</strong>g 1990; Teichert 1994) hängt im Umfeld der<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> von der Gefahr e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>seitigen opportunistischen Ausbeutung<br />

durch e<strong>in</strong>en Partner und damit <strong>in</strong>vers von <strong>den</strong> Vorteilen, welche beide Partner durch<br />

die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> erzielen können ab (vgl. Dutta, Weiss 1997). Der<br />

kulturelle Fit steigt, wenn die Entscheidungsprozesse und -geschw<strong>in</strong>digkeiten, die<br />

tolerierten Risiken und die arbeitsbezogenen Werthaltungen ähnlich ausgeprägt<br />

s<strong>in</strong>d. Auch die Bereitschaft, sich auf kulturelle Unterschiede e<strong>in</strong>zustellen, trägt zu<br />

e<strong>in</strong>er Verbesserung des kulturellen Fits bei. Die Bedeutung der kulturellen<br />

Kompatibilität wird oft unterschätzt (z. B. George, Farris 1999). 31<br />

31 Es kann nicht generell behauptet wer<strong>den</strong>, dass e<strong>in</strong>e bessere kulturelle Übere<strong>in</strong>stimmung auch immer zu<br />

<strong>in</strong>novativeren und damit besseren Ergebnissen führt. Gerade bei der Erzielung komplett neuer Ansätze<br />

bzw. radikaler Innovationen können kulturelle Unterschiede <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es gewissen Rahmens auch als<br />

stimulierende Keime neuer Gedanken wirken (z. B. Leifer, McDermott et al. 2000; Syrett, Lammiman<br />

2002).


PROZESS DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Ebenfalls <strong>in</strong> diese Phase des Prozesses fallen die Erarbeitung e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen<br />

Zielsetzung mit <strong>den</strong> ausgewählten Kun<strong>den</strong> sowie die (vorab notwendige)<br />

vertragliche Ausgestaltung der Integration. Die geme<strong>in</strong>samen Ziele und Motive<br />

müssen dabei offen diskutiert und fixiert wer<strong>den</strong> (z. B. Kanter 1994). Dabei<br />

unterscheidet sich die geme<strong>in</strong>same Zielsetzung deutlich von <strong>den</strong> E<strong>in</strong>zelzielen der<br />

bei<strong>den</strong> Partner und sollte ebenso wie die Fragen des schützenswerten geistigen<br />

Eigentums, welches im Laufe der Integration entstehen kann, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vertrag<br />

festgehalten wer<strong>den</strong>. Dieser regelt auch <strong>den</strong> rechtlichen Rahmen, <strong>in</strong> welchem die<br />

Integration stattf<strong>in</strong><strong>den</strong> wird. Dabei gilt es, für e<strong>in</strong>e erstmalige Integration andere<br />

D<strong>in</strong>ge zu berücksichtigen als bei e<strong>in</strong>er schon längerfristig laufen<strong>den</strong> Beziehung (mit<br />

bereits bestehen<strong>den</strong> Verträge bzw. e<strong>in</strong>em vorhan<strong>den</strong>en Vertrauensverhältnis).<br />

Am Ende der Konfigurationsphase steht also e<strong>in</strong>e Fixierung der Integrationsziele,<br />

der erforderlichen Prozesse und Abläufe sowie der Regeln zur Verwertung der<br />

Ergebnisse. Damit ist der Aufbau der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> beendet. Dieser Schritt<br />

sollte nicht unterschätzt wer<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n erfahrungsgemäss passieren im Verlauf des<br />

Aufsetzens e<strong>in</strong>er Kooperation die meisten derjenigen Fehler, welche schlussendlich<br />

zum Scheitern des gesamten Vorhabens führen (vgl. z. B. Doz, Hamel 1998).<br />

Realisierungsphase<br />

In diesem Schritt passiert die eigentliche Wertschöpfung der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

Nachdem geeignete Kun<strong>den</strong> gefun<strong>den</strong> und die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen festgelegt<br />

wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, beg<strong>in</strong>nt die Kernaktivität der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Die<br />

Zusammenarbeit muss passend zu der gewählten Kun<strong>den</strong>rolle und <strong>den</strong> spezifischen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen gestaltet, die Integration operativ umgesetzt und die<br />

Verwertung der Ergebnisse im <strong>Innovationsprozess</strong> des Herstellers sichergestellt<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell müssen Aspekte der Organisation, des Personal- und des<br />

F<strong>in</strong>anzmanagements der Zusammenarbeit mit dem <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong><br />

berücksichtigt wer<strong>den</strong>. Im Mittelpunkt dieser Aufgabe stehen neben der Auswahl<br />

der geeigneten Mitarbeiter, die Formulierung von Regeln der Zusammenarbeit<br />

sowie die Gestaltung der Arbeitsteilung zwischen dem Hersteller und dem Kun<strong>den</strong>.<br />

Der Schwerpunkt im Rahmen dieser Arbeit liegt dabei auf der organisatorischen<br />

Ausgestaltung der bei<strong>den</strong> i<strong>den</strong>tifizierten operativen Gestaltungsfelder –<br />

Integrationsstruktur und Interaktionsprozess – zur Ermöglichung e<strong>in</strong>er effizienten<br />

geme<strong>in</strong>samen Wissensgenerierung. Schliesslich muss noch die Diffusion des neuen<br />

Wissens <strong>in</strong> andere relevante Abteilungen und <strong>den</strong> gesamten <strong>Innovationsprozess</strong><br />

169


170 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

sichergestellt wer<strong>den</strong>. Auch e<strong>in</strong>e eventuelle Beendigung (sowohl frühzeitig als auch<br />

geplant) des Integrationsprojektes fällt <strong>in</strong> diese Phase.<br />

6.2 Konzeptionelles Managementmodell der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Komb<strong>in</strong>iert man die Überlegungen der vorangegangenen Abschnitte, so ergibt sich<br />

das folgende konzeptionelle Modell (vgl. Abb. 35). Die Blöcke der<br />

Integrationsstrategie, der spezifischen Herstellerziele und der Kun<strong>den</strong>rollen sowie<br />

die operativen Gestaltungsfelder wur<strong>den</strong> <strong>den</strong> passen<strong>den</strong> Schritten des<br />

Prozessablaufs zugeordnet. Dieses Modell dient als Grundlage für <strong>den</strong> Aufbau<br />

konkreter Gestaltungsempfehlungen <strong>in</strong> Abschnitt 6.3.


KONZEPTIONELLES MANAGEMENTMODELL DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

K u n d e n i n t e g r a t i o n s p r o z e s s<br />

Vorbereitungsphase Initiierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Entscheidung<br />

zur<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Ergebnisfestlegung<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

Vertragsabschluss<br />

Operative<br />

Gestaltung<br />

Integration<br />

der<br />

Ergebnisse<br />

Strategie<br />

Integrationsstrategie<br />

Effektivitätsfokussiert<br />

Effizienzfokussiert<br />

TrendTrendi<strong>den</strong>tifikationi<strong>den</strong>tifikation<br />

Ziele des Herstellers<br />

InnovationsInnovationsverstärkungverstärkung<br />

SpezifikationsSpezifikationsausarbeitungausarbeitung<br />

Rolle des Kun<strong>den</strong><br />

Unternehmerischer Rahmen<br />

KonzeptKonzeptverfe<strong>in</strong>erungverfe<strong>in</strong>erung<br />

Sensor Spezialist Spezifikator Selektor<br />

Gestaltungsfeld<br />

Gestaltungsfaktoren<br />

Kultur<br />

Integrationsstruktur Interaktionsprozess<br />

Verb<strong>in</strong>dungsstärke<br />

Zeitliche Struktur<br />

Zahl der Kun<strong>den</strong><br />

Ort der Interaktion<br />

Struktur<br />

Prozess- und<br />

Rollentransparenz<br />

Kultureller Fit<br />

Wissensgenerierung<br />

Kun<strong>den</strong>motivation<br />

Abbildung 35: Konzeptionelles Managementmodell der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Aufbauend auf empirischen Praxisbefun<strong>den</strong> (Fallstudien) konnte gezeigt wer<strong>den</strong>,<br />

dass es neben dem Lead-User-Ansatz noch weitere <strong>aktive</strong> Rollen für <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong><br />

während der Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es gibt. Die Implementierung bzw.<br />

Realisierung dieser Rollen erfordert vom Hersteller <strong>den</strong> E<strong>in</strong>satz von spezifischen<br />

Massnahmen <strong>in</strong> allen Schritten des Integrationsprozesses. Dieser Prozess muss<br />

darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>gebettet wer<strong>den</strong>, welche se<strong>in</strong>en<br />

effizienten und nachhaltigen Ablauf sicherstellen. Der eigentliche Prozess der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> besteht also aus e<strong>in</strong>er strategisch fundierten pr<strong>in</strong>zipiellen<br />

Entscheidung zum E<strong>in</strong>bezug von externen Ressourcen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ter<strong>aktive</strong>n<br />

171


172 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Nach der Festlegung der Ziele und Ergebnisse erfolgt die<br />

Wahl der geeigneten Kun<strong>den</strong>rolle, die Suche und Auswahl passender Kun<strong>den</strong> sowie<br />

e<strong>in</strong>e allfällige Vertragsgestaltung mit diesen. Die operative Umsetzung beg<strong>in</strong>nt mit<br />

der organisatorischen Gestaltung des Integrationsprozesses und geht über <strong>den</strong><br />

operativen Ablauf – mit dem Ergebnis geme<strong>in</strong>sam generierten Wissens – h<strong>in</strong> zur<br />

Verwertung der Ergebnisse und schliesslich eventuellen<br />

Rekonfigurationsüberlegungen. Praktische Empfehlungen zur Gestaltung der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> gibt der nächste Abschnitt.<br />

6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen<br />

Das entwickelte konzeptionelle Gestaltungsmodell bildet e<strong>in</strong>en Gestaltungsrahmen<br />

für das Management der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Nach der auf Theorie und<br />

Empirie basieren<strong>den</strong> Herleitung folgt nun die Diskussion der wichtigsten<br />

praktischen Implikationen dieses Modells. Dazu wer<strong>den</strong>, mit Schwerpunkt auf der<br />

Realisierungsphase, Gestaltungsempfehlungen für die e<strong>in</strong>zelnen Schritte des<br />

Integrationsprozesses entwickelt.<br />

Die Gestaltungsempfehlungen wer<strong>den</strong> dabei zunächst entlang der Prozessschritte<br />

für alle spezifischen Rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>heitlich beschrieben<br />

und nur dort, wo e<strong>in</strong>e rollenspezifische Unterteilung S<strong>in</strong>n macht, wird auf Spezifika<br />

der Gestaltung e<strong>in</strong>zelner Rollen im Detail e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Die Überlegungen s<strong>in</strong>d folgendermassen gegliedert. Beg<strong>in</strong>nend mit dem<br />

unternehmerischen Rahmen wer<strong>den</strong> die e<strong>in</strong>zelnen Schritte des Integrationsprozesses<br />

besprochen. Dabei wird jeder Prozessschritt <strong>in</strong> Hauptkriterien (Was ist das Ergebnis<br />

dieses Schrittes? Was muss erfüllt se<strong>in</strong>?) und weiter <strong>in</strong> Handlungsfelder (Wo kann<br />

und muss etwas gemacht wer<strong>den</strong>, um das Hauptkriterium zu erfüllen?) unterteilt.<br />

Die Aussagen zu <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen Handlungsfeldern wer<strong>den</strong> schliesslich, <strong>in</strong> Form von<br />

Thesen, zu konkreten Handlungsempfehlungen verdichtet.<br />

6.3.1 Unternehmerischer Rahmen<br />

Wie der Fallstudienvergleich ergeben hat, führt die eigentliche operative Gestaltung<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em entsprechen<strong>den</strong> Umfeld zum Erfolg. Als<br />

entschei<strong>den</strong>de Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wur<strong>den</strong> dabei Strategie, Kultur und Struktur<br />

i<strong>den</strong>tifiziert. Zur Entwicklung der Gestaltungsempfehlungen wer<strong>den</strong> daher, im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es ganzheitlichen Ansatzes (vgl. z. B. Bleicher 1991), zunächst diese drei<br />

Gestaltungsfelder betrachtet. Schliesslich wird der Fokus auf die eigentliche


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

operative Gestaltung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> im Verlauf der<br />

Realisierungsphase gelegt.<br />

Strategie, Kultur und Struktur s<strong>in</strong>d übergreifende ordnende Kräfte, welche <strong>den</strong><br />

organisationalen Abläufen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Form und Zielorientierung geben<br />

(Rüegg-Stürm 2002). Der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess ist diesem Verständnis nach<br />

derjenige Geschäftsprozess, welcher im Fokus dieser Arbeit steht und die zentrale<br />

Rolle im entwickelten Managementmodell e<strong>in</strong>nimmt.<br />

Strategie<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell kann man im unternehmerischen Rahmen zwei strategische Ebenen<br />

unterschei<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e übergeordnete generelle Unternehmensstrategie sowie e<strong>in</strong>e<br />

Innovations- bzw. Technologiestrategie. Die I<strong>den</strong>tifikation e<strong>in</strong>er<br />

Unternehmensstrategie („Firm Level Strategy“), welche nicht nur die<br />

Wertschöpfung, sondern auch die Wertaneignung leitet, stellt e<strong>in</strong>en wichtigen<br />

Aspekt des Aufbaus der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> dar. E<strong>in</strong>e derartige, dezidiert<br />

offene Innovationsstrategie (Open Innovation Strategie) bildet die Basis für alle<br />

weiteren Aktivitäten der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

Aufbauend auf dieser pr<strong>in</strong>zipiellen Unternehmensstrategie muss e<strong>in</strong>e strategische<br />

Analyse der eigenen Kompetenzen und Technologien erfolgen und die strategische<br />

Ausrichtung festgelegt wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e wesentliche Grundfrage der technologischen<br />

Produkt<strong>in</strong>novationsstrategien betrifft die Quellen für technologische Innovationen<br />

(z. B. Wolfrum 1994; Burgelman, Christensen et al. 2003). Basierend auf <strong>den</strong><br />

Kenntnissen, woh<strong>in</strong> sich die Unternehmung strategisch <strong>in</strong> Zukunft bewegen soll<br />

und wo die Chancen und Risiken liegen, muss der Blick deshalb auf das Umfeld der<br />

Unternehmung geworfen wer<strong>den</strong> (vgl. L<strong>in</strong>der, Jarvenpaa et al. 2003). Ausgehend<br />

von <strong>den</strong> Kernkompetenzen des Unternehmens wer<strong>den</strong> zunächst noch auf e<strong>in</strong>er<br />

abstrakten, übergeordneten Ebene potenzielle Felder e<strong>in</strong>er Öffnung des<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es und mögliche Stossrichtungen der Zusammenarbeit mit<br />

Externen bestimmt. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Kompetenzen für<br />

Innovations- bzw. Technologiefelder im eigenen Haus auf- oder auszubauen oder<br />

sie aus externen Quellen zu beziehen.<br />

Als Grundlage e<strong>in</strong>er erfolgreichen frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> muss das Ergebnis der<br />

oben beschriebenen Überlegungen e<strong>in</strong>e Innovationsstrategie se<strong>in</strong>, welche die Vor-<br />

und Nachteile e<strong>in</strong>er Öffnung gegenüber externen Partnern im Allgeme<strong>in</strong>en und<br />

Kun<strong>den</strong> im Speziellen berücksichtigt. Dabei bedeutet die grundsätzliche<br />

Bereitschaft der Öffnung gegenüber Externen und speziell gegenüber <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong><br />

nicht, dass sämtliche frühen <strong>Innovationsprozess</strong>e geme<strong>in</strong>sam mit externen Partnern<br />

173


174 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

durchgeführt wer<strong>den</strong> müssen. E<strong>in</strong>e an die jeweilige Situation angepasste<br />

Innovationsstrategie ist daher unabd<strong>in</strong>gbar.<br />

E<strong>in</strong>e passende Innovationsstrategie bildet die Grundlage für e<strong>in</strong>e offene<br />

Innovationskultur und die strukturelle Verankerung der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Im<br />

strategischen Gestaltungsfeld, muss basierend auf der Technologie- und<br />

Marktstrategie, e<strong>in</strong>e derartige Strategie entwickelt wer<strong>den</strong>. Dies bedeutet auf<br />

übergeordnetem Niveau zunächst e<strong>in</strong>e strategische Verankerung der Bereitschaft<br />

zur Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es.<br />

Kultur<br />

These 1: E<strong>in</strong>e generelle offene Innovationsstrategie des Herstellers, als<br />

Ergebnis e<strong>in</strong>er übergeordneten Analyse der eigenen Kompetenzfelder und<br />

des Umfeldes, ist als strategische Ebene des unternehmerischen Rahmens<br />

Grundvoraussetzung e<strong>in</strong>er erfolgreichen frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

Die Unternehmenskultur bildet <strong>den</strong> Bezugsrahmen, <strong>in</strong>nerhalb dessen sich die<br />

Mitarbeiter e<strong>in</strong>er Unternehmung orientieren. Durch diesen geme<strong>in</strong>samen<br />

S<strong>in</strong>nhorizont wird es möglich, Impulse der Aussen- und Innenwelt zu verarbeiten<br />

und als Gruppe handlungsfähig zu bleiben (Rüegg-Stürm 2002). Wesentliche<br />

Bestandteile e<strong>in</strong>er Unternehmenskultur s<strong>in</strong>d geme<strong>in</strong>same Normen,<br />

Sprachregelungen oder Denkmuster. Auch wenn meistens von „der<br />

Unternehmenskultur“ e<strong>in</strong>es Unternehmens gesprochen wird, so muss bei genauerer<br />

Betrachtung eigentlich von vielen lokalen Ausprägungen ausgegangen wer<strong>den</strong>,<br />

welche sich <strong>in</strong>nerhalb von Abteilungen oder entlang von Prozessen manifestieren.<br />

Im Folgen<strong>den</strong> wird <strong>den</strong>noch von e<strong>in</strong>er geschlossenen Innovationskultur als<br />

geme<strong>in</strong>samer Grundhaltung e<strong>in</strong>er Firma <strong>in</strong> Bezug auf Erneuerung, Kreativität,<br />

Innovation und <strong>den</strong> dah<strong>in</strong>ter liegen<strong>den</strong> Prozessen ausgegangen.<br />

Erfolgreiche <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es nachhaltigen Prozesses, verlangt als<br />

Grundlage zunächst e<strong>in</strong>e positiv ausgeprägte, auf Öffnung ausgerichtete<br />

Innovationskultur. Diese zeichnet sich sowohl durch e<strong>in</strong>en offenen Umgang mit<br />

Neuem als auch durch e<strong>in</strong>e hohe Bereitschaft zur <strong>aktive</strong>n Verbesserung bestehender<br />

Produkte und Prozesse aus. Darüber h<strong>in</strong>aus muss e<strong>in</strong>e tief gehende Offenheit


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

gegenüber Ideen von aussen gegeben se<strong>in</strong>. Nur wenn es Bestandteil der<br />

Unternehmenskultur gewor<strong>den</strong> ist, die hohen Potenziale externer Ideen zu erkennen<br />

und aktiv zu suchen, kann man von e<strong>in</strong>er offenen Innovationskultur sprechen.<br />

Um diese offene Innovationskultur zu erreichen, muss zunächst e<strong>in</strong>e<br />

Vorbildwirkung des Managements gegeben se<strong>in</strong>. Diese basiert e<strong>in</strong>erseits auf der<br />

Vorgabe passender Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und andererseits auf persönlicher<br />

Vorbildfunktion. Das obere Management muss also aktiv bei der Gestaltung der<br />

Kultur mitwirken und e<strong>in</strong>e Beispielfunktion e<strong>in</strong>nehmen. E<strong>in</strong> wesentlicher Aspekt<br />

der <strong>aktive</strong>n Gestaltung e<strong>in</strong>er offenen Innovationskultur ist dabei die schriftliche<br />

Verankerung des offenen Innovationsgedankens. Dies bedeutet, dass auf normativer<br />

Ebene e<strong>in</strong>e Unternehmensvision bzw. Firmenmission entwickelt wer<strong>den</strong> muss,<br />

welche e<strong>in</strong>e Offenheit gegenüber Anregungen und Ideen von aussen etabliert. In<br />

weiterer Folge können auch ganze Funktionsbereiche oder Abteilungen umbenannt<br />

wer<strong>den</strong>, um das Um<strong>den</strong>ken <strong>in</strong> Sachen <strong>Innovationsprozess</strong> <strong>in</strong>nerhalb und ausserhalb<br />

des Unternehmens zu kommunizieren. E<strong>in</strong> Beispiel für die konsequente Umsetzung<br />

dieses Gedankens ist Procter & Gamble. Dort erfolgte e<strong>in</strong>e Umbenennung der<br />

Forschungs- und Entwicklungsabteilung (Research & Development oder R&D) auf<br />

Connect & Development oder C&D (Sakkab 2002). E<strong>in</strong> derartiges, von oberster<br />

Stelle angestossenes Zeichen, stellt e<strong>in</strong>e gute Grundlage für entsprechende Aktionen<br />

auf strategischer und operativer Ebene dar.<br />

Auch Ansprachen, Vorträge und persönliche Gespräche bieten zahlreiche<br />

Gelegenheiten, die Bedeutung des offenen <strong>Innovationsprozess</strong>es herauszustreichen<br />

und erfolgreiche Beispiele zu verbreiten. Ohne e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Gestaltung der<br />

normativen Instrumente und e<strong>in</strong> Vorleben des offenen Innovationsgedankens durch<br />

das obere Management kann sich die für e<strong>in</strong>e erfolgreiche <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

notwendige Firmenkultur nicht dauerhaft entwickeln.<br />

E<strong>in</strong>e weiteres wichtiges Handlungsfeld ist die Bekämpfung des Not-Invented-Here-<br />

Syndroms (NIH) 32, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er grundsätzlichen Ablehnung von aussen<br />

kommender neuer Ideen. Dazu ist das bewusste Erkennen der Notwendigkeit e<strong>in</strong>er<br />

Öffnung der Schlüssel zum Erfolg. Gerade <strong>in</strong> F&E-Abteilungen ist das NIH-<br />

Syndrom traditionellerweise stark ausgeprägt, da dort hoch spezialisierte Fachleute,<br />

oft mit wenig direktem Kontakt nach aussen, für die Generierung von Innovationen<br />

verantwortlich s<strong>in</strong>d. Es bedarf grosser Anstrengungen, die notwendige offene<br />

Kultur zu etablieren. Grundsätzlich ist die geistige und physische Mobilität der<br />

Mitarbeiter zu fördern. Dies kann e<strong>in</strong>erseits durch Weiterbildungsveranstaltungen<br />

32 Vgl. dazu Katz und Allen (1982).<br />

175


176 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

und <strong>in</strong>terne Schulungen und andererseits durch Jobrotationsmodelle erzielt wer<strong>den</strong>.<br />

Entschei<strong>den</strong>d dabei ist e<strong>in</strong>e höhere Exponierung der Ingenieure gegenüber <strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong>, was beispielsweise im Rahmen e<strong>in</strong>er zeitlich beschränkten Aufgabe im<br />

Verkauf zu realisieren ist. Durch diese persönlichen Erfahrungen mit <strong>den</strong> Ansichten<br />

und Ideen der Kun<strong>den</strong> gel<strong>in</strong>gt es, vorhan<strong>den</strong>e Vorurteile und Ängste abzubauen und<br />

e<strong>in</strong>e offenere Geisteshaltung zu erzielen. E<strong>in</strong>e Stufe darüber ist die Etablierung<br />

e<strong>in</strong>es <strong>Innovationsprozess</strong>es angesiedelt, bei dem die Vertreter des herstellen<strong>den</strong><br />

Unternehmens schon ab der Frühphase regelmässigen Kontakt zu Kun<strong>den</strong>,<br />

Zulieferern und Forschungse<strong>in</strong>richtungen pflegen. Jeder Mitarbeiter verfügt darüber<br />

h<strong>in</strong>aus über e<strong>in</strong> Netzwerk von persönlichen Kontakten, welche jenseits von<br />

Unternehmens- oder Firmengrenzen betrieben wer<strong>den</strong>. Diese <strong>in</strong>formellen<br />

Netzwerke jedes E<strong>in</strong>zelnen s<strong>in</strong>d potenzielle Innovationsquellen. Entschei<strong>den</strong>d ist es<br />

somit, <strong>den</strong> Mitarbeitern – vor allem <strong>in</strong> der F&E-Abteilung – zu kommunizieren,<br />

dass diese <strong>in</strong>formellen <strong>in</strong>dividuellen Netzwerke genutzt wer<strong>den</strong> sollen.<br />

Partnerschaften, <strong>in</strong> Form von Integrationsprozessen mit Externen, können <strong>in</strong> der<br />

Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es nur dann gestaltet und gelenkt wer<strong>den</strong>, wenn<br />

sie von <strong>den</strong> entsprechen<strong>den</strong> Mitarbeitern auch akzeptiert wer<strong>den</strong>. Das Bewusstse<strong>in</strong>,<br />

dass von e<strong>in</strong>em unternehmensexternen Partner Wertvolles gelernt wer<strong>den</strong> kann,<br />

muss gezielt vom Management bei allen Mitarbeitern gefördert wer<strong>den</strong>. Der<br />

Schlüssel zur Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es liegt dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e derartige „Outside<strong>in</strong>-Kultur“<br />

zu etablieren.<br />

Struktur<br />

These 2: Die kulturelle Ebene des für erfolgreiche frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

notwendigen unternehmerischen Rahmens bildet e<strong>in</strong>e offene<br />

Innovationskultur des Herstellers, erreicht durch e<strong>in</strong>e Vorbildwirkung des<br />

Managements und e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Bekämpfung des Not-Invented-Here-<br />

Syndroms.<br />

E<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> das kulturelle Umfeld und basierend auf e<strong>in</strong>er übergeordneten<br />

Innovationsstrategie stellt die Struktur e<strong>in</strong> weiteres zentrales Ordnungselement dar.<br />

Aufbauend auf e<strong>in</strong>er offenen Innovationskultur gilt es daher, e<strong>in</strong>e organisatorische<br />

Verankerung der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu etablieren und damit <strong>den</strong> Prozess der


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> auch strukturell zu verankern. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Regelung der mit<br />

der Integration verbun<strong>den</strong>en Aufgaben, der Verantwortlichkeiten und der<br />

Ressourcenzuteilung ist Voraussetzung für e<strong>in</strong>en erfolgreichen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess.<br />

Um die Koord<strong>in</strong>ation der verschie<strong>den</strong>en Partnerschaftsprojekte sicherzustellen,<br />

müssen dafür organisatorische Voraussetzungen geschaffen wer<strong>den</strong>. Grundsätzlich<br />

gilt, dass die Flexibilität von Kooperationsprojekten nicht durch zu viel<br />

Formalismus und Bürokratie verloren gehen darf. Mit zunehmender Grösse e<strong>in</strong>er<br />

Firma ist aber e<strong>in</strong> gewisses Mass an Zentralisierung der Kooperationskompetenz<br />

notwendig, um die Koord<strong>in</strong>ation und Priorisierung der Projekte sicherzustellen.<br />

Auch das deutsche Chemieunternehmen BASF hat die Wichtigkeit der<br />

Öffnung nach aussen erkannt und betreibt <strong>in</strong>nerhalb der Abteilung für<br />

Forschungsplanung und Hochschulbeziehungen das Management der mehr<br />

als 800 externen Partnerschaften. Ziel ist es, gute Ideen zu i<strong>den</strong>tifizieren und<br />

zu evaluieren. Dabei wer<strong>den</strong> Partner wie Universitäten und Start-ups, aber<br />

auch potenzielle Kun<strong>den</strong> aktiv e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>, um die jeweiligen Stärken zu<br />

komb<strong>in</strong>ieren.<br />

In speziellen Fällen kann es auch zu e<strong>in</strong>er Ausrichtung der relevanten E<strong>in</strong>heiten des<br />

Herstellers an der Organisationsstruktur des Kun<strong>den</strong> kommen. So wird<br />

beispielsweise <strong>in</strong> grossen Kooperationsprojekten der Triebwerk<strong>in</strong>dustrie auf e<strong>in</strong>e<br />

solche Organisationssymmetrie geachtet: MTU Aero Eng<strong>in</strong>es und Pratt & Whitney<br />

organisieren sich spiegelbildlich, um auf jeder Ebene e<strong>in</strong> direkte, horizontale<br />

Kommunikation zu fördern. E<strong>in</strong>e eigene Organisationse<strong>in</strong>heit zur<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong>nerhalb der F&E zeigt die Bedeutung, welche die Öffnung des<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es für manche Vorreiterfirmen <strong>in</strong>nehat. Beispielsweise hat Bayer<br />

MaterialScience mit dem Creative Center e<strong>in</strong>e organisatorische E<strong>in</strong>heit gegründet,<br />

welche die marktseitige Verantwortung für die Frühphase des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

übernimmt sowie die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> strukturiert und umsetzt. Mit fixer<br />

personeller und f<strong>in</strong>anzieller Ressourcenausstattung verkörpert das Creative Center<br />

die Institutionalisierung des offenen <strong>Innovationsprozess</strong>es (vgl. Abschnitt 3.2).<br />

Doch auch mit weniger Aufwand s<strong>in</strong>d, wie das folgende Beispiel zeigt, erfolgreiche<br />

Lösungen e<strong>in</strong>er strukturellen Verankerung möglich.<br />

Um die Öffnung des seit kurzer Zeit <strong>in</strong>stitutionalisierten<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es sicherzustellen, ist bei der Endress & Hauser Flowtec<br />

AG e<strong>in</strong> im Market<strong>in</strong>g angesiedelter Mitarbeiter damit beauftragt, Studien,<br />

Recherchen und Szenarien bezüglich relevanter Entwicklungen im Markt<br />

durchzuführen. Dies geschieht e<strong>in</strong>erseits durch e<strong>in</strong>en engen Kontakt mit <strong>den</strong><br />

177


178 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Kun<strong>den</strong> und andererseits im Rahmen e<strong>in</strong>er Technologiefrühaufklärung.<br />

Dabei wird mit F&E-Partnern e<strong>in</strong>e Übersicht aller relevanten Projekte<br />

erstellt, welche sich bei Forschungs<strong>in</strong>stitutionen, Universitäten und<br />

Wettbewerbern mit relevanten Technologien beschäftigen. Wichtig bei dieser<br />

rout<strong>in</strong>emässigen Erfassung <strong>in</strong>terner sowie externer Quellen ist die<br />

Systematik der Abfrage, durch welche die Aussagekraft der Ermittlungen<br />

sichergestellt wird. Dieser ausgewählte Mitarbeiter, welcher die<br />

Verankerung der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> als Teil se<strong>in</strong>er Jobdescription hat,<br />

fördert die Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es mit e<strong>in</strong>fachen Mitteln.<br />

Diese Beispiele zeigen, wie der Verantwortlichkeit und Kompetenz für frühe<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>e organisatorische Struktur gegeben wer<strong>den</strong> kann. Auf der<br />

übergeordneten Ebene des unternehmerischen Rahmens bedeutet dies e<strong>in</strong>e<br />

grundsätzliche strukturelle Verankerung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Struktur<br />

dient als Basis, welche vor der Ausgestaltung und dem Durchlauf des eigentlichen<br />

Integrationsprozesses geregelt wer<strong>den</strong> muss. In der Realisierungsphase des<br />

Prozesses wird dann die operative strukturelle Gestaltung der Integration näher<br />

beleuchtet.<br />

These 3: E<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipielle strukturelle Verankerung der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> der Organisation des Herstellers, von der Zuordnung<br />

e<strong>in</strong>deutiger Aufgaben und Verantwortlichkeiten bis h<strong>in</strong> zu speziellen<br />

Organisationse<strong>in</strong>heiten, stellt als strukturelle Ebene des unternehmerischen<br />

Rahmens e<strong>in</strong>e wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> dar.<br />

Die frühe Innovationsphase ist von Unsicherheit und schwer planbaren<br />

Lernprozessen geprägt. Es bedarf daher neben <strong>den</strong> dargestellten<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>es (zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Grundrissen) standardisierten Vorgehens zur Abwicklung des eigentlichen<br />

Integrationsprozesses. Dieser Prozessansatz, elementarer Bestandteil des<br />

konzeptionellen Managementmodells, erhöht die Chance auf e<strong>in</strong>e erfolgreiche frühe<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, <strong>in</strong>dem er <strong>den</strong> Rahmen für e<strong>in</strong> umfassendes Management der<br />

Integration bildet und die Entwicklung derselben nicht dem Zufall überlässt. Im<br />

Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> daher, für die grundlegen<strong>den</strong> Schritte (1) Initiierung, (2)


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

Vorbereitung und (3) Realisierung der Partnerschaft, relevante Implikationen für<br />

das Management beschrieben.<br />

6.3.2 Prozessschritte<br />

Notwendige Voraussetzung des effektiven und effizienten Prozessmanagements ist<br />

e<strong>in</strong> fundiertes Verständnis des betrachteten Prozesses. Das <strong>in</strong> Abschnitt 6.2<br />

entwickelte Modell dient <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne dem besseren Verständnis des<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesses und kann nun als Grundlage zur Entwicklung<br />

fundierter Gestaltungsempfehlungen herangezogen wer<strong>den</strong>. Diese orientieren sich<br />

an <strong>den</strong> im Managementmodell enthaltenen Phasen des Integrationsprozesses sowie<br />

<strong>den</strong> jeweils damit verbun<strong>den</strong>en Determ<strong>in</strong>anten und Gestaltungsfeldern.<br />

Der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess wird für die Entwicklung der<br />

Gestaltungsempfehlungen zunächst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Segmente unterteilt. Für je<strong>den</strong><br />

Teilschritt wer<strong>den</strong> dann diejenigen Handlungsschwerpunkte aufgezeigt, welche sich<br />

im Verlauf der Arbeit als wesentlich für <strong>den</strong> Erfolg der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

herausgestellt haben. Jedem Handlungsschwerpunkt wer<strong>den</strong> dabei Hauptkriterien<br />

sowie Handlungsfelder zur Optimierung dieser Kriterien zugeordnet.<br />

Die notwendigen Aktionen <strong>in</strong> diesen Handlungsfeldern wer<strong>den</strong> schliesslich zu<br />

konkreten Thesen verdichtet. E<strong>in</strong> spezieller Fokus wird auf die Realisierungsphase<br />

mit <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Gestaltungsfeldern Integrationsstruktur und Interaktionsprozess<br />

gelegt.<br />

Initiierungsphase<br />

Die erste Phase des <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesses setzt sich aus der Willensbildung<br />

zur Integration des Kun<strong>den</strong>, der Auswahl der passen<strong>den</strong> Integrationsstrategie sowie<br />

e<strong>in</strong>er Klärung der aus Herstellersicht mit der Kooperation verbun<strong>den</strong>en Ziele – und<br />

damit des erwarteten Ergebnisses – zusammen. Sie deckt damit die Fragen nach<br />

dem „Warum“ und „Wann“ der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ab.<br />

Entscheidung zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Aus diesen Überlegungen heraus folgt das erste Hauptkriterium des<br />

Integrationsprozesses, nämlich die Entscheidung zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Der erste<br />

zentrale Bestandteil der Initiierungsphase ist daher e<strong>in</strong> funktionierender und<br />

etablierter Prozess zur Erzielung der grundsätzlichen Integrationsentscheidung. Erst<br />

wenn die Entscheidung gefallen ist, dass e<strong>in</strong> Kunde <strong>in</strong> <strong>den</strong> frühen<br />

179


180 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

<strong>Innovationsprozess</strong> <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong> soll, beg<strong>in</strong>nt der eigentliche<br />

Integrationsprozess zu laufen.<br />

Der Anstoss zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> kann dabei aus verschie<strong>den</strong>en<br />

Grundkonstellationen heraus erfolgen:<br />

aus e<strong>in</strong>em Projekt zur Entwicklung e<strong>in</strong>er Innovation<br />

aus der Behandlung e<strong>in</strong>es Problems (mit e<strong>in</strong>em bestehen<strong>den</strong> Produkt)<br />

aus e<strong>in</strong>er Ausschreibung oder Spezifikation durch <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong><br />

vorausschauend im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es pro<strong>aktive</strong>n Technologiemanagements<br />

All diesen Konstellationen ist das Erkennen e<strong>in</strong>es Problems, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />

Unterschieds zwischen <strong>den</strong> sich abzeichnen<strong>den</strong> Anforderungen und <strong>den</strong><br />

vorhan<strong>den</strong>en Kompetenzen und Ressourcen, geme<strong>in</strong>sam. Dies gilt auch, wenn der<br />

Fokus nicht auf der Integration des Technologie- sondern des Marktwissens des<br />

Kun<strong>den</strong> liegt. Die Kenntnisse e<strong>in</strong>es fortschrittlichen, <strong>in</strong>novativen Kun<strong>den</strong><br />

betreffend der Anwendung oder Applikation des Produktes stellen aus Sicht des<br />

Herstellers e<strong>in</strong>e komplementäre Kompetenz dar (vgl. Abschnitt 5.2).<br />

Das erste Handlungsfeld dieses Hauptkriteriums ist die Ermittlung der eigenen<br />

Fähigkeiten und Kompetenzlücken. Dieser Schritt ist ähnlich wie die grundsätzliche<br />

strategische Ausrichtung zur Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es im Rahmen des<br />

gesamten Unternehmens, aber auf e<strong>in</strong>em konkreteren Niveau. E<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> die<br />

grundsätzliche Innovationsstrategie bedarf es nun e<strong>in</strong>es Prozesses, welcher – auf<br />

dem Niveau der e<strong>in</strong>zelnen Geschäftse<strong>in</strong>heit oder Abteilung – die eigenen<br />

Kernkompetenzen sowie Felder zur Zusammenarbeit mit Externen festlegt. Diese<br />

grundsätzliche Orientierung muss fortlaufend durchgeführt und <strong>in</strong>nerhalb der Firma<br />

kommuniziert wer<strong>den</strong> und bildet damit die Basis zur strategischen Entscheidung,<br />

e<strong>in</strong>en Kun<strong>den</strong> zu <strong>in</strong>tegrieren.<br />

E<strong>in</strong> zielführendes Instrument dafür ist die Aufstellung e<strong>in</strong>es Technologieportfolios<br />

mit dessen Hilfe strategische Schwerpunkte bezüglich relevanter Technologiefelder<br />

des eigenen Unternehmens dargestellt wer<strong>den</strong>. So können beispielsweise Firmen,<br />

bei <strong>den</strong>en e<strong>in</strong>e Portfolioanalyse ergibt, dass der Grossteil der Produkte auf reifen<br />

Technologien basiert, gezielt externe Kompetenzen zur Entwicklung<br />

technologischer Innovationen <strong>in</strong> ihre <strong>Innovationsprozess</strong>e <strong>in</strong>tegrieren.<br />

Der Hersteller wählt dabei e<strong>in</strong>e von zwei möglichen spezifischen<br />

Integrationsstrategien aus. Entweder er möchte se<strong>in</strong> Effektivität erhöhen, <strong>in</strong>dem er<br />

Kun<strong>den</strong> zur Unterstützung bei wichtigen grundsätzlichen Entscheidungen <strong>in</strong>tegriert


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

(„effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie“) oder er nutzt gezielt die Kompetenz<br />

und Ressource der Kun<strong>den</strong> und erhöht dadurch se<strong>in</strong>e Effizienz<br />

(„effizienzfokussierte Integrationsstrategie“). In <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Organisationse<strong>in</strong>heiten kann diese operative Integrationsstrategie dar<strong>in</strong> resultieren,<br />

dass die Integration der Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> die Ziele der verantwortlichen Manager<br />

e<strong>in</strong>fliesst.<br />

These 4: Im Rahmen e<strong>in</strong>er Integrationsstrategie des Herstellers bezüglich<br />

früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> müssen die spezifischen Ziele des Herstellers und<br />

damit die Rolle des Kun<strong>den</strong> für die Integration festgelegt wer<strong>den</strong>.<br />

Ergänzend zur Ermittlung der eigenen Fähigkeiten gilt es im zweiten<br />

Handlungsfeld, die Chancen und Anforderungen von aussen zu erkennen. Diese<br />

können e<strong>in</strong>erseits durch allgeme<strong>in</strong>e Entwicklungen bzw. Trends des Marktes und<br />

andererseits durch konkrete Anforderungen der Kun<strong>den</strong> entstehen. Instrumente der<br />

Technologiefrühaufklärung sowie solche zur Ermittlung von Kun<strong>den</strong>bedürfnissen<br />

dienen zur Sammlung relevanter Informationen.<br />

Mit <strong>in</strong>stitutionalisierter Technologiefrühaufklärung, beispielsweise durch e<strong>in</strong> Netz<br />

von Horchposten, wer<strong>den</strong> heute von vielen Firmen aktiv Bestrebungen<br />

unternommen, aktuelle Trends und Technologien zu i<strong>den</strong>tifizieren. Dies stellt <strong>den</strong><br />

ersten Schritt e<strong>in</strong>er Öffnung nach aussen dar. Aufgrund der E<strong>in</strong>schätzung<br />

verschie<strong>den</strong>er Anspruchsgruppen im Markt können, für die strategische<br />

Stossrichtung, Suchfelder für technologische Entwicklungen <strong>in</strong> aktuellen, neuen<br />

sowie auch branchenfrem<strong>den</strong> Märkten erstellt wer<strong>den</strong>. Durch die Interaktion mit der<br />

Umwelt der Firma wer<strong>den</strong> so Chancen, Potenziale und Gefahren i<strong>den</strong>tifiziert,<br />

welche aktuelle und zukünftige Märkte bergen.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel für <strong>den</strong> erfolgreichen Transfer e<strong>in</strong>er neuen Technologie <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

bestehendes Serienprodukt stellt das revolutionäre, wie umstrittene,<br />

Fahrzeugbedienungskonzept iDrive der BMW AG dar. Über e<strong>in</strong>en<br />

Horchposten im Silicon Valley gelangte die Kerntechnologie aus der High-<br />

Tech-Mediz<strong>in</strong><strong>in</strong>dustrie zur F&E-Zentrale nach München, wurde schliesslich<br />

zur Serienreife weiterentwickelt und im Jahre 2002 <strong>in</strong> der 7er-Modellreihe<br />

der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />

181


182 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Das dritte Handlungsfeld be<strong>in</strong>haltet schliesslich <strong>den</strong> Abgleich der eigenen<br />

Fähigkeiten und Ressourcen mit <strong>den</strong> eigenen Zielen sowie <strong>den</strong> externen<br />

Notwendigkeiten und Anforderungen. Aus e<strong>in</strong>em Beurteilungsprozess heraus fällt<br />

die Entscheidung, welche <strong>Innovationsprozess</strong>e mit oder ohne externe Beteiligung<br />

angestossen wer<strong>den</strong>. Dabei handelt es sich – dem Charakter der Frühphase<br />

entsprechend – um Projekte, mit hoher Unsicherheit und mittel- bis langfristigen<br />

Rentabilitätsfristen.<br />

Das Erkennen der Notwendigkeit der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> beruht also, als Ergebnis<br />

e<strong>in</strong>er Gegenüberstellung der eigenen Fähigkeiten mit <strong>den</strong> sich bieten<strong>den</strong> Chancen,<br />

auf der rechtzeitigen und zielgerichteten I<strong>den</strong>tifizierung e<strong>in</strong>es Bedarfs.<br />

These 4a: Je sorgfältiger die Entscheidung zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> auf e<strong>in</strong>er<br />

Integrationsstrategie, resultierend aus e<strong>in</strong>er detaillierten Analyse der eigenen<br />

Kompetenzen sowie e<strong>in</strong>er I<strong>den</strong>tifikation möglicher Kooperationsfelder,<br />

basiert, desto besser s<strong>in</strong>d die Erfolgsaussichten des darauf aufbauen<strong>den</strong><br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesses.<br />

Klare Ergebnisfestlegung<br />

Nach der grundsätzlichen Entscheidung für die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> folgt als zweites<br />

Hauptkriterium der ersten Phase die Klärung der Integrationsziele. Die durch die<br />

Integration verfolgten Ziele stellen e<strong>in</strong>en wesentlichen Parameter für das<br />

Management des <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesses dar. Kun<strong>den</strong>auswahl, Zeitpunkt der<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung sowie operative Zusammenarbeit wer<strong>den</strong> entschei<strong>den</strong>d vom erwarteten<br />

Ergebnis bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Aus <strong>den</strong> übergeordneten Strategien heraus entstehen zunächst spezifische<br />

Integrationsstrategien und schliesslich konkrete Ziele, welche der Hersteller mit der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> verfolgt. Dabei lassen sich vier wesentliche Ziele<br />

unterschei<strong>den</strong> – die Trendi<strong>den</strong>tifikation, die Innovationsverstärkung, die<br />

Spezifikationsausarbeitung und die Konzeptverfe<strong>in</strong>erung.<br />

Die Sammlung aller relevanten firmen<strong>in</strong>ternen Daten und darauf aufbauend e<strong>in</strong>e<br />

detaillierte Problembeschreibung bil<strong>den</strong> dabei das erste Handlungsfeld. Neben der<br />

Aufarbeitung der im Rahmen des Entscheidungsprozesses gesammelten Daten


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

<strong>in</strong>nerhalb der direkt mit der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> betreuten Organisationse<strong>in</strong>heit,<br />

wer<strong>den</strong> zu diesem Zeitpunkt auch die anderen von der Integration betroffenen<br />

Abteilungen e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>. Diese firmen<strong>in</strong>terne Zusammenarbeit (aufseiten des<br />

Herstellers) läuft von e<strong>in</strong>er Vorankündigung des geplanten Projektes, über e<strong>in</strong>e<br />

Abstimmung der Ziele und Suchstrategien, h<strong>in</strong> zur Abklärung des bereits<br />

vorhan<strong>den</strong>en Wissens über potenzielle Integrationspartner. Darüber h<strong>in</strong>aus können<br />

bereits erste Gespräche zur Klärung von Teilnehmern anderer Abteilungen im<br />

geplanten Integrationsprojekt stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>. Diese firmen<strong>in</strong>terne Datensammlung<br />

erfüllt auch die wesentliche Funktion der frühzeitigen Information der <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

weiteren Schritten direkt betroffenen Abteilungen (z. B. des Key Account<br />

Managements).<br />

Das zweite Handlungsfeld wird durch die konkrete Erarbeitung der<br />

Integrationsziele gebildet. Nach der grundsätzlichen Festlegung auf e<strong>in</strong>en<br />

Integrationstyp erfolgt basierend auf e<strong>in</strong>er genauen Beschreibung des Problems,<br />

welches mithilfe der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> gelöst wer<strong>den</strong> soll, e<strong>in</strong>e detaillierte<br />

Ausarbeitung der Integrationsziele. Basierend auf der im Entscheidungsprozess<br />

gefun<strong>den</strong>en Lücke erfolgt e<strong>in</strong>e Konkretisierung des durch die Integration des<br />

Kun<strong>den</strong> erwarteten Beitrages.<br />

Schliesslich gilt es im letzten Handlungsfeld, die Integration der wichtigsten<br />

Stakeholder und die weiteren Prozessschritte vorzubereiten. Dazu gehört <strong>in</strong>nerhalb<br />

des Unternehmens die Entwicklung e<strong>in</strong>es Konzeptes für das weitere Vorgehen. Die<br />

Regelung der abteilungs- und firmen<strong>in</strong>ternen Verantwortlichkeiten bildet dabei <strong>den</strong><br />

Schwerpunkt. Als Vorbereitung auf die eigentliche Kun<strong>den</strong>suche kann ausserdem<br />

bereits e<strong>in</strong>e erste Kontaktaufnahme mit potenziellen Partnern im S<strong>in</strong>ne erster<br />

unverb<strong>in</strong>dlicher Vorgespräche stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>. Auch e<strong>in</strong>e Analyse der Vorgeschichte<br />

potenziell zu <strong>in</strong>tegrierender Kun<strong>den</strong> sowie erste „Market<strong>in</strong>gaktivitäten“, um <strong>den</strong><br />

Markt auf die bevorstehende frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> vorzubereiten, können bereits<br />

durchgeführt wer<strong>den</strong>.<br />

These 4b: Je genauer bei der Ergebnisfestlegung das spezifische Ziel des<br />

Herstellers berücksichtigt wird, desto grösser s<strong>in</strong>d die Chancen e<strong>in</strong>er<br />

erfolgreichen Zielerreichung im folgen<strong>den</strong> <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess.<br />

183


184 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Abbildung 36 fasst die Hauptkriterien und Handlungsfelder der Initiierungsphase<br />

zusammen.<br />

Schritt Hauptkriterien<br />

Initiierungsphase<br />

Vorbereitungsphase<br />

Entscheidung zur<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Ergebnisfestlegung<br />

Handlungsfelder<br />

Strategische Analyse der eigenen<br />

Kompetenzen und Technologien<br />

Erkennen von Chancen und Anforderungen<br />

Abgleich der Fähigkeiten und Anforderungen<br />

Detaillierte Problembeschreibung<br />

Erarbeitung der Integrationsziele<br />

Integration der wichtigsten Stakeholder<br />

Abbildung 36: Handlungsfelder der Initiierungsphase<br />

Basierend auf <strong>den</strong> Kenntnissen der eigenen Stärken und Schwächen sowie Chancen<br />

und Risiken können potenzielle Innovationspartner i<strong>den</strong>tifiziert wer<strong>den</strong>, welche<br />

helfen, die strategischen Zielsetzungen zu verfolgen. Potenzielle Innovationspartner<br />

umfassen neben Kun<strong>den</strong> und Lieferanten auch komplementäre Partner und<br />

Wettbewerber (Stichwort Coopetition). Die wesentlichen Schritte dieser Phase s<strong>in</strong>d<br />

Suche, Auswahl, Verhandlungen und Vertragsabschluss. Es wird also primär die<br />

Frage beantwortet, wer <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong> soll.<br />

Hauptkriterium Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

Das Ziel der Integration und damit der Zeitpunkt der Integration und die Rolle des<br />

Kun<strong>den</strong> stehen zu diesem Zeitpunkt des <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesses bereits fest.<br />

Es gilt daher jetzt, geeignete Mechanismen zur konkreten Suche potenziell<br />

geeigneter Kun<strong>den</strong> festzulegen. Neben <strong>den</strong> rollenspezifischen Selektionskriterien,


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

welche engen Bezug auf die jeweiligen Rollencharakteristika nehmen müssen,<br />

spielt auch die grundsätzliche Übere<strong>in</strong>stimmung auf strategischer und kultureller<br />

Ebene e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle.<br />

These 5: Die Rolle des Kun<strong>den</strong> hat entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl sowie die operative Gestaltung der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

Erstes Handlungsfeld dieser Phase ist die Entwicklung e<strong>in</strong>er Suchstrategie und<br />

geeigneter Selektionskriterien zum Auff<strong>in</strong><strong>den</strong> potenzieller Kun<strong>den</strong>. Dabei ist<br />

zunächst die grundlegende Frage zu klären, welche Kun<strong>den</strong> für die Integration <strong>in</strong><br />

die Innovationsfrühphase pr<strong>in</strong>zipiell <strong>in</strong>frage kommen. Zunächst muss der Kunde e<strong>in</strong><br />

der ihm zugedachten Rolle entsprechendes Kompetenzprofil aufweisen. Das<br />

bedeutet beispielsweise, dass e<strong>in</strong> Selektor <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong> muss, Aussagen über<br />

zukünftige Entwicklungen <strong>in</strong> relevanten Märkten zu machen. Er muss also über<br />

e<strong>in</strong>e gewisse „Szenarienkompetenz“ verfügen, e<strong>in</strong>e Eigenschaft, welche von der<br />

Grösse und der Branche abhängt und nicht immer gleich stark ausgeprägt se<strong>in</strong> wird.<br />

Generell manifestiert sich der E<strong>in</strong>fluss des Kun<strong>den</strong> bezüglich der Wirksamkeit der<br />

von ihm bekleideten Rollen im Rahmen e<strong>in</strong>er Integration durch <strong>den</strong> Hersteller <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Innovationsbereitschaft, f<strong>in</strong>anziellen Potenz sowie se<strong>in</strong>er Prognosefähigkeit<br />

für segmentspezifische zukünftige Bedürfnisse (Brockhoff 2002).<br />

Neben der Suchstrategie und dem Kompetenzprofil des Kun<strong>den</strong> gilt es auch,<br />

Aspekte des Umfelds zu berücksichtigen. So spielt die Marktsituation, <strong>in</strong> welcher<br />

die Integration stattf<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e Rolle. Die SIG Combibloc z. B hat durch die grosse<br />

Konzentration bei Grossserien-Fruchtsaftabfüllern nur wenige Kun<strong>den</strong> zur<br />

Verfügung, welche überhaupt für e<strong>in</strong>e Integration <strong>in</strong>frage kommen. E<strong>in</strong>e Rolle<br />

spielen auch eventuelle Konkurrenzsituationen unter <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>, vor allem, wenn<br />

diese durch das Produkt des Herstellers bee<strong>in</strong>flusst wer<strong>den</strong>. Im Falle von Hilti treten<br />

derartige Be<strong>den</strong>ken nicht auf, da die Produkte pr<strong>in</strong>zipiell nicht mit Exklusivrechten<br />

vertrieben wer<strong>den</strong> und daher ke<strong>in</strong>e Baufirma sich durch e<strong>in</strong>e neue Hilti-Masch<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>en nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung sichern kann.<br />

Zumtobel Staff gibt sich selbst strategische Zielgrössen vor, welche<br />

„Stararchitekten“ <strong>in</strong> welcher Region wie stark <strong>in</strong>tegriert se<strong>in</strong> sollen. H<strong>in</strong>ter diesen<br />

185


186 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Vorgaben stehen konkret festgelegte Kriterien, anhand derer potenzielle<br />

Integrationspartnern ausgewählt wer<strong>den</strong>. Oft spielen persönliche Bekanntschaften<br />

und Mundpropaganda e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. Auch die vergangenen Erfahrungen,<br />

welche man mit e<strong>in</strong>em Kun<strong>den</strong> gesammelt hat, fliessen <strong>in</strong> die Auswahlkriterien mit<br />

e<strong>in</strong>.<br />

Dabei gilt es zur Sammlung des <strong>in</strong>nerhalb der Firma vorhan<strong>den</strong>en, relevanten<br />

Wissens über die jeweilige Kun<strong>den</strong>zielgruppe mit <strong>den</strong> anderen betroffenen<br />

Abteilungen zusammenzuarbeiten (Wer kennt die Kun<strong>den</strong> und kann Aussagen über<br />

ihre Eignung zur Integration Auskunft geben?). Der Erstkontakt mit potenziellen<br />

Partnern kann über klassische Kanäle des Kun<strong>den</strong>kontaktes (z. B. Market<strong>in</strong>g,<br />

Verkauf, Key Account Management) erfolgen bzw. müssen diese Abteilungen<br />

immer über je<strong>den</strong> direkten Kontakt zwischen F&E- bzw. Spezialabteilungen und<br />

<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong>formiert und <strong>in</strong> etwaige Entscheidungen e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Die<br />

Partnerselektion kann aufgrund e<strong>in</strong>es ausgearbeiteten Kriterienkataloges erfolgen,<br />

wobei persönliche Kontakte oftmals die ausschlaggeben<strong>den</strong> Faktoren für die Wahl<br />

e<strong>in</strong>es geeigneten Partners darstellen.<br />

Zweites Handlungsfeld ist der eigentliche Kun<strong>den</strong>suchprozess. Die Durchführung<br />

e<strong>in</strong>er systematischen Suche unter E<strong>in</strong>beziehung verschie<strong>den</strong>er Kanäle und<br />

Abteilungen be<strong>in</strong>haltet die Feststellung der Fähigkeiten der <strong>in</strong>frage kommen<strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong> sowie e<strong>in</strong>e erste Vorauswahl anhand der erarbeiteten Selektionskriterien. In<br />

vielen Fällen ist dies ke<strong>in</strong> isolierter, e<strong>in</strong>maliger Prozess, sondern das Umfeld wird<br />

im Rahmen der täglichen Aktivitäten praktisch permanent nach potenziellen<br />

Partnern abgesucht.<br />

Es ist vorteilhaft, e<strong>in</strong> Portfolio von möglichen Kooperationspartnern zu pflegen, da<br />

die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung verschie<strong>den</strong>er Partner <strong>in</strong> verschie<strong>den</strong>en Rollen zu <strong>den</strong> grössten<br />

Hebeleffekten zur Steigerung der Innovationskraft führt. E<strong>in</strong>e durch e<strong>in</strong>en<br />

systematischen Prozess aufgebaute Partnerschaftskompetenz ermöglicht es, bei<br />

Bedarf spontan auf e<strong>in</strong>en Partner zurückzugreifen, ohne zuerst <strong>den</strong> Partner<br />

selektieren und die Partnerschaft aufbauen zu müssen.<br />

Das dritte Handlungsfeld bildet schliesslich die Selektion potenzieller<br />

Integrationspartner. Dabei passiert, nach e<strong>in</strong>er Abklärung des pr<strong>in</strong>zipiellen<br />

Interesses vonseiten der Kun<strong>den</strong>, die eigentliche Auswahl der potenziellen<br />

Integrationspartner <strong>in</strong> bilateralen Gesprächen.


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

These 5a: Je mehr die Rolle des Kun<strong>den</strong> bei der Kun<strong>den</strong>auswahl, <strong>in</strong> Form<br />

von entsprechen<strong>den</strong> Suchstrategien und Selektionskriterien, berücksichtigt<br />

wird, desto zielgerichteter kann diese erfolgen und desto grösser ist die<br />

Chance geeignete Kun<strong>den</strong> zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Hauptkriterium Vertragsabschluss<br />

Im nächsten Schritt kommt es zur Verhandlung mit <strong>den</strong> selektierten Kun<strong>den</strong>. In<br />

dieser Verhandlungsphase erfolgt die endgültige Auswahl aus e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Gruppe<br />

von möglichen Integrationspartnern. Dabei spielen neben <strong>den</strong> Fähigkeiten der<br />

Kun<strong>den</strong> und ihrer zeitlichen und räumlichen Verfügbarkeit auch ihre Erwartungen<br />

sowohl h<strong>in</strong>sichtlich der Innovationsziele als auch <strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong>e eventuelle<br />

Vergütung e<strong>in</strong>e Rolle. Der Aufbau der Partnerschaft be<strong>in</strong>haltet <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

vertragliche Abstimmungen bezüglich der geme<strong>in</strong>samen Zielsetzung und<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Integration.<br />

Die Festlegung der geme<strong>in</strong>samen Integrationsziele bildet das zweite wichtige<br />

Handlungsfeld. Fällt der Entschluss, die eigenen Kompetenzen mit dem selektierten<br />

Kun<strong>den</strong> zu stärken oder zu ergänzen, muss die rechtliche Ausgestaltung der<br />

Integration geregelt wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong> wesentliches Gestaltungsthema ist dabei die<br />

Klärung der Rechte am geistigen Eigentum (Intellectual Property IP). Unter <strong>den</strong><br />

Begriff des geistigen Eigentums ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang der geme<strong>in</strong>same<br />

Wissensausstoss der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu verstehen. Die grosse<br />

Herausforderung bei geme<strong>in</strong>samen Innovationsvorhaben besteht diesbezüglich<br />

dar<strong>in</strong>, dass die Aufteilung von Ertrag und Nutzen aus der Kooperation festgelegt<br />

wer<strong>den</strong> muss, bevor deren eigentliche Grösse bekannt ist. Solche Regelungen<br />

be<strong>in</strong>halten vor allem Fragestellungen, welche <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bereich des Intellectual<br />

Property Managements fallen. Nicht immer wird man im Fall der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> mit <strong>den</strong> herkömmlichen Ansätzen zur Intellectual Property<br />

Regelung das Auslangen f<strong>in</strong><strong>den</strong>, da es sich dabei im Gegensatz zu e<strong>in</strong>er klassischen<br />

F&E-Kooperation um die neue Form e<strong>in</strong>es offenen <strong>Innovationsprozess</strong>es handelt.<br />

Manche Autoren sehen daher die Notwendigkeit, neue Mechanismen zu entwickeln,<br />

um <strong>in</strong> solchen geme<strong>in</strong>samen Innovationsvorhaben die ökonomische Renten mit <strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong> zu teilen (z. B. Nambisan 2002).<br />

187


188 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Neben der klaren Regelung des geistigen Eigentums ist aber auch die geme<strong>in</strong>same<br />

Def<strong>in</strong>ition von Exit-Strategien von zentraler Bedeutung. Diese sollten von <strong>den</strong><br />

Innovationspartnern nicht als Ausdruck von Misstrauen, sondern im Gegenteil als<br />

vertrauensbil<strong>den</strong>de Massnahme verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Nur auf der Grundlage klarer<br />

Positionen und ger<strong>in</strong>ger Unsicherheit kann das für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Integration<br />

notwendige Vertrauen aufgebaut wer<strong>den</strong>.<br />

Der Hersteller muss am Ende der Verhandlungen e<strong>in</strong>en Abgleich se<strong>in</strong>er <strong>in</strong> der<br />

Initiierungsphase aufgestellten Ziele mit <strong>den</strong> Verhandlungsergebnissen, d. h. <strong>den</strong><br />

geme<strong>in</strong>samen Zielen durchführen. Danach erfolgt der Abschluss des Vertrages bzw.<br />

der Vere<strong>in</strong>barung. In vielen Fällen kommt es gar nicht zu e<strong>in</strong>em schriftlichen<br />

Vertrag mit detaillierter Ausarbeitung der wesentlichen Punkte der Integration<br />

sowie der Verwertung der Ergebnisse. Es genügt oft e<strong>in</strong>e kurze e<strong>in</strong>seitige<br />

Vere<strong>in</strong>barung über Stillschweigen betreffend der Ergebnisse der im Rahmen der<br />

Integration durchgeführten Treffen. In vielen Fällen liegt auch schon e<strong>in</strong>e<br />

persönliche Bekanntschaft und damit e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis vor, welches <strong>den</strong><br />

Abschluss von umfangreichen schriftlichen Vere<strong>in</strong>barungen unnötig macht. In<br />

manchen Märkten bzw. Branchen, beispielsweise der Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie, s<strong>in</strong>d<br />

allerd<strong>in</strong>gs ausführliche Vertragswerke, oft im Zuge von Ausschreibungen<br />

öffentlicher Institutionen, vorgeschrieben und unerlässlich.<br />

These 5b: Je sorgfältiger beim Vertragsabschluss die geme<strong>in</strong>same<br />

Zielf<strong>in</strong>dung durchgeführt sowie die Fragen des geistigen Eigentums geklärt<br />

wer<strong>den</strong>, desto ger<strong>in</strong>ger ist das Konfliktpotenzial und desto höher die<br />

Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit der <strong>in</strong>ter<strong>aktive</strong>n Zusammenarbeit.<br />

Die wesentlichen Kernpunkte der Vorbereitungsphase fasst Abbildung 37<br />

zusammen.


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

Schritt Hauptkriterien<br />

Handlungsfelder<br />

Vorbereitungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

Vertragsabschluss<br />

Entwicklung Suchstrategie und<br />

Selektionskriterien<br />

Kun<strong>den</strong>suchprozess<br />

Selektion potenzieller Integrationspartner<br />

Verhandlung mit selektierten Kun<strong>den</strong><br />

Festlegung der geme<strong>in</strong>samen Integrationsziele<br />

Klärung der Rechte am geistigen Eigentum<br />

Abbildung 37: Handlungsfelder der Vorbereitungsphase<br />

Im dritten Schritt wird die Partnerschaft schliesslich umgesetzt. In <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> als<br />

relevant i<strong>den</strong>tifizierten Gestaltungsfeldern wer<strong>den</strong> anhand der jeweiligen<br />

Gestaltungsfaktoren die Organisation und der Ablauf festgelegt. Damit wer<strong>den</strong> die<br />

Ergebnisse erzielt und <strong>in</strong>tegriert. Durch das F<strong>in</strong><strong>den</strong> der passen<strong>den</strong> Form der<br />

Zusammenarbeit sowie das Aufsetzen und Führen des eigentlichen<br />

Integrationsprozesses wird die Frage nach dem „Wie“ der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

beantwortet.<br />

These 6: Die für <strong>den</strong> Erfolg notwendige rollenspezifische Organisation der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> wird auf der operativen Ebene durch die<br />

Ausprägung der Gestaltungsfaktoren <strong>in</strong> <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Gestaltungsfeldern<br />

Integrationsstruktur und Interaktionsprozess bestimmt.<br />

189


190 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Operative Gestaltung und Durchführung<br />

Gestaltungsfeld Integrationsstruktur<br />

Das Konstrukt der Integrationsstruktur steht für die strukturellen Aspekte der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Im Mittelpunkt steht hier die eigentliche operative Organisation<br />

(Wie organisiert?), während es beim Interaktionsprozess der Ablauf und soziale<br />

Aspekte s<strong>in</strong>d. Es wird die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der ausgewählten Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> die <strong>in</strong>ternen<br />

Abläufe des Herstellers behandelt. Dabei verlangen verschie<strong>den</strong>e Kun<strong>den</strong>rollen<br />

unterschiedliche Anb<strong>in</strong>dungsarten und damit unterschiedliche Integrations- und<br />

Koord<strong>in</strong>ationsmechanismen.<br />

Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> für die i<strong>den</strong>tifizierten Gestaltungsfaktoren<br />

Verb<strong>in</strong>dungsstärke, zeitliche Struktur, Ort der Interaktion und der Zahl der Kun<strong>den</strong><br />

jeweils allgeme<strong>in</strong>e sowie rollenspezifische Gestaltungsempfehlungen entwickelt.<br />

Verb<strong>in</strong>dungsstärke<br />

Zur Erzielung e<strong>in</strong>er situativ passen<strong>den</strong> Integrationsstruktur muss die<br />

Verb<strong>in</strong>dungsstärke, oder auch Intensität der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, an die jeweilige<br />

Situation sowie <strong>den</strong> erwarteten Kun<strong>den</strong>beitrag und damit die spezifische<br />

Kun<strong>den</strong>rolle angepasst se<strong>in</strong>. Je passender die Integrationsstruktur der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ausgeführt ist und je flexibler sie an neue Situationen angepasst<br />

wer<strong>den</strong> kann, desto erfolgreicher kann die Integration ablaufen. Ziel ist daher, ke<strong>in</strong>e<br />

möglichst hohe, sondern e<strong>in</strong>e der jeweiligen Situation adäquate Verb<strong>in</strong>dungsstärke.<br />

Gruner (1997) hat darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass aufgrund der Form der<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> nicht notwendigerweise e<strong>in</strong>e Assoziation mit der Intensität der<br />

Zusammenarbeit gegeben se<strong>in</strong> muss. So s<strong>in</strong>d zwar bei Betrachtung der<br />

Integrationsform Ten<strong>den</strong>zaussagen zur E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungs<strong>in</strong>tensität möglich, gleichzeitig<br />

s<strong>in</strong>d aber sehr wohl <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Form deutlich unterschiedliche Intensitäten<br />

<strong>den</strong>kbar. Im Folgen<strong>den</strong> wird daher gezeigt, womit die Verb<strong>in</strong>dungsstärke generell<br />

bee<strong>in</strong>flusst wer<strong>den</strong> kann. Die danach angeführten rollenspezifischen Unterschiede<br />

sollen als prototypische Richtl<strong>in</strong>ien gelten, wobei es <strong>in</strong> der Praxis situativ zu<br />

anderen Grössenverhältnissen kommen kann.<br />

Wie <strong>in</strong> Abschnitt 4.2.1 gezeigt wor<strong>den</strong> ist, liegen die Mittel zur Erzielung e<strong>in</strong>er<br />

grösseren Verb<strong>in</strong>dungsstärke <strong>in</strong> der Erhöhung der Häufigkeit der Kontakte, e<strong>in</strong>er<br />

zeitlich andauern<strong>den</strong> räumlichen Integration des Kun<strong>den</strong> oder <strong>in</strong> der Schaffung<br />

spezieller Rollen bzw. Organisationse<strong>in</strong>heiten beim Hersteller. Die notwendige<br />

Stärke der Verb<strong>in</strong>dung zwischen Hersteller und <strong>in</strong>tegriertem Kun<strong>den</strong> hängt von der<br />

Komplexität der Aufgabe des Kun<strong>den</strong> und von der zeitlichen Dr<strong>in</strong>glichkeit ab. Je


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

zeitkritischer e<strong>in</strong>e Aufgabe ist, desto stärker muss die Anb<strong>in</strong>dung des Kun<strong>den</strong><br />

ausfallen. Auch e<strong>in</strong>e höhere Komplexität oder Spezifität der Aufgabe verlangt nach<br />

e<strong>in</strong>em höheren Grad an Ankopplung.<br />

Dies bedeutet, dass die Rollen des Spezialisten, des Spezifikators und des Selektors<br />

e<strong>in</strong>e grössere Verb<strong>in</strong>dungsstärke verlangen als die des Sensors. Sowohl der<br />

Spezialist als auch der Spezifikator zeichnen sich durch e<strong>in</strong>e hohe Spezifität bzw.<br />

Komplexität der an sie gerichteten Anforderungen aus. Zusätzlich spielen beide<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle bei der Erreichung der oft zeitkritischen Ziele der<br />

Ideengenerierungsphase. Bei der Phase der I<strong>den</strong>tifizierung von Gelegenheiten ist<br />

ke<strong>in</strong> so strikter Zeitplan zu erwarten. Für das Selektieren und Verfe<strong>in</strong>ern der<br />

Konzepte am Ende der Frühphase gilt aber sehr wohl wieder e<strong>in</strong> strafferer Zeitplan.<br />

Diese Phase vermischt sich oft auch schon mit dem Beg<strong>in</strong>n des eigentlichen<br />

Neuproduktentwicklungsprozesses, welcher pr<strong>in</strong>zipiell durch e<strong>in</strong> strengeres<br />

Zeitregime gekennzeichnet ist.<br />

Struktur ist, wie bereits oben erwähnt, neben der Kultur e<strong>in</strong> weiteres zentrales<br />

Ordnungselement. Die operative strukturelle Verankerung kann auch im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die Verb<strong>in</strong>dungsstärke e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong>. Dies geschieht durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige<br />

Regelung der mit der Integration verbun<strong>den</strong>en Aufgaben, der Verantwortlichkeiten<br />

und der Ressourcenzuteilung. So ist die Verb<strong>in</strong>dungsstärke zu <strong>den</strong> <strong>in</strong>tegrierten<br />

Kun<strong>den</strong> im Falle e<strong>in</strong>er eigenen organisatorischen E<strong>in</strong>heit aufgrund der damit<br />

verbun<strong>den</strong> personellen Ressourcen und des speziellen kun<strong>den</strong>orientierten Fokus<br />

höher, als wenn die Integration <strong>in</strong> das Aufgabenportfolio e<strong>in</strong>er bereits bestehen<strong>den</strong><br />

Position <strong>in</strong>tegriert wird. Dieses Gestaltungselement stellt sicher, dass die<br />

Verb<strong>in</strong>dung zwischen <strong>den</strong> <strong>in</strong>ternen Organisationse<strong>in</strong>heiten und <strong>den</strong> <strong>in</strong>tegrierten<br />

Kun<strong>den</strong> formell etabliert und aufrechterhalten wird. Drüber h<strong>in</strong>aus wird dadurch<br />

auch die Kanalisierung der Kun<strong>den</strong>beiträge zu <strong>den</strong> richtigen Personen bzw.<br />

Abteilungen <strong>in</strong>nerhalb der Organisation des Herstellers gewährleistet. Man kann die<br />

Aufgabe e<strong>in</strong>er derartigen eigenen E<strong>in</strong>heit als die Funktion e<strong>in</strong>es „Integrators“<br />

betrachten. Dabei kann e<strong>in</strong>e derartige Aufgabe sowohl für die drei Rollen mit hoher<br />

Verb<strong>in</strong>dungsstärke – nämlich Spezialist, Spezifikator und Selektor – als auch für die<br />

verbleibende Rolle des Sensors e<strong>in</strong>gerichtet wer<strong>den</strong>. Letztere verlangt zwar nicht<br />

notwendigerweise <strong>in</strong>tensive längerfristige Betreuung, aber es kommt für die<br />

jeweiligen Aufgabenstellungen zu punktuellen Kontakten mit verschie<strong>den</strong>en<br />

Kun<strong>den</strong>. Daher spielen <strong>in</strong> diesen Fällen, zusätzlich zu <strong>den</strong> Kernaufgaben e<strong>in</strong>es<br />

Innovationspartners, auch die Verkörperung der Kont<strong>in</strong>uität und die Pflege der<br />

Integrationskompetenz noch wesentliche Rollen.<br />

191


192 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

E<strong>in</strong>e eigene Organisationse<strong>in</strong>heit zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong>nerhalb der F&E-<br />

Abteilung oder des Market<strong>in</strong>gs stellt die stärkste Manifestation der Öffnung des<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es für Kun<strong>den</strong> dar und bietet die besten Voraussetzungen für<br />

e<strong>in</strong>e hohe Verb<strong>in</strong>dungs<strong>in</strong>tensität. Dabei muss e<strong>in</strong>e derartige Institution allerd<strong>in</strong>gs<br />

nicht automatisch e<strong>in</strong>e permanent hohe Verb<strong>in</strong>dungsstärke bedeuten, da diese, wie<br />

im Folgen<strong>den</strong> gezeigt wird, auch e<strong>in</strong>e wesentliche zeitliche Komponente aufweist.<br />

Zeitliche Struktur<br />

Die zeitliche Struktur muss an das Ziel und damit die Rolle angepasst wer<strong>den</strong>, da<br />

sie von <strong>den</strong> Aufgabenstellungen nicht zu trennen ist. So bedarf die geme<strong>in</strong>same<br />

Erarbeitung e<strong>in</strong>er Innovation e<strong>in</strong>e längerfristige enge Zusammenarbeit, welche mit<br />

punktuellen Interaktionen nicht machbar wäre. Derartige s<strong>in</strong>guläre Kontakte können<br />

aber für e<strong>in</strong>en gezielten Input bzw. die fokussierte Behandlung e<strong>in</strong>es Teilaspektes<br />

zu e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt der Innovationsfrühphase durchaus zielführend<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell wird die zeitliche Struktur durch die Häufigkeit und die Dauer der<br />

e<strong>in</strong>zelnen Intervalle bestimmt. Der Hersteller kann also die Zahl der Treffen<br />

beispielsweise im Verlauf e<strong>in</strong>es Jahres sowie die Dauer der e<strong>in</strong>zelnen Treffen und<br />

damit das Zeitmuster der Interaktion festlegen.<br />

Während die Rollen des Sensors und des Selektors meistens durch punktuelle<br />

Interaktionen charakterisiert s<strong>in</strong>d, tritt bei <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> anderen Rollen häufig e<strong>in</strong>e<br />

temporäre Interaktion <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum<br />

auf. Sowohl die Innovationsverstärkung des Spezialisten als auch die<br />

Spezifikationsausarbeitung des Spezifikators verlangen e<strong>in</strong>en regen persönlichen<br />

Austausch zwischen <strong>den</strong> Vertretern des Kun<strong>den</strong> und <strong>den</strong> zuständigen Spezialisten<br />

des Herstellers. Nur dadurch ist es möglich, dass jede Seite ihr Spezialwissen (beim<br />

Spezialisten dom<strong>in</strong>ierend implizit, beim Spezifikator auch explizit möglich)<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt und durch Komb<strong>in</strong>ation etwas <strong>in</strong>novatives Neues entsteht. Ausserdem gibt<br />

es <strong>in</strong> bei<strong>den</strong> Fällen pr<strong>in</strong>zipiell nur wenige potenzielle Integrationspartner, welche<br />

daher besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.<br />

Generell liegt es für alle Rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> im beiderseitigen<br />

Interesse, im S<strong>in</strong>ne konstanter Geschäftsbeziehungen e<strong>in</strong> Netz verlässlicher Partner<br />

aufzubauen. Diese grundsätzlich langfristige Orientierung unterscheidet die frühe<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> von <strong>den</strong> anderen – vor allem im Konsumgüterbereich<br />

angewendeten – Formen der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung. Es zeigt sich allerd<strong>in</strong>gs gerade


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

auch <strong>in</strong> B-2-C-Märkten e<strong>in</strong> verstärkter Trend <strong>in</strong> Richtung des Aufbaus langfristiger<br />

Kun<strong>den</strong>commmunities. 33<br />

Im vorgegebenen Rahmen der durch die Rollen vorgegebenen Notwendigkeiten<br />

kann der Hersteller aber jederzeit steuernd bezüglich der zeitlichen Struktur<br />

e<strong>in</strong>greifen. Falls e<strong>in</strong>e Erhöhung der Frequenz und damit der Verb<strong>in</strong>dungsstärke<br />

notwendig ersche<strong>in</strong>t, können persönliche Zwischentreffen e<strong>in</strong>berufen wer<strong>den</strong> oder<br />

die Frequenz der geplanten Meet<strong>in</strong>gs bzw. Meilenste<strong>in</strong>e erhöht wer<strong>den</strong>.<br />

Zahl der Kun<strong>den</strong><br />

Die Zahl der Kun<strong>den</strong>, welche am Integrationsprozess teilnehmen, kann pr<strong>in</strong>zipiell<br />

aus zwei Blickrichtungen betrachtet wer<strong>den</strong>. Zunächst als Zahl der<br />

Kun<strong>den</strong>teilnehmer bei e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen Interaktionsevent (z. B. Workshop), also e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>zelner Kunde oder e<strong>in</strong>er Kun<strong>den</strong>gruppe und zweitens als Zahl der verschie<strong>den</strong>en<br />

Kun<strong>den</strong>firmen im Laufe des gesamten Innovationsprojektes. Beide Parameter<br />

müssen an die jeweilige Situation angepasst wer<strong>den</strong>.<br />

Die Frage der Zahl der Kun<strong>den</strong>vertreter pro Treffen hängt primär von der<br />

jeweiligen Aufgabe ab. S<strong>in</strong>d spezielle Kompetenzen vonseiten des Kun<strong>den</strong> gefragt,<br />

welche e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelperson alle<strong>in</strong>e nicht abdecken kann bzw. ist e<strong>in</strong>e grosse Anzahl<br />

verschie<strong>den</strong>er Me<strong>in</strong>ungen und Erfahrungen notwendig, dann ist es vorteilhaft, wenn<br />

der Hersteller verschie<strong>den</strong>e Teilnehmer aus dem Kreis des <strong>in</strong>tegrierten<br />

Kun<strong>den</strong>unternehmens e<strong>in</strong>lädt. Es ist auch vorstellbar, dass für gewisse Teilschritte<br />

die jeweils passen<strong>den</strong> Spezialisten bzw. Know-how-Träger e<strong>in</strong>es<br />

Kun<strong>den</strong>unternehmens e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. In vielen Fällen der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> wird e<strong>in</strong>e Situation vorliegen, <strong>in</strong> welcher es vorteilhaft wäre,<br />

mehrere Kun<strong>den</strong> zu <strong>in</strong>volvieren, dies aber aufgrund anderer Beschränkungen nicht<br />

möglich ist. So können beispielsweise die Verfügbarkeit der Personen, e<strong>in</strong> zu<br />

ger<strong>in</strong>ger Pool an potenziellen kompetenten Kandidaten, Motivationsprobleme oder<br />

der grösser wer<strong>den</strong>de bürokratische Aufwand beschränken<strong>den</strong> E<strong>in</strong>fluss auf die Zahl<br />

der tatsächlich <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> ausüben.<br />

Auch bezüglich der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung mehrerer Kun<strong>den</strong>unternehmen im Verlauf e<strong>in</strong>es<br />

Innovationsvorhabens existieren externe Faktoren, welche die Entscheidung<br />

entschei<strong>den</strong>d bee<strong>in</strong>flussen. Zunächst die e<strong>in</strong>fache Fragestellung, ob es mehrere<br />

Unternehmen gibt, welche <strong>den</strong> Selektionskriterien genügen. Ausserdem spielt auch<br />

e<strong>in</strong>e eventuelle Konkurrenzsituation unter <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e Rolle. Dies gilt vor<br />

allem dann, wenn jene durch das Produkt des Herstellers bee<strong>in</strong>flusst wird. Nur<br />

33 Für Beispiele aktueller Entwicklungen der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung im B-2-C-Sektor siehe Abschnitt 7.2.<br />

193


194 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

wenn die behandelten Fragestellungen entweder präkompetitiv gestellt wer<strong>den</strong> oder<br />

aber die Produkte des Herstellers une<strong>in</strong>geschränkt am Markt verfügbar s<strong>in</strong>d und<br />

damit ke<strong>in</strong>en nachhaltigen Differenzierungsvorteil gegenüber der Konkurrenz<br />

bieten, können konkurrierende Kun<strong>den</strong>unternehmen gleichzeitig e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong><br />

wer<strong>den</strong>.<br />

Andererseits kann e<strong>in</strong>e Gruppe <strong>in</strong> der verschie<strong>den</strong>e Kun<strong>den</strong>unternehmen vertreten<br />

s<strong>in</strong>d auch e<strong>in</strong> grosser Anreiz für das e<strong>in</strong>zelne Kun<strong>den</strong>unternehmen se<strong>in</strong>, überhaupt<br />

an der Integration teilzunehmen. E<strong>in</strong> Austausch mit anderen Unternehmen, sowohl<br />

der eigenen, aber auch e<strong>in</strong>er frem<strong>den</strong> Branche, wird von vielen Unternehmen als<br />

grosse Chance erkannt und eröffnet grosse Innovationspotenziale. Der Hersteller<br />

kann <strong>in</strong> solchen Fällen die Rolle e<strong>in</strong>es Katalysators e<strong>in</strong>nehmen, welcher se<strong>in</strong>erseits<br />

ebenfalls vom Ergebnis der Diskussionen bzw. Workshops profitiert. Bayer<br />

MaterialScience geht sogar soweit, „neutrale“ Workshops zu veranstalten, bei<br />

<strong>den</strong>en die I<strong>den</strong>tität des Auftraggebers nicht kommuniziert wird und die von<br />

neutralen Dritten an neutralen Orten organisiert wer<strong>den</strong>.<br />

Auch wenn sich ke<strong>in</strong>e generell gültigen Aussagen bezüglich e<strong>in</strong>er optimalen<br />

Anzahl an <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> für die e<strong>in</strong>zelnen Kun<strong>den</strong>rollen machen lassen, so<br />

gelten doch die folgen<strong>den</strong> grundsätzlichen Überlegungen. Für die Rolle des Sensors<br />

und des Selektors ist es pr<strong>in</strong>zipiell vorstellbar, mehrere Kun<strong>den</strong>unternehmen<br />

e<strong>in</strong>zula<strong>den</strong>, falls dies aus Konkurrenzgrün<strong>den</strong> möglich ist. Die Entwicklung oder<br />

Diskussion von Szenarien wie auch die Verfe<strong>in</strong>erung von Konzepten verlangen<br />

pr<strong>in</strong>zipiell e<strong>in</strong> kreatives Umfeld, für welches e<strong>in</strong>e Vielzahl von Kompetenzen und<br />

Erfahrungswerten vorteilhaft ist. Für die Rollen des Spezialisten und des<br />

Spezifikators h<strong>in</strong>gegen ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung verschie<strong>den</strong>er<br />

Kun<strong>den</strong>unternehmen für e<strong>in</strong> Innovationsprojekt nicht zweckmässig. Für alle vier<br />

Rollen h<strong>in</strong>gegen gilt, dass mehrere Vertreter e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Kun<strong>den</strong>unternehmens<br />

e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen Vertreter vorzuziehen s<strong>in</strong>d und soweit wie möglich zu <strong>in</strong>tegrieren<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Ort der Interaktion<br />

Die Interaktion kann räumlich betrachtet beim Hersteller, beim Kun<strong>den</strong> (Spezialfall<br />

<strong>in</strong> der Anwendungsumgebung) oder an e<strong>in</strong>em neutralen dritten Ort stattf<strong>in</strong><strong>den</strong> (vgl.<br />

z. B. Lettl 2004).<br />

Dabei br<strong>in</strong>gt jeder e<strong>in</strong>zelne dieser drei Orte eigene Vorteile mit sich. Die<br />

Durchführung beim Hersteller führt dazu, dass der Kunde die Gegebenheiten und<br />

Abläufe des Herstellers direkt erfahren und dadurch besser verstehen kann. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus liegt <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>ladung zum Hersteller e<strong>in</strong>e Wertschätzung, welche nicht


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

jedem Kun<strong>den</strong> zuteil kommt und zur Motivation verwendet wer<strong>den</strong> kann. Der<br />

Standort des Kun<strong>den</strong> br<strong>in</strong>gt vor allem Vorteile für <strong>den</strong> Hersteller, welcher E<strong>in</strong>blicke<br />

<strong>in</strong> die Abläufe des Kun<strong>den</strong> erhält. Dadurch können eventuell Rückschlüsse auf<br />

Bedürfnisse oder H<strong>in</strong>weise auf weiteren Innovationsbedarf gewonnen wer<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e spezielle Form stellt der direkte Ort der Anwendung e<strong>in</strong>es Konzeptes oder<br />

frühen Prototyps oder auch e<strong>in</strong>es bestehen<strong>den</strong> Produktes des Herstellers dar.<br />

Dadurch wird der Verwendungszusammenhang deutlich und etwaiges<br />

Verbesserungspotenzial tritt klarer zutage.<br />

Bezüglich der Interaktionsorte der e<strong>in</strong>zelnen Kun<strong>den</strong>rollen zeigt sich, dass der<br />

Standort des Herstellers immer e<strong>in</strong>e grundsätzliche Option darstellt. Die<br />

Trendi<strong>den</strong>tifikation geme<strong>in</strong>sam mit Kun<strong>den</strong> als Sensoren kann daneben<br />

zweckmässigerweise auch noch an e<strong>in</strong>em neutralen Ort stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>. Dies ermöglicht<br />

e<strong>in</strong>e gewisse Unabhängigkeit vom Hersteller und dadurch möglicherweise e<strong>in</strong><br />

grösseres Potenzial für unverfälschte Beiträge und Me<strong>in</strong>ungsäusserungen der<br />

Kun<strong>den</strong>. Beispiel hierfür s<strong>in</strong>d Workshops <strong>in</strong> Hotels oder Veranstaltungszentren,<br />

möglicherweise unter Leitung e<strong>in</strong>es neutralen Moderators. Für die Rolle des<br />

Spezialisten empfiehlt sich neben dem Herstellerstandort eventuell e<strong>in</strong>e parallele<br />

gleichzeitige oder zeitversetzte Bearbeitung beim Kun<strong>den</strong>. So können Phasen<br />

persönlicher Treffen mit solchen abwechseln, bei <strong>den</strong>en jeder Partner se<strong>in</strong>e<br />

spezifischen Kompetenzen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er eigenen Arbeitsumgebung e<strong>in</strong>setzt. Für die<br />

Konzeptverfe<strong>in</strong>erung, welche im Rahmen der Selektorrolle angestrebt wird,<br />

empfiehlt es sich, bereits funktionsfähige Konzepte direkt im<br />

Anwendungszusammenhang zu erproben und an Ort und Stelle über<br />

Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren.<br />

Die Entscheidung über die beste Lokalität für das jeweilige Integrationstreffen muss<br />

im Verlauf e<strong>in</strong>es Projektes immer wieder neu abgewogen wer<strong>den</strong> und kann je nach<br />

Situation durchaus variieren.<br />

These 6a: Für e<strong>in</strong>e erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss<br />

die Integrationsstruktur der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> mittels der Faktoren<br />

(1) Verb<strong>in</strong>dungsstärke, (2) zeitliche Struktur, (3) Zahl der Kun<strong>den</strong> und (4)<br />

Ort der Interaktion an die Rolle des Kun<strong>den</strong> sowie die spezifische Situation<br />

angepasst wer<strong>den</strong>.<br />

195


196 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Gestaltungsfeld Interaktionsprozess<br />

In Ergänzung der Integrationsstruktur behandelt der Interaktionsprozess <strong>den</strong> Ablauf<br />

und die sozialen Aspekte der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Die dafür i<strong>den</strong>tifizierten<br />

Gestaltungsfaktoren der Prozess- und Rollentransparenz, des kulturellen Fits, der<br />

Wissensgenerierung und der Kun<strong>den</strong>motivation wer<strong>den</strong> nun zur Aufstellung von<br />

konkreten Handlungsempfehlungen herangezogen und daraus Thesen für das<br />

Konstrukt Interaktionsprozess abgeleitet.<br />

Prozess- und Rollentransparenz<br />

Im E<strong>in</strong>klang mit dem Gedanken der offenen Innovation ist die Transparenz des<br />

Integrationsprozesses und der jeweiligen Kun<strong>den</strong>rolle als notwendige<br />

Voraussetzung zu betrachten.<br />

Mittel des Herstellers, diese Transparenz zu erhöhen, liegen primär <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er offenen<br />

gegenseitig verständlichen Kommunikation (vgl. z. B. Brockhoff 1998). So kann<br />

der Hersteller beispielsweise spezielle Kun<strong>den</strong>rollen e<strong>in</strong>führen, kommunizieren<br />

sowie die jeweils damit verbun<strong>den</strong>en Erwartungen deutlich hervorheben. Auch<br />

Darstellungen und Erklärungen des <strong>Innovationsprozess</strong>es des Herstellers für <strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong> fallen unter diese Kategorie.<br />

Sowohl die Prozess- als auch die Rollentransparenz sollen im Rahmen früher<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> so hoch wie möglich ausgeprägt se<strong>in</strong>. Hohe Transparenz ist<br />

immer auch e<strong>in</strong> Zeichen funktionierender Kommunikation und entspricht dem<br />

zugrunde liegen<strong>den</strong> Gedanken der notwendigen Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es.<br />

Gerade für die bei<strong>den</strong> durch <strong>in</strong>tensive Interaktion geprägten Rollen Spezialist und<br />

Spezifikator nimmt e<strong>in</strong>e hohe Prozess- und Rollentransparenz e<strong>in</strong>e überragende<br />

Stellung e<strong>in</strong>. Diese bei<strong>den</strong> speziellen Formen der Zusammenarbeit können nur<br />

funktionieren, wenn der <strong>in</strong>tegrierte Kunde e<strong>in</strong> klares Verständnis se<strong>in</strong>er Rolle sowie<br />

der wesentlichen Parameter des <strong>Innovationsprozess</strong>es des Herstellers hat, <strong>in</strong><br />

welchen er e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> ist. Die bei<strong>den</strong> anderen Rollen, welche typischerweise vor<br />

allem punktuelle Integrationsmuster be<strong>in</strong>halten, profitieren ebenfalls von e<strong>in</strong>er<br />

hohen Transparenz, s<strong>in</strong>d gegenüber mangelnder Transparenz jedoch nicht im<br />

gleichen Masse empf<strong>in</strong>dlich.<br />

Die hohe Bedeutung der Transparenz begründet das Bestreben des Herstellers nach<br />

dauerhaften, langfristigen Beziehungen zu se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>novativen Kun<strong>den</strong>. Im Idealfall<br />

br<strong>in</strong>gt der Kunde e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> Verständnis der Abläufe beim Hersteller mit und<br />

andererseits besteht durch die lange Zusammenarbeit bereits e<strong>in</strong>


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

Vertrauensverhältnis als wesentliche Grundlage der für Transparenz grundsätzlich<br />

notwendigen Offenheit.<br />

Kultureller Fit<br />

Eng verwandt mit der Transparenz, steht beim kulturellen Fit bzw. der kognitiven<br />

Kompatibilität der Aufbau e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen Verständnisses der für das<br />

Innovationsvorhaben wesentlichen Grundlagen im Mittelpunkt. Nur wenn alle<br />

teilnehmen<strong>den</strong> Partner e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same gedankliche Grundlage aufweisen, können<br />

die Beiträge optimal fokussiert und die Effizienz des Integrationsprozesses dadurch<br />

erhöht wer<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong> häufiger und expliziter Austausch der relevanten Prozess- und<br />

Projekt<strong>in</strong>formationen im Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ist e<strong>in</strong> Mittel um<br />

e<strong>in</strong>en guten kulturellen Fit zu erreichen. Auch muss früh e<strong>in</strong>e<br />

Kommunikationskultur entwickelt wer<strong>den</strong>, welche <strong>den</strong> Anforderungen der<br />

Integration entspricht. Die Basis für e<strong>in</strong> derartiges geme<strong>in</strong>sames Verständnis wird<br />

schon bei der Kun<strong>den</strong>auswahl gelegt. Der Hersteller muss bereits bei der Selektion<br />

der Kun<strong>den</strong> darauf Wert legen, dass die pr<strong>in</strong>zipiellen Voraussetzungen für<br />

geme<strong>in</strong>same mentale Modelle vorhan<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. Dies bedeutet nicht, dass komplette<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung und Harmonie zwischen <strong>den</strong> Firmenkulturen und <strong>den</strong><br />

persönlichen Vertretern beider Seiten herrschen muss. Gewisse Unterschiede im<br />

S<strong>in</strong>ne von Reibflächen können sich gerade bei kreativen Prozessen als hilfreich<br />

erweisen. E<strong>in</strong>e grundsätzliche geme<strong>in</strong>same Wertebasis muss aber vorhan<strong>den</strong> se<strong>in</strong>,<br />

um effizientes, <strong>in</strong>ter<strong>aktive</strong>s Arbeiten zu ermöglichen. Gerade im B-2-B-Umfeld<br />

spielen daher persönliche Beziehungen und Erfahrungen e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle.<br />

Die mit der Kun<strong>den</strong>selektion betrauten Vertreter des Herstellers haben meistens<br />

persönliche E<strong>in</strong>schätzungen betreffend ihrer <strong>in</strong>frage kommen<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> oder<br />

können auf solche zurückgreifen.<br />

Auch beim kulturellen Fit zeigt sich e<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipielle Aufteilung der Rollen <strong>in</strong> zwei<br />

Gruppen. Während die Übere<strong>in</strong>stimmung beim Spezialisten und Spezifikator<br />

aufgrund der engen längerfristigen Zusammenarbeit besonders wichtig ist, können<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Rollen e<strong>in</strong>es Selektors und vor allem e<strong>in</strong>es Sensors auch bei nicht so<br />

hoher kognitiver Kompatibilität erfolgreich <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong>. Dies bedeutet jedoch<br />

nicht, dass e<strong>in</strong> grundsätzliches geme<strong>in</strong>sames Verständnis der Ziele, Prozesse und<br />

Modelle nicht auch bei diesen Rollen hilfreich und notwendig ist. Aufgrund der<br />

Aufgabenstellung und des meistens nur punktuellen Kontaktes ist es aber oft nicht<br />

möglich und zielführend, aktiv an wirklich tief gehen<strong>den</strong> geme<strong>in</strong>samen geistigen<br />

Modellen zu arbeiten.<br />

197


198 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Wissensgenerierung<br />

Im Umfeld der frühen Innovationsphase s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> dazu<br />

aufgerufen, durch die Integration ihres Wissens über bestehende Produkte oder<br />

Technologien sowie Erfahrung mit deren Benutzung neues Wissen zu generieren.<br />

Die vorherrschende Art der Wissensgenerierung im Rahmen der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ist dabei die Konvertierung. Diese passiert als grundsätzlicher<br />

Mechanismus bei allen vier Rollen. E<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ierende Rolle spielt sie beim<br />

Selektor, wo das implizite Wissen des Kun<strong>den</strong> im Zuge der Diskussionen zur<br />

Konzeptverfe<strong>in</strong>erung durch Externalisation <strong>in</strong> explizites Wissen (z. B. konkrete<br />

Optimierungslösungen) umgewandelt wird. E<strong>in</strong> derartiger Mechanismus tritt mehr<br />

oder weniger stark auch bei <strong>den</strong> anderen Rollen auf, wobei er jedoch dort durch<br />

andere Arten der Wissensgenerierung überlagert wird. So tritt bei <strong>den</strong> Sensoren und<br />

Spezifikatoren oft auch noch e<strong>in</strong>e Konvertierung durch Komb<strong>in</strong>ation auf. Beim<br />

Spezifikator kann es durchaus passieren, dass sowohl der Hersteller als auch der<br />

Kunde bereits explizites Wissen (z. B. <strong>in</strong> Form von technischen Daten oder<br />

Spezifikationsentwürfen) <strong>in</strong> die geme<strong>in</strong>samen Innovationstreffen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, dieses<br />

als Diskussionsgrundlage verwendet und neues Wissen (Innovation) daraus<br />

generiert wird. Ähnliches gilt für <strong>den</strong> Sensor, wenn man beispielsweise an fertige<br />

Szenarien beider Seiten <strong>den</strong>kt, welche abgeglichen wer<strong>den</strong> bzw. aus <strong>den</strong>en<br />

Technologieroadmaps entwickelt wer<strong>den</strong> können. Bei der Rolle des Spezialisten<br />

tritt zusätzlich zur Konvertierung durch Externalisation auch noch der Prozess der<br />

Wissensakquisition auf. Dies bedeutet, dass spezielles komplementäres Fachwissen<br />

des Kun<strong>den</strong> direkt durch <strong>den</strong> Hersteller aufgenommen wer<strong>den</strong> kann, um <strong>in</strong><br />

Ergänzung zu dessen eigenen Kompetenzen das Innovationspotential zu erhöhen.<br />

Daraus ergeben sich folgende Implikationen für die konkrete Gestaltung der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Das für <strong>den</strong> jeweiligen Wissensgenerierungsprozess notwendige<br />

Umfeld muss gestaltet wer<strong>den</strong>. Dazu ist es notwendig, dass die Verantwortlichen<br />

Mitarbeiter des Herstellers über die jeweils dom<strong>in</strong>ieren<strong>den</strong> Mechanismen Bescheid<br />

wissen, um entsprechende Massnahmen ergreifen zu können. So gilt es, neben der<br />

Schaffung e<strong>in</strong>es offenen austauschfreundlichen Umfeldes, beispielsweise<br />

Moderatoren e<strong>in</strong>zusetzen, welche <strong>den</strong> Konvertierungsprozess (und die oft<br />

mühsamen und langwierigen Diskussionen davor) lenken und strukturieren können.<br />

Auch muss dafür gesorgt wer<strong>den</strong>, dass Instrumente zur Verfügung stehen,<br />

implizites Wissen zu visualisieren (angefangen bei e<strong>in</strong>fachen Wandtafeln bis h<strong>in</strong> zu<br />

komplexen Darstellungs- und Kreativitätsmetho<strong>den</strong>) und neu entstan<strong>den</strong>es (meist<br />

explizites) Wissen mit möglichst ger<strong>in</strong>gem Aufwand gespeichert, dokumentiert und<br />

verteilt wer<strong>den</strong> kann. In Fällen, wo bereits explizites Wissen von e<strong>in</strong>er oder bei<strong>den</strong>


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

Seiten vorliegt, muss es möglich se<strong>in</strong>, dieses (evtl. schon vorab) darzustellen bzw.<br />

aufzubereiten, um e<strong>in</strong> möglichst e<strong>in</strong>heitliches Grundverständnis am Beg<strong>in</strong>n des<br />

Innovationstreffens sicherzustellen.<br />

Unternehmen können die Fähigkeit ihrer Kun<strong>den</strong>, an der Wissensgenerierung<br />

teilzunehmen, zusätzlich durch e<strong>in</strong>e Erhöhung des Kun<strong>den</strong>wissens über Produkte<br />

und Technologien, deren potenzielle Benutzung sowie mögliche komplementäre<br />

Produkte erhöhen (Nambisan, Agarwal et al. 1999). E<strong>in</strong> derartig gesteigertes<br />

Produkt- bzw. Technologiebewusstse<strong>in</strong> wird die Grenzen der kognitiven Prozesse<br />

des Kun<strong>den</strong> erweitern und kreative, <strong>in</strong>novative Ideen auslösen (vgl. Leonard-Barton<br />

1995).<br />

Kun<strong>den</strong>motivation<br />

E<strong>in</strong>e wesentliche Voraussetzung erfolgreicher Interaktion mit <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong><br />

stellt die Kun<strong>den</strong>motivation dar. Der Hersteller muss die zugrunde liegen<strong>den</strong><br />

pr<strong>in</strong>zipiellen Antriebe kennen, welche e<strong>in</strong>en Kun<strong>den</strong> dazu motivieren, <strong>in</strong>teraktiv an<br />

se<strong>in</strong>em <strong>in</strong>novationsorientierten Wertschöpfungsprozess teilzunehmen.<br />

Grundsätzlich gilt es dabei, die bei<strong>den</strong> Gestaltungsfaktoren der Art des<br />

Kun<strong>den</strong>vorteils und des Motivationstyps zu unterschei<strong>den</strong> (vgl. Tab. 4 und Tab. 8).<br />

Basierend auf e<strong>in</strong>em grundlegen<strong>den</strong> Verständnis dieser Aspekte, kann der Hersteller<br />

die Umgebung und <strong>den</strong> Prozess der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> attraktiv für die<br />

Kun<strong>den</strong> gestalten.<br />

Betrachtet man die Art des Kun<strong>den</strong>vorteils, so spielen sowohl produktbezogene als<br />

auch gruppenbezogene Vorteile für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>e Rolle. Der<br />

Hersteller kann verschie<strong>den</strong>e Mechanismen anwen<strong>den</strong>, um die vom <strong>in</strong>tegrierten<br />

Kun<strong>den</strong> empfun<strong>den</strong>en gruppenbezogenen Vorteile der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu<br />

verstärken. Zum Beispiel können Mechanismen etabliert wer<strong>den</strong>, um Teilnehmern<br />

zu ermöglichen, die Beiträge andere Mitglieder wahrzunehmen und sichtbar<br />

anzuerkennen. Dies kann beispielsweise durch spezielle Titel oder e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Status geschehen. E<strong>in</strong>e Möglichkeit stellt auch die Schaffung e<strong>in</strong>er<br />

geschlossenen Gruppe dar, <strong>in</strong> welche der Zutritt nur nach E<strong>in</strong>ladung erfolgt. Dies ist<br />

im Bereich der IT-unterstützten Communities e<strong>in</strong>e viel diskutierte Variante<br />

(Sawhney, Prandelli 2000), für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> allerd<strong>in</strong>gs bereits weit<br />

verbreitet. So s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Innovationsteams immer<br />

ausgewählt und e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong>. Dadurch können die Kun<strong>den</strong> die Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

derartigen Gruppe als Belohnung für ihre Beiträge empf<strong>in</strong><strong>den</strong>. Dieser Aspekt, der<br />

gruppenbezogenen Vorteile, ist bei allen Rollen wichtig, wird aber immer auch von<br />

anderen Faktoren überlagert. So ist e<strong>in</strong> Sensor oft primär am zusätzlichen Wissen<br />

199


200 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

über Märkte und neue Trends <strong>in</strong>teressiert, welches er selbst aus <strong>den</strong> Diskussionen<br />

gew<strong>in</strong>nen kann bzw. welches während se<strong>in</strong>er Integration entsteht. Spezialisten,<br />

Spezifikatoren und Selektoren können vor allem von <strong>den</strong> verbesserten<br />

Produkteigenschaften profitieren, die letzten bei<strong>den</strong> verstärkt auch von der<br />

Möglichkeit e<strong>in</strong>er verbesserten Produktqualität.<br />

Unternehmen können dabei e<strong>in</strong>e Vielzahl an Gestaltungselementen im Rahmen<br />

ihrer frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>setzen, um <strong>den</strong> E<strong>in</strong>druck der Kun<strong>den</strong> zu<br />

verstärken, dass ihre produktbezogenen Vorteile durch ihr direktes Engagement<br />

gewachsen s<strong>in</strong>d. So können die Hersteller beispielsweise <strong>den</strong> spezifischen Beiträgen<br />

der Kun<strong>den</strong>, zusammen mit e<strong>in</strong>er Darstellung der Ergebnisse, welche die Kun<strong>den</strong><br />

bezüglich der Produkteigenschaften oder Qualität realisieren konnten, hohe<br />

Sichtbarkeit geben. In ähnlicher Weise können Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>novatoren frühzeitig über<br />

neue Produktversionen <strong>in</strong>formiert oder zu Produktdemonstrationen e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong><br />

wer<strong>den</strong> – alles Aktivitäten, welche die produktbezogenen Erfahrungen der Kun<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong>sgesamt erweitern und vertiefen.<br />

Der Motivationstyp kann grundsätzlich <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch oder extr<strong>in</strong>sisch se<strong>in</strong>.<br />

Extr<strong>in</strong>sische Anreize <strong>in</strong> Form von materiellen Aufwendungen stellen unabhängig<br />

von <strong>den</strong> oben erwähnten <strong>in</strong>direkten Produktvorteilen e<strong>in</strong>e weitere Möglichkeit der<br />

Motivation dar. Dabei kommt direkten monetären Entschädigungen im B-2-B-<br />

Umfeld meistens nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Bedeutung zu. Wenn selektierte Kun<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> die F&E-Zentrale des Herstellers e<strong>in</strong>gela<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, so wer<strong>den</strong> zwar meistens<br />

Aufenthalts- und Reisekosten erstattet bzw. Tagessätze als Spesenersatz ausbezahlt,<br />

der wesentliche Aspekt bei derartigen E<strong>in</strong>ladungen liegt aber <strong>in</strong> der besonderen<br />

Rolle und <strong>den</strong> damit verbun<strong>den</strong> E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten, welche der Kunde erhält.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell s<strong>in</strong>d Kun<strong>den</strong>, welche vom Hersteller <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten<br />

Fällen auch <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch motiviert. Es macht ihnen Spass und sie empf<strong>in</strong><strong>den</strong> e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>nere Befriedigung, wenn sie sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> des Herstellers<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und zur Erzielung von Ergebnisse beitragen können.<br />

These 6b: Für e<strong>in</strong>e erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung<br />

muss der Interaktionsprozess der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> an die Rolle des<br />

Kun<strong>den</strong> sowie die spezifische Situation angepasst wer<strong>den</strong>. Diese Anpassung<br />

erfolgt mit <strong>den</strong> Faktoren (1) Prozess- und Rollentransparenz, (2) kultureller<br />

Fit, (3) Wissensgenerierung und (4) Kun<strong>den</strong>motivation.


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

Integration der Ergebnisse<br />

Erstes Handlungsfeld ist dabei die Dokumentation und Speicherung der Ergebnisse.<br />

Neben der direkten Verwertung der Ergebnisse der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> im<br />

jeweiligen Innovationsprojekt, sollten die Ergebnisse des Integrationsprozesses<br />

auch anderen im <strong>Innovationsprozess</strong> tätigen Personen und Abteilungen zugänglich<br />

gemacht wer<strong>den</strong>. Dazu ist es notwendig, e<strong>in</strong>en Kommunikationsprozess zu<br />

etablieren, welcher die Verbreitung der Integrationsresultate zum Ziel hat.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell müssen organisatorische Lernprozesse beim Hersteller <strong>in</strong>stitutionalisiert<br />

wer<strong>den</strong>, über welche die Ergebnisse der Integration an die relevanten Stellen des<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es fliessen und somit <strong>in</strong> <strong>den</strong> allgeme<strong>in</strong>en Wissensschatz<br />

aufgenommen wer<strong>den</strong> können.<br />

These 7: Je mehr die organisatorischen Lernprozesse des Herstellers<br />

<strong>in</strong>stitutionalisiert und unterstützt wer<strong>den</strong>, desto besser kann die Integration<br />

der Ergebnisse der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> das Unternehmen des<br />

Herstellers erfolgen.<br />

Die Handlungsfelder und Hauptkriterien der Realisierungsphase s<strong>in</strong>d<br />

zusammengefasst <strong>in</strong> Abbildung 38 dargestellt.<br />

201


202 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

Schritt Hauptkriterien<br />

Handlungsfelder<br />

Realisierungsphase<br />

Operative<br />

Gestaltung<br />

Integration<br />

der Ergebnisse<br />

Passende Integrationsstruktur etablieren<br />

Interaktionsprozess aufsetzen und durchführen<br />

Kun<strong>den</strong>motivation fördern<br />

Dokumentation und Speicherung der Ergebnisse<br />

Kommunikationsprozess etablieren<br />

Abbildung 38: Handlungsfelder der Realisierungsphase<br />

Charakteristika der spezifischen Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

In <strong>den</strong> vorhergehen<strong>den</strong> Abschnitten wurde der Aufbau der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em theoretischen Rahmen, welcher die relevanten<br />

E<strong>in</strong>flussfelder sowie die Prozesse der eigentlichen Wissensgenerierung umfasst,<br />

betrachtet. Dabei wur<strong>den</strong> bereits bestehende Konstrukte bezüglich ihrer<br />

Implikationen für die Durchführung erfolgreicher früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

analysiert und im Abgleich mit <strong>den</strong> empirischen Befun<strong>den</strong> die relevanten<br />

Gestaltungsfaktoren i<strong>den</strong>tifiziert. Die notwendigen Ausprägungen dieser Faktoren<br />

wur<strong>den</strong> zunächst allgeme<strong>in</strong> hergeleitet und zuletzt zu Gestaltungsempfehlungen.<br />

Dabei wur<strong>den</strong> die e<strong>in</strong>zelnen Kun<strong>den</strong>rollen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> bezüglich<br />

ihrer Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren beschrieben. Die Ergebnisse wer<strong>den</strong> <strong>in</strong><br />

Tabelle 8 gegenübergestellt.


GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN<br />

Integrationsstruktur<br />

Interaktionsprozess<br />

Verb<strong>in</strong>dungsstärke<br />

Zeitliche<br />

Struktur<br />

Sensor Spezialist Spezifikator Selektor<br />

Mittel bis<br />

schwach<br />

Zahl der Kun<strong>den</strong> E<strong>in</strong>zelkunde<br />

oder<br />

Kun<strong>den</strong>gruppe<br />

Ort der<br />

Interaktion<br />

Prozess- und<br />

Rollentransparenz<br />

Hoch Hoch Hoch<br />

Punktuell Temporär Temporär Punktuell<br />

Beim Hersteller<br />

oder an e<strong>in</strong>em<br />

neutralen Ort<br />

Durchschnittlich<br />

wichtig<br />

E<strong>in</strong>zelkunde E<strong>in</strong>zelkunde E<strong>in</strong>zelkunde<br />

oder<br />

Kun<strong>den</strong>gruppe<br />

Beim Hersteller<br />

oder parallel<br />

beim Hersteller<br />

und Kun<strong>den</strong><br />

Beim Hersteller Beim Hersteller<br />

oder <strong>in</strong><br />

Anwendungsumgebung<br />

Sehr wichtig Sehr wichtig Durchschnittlich<br />

wichtig<br />

Kultureller Fit Unwichtig Sehr wichtig Sehr wichtig Durchschnittlich<br />

wichtig<br />

Wissensgenerierung<br />

Art des<br />

Kun<strong>den</strong>vorteils<br />

Konvertierung<br />

durch<br />

Komb<strong>in</strong>ation<br />

Produktbezogen<br />

(Marktwissen)<br />

Akquisition und<br />

Konvertierung<br />

durch<br />

Externalisation<br />

Produktbezogen<br />

(Eigenschaften)<br />

Motivationstyp Extr<strong>in</strong>sisch Extr<strong>in</strong>sisch und<br />

<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch<br />

Konvertierung<br />

durch<br />

Komb<strong>in</strong>ation<br />

Produktbezogen<br />

(Eigenschaften<br />

und Qualität)<br />

Konvertierung<br />

durch<br />

Externalisation<br />

203<br />

Produktbezogen<br />

(Eigenschaften<br />

und Qualität)<br />

und gruppenbezogen<br />

Intr<strong>in</strong>sisch Extr<strong>in</strong>sisch und<br />

<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch<br />

Tabelle 8: Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren der Kun<strong>den</strong>rollen der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>


204 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION<br />

6.4 Zusammenfassung<br />

Zunächst wurde gezeigt, dass Investitionen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Aufbau von früher<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> erst nach e<strong>in</strong>er genauen Def<strong>in</strong>ition der spezifischen Rollen,<br />

welche die ausgewählten Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der frühen Innovationsphase spielen sollen,<br />

durch <strong>den</strong> Hersteller erfolgen sollten. Diese verschie<strong>den</strong>en Ausprägungen der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> s<strong>in</strong>d abhängig vom gewünschten Output (vonseiten des<br />

Herstellers) und damit vom Innovationsbeitrag der Kun<strong>den</strong>. Je nach Beitrag,<br />

welchen der Kunde zur Innovation leistet, b<strong>in</strong>det ihn der Hersteller <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

anderen Segment der Frühphase, mit anderen Zielen, unterschiedlicher Intensität<br />

und spezifischen Formen e<strong>in</strong> - d. h. er teilt ihm jeweils e<strong>in</strong>e andere Rolle zu. Diese<br />

Erkenntnisse resultieren <strong>in</strong> dem konzeptionellen Gestaltungsmodell, welches e<strong>in</strong>en<br />

Gestaltungsrahmen für das Management bietet. Dazu wurde der Integrationsprozess<br />

zunächst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e drei Hauptphasen unterteilt. Für je<strong>den</strong> Teilschritt sowie für die<br />

drei übergeordneten Gestaltungsfelder erfolgte e<strong>in</strong>e Darstellung derjenigen<br />

Handlungsschwerpunkte, welche sich im Verlauf der Studie als wesentlich für <strong>den</strong><br />

Erfolg der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> herausgestellt hatten. Jedem Handlungsschwerpunkt<br />

wur<strong>den</strong> dann Hauptkriterien sowie Handlungsfelder zugeordnet, um diese Kriterien<br />

zu optimieren. Darauf aufbauend folgte schliesslich e<strong>in</strong>e Diskussion der wichtigsten<br />

praktischen Implikationen des Modells <strong>in</strong> Form von Gestaltungsempfehlungen und<br />

Thesen für e<strong>in</strong>e effektive und effiziente Gestaltung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

(vgl. Abb. 39).<br />

Planung, Aufbau und Durchführung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> stellen e<strong>in</strong>e<br />

herausfordernde Aufgabe dar. Das Verständnis des Managements und der<br />

Auswirkungen derartiger neuer Beziehungen mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> bildet die Grundlage<br />

der Gestaltung – der Organisation und des Ablaufs – der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

Dabei muss der Hersteller nicht nur die Auswahl der spezifischen Rollen des<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Wertschöpfung treffen, sondern auch die diesen Rollen zugrunde<br />

liegen<strong>den</strong> Unterschiede, im S<strong>in</strong>ne von Interaktionsmustern,<br />

Wissensgenerierungsprozessen, und Motivationsaspekten, erkennen und bei der<br />

Gestaltung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> berücksichtigen.


ZUSAMMENFASSUNG<br />

K u n d e n i n t e g r a t i o n s p r o z e s s<br />

Vorbereitungsphase Initiierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Realisierungsphase<br />

Entscheidung<br />

zur<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

These 4a<br />

Ergebnisfestlegung<br />

These 4b<br />

Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

These 5a<br />

Vertragsabschluss<br />

Operative<br />

Gestaltung<br />

Integration<br />

der<br />

Ergebnisse<br />

These 7<br />

Strategie<br />

These 1<br />

These 5b<br />

Integrationsstrategie<br />

Effektivitätsfokussiert<br />

Effizienzfokussiert<br />

TrendTrendi<strong>den</strong>tifikationi<strong>den</strong>tifikation<br />

Ziele des Herstellers<br />

InnovationsInnovationsverstärkungverstärkung<br />

SpezifikationsSpezifikationsausarbeitungausarbeitung<br />

Rolle des Kun<strong>den</strong><br />

Unternehmerischer Rahmen<br />

KonzeptKonzeptverfe<strong>in</strong>erungverfe<strong>in</strong>erung<br />

Sensor Spezialist Spezifikator Selektor<br />

Gestaltungsfeld<br />

Gestaltungsfaktoren<br />

Kultur<br />

These 2<br />

These 6a<br />

These 4<br />

These 5<br />

These 6<br />

Integrationsstruktur Interaktionsprozess<br />

Verb<strong>in</strong>dungsstärke<br />

Zeitliche Struktur<br />

Zahl der Kun<strong>den</strong><br />

Ort der Interaktion<br />

Struktur<br />

These 6b<br />

These 3<br />

Prozess- und<br />

Rollentransparenz<br />

Kultureller Fit<br />

Wissensgenerierung<br />

Kun<strong>den</strong>motivation<br />

Abbildung 39: Abfolge der Thesen im Prozess der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

205


206 FAZIT<br />

7 Fazit<br />

Dieses abschliessende Kapitel setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Zunächst<br />

wer<strong>den</strong> die zentralen Aussagen kurz zusammengefasst. Im zweiten Teil erfolgt e<strong>in</strong><br />

Ausblick auf relevante Trends und Entwicklungen im Umfeld des<br />

Innovationsmanagements, welche die Bedeutung und Gestaltung früher<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> naher Zukunft entschei<strong>den</strong>d bee<strong>in</strong>flussen können. Darauf<br />

aufbauend wer<strong>den</strong> schliesslich die wichtigsten möglichen Schwerpunkte<br />

weiterführender Forschung aufgeführt.<br />

7.1 Kernaussagen<br />

Die Ausrichtung nach <strong>den</strong> Bedürfnissen und Wünschen der Kun<strong>den</strong> stellt e<strong>in</strong><br />

zentrales Element für <strong>den</strong> Erfolg jedes Unternehmens dar. Als Antwort auf e<strong>in</strong>en<br />

immer grösser wer<strong>den</strong><strong>den</strong> Innovationsdruck öffnen immer mehr Firmen ihre<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>e, um ihre Kun<strong>den</strong> aktiv zu <strong>in</strong>tegrieren. Dabei ist besonders die<br />

Frühphase der Innovation von herausragender Bedeutung, da <strong>in</strong> ihr die<br />

entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Weichenstellungen für <strong>den</strong> Innovationserfolg getroffen wer<strong>den</strong>. Die<br />

im Fokus dieser Arbeit stehende <strong>in</strong>ter<strong>aktive</strong> Integration von Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> frühen<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>, frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> genannt, bietet daher grosse<br />

Potenziale, erfolgreiche, neue Produkte zu kreieren.<br />

Im Mittelpunkt der Überlegungen stand die herausfordernde Aufgabe der Planung,<br />

des Aufbaus und der Durchführung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Der Fokus<br />

wurde dazu auf Produkt<strong>in</strong>novationen mit mittleren bis hohen Innovationshöhen<br />

(d. h. ke<strong>in</strong>e Produktverbesserungen und -optimierungen) und technologie<strong>in</strong>tensive<br />

Unternehmen des Investitionsgüterbereiches (B-2-B) gelegt.<br />

Untersuchungsgegenstand war der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess und se<strong>in</strong>e<br />

Ausgestaltung (d. h. die prozessuale und strukturelle Integration ausgewählter<br />

Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> des Herstellers).<br />

Ausgewählte Perspektiven der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sforschung<br />

E<strong>in</strong>e genauere Betrachtung der bisherigen Forschung zum Themenkomplex der<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> ergab e<strong>in</strong>e Reihe von<br />

strategischen Grundlagen, welche als vorteilhaft für <strong>den</strong> Erfolg der Integration und<br />

damit des gesamten <strong>Innovationsprozess</strong>es i<strong>den</strong>tifiziert wor<strong>den</strong> waren. Aufseiten des<br />

Hersteller waren dies die E<strong>in</strong>bettung der Integration <strong>in</strong> <strong>den</strong> Kontext der<br />

Firmenstrategie, das Verstehen der Kun<strong>den</strong>bedürfnisse, die Schnittstelle zwischen<br />

F&E-Abteilung und Market<strong>in</strong>g und der mit der Aufnahme externen Wissens


KERNAUSSAGEN<br />

verknüpfte organisatorische Lernprozess. Für <strong>den</strong> Integrationsprozess spielen die<br />

Kompatibilität der Kulturen, die Entwicklung klarer Ziele, passende Strukturen, die<br />

Form der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Kun<strong>den</strong>, Beziehungsvariablen (wie Vertrauen und<br />

Gegenseitigkeit), die Kommunikation, die räumliche Dimension und das<br />

Controll<strong>in</strong>g wesentliche Rollen. Als Merkmale des Kun<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> se<strong>in</strong>e Grösse<br />

relativ zum Hersteller, se<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle Attraktivität, se<strong>in</strong> Ruf, se<strong>in</strong> Wissen, se<strong>in</strong>e<br />

Motivation und schliesslich se<strong>in</strong>e vergangenen Erfahrungen mit kooperativen<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>en angeführt. Diese strategischen Grundlagen wur<strong>den</strong> für die<br />

Erstellung des Analyserasters zur Auswertung der Fallstudien verwendet.<br />

Ansätze der E<strong>in</strong>beziehung des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong><br />

Zur E<strong>in</strong>ordnung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> die gesamte Landschaft der<br />

kun<strong>den</strong>orientierten Innovation wurde e<strong>in</strong>e Abgrenzung von der klassischen<br />

Marktforschung, der kun<strong>den</strong>spezifischen Konfiguration und e<strong>in</strong>er generellen<br />

Kun<strong>den</strong>orientierung vorgenommen. Während Letztere e<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipielle (nicht auf<br />

<strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> fokussierte) Ausrichtung sämtlicher wichtiger<br />

Unternehmensprozesse auf die Nachfrageseite der Wertschöpfungskette darstellt,<br />

unterschei<strong>den</strong> sich die bei<strong>den</strong> anderen Ansätze h<strong>in</strong>sichtlich des dah<strong>in</strong>ter liegen<strong>den</strong><br />

Rationals von der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Die Marktforschung e<strong>in</strong>es Herstellers<br />

zielt darauf ab, Kun<strong>den</strong>bedürfnisse so gut wie möglich zu verstehen, sie <strong>in</strong> die<br />

Sprache des Unternehmens zu übertragen und möglichst passende neue Produkte zu<br />

entwickeln. Die kun<strong>den</strong>spezifische Konfiguration gibt dem Kun<strong>den</strong> im letzten<br />

Drittel des Produktentwicklungsprozesses die Möglichkeit, gewisse <strong>in</strong>dividuelle<br />

Modulzusammenstellungen vorzunehmen. Dies ist zwar mit e<strong>in</strong>er <strong>aktive</strong>n Rolle des<br />

Kun<strong>den</strong> verbun<strong>den</strong>, bee<strong>in</strong>flusst allerd<strong>in</strong>gs kaum noch die eigentliche<br />

Innovationsleistung (z. B. e<strong>in</strong>e neue technologischen Lösung), welche meist schon<br />

früher im Prozess erbracht wurde. Die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> unterscheidet sich<br />

wesentlich von <strong>den</strong> drei anderen Ansätzen, <strong>in</strong>dem sie das Übersetzungsproblem der<br />

Bedürfnisse <strong>in</strong> Produktanforderungen durch e<strong>in</strong>e direkte Integration des Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> frühen <strong>Innovationsprozess</strong> umgeht. Dadurch nimmt der Kunde auch direkt an<br />

der eigentlichen Innovationsphase teil und wird zum wesentlichen Erfolgsfaktor<br />

derselben.<br />

Konzeptualisierung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Die Untersuchung der Fallstudien diente vor allem dazu, aus <strong>den</strong> <strong>in</strong> der Literatur<br />

beschriebenen generellen strategischen Grundlagen diejenigen auszuwählen, welche<br />

sich für <strong>den</strong> Fokus dieser Arbeit <strong>in</strong> der Praxis als relevant herausgestellt haben. Die<br />

Fallstudien zur frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> der Bayer MaterialScience, EADS<br />

207


208 FAZIT<br />

Astrium, Hilti Diamond Systems und Zumtobel Staff ergaben die folgen<strong>den</strong><br />

relevanten strategischen Grundlagen früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Auf der<br />

Herstellerseite die strategische (und organisatorische) Verankerung, im<br />

Integrationsprozess die Kompatibilität der Kulturen, passende Strukturen, die Form<br />

der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung, die Beziehungsvariablen (Vertrauen, Commitment und<br />

Gegenseitigkeit) und die Kommunikation sowie auf der Kun<strong>den</strong>seite die<br />

Motivation. Darauf aufbauend wur<strong>den</strong> die bei<strong>den</strong> Gestaltungsfelder<br />

Integrationsstruktur und Interaktionsprozess als Dimensionen der<br />

Konzeptualisierung des Konstruktes frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> entwickelt. Für jedes<br />

Gestaltungsfeld ergeben sich mehrerer Gestaltungsfaktoren. Für die<br />

Integrationstruktur s<strong>in</strong>d dies die Verb<strong>in</strong>dungsstärke, die zeitliche Struktur, die Zahl<br />

der Kun<strong>den</strong> und der Ort der Interaktion. Der Integrationsprozess wird bestimmt<br />

durch die Prozess- und Rollentransparenz, <strong>den</strong> kulturellen Fit, die<br />

Wissensgenerierung und die Kun<strong>den</strong>motivation. Diese Gestaltungsfaktoren dienten<br />

im weiteren Verlauf zur Entwicklung der operativen Gestaltungsempfehlungen der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

Integrationsstrategien und spezifische Kun<strong>den</strong>rollen der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Der spezielle Fokus der Arbeit lag auf <strong>den</strong> spezifischen Rollen, welche Kun<strong>den</strong> im<br />

Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>nehmen können. Um diese Rollen<br />

herzuleiten, wur<strong>den</strong> zunächst die Ziele des Herstellers (bzw. dessen<br />

Ergebniserwartungen) betrachtet. Auf e<strong>in</strong>er übergeordneten Ebene können diese <strong>in</strong><br />

akquisitorische, effizienzsteigernde und effektivitätssteigernde Ziele e<strong>in</strong>geteilt<br />

wer<strong>den</strong>. Daraus ergeben sich für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>e effizienz- oder<br />

e<strong>in</strong>e effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie. Das spezifische Integrationsziel<br />

effektivitätsfokussierter <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> am Anfang der Innovationsfrühphase ist<br />

die Trendi<strong>den</strong>tifikation. Geme<strong>in</strong>sam mit dem Kun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> Entwicklungen und<br />

Trends diskutiert und ihre Auswirkungen auf <strong>den</strong> Markt abgeschätzt, um<br />

schliesslich entsprechende Szenarien und Roadmaps zu entwickeln. Die<br />

effizienzsteigernde strategische Ausrichtung zeigt neben dem Ziel der<br />

Ideengenerierung durch Lead-User noch zwei weitere spezielle Ergebnistypen,<br />

nämlich die Innovationsverstärkung und die Spezifikationsausarbeitung. Die<br />

Innovationsverstärkung zielt darauf ab, komplementäre Kompetenzen des Kun<strong>den</strong><br />

zu nutzen, um geme<strong>in</strong>sam zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>novativen Lösung zu gelangen, welche für <strong>den</strong><br />

Hersteller nicht bzw. nur durch beträchtlichen zusätzlichen Ressourcene<strong>in</strong>satz (d. h.<br />

Aufbau bzw. E<strong>in</strong>kauf von Kompetenzen ausserhalb der Kernkompetenzfelder)<br />

möglich wäre. Im Falle der Spezifikationsausarbeitung geme<strong>in</strong>sam mit dem Kun<strong>den</strong>


KERNAUSSAGEN<br />

verfügt dieser über tief gehendes Expertenwissen und steuert die Innovation durch<br />

Vorgaben bzw. Spezifikationen (diese be<strong>in</strong>halten Leistungsparameter und damit<br />

<strong>in</strong>direkt auch technologische Anforderungen). Die grundsätzliche<br />

Machbarkeitsabschätzung und Technologieentwicklung muss <strong>in</strong> diesen Fällen<br />

während der Spezifikationserstellung (oder bereits davor) erfolgen. Gegen Ende der<br />

Innovationsfrühphase stellt sich die Aufgabe der Entscheidung für e<strong>in</strong> bestimmtes<br />

Konzept und die Verfe<strong>in</strong>erung desselben bis zur Übergabe an <strong>den</strong> eigentlichen<br />

Entwicklungsprozess. Hier dom<strong>in</strong>iert wieder die effektivitätsfokussierte<br />

Integrationsstrategie, mit dem spezifischen Ziel der Konzeptverfe<strong>in</strong>erung.<br />

Fehlentscheidungen <strong>in</strong> diesem Bereich s<strong>in</strong>d nur mit hohem Zeit- und<br />

Kostenaufwand wieder zu korrigieren, sodass e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Integration des Kun<strong>den</strong><br />

für diese Phase zunächst risikom<strong>in</strong>imierende und damit effektivitätssteigernde Ziele<br />

verfolgt. Darüber h<strong>in</strong>aus spielt das Anwendungswissen des Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e<br />

entschei<strong>den</strong>de Rolle bei der Verfe<strong>in</strong>erung des Konzeptes h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

Benutzungsfreundlichkeit und Praxistauglichkeit.<br />

Basierend auf diesen spezifischen Integrationszielen des Herstellers wur<strong>den</strong> vier<br />

mögliche Kun<strong>den</strong>rollen e<strong>in</strong>geführt, welche für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

i<strong>den</strong>tifiziert wer<strong>den</strong> konnten. Der Sensor hilft bei der Trendi<strong>den</strong>tifikation, der<br />

Spezialist verstärkt die Innovationskompetenz der Herstellers, der Spezifikator<br />

bestimmt die Innovation mittels genauer Anforderungen und der Selektor<br />

unterstützt die Auswahl und Verfe<strong>in</strong>erung des, die Frühphase abschliessen<strong>den</strong>,<br />

Konzeptes. Diese Rollen können als Erweiterung der klassischen Lead-User-Rolle<br />

betrachtet wer<strong>den</strong>. Diese stellt auch e<strong>in</strong> Beispiel der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> dar,<br />

fokussiert aber auf e<strong>in</strong>e sehr spezielle Kun<strong>den</strong>gruppe und e<strong>in</strong>e spezifische<br />

Problemsituation.<br />

Ablauf und Organisation der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Da die Innovationsfrühphase von Unsicherheit und schwer planbaren<br />

Randbed<strong>in</strong>gungen geprägt ist, erleichtert e<strong>in</strong> standardisiertes Vorgehen die<br />

Integration. Dazu wurde der frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

unternehmerischen Rahmen aus Strategie, Struktur und Kultur e<strong>in</strong>gebettet und <strong>in</strong><br />

drei Phasen e<strong>in</strong>geteilt. In der Initiierungsphase erfolgt zunächst vonseiten des<br />

Herstellers die grundsätzliche Entscheidung zur frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> sowie<br />

die Festlegung der erwarteten Ergebnisse. Die Vorbereitungsphase be<strong>in</strong>haltet <strong>den</strong><br />

gesamten Prozess der Kun<strong>den</strong>auswahl e<strong>in</strong>schliesslich der Verhandlungen und e<strong>in</strong>es<br />

eventuellen Vertragsabschlusses. Auch die Festlegung geme<strong>in</strong>samer<br />

Integrationsziele ist Teil dieses Verhandlungspaketes. Die daran anschliessende<br />

209


210 FAZIT<br />

Realisierungsphase setzt sich aus der eigentlichen operativen Gestaltung und<br />

Durchführung der Integration sowie der Integration der Ergebnisse zusammen.<br />

Gestaltungsempfehlungen und Thesen<br />

Den unternehmerischen Rahmen bil<strong>den</strong> die drei Elemente Strategie, Kultur und<br />

Struktur. Diese s<strong>in</strong>d als übergreifende ordnende Kräfte zu verstehen, welche <strong>den</strong><br />

organisationalen Abläufen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Form und Zielorientierung geben.<br />

Im Feld der Strategie bedarf es als Basis e<strong>in</strong>er erfolgreichen frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong>er übergeordneten generellen Innovationsstrategie, <strong>in</strong> welcher<br />

die Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es verankert ist. Aufbauend auf der allgeme<strong>in</strong>en<br />

Unternehmensstrategie muss der Hersteller <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er fundierten Analyse die eigenen<br />

Kernkompetenzen ermitteln und davon ausgehend mögliche Stossrichtungen der<br />

Zusammenarbeit mit Externen festlegen. Entschei<strong>den</strong>d ist die strategische<br />

Verankerung der pr<strong>in</strong>zipiellen Bereitschaft zur Öffnung des <strong>Innovationsprozess</strong>es,<br />

welche als Basis für <strong>den</strong> gesamten Integrationsprozess e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle spielt.<br />

E<strong>in</strong> weiteres wichtiges Element h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er erfolgreichen frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

stellt die Kultur im Unternehmen des Herstellers dar. Passend zur<br />

Innovationsstrategie muss e<strong>in</strong>e offene Innovationskultur etabliert wer<strong>den</strong>.<br />

Wesentliche Schritte dafür s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Vorbildwirkung des Managements aber auch<br />

e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Beschäftigung mit dem Not-Invented-Here-Syndrom, d. h. e<strong>in</strong>er<br />

grundsätzlichen Ablehnung aller von aussen kommen<strong>den</strong> Ideen und Anregungen.<br />

Dessen Überw<strong>in</strong>dung kann nur mit geistig und physisch mobilen Mitarbeitern<br />

gel<strong>in</strong>gen, welche e<strong>in</strong>erseits durch Weiterbildungsveranstaltungen, <strong>in</strong>terne<br />

Schulungen und Jobrotationsmodelle gefördert wer<strong>den</strong> und andererseits <strong>in</strong>tensiven<br />

direkten Kontakt mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> haben. Das dritte Element des unternehmerischen<br />

Rahmens ist die Struktur. Im Gegensatz zur operativen Integrationsstruktur, welche<br />

im Rahmen der Realisierungsphase zu gestalten ist, muss hier e<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipielle<br />

strukturelle Verankerung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> sichergestellt wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>deutige Regelung der mit der Integration verbun<strong>den</strong>en Aufgaben,<br />

Verantwortlichkeiten und Ressourcenzuteilung ist Voraussetzung für e<strong>in</strong>en<br />

erfolgreichen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess. Um die Koord<strong>in</strong>ation der verschie<strong>den</strong>en<br />

Integrationsprojekte sicherzustellen, müssen dafür organisatorische<br />

Voraussetzungen geschaffen wer<strong>den</strong>. Dabei reicht das Spektrum von zusätzlichen<br />

Aufgaben im Rahmen e<strong>in</strong>er bestehen<strong>den</strong> Position bis h<strong>in</strong> zu eigenen speziellen<br />

Organisationse<strong>in</strong>heiten. E<strong>in</strong>e derartige strukturelle Verankerung muss vor der<br />

Ausgestaltung und dem Ablauf des eigentlichen Integrationsprozesses geregelt<br />

wer<strong>den</strong>. Grundsätzlich gilt, dass die Flexibilität von Kooperationsprojekten nicht<br />

durch zu viel Formalismus und Bürokratie verloren gehen darf. Es hat sich aber


KERNAUSSAGEN<br />

gezeigt, dass mit zunehmender Grösse e<strong>in</strong>er Firma e<strong>in</strong> gewisses Mass an<br />

Zentralisierung der Integrationskompetenz notwendig ist, um die Koord<strong>in</strong>ation und<br />

Priorisierung der Projekte sicherzustellen.<br />

Gestaltungsempfehlungen Initiierungsphase<br />

Grundvoraussetzung e<strong>in</strong>er erfolgreichen frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ist e<strong>in</strong>e<br />

strategische Verankerung des Gedankens der offenen Innovation. Nur wenn die<br />

geme<strong>in</strong>samen Normen und Werte dieser Idee Rechnung tragen, kann sich e<strong>in</strong>e<br />

Kultur etablieren, welche offen gegenüber Anregungen von aussen ist. Genau diese<br />

ist für die erfolgreiche Verwendung der Ergebnisse der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> e<strong>in</strong><br />

entschei<strong>den</strong>der Faktor. Aufbauend auf der übergeordneten Innovationsstrategie<br />

muss diese Grundausrichtung e<strong>in</strong>es Unternehmens auch E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Divisions- bzw. Abteilungsstrategien f<strong>in</strong><strong>den</strong>. Basierend auf der Bereitschaft und<br />

dem Willen zur Öffnung erfolgt als nächster Schritt die grundsätzliche<br />

Entscheidung zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> und die Festlegung e<strong>in</strong>er Integrationsstrategie.<br />

Für diesen Schritt ist als wesentlicher Input die Technologiestrategie heranzuziehen.<br />

Unter Berücksichtigung der jeweils gültigen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und mit Kenntnis<br />

der bereits ermittelten Stossrichtungen für die Integration e<strong>in</strong>er externen<br />

Kompetenz, kann die Entscheidung für e<strong>in</strong>e Integrationsstrategie und spezifische<br />

Integrationsziele erfolgen. Der nächste Schritt liegt <strong>in</strong> der genauen<br />

Ergebnisfestlegung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Diese Zielfokussierung zu<br />

Beg<strong>in</strong>n ist notwendige Voraussetzung für e<strong>in</strong>e zielgerichtete Auswahl der Kun<strong>den</strong><br />

sowie e<strong>in</strong>e effiziente Gestaltung des gesamten Integrationsprozesses.<br />

Gestaltungsempfehlungen Vorbereitungsphase<br />

In diesem Schritt wer<strong>den</strong>, basierend auf <strong>den</strong> <strong>in</strong> der Initiierungsphase festgelegten<br />

Zielen, geeignete Kunde gesucht, ausgewählt und mit ihnen über e<strong>in</strong>e mögliche<br />

Integration verhandelt. Erstes Handlungsfeld der Kun<strong>den</strong>auswahl ist dabei die<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>er Suchstrategie und geeigneter Selektionskriterien zum Auff<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

potenzieller Integrationspartner. Am Beg<strong>in</strong>n steht die Sammlung des <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Firma vorhan<strong>den</strong>en, relevanten Wissens über die Kun<strong>den</strong> generell bzw. die<br />

jeweilige Kun<strong>den</strong>zielgruppe im Speziellen. Unter E<strong>in</strong>beziehung aller relevanten<br />

Abteilungen wer<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e Suchstrategie und geeignete Selektionskriterien<br />

aufgestellt. Damit erfolgt im nächsten Schritt die eigentliche Suche nach geeigneten<br />

Kun<strong>den</strong> sowie deren Auswahl. Persönliche Kontakte stellen dabei oft die<br />

ausschlaggeben<strong>den</strong> Faktoren bei der Partnerselektion dar. Nach der Auswahl<br />

kommt es <strong>in</strong> mehr oder weniger formalisierter Form zu Verhandlungen mit <strong>den</strong><br />

Kun<strong>den</strong>. Im Falle e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen Verständnisses und damit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>igung<br />

211


212 FAZIT<br />

wird e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung getroffen. In vielen Fällen kommt es dabei nicht zu e<strong>in</strong>em<br />

Vertragsabschluss mit formalen Verträgen (z. B. über die Aufteilung geme<strong>in</strong>sam<br />

generierten geistigen Eigentums), da die Integration als Vertrauensbeziehung<br />

geführt wird. Entschei<strong>den</strong>d ist aber, dass über die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und die<br />

geme<strong>in</strong>samen Integrationsziele Übere<strong>in</strong>stimmung erzielt wor<strong>den</strong> ist.<br />

Gestaltungsempfehlungen Realisierungsphase<br />

Im dritten Schritt schliesslich kommt es zur operativen Gestaltung und Umsetzung<br />

der Partnerschaft und zur Integration der Erkenntnisse und Ergebnisse. Diese Phase<br />

resultiert schliesslich <strong>in</strong> der Beendigung der Integration, falls diese auf E<strong>in</strong>maligkeit<br />

ausgelegt war oder im Beg<strong>in</strong>n neuer Integrationsprojekte. Die operative Gestaltung<br />

erfolgt anhand der bei<strong>den</strong> i<strong>den</strong>tifizierten Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und<br />

Interaktionsprozess.<br />

Im Gestaltungsfeld Integrationsstruktur gilt es, aufbauend auf e<strong>in</strong>er offenen<br />

Innovationskultur, <strong>den</strong> Prozess der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> auch auf der operativen<br />

Ebene zu strukturieren. Dabei stehen vor allem die folgen<strong>den</strong> Gestaltungsfaktoren<br />

zur Verfügung: die Verb<strong>in</strong>dungsstärke, die zeitliche Struktur der Integration, die<br />

Zahl der <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> und der Interaktionsort.<br />

E<strong>in</strong>e hohe Verb<strong>in</strong>dungsstärke kann durch e<strong>in</strong>e hohe Frequenz der Treffen oder die<br />

Schaffung e<strong>in</strong>er eigenen Position <strong>in</strong>nerhalb des Herstellerunternehmens, welche <strong>den</strong><br />

Kontakt (und die Verantwortung) für die Kun<strong>den</strong> bzw. deren Integration<br />

übernimmt, erzielt wer<strong>den</strong>. Bei allen Rollen, mit Ausnahme des Sensors, wird e<strong>in</strong>e<br />

hohe Intensität der Verb<strong>in</strong>dung benötigt. Am höchsten ist die Intensität bei <strong>den</strong><br />

Spezialisten und Spezifikatoren. Die zeitliche Struktur der Integration wird durch<br />

die Dauer und die Häufigkeit der Interaktion bestimmt. Dabei kommen für die<br />

Rollen des Sensors und Selektors vor allem punktuelle Zeitmuster für die<br />

Spezialisten und Spezifikatoren temporäre Muster zur Anwendung. Letztere<br />

erstrecken sich über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum und bil<strong>den</strong> die Voraussetzung dieser<br />

auf <strong>in</strong>tensiver Zusammenarbeit beruhen<strong>den</strong> Rollen. Die Zahl der <strong>in</strong>tegrierten<br />

Kun<strong>den</strong> hängt zunächst primär von der jeweiligen Rolle ab. Die Rollen des<br />

Spezialisten und Spezifikators schliessen durch ihre <strong>in</strong>tensive bilaterale<br />

Kooperation die gleichzeitige E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung mehrerer Kun<strong>den</strong> (für e<strong>in</strong> Projekt) aus.<br />

Bei <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> anderen Rollen zeigt sich, dass die Wettbewerbssituation der<br />

Kun<strong>den</strong> untere<strong>in</strong>ander und das Differenzierungspotenzial durch die Produkte des<br />

Herstellers wesentliche Kriterien bei der Entscheidung zwischen E<strong>in</strong>zelkun<strong>den</strong> und<br />

Kun<strong>den</strong>gruppen darstellen. Der Ort der Interaktion kann pr<strong>in</strong>zipiell bei e<strong>in</strong>em der<br />

bei<strong>den</strong> Partner (Hersteller oder Kunde) oder an e<strong>in</strong>em neutralen dritten Ort


KERNAUSSAGEN<br />

angesiedelt se<strong>in</strong>. Neutrale Orte wer<strong>den</strong> vor allem dann gewählt, wenn der Hersteller<br />

se<strong>in</strong>e eigene Rolle nicht betonen will und das Ziel e<strong>in</strong> neutraler Workshop mit<br />

mehreren externen Partnern ist. Daher kommen neutrale Orte praktisch<br />

ausschliesslich <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit der Integration e<strong>in</strong>er Kun<strong>den</strong>gruppe zur<br />

Anwendung. Typisch für die Rolle des Spezifikators ist e<strong>in</strong>e längerfristige<br />

physische Anwesenheit des Kun<strong>den</strong> direkt im Entwicklungsgebäude des<br />

Herstellers. Für <strong>den</strong> Selektor kann es je nach Reifegrad des diskutierten Konzeptes<br />

s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, zum<strong>in</strong>dest Teile der Integration am Ort der späteren Anwendung<br />

durchzuführen.<br />

Neben e<strong>in</strong>em hohen Niveau an struktureller Integration muss auch das<br />

Gestaltungsfeld Interaktionsprozess entsprechend gestaltet wer<strong>den</strong>. Wesentliche<br />

Elemente dafür s<strong>in</strong>d die Transparenz der Rolle und des Prozesses, der kulturelle Fit<br />

zwischen dem Hersteller und dem Kun<strong>den</strong>, die geme<strong>in</strong>same Wissensgenerierung<br />

sowie die Kun<strong>den</strong>motivation. Um Transparenz im S<strong>in</strong>ne grosser Offenheit und<br />

Aufmerksamkeit zu erreichen, müssen die Erwartungen an <strong>den</strong> <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong><br />

explizit kommuniziert wer<strong>den</strong>. Neben e<strong>in</strong>em klaren Verständnis ihrer eigenen Rolle<br />

müssen die Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>e genaue Vorstellung davon haben, wie ihre Beiträge im<br />

Rahmen des <strong>Innovationsprozess</strong>es weiterverarbeitet wer<strong>den</strong>. Der zweite<br />

Gestaltungsfaktor betrifft <strong>den</strong> kulturellen Fit bzw. die kognitive Kompatibilität. Der<br />

Hersteller muss danach trachten, durch die Kun<strong>den</strong>auswahl und <strong>den</strong><br />

Informationsaustausch während der Integration, e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Verständnis<br />

bezüglich der Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, Ziele und Prioritäten zu erzielen. Der dritte<br />

Faktor betrifft <strong>den</strong> Kern der Interaktion, die geme<strong>in</strong>same Wissensgenerierung.<br />

Dabei lassen sich folgende E<strong>in</strong>teilungen treffen. E<strong>in</strong>erseits erfolgt e<strong>in</strong>e<br />

Unterscheidung <strong>in</strong> implizites und explizites Wissen und andererseits bezüglich der<br />

Wissensentstehung <strong>in</strong> Wissensakquise und Wissenskonversion. Wissensakquisition<br />

kann im Rahmen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> vor allem im Rahmen der<br />

eigentlichen Interaktion passieren. Dabei kann es zu e<strong>in</strong>er direkten Akquisition des<br />

Kun<strong>den</strong>wissens durch <strong>den</strong> Hersteller bzw. umgekehrt oder zu e<strong>in</strong>em Austausch<br />

zwischen verschie<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong> kommen. Im H<strong>in</strong>blick auf die<br />

Wissenskonvertierung wur<strong>den</strong> für <strong>den</strong> Fokus dieser Arbeit die Komb<strong>in</strong>ation<br />

(explizit mit explizit) und die Externalisation (implizit zu explizit) als relevant<br />

i<strong>den</strong>tifiziert. Gerade diese bei<strong>den</strong> Wissensgenerierungsmechanismen manifestieren<br />

die Grund<strong>in</strong>tention der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>. Hersteller müssen also dem<br />

Kun<strong>den</strong> die Möglichkeit geben, vielfältige Interpretationen e<strong>in</strong>es gegebenen<br />

Produktes oder e<strong>in</strong>er Technologie anzustellen sowie diese mit anderen Mitgliedern<br />

des Projektteams auszutauschen. E<strong>in</strong> verteiltes Wahrnehmungssystem unterstützt<br />

solche Interpretationen und Dialoge <strong>in</strong>nerhalb des Innovationsteams durch die<br />

213


214 FAZIT<br />

Bereitstellung reicherer Formen der Selbstreflexion und Kommunikation. Die<br />

Rollen des Sensors und des Spezifikators basieren vor allem auf der Komb<strong>in</strong>ation<br />

externen Wissens, während bei <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> anderen Rollen hauptsächlich die<br />

Externalisierung wesentlich ist. Dementsprechend müssen die Instrumente der<br />

Unterstützung der Wissensgenerierung durch <strong>den</strong> Hersteller ausgewählt und<br />

angepasst wer<strong>den</strong>. Die Umsetzung des so entstehen<strong>den</strong> Wissens hängt an <strong>den</strong><br />

<strong>in</strong>tegrativen Fähigkeiten der Herstellerfirma und damit an <strong>den</strong> Systemen und<br />

Prozessen, welche diese unterstützen.<br />

Die Kun<strong>den</strong>teilnahme im <strong>Innovationsprozess</strong> beruht <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Fällen auf<br />

freiwilligem Engagement. Es müssen also Anreize vorhan<strong>den</strong> se<strong>in</strong> bzw. geschaffen<br />

wer<strong>den</strong>, die zu e<strong>in</strong>er entsprechen<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>motivation führen. Derartige Anreize<br />

liegen <strong>in</strong> Vorteilen, welche dem Kun<strong>den</strong> durch das Ergebnis der Integration oder<br />

durch die Ausübung der jeweiligen Rolle erwachsen. Daher muss der Hersteller<br />

diese Vorteile sorgfältig analysieren, um durch die Wahl geeigneter<br />

Gestaltungselemente die Motivation des Kun<strong>den</strong> erhöhen zu können.<br />

Produktbezogene Vorteile stellen die wichtigste Gruppe dar, wobei die Möglichkeit<br />

direkt auf <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> e<strong>in</strong>zuwirken und dadurch die<br />

Produkteigenschaften mitzubestimmen <strong>den</strong> Schwerpunkt bildet. Dazu kommt e<strong>in</strong>e<br />

mögliche Verbesserung der Qualität des Produktes, welche der Kunde durch se<strong>in</strong>e<br />

direkte Beteiligung erzielen kann. Der Hersteller kann diese grundsätzlich<br />

vorhan<strong>den</strong>en Vorteile verstärken, <strong>in</strong>dem er dem Kun<strong>den</strong> die Bedeutung se<strong>in</strong>er Rolle<br />

verdeutlicht und die gewonnenen Erkenntnisse auch gegenüber anderen<br />

Marktteilnehmern klar kommuniziert. Neben diesen extr<strong>in</strong>sischen Anreizen wirken<br />

Kun<strong>den</strong>, <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch motiviert, schliesslich auch darum bei der Produktentwicklung<br />

mit, weil sie es als attraktiv empf<strong>in</strong><strong>den</strong>, ihre Neugierde bezüglich des Produktes<br />

oder der Technologie kreativ zu befriedigen. Für diese Seite der Kun<strong>den</strong>motivation<br />

kann die Open-Source-Softwareentwicklung als Ansatzpunkt für mögliche<br />

Erklärungen und Gestaltungsansätze dienen. Es gilt e<strong>in</strong> Umfeld zu schaffen, <strong>in</strong> dem<br />

neben dem persönlichen Nutzen der Wunsch nach Anerkennung und Reputation<br />

erfüllt wer<strong>den</strong> kann. Betrachtet man die Natur der Beiträge und der Interaktionen<br />

der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, so lässt sich feststellen, dass bei allen Rollen vor<br />

allem die produktbezogenen Vorteile wesentlich s<strong>in</strong>d. Für die Rolle des Selektors<br />

haben darüber h<strong>in</strong>aus auch geme<strong>in</strong>schaftsbezogene Vorteile grosse Bedeutung, da<br />

die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> am Ende der Innovationsfrühphase verstärkt dem Aufbau<br />

e<strong>in</strong>es sozialen Beziehungsnetzes für und mit <strong>den</strong> <strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> dient.<br />

Der letzte Schritt der Realisierungsphase liegt schliesslich <strong>in</strong> der Integration der<br />

Ergebnisse der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> des Herstellers.<br />

E<strong>in</strong>erseits müssen die Erkenntnisse dokumentiert und gespeichert wer<strong>den</strong> und


KERNAUSSAGEN<br />

andererseits gilt es, e<strong>in</strong>en Kommunikationsprozess zu etablieren, welcher die<br />

firmen<strong>in</strong>terne Verbreitung der Integrationsresultate zum Ziel hat. E<strong>in</strong> derartiger<br />

organisatorischer Lernprozess stellt <strong>den</strong> notwendigen abschliessen<strong>den</strong> Bestandteil<br />

erfolgreicher früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> dar.<br />

Die im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zu Ablauf und<br />

Organisation der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> Thesen verdichtet, welche im<br />

Folgen<strong>den</strong> <strong>in</strong> Tabelle 9 noch e<strong>in</strong>mal zusammenfassend aufgelistet wer<strong>den</strong>.<br />

Daran anschliessend wer<strong>den</strong> im Ausblick die wichtigsten Trends und<br />

Entwicklungen aufgezeigt, welche die Öffnung des frühen <strong>Innovationsprozess</strong>es –<br />

sowohl generell als auch speziell für Kun<strong>den</strong> – bee<strong>in</strong>flussen wer<strong>den</strong>. Abschliessend<br />

folgt e<strong>in</strong> kurzer Überblick der wesentlichen offenen Forschungsschwerpunkte der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

215


216 FAZIT<br />

1: E<strong>in</strong>e generelle offene Innovationsstrategie des Herstellers, als Ergebnis e<strong>in</strong>er übergeordneten<br />

Analyse der eigenen Kompetenzfelder und des Umfeldes, ist als strategische Ebene des<br />

unternehmerischen Rahmens Grundvoraussetzung e<strong>in</strong>er erfolgreichen frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

2: Die kulturelle Ebene des für erfolgreiche frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> notwendigen unternehmerischen<br />

Rahmens bildet e<strong>in</strong>e offene Innovationskultur des Herstellers, erreicht durch e<strong>in</strong>e Vorbildwirkung des<br />

Managements und e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Bekämpfung des Not-Invented-Here-Syndroms.<br />

3: E<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipielle strukturelle Verankerung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> der Organisation des<br />

Herstellers, von der Zuordnung e<strong>in</strong>deutiger Aufgaben und Verantwortlichkeiten bis h<strong>in</strong> zu speziellen<br />

Organisationse<strong>in</strong>heiten, stellt als strukturelle Ebene des unternehmerischen Rahmens e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> dar.<br />

4: Im Rahmen e<strong>in</strong>er Integrationsstrategie des Herstellers bezüglich früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> müssen<br />

die spezifischen Ziele des Herstellers und damit die Rolle des Kun<strong>den</strong> für die Integration festgelegt<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

4a: Je sorgfältiger die Entscheidung zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> auf e<strong>in</strong>er Integrationsstrategie, resultierend<br />

aus e<strong>in</strong>er detaillierten Analyse der eigenen Kompetenzen sowie e<strong>in</strong>er I<strong>den</strong>tifikation möglicher<br />

Kooperationsfelder, basiert, desto besser s<strong>in</strong>d die Erfolgsaussichten des darauf aufbauen<strong>den</strong><br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesses.<br />

4b: Je genauer bei der Ergebnisfestlegung das spezifische Ziel des Herstellers berücksichtigt wird,<br />

desto grösser s<strong>in</strong>d die Chancen e<strong>in</strong>er erfolgreichen Zielerreichung im folgen<strong>den</strong><br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess.<br />

5: Die Rolle des Kun<strong>den</strong> hat entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> E<strong>in</strong>fluss auf die Kun<strong>den</strong>auswahl sowie die operative<br />

Gestaltung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>.<br />

5a: Je mehr die Rolle des Kun<strong>den</strong> bei der Kun<strong>den</strong>auswahl, <strong>in</strong> Form von entsprechen<strong>den</strong> Suchstrategien<br />

und Selektionskriterien, berücksichtigt wird, desto zielgerichteter kann diese erfolgen und desto<br />

grösser ist die Chance geeignete Kun<strong>den</strong> zu f<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

5b: Je sorgfältiger beim Vertragsabschluss die geme<strong>in</strong>same Zielf<strong>in</strong>dung durchgeführt sowie die Fragen<br />

des geistigen Eigentums geklärt wer<strong>den</strong>, desto ger<strong>in</strong>ger ist das Konfliktpotenzial und desto höher die<br />

Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit der <strong>in</strong>ter<strong>aktive</strong>n Zusammenarbeit.<br />

6: Die für <strong>den</strong> Erfolg notwendige rollenspezifische Organisation der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> wird auf<br />

der operativen Ebene durch die Ausprägung der Gestaltungsfaktoren <strong>in</strong> <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Gestaltungsfeldern<br />

Integrationsstruktur und Interaktionsprozess bestimmt.<br />

6a: Für e<strong>in</strong>e erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss die Integrationsstruktur der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> mittels der Faktoren (1) Verb<strong>in</strong>dungsstärke, (2) zeitliche Struktur, (3) Zahl<br />

der Kun<strong>den</strong> und (4) Ort der Interaktion an die Rolle des Kun<strong>den</strong> sowie die spezifische Situation<br />

angepasst wer<strong>den</strong>.<br />

6b: Für e<strong>in</strong>e erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss der Interaktionsprozess der<br />

frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> an die Rolle des Kun<strong>den</strong> sowie die spezifische Situation angepasst wer<strong>den</strong>.<br />

Diese Anpassung erfolgt mit <strong>den</strong> Faktoren (1) Prozess- und Rollentransparenz, (2) kultureller Fit, (3)<br />

Wissensgenerierung und (4) Kun<strong>den</strong>motivation.<br />

7: Je mehr die organisatorischen Lernprozesse des Herstellers <strong>in</strong>stitutionalisiert und unterstützt wer<strong>den</strong>,<br />

desto besser kann die Integration der Ergebnisse der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> das Unternehmen<br />

des Herstellers erfolgen.<br />

Tabelle 9: Thesen zur erfolgreichen frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>


AUSBLICK<br />

7.2 Ausblick<br />

Die Ergebnisse dieser Arbeit ruhen im breiten Kontext e<strong>in</strong>es offenen<br />

Innovationsparadigmas, welches kooperative <strong>Innovationsprozess</strong>e zum Imperativ <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em herausfordern<strong>den</strong>, sich rasch wandeln<strong>den</strong> Geschäftsumfeld macht. Generell<br />

zeigt sich e<strong>in</strong> verstärkter Trend zu neuen Formen der Innovationsentstehung, wobei<br />

die Kun<strong>den</strong> als zentrale Partner e<strong>in</strong>e immer wichtigere Rolle e<strong>in</strong>nehmen. Im<br />

Folgen<strong>den</strong> wird e<strong>in</strong> Ausblick auf relevante Entwicklungen und Trends im Umfeld<br />

des Innovationsmanagements gegeben, von <strong>den</strong>en zu erwarten ist, dass sie die<br />

Bedeutung und Gestaltung früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> naher Zukunft entschei<strong>den</strong>d<br />

bee<strong>in</strong>flussen wer<strong>den</strong> (vgl. Abb. 40).<br />

Virtualisierung des<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

Diskretisierung<br />

der<br />

Innovationsfrühphase<br />

Gruppen und<br />

Individuen als<br />

neue Orte der<br />

Innovationsentstehung<br />

<strong>Frühe</strong><br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Aufbruch der<br />

klassischen<br />

Eigentumsrechte<br />

Idea Supply Cha<strong>in</strong><br />

als Element des<br />

„360°-<br />

Unternehmens“<br />

Abbildung 40: Aktuelle Entwicklungen und Trends im Umfeld der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

217


218 FAZIT<br />

7.2.1 Aktuelle Entwicklungen und Trends<br />

Virtualisierung des <strong>Innovationsprozess</strong>es<br />

Die beschriebenen Ausprägungen früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> basieren zu e<strong>in</strong>em<br />

überwiegen<strong>den</strong> Teil auf persönlichen Interaktionen. In jüngster Zeit zeigen sich, vor<br />

allem im Bereich der Integration von Konsumenten (B-2-C), verstärkt Ten<strong>den</strong>zen,<br />

die persönliche Integration durch e<strong>in</strong>e virtuelle zu ersetzen. Zwei aktuelle<br />

Entwicklungen verkörpern diesen Trend. E<strong>in</strong>erseits neue Kun<strong>den</strong>evaluations- und<br />

Marktforschungsmetho<strong>den</strong>, welche unter dem Begriff „Virtual Customer Initiative“<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Forschungsschwerpunkt am Massachusetts Institute of Technology (MIT)<br />

erforscht und entwickelt wer<strong>den</strong>. Neue Produktkonzepte, Prototypen und Modelle<br />

können durch <strong>den</strong> E<strong>in</strong>satz von neuen Produktentwicklungs<strong>in</strong>strumenten vom<br />

Kun<strong>den</strong> schneller, mit höherer Genauigkeit und kostengünstiger beurteilt wer<strong>den</strong>.<br />

Andererseits wer<strong>den</strong> vermehrt so genannte „User Tool Kits for Innovation“<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Dabei wer<strong>den</strong> bedürfnisbezogene Innovationsaufgaben mithilfe e<strong>in</strong>es ITbasierten<br />

Entwicklungsbaukastens an <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> ausgelagert. Der Kunde wird<br />

dadurch <strong>in</strong> die Lage versetzt, e<strong>in</strong>e komplette Serie von Entwicklungszyklen zur<br />

Entwicklung se<strong>in</strong>es „persönlichen Produktes“ zu durchlaufen. Komb<strong>in</strong>iert mit<br />

Informationen über verwendbare Komponenten, Module und<br />

Produktbeschränkungen (z. B. produktionsbed<strong>in</strong>gte Restriktionen) können diese<br />

Werkzeugsätze zeit- und kosten<strong>in</strong>tensive Iterationsschleifen zwischen Herstellern<br />

und Kun<strong>den</strong> elim<strong>in</strong>ieren. Auch wenn dieser Ansatz nicht für alle Märkte und<br />

Produkte geeignet ist, so f<strong>in</strong>det er doch immer mehr Verwendung und weist als<br />

Extremform <strong>den</strong> Weg zu steigen<strong>den</strong> Wertschöpfungsanteilen der Kun<strong>den</strong> im<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>.<br />

Beide Entwicklungen basieren auf neuen Kommunikations- und<br />

Informationstechnologien, wie dem Internet, schnellen Breitbandnetzen, neuen<br />

Algorithmen und Multimedia-Visualisierungswerkzeugen.<br />

Im Kontext der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> betrachtet fällt zunächst die Relevanz der<br />

Virtual Customer Ansätze für die Rolle des Selektors auf. Die bisherigen<br />

Realisierungsbeispiele gehen zwar noch <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er Virtualisierung<br />

klassischer Market<strong>in</strong>gtools (z. B. Conjo<strong>in</strong>t Analysen) und verkörpern damit das alte<br />

Paradigma der möglichst genauen und effizienten Erfassung der<br />

Kun<strong>den</strong>bedürfnisse. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass diese Instrumente auch<br />

für e<strong>in</strong>e <strong>aktive</strong> Kun<strong>den</strong>rolle adaptiert wer<strong>den</strong>. Dies würde beispielsweise bedeuten,<br />

dass der Kunde nicht mehr „nur“ Merkmalskomb<strong>in</strong>ationen und Preispräferenzen<br />

auswählt, sondern die Möglichkeit hat, aktiv se<strong>in</strong> Wissen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen und an der


AUSBLICK<br />

eigentlichen Innovationsentstehung mitzuwirken. Genau diese Mithilfe bei der<br />

Verfe<strong>in</strong>erung früher Konzepte charakterisiert ja die Rolle des Selektors. Aber auch<br />

für die anderen Rollen können durch diese neuen Technologien und Metho<strong>den</strong><br />

gewisse Abläufe vere<strong>in</strong>facht wer<strong>den</strong>. Dies betrifft vor allem diejenigen<br />

Integrationsaktivitäten, bei <strong>den</strong>en e<strong>in</strong>e persönliche Interaktion nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />

notwendig ist, da e<strong>in</strong> relevanter Anteil an explizitem Wissen des Kun<strong>den</strong> vorhan<strong>den</strong><br />

ist bzw. e<strong>in</strong>e Arbeitsteilung temporäre Phasen der E<strong>in</strong>zelarbeit erlaubt. Dies ist<br />

beispielsweise für bestimmte Phasen der Integration e<strong>in</strong>es Spezialisten vorstellbar,<br />

bei <strong>den</strong>en jede Seite ihre Fachkompetenz <strong>in</strong> sequenziellen Schritten <strong>in</strong> das Konzept<br />

<strong>in</strong>tegriert und der Austausch der Zwischenergebnisse über e<strong>in</strong>e IT-Plattform<br />

erfolgen könnte.<br />

Generell gilt aber für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, dass persönliche Interaktion,<br />

alle<strong>in</strong> schon durch <strong>den</strong> systemischen Charakter der Aufgaben und <strong>den</strong><br />

dom<strong>in</strong>ieren<strong>den</strong> impliziten Wissensmodus der meisten Innovationsprojekte, immer<br />

e<strong>in</strong>en wesentlichen Bestandteil bil<strong>den</strong> wird. Daher wer<strong>den</strong> für <strong>den</strong> eigentlichen<br />

<strong>in</strong>novativen Teil der Frühphase User Toolkits for Innovation auch nur sehr<br />

beschränkt Relevanz erlangen. Sie können aber, ergänzend e<strong>in</strong>gesetzt, sehr wohl<br />

aufwändige Iterationsschleifen zwischen Hersteller und Kunde elim<strong>in</strong>ieren. Zu<br />

beachten ist dabei, dass sich bei derartigen Ansätzen die eigentliche<br />

Innovationsleistung des Herstellers <strong>in</strong> die Entwicklung des Toolkits und e<strong>in</strong>er<br />

passen<strong>den</strong> modularen Produktarchitektur verlagert.<br />

Gruppen und Individuen als neue Orte der Innovationsentstehung<br />

Betrachtet man <strong>den</strong> Ort der Innovationsentstehung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozialen S<strong>in</strong>n, so<br />

entwickeln sich gerade zwei extreme Formen, welche beide e<strong>in</strong>e klare<br />

Emanzipation von der bisherigen Dom<strong>in</strong>anz der Hersteller darstellen. Kun<strong>den</strong>-<br />

Communities als netzwerkartige Kun<strong>den</strong>gruppen, welche ohne starke<br />

Bee<strong>in</strong>flussungsmöglichkeit durch <strong>den</strong> Hersteller produktspezifische Aktivitäten<br />

durchführen, bil<strong>den</strong> dabei <strong>den</strong> ersten Extrempol. Die Spannweite derartiger<br />

Geme<strong>in</strong>schaften reicht von der Geme<strong>in</strong>samkeit der Benutzung e<strong>in</strong>es Produktes<br />

(z. B. Fahrer e<strong>in</strong>es bestimmten Autotyps) bis zur kompletten,<br />

herstellerunabhängigen Entwicklung des Produktes. Diese extreme Form der<br />

Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>novation passiert beispielsweise im Rahmen der sehr erfolgreichen Open-<br />

Source-Softwareentwicklung, welche durch autarke Communities dom<strong>in</strong>iert wird.<br />

Die Vorbildfunktion für die frühe <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> liegt dabei vor allem im<br />

Bereich der <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sischen Seite der Motivationsstruktur des Kun<strong>den</strong>. Hier kann die<br />

Open-Source-Bewegung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen dienen. Was<br />

motiviert beispielsweise e<strong>in</strong>en L<strong>in</strong>uxprogrammierer dazu, Programmcodes zu<br />

219


220 FAZIT<br />

schreiben und diesen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen? Neue Untersuchungen<br />

zeigen, dass vor allem der persönliche Nutzen und die Befriedigung des eigenen<br />

Egos Open-Source-Entwickler antreiben.<br />

Im Folgen<strong>den</strong> soll skizziert wer<strong>den</strong>, wie zusätzlich zu diesen Motivationsaspekten<br />

weitere Elemente der Open-Source-Entwicklung auf andere Industrien übertragen<br />

wer<strong>den</strong> könnten. Dazu wird der Begriff „geführte Kun<strong>den</strong>netzwerke“ bzw.<br />

Managed Customer Networks (MCN) e<strong>in</strong>geführt, um e<strong>in</strong>e Mischform zwischen<br />

Kun<strong>den</strong>-Communities und der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu beschreiben, welche<br />

sich sehr wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> nächster Zeit etablieren wird. Die Idee dah<strong>in</strong>ter liegt <strong>in</strong><br />

der Komb<strong>in</strong>ation der Innovationskraft von Communities mit der Steuerbarkeit und<br />

Fokussierung der Modelle persönlicher Interaktion.<br />

E<strong>in</strong> geführtes Kun<strong>den</strong>netzwerk soll sich dabei durch folgende Charakteristika<br />

auszeichnen:<br />

Das zugrunde liegende Rational ist die Komb<strong>in</strong>ation der Vorteile<br />

persönlicher Interaktion mit der Dynamik, Kreativität und Innovationskraft<br />

von Communities.<br />

Der Vorteil des Kun<strong>den</strong> liegt <strong>in</strong> der unmittelbaren Bee<strong>in</strong>flussung der<br />

Innovation sowie <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vorzügen und sozialen Anreizen e<strong>in</strong>er<br />

Gruppenzugehörigkeit.<br />

Als Instrumente kommen sowohl virtuelle Netzwerke und als auch<br />

persönliche Treffen zum E<strong>in</strong>satz.<br />

Die Interaktions<strong>in</strong>tensität ist hoch und es kommt zu e<strong>in</strong>em Austausch von<br />

implizitem und explizitem Wissen.<br />

Der Organisationsgrad ist mittel, d. h. niedriger als bei der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>, aber höher als bei autarken Communities.<br />

Die Initiative zum Aufbau und zur Teilnahme kommt sowohl vom Hersteller<br />

als auch vom Kun<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong>er der entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Vorteile e<strong>in</strong>es geführten Kun<strong>den</strong>netzwerkes liegt <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em mittleren Organisationsgrad. Pr<strong>in</strong>zipiell kann zwischen e<strong>in</strong>em hohen<br />

Organisationsgrad mit fokussiertem Vorgehen, welches sich an e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen<br />

Interaktionspartner richtet und niedrig organisiertem, ungerichtetem Vorgehen im<br />

S<strong>in</strong>ne des Interagierens mit e<strong>in</strong>er grossen Gruppe unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Geführte<br />

Kun<strong>den</strong>netzwerke liegen genau zwischen diesen bei<strong>den</strong> Ausprägungen und besitzen<br />

gerade dadurch das höchste Innovationspotenzial. So weisen sie zwar ebenfalls


AUSBLICK<br />

e<strong>in</strong>en gewissen Organisationsbedarf auf, verfügen aber auch über e<strong>in</strong> nicht<br />

steuerbares Eigenleben, welches die für Durchbruchs<strong>in</strong>novationen nötigen kreativen<br />

Freiräume sicherstellt. Darüber h<strong>in</strong>aus geht die Initiative für geführte<br />

Kun<strong>den</strong>netzwerke zu annähernd gleichen Teilen vom Hersteller und <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong><br />

aus (d. h. der Kunde ist diesbezüglich <strong>aktive</strong>r als bei der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>).<br />

Dies erhöht die Chance, e<strong>in</strong> längerfristiges hohes Commitment auch vonseiten des<br />

Kun<strong>den</strong> zu erhalten.<br />

Prahalad und Ramaswamy (2004) beschreiben das andere Extrem e<strong>in</strong>er kompletten<br />

Individualisierung der Innovationsentstehung. Sie stellen die Zukunft des<br />

Wettbewerbs als e<strong>in</strong>en komplett neuen Ansatz der Wertschöpfung dar, <strong>in</strong> dem<br />

personalisierte Co-Creation-Erfahrungen – ermöglicht durch technische und soziale<br />

Infrastruktur – jedem Kun<strong>den</strong> erlauben, e<strong>in</strong>zigartigen Nutzen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />

Netzwerkes aus Firmen und Kun<strong>den</strong>-Communities mitzuentwickeln. 34 Die Gründe<br />

sehen sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Konvergenz von Industrien und Technologien, welche zu<br />

allgegenwärtigen Anschlussmöglichkeiten an Informationsquellen und zu e<strong>in</strong>er<br />

Globalisierung des Wissens geführt hat. Als Konsequenz daraus entwickelt sich die<br />

Rolle des Kun<strong>den</strong> von der e<strong>in</strong>es passiven Empfängers h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em <strong>aktive</strong>n<br />

Wertschöpfungspartner. Es bedarf daher e<strong>in</strong>es neuen Bezugsrahmens der<br />

Wertschöpfung, welcher dieser veränderten Situation gerecht wird. Vermehrt<br />

<strong>in</strong>teragieren e<strong>in</strong>zelne Kun<strong>den</strong> mit e<strong>in</strong>em Netzwerk an Unternehmen und Kun<strong>den</strong>-<br />

Communities, um an Wertschöpfungsprozessen zu partizipieren. Weder können<br />

Unternehmen Wertschöpfung länger autonom betreiben noch ist der Wert <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Produkten und Serviceangeboten per se e<strong>in</strong>gebettet. Produkte nehmen nunmehr die<br />

Rolle von Artefakten e<strong>in</strong>, um die herum überzeugende <strong>in</strong>dividuelle Erfahrungen<br />

kreiert wer<strong>den</strong> müssen. Als Ergebnis wird der Fokus der Innovation von <strong>den</strong><br />

Produkten und Serviceangeboten zu Erfahrungsumgebungen wandern, mit <strong>den</strong>en<br />

E<strong>in</strong>zelne <strong>in</strong>teragieren können, um ihre eigenen Erlebnisse mitzugestalten. Derartige<br />

personalisierte Co-Creation-Erfahrungen können e<strong>in</strong>e Quelle von e<strong>in</strong>zigartigem<br />

Wert sowohl für <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> als auch <strong>den</strong> Hersteller darstellen. Allerd<strong>in</strong>gs müssen<br />

Unternehmen für diese entstehen<strong>den</strong> Gelegenheiten neue strategische Ansätze (e<strong>in</strong>e<br />

neue Theorie des Wettbewerbs) aufbauen. Die Herausforderungen betreffen dabei<br />

sowohl funktionale und organisatorische Aspekte als auch Fragestellungen der<br />

zugrunde liegen<strong>den</strong> Infrastruktur und der Corporate Governance.<br />

Von Hippel (2005) beschreibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em neuesten Buch ähnliche Entwicklungen<br />

und spricht dabei von e<strong>in</strong>er rasch wachsen<strong>den</strong> Demokratisierung der Innovation.<br />

Benutzer s<strong>in</strong>d durch Verbesserungen der Computer- und<br />

34 Es erfolgt dabei ke<strong>in</strong>e Unterscheidung mehr zwischen B-2-B- und B-2-C-Märkten.<br />

221


222 FAZIT<br />

Kommunikationstechnologien immer mehr <strong>in</strong> der Lage, ihre eigenen Produkte und<br />

Services zu entwickeln. Dabei s<strong>in</strong>d diese fortschrittlichen Kun<strong>den</strong> (Lead-User) –<br />

sowohl E<strong>in</strong>zelpersonen als auch Firmen – oft bereit, ihre Innovationen frei mit<br />

anderen zu teilen und dadurch Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>novationsgeme<strong>in</strong>schaften auf e<strong>in</strong>er breiten<br />

geme<strong>in</strong>samen Wissensbasis zu schaffen. Der Trend <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er<br />

demokratischen Innovation ist zunächst vor allem <strong>in</strong> der Informationsverarbeitungs-<br />

und Softwarebranche, aber <strong>in</strong> ersten Ansätzen auch bereits für physische Produkte<br />

sichtbar. Die Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>novation bietet dabei e<strong>in</strong>en wertvollen Grundstock der<br />

Hersteller<strong>in</strong>novation und ist darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> der Lage, e<strong>in</strong>en grösseren<br />

volkswirtschaftlichen Nutzen als re<strong>in</strong>e Hersteller<strong>in</strong>novationssysteme produzieren.<br />

Idea Supply Cha<strong>in</strong> als Element des „360°-Unternehmens“<br />

Es gibt bei vielen Unternehmen neben <strong>den</strong> klassischen Market<strong>in</strong>gaktivitäten noch<br />

ke<strong>in</strong>en etablierten Prozess zur Integration von Kun<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong>,<br />

so wie dies mittlerweile für die Integration der Zulieferer selbstverständlich ist. Als<br />

Zukunftsvision kann <strong>in</strong> Anlehnung an die klassische Supply Cha<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>er Idea<br />

Supply Cha<strong>in</strong> gesprochen wer<strong>den</strong>. So wie e<strong>in</strong> Unternehmen die Zulieferkette<br />

strategisch und operativ kontrollieren und flexibel managen muss, so gilt es <strong>in</strong><br />

Zukunft auch, mit <strong>den</strong> Ideen und Innovationsanregungen von aussen zu verfahren.<br />

Aktuelle Studien zur Supply Cha<strong>in</strong> zeigen, dass grössere Geschw<strong>in</strong>digkeit und<br />

bessere Kosteneffektivität nicht ausreichen, um relevante Wettbewerbsvorteile zu<br />

erzielen. Um e<strong>in</strong>e so genannte „Triple A Supply Cha<strong>in</strong>“ zu bil<strong>den</strong>, bedarf es der<br />

folgen<strong>den</strong> drei Kriterien. Agilität, Anpassungsfähigkeit und e<strong>in</strong>heitliche<br />

Ausrichtung. Ähnliche Ziele wer<strong>den</strong> auch auf der anderen Seite der<br />

Wertschöpfungskette – für die „Ideen-Nachschub-Kette“ – wesentliche Rollen<br />

spielen. Es reicht nicht mehr, e<strong>in</strong>zelne Kun<strong>den</strong> für spezielle Projekte <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

<strong>Innovationsprozess</strong> zu <strong>in</strong>tegrieren, das Ziel muss se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en Zulieferprozess zu<br />

etablieren, der e<strong>in</strong>en kont<strong>in</strong>uierlichen Strom an hochwertigen Ideen und weiterem<br />

Innovations<strong>in</strong>put für alle Phasen des <strong>Innovationsprozess</strong>es sicherstellt. Dabei spielt<br />

es, <strong>in</strong> Analogie zur Versorgung mit Zulieferteilen, e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle, auf<br />

Änderungen der Bedürfnisse zu reagieren sowie Störungen ruhig und gedämpft<br />

meistern zu können. Auch e<strong>in</strong>e Anpassung an <strong>in</strong>terne und externe<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen muss ständig erfolgen, ebenso wie e<strong>in</strong>e Abstimmung mit <strong>den</strong><br />

<strong>in</strong>tegrierten Kun<strong>den</strong> bzw. Partnern der Nachfrageseite.<br />

E<strong>in</strong> nahe liegender nächster Schritt ist nun die Komb<strong>in</strong>ation der Zuliefer- mit der<br />

Nachfrageseite, zu e<strong>in</strong>er Vision e<strong>in</strong>es „360°-Unternehmens“, <strong>in</strong> welchem sowohl<br />

die Zulieferprozesse für Güter und Services als auch jene für externe Ideen <strong>in</strong> die


AUSBLICK<br />

operativen Prozesse <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong>. Dabei kann für die Ideenseite von vier<br />

grossen Partnergruppen nämlich <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>, Zulieferern, Komplementäranbietern<br />

und Universitäten bzw. Experten ausgegangen wer<strong>den</strong>.<br />

Derartig umfassende operative Kooperationen werfen die folgen<strong>den</strong> Fragen auf:<br />

Wie schaut e<strong>in</strong> gut funktionierendes 360°-Unternehmen aus und was<br />

kann es leisten?<br />

Was s<strong>in</strong>d die Gefahren der Öffnung bzw. Auslagerung und wie<br />

können sie überwun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>?<br />

Wie können Prozesse, welche e<strong>in</strong> Hersteller nicht vollständig<br />

kontrolliert, trotzdem von diesem transformiert und optimiert wer<strong>den</strong>?<br />

Was s<strong>in</strong>d die Rollen und Verantwortlichkeiten der direkt betroffenen<br />

Personen und des Managements?<br />

Welche kulturellen Herausforderungen gibt es <strong>in</strong> 360°-Unternehmen<br />

und wie können sie gemeistert wer<strong>den</strong> ?<br />

Von entschei<strong>den</strong>der Wichtigkeit ist es, das ganze Spektrum an möglichen<br />

Kooperationspartnern auszunutzen, <strong>den</strong>n die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung verschie<strong>den</strong>er Partner <strong>in</strong><br />

allen Phasen des <strong>Innovationsprozess</strong>es führt zu <strong>den</strong> grössten Hebeleffekten zur<br />

Steigerung der Innovationskraft. Ausserdem ist es vorteilhaft, e<strong>in</strong>e Auswahl an<br />

permanenten Partnern aufzubauen. Dieses ermöglicht, <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em systematischen Prozess aufgebauten Partnerschaftskompetenz, bei Bedarf<br />

spontan auf e<strong>in</strong>en Partner zurückzugreifen, ohne zuerst e<strong>in</strong>en langen<br />

Selektionsprozess und Beziehungsaufbau durchlaufen zu müssen. Das Ziel liegt<br />

damit dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Portfolio von Partnerschaftskontakten zu pflegen, welches<br />

e<strong>in</strong>erseits Übersicht über das Wissen Externer gewährt, aber auch Aufschluss über<br />

die Gewichtung der beabsichtigten Innovationen gibt.<br />

Aufbruch der klassischen Eigentumsrechte<br />

E<strong>in</strong> wesentlicher Aspekt jeder Art von offener Innovation ist die Frage der<br />

Verwertung der generierten Ergebnisse und damit der Rechte am geistigen<br />

Eigentum. Geme<strong>in</strong>schaftliche Innovationsfrühphasen verlangen nach neuen<br />

Mechanismen zur Verteilung der <strong>in</strong>novationsbezogenen ökonomischen Renten.<br />

Traditionellerweise waren Unternehmen <strong>in</strong> der Vergangenheit unter anderem auch<br />

aufgrund möglicher Probleme mit dem geistigen Eigentum nur zögerlich dazu<br />

bereit, externe Partner (wie z. B. Kun<strong>den</strong>) <strong>in</strong> die Entwicklung neuer Produkte<br />

223


224 FAZIT<br />

e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>den</strong>. Die Entstehung e<strong>in</strong>es digitalen Wirtschaftsraumes, <strong>in</strong> dem kollektive<br />

Metho<strong>den</strong> der Wissensgenerierung e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle e<strong>in</strong>nehmen, bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e<br />

erneute Betrachtung der Art und Weise, wie die ökonomischen Renten e<strong>in</strong>er<br />

Innovation verteilt wer<strong>den</strong>. Diese Fragestellung ist besonders schwierig zu<br />

beantworten, wenn die neue Idee Ergebnis e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen Prozesses ist, <strong>in</strong> dem<br />

die genauen Beiträge der e<strong>in</strong>zelnen Teilnehmer nur schwer zu unterschei<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d.<br />

Der Hersteller muss se<strong>in</strong> Interesse an e<strong>in</strong>em Vorteil aus der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> mit<br />

der Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Aufteilung der ökonomischen Renten aus e<strong>in</strong>er derartigen<br />

Geme<strong>in</strong>schafts<strong>in</strong>novation unter e<strong>in</strong>e Hut br<strong>in</strong>gen. Wahrsche<strong>in</strong>lich wird es daher<br />

notwendig, neue Rechte bzw. Lizenzformen im Industriegüterbereich zu schaffen,<br />

wie dies beispielsweise im Softwarebereich vor kurzem durch die Creativ<br />

Commons License bereits geschehen ist.<br />

Dabei brechen neue Forschungsergebnisse im B-2-C-Bereich mit traditionellen<br />

Annahmen. Die klassische Ansicht der Innovationsforschung geht davon aus, dass<br />

Menschen erwarten, für ihre kreative Arbeit bezahlt zu wer<strong>den</strong>. Daraus ergibt sich<br />

der Bedarf, die Schaffung geistigen Eigentums zu schützen und zu belohnen. Die<br />

neuesten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der von Benutzern bzw.<br />

Konsumenten geführten Innovationen zeigen <strong>in</strong>teressanterweise, dass Kun<strong>den</strong><br />

offensichtlich sehr oft bereit s<strong>in</strong>d, ihre Kreativität frei zur Verfügung zu stellen<br />

(z. B. von Hippel 2005). E<strong>in</strong> Grund dafür könnte se<strong>in</strong>, dass es sich dabei um ihre<br />

e<strong>in</strong>zige praktizierbare Option handelt. Patente s<strong>in</strong>d teuer <strong>in</strong> der Anschaffung und<br />

bieten oft nur schwachen Schutz. Manche Leute bewerten daher die Steigerung<br />

ihrer Reputation und potenzielle Vernetzungseffekte durch e<strong>in</strong>e freie Verbreitung<br />

ihre Arbeit höher als die Summen, welche sie durch e<strong>in</strong>e rechtlichen Schutz ihre<br />

Ideen erzielen könnten. Dies würde bedeuten, dass die immateriellen Anreize für<br />

viele Kun<strong>den</strong> dom<strong>in</strong>ieren und entsprechend verstärkt wer<strong>den</strong> müssen. Es eröffnet<br />

sich also für Unternehmen die Chance durch e<strong>in</strong>e geschickte Gestaltung ihrer<br />

offenen <strong>Innovationsprozess</strong>e, mit ger<strong>in</strong>gem Aufwand zu grossen Vorteilen zu<br />

gelangen.<br />

Diskretisierung der Innovationsfrühphase<br />

Vorbildfunktion für besondere Rollen des Kun<strong>den</strong> bzw. spezielle <strong>in</strong>ter<strong>aktive</strong><br />

<strong>Innovationsprozess</strong>e hat traditionellerweise die Softwarebranche. Dort herrscht<br />

bereits seit Jahrzehnten e<strong>in</strong>e Tradition der <strong>in</strong>tensiven Zusammenarbeit mit dem<br />

Kun<strong>den</strong>, aber auch neue Formen beispielsweise das Extreme Programm<strong>in</strong>g (XP),<br />

e<strong>in</strong>e durch <strong>den</strong> Hersteller angestossene Methode der <strong>in</strong>tensiven Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung,<br />

wer<strong>den</strong> permanent entwickelt und können auf ihre Übertragbarkeit <strong>in</strong> andere<br />

Industrien geprüft wer<strong>den</strong>.


AUSBLICK<br />

XP ist e<strong>in</strong> aktueller Ansatz des Software Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>gs, welcher primär auf dem<br />

Pr<strong>in</strong>zip der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en schnellen und iterativen Prototyp<strong>in</strong>gprozess<br />

basiert. Anstelle der mehrjährigen Entwicklungsprojektplanung nach möglichst<br />

detaillierten, aus Kun<strong>den</strong>aussagen abgeleiteten Entwicklungszielen e<strong>in</strong>es<br />

klassischen Software-Projektes steht am Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Extreme Programm<strong>in</strong>g<br />

Projektes der Fokus auf dem geme<strong>in</strong>sam herausgearbeiteten Basisbedürfnis des<br />

Kun<strong>den</strong>. Die Realisierung e<strong>in</strong>es derartigen Basisbedürfnisses dauert oft nur<br />

vergleichsweise kurze Zeit, wodurch Kosten, Dauer, Umfang und Qualität gut<br />

abschätzbar und daher zielgenau erfüllbar s<strong>in</strong>d. Der erste Release oder Prototyp<br />

kann nach kurzer Zeit dem Kun<strong>den</strong> als Lösung für se<strong>in</strong> primäres Problem<br />

präsentiert wer<strong>den</strong>. Basierend auf dieser Grundlösung können dann – wieder<br />

geme<strong>in</strong>sam mit dem Kun<strong>den</strong> – weitere relevante, aktuelle Produktanforderungen<br />

i<strong>den</strong>tifiziert wer<strong>den</strong>, welche im nächsten Release realisiert wer<strong>den</strong>.<br />

Es stellt sich die Frage, ob sich die Funktionsweise von XP, welche für die<br />

Software-Entwicklung e<strong>in</strong>e neue Dimension der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> darstellt, auch<br />

auf die Produktentwicklung von Industriegütern übertragen lässt und welches die<br />

relevanten Implikationen für so e<strong>in</strong>en Transfer s<strong>in</strong>d. Folgende Erkenntnisse lassen<br />

sich direkt ableiten:<br />

Die Frühphase muss <strong>in</strong> sequenzielle Unterphasen unterteilt wer<strong>den</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en<br />

der kreative Prozess stattf<strong>in</strong>det.<br />

Nach jeder Teilphase wird Kun<strong>den</strong>wissen freigesetzt und <strong>in</strong> die nächste<br />

Teilphase <strong>in</strong>tegriert.<br />

Statt zahlreicher Feedbackschleifen spät im Prozess, gibt es wenige im<br />

Verlauf der gesamten Frühphase (von der Spezifikationserstellung bis zum<br />

ausgereiften Prototypen).<br />

Dabei bestimmen folgende Determ<strong>in</strong>anten die Übertragbarkeit der XP-<br />

Vorgehensweise auf das B-2-B-Umfeld <strong>in</strong>dustrieller Güter:<br />

Kun<strong>den</strong>bedürfnis aufteilbar und nicht systemisch<br />

F&E <strong>in</strong> Teams und nicht funktional organisiert<br />

Produktsystemarchitektur modular nicht <strong>in</strong>tegriert<br />

Steuerung und Projektplanung iterativ und nicht sequenziell<br />

Aus dem Blickw<strong>in</strong>kel der <strong>in</strong> dieser Arbeit i<strong>den</strong>tifizierten Kun<strong>den</strong>rollen, würde e<strong>in</strong>e<br />

derartige Vorgehensweise e<strong>in</strong>e Verschmelzung der Rollen des Spezifikators und<br />

225


226 FAZIT<br />

Selektors <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kun<strong>den</strong> bedeuten. Dies impliziert im <strong>in</strong>dustriellen Umfeld e<strong>in</strong><br />

komplexes und seltenes Kompetenzprofil des Kun<strong>den</strong>, verspricht aber Vorteile<br />

durch reduzierten Akquisitions- und Kommunikationsaufwand im Vergleich zur<br />

Integration zweier verschie<strong>den</strong>er Kun<strong>den</strong>.<br />

7.2.2 Offene Forschungsschwerpunkte<br />

Die Bedeutung e<strong>in</strong>es offenen <strong>Innovationsprozess</strong>es wird auch <strong>in</strong> Zukunft weiter<br />

zunehmen. Nur durch diese Öffnung wird es Unternehmen gel<strong>in</strong>gen, unter <strong>den</strong> sich<br />

immer weiter verschärfen<strong>den</strong> Randbed<strong>in</strong>gungen, die notwendigen Innovationen<br />

hervorzubr<strong>in</strong>gen. Dabei wird, wie im vorhergehen<strong>den</strong> Abschnitt skizziert wurde,<br />

sowohl die Verbreitung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> ansteigen als auch deren<br />

Ausgestaltung und E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die Öffnung des gesamten Unternehmens<br />

wesentliche Veränderungen erfahren. Daraus, sowie basierend auf <strong>den</strong> Ergebnissen<br />

dieser Arbeit, welche spezifische Kun<strong>den</strong>rollen und Gestaltungskonzepte der frühen<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> aufgezeigt hat, ergeben sich folgende mögliche zukünftige<br />

Forschungsschwerpunkte:<br />

Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es mehrstufigen Forschungsdesigns wäre der nächste grosse<br />

Schritt e<strong>in</strong>e quantitative Validierung des entwickelten konzeptionellen<br />

Managementmodells. Dies würde auch weiter gehende Erkenntnisse über<br />

<strong>den</strong> tatsächlichen Verlauf früher <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozesse liefern.<br />

E<strong>in</strong> zentraler weiterer Forschungsschwerpunkt läge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er näheren<br />

Untersuchung des Zusammenhangs der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> mit dem<br />

Innovationserfolg des Herstellers. E<strong>in</strong> erster Ansatz für e<strong>in</strong>en derartigen<br />

Erfolgsnachweis könnte die Ermittlung der Erfolgsraten der<br />

unterschiedlichen Ausprägungen der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> se<strong>in</strong>. Dazu<br />

müssten zunächst die Auswirkungen der e<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>gesetzten Strategien,<br />

Rollen und Unterstützungsmechanismen auf die Erfolge der<br />

Neuproduktentwicklung bzw. des <strong>Innovationsprozess</strong>es (z. B. <strong>den</strong> Produkt-<br />

Markt-Fit und die Durchlaufzeit) erhoben wer<strong>den</strong>.<br />

In der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit wird der Fokus auf die Sichtweise des Herstellers<br />

gelegt. Die Ziele der Kun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d nicht Thema dieser Arbeit. Generell lässt<br />

sich feststellen, dass e<strong>in</strong>e Forschungslücke dar<strong>in</strong> besteht, die verschie<strong>den</strong>en<br />

Rollen der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> aus Sicht des Kun<strong>den</strong> zu betrachten. Dazu<br />

müssten Daten aus Kun<strong>den</strong>sicht, vor allem für <strong>den</strong> Interaktions- und<br />

Motivationsteil, erhoben wer<strong>den</strong>.


AUSBLICK<br />

E<strong>in</strong> Abgleich mit <strong>den</strong> bestehen<strong>den</strong> Ergebnissen kann wertvolle E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong><br />

mögliche Interaktionseffekte der verschie<strong>den</strong>en Gestaltungselemente liefern<br />

und damit das Modell weiter bereichern.<br />

Offene Fragen stellen auch die Erweiterung der frühen <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> zu<br />

e<strong>in</strong>em Managed Customer Network bzw. ihre Integration <strong>in</strong> <strong>den</strong> grösseren<br />

Zusammenhang e<strong>in</strong>er erweiterten Unternehmung („360°-Unternehmen“) dar,<br />

wie dies <strong>in</strong> Abschnitt 7.2.1 angedeutet wor<strong>den</strong> ist.<br />

Schliesslich ergibt sich noch die <strong>in</strong>teressante Fragestellung der<br />

Übertragbarkeit der erarbeiteten Ergebnisse auf andere Innovationsarten als<br />

Produkt<strong>in</strong>novationen. Dies könnte beispielsweise e<strong>in</strong>e Anpassung des<br />

Modells an die Spezifika der frühen Integration von Kun<strong>den</strong> zur Erhöhung<br />

der Innovationsfähigkeit für Prozesse und Serviceangebote bedeuten.<br />

Es lässt sich also abschliessend feststellen, dass die Integration des Kun<strong>den</strong> im<br />

Rahmen der frühen <strong>aktive</strong>n <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> grosse Potenziale bietet, die<br />

Innovationsfähigkeit des Herstellers zu erhöhen. Zur Nutzung dieser Chancen<br />

bedarf es e<strong>in</strong>es sorgfältig aufgesetzten Prozesses, welcher strategisch und strukturell<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong> des Herstellers e<strong>in</strong>gebettet se<strong>in</strong> muss. Das entwickelte<br />

Managementmodell ermöglicht e<strong>in</strong>e effektive und effiziente Integration von<br />

Kun<strong>den</strong> entlang von vier i<strong>den</strong>tifizierten spezifischen Kun<strong>den</strong>rollen. Diese Arbeit<br />

stellt allerd<strong>in</strong>gs nur e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Bauste<strong>in</strong> im grossen Feld der Erforschung offener<br />

<strong>Innovationsprozess</strong>e dar. Das Bestreben nach Erweiterung und Validierung<br />

bestehender Modelle sowie die sich permanent verändern<strong>den</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

sorgen für e<strong>in</strong>en praktisch unerschöpflichen Strom an neuen <strong>in</strong>teressanten<br />

Aufgabenstellungen für zukünftige Forschungsaktivitäten.<br />

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243


244 ANHANG 1<br />

Anhang<br />

Anhang 1: Interviewleitfa<strong>den</strong> und Ergänzungsfragen<br />

Interviewleitfa<strong>den</strong> „Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong>“<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Fragen<br />

1. Wie wür<strong>den</strong> Sie die Technologiedynamik Ihrer Branche beschreiben?<br />

2. Wie schaut die Wettbewerbs<strong>in</strong>tensität und -struktur Ihrer Branche aus (z. B.<br />

Oligopol)?<br />

3. Wie wür<strong>den</strong> Sie die Struktur Ihres Marktes mit Blick auf die Kun<strong>den</strong><br />

beschreiben (z. B. viele grosse Kun<strong>den</strong> oder zersplittert)?<br />

4. Charakterisieren Sie bitte kurz Ihre Hauptkun<strong>den</strong> (bzw. Kun<strong>den</strong>typen)!<br />

5. Wie schaut die Wertschöpfungskette <strong>in</strong> Ihrem Umfeld aus und wo stehen Sie<br />

bzw. Ihre Kun<strong>den</strong>?<br />

6. Wie viele Mitarbeiter hat Ihre F&E-Abteilung?<br />

7. Wie hoch ist der Umsatz Ihres Unternehmens (bzw. der Division für <strong>den</strong> die<br />

F&E-Abteilung arbeitet)?<br />

8. Wie hoch s<strong>in</strong>d die Investitionen <strong>in</strong> Ihre F&E-Abteilung (absolut oder <strong>in</strong> Prozent<br />

des Umsatzes)?<br />

9. Wie ist das Verhältnis zwischen <strong>in</strong>ternen und externen F&E-Ausgaben (falls<br />

verfügbar)?<br />

10. Wie gross ist der Anteil der radikalen Innovationen (im Vergleich zu<br />

<strong>in</strong>krementellen Innovationen) <strong>in</strong> Ihrem Unternehmen?<br />

11. Was waren die letzten drei erfolgreichen („bahnbrechen<strong>den</strong>“) Innovationen Ihres<br />

Produkt-/Marktbereiches?


INTERVIEWLEITFADEN UND ERGÄNZUNGSFRAGEN<br />

12. Was waren die Quellen dieser Innovationen?<br />

13. Anzahl neuer Produkte (exkl. Produktverbesserungen) im Markt <strong>in</strong>nerhalb der<br />

letzten drei Jahre?<br />

14. Anteil neuer Produkte (nicht älter als drei Jahre) am Umsatz Ihrer<br />

Abteilung/Division?<br />

15. Wie beurteilen Sie generell die Verfügbarkeit von f<strong>in</strong>anziellen, materiellen und<br />

personellen Ressourcen <strong>in</strong> Ihrem Unternehmen/Wettbewerbsumfeld?<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung allgeme<strong>in</strong><br />

16. Wie ist Ihr <strong>Innovationsprozess</strong> strukturiert? In welchen Schritten läuft er ab?<br />

Bitte geben Sie e<strong>in</strong>en ganz groben Überblick (evtl. mit Diagramm)!<br />

17. An welchen Stellen dieses Prozesses b<strong>in</strong><strong>den</strong> Sie Kun<strong>den</strong> e<strong>in</strong>?<br />

18. Beobachten, beteiligen oder <strong>in</strong>tegrieren Sie Ihre Kun<strong>den</strong> und wie hoch ist der<br />

Grad der Kun<strong>den</strong>aktivität?<br />

19. Wie ist der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungsprozess organisatorisch verankert?<br />

20. Wer ist für die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung verantwortlich und wie wird diese mit dem<br />

<strong>Innovationsprozess</strong> koord<strong>in</strong>iert?<br />

21. Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung gemacht (Vorteile<br />

und Nachteile, Resultate)?<br />

22. Was s<strong>in</strong>d aus Ihrer Sicht die kritischen Erfolgsfaktoren der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von<br />

Externen (besonders Kun<strong>den</strong>)?<br />

23. Wo sehen Sie noch Verbesserungsmöglichkeiten und Potenziale der<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Innovationsprozess</strong>?<br />

24. B<strong>in</strong><strong>den</strong> Sie auch andere externe Partner <strong>in</strong> Ihren <strong>Innovationsprozess</strong> e<strong>in</strong> (z. B.<br />

Zulieferer und Universitäten)?<br />

245


246 ANHANG 1<br />

Die folgen<strong>den</strong> fünf Fragenblöcke bitte (falls möglich) auf Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

frühen Phasen des <strong>Innovationsprozess</strong>es (Fuzzy Front End, I<strong>den</strong>tifikation von<br />

Chancen und Trends, Ideen- und Konzeptgenerierung, Auswahl und Bewertung von<br />

Ideen und Konzepten) beziehen!<br />

Bei allen fünf Blöcken bitte nach Möglichkeit Beispiele (erfolgreich und/oder nicht<br />

erfolgreich) zur näheren Erläuterung sowie die jeweiligen kritischen<br />

Erfolgsfaktoren h<strong>in</strong>zufügen!<br />

Hersteller<strong>in</strong>terne Grundlagen der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

25. Inwiefern bee<strong>in</strong>flusst die Geschäftsstrategie/Technologiestrategie (speziell der<br />

Fokus auf bestimmte Kernkompetenzen) die Art und Weise der<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung (Wen e<strong>in</strong>b<strong>in</strong><strong>den</strong> und wann?) und ist diese Strategie <strong>den</strong><br />

Mitarbeitern bekannt?<br />

26. Wie stellen Sie sicher, dass <strong>in</strong>nerhalb der F&E (und <strong>in</strong> anderen relevanten<br />

Abteilungen) e<strong>in</strong>e Atmosphäre herrscht, welche offen gegenüber Anregungen<br />

von aussen ist? Wie sorgen Sie dafür, dass e<strong>in</strong>e organisationsweite Orientierung<br />

h<strong>in</strong> zum Verstehen der Kun<strong>den</strong>bedürfnisse erfolgt?<br />

27. Was unternehmen Sie, um diesen organisatorischen Lernprozess zu<br />

unterstützen?<br />

28. Welche Rolle spielt die Schnittstelle zwischen F&E und Market<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Ihrem<br />

<strong>Innovationsprozess</strong> und welche Instrumente setzen Sie e<strong>in</strong>, um diese<br />

Zusammenarbeit zu fördern?<br />

Kun<strong>den</strong>bezogene Grundlagen der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

29. Welche Rolle spielen die folgen<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong>charakteristika bei der Auswahl der<br />

e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong>? Bitte beschreiben Sie kurz, warum diese Punkte<br />

relevant s<strong>in</strong>d (bzw. warum nicht) und wie Sie diese berücksichtigen!<br />

(a) Grösse des Kun<strong>den</strong> relativ zur Ihrer Unternehmung?<br />

(b) F<strong>in</strong>anzielle Attraktivität des Kun<strong>den</strong>?<br />

(c) Ruf des Kun<strong>den</strong>?<br />

(d) Wissen und Kompetenzen (Ressourcen und Skills) des Kun<strong>den</strong>?<br />

(e) Vergangene Erfahrungen des Kun<strong>den</strong> mit partnerschaftlicher Innovation?<br />

(f) Andere Kun<strong>den</strong>charakteristika, welche für Sie e<strong>in</strong>e Rolle spielen?


INTERVIEWLEITFADEN UND ERGÄNZUNGSFRAGEN<br />

30. Wodurch wer<strong>den</strong> die Kun<strong>den</strong> zur E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung bzw. Mitentwicklung motiviert<br />

(extr<strong>in</strong>sische Motivation z. B. durch Bezahlung oder <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motivation<br />

z. B. durch bessere Produkte)?<br />

Grundlagen der Interaktion zwischen Hersteller und Kun<strong>den</strong><br />

31. Inwiefern berücksichtigen Sie die Kompatibilität Ihrer Firmenkultur mit der des<br />

e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong>?<br />

32. Welche Rolle spielt die Entwicklung klarer geme<strong>in</strong>samer Ziele und wie stellen<br />

Sie diese sicher?<br />

33. Wie sieht der Prozess der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung aus?<br />

34. Welche operativen Strukturen wählen Sie für die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung (z. B.<br />

organisationsübergreifende Teams)?<br />

35. Welche der folgen<strong>den</strong> Beziehungsvariablen spielen bei Ihren<br />

Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>e Rolle? Bitte beschreiben Sie kurz, warum diese<br />

Punkte relevant s<strong>in</strong>d (bzw. warum nicht)!<br />

(a) Commitment?<br />

(b) Vertrauen?<br />

(c) Gegenseitigkeit?<br />

(d) Andere Beziehungsvariablen, welche für Sie e<strong>in</strong>e Rolle spielen?<br />

36. Beschreiben Sie kurz <strong>den</strong> Kommunikationsprozess zwischen Ihrer Firma und<br />

<strong>den</strong> e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong>!<br />

37. Welche Rolle spielt die räumliche Dimension bei der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung (z. B.<br />

virtuelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung bei grosser räumlicher Distanz)?<br />

38. Wie managen und kontrollieren Sie <strong>den</strong> Prozess der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung (z. B.<br />

Audits und reguläre Fortschrittsberichte)?<br />

Metho<strong>den</strong>/Instrumente der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

39. Welche speziellen Metho<strong>den</strong>/Instrumente zur Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung wen<strong>den</strong> Sie an<br />

(z. B. Lead-User-Workshops und Interviews) und wie laufen diese ab?<br />

40. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesen Metho<strong>den</strong> gemacht?<br />

247


248 ANHANG 1<br />

41. Gibt es andere Metho<strong>den</strong>, welche Sie e<strong>in</strong>mal verwendet haben bzw. <strong>in</strong> Zukunft<br />

verwen<strong>den</strong> möchten?<br />

Ergebnis/Ziele der Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

42. Welche Rolle soll der Kunde e<strong>in</strong>nehmen (z. B. Berater, Mitarbeiter, Lernender,<br />

Partner)?<br />

43. Welchen Beitrag erwarten Sie sich von <strong>den</strong> e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>en Kun<strong>den</strong> bzw. durch<br />

die Zusammenarbeit mit ihnen (z. B. Ideen, Spezifikationsdetails, Konzepte,<br />

Marktchancen, Trends)?<br />

44. Welche Kompetenzen bzw. welches Wissen müssen die e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong> Kun<strong>den</strong><br />

haben, um <strong>den</strong> erwarteten Beitrag leisten zu können?<br />

45. Führt die Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung eher zu <strong>in</strong>krementellen oder zu radikalen<br />

Innovationsschritten?<br />

46. Wie gehen Sie mit der Frage des geistigen Eigentums für Beiträge welche durch<br />

die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung Externer (speziell Kun<strong>den</strong>) entstan<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d um?<br />

47. Anzahl der Patente <strong>in</strong>nerhalb der letzten drei Jahre und wie viele dieser Patente<br />

wur<strong>den</strong> geme<strong>in</strong>sam mit externen Partnern (besonders mit Kun<strong>den</strong>) e<strong>in</strong>gereicht?


INTERVIEWLEITFADEN UND ERGÄNZUNGSFRAGEN<br />

Ergänzungsfragen zu Interviewleitfa<strong>den</strong> "Kun<strong>den</strong>e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

<strong>Innovationsprozess</strong>"<br />

Übergeordnete Gestaltungsfelder der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

Kultur<br />

Hauptkriterium: offene Innovationskultur (zu Frage 26)<br />

48. In welcher Form gestaltet das Top-Management e<strong>in</strong>e offene Innovationskultur<br />

bzw. nimmt es se<strong>in</strong>e diesbezügliche Vorbildwirkung wahr?<br />

49. Gibt es e<strong>in</strong>heitliche Normen, Dokumente, Geschichten und Mythen, die die<br />

Innovationskultur unterstützen?<br />

50. Wie bekämpfen Sie das „Not-Invented-Here-Syndrom“ (NIH)?<br />

Struktur<br />

Hauptkriterium: organisatorische Verankerung der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> (zu <strong>den</strong><br />

Fragen 19 und 34)<br />

51. Wie haben Sie die Funktionen, Verantwortungen und Ressourcenzuteilung für<br />

die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> festgelegt?<br />

52. Falls Sie e<strong>in</strong>e eigene Organisationse<strong>in</strong>heit für die <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> etabliert<br />

haben, bitte beschreiben Sie diese!<br />

Strategie<br />

Hauptkriterium: Qualität der Innovationsstrategie bezüglich <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

(zu Frage 25)<br />

53. Wie legen Sie die Kernkompetenzen und Kooperationsfelder („Stossrichtung der<br />

<strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>“) fest?<br />

54. Wie erfolgt das Umsetzen der strategischen Ziele (Vorgehensweise, strategische<br />

Initiativen)?<br />

Prozessorientierung (zu <strong>den</strong> Fragen 19, 20 und 33)<br />

55. In welche Phasen gliedert sich Ihr <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong>sprozess (z. B.<br />

Initiierungsphase, Vorbereitungsphase und Realisierungsphase)?<br />

Initiierungsphase<br />

Hauptkriterium: Entscheidung zur <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong><br />

56. In welcher Form fliessen die Kenntnisse der eigenen Fähigkeiten und<br />

Kompetenzen e<strong>in</strong>?<br />

57. Wie wer<strong>den</strong> die Chancen und Anforderungen erkannt?<br />

58. Wie ist der Abgleich zwischen <strong>den</strong> Fähigkeiten und <strong>den</strong> Anforderungen<br />

organisiert?<br />

249


250 ANHANG 1<br />

Hauptkriterium: Klare Ergebniserwartung<br />

59. Wie kommen Sie zu e<strong>in</strong>er klaren Problembeschreibung?<br />

60. Welcher Prozess liegt der Erarbeitung der Integrationsziele zugrunde?<br />

61. Wie stellen Sie sicher, dass die wichtigsten Stakeholder <strong>in</strong>tegriert wer<strong>den</strong>?<br />

Vorbereitungsphase<br />

Hauptkriterium: Kun<strong>den</strong>auswahl<br />

62. Wie wer<strong>den</strong> Suchstrategie und die Selektionskriterien entwickelt?<br />

63. Wie funktioniert der Kun<strong>den</strong>suchprozess?<br />

64. Wie erfolgt die Selektion potenzieller Integrationspartner?<br />

Hauptkriterium: Vertragsabschluss (zu Frage 32)<br />

65. In welcher Form und mit welcher Strategie wird mit <strong>den</strong> Kun<strong>den</strong> verhandelt?<br />

66. Wie wer<strong>den</strong> die geme<strong>in</strong>samen Integrationsziele festgelegt?<br />

Realisierungsphase<br />

Hauptkriterium: Operative Durchführung (zu <strong>den</strong> Fragen 34 und 38)<br />

67. Wie wird die geeignete Integrationsform ausgewählt?<br />

68. Wie erfolgt das Management (Personal und F<strong>in</strong>anzen) der Integration?<br />

69. Wie wird der Integrationsprozess kontrolliert?<br />

Hauptkriterium: Integration der Ergebnisse (zu Frage 27)<br />

70. Wie wer<strong>den</strong> die Ergebnisse der Integration dokumentiert und gespeichert?<br />

71. Wie wird der firmen<strong>in</strong>terne Kommunikationsprozess zur Weitergabe der<br />

Ergebnisse unterstützt?<br />

Ziele des Herstellers (zu <strong>den</strong> Fragen 42 und 43)<br />

72. Wie wür<strong>den</strong> sie die Rollen des Kun<strong>den</strong> im Rahmen der Integration bezeichnen?<br />

73. S<strong>in</strong>d Sie mehr am Marktwissen oder am Technologiewissen der Kun<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong>teressiert?<br />

74. Welche Ergebnisse erwarten Sie sich von der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> (I<strong>den</strong>tifikation<br />

von Gelegenheiten, Ideen oder Konzepte)?<br />

Erfolgsmessung (zu <strong>den</strong> Fragen 22 und 38)<br />

75. Wie messen Sie <strong>den</strong> Erfolg der <strong>Kun<strong>den</strong><strong>in</strong>tegration</strong> (Kriterien, Zielvorgaben,<br />

Report<strong>in</strong>gstelle)?


INTERVIEWVERZEICHNIS<br />

Anhang 2: Interviewverzeichnis<br />

Unternehmen Name Position Ort Datum<br />

Acutronic Peter Terstappen Vice Presi<strong>den</strong>t Operations Bubikon 25.2.2003<br />

awtec Andreas Schlegel Geschäftsführer Zürich 28.2.2003<br />

Jochen Ganz Geschäftsführer Zürich 28.2.2003<br />

Bayer Chemicals Hermann Perrey Vice Presi<strong>den</strong>t Research and<br />

Development<br />

251<br />

Leverkusen 4.6.2003<br />

Bayer Dieter Boesveld Creative Center Leverkusen 4.6.2003<br />

MaterialScience Eckhart Folt<strong>in</strong> Head of Creative Center Leverkusen 4.6.2003<br />

Zürich 1.12.2003<br />

Telefon<strong>in</strong>terview 2.12.2004<br />

Telefon<strong>in</strong>terview 21.4.2005<br />

Georg Heger New Technologies & Services Telefon<strong>in</strong>terview 1.12.2003<br />

Paula C. Alves<br />

Rodrigues<br />

New Technologies Leverkusen 4.6.2003<br />

Dornbirn 1.4.2004<br />

Bowler PET (Pty) Ltd Bernd Sass Werksleiter Kapstadt, RSA 30.7.2002<br />

Collano AG Alex Hofman Project Manager St. Gallen 13.2.2004<br />

Thomas Wolf Innovationsprojekte St. Gallen 13.2.2004<br />

Cont<strong>in</strong>ental Andrea Appel Customer & Service<br />

Management<br />

Wien 28.3.2004<br />

Telefon<strong>in</strong>terview 12.11.2005<br />

Daniel J. Britton Pr<strong>in</strong>cipal Eng<strong>in</strong>eer Telefon<strong>in</strong>terview 8.12.2003<br />

EADS Astrium Rudolf Benz Senior Eng<strong>in</strong>eer St. Gallen 29.10.2003<br />

Friedrichshafen 18.12.2003<br />

14.12.2004<br />

Telefon<strong>in</strong>terview 25.4.2005<br />

Ra<strong>in</strong>er Behrle Head of R&D Coord<strong>in</strong>ation ENS St. Gallen 29.10.2003<br />

Friedrichshafen 18.12.2003<br />

14.12.2004<br />

Endress+Hauser Guido Hugentobler Verkaufs<strong>in</strong>genieur St. Gallen 27.4.2004<br />

E-proPlast GmbH Modesto Pesavento Werksleitung Schmalkal<strong>den</strong> 24.7.2002<br />

Esterform Paul Cooke Direktor Tenbury Wells, GB 22.7.2002<br />

Eternal Water Ltd James Holani Plant Manager Wakatane, NZ 12.8.2002


252 ANHANG 2<br />

Unternehmen Name Position Ort Datum<br />

Fuba Automotive<br />

GmbH<br />

Markus Deutsch Bus<strong>in</strong>ess Manager Antenna<br />

Systems Korea<br />

Geberit Mario von Ballmoos Bereichsleiter<br />

Installationssysteme<br />

Hannover 15.11.2003<br />

Jona 4.3.2003<br />

Walter Eggenberger Bereichsleiter F&E Jona 4.3.2003<br />

Hilti Corporation Friedhelm Schöpe Program Manager New Busi-<br />

ness & Technology<br />

Telefon<strong>in</strong>terview 20.2.2003<br />

Hilti Deutschland Erik Peyer Verkaufsleiter Region Bayern Kaufer<strong>in</strong>g 24.2.2003<br />

Hilti Deutschland Hr. Jasper Customer Service Kaufer<strong>in</strong>g 24.2.2003<br />

Hilti Entwicklungs-<br />

GmbH<br />

Hilti Diamond<br />

Systems<br />

Hr. Schlömer Product Manager Kaufer<strong>in</strong>g 24.2.2003<br />

Hr. Schubert Ideenmanager Kaufer<strong>in</strong>g 24.2.2003<br />

Hr. Skender Flottenmanagement Kaufer<strong>in</strong>g 24.2.2003<br />

Marco Meyrat Geschäftsführer Kaufer<strong>in</strong>g 24.2.2003<br />

Mart<strong>in</strong> Reuter Market<strong>in</strong>g Manager Technik Kaufer<strong>in</strong>g 24.2.2003<br />

Uwe Beugler Technischer Leiter Kaufer<strong>in</strong>g 24.2.2003<br />

Wolf Hiemeyer Market<strong>in</strong>gleiter Telefon<strong>in</strong>terview 27.2.2003<br />

Matthias Paetow Manager Research & Applica-<br />

tion Light Duty Systems<br />

Re<strong>in</strong>hard Sch<strong>in</strong>dler Head of Diamond Service Con-<br />

tractor Segment<br />

Kaufer<strong>in</strong>g 24.2.2003<br />

Schaan 27.11.2003<br />

24.11.2004<br />

Hilti Schweiz Hr. Werder Field Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g Telefon<strong>in</strong>terview 14.3.2003<br />

IBM Research Walter Hehl Content Manager Industry Solu-<br />

tion Lab<br />

Rüschlikon 1.3.2004<br />

Walter Pletscher Manager Industry Solution Lab Rüschlikon 1.3.2004<br />

IP Plastics Alexey Lychkouski Direktor M<strong>in</strong>sk, BY 2.8.2002<br />

Köksan A.S. M. Murat Kökoglu Direktor Gaziantep, TR 4./5.8.02<br />

Logitech Aldo Bussien Vice Presi<strong>den</strong>t Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g<br />

Control Devices<br />

Bernhard Gander Vice Presi<strong>den</strong>t Corporate Busi-<br />

ness Development<br />

MTU Aero Eng<strong>in</strong>es Klaus Broichhausen Ehm. Head of Aerodynamic<br />

Design<br />

Romanel/Morges 26.5.2003<br />

Romanel/Morges 26.5.2003<br />

St. Gallen 12.1.2004


INTERVIEWVERZEICHNIS<br />

Unternehmen Name Position Ort Datum<br />

Polycorp Istvan Konkoly-<br />

Thege<br />

253<br />

Agent / Thege Plastic GmbH Budapest 26.8.2002<br />

Laczko Mihaly Direktor Budapest 26.8.2002<br />

Polyoak Henry J. Louw Executive Chairman Kapstadt, RSA 29.7.2002<br />

Ryan Munnik Production Manager Kapstadt, RSA 29.7.2002<br />

Jorge Viana Bus<strong>in</strong>ess Unit Manager PET Kapstadt, RSA 29.7.2002<br />

Suzanne Louw Operations Manager Kapstadt, RSA 31.7.2002<br />

PT Dynaplast Tbk Graham P. Neuville Plant Manager Jakarta, RI 8.8.2002<br />

Soebekti Hambali Chairman Jakarta, RI 8.8.2002<br />

Mulyadi Kosasih Direktor Jakarta, RI 8.8.2002<br />

Reichart Beratung Sybille V. Reichart Geschäftsführer<strong>in</strong> Dornbirn 20.5.2003<br />

Roche Diagnostics Gertraud Ehrlich-<br />

We<strong>in</strong>reich<br />

Manager System Integration<br />

Knowledge Management Labo-<br />

rat. Diagn.<br />

Penzberg 11.4.2003<br />

Rolf A. Herb Penzberg 11.4.2003<br />

Sauer GmbH Hr. Schrickel Produktionsmanager PET Neustadt b. C. 23.7.2002<br />

Siemens Build<strong>in</strong>g<br />

Technologies<br />

Günter Zepf Group Innovation Manager Zürich 4.12.2003<br />

SIG Blowtec Frank Schüller Produktmanager PET Troisdorf 8.7.2002<br />

9.7.2002<br />

SIG Corpoplast Klaus Hartwig Manager Technology Center Hamburg 10.7.2002<br />

SIG Hold<strong>in</strong>g Werner Fillmann Vorstand Neuhausen 3.7.2002<br />

Anton Demarmels CTO Neuhausen 19.7.2002<br />

Thurn-Produkte Adi Frank Thurn Geschäftsleitung Much 25.7.2002<br />

Unique Warren Miller CEO Pendergrass, USA 14.8.2002<br />

Voith Paper Alexander<br />

Wassermann<br />

Projektierung<br />

Papiermasch<strong>in</strong>ene<br />

W<strong>in</strong>terthur Diether Kuhn Head of Market<strong>in</strong>g and Channel<br />

Management Support<br />

St. Pölten 21.6.2003<br />

W<strong>in</strong>terthur 26.2.2003<br />

Zumtobel Staff GmbH Klaus Vamberszky Mitglied der Geschäftsleitung Dornbirn 17.5.2004<br />

14.12.2004


254 ANHANG 2<br />

Christoph H. Wecht Curriculum Vitae<br />

Persönliche Daten<br />

Geburtsdatum: 16.3.1967<br />

Geburtsort: St. Pölten, Österreich<br />

Ausbildung<br />

2001 – 2005 Universität St. Gallen (HSG), Doktoran<strong>den</strong>studium<br />

1999 – 2000 Pfeiffer University at Charlotte, NC, USA;<br />

Abschluss: Master of Bus<strong>in</strong>ess Adm<strong>in</strong>istration (MBA)<br />

1986 – 1995 Technische Universität Wien, Masch<strong>in</strong>enbaustudium;<br />

Abschluss: Dipl.-Ing.<br />

1977 – 1985 Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium St. Pölten;<br />

Abschluss: Matura<br />

Berufstätigkeit<br />

seit 2005 Gründungspartner und geschäftsführender Gesellschafter der<br />

BGW AG, St. Gallen und Wien<br />

2001 – 2004 Forschungsassistent am Institut für Technologiemanagement<br />

(ITEM) der Universität St. Gallen (HSG)<br />

2000 – 2001 Abteilungsleiter Knowledge Management & Innovations bei<br />

der Cont<strong>in</strong>ental AG, Hannover<br />

1998 – 2000 Projekt<strong>in</strong>genieur bei Cont<strong>in</strong>ental General Tire, Inc., Charlotte,<br />

NC, USA<br />

1996 – 1997 Projektleiter bei der Cont<strong>in</strong>ental AG, Hannover<br />

1994 – 1996 Entwicklungs<strong>in</strong>genieur bei der Semperit Reifen AG,<br />

Traiskirchen, Österreich<br />

Wien, im September 2005

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