Wohnungsmarkt Berlin – Hoffnungsloser Fall oder Markt voller ... - LBS
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<strong>Wohnungsmarkt</strong> <strong>Berlin</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Hoffnungsloser</strong> <strong>Fall</strong><br />
<strong>oder</strong> <strong>Markt</strong> <strong>voller</strong> Chancen?<br />
Kommunen und Wohnungswirtschaft<br />
unter Druck<br />
im Auftrag der<br />
<strong>LBS</strong> Norddeutsche Landesbausparkasse<br />
<strong>Berlin</strong> - Hannover<br />
Bearbeiter:<br />
Dr. Marie-Therese Krings-Heckemeier,<br />
Ulrich Pfeiffer,<br />
Stefan Geiss,<br />
Dr. Reiner Braun,<br />
Markus Schmidt<br />
Hannover, im März 2002
Hallo
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort 1<br />
ZUSAMMENFASSUNG 3<br />
A: EINLEITUNG 7<br />
1. Hintergrund: <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> im Umbruch 7<br />
2. Fragestellung der Untersuchung 8<br />
3. Untersuchungsdesign 9<br />
B: WOHNUNGSMARKTENTWICKLUNG<br />
IN DER REGION BERLIN 11<br />
1. Besonderheiten des <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong>es<br />
vor der Wiedervereinigung 11<br />
1.1 <strong>Berlin</strong>er Bautraditionen 11<br />
1.2 <strong>Berlin</strong>er Mischung 12<br />
1.3 Eine Periode der Segregation 13<br />
2. <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> nach der Wiedervereinigung 15<br />
2.1 Starke Bautätigkeit Mitte der neunziger Jahre 15<br />
2.2 Planungen der neunziger Jahre und ihre Folgen 18<br />
2.3 Akzeptanz prototypischer Wohnbauprojekte 19<br />
2.3.1 Typische Geschosswohnungsbauprojekte 19<br />
2.3.2 Typische Ein- und Zweifamilienhausprojekte 24<br />
2.3.3 Verzögertes Reagieren auf die tatsächliche Nachfrage 26<br />
3. Neubau trotz vorhandener Leerstände 27<br />
C: NACHFRAGE FÜR WOHNANGEBOTE IN DER REGION BERLIN 31<br />
1. Bevölkerungsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong> in den<br />
neunziger Jahren 31<br />
1.1 Schrumpfung der <strong>Berlin</strong>er Bevölkerung bei gleichzeitigem<br />
Bevölkerungswachstum im Umland 31<br />
1.2 Wachsende Umzüge ins Umland 35<br />
1.3 Wanderungsgewinne als Motor des Bevölkerungswachstums<br />
in der Region 38<br />
2. Haushaltsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong> in den<br />
neunziger Jahren 41<br />
3. Wanderungsbewegungen als Folge veränderter<br />
<strong>Markt</strong>verhältnisse in <strong>Berlin</strong> 45<br />
4. Wanderungen im <strong>Berlin</strong>er Umland 51<br />
D: ZUKÜNFTIGE NACHFRAGETENDENZEN AUF DEM<br />
BERLINER WOHNUNGSMARKT 55<br />
1. Quantitative Haushaltsentwicklung in <strong>Berlin</strong> bis 2030 55<br />
2. Zukünftige Haushaltstypen für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong> 57<br />
2.1 Zunahme der Seniorenhaushalte bei gleichzeitiger<br />
Abnahme der jüngeren Haushalte 57<br />
I
II<br />
2.2 Zunahme der älteren Kleinhaushalte 59<br />
2.3 Vorübergehende Zunahme der Haushaltsgründer/-erweiterer 62<br />
3. Potenzielle Eigentumserwerber unter Berücksichtigung<br />
der Alters- und Haushaltsstruktur 63<br />
4. Prognose der zukünftigen Wohneigentumsquote in <strong>Berlin</strong> 67<br />
4.1 Wohneigentumsquoten im Städte-Vergleich 67<br />
4.2 Szenarien für die Entwicklung der Wohneigentumsquote 67<br />
5. Abschätzung des Gesamtbedarfs für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong> 75<br />
5.1 Szenario 1: Status quo 75<br />
5.2 Szenario 2: Optimistische Rahmenbedingungen<br />
(hohe Zuwanderung) 75<br />
5.3 Szenario 3: Steigerung der Attraktivität <strong>Berlin</strong>s<br />
für Umlandabwanderer 77<br />
6. Chancen für den Wohneigentumserwerb 79<br />
6.1 Rahmenbedingungen 79<br />
6.2 Potenziale zukünftiger Selbstnutzer 79<br />
6.3 Eigentumsbildungsstrategien durch Privatisierung im Bestand 81<br />
7. Voraussichtliche Entwicklung des <strong>Markt</strong>es und der Leerstände 83<br />
E: EMPFEHLUNGEN 90<br />
1. Zentrale Ergebnisse 90<br />
1.1 Starke Bautätigkeit Mitte der neunziger Jahre 90<br />
1.2 Neubau trotz vorhandener Leerstände 91<br />
1.3 Wachsende Zahl von Umzügen in das <strong>Berlin</strong>er Umland 92<br />
1.4 Soziale Selektivität bei den Wanderungsprozessen 92<br />
1.5 Schrumpfung der Zahl der Haushalte in <strong>Berlin</strong> 93<br />
1.6 Niedrige Eigentümerquote in <strong>Berlin</strong> 94<br />
1.7 Relevanter Gesamtbedarf für Wohnangebote durch<br />
Umlenkung der Abwanderer 95<br />
2. Empfehlungen 97<br />
2.1 Von der Bauförderung zur Steigerung der Effizienz<br />
der Wohnungsmärkte 97<br />
2.2 <strong>Berlin</strong> die preiswerte Stadt: Metropole zu Mittelstadtpreisen 98<br />
2.3 Kompensierende Politik in sozial segregierten Gebieten 98<br />
2.4 Eigentumsbildung im Neubau und Verkauf von Wohnungen<br />
aus dem Bestand 99<br />
2.5 Alterung und Wohnungspolitik 100<br />
2.6 Chancen durch nachfragegerechte Bauformen und<br />
Organisationsstrukturen 101
Vorwort<br />
Die Schriftenreihe der <strong>LBS</strong> Nord kann auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblicken.<br />
Bereits seit Ende der siebziger Jahre veröffentlichen wir jährlich eine neutrale Studie<br />
zu aktuellen <strong>Wohnungsmarkt</strong>tendenzen. Dabei haben wir die Themen, Analysen und<br />
Empfehlungen unserer Studien durchaus auch polarisierend und unbequem gewählt, was<br />
stets für rege Diskussionen sorgte. Das vorrangige Ziel ist es aber, anhand einer soliden<br />
Datenbasis Perspektiven für den <strong>Wohnungsmarkt</strong> aufzuzeigen und zu gemeinsamen<br />
Strategien aller am <strong>Markt</strong> Tätigen zu gelangen.<br />
Zum Jahresbeginn 2001 haben die Landesbausparkassen in <strong>Berlin</strong> und Hannover<br />
fusioniert, so dass wir mit dieser Studie zum ersten Mal eine Untersuchung des <strong>Berlin</strong>er<br />
<strong>Wohnungsmarkt</strong>es vorlegen.<br />
Ausgangspunkt sind dabei die starken Veränderungen der vergangenen zehn Jahre in<br />
<strong>Berlin</strong>. Wir fragen: Wie hat sich die Nachfrage entwickelt? Entspricht das Wohnungsangebot<br />
in seiner Struktur noch der Nachfrage? Welche Zukunftsperspektiven haben die<br />
unterschiedlichen Teilmärkte der Region?<br />
Die Studie macht deutlich: Aus Wohnungsmangel wurde subventionierter Wohnungsüberschuss.<br />
Und während die Einwohnerzahl in <strong>Berlin</strong> <strong>–</strong> entgegen allen Prognosen <strong>–</strong><br />
zurückging, konnte das Umland einen deutlichen Zuwachs verzeichnen. Die Gründe<br />
hierfür liegen nicht zuletzt darin, dass die in der Kernstadt erstellten und meist an den<br />
Bedürfnissen von Kapitalanlegern ausgerichteten ‚Standardwohnungen‘ ebenso wenig<br />
den Kundenorientierungen entsprechen, wie die in ähnlichen Bauformen errichteten<br />
geförderten Wohnungen. Deshalb muss in Zukunft die Struktur des Angebotes stärker an<br />
die Struktur der Nachfrage angepasst werden <strong>–</strong> auch durch Umbau vorhandener Bestände.<br />
Obwohl <strong>Berlin</strong> <strong>–</strong> im Gegensatz zu den meisten Großstädten <strong>–</strong> noch genügend freie<br />
Flächen für den individuellen Wohnungsbau besitzt, werden zu wenig Grundstücke zu<br />
bezahlbaren Preisen ausgewiesen. Aber auch eine behutsame, bedarfsorientierte<br />
Bestandserneuerung mit Anreizen zum Eigentumserwerb ist für ein gesundes soziales<br />
Gefüge einer Stadt unerlässlich.<br />
Hannover, im März 2002<br />
Ihr <strong>LBS</strong>-Vorstand<br />
Manfred Breuer Eberhard Fähnrich Klaus Rymarczyk<br />
1
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> hat seit der Wende gleich mehrere Extreme erlebt. Auf<br />
eine Phase akuten Mangels mit sprunghaften Mietsteigerungen Anfang der neunziger<br />
Jahre reagierte die Wohnungspolitik mit einem genauso sprunghaften Anstieg der<br />
Förderprogramme und in dieser Höhe bis dahin nicht gekannten steuerlichen Subventionen.<br />
Diese Phase war auch geprägt durch die Erwartung eines hohen Bevölkerungswachstums<br />
(300.000 Einwohner für die Kernstadt bis 2015).<br />
Tatsächlich ist die Einwohnerzahl in <strong>Berlin</strong> zurückgegangen (bis 2000 um 52.000).<br />
Gleichzeitig hat sich die Zahl der Einwohner im Umland um knapp 160.000 erhöht <strong>–</strong><br />
überwiegend durch Zuwanderung aus der Kernstadt. Der ab 1994 einsetzende Bauboom<br />
(bis heute wurden etwa 250.000 Wohnungen fertig gestellt, davon fast 140.000 in <strong>Berlin</strong>)<br />
lief damit weitgehend ins Leere, vor allem in <strong>Berlin</strong>. Aufgrund der quantitativ faktisch<br />
unveränderten Nachfrage entstanden durch den Umzug in Neubauwohnungen und<br />
Eigenheime an anderen Stellen Leerstände. Seit etwa 1996 stiegen die Leerstände bis auf<br />
das heutige Rekordniveau von rd. 140.000 Wohnungen an. Aus Mangel wurde<br />
Überschuss <strong>–</strong> und das in einem Ausmaß, das wohl von niemandem für möglich gehalten<br />
wurde. Die Produktion erreichte im Spitzenjahr 1997 in der Region (Kernstadt und<br />
Umland) eine Größenordnung von über 55.000 Wohnungen und sinkt seitdem kontinuierlich.<br />
Auch im Jahre 2000 wurden jedoch mit noch etwa 20.000 Wohnungen (in der<br />
Region) deutlich mehr neue Angebote geschaffen als in den Wendejahren, wobei mittlerweile<br />
deutlich über 50 % der Produktion auf das Umland entfällt.<br />
Parallel zu diesem quantitativen Auf und Ab haben sich nachhaltige strukturelle Verschiebungen<br />
ergeben. In der Region <strong>Berlin</strong> entstand ein neuer, besonders leistungsfähiger<br />
<strong>Markt</strong> für Wohneigentum. Im Umland von <strong>Berlin</strong> wurden im Spitzenjahr 1998 fast<br />
10.000 neue Eigenheime errichtet. Aber auch in <strong>Berlin</strong> wurden in den letzten Jahren<br />
jeweils etwa 3.000 Eigenheime gebaut, zum weit überwiegenden Teil im Ostteil der Stadt.<br />
Die Mieter der Mieterstadt <strong>Berlin</strong> haben die Wohneigentumsbildung entdeckt.<br />
Die Anbieter haben auf diese Nachfrage mit erstaunlich günstigen Angeboten reagiert.<br />
In der größten Stadtregion Deutschlands sind heute Preise für Eigenheime möglich, die<br />
in Westdeutschland nur in Kleinstädten üblich sind. Das 150.000 Euro-Haus, noch vor<br />
zehn Jahren als Utopie belächelt, ist massenhaft Wirklichkeit geworden und ein erstaunlicher<br />
Erfolg des <strong>Markt</strong>es. Dieser neue <strong>Markt</strong> für Wohneigentum etablierte sich vor allem<br />
im Umland. Im Durchschnitt sind in den letzten zehn Jahren jährlich 24.000 <strong>Berlin</strong>er in<br />
das Umland gezogen. 1998 erreichten die Wanderungen mit einem Wegzug von rd.<br />
40.000 <strong>Berlin</strong>ern in das Umland ihren Höhepunkt.<br />
Zukünftig wird es in <strong>Berlin</strong> kaum mehr einen relevanten Zuwachs in der Zahl der Haushalte<br />
geben. Wahrscheinlicher ist zunächst ein leichter Rückgang, gefolgt von einer<br />
Periode der Stagnation. Auf lange Sicht (nach 2025) geht die Zahl der Haushalte stetig<br />
zurück. Nur wenn es zu einer drastischen Zuwanderung aus dem Ausland kommt <strong>–</strong> etwa<br />
im Zuge der Osterweiterung der EU <strong>–</strong> kann dieser Trend für längere Zeit unterbrochen<br />
werden.<br />
3
4<br />
In der Region <strong>Berlin</strong> hat damit ein neues Zeitalter der <strong>Wohnungsmarkt</strong>entwicklung<br />
begonnen. Auch künftig dürften die Fertigstellungen von Eigenheimen und selbst genutzten<br />
Eigentumswohnungen die <strong>Markt</strong>entwicklung dominieren. Nach dem Ende<br />
quantitativer Defizite wird künftig der strukturelle Bedarf Motor und Ursache für den<br />
Neubau sein. Haushalte, die im Bestand nicht die Wohnformen finden, die sie sich<br />
wünschen und finanzieren können, werden auch dann Neubauten beziehen, wenn Leerstände<br />
weiterbestehen <strong>oder</strong> sogar weiterwachsen.<br />
Daneben geht es darum, die Struktur des Angebotes an die künftige Struktur der Nachfrage<br />
anzupassen <strong>–</strong> auch durch Umbau vorhandener Bestände. Und es geht darum, die<br />
negativen Folgen der Segregationstendenzen, die sich bei Märkten mit Wohnungsüberschüssen<br />
verfestigen können, möglichst weitgehend zu überwinden.<br />
Die Wohnungspolitik, deren Aufgabe es bisher immer war, Mangel zu überwinden, wird<br />
sich neuen Herausforderungen stellen müssen. In Zukunft gilt es, Vermögensbildung im<br />
Neubau und aus dem Bestand anzuregen, da die Wohneigentumsbildung als wesentlicher<br />
Bestandteil der Alterssicherung weiterhin an Bedeutung gewinnen wird.<br />
<strong>Berlin</strong> hat die Chance, die Wohneigentumsquote zu heben und damit sukzessive den<br />
Wohneigentumsquoten der anderen Städte anzupassen. Wohneigentum war in der Vergangenheit,<br />
insbesondere im Vergleich zu den subventionierten Mieten im Neubau bzw.<br />
zu den herunterregulierten Altbaumieten, zu teuer.<br />
Im Neubau wird es in <strong>Berlin</strong> darauf ankommen, möglichst günstige Voraussetzungen für<br />
die Eigentumsbildung zu schaffen, um möglichst vielen Schwellenhaushalten den Erwerb<br />
von Eigenheimen und Eigentumswohnungen in <strong>Berlin</strong> zu ermöglichen. Dabei wird die<br />
Baulandpolitik zum wichtigsten Instrument der Wohnungspolitik. <strong>Berlin</strong> verfügt, anders<br />
als die westdeutschen Großstädte, noch über riesige innere Flächenreserven, die für<br />
diese Aufgaben mobilisiert werden können. Wenn es gelingt, attraktive und preiswerte<br />
Bauprojekte zu entwickeln, wird auch die Abwanderung in das Umland geringer sein als<br />
in anderen Großstädten. Viele Abwanderer in das Umland folgen noch immer lediglich<br />
einem Preisgefälle. Sie würden bei entsprechenden Angeboten auch in <strong>Berlin</strong> bleiben.<br />
<strong>Berlin</strong> als Stadt des preiswerten Wohneigentums und der preiswerten Wohnung insgesamt<br />
würde damit gleichzeitig in der künftig verschärften Konkurrenz der Stadtregionen<br />
um knappen Nachwuchs bei hochqualifizierten Arbeitskräften eine günstige Wettbewerbsposition<br />
erreichen.<br />
Preiswertes Bauland führt zu preiswerten Büros und anderen Bauten. Durch gute Möglichkeiten<br />
zur Eigentumsbildung wird zudem eine wichtige Komponente der Lebenshaltungskosten<br />
günstiger als in den anderen konkurrierenden Großstädten. Am Arbeitsmarkt<br />
werden Büroarbeitsplätze preisgünstiger als in den anderen Großstädten. Da auch die<br />
Löhne/Einkommen spürbar niedriger sind als in München <strong>oder</strong> Frankfurt, ergibt sich hier<br />
ein erheblicher Standortvorteil, der im gesamten Dienstleistungssektor spürbar wird.<br />
<strong>Berlin</strong> kann seine Wettbewerbsposition an den Märkten für hochwertige, überregional<br />
vermarktete Dienstleistungen durch eine langfristig vorausschauende Politik schon jetzt<br />
verbessern.
Der neue <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> bietet die Chance, dass zukünftig eine größere Bandbreite<br />
der Wohnmilieus und auch der Wohnformen realisiert werden kann. Im Neubau<br />
kann, gestützt auf das reichhaltige Angebot an unterschiedlichen Lagen, auch eine Vielfalt<br />
der Lösungen angeboten werden, weil niedrigere Preise eine größere Bandbreite der<br />
Bauträgerprojekte ermöglichen.<br />
Natürlich werden auch weiterhin qualitativ hochwertige freifinanzierte Mietwohnungen<br />
im Neubau benötigt. Traditionelle Förderprogramme sind hierfür nicht mehr erforderlich.<br />
Auch hier geht es vor allem darum, planerisch die Voraussetzungen für einen preisgünstigen<br />
und nachfragegerechten Neubau zu schaffen.<br />
Ebenso wichtig wie eine Baulandstrategie ist eine Politik zur Stärkung der Eigentumsbildung<br />
im Bestand. Angesichts des entspannten <strong>Wohnungsmarkt</strong>es und in Anbetracht<br />
der relativ hohen Anzahl der Leerstände bestehen die Chance und die Notwendigkeit,<br />
Wohnungen an Mieter zu veräußern, die sonst nicht die Möglichkeit hätten, Wohneigentum<br />
zu bilden. Bei den städtischen Gesellschaften ist ein Kompromiss zwischen dem<br />
Wunsch nach möglichst hohen Erlösen zugunsten der Wohnungsunternehmen und des<br />
öffentlichen Haushaltes und der Zahlungsfähigkeit der Mieter zu erreichen. Orientiert<br />
man sich an den Privatisierungserfolgen anderer Wohnungseigentümer mit umfangreichen<br />
Beständen in Deutschland, könnten in <strong>Berlin</strong> etwa 6.000-7.000 Wohnungen pro<br />
Jahr aus dem Bestand verkauft und dabei im Durchschnitt zwischen 25.000 und 35.000<br />
Euro an stillen Reserven aufgelöst werden. Es wird unterstellt, dass die Mieter eine Mehrbelastung<br />
von 10 bis 15 % gegenüber ihrer Ausgangsmiete tragen können. Parallel zur<br />
Privatisierungsstrategie der kommunalen Gesellschaften müssen die Rahmenbedingungen<br />
zur Sanierung und Veräußerung privater Mietwohnungen weiter verbessert werden.<br />
5
A: EINLEITUNG<br />
1. Hintergrund: <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> im Umbruch<br />
Ausgangspunkt für die Analysen und Schlussfolgerungen in diesem Bericht sind die starken<br />
Veränderungen des <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong>es der letzten zehn Jahre:<br />
● Nach der Wiedervereinigung entstand in der Region <strong>Berlin</strong> ein vollkommen neuer<br />
<strong>Wohnungsmarkt</strong>: Durch das Zusammenwachsen der bis dahin getrennten Wohnungsmärkte<br />
in den beiden Stadthälften sowie der Öffnung des Umlandes für die<br />
Nachfrager aus dem Westteil der Stadt wurde die Rolle der Nachfrager in allen<br />
Teilen gestärkt. Die Bewohner des <strong>Berlin</strong>er Ostteils erlebten erstmals einen <strong>Markt</strong> in<br />
seiner Funktionsweise und konnten ihre individuellen Wohnpräferenzen besser zur<br />
Geltung bringen<br />
● Die anfänglichen Erwartungen über die wirtschaftliche und demographische Zukunft<br />
<strong>Berlin</strong>s waren hoch. Sie wurden durch den Beschluss, die Regierung nach <strong>Berlin</strong><br />
zu verlagern, nochmals gepuscht. Allein für die Kernstadt wurde ein Bevölkerungswachstum<br />
von bis zu 300.000 Personen bis zum Jahre 2010 erwartet.<br />
● Diese zu optimistischen Erwartungen und die hohen steuerlichen Förderungen sowie<br />
große Förderprogramme im sozialen Wohnungsbau riefen ab 1994 einen Boom bei<br />
den Wohnungsfertigstellungen hervor.<br />
● Ausgelöst durch neue Angebote am Stadtrand und jenseits der Stadtgrenzen setzte<br />
schnell die jahrzehntelang unterdrückte Suburbanisierung ein. Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong><br />
wandelte sich vom Anbieter- zum Nachfragermarkt. Die vor allem an<br />
den Bedürfnissen der Kapitalanleger ausgerichteten „Standardwohnungen“ (relativ<br />
kleine Wohnungen im hoch verdichteten Geschosswohnungsbau) trafen jedoch im<br />
Zeitverlauf auf immer geringere Nachfrage.<br />
● Die Bauträger im Umland reagierten relativ schnell auf die veränderten <strong>Markt</strong>bedingungen.<br />
Insbesondere der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser an den<br />
gesamten Fertigstellungen im Umland hat sich zwischen 1995 und 1999 verdoppelt,<br />
zudem wurde das Angebot kleinteiliger und differenzierter; der Geschosswohnungsbau<br />
spielt dort nur noch eine untergeordnete Rolle<br />
● Die Anpassungsreaktion und der Wandel vom Kapitalanlegermarkt bzw. vom durch<br />
Förderprogramme dominierten <strong>Markt</strong> zum Nachfragermarkt verliefen in <strong>Berlin</strong> sehr<br />
viel langsamer. Die Leerstände wuchsen etwa ab Mitte der neunziger Jahre, vor<br />
allem im Mietwohnungsbestand, weil die Haushalte in Neubauwohnungen wechselten,<br />
die alten Wohnungen aber nicht im gleichem Maße wieder belegt wurden.<br />
Aus dem ewigen Wohnungsmangel wurde ein bisher nicht vorstellbarer Wohnungsüberschuss.<br />
7
8<br />
2. Fragestellung der Untersuchung<br />
Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Fragestellungen:<br />
● Wie hat sich die Nachfrage seit 1990 entwickelt (Bevölkerung und Haushalte)?<br />
● Wie ist die Situation des Wohnungsangebotes? Welche Vielfalt bietet der regionale<br />
<strong>Wohnungsmarkt</strong>? Wie haben sich die neu gebauten Wohnungsangebote und die<br />
bestehende Struktur verändert?<br />
● Welche Umzugs- und Wanderungsbewegungen haben die neuen Wohnungsangebote<br />
ausgelöst („Gewinner- und Verliererbezirke“ bzw. „Gewinner- und Verliererkreise/gemeinden“<br />
im Umland)?<br />
● Wie hoch ist angesichts der prognostizierten Bevölkerungs- bzw. Haushaltsentwicklung<br />
der in Zukunft zu erwartende Wohnungsbedarf? Welche Folgerungen hat der<br />
zukünftige Bedarf für die Neubautätigkeit in der Region?<br />
● Entspricht das Wohnungsangebot in seiner Struktur noch der Nachfrage, <strong>oder</strong> bestehen<br />
strukturelle Defizite? Welche Nachfragertypen treten auf dem <strong>Wohnungsmarkt</strong><br />
auf? Welche Angebotsformen wünschen sie sich? Welche Konsequenzen sind daraus<br />
abzuleiten?<br />
● Welche Zukunftsperspektiven haben die unterschiedlichen Teilmärkte der Region?<br />
● Welche Handlungserfordernisse ergeben sich für die Bauland- und Wohnungsbaupolitik<br />
angesichts eines eher wachsenden Mismatches zwischen den überkommenen<br />
Wohnungsbeständen und der Struktur der Nachfrage?
3. Untersuchungsdesign<br />
Die Untersuchung umfasst folgende Bausteine:<br />
a) Wohnungsangebot<br />
<strong>–</strong> Quantitativer Überblick über Neubautätigkeit seit 1990<br />
<strong>–</strong> Differenzierung der realisierten Bauformen<br />
Quelle: Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) von 1987, die Gebäude- und Wohnungsstichprobe (GWS) von<br />
1993 (Westteil <strong>Berlin</strong>s), die GWZ von 1995 (Ostteil <strong>Berlin</strong>s und <strong>Berlin</strong>er Umland), die Bautätigkeitsstatistik,<br />
Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998.<br />
b) Wohnungsbedarf<br />
<strong>–</strong> Demographische Entwicklung in <strong>Berlin</strong>, differenziert nach Bezirken und<br />
Brandenburger Kreisen (engerer Verflechtungsraum) zwischen 1990 und 2000<br />
<strong>–</strong> Umzugspotenziale und Zielorte, differenziert nach Umzügen zwischen den<br />
<strong>Berlin</strong>er Bezirken und zwischen <strong>Berlin</strong> und dem Brandenburger Teil des engeren<br />
Verflechtungsraums<br />
<strong>–</strong> Wohnpräferenzen (insbesondere Gewinner-/Verliererbezirke sowie Gewinner-/<br />
Verlierergemeinden)<br />
<strong>–</strong> Prototypische Projekte und ihre Akzeptanz<br />
Quelle: Amtliche Statistiken der Statistischen Landesämter, empirica-Datenbank, Expertengespräche und<br />
Vor-Ort-Erhebungen in ausgewählten Wohngebieten.<br />
c) Analyse des strukturellen Mismatches und dessen Ursachen<br />
Quelle: empirica-Datenbank und Vor-Ort-Erhebungen in ausgewählten Wohngebieten.<br />
d) Zukünftige Nachfragetendenzen auf dem <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong><br />
<strong>–</strong> Quantitative Bevölkerungs- und Haushaltsprognose für <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
bis 2030<br />
<strong>–</strong> Strukturell veränderte Nachfrage nach Wohnungen<br />
<strong>–</strong> Szenarien des Gesamtbedarfs für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong> (in Abhängigkeit von<br />
unterschiedlichen Zuwanderungsintensitäten)<br />
Quelle: Basis ist die 9. koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung für <strong>Berlin</strong> und Brandenburg. Die Haushaltsprognosen<br />
werden mit Hilfe des Makrosimulationsprogramms PROFAMY erstellt, das detaillierte Alters- und Haushaltsstrukturen<br />
darstellt.<br />
e) Potenzialschätzung zukünftiger Selbstnutzer<br />
<strong>–</strong> Potenzial im Status quo, ohne private Altersvorsorge und ohne Änderungen bei<br />
der Förderung von Wohneigentum<br />
Quelle: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), eigene Berechnungen<br />
9
B: WOHNUNGSMARKTENTWICKLUNG IN DER<br />
REGION BERLIN<br />
1. Besonderheiten des <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong>es vor der<br />
Wiedervereinigung<br />
1.1 <strong>Berlin</strong>er Bautraditionen<br />
<strong>Berlin</strong> ist als Stadt eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts. Die Rolle als Hauptstadt und als<br />
Zentrum der industriellen Revolution hat die Struktur der Stadt und damit auch die<br />
Formen des Bauens, Lebens und Wohnens nachhaltig beeinflusst. „<strong>Berlin</strong>er Urbanität“<br />
wird bis heute gleichgesetzt mit den vier- bis fünfgeschossigen Mietshäusern der<br />
Gründerzeit mit meist mehr als 20 Wohnungen pro Gebäude, die in weiten Bereichen der<br />
Innenstadt auch heute noch für typisches <strong>Berlin</strong>er Wohnen stehen. Der extrem hohe<br />
Anteil von „Großhäusern“ ist jedoch auch Ausdruck einer monumentalen Planungskonzeption,<br />
deren Wurzeln bis in den Absolutismus reichen. Aus den Nutzungsinteressen<br />
der Bewohner ist die <strong>Berlin</strong>er Mietskaserne nicht zu erklären. Auch ökonomische<br />
Gründe <strong>–</strong> vor allem die im Vergleich zu kleineren Häusern höheren Bewirtschaftungsund<br />
Erschließungskosten <strong>–</strong> sprechen nicht für diese Bauform, wie Eberstadt schon vor<br />
dem Ersten Weltkrieg formulierte: „Das große Mietshaus ist eine gewillkürte politische<br />
Schöpfung“.<br />
Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war durch ein hoch entwickeltes System der marktwirtschaftlichen<br />
Erschließung durch Terraingesellschaften und der Bauspekulation für<br />
Kapitalanleger charakterisiert. Die Tradition des monumentalen Städtebaus mit breiten<br />
Boulevards, hohen Häusern und großen tiefen Blöcken, die im Innenraum noch zugebaut<br />
werden konnten <strong>oder</strong> aus Kostengründen auch zugebaut werden mussten, wurde in den<br />
zwanziger Jahren <strong>–</strong> allerdings ohne großes quantitatives Gewicht <strong>–</strong> durch einige spektakuläre<br />
Siedlungen unterbrochen. Hier gelang es, u.a. gestützt auf öffentliche Finanzierungen,<br />
weil der Kapitalmarkt als Folge der Inflation zusammengebrochen war, einen<br />
anderen Typ Siedlungen zu entwickeln. Sie waren aufgelockerter und durchgrünt, nicht<br />
mehr durch die großen Blöcke, sondern durch offene Zeilen charakterisiert. Dieser für<br />
viele beispielgebende Wohnungsbau hat die Wohnungsbautätigkeit auch noch in den<br />
ersten Jahren der Nachkriegszeit beeinflusst.<br />
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Stadtentwicklung <strong>–</strong> auch der Wohnungsbau <strong>–</strong><br />
stark durch von außen wirkende (politische) Leitbilder geprägt. Im Westteil der Stadt<br />
hielt die Politik die Mietpreisbindung für Altbauwohnungen bis in die achtziger Jahre<br />
aufrecht. Die Versorgung mit preisgünstigen Mietwohnungen wurde damit zu einer<br />
Verantwortung der staatlichen Förderpolitik, die wiederum Wettbewerb weitgehend ausschaltete<br />
und die Bauformen sehr stark nach planerischen Zielsetzungen und nicht nach<br />
den Präferenzen der Nachfrager festsetzte. Der Wohnungsbestand in den Gründerzeitvierteln<br />
blieb über Jahrzehnte auf vergleichsweise niedrigem Standard. Mietwohnungen<br />
waren preiswert, auch für Familien <strong>oder</strong> Haushalte mit Ansprüchen an größere Wohnflächen<br />
blieb die Altbauwohnung <strong>–</strong> zumindest im Westteil der Stadt <strong>–</strong> häufig die normale<br />
Wohnform.<br />
11
12<br />
Die Umwandlung von Bestandswohnungen in Eigentumswohnungen und der frei finanzierte,<br />
kleinteilige Wohnungsneubau blieben in Folge der hohen Baukosten und der niedrigen<br />
Mieten Nischenmärkte, sieht man von wenigen bevorzugten Lagen ab. Wohnungsneubau<br />
war in Ost- und Westberlin das Ergebnis staatlicher Vorsorgepolitik. Nach dem<br />
Wiederaufbau entstanden in den sechziger und siebziger Jahren die großen Trabantenstädte<br />
am Stadtrand, von der Gropiusstadt über die Thermometersiedlung, die Siedlungen<br />
an der Heerstraße und am Stadtrand von Spandau bis zum Märkischen Viertel im äußersten<br />
Nordwesten und ihren Äquivalenten Marzahn <strong>oder</strong> Hellersdorf im Ostteil der Stadt.<br />
Auch innerhalb der geschlossenen Stadtbebauung dominierten der soziale Wohnungsbau<br />
und die Wohnungsbewirtschaftung durch die großen städtischen Wohnungsbaugesellschaften.<br />
Nach Abbruch der schwer zerstörten Altbauquartiere am Kottbusser Tor, im<br />
Rollberbergviertel in Neukölln und an der Brunnenstraße im Wedding entstanden neue<br />
Wohnquartiere, die in ihren Bauformen den Stadtrandsiedlungen ähnelten.<br />
Erst relativ spät richtete sich das Auge der Stadtentwicklung auf die Altbaubestände;<br />
Abrissstrategien wurden von der „Behutsamen Stadterneuerung“ abgelöst. Mit Hilfe<br />
von staatlichen Sanierungsmitteln versuchte man (mehr <strong>oder</strong> weniger erfolgreich), die<br />
Attraktivität ausgewählter Altbaukieze zu steigern.<br />
Im Ostteil der Stadt verlief die Entwicklung erstaunlich ähnlich. In den Wohnungsbestand<br />
wurde allerdings weit länger und ausgeprägter als in Westberlin so gut wie gar nicht investiert,<br />
mit der Folge, dass im Zeitverlauf immer mehr Wohnungen unbewohnbar wurden.<br />
Die hohen Leerstände in Friedrichshain sind noch heute Folge dieser Politik, die den<br />
staatlich gelenkten Wohnungsneubau zu lange bevorzugte. Die Wohnungsproduktion<br />
wurde im Zeitverlauf immer weiter rationalisiert und auf eine industrielle Fabrikation<br />
umgestellt. Radikaler noch als im Westen entstanden, vor allem in der Spätphase der<br />
DDR, große Neubaugebiete am Stadtrand und wurden zentrumsnahe Quartiere im<br />
großen Stil neu bebaut.<br />
1.2 <strong>Berlin</strong>er Mischung<br />
Die Wohnbevölkerung in den Wohnquartieren <strong>Berlin</strong>s war bis zur Wende deutlich stärker<br />
durchmischt als in anderen Großstädten Europas <strong>oder</strong> gar in den USA. Aus der Konzeption<br />
des großen Blockes mit Innenbebauung ergaben sich auf engem Raum sehr ausgeprägte<br />
Qualitätsdifferenzierungen, die zu einer entsprechenden Mischung von Mietern<br />
mit hohen und niedrigen Einkommen führten. Dennoch muss man sich vor Augen halten,<br />
dass die <strong>Berlin</strong>er Mischung die Folge von Mängeln des verdichtet zugebauten Blocks ist,<br />
das Ergebnis einer Investorenlogik, die auf die hohen Erschließungskosten der großen<br />
Blöcke mit ihren breiten Straßen und der hohen inneren Verdichtung reagierte. Erst<br />
später wurde daraus durch die Interpretation der Stadtplaner eine soziale Strategie.<br />
In Ostberlin wurde die soziale Mischung durch das staatliche Zuteilungssystem konserviert,<br />
das individuellen Wohnpräferenzen kaum Spielräume ließ; die beabsichtigte<br />
Auflösung der Klassenunterschiede wirkte zudem über die geringen Einkommensunterschiede<br />
zwischen verschiedenen Berufsgruppen in die gleiche Richtung. In Westberlin
sorgten der außergewöhnlich hohe Sozialwohnungsanteil <strong>–</strong> bei bis in die neunziger Jahre<br />
sehr hohen Einkommensgrenzen <strong>–</strong> und der preisgebundene Altbausektor dafür, dass <strong>–</strong><br />
bis auf die wenigen Ausnahmen exklusiver Wohngebiete <strong>–</strong> hoch segregierte Quartiere<br />
eine Seltenheit waren.<br />
1.3 Eine Periode der Segregation<br />
Das sozialräumliche Gefüge einer Stadt hängt ab von:<br />
● der demographischen und ökonomischen Entwicklung,<br />
● der stadtpolitischen Steuerung,<br />
● den relativen Preisen verschiedener Wohngebiete,<br />
● der Umzugsmobilität, die wiederum bedingt ist durch die Fluktuationsreserven und<br />
ein ausreichendes Angebot.<br />
Alle Parameter haben sich in <strong>Berlin</strong> seit 1990 grundlegend verändert. In der Folge<br />
wandelte sich nicht nur die allgemeine Vorstellung über das Wohnen in der Stadt (beziehungsweise<br />
im Umland der Stadt), auch die sozialräumliche Zusammensetzung der<br />
Bevölkerung begann sich zu verändern. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die<br />
Entwicklungsperspektive verschiedener Stadtteile und auf die Lebenswelten der dort<br />
lebenden Menschen. Statt der administrierten Mischung bzw. der Mischung durch hohe<br />
Qualitätsdifferenzen auf engem Raum (innerhalb eines Blocks) entstand in einem<br />
weniger durch Knappheiten geprägten <strong>Markt</strong> eine neue Trennung von Einkommens-<br />
und Sozialschichten.<br />
13
2. <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> nach der Wiedervereinigung<br />
2.1 Starke Bautätigkeit Mitte der neunziger Jahre<br />
Die <strong>Berlin</strong>er Wohnungspolitik reagierte auf die neue Situation nach der Wiedervereinigung<br />
der Stadt und auf den erwarteten hohen Anstieg der Wohnungsnachfrage mit<br />
umfangreichen Wohnungsbauprogrammen. Zwischen 1992 und 2000 sind in der Region<br />
<strong>Berlin</strong> etwa 250.000 Wohnungen neu entstanden, davon etwa 140.000 in <strong>Berlin</strong> selbst und<br />
etwa 110.000 im Umland. 1<br />
Bereits 1996 waren deutliche Vermietungsschwierigkeiten vor allem in Geschosswohnungsbauprojekten<br />
im <strong>Berlin</strong>er Umland, aber auch bei einzelnen Neubauvorhaben in<br />
<strong>Berlin</strong> festzustellen, weil viele Projekte nicht sorgfältig genug auf die Akzeptanz durch<br />
Endnachfrager hin konzipiert wurden. Eine Kombination aus der auslaufenden Sonderabschreibungsregelung,<br />
die den Wohnungsbau für Kapitalanleger förderte, immer noch<br />
hohen Kontingenten im geförderten Wohnungsbau (vor allem in <strong>Berlin</strong>) und eine zunehmende<br />
Bedeutung des Einfamilienhausbaus (vor allem im Umland) bewirkten zunächst<br />
jedoch noch eine weitere Steigerung der Bautätigkeit. Die Neubautätigkeit erreichte ihren<br />
Höhepunkt 1997 (vgl. Abbildung 1). Erst seit 1998 sinkt die Zahl der neu gebauten Wohnungen<br />
pro Jahr in der Region kontinuierlich. Ebenfalls seit 1998 werden zudem im<br />
<strong>Berlin</strong>er Umland mehr Wohnungen errichtet als in der Stadt selbst. Bezogen auf die<br />
Bevölkerungszahl ist die Neubautätigkeit dort etwa viermal so stark wie in <strong>Berlin</strong>.<br />
Erfahrungen aus anderen Großstadtregionen legten die Schlussfolgerung nahe, dass mit<br />
der Maueröffnung auch die jahrzehntelang verhinderte Suburbanisierung in Form des<br />
Eigenheimbaus im Umland nachgeholt werden würde. Tatsächlich entwickelte sich<br />
der Einfamilienhausbau im <strong>Berlin</strong>er Umland mit rasanter Geschwindigkeit (vgl. Abbildung<br />
2). Im Spitzenjahr 1998 wurden dort fast 10.000 neue Eigenheime errichtet, also<br />
mehr als 12 WE/1.000 Einwohner. Befragungen in den neuen Wohnanlagen zeigten, dass<br />
etwa 60 % dieser neuen Häuser von <strong>Berlin</strong>er Nachfragern bezogen wurden, in den direkt<br />
an <strong>Berlin</strong> angrenzenden Gemeinden wurde dieser Wert z.T. noch deutlich überschritten.<br />
Auch in <strong>Berlin</strong>, das historisch einen im Vergleich zu anderen Großstädten niedrigen<br />
Anteil von Wohnungen in Einfamilienhäusern hatte, entwickelte sich <strong>–</strong> vor allem im<br />
Ostteil der Stadt <strong>–</strong> ein lebhafter <strong>Markt</strong> für Einfamilienhäuser. Seit 1996 schwanken die<br />
Fertigstellungszahlen um 3.000 WE/Jahr.<br />
1 In diesem Bericht steht Umland für den brandenburgischen Teil des engeren Verflechtungsraums.<br />
15
16<br />
Abbildung 1<br />
Anzahl der fertig gestellten Wohnungen absolut und<br />
je 1.000 Einwohner in <strong>Berlin</strong> und dem Umland<br />
Fertig gestellte<br />
Wohnungen<br />
35.000<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
Fertig gestellte Wohnungen<br />
je 1.000 Einwohner<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Fertigstellungen Umland Fertigstellungen je 1.000 Einwohner Umland<br />
Fertigstellungen <strong>Berlin</strong> Fertigstellungen je 1.000 Einwohner <strong>Berlin</strong><br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
empirica
Abbildung 2<br />
Anzahl der fertig gestellten Wohnungen im individuellen<br />
Wohnungsbau sowie anteilig an den gesamten<br />
Fertigstellungen <strong>–</strong> <strong>Berlin</strong> und Umland<br />
Fertigstellungen absolut<br />
[Wohnungen]<br />
10.000<br />
9.000<br />
8.000<br />
7.000<br />
6.000<br />
5.000<br />
4.000<br />
3.000<br />
2.000<br />
1.000<br />
0<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Fertigstellungen Umland<br />
Anteil an den gesamten<br />
Fertigstellungen Umland<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
Anteil an den gesamten<br />
Fertigstellungen<br />
Fertigstellungen <strong>Berlin</strong><br />
Anteil an den gesamten<br />
Fertigstellungen <strong>Berlin</strong><br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
empirica<br />
17
18<br />
2.2 Planungen der neunziger Jahre und ihre Folgen<br />
Die Tatsache, dass große Teile der <strong>Berlin</strong>er Wohnungssuchenden ein für sie passendes<br />
Angebot nicht in <strong>Berlin</strong>, sondern im Umland fanden, hatte erstaunlicherweise zunächst<br />
nur geringen Einfluss auf die Wohnungsbaupolitik der Stadt, obwohl Stadt- und Regionalplanung<br />
frühzeitig die erwartete Stadtflucht zu steuern suchten. In einem 1990 von der<br />
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgelegten fiktiven Szenario für das Jahr 2010<br />
heißt es (rückblickend auf die Periode zwischen 1990 und 2010): „In der Berichtsperiode<br />
ist es nur in Teilbereichen gelungen, die Probleme des städtischen <strong>Wohnungsmarkt</strong>es zu<br />
lösen. Offenbar wegen des gestiegenen Mietniveaus und der starken Beeinträchtigung<br />
innerstädtischer Wohnviertel durch den Verkehr sind vor allem kinderreiche Familien in<br />
den vergangenen Jahren verstärkt auf den Eigenheimsektor des Umlandes ausgewichen.<br />
Die Konkurrenz der Umlandgemeinden um steuerkräftige, bauwillige Haushalte hat in<br />
einer Vielzahl von Kommunen zu einer Ausweisung von großflächigen Baugebieten geführt,<br />
die teilweise trotz aufwendiger Erschließung seit langem nur mit vereinzelten<br />
Gebäuden bebaut sind. Die Stadt <strong>Berlin</strong> sieht sich durch den mit Abwanderung verbundenen<br />
Steuerausfall in ihren finanziellen Handlungsmöglichkeiten beschränkt, ist jedoch<br />
nicht in der Lage, über Beratungen hinaus auf die Baulandpolitik im Umland Einfluss<br />
zu nehmen.“<br />
Ein Teil der in dem fiktiven Szenario geäußerten „Befürchtungen“ wurde schneller Realität<br />
als erwartet. Obwohl die Mieten in den Innenstadtbereichen nicht wie erwartet stiegen,<br />
sondern in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre dank eines reichhaltigen Angebots<br />
sanken, verließen zahlreiche Familien die Stadt und bezogen ihr Reihenhaus im Umland.<br />
Die <strong>Berlin</strong>er Wohnungspolitik hatte den qualitativen Aspekt der Wohnraumversorgung<br />
und die Nachfragepräferenzen vernachlässigt. Viele Haushalte spürten, wie sehr ein<br />
Garten am Haus das Leben mit Kindern erleichtert. Das Einfamilienhaus symbolisiert für<br />
sie im Vergleich zum Mietshaus Unabhängigkeit und Freiheit im Verhalten. Erleichtert<br />
wurde der Wechsel durch die im Zeitverlauf immer weiter zunehmende Konkurrenz<br />
zwischen starken nationalen und internationalen Anbietern im <strong>Berlin</strong>er Umland. Angesichts<br />
der tatsächlich immensen Baulandausweisungen der Brandenburgischen Gemeinden<br />
verfielen die Bodenpreise, durch immer preiswertere Haustypen sanken die Preise<br />
für Einfamilien-Reihenhäuser schnell unter die 255.000 Euro-Grenze. Auch das 155.000<br />
Euro-Haus, Mitte der neunziger Jahre von der <strong>Berlin</strong>er Wohnungswirtschaft noch als<br />
Utopie belächelt, war drei Jahre später Realität. Stadtflucht und Steuerausfälle bewegten<br />
die <strong>Berlin</strong>er Gemüter 1997 und 1998.<br />
Die <strong>Berlin</strong>er Wohnungspolitik antwortete mit neuen Wohnungsbauprogrammen. Im Rahmen<br />
der „<strong>Berlin</strong>er Eigenheiminitiative“ wurde fieberhaft nach neuen Standorten für<br />
große Einfamilienhausprojekte gesucht. Die Senatsverwaltung für Wohnungswesen organisierte<br />
eine „Bauausstellung“ für stadtgerechte Einfamilienhausprojekte, die in den<br />
Architekturfeuilletons überregionaler Zeitungen mitunter als „Musterhausaustellung“ in<br />
das allgemeine Städtebaugeschehen eingeordnet wurde. Während die Bauträger in Brandenburg<br />
Erfahrungen sammelten und ihre Produkte sich in hartem Konkurrenzkampf<br />
langsam an die Bedürfnisse der Wohnungsnachfrager annäherten, übte sich die <strong>Berlin</strong>er<br />
Architektenschaft in Gemeinschaft mit der für den Wohnungsbau zuständigen Großver-
waltung an der Neudefinition des Themas Eigenheim. Während die Siedlungen in<br />
Brandenburg nach der ersten Welle der großen und einförmigen Anlagen langsam kleiner<br />
und differenzierter wurden, begann <strong>Berlin</strong> neue Flächen am Stadtrand für Einfamilienhausprojekte<br />
mit 600 bis 700 Wohnungen auszuweisen.<br />
Parallel zur Eigenheiminitiative arbeitete die Stadtentwicklungsbehörde an Konzepten<br />
zur Nutzung innerstädtischer Flächen zur Wohnraumnutzung. Angesichts eines mittlerweile<br />
deutlich sichtbaren Überangebotes und schwer vermietbarer Wohnungen selbst im<br />
<strong>Markt</strong>segment der im Rahmen der vereinbarten Förderung errichteten Mietwohnungen,<br />
setzte sich die Erkenntnis durch, dass die hohen Förderquoten für den Mietwohnungsbau<br />
alsbald der Vergangenheit angehören würden. Die mittlerweile leeren Staatskassen<br />
führten zu einem deutlichen Richtungswechsel in der städtischen Wohnungspolitik.<br />
„Stärkung der Eigentumsbildung“ lautete die Devise gegen Ende des Jahrtausends.<br />
Auch 1997 wurden jedoch noch 40 % aller neu gebauten Wohnungen in <strong>Berlin</strong> direkt<br />
subventioniert, die im Rahmen der Eigentumsprogramme geförderten Neubauten selbstnutzender<br />
Wohnungserwerber nicht eingeschlossen. 1996 waren dies immerhin noch<br />
fast 70 %.<br />
Es dauerte über fünf Jahre, bis sich die Wohnungswirtschaft auf die neuen Entwicklungen<br />
einstellte. Der „<strong>Markt</strong>“, jahrzehntelang durch ein knappes Angebot und eine starke<br />
Nachfrage geprägt, kam erst in den späten neunziger Jahren in eine Entwicklungsphase,<br />
in der die Wohnungswirtschaft unter dem Eindruck der verschärften Konkurrenz eine<br />
strikte Kundenorientierung entwickelte. Der Übergang von einem Investorenverhalten,<br />
bei dem staatliche Programme in planerische Bauformen umgesetzt wurden, zu einer<br />
marktorientierten Investitionstätigkeit verlief sehr zögerlich. Er dürfte jetzt weitgehend<br />
abgeschlossen sein.<br />
2.3 Akzeptanz prototypischer Wohnbauprojekte<br />
2.3.1 Typische Geschosswohnungsbauprojekte<br />
Die Geschosswohnungsbautätigkeit in <strong>Berlin</strong> ruhte im wesentlichen auf drei Säulen:<br />
● Der größte Teil der fertig gestellten Wohnungen wurde im Rahmen mittelfristig<br />
angelegter Programme im Wesentlichen als Reaktion auf zunächst akute, später aber<br />
nicht mehr existente Versorgungsengpässe errichtet. In der Regel handelte es sich dabei<br />
um geförderten Wohnungsbau. Beispiele für solche Projekte sind die Bauvorhaben<br />
in Karow und Französisch Buchholz (Pankow) sowie in Altglienicke (Treptow)<br />
sowie Teile der städtebaulichen Entwicklungsgebiete.<br />
● Ein quantitativ bedeutsamer Anteil des Wohnungsneubaus wurde an Standorten<br />
geplant und realisiert, die aus stadtentwicklungspolitischen Gründen in Angriff<br />
genommen wurden. Dazu gehören fast alle großen Entwicklungsgebiete, wie die<br />
Rummelsburger Bucht <strong>oder</strong> die Wasserstadt-Oberhavel. Hier wurde versucht, geförderten<br />
und frei finanzierten Wohnungsbau miteinander zu kombinieren.<br />
19
20<br />
● Die dritte Gruppe sind Projekte, die für die Vermarktung an Kapitalanleger konzipiert<br />
wurden. In der Regel handelt es sich um Wohnungsbau, bei dem eine<br />
maximale Dichte realisiert wurde, ohne Rücksicht darauf, was die Endnachfrager<br />
wünschen.<br />
a) Entwicklungen in der Wasserstadt-Oberhavel<br />
Der Standort der Wasserstadt-Oberhavel wurde ehemals v.a. industriell bzw. produktionsgewerblich<br />
genutzt (z.B. Hafen, Brauerei Schultheiss, Insel Eiswerder). Zahlreiche<br />
Betriebsliegenschaften zeugen noch heute von dieser Vergangenheit. Wohnnutzungen gab<br />
es nur vereinzelt, so z.B. auf dem Gelände des heutigen Quartiers Pulvermühle. In der<br />
Wasserstadt-Oberhavel soll bis zum Jahr 2010 der größte Wohnungsbaustandort<br />
<strong>Berlin</strong>s realisiert werden: insgesamt sind knapp 13.000 Wohneinheiten sowie Dienstleistungs-<br />
und Gewerbeflächen vorgesehen. Die bisher fertig gestellten Wohnungen sind<br />
ausschließlich Geschosswohnungsbauten, sowohl frei finanziert als auch im 1. und<br />
2. Förderweg. Das erste Projekt mit Reihen- und Doppelhäusern wird gegenwärtig im<br />
Bereich Haveleck realisiert.<br />
Die Leerstände bei den frei finanzierten Wohnungen und bei den Wohnungen der vereinbarten<br />
Förderung sind erheblich. Zu den hohen Leerständen kommt der alarmierende<br />
Befund hinzu, dass die Fluktuation unter den Bewohnern hoch ist.<br />
Wasserstadt-Oberhavel<br />
b) Entwicklungen in der Rummelsburger Bucht<br />
Das Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht ist einer der größten Wohnungsneubaustandorte<br />
in <strong>Berlin</strong>. Insgesamt sollen hier bis zum Jahr 2010 rd. 5.700 Wohneinheiten sowie<br />
Wohnfolge- und Gewerbeeinrichtungen fertig gestellt sein. Die fertig gestellten<br />
Wohngebäude sind zwischen 3- und 6-geschossig. Bisher sind etwa zwei Drittel der<br />
Wohnungen im 2. Förderweg errichtet, die übrigen sind frei finanzierte Miet- <strong>oder</strong><br />
Eigentumswohnungen.
Der Leerstand in der Rummelsburger Bucht liegt bei dem durchschnittlichen Leerstand<br />
in Geschosswohnungsbauprojekten der neunziger Jahre in Gesamt-<strong>Berlin</strong>. Die Leerstände<br />
konzentrieren sich fast ausschließlich auf die frei finanzierten Wohnungen. Bei den<br />
Wohnungen im zweiten Förderweg (inklusive der einkommensorientierten Wohnungen)<br />
gibt es kaum Leerstände. Vermarktungsschwierigkeiten gibt es insbesondere beim Verkauf<br />
von kleinen Wohnungen.<br />
Rummelsburger Bucht<br />
c) Entwicklungen bei hochwertigen Neubauprojekten<br />
Der <strong>Markt</strong> für hochwertige Wohnungen in <strong>Berlin</strong> ist zweigeteilt: Während die Nachfrage<br />
nach sehr exklusiven Wohnungen in besonders exponierten Lagen nicht gedeckt werden<br />
kann, besteht ein Überangebot an Wohnungen, die zwar hochwertig ausgestattet, aber<br />
hinsichtlich ihrer Qualität und Lage nicht exklusiv bzw. dem Spitzensegment zuzuordnen<br />
sind.<br />
Die Preise für Wohnungen im Spitzensegment liegen zwischen 3.500 und 5.000 Euro/m 2 .<br />
Wahrscheinlich werden die Preise in diesem Bereich in den nächsten zwei bis drei Jahren<br />
ansteigen; Preiserhöhungen in diesem Wohnungssegment auf ein Niveau, das mit anderen<br />
europäischen Metropolen wie beispielsweise Paris <strong>oder</strong> London vergleichbar ist, sind<br />
in <strong>Berlin</strong> allerdings erst in den nächsten 20 bis 30 Jahren zu erwarten.<br />
Im Segment der hochwertigen Wohnungen (Preisspanne rd. 2.200 bis 3.500 Euro/m 2 )<br />
sind in den letzten Jahren viele Projekte realisiert worden, so dass momentan ein<br />
Überangebot in diesem Segment vorhanden ist. Dieser Trend wird anhalten, da in diesem<br />
Teilbereich auch in Zukunft eine Vielzahl neuer Projekte realisiert wird (u.a. in der Friedrichstadt,<br />
am Lehrter Stadtbahnhof, mehrere Projekte in der Spandauer Vorstadt, z.B.<br />
Johannis-Viertel an der Oranienburger Straße). Durch die Vielzahl an Angeboten in diesem<br />
hochwertigen Segment stehen viele Wohnungen leer und die Vermarktungszeit ist<br />
relativ lang (bis zu drei Jahre).<br />
Generell zeichnet sich der Trend ab, dass hochwertige Wohnungen in aufwendig sanierten<br />
Altbauten weniger Leerstände bzw. kürzere Vermarktungszeiten haben als reine Neu-<br />
21
22<br />
baustandorte, wie beispielsweise am Potsdamer Platz. Neubauprojekte in Baulücken gewachsener<br />
Altbauquartiere, wie in der Spandauer Vorstadt, profitieren von der attraktiven<br />
Gestaltung der Umgebung und ergänzen das Angebot im Altbaubestand. Diese integrierten<br />
Standorte sind ebenfalls in geringerem Umfang von Leerständen betroffen als reine<br />
Neubaustandorte.<br />
Die Preise sind zur Zeit trotz des Überangebotes stabil. Dies ist darauf zurückzuführen,<br />
dass bei der Gewährung von Preisnachlässen das Image des Standortes nachhaltig<br />
geschädigt wird, potenzielle Käufer abgeschreckt und die Vermarktungsprobleme somit<br />
zunehmen würden. Inwieweit am derzeitigen Preisniveau festgehalten wird <strong>oder</strong> ob es zu<br />
Preissenkungen kommt, kann momentan nicht abschließend gesagt werden. Einige<br />
Experten erwarten, dass „sich der <strong>Markt</strong> selbst kaputt macht“ und das Preisniveau im<br />
Bereich der zwar hochwertigen, aber nicht im engeren Sinne exklusiven Wohnungen,<br />
deutlich herabgesetzt wird. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass diese städtischen<br />
Wohnformen lediglich von einem sehr begrenzten Personenkreis nachgefragt werden.<br />
Akzeptanz finden die sehr exklusiven und hochwertigen Wohnungen, wenn die Kombination<br />
zwischen Ruhe und Zentralität, das Image des Standortes und der Ausblick aus der<br />
Wohnung (freier Blick über die Dächer, möglichst auf besondere Bauten) gegeben sind.<br />
Diese Faktoren sind in Kombination nur an sehr ausgewählten Standorten zu vereinen<br />
und nicht beliebig zu duplizieren. Im absoluten Spitzensegment werden sehr hohe<br />
Anforderungen an den Standort und das Bauprojekt gestellt.<br />
d) Drei Beispiele für hochwertige Wohnprojekte: Potsdamer Platz,<br />
Friedrichstraße und Spandauer Vorstadt<br />
Die drei Projekte am Potsdamer Platz von Sony (201 Wohnungen, Fertigstellung 1999),<br />
Daimler-Chrysler (630 Wohnungen, Fertigstellung 1998/99) und die Park-Kolonnaden<br />
(rd. 90 Wohnungen, Fertigstellung 2001) umfassen insgesamt gut 900 zumeist sehr exklusive<br />
Wohnungen im Hochpreissegment. Die Kaufpreise bewegen sich zwischen 4.000<br />
und 7.000 Euro/ m 2 , die Nettokaltmieten liegen in der Regel über 15 Euro/m 2 .<br />
Auch in der Friedrichstraße sind viele Bürogebäude aufgrund planungsrechtlicher Auflagen<br />
der Senatsverwaltung mit einem Wohnanteil von 20 bis 30 % gebaut werden. Die zumeist<br />
sehr exklusiven Wohnungen befinden sich zumeist in den oberen Stockwerken der<br />
Bürogebäude. Zusätzlich entstanden viele neue, ebenfalls sehr hochwertige Wohnungen<br />
in der Friedrichstraße durch Baulückenschließungen. Die Kaufpreise liegen leicht unter<br />
dem Niveau des Potsdamer Platzes zwischen 3.200 und 5.000 Euro/m 2 . Die Nettokaltmieten<br />
bewegen sich in der Friedrichstraße um 15 Euro/m 2 , in den Seitenstraßen zwischen<br />
10 und 13 Euro/m 2 .<br />
Die Vermarktung verläuft insbesondere am Potsdamer Platz sehr schleppend. Die<br />
Wohnungen der „Daimler-City“ konnten noch zu Kapitalanlegerzeiten verkauft werden,<br />
allerdings werden viele Wohnungen noch nicht genutzt bzw. sind noch nicht vermietet.<br />
Im Sony-Center sind erst 50 % der Wohnungen verkauft, die Belegung der bereits
verkauften Wohnungen ist jedoch sehr gering. Die Vermarktung in der Friedrichstraße<br />
verläuft besser als am Potsdamer Platz, da bei einem geringeren Preisniveau eine breitere<br />
Nachfrageschicht angesprochen und der Imagefaktor des Wohnens in der Friedrichstraße<br />
insgesamt höher bewertet wird. Allerdings ist die Nachfragesituation nicht<br />
zufrieden stellend. Vermarktungszeiträume von bis zu drei Jahren sind auch in der<br />
Friedrichstraße und in den Seitenstraßen keine Seltenheit.<br />
Der Potsdamer Platz ist ein typisches Beispiel für eine rein additive Mischung von<br />
Wohnen und anderen Nutzungen. Die Nachfrage rekrutiert sich aus Gruppen, bei denen<br />
der Beruf zu einer sehr hohen Inanspruchnahme führt und die hoch mobil sind (dementsprechend<br />
ist der Anteil an Zweit- und Firmenwohnungen sehr hoch). Die Nachfrager<br />
legen keinen bzw. nur einen geringen Wert auf die Einbindung in eine Nachbarschaft. Es<br />
entsteht ein sehr anonymes Wohnen, allerdings mit dem Vorteil einer repräsentativen und<br />
imagebehafteten Lage. Durch die Extrempreise ist der Kreis der Nachfrager sehr<br />
begrenzt. Verschärft wird die Situation, da in <strong>Berlin</strong> zurzeit mehrere Projekte diese kaufkräftige<br />
Nachfragergruppe ansprechen. Die Wohnungsangebote am Potsdamer Platz<br />
konkurrieren mit sehr exklusiven Neubauangeboten in repräsentativen Lagen wie z.B.<br />
am Gendarmenmarkt, im Klingelhöfer Dreieck <strong>oder</strong> in der Friedrichstraße. Für den<br />
Wohnstandort Friedrichstraße gelten ähnliche Charakteristika, wobei jedoch dem Faktor<br />
der prestigeträchtigen Lage deutlich mehr Gewicht beigemessen wird. Qualitativ hochwertige<br />
Wohnungen werden zu hohen Preisen vermarktet. Penthousewohnungen und<br />
größere Wohnungen mit über 100 m 2 (z.T. sind Wohnungen bis zu 300 m 2 zusammenlegbar)<br />
lassen sich in der Regel sehr gut vermarkten. Problematisch ist die Vermarktung der<br />
kleinen Wohnungen und der Wohnungen in den unteren Geschossen.<br />
Ein Wohnstandort mit derzeit beispielhafter Attraktivität ist die Spandauer Vorstadt, einer<br />
der begehrtesten und urbansten Wohnstandorte mit gewachsener und durchmischter<br />
Bebauung und Infrastruktur. Die aufwendig sanierten Altbauwohnungen sind gefragt, die<br />
Mieten und Kaufpreise stiegen in den vergangenen Jahren stark an. Neubauprojekte in<br />
der Spandauer Vorstadt sind zumeist Baulückenschließungen, die eine Angebotslücke an<br />
sehr großen Wohnungen, die im Altbaubestand nicht vorhanden sind, schließen (z.B.<br />
Quartier Kronberg an der Ziegelstraße/Tucholskystraße: 2.200 Euro/m 2 in den unteren<br />
Etagen bis 4.600 Euro/m 2 für Penthousewohnungen mit Blick über <strong>Berlin</strong>-Mitte). Die<br />
Vermarktung der Wohnungen sowohl im Altbau als auch in den Neubauprojekten, die<br />
eine Nische zum Bestand abdecken, verläuft erfolgreich. Vor allem große Wohnungen<br />
und große Loftwohnungen mit einer guten Möglichkeit zur individuellen Raumaufteilung<br />
und mit Wohnungsgrößen von mehr als 100 m 2 lassen sich gut vermarkten. Die Wohnungen<br />
in den Mischgebäuden liegen in der Regel in den oberen Etagen, wobei die<br />
Penthousewohnungen auf die größte Akzeptanz stoßen.<br />
Die Untergrenze der Kaufpreise im Neubau liegt zwischen 2.200 und 2.500 Euro/m 2 .<br />
In besseren Lagen und in den oberen Stockwerken werden Wohnungen für bis zu 5.000<br />
Euro/m 2 angeboten.<br />
23
24<br />
2.3.2 Typische Ein- und Zweifamilienhausprojekte<br />
Die Einfamilienhausstandorte, die in jüngster Zeit realisiert wurden bzw. sich in einem<br />
konkreten Umsetzungs- und Vermarktungsstand befinden, lassen sich verschiedenen Projekttypen<br />
zuordnen:<br />
a) „Städtische“ Haustypen mit geringer Akzeptanz<br />
Die Einfamilienhausanlagen auf den „Rudower Feldern“ und am Mohnweg in Altglienicke<br />
sind stark am Leitbild des „städtischen Einfamilienhauses“ orientierte Vorhaben,<br />
die vor allem auf die Nachfrage durch Schwellenhaushalte (Eigenheim statt<br />
Mietwohnung bei annähernd gleicher Belastung) und durch Haushalte, die ein<br />
„städtisches Ambiente“ bevorzugen, abzielen. Die dort realisierten Haustypen zeichnen<br />
sich durch eine schnörkellose bis strenge Architektur aus und setzen bewusst einen<br />
Kontrast zum traditionellen Eigenheim mit Spitzdach.<br />
Rudower Felder, Neukölln Mohnweg, Altglienecke<br />
Akzeptanz finden diese Häuser nur bei Haushalten, die unter keinen Umständen ins<br />
Umland gezogen wären, unter anderem weil sie auf eine Anbindung an den öffentlichen<br />
Nachverkehr angewiesen sind. Die Preise für einfache Reihenmittelhäuser ohne Keller<br />
liegen in beiden Objekten nur wenig unter 200.000 Euro; trotzdem wird der Preis von den<br />
Nachfragern neben der Lage (Standort in <strong>Berlin</strong>) als ausschlaggebendes Entscheidungskriterium<br />
genannt. Die Erwerber, für die das Eigenheim die Alternative zur Mietwohnung<br />
ist, sind Schwellenhaushalte, für die es in diesem Preissegment nur wenig Wahlmöglichkeiten<br />
gibt.<br />
Die Akzeptanz dieser Vorhaben ist mäßig. In Altglienicke standen etwa ein Jahr nach<br />
Fertigstellung noch etwa 50 % der Häuser leer; in den Rudower Feldern standen in dem<br />
Projekt der Bavaria ca. fünf Monate nach Fertigstellung der letzten Häuser noch etwa<br />
50 % der Einheiten leer, im Projekt der „Stadt und Land“ etwa drei Monate nach Fertigstellung<br />
der letzten Häuser noch etwa 20 %. Dort konnten vor allem die teureren Objekte<br />
mit größeren Wohnflächen und/<strong>oder</strong> Grundstücken nicht verkauft werden.
) Konventionelle Haustypen mit geringer Akzeptanz<br />
Die Projekte der Viterra/Veba in Mariendorf („Leben in Mariendorf“) und der Firma Zapf<br />
in Treptow („Späthsches Viertel“), sind Beispiele für Projekte, die eine konventionelle<br />
Reihenhaus-Qualität an relativ zentralen Standorten bieten. In beiden Fällen liegen die<br />
Projekte mehrere Kilometer näher an der Innenstadt als die Angebote in Rudow <strong>oder</strong> Altglienicke,<br />
im <strong>Fall</strong>e des Mariendorfer Projektes handelt es sich um einen Standort im<br />
Übergangsbereich zur offenen Stadtrandbebauung. Beide Projekte wurden zu vergleichsweise<br />
hohen Preisen angeboten; die Viterra-Häuser wurden anfangs zwischen 260.000<br />
Euro und 280.000 Euro verkauft, später sind die Preise auf etwas unter 260.000 Euro<br />
gesenkt worden. In Treptow wurden einfache Reihenhäuser mit kleinen Grundstücken<br />
überwiegend im Preissegment zwischen 230.000 Euro und 260.000 Euro angeboten.<br />
Doppelhaushälften kosteten zwischen 260.000 Euro und 280.000 Euro.<br />
Mariendorf, Tempelhof Späthsches Viertel, Treptow<br />
Beide Objekte werden aufgrund des Preisniveaus kaum noch von Schwellenhaushalten<br />
nachgefragt. Haushalte, die die Angebote finanzieren können, verfügen über Wahlmöglichkeiten<br />
und entscheiden sich häufig für Angebote, die als kleine Nachverdichtungen<br />
im Bestand realisiert werden. Beide Projekte sind relativ große Neubaugebiete (Späthsches<br />
Viertel 240 WE, Mariendorf: Verbindung mit größerem Geschosswohnungsbauprojekt,<br />
welches hohe Leerstände aufweist) und konnten nur sehr schleppend vermarktet<br />
werden.<br />
25
26<br />
c) Kleine und integrierte Projekte mit hoher Akzeptanz<br />
Beispiel für ein kleines Projekt, das auf einem Lückengrundstück in den vorhandenen<br />
Siedlungsbestand integriert wurde, ist die Bebauung an der „Rheinpfalzallee 59-65“<br />
in <strong>Berlin</strong> Lichtenberg. Es liegt in einem ruhigen und attraktiven, durch Stadtvillen und<br />
Einfamilienhäuser geprägten Wohngebiet in Karlshorst und stellt somit eine Alternative<br />
zu den oft großflächigen Neubauvorhaben in periphereren Lagen dar. Errichtet wurden<br />
acht Doppelhaushälften und sechs Einheiten in Reihenbauweise (2 Reihen à 3 WE), mit<br />
je 116 m 2 Wohnfläche. Die Grundstücksgrößen variieren zwischen 160 m 2 und 300 m 2 .<br />
Die einfache Gestaltung der Häuser wird durch Farbgestaltungen und Schmuckdetails <strong>–</strong><br />
wie Fensterläden <strong>–</strong> aufgelockert und aufgewertet. Die Häuser konnten relativ rasch zu<br />
Preisen um 200.000 Euro verkauft werden. Erwerber waren überwiegend Familien aus<br />
den Lichtenberger Innenstadtbereichen.<br />
Rheinlandpfalzallee, <strong>Berlin</strong> Karlshorst<br />
2.3.3 Verzögertes Reagieren auf die tatsächliche Nachfrage<br />
Die Wohnungsbauprojekte des letzten Jahrzehnts spiegeln die Transformation der Bautätigkeit<br />
und die sich allmählich durchsetzenden neuen Anforderungen an die Bauformen<br />
und Standorte in unterschiedlichen Stufen wieder. Über längere Phasen wurde in den<br />
alten Formen weitergebaut, weil die neue Nachfrage noch nicht sichtbar war und die<br />
Subventionen Risiken soweit verringerten, dass eine strikte Nachfrageorientierung nicht<br />
im Vordergrund der Überlegungen stand. In den letzten Jahren haben die Erfahrungen der<br />
Verluste durch die Leerstände die Investoren dazu gebracht, Jahr für Jahr eine stärkere<br />
Nachfrageorientierung bei ihren Planungen zu realisieren. Die Projekte zu verschiedenen<br />
Zeitpunkten demonstrieren diese allmähliche Umorientierung, die inzwischen weitgehend<br />
abgeschlossen ist. Angesichts der künftig fast ausschließlich strukturell bedingten<br />
Nachfrage am Neubaumarkt und der starken Stellung der Käufer und Mieter von neu<br />
gebauten Wohnungen, wird Nachfrageorientierung zu einer Voraussetzung des Investitionserfolges.<br />
In <strong>Berlin</strong> geht eine mehr als hundertjährige Geschichte der staatlichen<br />
Interventionen im Wohnungsbau zu Ende. Planung und Nachfrage müssen eine neue<br />
Symbiose finden.
3. Neubau trotz vorhandener Leerstände<br />
Wiederkehrende Leerstände sind auf den Märkten für Büroimmobilien ein bekanntes<br />
Phänomen. Sie entstehen dort immer wieder als Folge von Nachfrageüberschätzungen,<br />
als Folge der langwierigen Produktionsfristen, die dazu führen, dass in der Fertigstellungsphase<br />
ganz andere <strong>Markt</strong>verhältnisse bestehen als zum Planungszeitpunkt. Sie entstehen<br />
aus überraschenden Wenden der Zinspolitik und der Geldpolitik, die zu veränderten<br />
Finanzierungsbedingungen <strong>oder</strong> Nachfrageverhältnissen führen. Solche zyklischen<br />
Leerstände waren am <strong>Wohnungsmarkt</strong> ausgesprochen selten, weil die staatlichen Interventionen<br />
<strong>–</strong> vor allem bei der Bereitstellung von kostengünstigem Bauland <strong>–</strong> i. d. R. eine<br />
hohe Knappheit aufrechterhalten, so dass eine wirklich drastische Überproduktion nur<br />
selten auftritt.<br />
Der Anstieg der Wohnungsleerstände in <strong>Berlin</strong> zwischen 1995 und 2000 um bis zu<br />
100.000 Wohneinheiten bedeutet im Ergebnis, dass seitdem etwa 50 % der Fertigstellungen<br />
statistisch zu einer Erhöhung der Leerstände geführt haben. Der übersubventionierte<br />
<strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> erzeugte eine Kapitalfehllenkung. Der überwiegende<br />
Anteil des Geschosswohnungsbaus in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre wäre unter<br />
marktwirtschaftlichen Bedingungen kaum finanziert worden. Unterstellt man eine<br />
subventionsbedingte Überproduktion von rd. 60.000 Wohnungen bei 150.000 Euro<br />
Investitionskosten pro Wohnung, dann entspricht dies einer Kapitalfehlleitung von rd.<br />
9 Milliarden Euro. Bei einer Subventionsquote von 30 % ergäbe sich allein aus dem überhöhten<br />
Mietwohnungsbau der neunziger Jahre eine Belastung des Staatshaushalts von<br />
rd. 3 Milliarden Euro.<br />
Nicht jede Wohnungsproduktion, die zu Leerstand führt, bedeutet eine Fehllenkung von<br />
Kapital. Wenn die Wohnungsproduktion auch bei hohen Leerständen marktwirtschaftlich<br />
finanziert weitergeht und private Nachfrager bereit sind, die hohen Kosten zu tragen,<br />
so wird dadurch demonstriert, dass die historischen Bestände den gegenwärtigen und<br />
auch künftigen Ansprüchen in diesem Umfang nicht mehr entsprechen. Wie auch auf<br />
anderen Märkten führt der Wettbewerb zur ökonomischen Obsoleszens von Produkten,<br />
die technisch zumindest teilweise durchaus funktionsfähig sind, aber in ihrer Qualität<br />
hinter m<strong>oder</strong>nen Ansprüchen zurückbleiben. Ganz offensichtlich sind gleichzeitig auch<br />
die M<strong>oder</strong>nisierungskosten so hoch, dass eine Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr hergestellt<br />
werden kann.<br />
Die Abbildungen 3 und 4 zeigen das Ausmaß und die Verteilung der Leerstände. Insgesamt<br />
erreicht der Wohnungsüberschuss in der Region etwa 200.000, davon gut 150.000<br />
in <strong>Berlin</strong>. Wie nicht anders zu erwarten, konzentriert sich der Leerstand überwiegend auf<br />
den Mietwohnungsbestand.<br />
Die Informationen über die Größe und die Struktur der Leerstände sind unsicher. So ist<br />
insbesondere der Anteil an Überschusswohnungen unbekannt, der von den Eigentümern<br />
vom <strong>Markt</strong> zurückgezogen wurde und nicht mehr aktiv angeboten wird. Solche „ausgebuchten“<br />
Wohnungen gehen in ihrer Entstehung z. T. noch auf die Zeit vor der Wende<br />
zurück. Allerdings haben auch Wohnungsunternehmen, in deren Siedlungen sich Leer-<br />
27
28<br />
stände konzentrieren, inzwischen einzelne Gebäude zumindest „eingemottet“ <strong>oder</strong> auch<br />
endgültig stillgelegt (Türen und Fenster zugemauert, Leitungssysteme gekappt). Über das<br />
Ausmaß dieser ausgebuchten Bestände kann man nur spekulieren. Expertenmeinungen<br />
und einzelne Indikatoren deuten daraufhin, dass von den Leerstandswohnungen in <strong>Berlin</strong><br />
etwa 100.000 noch aktiv am <strong>Markt</strong> angeboten werden.<br />
Die künftige Neubautätigkeit und die Nachfrageentwicklung werden darüber entscheiden,<br />
ob sich die Leerstandsentwicklung stabilisiert. Die Erfahrung mit anderen Städten<br />
zeigt, dass im Laufe einer Verfestigung des Wohnungsüberschusses die Leerstände mehr<br />
und mehr zu den schlechten Wohnungsbeständen „heruntersickern“ und sich dort allmählich<br />
in bestimmten Gebäuden konzentrieren. Im Laufe der Zeit werden so durch die<br />
<strong>Markt</strong>prozesse wirtschaftlich abgestorbene Bestände herausgefiltert, die auch schwer<br />
wieder in eine Nutzung zurückgeholt werden können. Der Prozess ist in verschiedenen<br />
ostdeutschen Städten schon sehr viel weiter fortgeschritten als in <strong>Berlin</strong> und lässt sich<br />
deshalb in seinem Ablauf vorhersehen. Die Erfahrungen zeigen dort auch, dass vor allem<br />
kleine Wohnungen, hoch verdichtete Bestände sowie abgewohnte Altbauten in ungünstigen<br />
Lagen überdurchschnittlich vom Leerstand bedroht sind. Die Beobachtungen in<br />
<strong>Berlin</strong> zeigen ähnliche Tendenzen.
Abbildung 3<br />
Wohnungen<br />
in 1.000<br />
2.000<br />
1.800<br />
1.600<br />
1.400<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
Leerstände im <strong>Berlin</strong>er Wohnungsbestand<br />
<strong>Berlin</strong><br />
Bestand absolut<br />
Mietwohneinheiten<br />
Quelle: Mikrozensus Zusatzerhebung 1998<br />
<strong>Berlin</strong>-West <strong>Berlin</strong>-Ost<br />
Eigentümerwohneinheiten<br />
leer stehende Wohneinheiten<br />
empirica<br />
29
30<br />
Abbildung 4<br />
Leerstände in <strong>Berlin</strong> nach Wohnungsbestandstypen<br />
Wohnungen<br />
in 1.000<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Ein- und<br />
Zweifamilienhäuser<br />
Klein- und<br />
vorstädt.<br />
Geschosswohnungen<br />
Bestand absolut<br />
Quelle: Mikrozensus Zusatzerhebung 1998<br />
Innerstädt.<br />
Geschosswohnungen<br />
Gebäudetyp<br />
Plattenbauten<br />
davon Leerstand<br />
Neugebaute<br />
Geschosswohnungen<br />
empirica
C: NACHFRAGE FÜR WOHNANGEBOTE IN DER<br />
REGION BERLIN<br />
1. Bevölkerungsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong> in den neunziger<br />
Jahren<br />
1.1 Schrumpfung der <strong>Berlin</strong>er Bevölkerung bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum<br />
im Umland<br />
In der Region <strong>Berlin</strong> (Land <strong>Berlin</strong> und brandenburgische Gemeinden des engeren Verflechtungsraums)<br />
lebten 2000 rd. 4,3 Mio. Einwohner, davon rd. 3,4 Mio. (fast 80 %)<br />
in der Kernstadt und rd. 0,9 Mio. im engeren Verflechtungsraum (vgl. Abbildung 5). Insgesamt<br />
ist die Zahl der Einwohner in der Region seit 1990 um rd. 106.000 (plus 2,5 %)<br />
gestiegen (vgl. Abbildung 6). Entgegen den optimistischen Wachstumserwartungen für<br />
<strong>Berlin</strong> (plus 300.000 bis 2015) schrumpfte die Bevölkerung in der Kernstadt bis 2000<br />
um etwa 52.000 (minus 1,5 %) bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum im engeren<br />
Verflechtungsraum um über 158.000 (plus 20 %).<br />
In den ersten Jahren nach der Wende erhöhte sich die Einwohnerzahl in der Kernstadt<br />
(vgl. Abbildung 7), da es bis 1995 einen Wanderungsgewinn (knapp 100.000<br />
Personen) vornehmlich durch Zuwanderung aus dem Ausland gab (jährlich zwischen<br />
15.000 und 35.000 Personen). Der Zuwanderungsgewinn aus den neuen Bundesländern 2<br />
war deutlich geringer: Er sank von über 6.000 (1991) auf unter 1.000 (1995). Der Wanderungssaldo<br />
mit Westdeutschland blieb in der ersten Hälfte der neunziger Jahre negativ.<br />
Seit 1996 hat in <strong>Berlin</strong> ein Schrumpfungsprozess eingesetzt. Die seit etwa 1994 deutlich<br />
spürbare Umlandabwanderung führte zusammen mit dem extremen Rückgang der<br />
Zuwanderung aus dem Ausland (nach 1996) zu einem Bevölkerungsverlust. Der bisherige<br />
Tiefstand des Wanderungssaldos wurde 1997 erreicht (im Saldo knapp minus 30.000<br />
Personen).<br />
2 Ohne Umlandgemeinden<br />
31
32<br />
Abbildung 5<br />
Die Region <strong>Berlin</strong> (Kernstadt und Umland)<br />
und ihre Lage im Land Brandenburg<br />
Landkreise Brandenburg<br />
Stadt <strong>Berlin</strong><br />
Umland = engerer Verflechtungsraum<br />
empirica
Abbildung 6<br />
Bevölkerungsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong><br />
1990 bis 2000 [Personen]<br />
Bevölkerungsentwicklung<br />
(Indexiert 1990 = 100)<br />
130<br />
120<br />
110<br />
100<br />
90<br />
1990 1991<br />
Umland<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
<strong>Berlin</strong> Gesamte Region<br />
empirica<br />
33
34<br />
Abbildung 7<br />
Wanderungssaldo<br />
[Personen]<br />
40.000<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
- 10.000<br />
- 20.000<br />
- 30.000<br />
1991<br />
Wanderungssalden nach Herkunftsgebieten <strong>–</strong><br />
<strong>Berlin</strong> [Personen]<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Wanderungssaldo Ausland<br />
Wanderungssaldo<br />
<strong>Berlin</strong>er Umland<br />
Wanderungssaldo insgesamt<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
Wanderungssaldo alte Bundesländer<br />
Wanderungssaldo neue<br />
Bundesländer ohne Umland<br />
empirica
1.2 Wachsende Umzüge ins Umland<br />
Das Bevölkerungswachstum im Umland ist überwiegend (ca. 80 %) auf Zuwanderung<br />
aus der Kernstadt zurückzuführen (vgl. Abbildungen 8 und 9). Insgesamt sind in den letzten<br />
zehn Jahren mehr als 240.000 Personen von <strong>Berlin</strong> in das Umland gezogen.<br />
● Die Wanderungen aus der Kernstadt erreichten 1998 ihren Höhepunkt mit einem<br />
Wegzug von rd. 41.500 Personen.<br />
● Nur mit den neuen Bundesländern hat das Umland noch einen relevanten Wanderungsüberschuss<br />
(zuletzt etwa 3.600 Personen jährlich). Die Wanderungssalden mit<br />
den anderen Herkunftsgebieten spielen keine Rolle: Seit 1995 halten sich die<br />
Zu- und Abwanderungen aus dem Ausland in etwa die Waage. Gegenüber Westdeutschland<br />
bestehen keine nennenswerten Salden. Im Jahr 2000 war die Wanderungsbilanz<br />
zwischen den alten Ländern negativ (minus 500 Personen).<br />
Die hohen Bevölkerungszunahmen im Umland sind eine Folge der relativen Attraktivitätsgewinne<br />
des Umlands gegenüber <strong>Berlin</strong>. Der ab 1994 in <strong>Berlin</strong> einsetzende Bauboom<br />
stützte sich überwiegend auf den Geschosswohnungsbau. Das Angebot an kleinteiligen<br />
Bauformen, insbesondere die Angebote an Ein- und Zweifamilienhäusern, blieb<br />
knapp. Die Folge war eine selektive Abwanderung von Haushalten mit Kindern, die<br />
durch beträchtliche Baulandausweisungen der Brandenburger Gemeinden und eine zunehmende<br />
Konkurrenz starker nationaler wie auch internationaler Anbieter im <strong>Berlin</strong>er<br />
Umland viele Möglichkeiten zum Erwerb eines Eigenheims hatten (zwischen 1992 und<br />
1999: im Umland ein Angebot von 40.000 Ein- und Zweifamilienhäusern im Unterschied<br />
zu 19.000 in <strong>Berlin</strong>).<br />
Unter anderem durch die forcierte Abwanderung in das <strong>Berlin</strong>er Umland nehmen die<br />
Fluktuation und die Leerstände bei den weniger attraktiven Wohngebieten zu. Dies wiederum<br />
führt zu finanziellen Nachteilen für <strong>Berlin</strong> und zu einer sozialen Segregation zwischen<br />
<strong>Berlin</strong> und dem Umland einerseits und attraktiven und unattraktiven Wohngebieten<br />
innerhalb <strong>Berlin</strong>s andererseits (mit entsprechenden Begleitkosten).<br />
35
36<br />
Abbildung 8<br />
Abwanderung aus <strong>Berlin</strong> nach Zielgebieten [Personen]<br />
Abwanderung nach Zielgebieten<br />
[Personen]<br />
160.000<br />
140.000<br />
120.000<br />
100.000<br />
80.000<br />
60.000<br />
40.000<br />
20.000<br />
0<br />
1991<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Abwanderung<br />
<strong>Berlin</strong>er Umland<br />
Abwanderung Ausland<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />
Abwanderung neue Bundesländer<br />
ohne Umland<br />
Abwanderung alte Bundesländer<br />
empirica
Abbildung 9<br />
Wanderungssalden nach Herkunftsgebieten <strong>–</strong> Umland [Personen]<br />
Wanderungssaldo<br />
[Personen]<br />
35.000<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
- 5.000<br />
1991<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Wanderungssaldo mit dem<br />
Ausland<br />
Wanderungssaldo mit den<br />
neuen Bundesländern<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
Wanderungssaldo mit den alten<br />
Bundesländern<br />
Wanderungssaldo mit <strong>Berlin</strong><br />
Wanderungssaldo gesamt<br />
empirica<br />
37
38<br />
1.3 Wanderungsgewinne als Motor des Bevölkerungswachstums<br />
in der Region<br />
Der natürliche Bevölkerungsrückgang von 122.000 Einwohnern in der Region konnte<br />
durch einen Wanderungsüberschuss von etwa 224.000 Personen (seit 1991) ausgeglichen<br />
werden.<br />
● Durch den Sterbeüberschuss 3 verringerte sich die Einwohnerzahl in <strong>Berlin</strong> um knapp<br />
90.000 Einwohner und im Umland um rd. 32.000. Dabei nimmt die natürliche Bevölkerungsschrumpfung<br />
in der Region aufgrund zurückgehender Sterbeüberschüsse<br />
ab (in der Region von 17.000 Personen auf etwa 5.000 Personen, vgl. Abbildung 11).<br />
● In <strong>Berlin</strong> werden die Sterbeüberschüsse seit 1993 nicht mehr durch Wanderungsgewinne<br />
ausgeglichen (vgl. Abbildung 10). In der Gesamtregion sind die Wanderungsgewinne<br />
mit Ausnahme des Jahres 1997 deutlich höher als die natürliche Bevölkerungsabnahme<br />
(vgl. Abbildung 11).<br />
3 Saldo aus Geburten und Sterbefällen
Abbildung 10<br />
Bevölkerungsentwicklung 1991 bis 2000 in <strong>Berlin</strong> [Personen]<br />
Bevölkerungssaldo<br />
[Personen]<br />
40.000<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
- 10.000<br />
- 20.000<br />
- 30.000<br />
- 40.000<br />
1991<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Saldo Zu- und Fortzüge<br />
Saldo Geburten- und Sterbefälle<br />
Bevölkerungszunahme bzw. -abnahme<br />
empirica<br />
39
40<br />
Abbildung 11<br />
Bevölkerungssaldo<br />
[Personen]<br />
40.000<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
- 10.000<br />
- 20.000<br />
- 30.000<br />
1991<br />
Bevölkerungsentwicklung 1991 bis 2000<br />
in der Region <strong>Berlin</strong> [Personen]<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Saldo Zu- und Fortzüge<br />
Saldo Geburten- und Sterbefälle<br />
Bevölkerungszunahme bzw. -abnahme<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
empirica
2. Haushaltsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong> in den neunziger Jahren<br />
Die Zahl der Haushalte in der Region ist zwischen 1993 und 2000 um knapp 90.000<br />
kontinuierlich auf ca. 2,2 Mio. Haushalte gestiegen (Zunahme um etwa 4 %). Dabei stieg<br />
die Zahl der Haushalte im Umland durch Zuwanderung um 21 % (rd. 70.000 Haushalte),<br />
in <strong>Berlin</strong> gab es im Jahr 2000 nur 1 % (bzw. 18.600 Haushalte) mehr Haushalte als 1993<br />
(vgl. Abbildung 12). Nicht zuletzt durch diese räumlichen Verlagerungen sank die Haushaltsgröße<br />
in der Kernstadt auf 1,86 Personen im Jahr 2000 (1993: 1,93) und blieb im<br />
Umland mit 2,33 Personen (1993: 2,34) weitgehend unverändert.<br />
Die Abbildungen 13 und 14 zeigen die unterschiedliche Entwicklung der Haushaltstypen<br />
in <strong>Berlin</strong> bzw. dem Umland: Während in <strong>Berlin</strong> der Anteil der Haushalte mit drei Personen<br />
von 13,2 % (1993) auf 11,3 % in 2000 zurückgegangen ist (absoluter Rückgang um<br />
etwa 33.000 Dreipersonenhaushalte), ist der Anteil dieser Haushalte im Umland leicht<br />
angestiegen (absoluter Anstieg um etwa 13.600 Dreipersonenhaushalte).<br />
41
42<br />
Abbildung 12<br />
2.000<br />
1.800<br />
1.600<br />
1.400<br />
1.200<br />
1.000<br />
Entwicklung der Haushalte in der Region <strong>Berlin</strong><br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
Anzahl der Haushalte<br />
in Tausend<br />
Personen<br />
pro Haushalt<br />
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />
Haushalte <strong>Berlin</strong> Personen pro Haushalt <strong>Berlin</strong><br />
Haushalte Umland<br />
Personen pro Haushalt Umland<br />
2,50<br />
2,40<br />
2,30<br />
2,20<br />
2,10<br />
2,00<br />
1,90<br />
1,80<br />
1,70<br />
1,60<br />
1,50<br />
empirica
Abbildung 13<br />
Verteilung der Haushalte nach<br />
Größe in % aller Haushalte<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0<br />
Entwicklung der Haushaltstypen in <strong>Berlin</strong><br />
2,64 %<br />
45,87 %<br />
29,71 %<br />
13,22 %<br />
8,56 %<br />
1993 2000<br />
Einpersonenhaushalte<br />
Zweipersonenhaushalte<br />
Dreipersonenhaushalte<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />
47,50 %<br />
31,75 %<br />
11,27 %<br />
7,24 %<br />
2,25 %<br />
Vierpersonenhaushalte<br />
Fünf Personen und mehr<br />
empirica<br />
43
44<br />
Abbildung 14<br />
Verteilung der Haushalte nach<br />
Größe in % aller Haushalte<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0<br />
Entwicklung der Haushaltstypen im Umland<br />
3,92 %<br />
26,84 %<br />
33,04 %<br />
19,41 %<br />
16,78 %<br />
1993 2000<br />
Einpersonenhaushalte<br />
Zweipersonenhaushalte<br />
Dreipersonenhaushalte<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />
29,57 %<br />
35,62 %<br />
19,45 %<br />
12,70 %<br />
2,65 %<br />
Vierpersonenhaushalte<br />
Fünf Personen und mehr<br />
empirica
3. Wanderungsbewegungen als Folge veränderter <strong>Markt</strong>verhältnisse<br />
in <strong>Berlin</strong><br />
Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Markt</strong> hat sich innerhalb weniger Jahre von einem angebotsgesteuerten<br />
<strong>Markt</strong> zu einem <strong>Markt</strong> mit Angebotsüberhängen in verschiedenen <strong>Markt</strong>segmenten entwickelt.<br />
Entsprechend kam es seit der Wende zu erheblichen wanderungsbedingten<br />
Verschiebungen der Zahl der Einwohner zwischen den Bezirken (vgl. Abbildung 15). Die<br />
Ursachen dafür sind von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich. In manchen Fällen sind<br />
starke Wanderungsgewinne auf eine starke Erhöhung des Wohnungsangebotes zurückzuführen<br />
(z.B. Weißensee). Eine überdurchschnittlich starke Abwanderung kann auf ein<br />
Wohnungsangebot zurückzuführen sein, dass den Bedürfnissen der ursprünglichen<br />
Wohnbevölkerung nicht angemessen war; in diesen Fällen hat die Abwanderung in der<br />
Regel ein Ansteigen der Leerstände zur Folge, sofern sich nicht neue Nachfragegruppen<br />
finden, die das Wohnungsangebot annehmen (z.B. Friedrichshain, vgl. Abbildung 18).<br />
Die Neubautätigkeit ist sehr stark durch die Verfügbarkeit von Bauland bestimmt. Insofern<br />
ist ein hohes Anwachsen der Bevölkerung nicht automatisch ein Indikator für eine<br />
besonders hohe Attraktivität eines Bezirks, sondern zunächst ein Indikator für große<br />
Baulandpotenziale. Die überdurchschnittliche Neubautätigkeit bei gleichzeitiger Akzeptanz<br />
der fertig gestellten Wohnungen führt zu einer Zuwanderung und einer deutlichen<br />
Erhöhung der Einwohnerzahlen. Dort, wo frei finanzierte Eigenheime und Mietwohnungen<br />
errichtet werden, dürfte der Neubau auch immer Attraktivitätsmerkmal sein.<br />
In der Umkehrung führt ein hoher Anteil unattraktiver und „abgewohnter“ Wohnungsbestände<br />
bei gleichzeitig günstigen <strong>Wohnungsmarkt</strong>bedingungen dazu, dass ein entsprechender<br />
Anteil der Einwohner abwandern konnte.<br />
Neben einer Abwanderung aus unattraktiven Beständen kann eine Abwanderung auch<br />
Reflex einer Wohlstandssteigerung <strong>oder</strong> auch einer veränderten Altersschichtung sein. So<br />
führt eine überdurchschnittliche Quote von Einwohnern zwischen 20 und 30 zu einer<br />
überdurchschnittlichen Zahl neu gegründeter Haushalte. Sofern ein entsprechendes Angebot<br />
an dem bisherigen Standort nicht verfügbar ist, kommt es zu einer Abwanderung<br />
als Konsequenz der Altersschichtung. Ähnlich wirkt sich ein steigendes Einkommen aus,<br />
das zu steigenden Wohnflächen je Einwohner führt. Fehlendes Bauland in den Wohngebieten<br />
solcher „Aufsteigerhaushalte“ führt dann zu einer sinkenden Zahl der Einwohner<br />
und zu Abwanderung. Abwanderung und zurückgehende Einwohnerzahlen sind deshalb<br />
nicht zwangsläufig ein Indikator für eine geringe Akzeptanz von Wohngebieten, sondern<br />
können auch ein Indikator für steigende Wohnflächenansprüche der Bewohner sein (z.B.<br />
Mitte).<br />
45
46<br />
Abbildung 15<br />
Wanderungssalden, Leerstände und Bautätigkeit<br />
in den <strong>Berlin</strong>er Bezirken<br />
Weißensee<br />
Pankow<br />
Treptow<br />
Köpenick<br />
Zehlendorf<br />
Tempelhof<br />
Steglitz<br />
Spandau<br />
Reinickendorf<br />
Wilmersdorf<br />
Neukölln<br />
Friedrichshain<br />
Charlottenburg<br />
Hellersdorf<br />
Prenzlauer Berg<br />
Schöneberg<br />
Tiergarten<br />
Lichtenberg<br />
Wedding<br />
Mitte<br />
Hohenschönhausen<br />
Kreuzberg<br />
Marzahn<br />
Fertiggestellte Wohnungen je<br />
1.000 Einwohner (1992 bis 2000)<br />
- 40 0 40 80 120 160 200 240 280<br />
im Geschosswohnungsbau<br />
im individuellen<br />
Wohnungsbau<br />
Durchschnittlicher Wanderungssaldo je<br />
1.000 Einwohner jährlich (1992 bis 2000)<br />
Leerstehende Wohnungen je 1.000 Haushalte<br />
(Zusatzerhebung Mikrozensus 1998)<br />
Quelle: Bautätigkeitsstatistik, Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998, Wanderungsstatistik<br />
empirica
Die Wanderungen bzw. Veränderungen der Einwohnerzahl in den einzelnen Bezirken<br />
<strong>Berlin</strong>s müssen angesichts solch komplexer Ursachen jeweils von <strong>Fall</strong> zu <strong>Fall</strong> interpretiert<br />
werden. Die Abbildung 15 zeigt die Neubautätigkeit in den einzelnen Bezirken (bezogen<br />
auf 1.000 Einwohner) und die Höhe der Leerstände. Das Zusammenwirken verschiedener<br />
Faktoren lässt sich an einigen extremen Beispielen verdeutlichen:<br />
● Das Abwanderungsvolumen ist in Weißensee seit 1994/1995 fast konstant. Durch die<br />
überdurchschnittliche Zuwanderung, in erster Linie <strong>Berlin</strong>er, gewinnt Weißensee<br />
Einwohner (vgl. Abbildung 16). Der Bevölkerungszuwachs von Weißensee ist die<br />
Folge der günstigen Baumöglichkeiten. Die Leerstände sind gleichzeitig durchschnittlich,<br />
das bedeutet, dass der vorhandene Bestand ausreichend attraktiv ist.<br />
● Der Rückgang der Einwohnerzahl in Zehlendorf bei niedriger Bautätigkeit ist ein<br />
Ergebnis der steigenden wohlstandsbedingten Nachfrage, die durch behördliche<br />
Angebotsausweitung nicht befriedigt werden kann (vgl. Abbildung 17). Der Rückgang<br />
der Einwohnerzahl ist hier Zeichen einer hohen Attraktivität des Bezirkes und<br />
kein Zeichen einer „Bezirksflucht“.<br />
● Extrem hoch sind die Leerstände in Friedrichshain. In Friedrichshain war die<br />
Neubautätigkeit gering, was angesichts der Lage des Bezirks in der Stadt und dem<br />
damit verbundenen geringen Baulandpotenzial nicht überrascht. Die hohen Leerstände<br />
sind ganz offensichtlich Zeichen eines hohen Anteils unattraktiver Bestände.<br />
Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass große Sanierungsgebiete umbaubedingte<br />
Leerstände hervorrufen und in der Folgezeit der Leerstand zurückgehen kann. Hier<br />
wird dann allerdings der Effekt zu beobachten sein, dass die Wiedernutzung bisher<br />
leerer Altbauten wahrscheinlich in anderen, bisher bewohnten Wohnungen, zu Leerständen<br />
führt.<br />
Diese drei Bezirksbeispiele zeigen die unterschiedlichen Kombinationen von Angebot<br />
und Nachfrage sowie die unterschiedlichen Auswirkungen der örtlichen Baulandvorräte<br />
bzw. verfügbaren Bauqualitäten. Schon das grobe statistische Bild in den einzelnen<br />
Bezirken macht deutlich, wie komplex die Wirkungsverflechtungen sind, die künftig bei<br />
Maßnahmen der Baulandpolitik, der Stadtsanierung und der Abrisspolitik berücksichtigt<br />
werden müssen.<br />
47
48<br />
Abbildung 16<br />
Fort-/Zuzüge Weißensee<br />
[Personen je 1.000 Einwohner]<br />
180<br />
140<br />
100<br />
60<br />
20<br />
0<br />
- 20<br />
- 60<br />
- 100<br />
1991<br />
Zu- und Fortzüge in Weißensee<br />
[Personen je 1.000 Einwohner*]<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Zu-/Fortzüge ins Ausland<br />
Zu-/Fortzüge in die alten Länder<br />
Zu-/Fortzüge ins Umland Zu-/Fortzüge in die neuen Länder<br />
ohne Umland<br />
Zu-/Fortzüge in andere Bezirke Wanderungssaldo insgesamt<br />
*Einwohnergewichtung 31.12. des jeweiligen Jahres<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />
empirica
Abbildung 17<br />
Fort-/Zuzüge Zehlendorf<br />
[Personen je 1.000 Einwohner]<br />
120<br />
80<br />
40<br />
0<br />
- 40<br />
- 80<br />
- 120<br />
1991<br />
Zu- und Fortzüge im Stadtteil Zehlendorf<br />
[Personen je 1.000 Einwohner*]<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Zu-/Fortzüge ins Ausland<br />
Zu-/Fortzüge in die alten Länder<br />
Zu-/Fortzüge ins Umland Zu-/Fortzüge in die neuen Länder<br />
ohne Umland<br />
Zu-/Fortzüge in andere Bezirke Wanderungssaldo insgesamt<br />
*Einwohnergewichtung 31.12. des jeweiligen Jahres<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />
empirica<br />
49
50<br />
Abbildung 18<br />
Fort-/Zuzüge Friedrichshain<br />
[Personen je 1.000 Einwohner]<br />
180<br />
140<br />
100<br />
60<br />
20<br />
0<br />
- 20<br />
- 60<br />
- 100<br />
- 140<br />
- 180<br />
1991<br />
Zu- und Fortzüge in Friedrichshain<br />
[Personen je 1.000 Einwohner*]<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Zu-/Fortzüge ins Ausland<br />
Zu-/Fortzüge in die alten Länder<br />
Zu-/Fortzüge ins Umland Zu-/Fortzüge in die neuen Länder<br />
ohne Umland<br />
Zu-/Fortzüge in andere Bezirke Wanderungssaldo insgesamt<br />
*Einwohnergewichtung 31.12. des jeweiligen Jahres<br />
Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />
empirica
4. Wanderungen im <strong>Berlin</strong>er Umland<br />
Die Wanderungsbewegungen im <strong>Berlin</strong>er Umland, insbesondere die Zuwanderungen aus<br />
der Kernstadt, sind in hohem Maße durch die im Umland stattfindende Bautätigkeit<br />
beeinflusst (vgl. Abbildungen 19 bis 21). Dies gilt insbesondere für den Ein-/Zweifamilienhausbau,<br />
wohingegen der Geschosswohnungsbau zu einem hohen Teil von überwiegend<br />
lokalen Nachfragern absorbiert wird. Insgesamt wurden zwischen 1992 und 1999<br />
mehr als 40.000 Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern in den knapp 250<br />
Gemeinden im Umland gebaut. Etwa die Hälfte dieser Bautätigkeit erfolgte in 30<br />
Gemeinden. Die Gemeinden mit dem größten Anteil am regionalen Ein-/Zweifamilienhausbau<br />
(ab jeweils 1.000 Wohneinheiten zwischen 1992 und 1999 kumuliert) sind die<br />
Stadt Falkensee, Zepernick, Neuenhagen, Hohen Neuendorf, Fredersdorf-Vogelsdorf,<br />
Hönow und Kleinmachnow. Die Abbildungen 19 und 20 zeigen die Verteilung der<br />
Bautätigkeit im <strong>Berlin</strong>er Umland und die daraus resultierenden Wanderungsbewegungen.<br />
51
52<br />
Abbildung 19<br />
Baufertigstellungen 1991 bis 1999 in <strong>Berlin</strong> und dem Umland<br />
[Wohnungen je 1.000 Einwohner*]<br />
Havelland<br />
Brandenburg<br />
a. d. Havel<br />
Baufertigstellungen: Neue Wohneinheiten<br />
pro. 1.000 Einwohner 1991 bis 1999<br />
0 <strong>–</strong> 50<br />
50 <strong>–</strong> 100<br />
100 <strong>–</strong> 150<br />
150 <strong>–</strong> 200<br />
200 <strong>–</strong> 350<br />
350 <strong>–</strong> 500<br />
500 <strong>–</strong> 700<br />
Ostprignitz-<br />
Ruppin<br />
Potsdam -<br />
Mittelmark<br />
Potsdam<br />
Kreis- und Bezirksgrenzen<br />
Oberhavel<br />
Teltow-Fläming<br />
Barnim<br />
*Einwohnergewichtung 31.12. des jeweiligen Jahres<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
Dahme-<br />
Spreewald<br />
Märkisch -<br />
Oderland<br />
Oder - Spree<br />
Brandenburg, <strong>Berlin</strong> und<br />
engerer Verflechtungsraum<br />
Kartographie © empirica<br />
empirica
Abbildung 20<br />
Havelland<br />
Brandenburg<br />
a. d. Havel<br />
Fortzüge aus <strong>Berlin</strong> ins Umland 1991-1999<br />
[Personen je 1.000 Einwohner]*<br />
Zuzüge aus <strong>Berlin</strong> 1991-1999<br />
900 <strong>–</strong> 1000<br />
750 <strong>–</strong> 900<br />
600 <strong>–</strong> 750<br />
450 <strong>–</strong> 600<br />
300 <strong>–</strong> 450<br />
150 <strong>–</strong> 300<br />
100 <strong>–</strong> 150<br />
50 <strong>–</strong> 100<br />
25 <strong>–</strong> 50<br />
0 <strong>–</strong> 25<br />
Ostprignitz-<br />
Ruppin<br />
Potsdam -<br />
Mittelmark<br />
Potsdam<br />
Oberhavel<br />
Teltow-Fläming<br />
* Bevölkerungsstand 31.12.1998<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
Barnim<br />
Dahme-<br />
Spreewald<br />
Märkisch -<br />
Oderland<br />
Oder - Spree<br />
Brandenburg, <strong>Berlin</strong> und<br />
engerer Verflechtungsraum<br />
Kartographie © empirica<br />
empirica<br />
53
54<br />
Abbildung 21<br />
Zu- und Fortzüge aus den <strong>Berlin</strong>er Bezirken ins Umland<br />
von 1991 bis Juni 2000<br />
[Personen je 1.000 Einwohner]*<br />
Havelland<br />
Brandenburg<br />
a. d. Havel<br />
Ostprignitz-<br />
Ruppin<br />
Potsdam -<br />
Mittelmark<br />
Bevölkerungsveränderungen pro 1.000 EW<br />
-200 <strong>–</strong> -1000<br />
-100 <strong>–</strong> 0<br />
0 <strong>–</strong> 500<br />
500 <strong>–</strong> 1000<br />
1000 <strong>–</strong> 1500<br />
1500 <strong>–</strong> 2000<br />
2000 <strong>–</strong> 2500<br />
2500 <strong>–</strong> 3000<br />
3000 <strong>–</strong> 3500<br />
3500 <strong>–</strong> 4000<br />
Potsdam<br />
Oberhavel<br />
Teltow-Fläming<br />
* Bevölkerungsstand 31.12.1998<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
Barnim<br />
Dahme-<br />
Spreewald<br />
Märkisch -<br />
Oderland<br />
Oder - Spree<br />
Brandenburg, <strong>Berlin</strong> und<br />
engerer Verflechtungsraum<br />
Kartographie © empirica<br />
empirica
D: ZUKÜNFTIGE NACHFRAGETENDENZEN AUF DEM<br />
BERLINER WOHNUNGSMARKT<br />
1. Quantitative Haushaltsentwicklung in <strong>Berlin</strong> bis 2030<br />
Die hier vorliegende Prognose der Haushaltsentwicklung für <strong>Berlin</strong> basiert auf einer<br />
Modellrechnung, in der, ausgehend von der aktuellen Alters- und Haushaltsstruktur und<br />
unter Zugrundelegung unterschiedlicher Wanderungsszenarien, die zukünftigen Haushaltsstrukturen<br />
simuliert werden. 4 Im Unterschied zu üblichen Haushaltsprognosen,<br />
die lediglich ex-post Entwicklungen in die Zukunft projizieren, wird hier nach Nachfragetypen<br />
(Alters- und Haushaltsstruktur) differenziert.<br />
Die drei Prognosen (vgl. Abbildung 22) unterscheiden sich durch unterschiedliche<br />
Annahmen der Wanderungsintensität:<br />
● Trendprognose: Ausgeglichener Saldo zwischen Zu- und Abwanderung mit dem<br />
Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet.<br />
● 100.000 Variante: Jährlich zusätzlich 100.000 Personen Nettozuwanderung (Saldo<br />
zwischen Zu- und Abwanderung mit dem Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet).<br />
● 200.000 Variante: Jährlich zusätzlich 200.000 Personen Nettozuwanderung (Saldo<br />
zwischen Zu- und Abwanderung mit dem Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet).<br />
Die drei Haushaltsprognosen 5 sind strukturell ähnlich, d.h. die Entwicklung verläuft bei<br />
allen Varianten parallel, allerdings auf unterschiedlichem Niveau. Bei keiner der Varianten<br />
gibt es einen relevanten Haushaltszuwachs, im Gegenteil, in der langfristigen<br />
Perspektive nehmen die Haushaltszahlen stark ab.<br />
● Bei der Trendvariante beträgt der Verlust bis zum Jahr 2005 jährlich rd. 6.000 Haushalte,<br />
bei den anderen beiden Varianten 3.200 bzw. 3.500 jährlich.<br />
● Danach gibt es nur noch bei der 100.000 Variante bis zum Jahr 2015 einen jährlichen<br />
Zuwachs von etwa 2.000 Haushalten und bei der 200.000 Variante bis 2020 eine<br />
Zunahme um 2.500 Haushalte im Jahr.<br />
4 Die Basis bildet die 9. koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung.<br />
5 Die zukünftige Haushaltsverkleinerung ist bei der Prognose berücksichtigt (Vgl. Kapitel D:2.1). Ohne<br />
Berücksichtigung der anhaltenden Haushaltsverkleinerung würde z.B. die Prognose bei der 100.000<br />
Variante um fast 14.000 Haushalte niedriger liegen als die angegebenen 1.716.400.<br />
55
56<br />
Abbildung 22<br />
Zahl der Haushalte<br />
[in 1.000]<br />
1.900<br />
1.850<br />
1.800<br />
1.750<br />
1.700<br />
1.650<br />
1.600<br />
Prognose der Haushaltszahlen für <strong>Berlin</strong><br />
bis 2030 [Haushalte]<br />
1996 2000 2005 2010 2015<br />
100.000 Variante<br />
200.000 Variante<br />
Trendvariante<br />
Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />
2020 2025 2030<br />
empirica
2. Zukünftige Haushaltstypen für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong> 6<br />
2.1 Zunahme der Seniorenhaushalte bei gleichzeitiger Abnahme der jüngeren<br />
Haushalte<br />
Eine relevante Zunahme der Zahl der Haushalte gibt es in den nächsten Jahren nur<br />
bei den Seniorenhaushalten, alle anderen Altersgruppen stagnieren bzw. schrumpfen<br />
(vgl. Abbildung 23):<br />
● Das heute schon niedrige Niveau bei der Zahl der sehr jungen Haushalte (100.000<br />
Haushalte unter 25 Jahren) wird in den nächsten Jahren nur unerheblich steigen und<br />
ansonsten bis zum Jahr 2030 in etwa konstant bleiben. Im Unterschied dazu wird die<br />
heute schon hohe Anzahl der älteren Haushalte (400.000 über 65 Jahre) deutlich<br />
ansteigen, insbesondere bis zum Jahr 2010 (etwa 25 %ige Steigerung) und danach<br />
kontinuierlich bis auf etwa 640.000 Haushalte im Jahr 2030 anwachsen.<br />
● Die Zahl der jüngeren Haushalte (25-40 Jahre) nimmt von einem heute relativ hohen<br />
Niveau (gut 500.000 Haushalte) in den nächsten zehn Jahren stark ab (um fast<br />
200.000 Haushalte) und verläuft danach in etwa konstant. Die Zahl der mittelalten<br />
Haushalte (40 bis unter 65 Jahre) nimmt bis 2015 leicht zu und fällt danach ab.<br />
6 Da die relative Veränderung bei den drei Haushaltsprognosen ähnlich ist, wird bei der Typisierung der Haushalte<br />
nur auf eine Variante (100.000 Variante) Bezug genommen.<br />
57
58<br />
Abbildung 23<br />
Haushalte nach Alter<br />
der Bezugsperson in Tausend<br />
1.000<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
Entwicklungsverlauf ausgewählter Altersklassen<br />
bis 2030<br />
0<br />
2000 2005 2010 2015 2020<br />
unter 25 Jahren<br />
25 bis unter 40 Jahren<br />
Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />
2025 2030<br />
40 bis unter 65 Jahre<br />
65 Jahre und älter<br />
empirica
2.2 Zunahme der älteren Kleinhaushalte<br />
Die wichtigsten Veränderungen der Haushaltsstruktur (vgl. Abbildung 24) werden durch<br />
die anhaltende Singularisierung und die Alterung der Gesellschaft verursacht. Zum einen<br />
steigt die Zahl der kleinen Haushalte, weil die Altersklasse der über 65-Jährigen zukünftig<br />
noch stärker besetzt ist. Aber auch bei den jüngeren Haushalten (Altersklassen unter<br />
65 Jahre) besteht der Trend zu kleineren Haushalten. In den nächsten Jahren wird die<br />
Zahl der kleinen Haushalte um jährlich durchschnittlich 7.000 zunehmen, langfristig<br />
jedoch abnehmen (ab 2030).<br />
● Die Zahl der Drei- und Mehrpersonenhaushalte wird weiter zurückgehen.<br />
● Die Zahl der Einpersonenhaushalte hingegen nimmt nach 2005 (um 34.000 Haushalte<br />
bis 2015) und die der Zweipersonenhaushalte ab sofort zu (um 77.100 zwischen<br />
2000 und 2015).<br />
Der Anteil der Einpersonenhaushalte an allen Haushalten steigt kontinuierlich von 47 %<br />
auf 50 % bis zum Jahre 2030. Das gleiche gilt für die Zweipersonenhaushalte (kontinuierliche<br />
Steigerung von 32 % auf 36 %). Im Unterschied dazu sinkt die Zahl der Dreiund<br />
Mehrpersonenhaushalte von 20 % auf 13 % (vgl. Abbildung 25).<br />
Bei den kleinen Haushalten gibt es in den nächsten Jahren eine Altersverschiebung. Die<br />
Zahl der jungen Single- und Zweipersonenhaushalte (unter 40 Jahren) nimmt ab und die<br />
Zahl der älteren Kleinhaushalte zu.<br />
● Einpersonenhaushalte: Im Jahre 2000 40 % jünger als 40 und 35 % älter als 60<br />
Jahre. Im Jahre 2030 25 % jünger als 40 und 50 % älter als 60 Jahre.<br />
● Zweipersonenhaushalte: Im Jahre 2000 25 % jünger als 40 und knapp 40 % älter<br />
als 60 Jahre. Im Jahre 2030 15 % jünger als 40 und mehr als 60 % älter als 60<br />
Jahre.<br />
Wegen der Alterung der Gesellschaft und der anhaltenden Singularisierungsprozesse<br />
werden sich die Haushalte zukünftig weiter verkleinern: 1,77 Personen pro Haushalt im<br />
Jahre 2015 und 1,71 im Jahre 2030.<br />
59
60<br />
Abbildung 24<br />
Anzahl der Haushalte<br />
in Tausend<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
865.800<br />
578.700<br />
205.500<br />
172.900<br />
Entwicklung der Haushaltszahlen<br />
nach Haushaltsgröße bis 2030<br />
855.100<br />
640.900<br />
180.500<br />
140.400<br />
874.700<br />
2000 2010 2015 2020 2030<br />
Einpersonenhaushalte<br />
Zweipersonenhaushalte<br />
655.800<br />
170.000<br />
124.000<br />
Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />
887.700<br />
654.800<br />
161.400<br />
110.200<br />
857.800<br />
624.800<br />
140.900<br />
Dreipersonenhaushalte<br />
Vier Personen und mehr<br />
92.900<br />
empirica
Abbildung 25<br />
Verteilung Haushalte nach<br />
Größe in % aller Haushalte<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0<br />
Veränderung der Haushaltsgrößen<br />
9 %<br />
11 %<br />
32 %<br />
47 %<br />
8 %<br />
10 %<br />
35 %<br />
47 %<br />
2000 2010 2020<br />
2030<br />
Einpersonenhaushalte<br />
Zweipersonenhaushalte<br />
36 %<br />
49 %<br />
Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />
6 %<br />
9 %<br />
5 %<br />
8 %<br />
36 %<br />
50 %<br />
Dreipersonenhaushalte<br />
Vier Personen und mehr<br />
empirica<br />
61
62<br />
Insgesamt steigt die Zahl der Seniorenhaushalte von 2000 bis 2030 um 64 % (Zunahme<br />
um 245.000 Haushalte):<br />
● Kurzfristig (bis 2010) Zunahme um 108.300 Seniorenhaushalte (10.000 Haushalte<br />
jährlich).<br />
● Von 2010 bis 2015 kaum Zunahme, weil schwach besetzte Geburtsjahrgänge der<br />
Nachkriegszeit ins Rentenalter kommen.<br />
● Von 2015 bis 2025 insgesamt Zunahme um 60.000 Haushalte (6.000 Haushalte jährlich).<br />
● Nach 2025 stärkerer Anstieg (von 2025 bis 2030 jährlich zusätzlich 13.000 Haushalte),<br />
weil die Baby-Boomer ins Rentenalter kommen.<br />
Dies führt zu einer passiven Steigerung des Wohnflächenverbrauchs pro Person (Remanenz-Effekt:<br />
Ältere bleiben in der angestammten Wohnung, sowohl beim Wegzug der<br />
Kinder wie auch nach Sterben des Partners).<br />
2.3 Vorübergehende Zunahme der Haushaltsgründer/-erweiterer<br />
Die Zahl der potenziellen Haushaltsgründer bzw. -erweiterer (Ein- und Zweipersonenhaushalte<br />
unter 25 Jahren) wird bis zum Jahr 2010 ansteigen, danach jedoch abnehmen:<br />
● Bis 2005 wird diese Gruppe um rd. 9.000 Haushalte ansteigen (im Jahr 2000<br />
103.700 Ein- und Zweipersonenhaushalte unter 25 Jahren), bis 2010 um weitere<br />
knapp 4.000 Haushalte.<br />
● Nach 2010 nimmt diese Gruppe dann deutlich ab (Auswirkung des Geburtenknicks<br />
Anfang der neunziger Jahre in Ostdeutschland). Die Zahl der potenziellen Haushaltsgründer/-erweiterer<br />
sinkt dann unter das Niveau von 2000 (in fünf Jahren eine<br />
Abnahme um rd. 14.500 Haushalte). Zwischen 2015 und 2020 bleibt diese Gruppe<br />
nahezu konstant und nimmt dann wieder bis 2030 um insgesamt 11.500 Haushalte<br />
ab.
3. Potenzielle Eigentumserwerber unter Berücksichtigung der Altersund<br />
Haushaltsstruktur<br />
Die primäre Zielgruppe für den Erwerb von Wohneigentum (Drei- und Mehrpersonenhaushalte,<br />
30-40 Jahre) nimmt in den nächsten 15 Jahren deutlich ab (vgl. Abbildung 26),<br />
wobei die Abnahme bis zum Jahr 2010 am stärksten ausfällt: jährlich im Durchschnitt<br />
6.500 Haushalte (vgl. Abbildung 26).<br />
Das heißt, dass sich diese Gruppe allein in den nächsten zehn Jahren halbiert. Die<br />
Abnahme dieser Haushalte ist auf das Herauswachsen der späten Baby-Boomer bei<br />
gleichzeitig hoher Umlandwanderung in dieser Altersgruppe zurückzuführen.<br />
Wenn sich das für die neunziger Jahre typische Wanderungsverhalten von der <strong>Berlin</strong>er<br />
Kernstadt ins Umland fortsetzt, so bedeutet das bei der Kerngruppe der potenziellen<br />
Eigentumserwerber bis 2010 ein Minus von 10.000 Haushalten und bis 2015 einen Verlust<br />
von etwa 15.000 Haushalten (Umlandwanderungseffekt).<br />
Wenn man die Zielgruppe der potenziellen Eigentümer etwas weiter fasst und die Altersgruppe<br />
der 40- bis 44-Jährigen mitberücksichtigt, sinkt die absolute Zahl deutlich um ca.<br />
100.000 Haushalte (vgl. Abbildung 28). Bei Fortsetzung der Wanderungsintensität der<br />
neunziger Jahre macht der Umlandwanderungseffekt der erweiterten Gruppe der potenziellen<br />
Eigenheimgründer bis 2010 ein Minus von 15.000 und bis 2015 einen Verlust von<br />
gut 17.000 Haushalten aus.<br />
63
64<br />
Abbildung 26<br />
Entwicklung der Zahl der Drei- und<br />
Mehrpersonenhaushalte in <strong>Berlin</strong><br />
(nach Altersgruppen, jeweils Alter des Haushaltsvorstands)<br />
Anzahl der Haushalte<br />
400.000<br />
350.000<br />
300.000<br />
250.000<br />
200.000<br />
150.000<br />
100.000<br />
50.000<br />
0<br />
86.500<br />
123.200<br />
133.800<br />
84.800<br />
137.100<br />
101.800<br />
34.900 26.600 27.300 26.500<br />
2000 2005 2010<br />
2015<br />
unter 30 Jahre<br />
30 bis 40 Jahre<br />
85.600<br />
138.300<br />
Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />
69.700 62.000<br />
40 bis 50 Jahre<br />
über 50 Jahre<br />
98.300<br />
107.200<br />
empirica
Abbildung 27<br />
Anzahl der Haushalte<br />
in 1.000<br />
2.500<br />
2.000<br />
1.500<br />
1.000<br />
500<br />
0<br />
Entwicklung der Zahl der Haushalte in <strong>Berlin</strong><br />
mit und ohne Umlandwanderung (in 1.000)<br />
1.893<br />
1.823 1.823 1.805 1.817 1.825<br />
2000 2005 2010<br />
2015<br />
100.000 Variante<br />
1.988<br />
100.000 Variante ohne Umlandwanderung<br />
2.079<br />
* Die Größenordnung des Umlandwanderungseffektes in der Haushaltsprognose kann<br />
annähernd über eine modifizierte Fortschreibung der Wanderungsintensität der 90er Jahre<br />
abgebildet werden. Die Unterstellung sind gleich bleibende Rahmenbedingungen, z. B.<br />
deutlich preiswertere Angebote im Umland.<br />
Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />
empirica<br />
65
66<br />
Abbildung 28<br />
Entwicklung der Zahl der Drei- und Mehrpersonenhaushalte<br />
in <strong>Berlin</strong> (Altersgruppe 25 <strong>–</strong> 44 Jahre im Vergleich,<br />
jeweils Alter des Haushaltsvorstands)<br />
Anzahl der Haushalte<br />
400.000<br />
350.000<br />
300.000<br />
250.000<br />
200.000<br />
150.000<br />
100.000<br />
50.000<br />
0<br />
149.953<br />
228.393<br />
147.985<br />
202.286<br />
2000 2005 2010<br />
2015<br />
andere Altersgruppen<br />
161.284<br />
159.577<br />
Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />
25 bis 44 Jahre<br />
165.741<br />
128.265<br />
empirica
4. Prognose der zukünftigen Wohneigentumsquote in <strong>Berlin</strong><br />
4.1 Wohneigentumsquoten im Städte-Vergleich<br />
Die Wohneigentumsquote für <strong>Berlin</strong> fällt mit 11 % (13 % in <strong>Berlin</strong> West und 7 % in<br />
<strong>Berlin</strong> Ost) 7 im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten sehr kümmerlich aus<br />
(vgl. Abbildung 29). Die Ursache dafür ist insbesondere in der hohen Mehrfamilienhausquote<br />
zu finden; dieser Gebäudetyp ist für Selbstnutzer nicht besonders attraktiv.<br />
Daneben wirken die jahrzehntelangen hohen Subventionen des Westberliner Mietwohnungsbaus<br />
immer noch nach. Dadurch ist das Mietniveau verglichen mit anderen Großstädten<br />
sehr niedrig. Wohneigentum ist aus finanzieller Sicht umso attraktiver, je höher<br />
die ersparte Miete ausfällt.<br />
In den neunziger Jahren wurden in den <strong>Berlin</strong>er Umlandgemeinden viele Neubaugebiete<br />
ausgewiesen. Das große Flächenangebot führte nicht nur zu niedrigen Grundstückspreisen,<br />
sondern ermöglichte auch aufgrund der hohen Fertigstellungszahlen einen<br />
intensiven Preis- und Qualitätswettbewerb unter den Bauträgern. In der Folge hat sich die<br />
Nachfrage <strong>Berlin</strong>er Haushalte nach Wohneigentum stark auf das Umland konzentriert.<br />
4.2 Szenarien für die Entwicklung der Wohneigentumsquote<br />
Die im Vergleich zu anderen Großstädten geringe Wohneigentumsquote der <strong>Berlin</strong>er<br />
Haushalte ist nicht das Resultat einer gegenwärtig geringen Eigentumsneigung und nicht<br />
nur das Resultat der gegenwärtigen Abwanderung neuer Selbstnutzer ins Umland. Vielmehr<br />
wirkt hier eine historisch bedingt niedrige Eigentumsneigung immer noch nach.<br />
Dies wird durch einen Vergleich der Wohneigentumsquote in einzelnen Altersklassen<br />
zwischen <strong>Berlin</strong>er und hannoverschen Haushalten deutlich (vgl. Abbildung 30). Weil in<br />
den vergangenen Jahrzehnten nur wenige <strong>Berlin</strong>er Haushalte Wohneigentum gebildet<br />
haben, dominieren in den älteren Altersgruppen heutzutage die Mieterhaushalte.<br />
7 Quelle: Mikrozensus 1998,<br />
67
68<br />
Abbildung 29<br />
Anteil der Selbstnutzerhaushalte<br />
an allen Haushalten in %<br />
Bremen 38 %<br />
Stuttgart 26 %<br />
München/<br />
Nürnberg<br />
Vergleich der Wohneigentumsquote<br />
in deutschen Großstädten (1998)<br />
D, DU, E, K, DO 21 %<br />
Hamburg 20 %<br />
Hannover 20 %<br />
Frankfurt 14 %<br />
<strong>Berlin</strong>-West 13 %<br />
Leipzig 8 %<br />
<strong>Berlin</strong>-Ost 7 %<br />
Quelle: Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998<br />
23 %<br />
empirica
Abbildung 30<br />
Vergleich der Wohneigentumsquote in <strong>Berlin</strong> und Hannover<br />
nach Altersgruppen 1998<br />
Anteil Selbstnutzerhaushalte<br />
an allen Haushalten<br />
35 %<br />
30 %<br />
25 %<br />
20 %<br />
15 %<br />
10 %<br />
5 %<br />
0 %<br />
< 25 25-30 30-40 40-50 50-60<br />
Altersklasse<br />
Quelle: Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998<br />
Hannover 1998<br />
<strong>Berlin</strong> 1998<br />
Kohorteneffekt<br />
Kohorteneffekt<br />
60-65 > 65 Insgesamt<br />
empirica<br />
69
70<br />
In Zukunft wird sich die Eigentümerquote durch das „Aussterben“ älterer Mietergenerationen<br />
(Kohorteneffekt; s. Pfeile in Abbildung 30) auch bei einer gleich bleibenden<br />
Abwanderungs- und Eigentumsneigung leicht erhöhen. 8 Eine deutliche Erhöhung der<br />
Wohneigentumsquote ist dagegen nur erreichbar, wenn man für die Zukunft eine zunehmende<br />
Neigung der jüngeren <strong>Berlin</strong>er Haushalte zur Eigentumsbildung erreicht und<br />
wenn die Umlandwanderung der Erwerber von Wohneigentum durch attraktive Angebote<br />
in der Stadt gebremst werden kann. Eine Steigerung der Eigentumsquote innerhalb der<br />
kommenden 10 bis 15 Jahre <strong>–</strong> beispielsweise auf das Niveau von Hannover <strong>–</strong> wäre allerdings<br />
auch bei offensiven Eigentumsbildungsstrategien nur vorstellbar, wenn durch<br />
Privatisierung im Bestand der Kreis der Eigenheimerwerber deutlich ausgeweitet wird<br />
(Mobilisierung von Schwellenhaushalten). Die folgenden zwei Szenarien verdeutlichen,<br />
welche Spannbreite es für die künftige Entwicklung der Eigentümerhaushalte in <strong>Berlin</strong><br />
gibt (vgl. Abbildung 31):<br />
● Szenario „Weiter so“: Gleichbleibende Neigung der Haushalte zur Eigentumsbildung,<br />
Erhöhung der Wohneigentumsquote im Wesentlichen nur durch den<br />
Kohorteneffekt.<br />
● Szenario „Offensive Wohneigentumsstrategie“: Verstärkte Neigung zur Eigentumsbildung<br />
bei den potenziellen Eigentümerhaushalten mit zusätzlichem Nachholeffekt<br />
bei den älteren Haushalten als „best case“-Rechnung.<br />
Szenario „Weiter so“<br />
Unter den Bedingungen einer „Weiter so“-Entwicklung wird sich die Quote der Eigentümer<br />
in <strong>Berlin</strong> bis 2015 um etwa 1,3 %-Punkte bzw. fast 40.000 Eigentümerhaushalte<br />
leicht erhöhen. Bei dieser Variante ist insbesondere das Aussterben älterer Mietergenerationen<br />
für den Anstieg der Wohneigentumsquote verantwortlich. Weil die Anzahl junger<br />
Haushalte stark schrumpft, sinkt die absolute Anzahl der jüngeren Eigentumsgründer<br />
gegenüber dem Jahr 2000 sogar (z.B. bei den 30- bis 40-Jährigen um jährlich etwa 800<br />
bis 900 Haushalte). Dieser Rückgang erfolgt jedoch nicht gleichmäßig über den gesamten<br />
Zeitraum, sondern verläuft bis 2010 intensiver. Nach 2010 stabilisiert sich die Zahl<br />
der Haushalte dieser Altersgruppe bis 2015 auf dem erreichten niedrigen Niveau.<br />
Fazit für das Szenario „Weiter so“: Insgesamt werden bei dem „Weiter so“-Szenario<br />
jährlich etwa 2.500 neue Haushalte Wohneigentum bilden.<br />
8 Die steigende Wohneigentumsquote ist damit zum überwiegenden Teil auf die höheren Quoten unter den<br />
heute älteren Haushalten der Geburtsjahrgänge 1930 bis 1945 und den steigenden Anteil der Älteren an der<br />
Gesamtbevölkerung zurückzuführen. Die Vorkriegs- und Kriegsgenerationen (Geburtsjahrgänge vor 1930)<br />
mit einem hohen Mieteranteil und durch die Weltkriege gestörter Vermögensbildung sterben ab. Die<br />
nachrückenden Altenhaushalte haben nach dem Krieg dank hohen Wachstums und eigentumsfreundlicher<br />
Rahmenbedingungen vermehrt Wohneigentum bilden können (vgl. empirica-Studie „Vermögensbildung in<br />
Deutschland“, Hrsg.: <strong>LBS</strong> Bundesgeschäftsstelle, <strong>Berlin</strong> 2001).
Abbildung 31<br />
Wohneigentumsquoten in <strong>Berlin</strong> nach Altersgruppen<br />
im Vergleich 2000 und 2015 (Szenario „Weiter so“ und<br />
„Offensive Wohneigentumsstrategie“)<br />
Quote der<br />
Wohneigentümer<br />
35 %<br />
30 %<br />
25 %<br />
20 %<br />
15 %<br />
10 %<br />
5 %<br />
0 %<br />
< 25 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 ab 75 Gesamt<br />
Altersklassen<br />
2015 Szenario „Offensive<br />
Wohneigentumsstrategie“<br />
Quelle: Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998<br />
2015 Szenario „Weiter so“<br />
Eigentümerquote 2000<br />
empirica<br />
71
72<br />
Szenario „Offensive Wohneigentumsstrategie“<br />
Hier wird untersucht, welche Erhöhung der bisherigen Eigentumsneigung notwendig<br />
wäre, damit <strong>Berlin</strong> bis zum Jahr 2015 dasselbe Niveau erreicht wie Hannover Ende der<br />
neunziger Jahre (knapp 20 %). Eine solche Steigerung um zehn Prozentpunkte entspricht<br />
einer Zahl von rd. 180.000 Haushalten. Gegenüber der heutigen Situation müsste die<br />
Eigentumsneigung bei den 25- bis 39-jährigen Haushalte deutlich steigen (Erhöhung um<br />
das 3,5fache). Um im Jahr 2015 die 20 % zu erreichen, wäre darüber hinaus notwendig,<br />
dass zukünftig auch mehr unter 25-jährige und mehr über 40-jährige Haushalte Wohneigentum<br />
erwerben. 9 Eine solche Steigerung der Wohneigentumsquote bzw. der Eigentumsneigung<br />
kann nicht nur über Neubau erreicht werden. Der Erwerb aus dem Bestand<br />
müsste durch entsprechende Eigentumsstrategien erhöht werden (vgl. Kapitel 6 in Teil D).<br />
Fazit für das Szenario „Offensive Wohneigentumsstrategie“: Insgesamt müssten bei<br />
dieser Best-Case-Betrachtung jährlich rd. 10.000 Mieterhaushalte Wohneigentum zur<br />
Selbstnutzung erwerben, damit <strong>Berlin</strong> bis zum Jahre 2015 dasselbe Niveau erreicht, wie<br />
Hannover Ende der neunziger Jahre (knapp 20 %) (vgl. Abbildung 32).<br />
9 Im Einzelnen muss die Eigentumsneigung bei den unter 25-Jährigen und 40- bis 45-Jährigen um das<br />
2,5fache, bei den 25- bis 39-Jährigen um das 3,5fache, bei den 45- bis 50-Jährigen um das Doppelte und<br />
bei den 50- bis 55-Jährigen um das 1,5fache ansteigen.
Abbildung 32<br />
Jährliche Veränderung der Anzahl der Selbstnutzerhaushalte<br />
2000 bis 2015 in den Altersgruppen <strong>–</strong> verschiedene Varianten<br />
Anzahl der<br />
Haushalte<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
- 5.000<br />
- 10.000<br />
- 15.000<br />
- 20.000<br />
< 30<br />
30-40 40-50 50-60 > 60 Gesamt<br />
Veränd. Anz. Selbstn. „Weiter so“ 2015<br />
Veränd. Anz. Selbstn. „Offensive Wohneigentumsstrategie“ 2015<br />
Veränd. Anz. Haushalte gesamt 2015<br />
Veränd. Anz. Haushalte gesamt 2010<br />
Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />
empirica<br />
73
5. Abschätzung des Gesamtbedarfs für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong><br />
5.1 Szenario 1: Status quo<br />
Bei der Trendvariante sinkt die Zahl der Haushalte bis 2005 jährlich um 6.000 und bleibt<br />
dann bis 2015 in etwa konstant bei 1,8 Mio. Nach 2015 wird die Zahl der Haushalte jährlich<br />
um knapp 4.000 (bis 2020) und danach um rd. 10.500 (bis 2030) abnehmen. Somit<br />
würde die Zahl der Haushalte bis zum Jahr 2030 um rd. 155.000 sinken (vgl. Tabelle 1).<br />
Fazit: In <strong>Berlin</strong> gab es im Jahr 1998 lt. Mikrozensus rd. 1,85 Mio. Wohnungen, wobei in<br />
den Jahren 98 und 99 zusätzlich mehr als 20.000 Wohnungen fertig gestellt wurden (Erhöhung<br />
des Bestandes auf etwa 1,87 Mio.). Somit wird sich das heute schon bestehende<br />
quantitative Überangebot in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Wohnungsneubau wird<br />
nur aufgrund struktureller Defizite, insbesondere aus Mangel an Eigenheimen und hochwertigen<br />
Mietwohnungen, notwendig sein.<br />
5.2 Szenario 2: Optimistische Rahmenbedingung (hohe Zuwanderung)<br />
Beim optimistischen Szenario wird eine relativ starke Zuwanderung aus dem Ausland<br />
unterstellt. In der Folge wird die Zahl der Haushalte mittelfristig steigen (von 2008/09 bis<br />
2023/24). Kurzfristig gibt es aber auch bei dieser Variante einen Rückgang von jährlich<br />
rd. 3.000 Haushalten. Nach 2005 steigt die Zahl jährlich um knapp 4.000 bis zum Jahr<br />
2015, danach tritt eine Stagnation ein und erst nach 2025 eine starke Schrumpfung (rd.<br />
7.500 jährlich). Die Zahl der Haushalte wird bis zum Jahr 2030 bei dieser Variante um<br />
rd. 50.000 sinken (vgl. Tabelle 1). Um das Jahr 2017 wird die maximale Zahl von dann<br />
1.850.000 Haushalten erreicht.<br />
Fazit: Trotz der optimistischen Unterstellung einer hohen Zuwanderung aus dem Ausland<br />
ist auch bei dieser Variante der quantitative Wohnungsbedarf heute schon gedeckt.<br />
Auch bei dieser Variante wird also „nur“ aufgrund von strukturellen Defiziten Neubau in<br />
Teilmärkten eine Rolle spielen.<br />
75
76<br />
Zusätzliche Zuwanderungseffekte durch die EU-Osterweiterung*<br />
Bei einer Prognose der Wohnungsnachfrage über die nächsten 30 Jahre sind auch die<br />
Auswirkungen der EU-Osterweiterung zu berücksichtigen. Momentan ist noch<br />
unklar, wann und mit welchen Übergangsregelungen diese vollzogen wird. Für den<br />
<strong>Fall</strong> einer völligen Freizügigkeit (freie Wohnort- und Arbeitsplatzwahl) schätzt das<br />
Ifo-Institut ein Zuwanderungspotenzial für Deutschland von 2,5 bis 3,3 Millionen<br />
Personen für einen Zeitraum von 15 Jahren. Unklar ist jedoch, wie sich die Zuwanderung<br />
auf die 15 Jahre verteilt und in welchem Ausmaß Übergangsregelungen die<br />
Schätzung reduzieren.<br />
Unter der Annahme, dass ausgehend von 3 Mio. Personen in den ersten 5 Jahren<br />
(Phase 1) die Zuwanderung doppelt so hoch ist wie in den letzten 5 Jahren (Phase 3)<br />
des Prognosezeitraums, würden in den ersten 5 Jahren 1,33 Mio. Menschen ins Bundesgebiet<br />
einwandern, in den zweiten 5 Jahren 1 Mio. Menschen und in den dritten<br />
5 Jahren 0,66 Mio. Menschen (stark abhängig von der Situation auf dem Arbeitsmarkt,<br />
speziell im durch Gewerkschaften nicht <strong>oder</strong> kaum regulierten Bereich des<br />
Niedriglohnsektors). Gegenüber einer gleichmäßigen Verteilung der Einwanderung<br />
auf das Bundesgebiet unterstellen wir für <strong>Berlin</strong> einen doppelt so hohen Zuzug, so<br />
dass die Größenordnung bei etwa 8 % aller Immigranten liegt. Gleichzeitig gehen<br />
wir aber von einem Verdrängungseffekt gegenüber der sonstigen Zuwanderung von<br />
ca. 40 % aus, so dass wir für die 15 Jahre nach der EU-Osterweiterung mit völliger<br />
Freizügigkeit für <strong>Berlin</strong> mit insgesamt 130-160.000 Personen rechnen, von denen<br />
bereits ca. 40.000 (illegal) in <strong>Berlin</strong> leben. (1. Phase: 50-80.000 Personen, 2. Phase<br />
40-60.000 Personen, 3. Phase 25-40.000 Personen). Bei einer durchschnittlichen<br />
Haushaltsgröße, die von 1,2 (Phase 1) auf 1,5 (Phasen 2 und 3) Personen pro Haushalt<br />
steigen wird (Familiennachzug), ergibt sich durch die Osterweiterung ein zusätzlicher<br />
Bedarf von insgesamt 70-90.000 Wohnungen (100-110.000 Wohnungen<br />
abzüglich 20.000 bereits von Illegalen bewohnten Wohnungen) für die nächsten<br />
15 Jahre. Das bedeutet, dass der heute vorhandene aktive Leerstand durch diese<br />
Zuwanderung sukzessive abgebaut wird.<br />
* Grobe Berechnungen (zur Illustration der Größenordnungen)
5.3 Szenario 3: Steigerung der Attraktivität <strong>Berlin</strong>s für<br />
Umlandabwanderer<br />
Vor dem Hintergrund der hohen Abwanderung aus <strong>Berlin</strong> ist auszuloten, inwieweit es<br />
gelingen kann, durch nachfragegerechte Angebote die Umlandabwanderer in <strong>Berlin</strong> zu<br />
halten. Gegenwärtig werden etwa 10.000 neue Ein-/Zweifamilien-Häuser pro Jahr im<br />
<strong>Berlin</strong>er Umland fertig gestellt. Etwa zwei Drittel der Angebote im Umland werden von<br />
<strong>Berlin</strong>er Haushalten erworben und bezogen. Laut Befragungen in neuen Wohngebieten 10<br />
gibt es nur rd. 20 % Umland-Orientierte, die gezielt einen Standort im Umland gesucht<br />
haben und unter keinen Umständen in <strong>Berlin</strong> geblieben wären. Etwa 80 % sind <strong>Berlin</strong>-<br />
Verlorene, die in <strong>Berlin</strong> und im Umland gesucht haben. Für diese waren Wohnformen,<br />
Angebotsqualität und Preis-Leistungs-Verhältnis ausschlaggebend für die Standortwahl.<br />
Tabelle 1: Abschätzung des Gesamtbedarfs für Wohnungsangebote in<br />
<strong>Berlin</strong> bis 2030<br />
…im Zeitraum<br />
2000-05<br />
2005-10<br />
2010-15<br />
2015-20<br />
2020-30<br />
Definition Umlenkung: Umlandwanderer, die man als Eigentümer in <strong>Berlin</strong> halten könnte<br />
Szenario 1<br />
Status quo<br />
Jährliche Veränderung…<br />
Anzahl<br />
Haushalte<br />
(jährlich)<br />
-6.000<br />
0<br />
0<br />
-4.000<br />
-10.500<br />
2<br />
Optimistisch<br />
Anzahl<br />
Haushalte<br />
(jährlich)<br />
-3.000<br />
4.000<br />
4.000<br />
0<br />
-7.500<br />
Anzahl<br />
Haushalte<br />
(jährlich)<br />
3.500<br />
2.500<br />
2.500<br />
2.500<br />
2.500<br />
Anzahl<br />
Haushalte<br />
(jährlich)<br />
-2.500<br />
2.500<br />
2.500<br />
-1.500<br />
-8.000<br />
Anzahl<br />
Haushalte<br />
(jährlich)<br />
500<br />
6.500<br />
6.500<br />
2.500<br />
-5.000<br />
Veränderung 2000-2030<br />
Summe<br />
-155.000 -50.000 80.000 -75.000 30.000<br />
Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />
3<br />
Umlenkung<br />
1a<br />
=1+3<br />
2a<br />
=2+3<br />
empirica<br />
10 Die meisten der Befragten (rd. 80 %) haben sich auch in <strong>Berlin</strong> nach einem entsprechenden Objekt<br />
umgesehen, aber nichts Passendes gefunden.<br />
77
78<br />
Vor dem Hintergrund, dass aktuell etwa 6.000-7.000 <strong>Berlin</strong>er Haushalte pro Jahr im<br />
Umland Eigentum erwerben, ergibt sich in der Obergrenze ein jährliches Potenzial von<br />
derzeit gut 5.000 Eigentümerhaushalten, die in <strong>Berlin</strong> hätten gehalten werden können.<br />
Zukünftig wäre dieses Potenzial aufgrund der sinkenden Anzahl junger Haushalte etwas<br />
kleiner. Dieselben Quoten „umlenkungsfähiger“ Haushalte vorausgesetzt, könnten jedoch<br />
bis 2005 jährlich etwa 3.500 Haushalte und im Zeitraum 2005-30 jährlich rd. 2.500<br />
junge Haushalte in <strong>Berlin</strong> gehalten werden (vgl. Tabelle 1).<br />
Fazit: Wenn es gelänge, die zur Eigentumsbildung ins Umland abwandernden Haushalte<br />
in <strong>Berlin</strong> zu „halten“, ergäbe sich eine zusätzlicher Nachfrage für 2.000 bis 3.000 Wohneinheiten<br />
jährlich (für Haushalte in der Familiengründungs/-erweiterungsphase, die<br />
Eigentümer werden). Durch die Verhinderung der Umlandabwanderung könnte der<br />
strukturell bedingte Neubau im Umland, bei gleichzeitig bestehenden Leerständen in<br />
der Kernstadt, verhindert werden. Allerdings kann das quantitative „Überangebot“ im<br />
<strong>Berlin</strong>er Bestand durch die Umlenkung der Abwanderer, die nach „klassischen“ Eigentumsformen<br />
suchen, nicht verhindert werden. Trotzdem hätte eine Umlenkung des<br />
Eigentumserwerbs folgende Vorteile:<br />
● Weniger Beanspruchung von Landschaft (Nutzung der innerstädtischen Flächenreserven);<br />
● Weniger Pendlerverkehr;<br />
● Bessere Auslastung der innerstädtischen Infrastruktur;<br />
● Eindämmung der sozialen Segregation zwischen Stadt-Umland sowie zwischen<br />
verschiedenen innerstädtischen Quartieren und der entsprechenden Begleitkosten;<br />
● Mehr Steuereinnahmen für das Land <strong>Berlin</strong>.
6. Chancen für den Wohneigentumserwerb<br />
6.1 Rahmenbedingungen<br />
Die Finanzierungsmöglichkeiten von Wohneigentum hängen in erster Linie von der<br />
Eigenkapitalausstattung der Haushalte und deren verfügbaren Einkommen ab. Absolute<br />
Hürden für den Eigentumserwerb stellen in der Regel Eigenkapitalquoten von mindestens<br />
20-25 % sowie maximale Belastungen des verfügbaren Einkommens durch Zins- und<br />
Tilgungszahlungen von 35 % dar. Haushalte, die gegenwärtig diese Kriterien nicht erfüllen,<br />
können nur durch langfristiges Vorsparen die Hürden überwinden.<br />
Potenzialschätzung<br />
Eine Potenzialschätzung kann Aufschluss darüber geben, wie viele Mieterhaushalte<br />
unter bestimmten Annahmen (Sparverhalten, Entwicklung der Einkommen und der<br />
Hauspreise) in einem Zeithorizont von 5 bzw. 10 Jahren finanziell in der Lage wären,<br />
Wohneigentum zu erwerben. Die effektive Nachfrage wird natürlich auch von den<br />
individuellen Präferenzen, der Familienplanung und den konkreten Rahmenbedingungen<br />
(Zinssätze, Mobilitätsbedürfnisse, Arbeitsplatzsicherheit) abhängen<br />
und kann deswegen nicht geschätzt werden.<br />
6.2 Potenziale zukünftiger Selbstnutzer<br />
Bei Gesamtkosten von 180.000 Euro könnten bis zum Jahr 2012 potenziell rd. 280.000<br />
<strong>Berlin</strong>er Mieterhaushalte Wohneigentum erwerben (knapp 115.000 bis 2007; vgl. Abbildung<br />
33). Betrachtet man allein die Kerngruppe der 30- bis 39-Jährigen, dann könnten<br />
bis zum Jahr 2007 jährlich rd. 8.000 Mieterhaushalte Wohneigentümer werden, im Zeitraum<br />
2008 bis 2012 jährlich rd. 15.000 Haushalte (vgl. Tabelle 2).<br />
Bei relativ geringen Gesamtkosten von 130.000 Euro summiert sich das Potenzial der<br />
Kerngruppe (30- bis 39-jährige Mieterhaushalte) bis 2007 auf durchschnittlich rd. 16.000<br />
Haushalte jährlich und im Zeitraum 2008 bis 2012 auf etwa 19.000 Haushalte jährlich<br />
(vgl. Tabelle 2). Betragen die Gesamtkosten dagegen 230.000 Euro, dann können bis zum<br />
Jahr 2007 nur 6.000 Haushalte der Kerngruppe 30- bis 39-jähriger Mieter jährlich als<br />
potenzielle Selbstnutzer eingestuft werden. Auch im Zeitraum der Jahre 2008 bis 2012<br />
steigt dieses Potenzial dann nur auf rd. 8.000 Haushalte jährlich.<br />
79
80<br />
Abbildung 33<br />
Basispotenzial bis 2007 bzw. bis 2012 nach Altersklassen<br />
(Anzahl Mieterhaushalte)<br />
Definition Potenzial: unter 50-jährige Mieterhaushalte, die innerhalb der nächsten 5 bzw. 10 Jahre<br />
Wohneigentum erwerben könnten<br />
Anzahl der Haushalte<br />
in Tausend<br />
Potenzial bis 2012<br />
450<br />
(10-jährige Anspardauer)<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
130.000<br />
180.000 230.000 130.000 180.000 230.000<br />
40 Jahre bis 49 Jahre<br />
unter 30 Jahre<br />
Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der EVS<br />
Gesamtkosten in Euro<br />
Potenzial bis 2007<br />
(5-jährige Anspardauer)<br />
30 Jahre bis 39 Jahre<br />
(Kerngruppe)<br />
empirica
Tabelle 2: Basispotenzial bis 2007 bzw. bis 2012 nach Altersklassen<br />
(Mieterhaushalte in 1.000)<br />
Summe<br />
Definition Basispotenzial: unter 50jährige Mieterhaushalte, die innerhalb der nächsten fünf bzw. zehn<br />
Jahre Wohneigentum erwerben können<br />
Kumuliertes Potenzial Basispotenzial bis 2012 Basispotenzial bis 2007<br />
Gesamtkosten/Altersklasse<br />
(heutiges Alter)<br />
unter 30 Jahren<br />
30 bis unter 39 Jahre<br />
(Kerngruppe)<br />
40 bis unter 49 Jahre<br />
Gesamtkosten/Altersklasse<br />
(heutiges Alter)<br />
Summe<br />
130.000 180.000 230.000<br />
50.000 28.000 16.000<br />
176.000 116.000 68.000<br />
198.000 135.000 95.000<br />
424.000 279.000 179.000<br />
130.000 180.000 230.000<br />
6.600 4.000 3.000<br />
19.400 14.800 7.800<br />
19.000 14.400 10.000<br />
45.000 33.200 20.800<br />
130.000 180.000 230.000<br />
17.000 8.000 1.000<br />
79.000 42.000 29.000<br />
103.000 63.000 45.000<br />
199.000 113.000 75.000<br />
Durchschnittliches<br />
jährliches Potenzial Basispotenzial 2007-12 jährlich Basispotenzial 2002-07 jährlich<br />
unter 30 Jahren<br />
30 bis unter 39 Jahre<br />
(Kerngruppe)<br />
40 bis unter 49 Jahre<br />
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der EVS<br />
130.000 180.000 230.000<br />
3.400 1.600 200<br />
15.800 8.400 5.800<br />
20.600 12.600 9.000<br />
39.800 22.600 15.000<br />
6.3 Eigentumsbildungsstrategien durch Privatisierung im Bestand<br />
Nur durch Bestandserwerb und entsprechend niedrige Kosten im Vergleich zum Erwerb<br />
im Neubau erhöht sich die Zahl der Eigentümer erheblich. In den letzten Jahren hat das<br />
Land <strong>Berlin</strong> seine Wohnungsgesellschaften zur Mieterprivatisierung aufgefordert. Die<br />
Zahl der jährlich an Mieter verkauften Wohnungen blieb jedoch gering. Dem stehen in<br />
anderen Stadtregionen, etwa durch die Viterra im Ruhrgebiet, größere Erfolge gegenüber.<br />
Der bisher schleppende Verkauf in <strong>Berlin</strong> geht auf verschiedene Ursachen zurück, die<br />
bisher noch nicht hinreichend untersucht sind.<br />
Ein wesentlicher Grund ist die geringe Kaufbereitschaft für Wohnungen im Bestand.<br />
Diese Kaufbereitschaft kann allerdings mittelfristig gesteigert werden. Insbesondere eine<br />
verstärkte eigene Alterssicherung legt den Erwerb von Wohneigentum nahe, weil etwa<br />
10-15 Jahre nach dem Erwerb die Wohnkosten niedriger sind als die Mieten. Hier ist ein<br />
Aufklärungsprozess notwendig.<br />
In vielen Fällen reicht die Zahlungsbereitschaft der Mieter nicht aus, den Verkauf für die<br />
Eigentümer attraktiv zu machen, weil als Folge der hohen Kosten in der Vergangenheit<br />
die Buchwerte und die Restschulden zu hoch sind. Als weitere Begrenzung kommt<br />
hinzu, dass viele Wohnungen nicht ausreichend für eine Eigentumsbildung geeignet sind.<br />
81
82<br />
Sie liegen in zu großen Gebäuden <strong>oder</strong> in Siedlungen mit unsicherer Wertentwicklung.<br />
Eine stabile Wertentwicklung ist in jedem <strong>Fall</strong> Voraussetzung der Mieterprivatisierung<br />
<strong>oder</strong> der Veräußerung an Selbstnutzer nach dem Auszug der bisherigen Mieter.<br />
Gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzprobleme der Stadt wäre es<br />
dringlich, die Zahl der auf Grund von Lage, Bauform und Restfinanzierung geeigneten<br />
Wohnungen zu ermitteln. Dann lassen sich mögliche Verkaufspreise abschätzen und die<br />
erzielbaren Überschüsse ermitteln, die in einem vorgegebenen Zeitraum realisiert werden<br />
können. Es gibt gegenwärtig keine verlässlichen Schätzungen für das Privatisierungspotenzial.<br />
Wenig sinnvoll ist es, ohne nähere Prüfung Privatisierungsvorgaben festzulegen,<br />
die nicht empirisch fundiert sind.<br />
Jede Privatisierung von Mietwohnungen muss in <strong>Berlin</strong> mit einer besonderen Sensibilität<br />
rechnen: sie wird als sozialpolitisch problematisch bzw. für die Mieter als belastend<br />
empfunden. Solche Vorbehalte sind unter den künftigen <strong>Markt</strong>bedingungen nicht zu<br />
rechtfertigen. Quantitative Versorgungsprobleme verlieren an Bedeutung. Wohnungen,<br />
die von Mietern erworben werden, stehen dem <strong>Markt</strong> <strong>oder</strong> für die Nutzung von<br />
Belegungsbindungen ohnehin meist erst in ferner Zukunft zur Verfügung. Demgegenüber<br />
hat die private Vermögensbildung deutlich an Bedeutung gewonnen. Mieter verfügen im<br />
Alter über deutlich weniger Vermögen als Eigentümer. Ihre verfügbaren Einkommen<br />
nach Wohnkosten sind gering. Eine Veräußerung von möglichst vielen geeigneten<br />
Wohnungen bekommt unter den Bedingungen der Alterung und der entspannten Wohnungsmärkte<br />
eine neue, deutlich steigende Bedeutung.<br />
Unabhängig von der Abschätzung der Möglichkeiten sind die Organisationsformen zu<br />
entscheiden. Hier empfiehlt sich die Ausgründung von Privatisierungsgesellschaften,<br />
aber auch die Kooperation mit spezialisierten soliden Privatisierungsunternehmen.<br />
Will man in <strong>Berlin</strong> bis 2015 eine Eigentumsquote von dem Niveau Hannovers Ende der<br />
neunziger Jahre erreichen (20 %), dann entspricht dies einer Zahl von gut 150.000<br />
Haushalten. Davon könnten, unterstellt man ein „Halten“ der Abwanderer durch entsprechend<br />
attraktive Angebote in <strong>Berlin</strong>, 75.000 durch Neubau entstehen. Für den Erwerb aus<br />
dem Bestand ergäbe sich dann noch eine Größenordnung von rd. 75.000 Wohneinheiten,<br />
die, legt man eine entsprechend offensive Preisgestaltung zugrunde, allein durch die<br />
Privatisierung aus dem Bestand der kommunalen Wohnungsunternehmen erreicht<br />
werden kann.
7. Voraussichtliche Entwicklung des <strong>Markt</strong>es und der Leerstände<br />
Die Entwicklung der Bautätigkeit der letzten Jahre (vgl. Abbildung 34) erfolgte schon vor<br />
dem Eindruck ausbleibender Mietsteigerungen und wachsender Leerstände. Zukünftig<br />
kann man nicht mehr davon ausgehen, dass ähnlich wie 1994/95 Bauträger <strong>oder</strong> Investoren<br />
vor dem Hintergrund überzogener Erwartungen agieren.<br />
Die Bauplanungen seit 1999/2000 standen unter dem Eindruck des Überangebots und der<br />
wachsenden Leerstände und sind nur noch zu einem Teil durch die auslaufenden Subventionsprogramme<br />
geprägt. Man muss deshalb aus den Genehmigungen der letzten Jahre<br />
folgern:<br />
● Am <strong>Wohnungsmarkt</strong> in der Region <strong>Berlin</strong> besteht eine Bereitschaft, in einer Größenordnung<br />
von 15.000 bis 20.000 Wohnungen pro Jahr zu planen, dabei sind allein<br />
7.000 bis 8.000 Wohnungen für <strong>Berlin</strong> vorgesehen. Dem steht, ungeachtet des<br />
bestehenden Leerstandes, kaum ein Wachstum der Zahl der Haushalte gegenüber.<br />
Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Markt</strong> befindet sich gegenwärtig in einer Phase, in der wahrscheinlich<br />
der gesamte Neubau, abgesehen von einem geringen Ersatzbedarf für den Schwund<br />
bei bewohnten Wohnungen (Zusammenlegungen, Zweckentfremdungen, technisch<br />
bedingter Abriss) in einer Größenordnung von etwa 3.000 Wohnungen pro Jahr, zur<br />
Erhöhung der Zahl der Überschusswohnungen führt.<br />
● Durch die bisher noch vorgesehene Bautätigkeit in einer Größenordnung deutlich<br />
über 5.000 Wohneinheiten ist ein weiterer Anstieg der Leerstände programmiert.<br />
Allerdings ist auf der Angebotsseite der Märkte mit Bremseffekten zu rechnen, denn<br />
die Mietsteigerungen werden dauerhaft begrenzt. Die Rentabilität der älteren Bestände<br />
wird sich sehr ungünstig entwickeln. Dies hat auch Rückwirkungen auf das Anbieterverhalten.<br />
Rationale Investoren müssen auf Märkten mit langfristig geringen<br />
Mietsteigerungserwartungen sehr hohe Anfangsmieten fordern. Wahrscheinlich bestimmen<br />
die künftigen <strong>Markt</strong>bedingungen die gegenwärtigen Investitionsentscheidungen<br />
noch zu wenig, so dass im Mietwohnungsbau mit weiteren strukturellen<br />
Anpassungen nach unten zu rechnen ist. Bei der Interpretation der Bautätigkeit trotz<br />
Leerstand muss man allerdings berücksichtigen, dass sich der <strong>Markt</strong> in <strong>Berlin</strong> nach<br />
Standorten und Bauformen erheblich differenziert hat. So kann auf kleinen Teilmärkten<br />
(z.B. Luxuswohnungen) ein Mangel bestehen, der nur durch Neubau überwunden<br />
werden kann. Die dort einziehenden Haushalte machen Wohnungen auf Teilmärkten<br />
frei, die schon durch Entspannung <strong>oder</strong> gar Leerstände charakterisiert sind. Neubau<br />
bei Leerstand kann auch bei rationalem Investorenverhalten auftreten. In jedem <strong>Fall</strong><br />
werden auf Dauer die schlechten Wohnungen keine Nutzer mehr finden.<br />
● Die Nachfrager nach Wohneigentum werden demgegenüber auf niedrige <strong>oder</strong> ausbleibende<br />
Mietsteigerungserwartungen nur sehr abgeschwächt reagieren. Die nachgefragten<br />
Wohnformen und Wohnungsgrundrisse sind im Bestand nicht bzw. nur zum<br />
Teil verfügbar. Ein Überangebot an kleinen Wohnungen in großen Häusern, bei einem<br />
gleichzeitig hohen Mangel an großen Wohnungen in kleinen Häusern, wird auch dann<br />
noch zu Neubautätigkeit führen, wenn sehr preiswerte Mietwohnungen angeboten<br />
werden, weil die angebotenen Wohnungen wesentlichen Nachfragebedürfnissen nicht<br />
genügen.<br />
83
84<br />
Abbildung 34<br />
Wohnungsgenehmigungen im Neubau<br />
pro 1.000 Einwohner und insgesamt <strong>–</strong> <strong>Berlin</strong> und Umland<br />
Baugenehmigungen<br />
[Wohnungen]<br />
35.000<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
Baugenehmigungen<br />
[Wohnungen] je 1.000 EW<br />
0<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
Genehmigungen Neubau Umland<br />
Genehmigungen Neubau<br />
Umland je 1.000 Einwohner<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
Genehmigungen Neubau <strong>Berlin</strong><br />
Genehmigungen Neubau <strong>Berlin</strong><br />
je 1.000 Einwohner<br />
5<br />
0<br />
empirica
● Es ist möglich, dass im Laufe der Zeit die günstigen Preise der Geschosswohnungen<br />
die Nachfrage nach Eigenheimen <strong>oder</strong> vergleichbaren Objekten dämpft. Auf Dauer<br />
kann ein leistungsfähiger und preiswerter <strong>Markt</strong> für Gebrauchtwohnungen den<br />
Neubaumarkt für Eigenheime und erst recht für neu gebaute Eigentumswohnungen<br />
in seinem Wachstum bremsen. Da diese <strong>Markt</strong>konstellationen sehr neu sind und aus<br />
der Vergangenheit keinerlei Analogieschlüsse gezogen werden können, ist man<br />
gegenwärtig gezwungen, solche spekulativen Erwägungen anzustellen. Sie machen<br />
deutlich, dass erst durch Experimentieren herausgefunden werden kann, welche<br />
Chancen bestehen, um einen Selbstnutzermarkt im Bestand kräftig zu entwickeln,<br />
<strong>oder</strong> wie robust und unabhängig die Nachfrage nach Eigenheimen von der Entwicklung<br />
der Märkte im Mietwohnungsbestand und der Märkte für gebrauchte Eigentumswohnungen<br />
sein wird.<br />
Auf der Nachfrageseite kommt es in den nächsten fünf Jahren kaum zu einer Belebung<br />
(vgl. Teil D). Die Zahl der Haushalte wird bei den gegebenen Wanderungstrends<br />
(Umlandwanderungen und Wanderungssaldo mit den anderen Regionen) bis 2005<br />
jährlich zwischen 3.000 und 6.000 abnehmen (abhängig von dem Wanderungssaldo<br />
mit dem Ausland). Danach gibt es, unter der Voraussetzung einer hohen Wanderungsintensität<br />
aus dem Ausland, für 10 bzw. 15 Jahre einen leichten Zuwachs (rd. 2.000 Haushalte<br />
pro Jahr).<br />
Dieser rückläufigen Nachfrage steht weiterhin ein beachtlicher Neubau in Größenordnungen<br />
von wahrscheinlich 6.000 bis 8.000 Wohnungen allein in <strong>Berlin</strong> selbst<br />
gegenüber. Auch <strong>Berlin</strong> kommt <strong>–</strong> wie verschiedene andere Großstädte <strong>–</strong> in eine bisher<br />
nicht gekannte Phase der <strong>Markt</strong>entwicklung, in der ein strukturell neuer Bedarf zu einem<br />
beachtlichen Wohnungsneubau führt, während gleichzeitig der quantitative Bedarf<br />
zurückgeht.<br />
Als Folge dieser ständigen quantitativen Überproduktion erhöht sich der Überschussbestand<br />
ständig weiter (vgl. Tabelle 3). Er wird in seinem Wachstum nur begrenzt, weil<br />
nach wie vor durch Zusammenlegungen, Zweckentfremdungen und den technisch<br />
bedingten Abriss bewohnter Wohnungen der aktive und nutzbare Wohnungsbestand<br />
schrumpft. 11<br />
11 Parallel zu diesen marktrelevanten Veränderungen können natürlich zum Beispiel in Sanierungsgebieten<br />
ständig Wohnungen abgerissen werden, die schon seit langem nicht mehr „marktaktiv“ waren. Solche technischen<br />
Bereinigungen des Bestandes durch Abriss von Gebäuden sind stadtstrukturell von Bedeutung,<br />
weil z. B. Hinterhöfe entkernt werden. Sie sind für den <strong>Markt</strong> irrelevant, weil diese Wohnungen keine<br />
ökonomische Angebotsbedeutung hatten. Die Abgänge von leeren Gebäuden sind zu unterscheiden von<br />
ökonomisch relevanten Veränderungen, die etwa dadurch entstehen, dass Zweifamilienhäuser in Einfamilienhäuser<br />
umgewandelt werden, dass kleine Wohnungen durch Umbauten zu großen Wohnungen zusammengelegt<br />
werden usw.. Leider gibt es zu diesen relevanten <strong>Markt</strong>veränderungen keine statistischen Daten;<br />
der in unserer Prognose angesetzte Schwund von marktaktiven Wohnungen beruht auf historischen Erfahrungswerten<br />
und ist nicht erneut durch eigene Erhebungen empirisch untermauert.<br />
85
86<br />
Tabelle 3: Erwartete Veränderungen bei Angebot und Nachfrage<br />
Jahr Anzahl der<br />
Haushalte<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
2005<br />
2006<br />
1.754.000<br />
1.790.000<br />
1.806.000<br />
1.841.000<br />
1.832.000<br />
1.831.000<br />
1.805.000<br />
1.797.000<br />
1.811.000<br />
1.821.000<br />
1.818.500<br />
1.816.000<br />
1.813.500<br />
1.811.000<br />
1.808.500<br />
1.806.000<br />
Veränderung der<br />
Haushaltszahlen<br />
36.000<br />
16.000<br />
35.000<br />
-9.000<br />
-1.000<br />
-26.000<br />
-8.000<br />
14.000<br />
10.000<br />
-2.500<br />
-2.500<br />
-2.500<br />
-2.500<br />
-2.500<br />
-2.500<br />
Baufertigstellungen<br />
[WE]*<br />
8.675<br />
9.287<br />
11.189<br />
15.301<br />
22.317<br />
32.350<br />
16.823<br />
12.183<br />
9.061<br />
6.000<br />
6.000<br />
7.000<br />
7.000<br />
7.000<br />
7.000<br />
Veränderungen<br />
im Bestand<br />
[WE]**<br />
-3.938<br />
-3.973<br />
-4.050<br />
-4.030<br />
-4.028<br />
-3.971<br />
-3.953<br />
-3.984<br />
-4.006<br />
-4.001<br />
-3.995<br />
-3.990<br />
-3.984<br />
-3.979<br />
-3.973<br />
Leerstand<br />
[WE]***<br />
88.172<br />
76.909<br />
47.223<br />
63.362<br />
75.632<br />
119.921<br />
156.300<br />
155.139<br />
153.316<br />
160.876<br />
165.381<br />
169.891<br />
175.407<br />
180.928<br />
186.455<br />
*** Ab 2001: eigene Annahmen<br />
*** Abriss, Zweckentfremdungen und Zusammenlegungen (Annahme: -0,25 % pro Jahr)<br />
*** Anmerkung: Ein großer Teil der Leerwohnungen sind am <strong>Markt</strong> nicht aktiv<br />
Quelle: Eigene Berechnungen empirica<br />
Als Ergebnis der <strong>Markt</strong>tendenzen wachsen die Überschussbestände nochmals in einer<br />
Größenordnung von 20.000 Wohnungen. Auch hier ist eine sorgfältige Interpretation<br />
erforderlich. So kann im Rahmen von Stadtumbauprogrammen die Zahl der Wohnungsabgänge<br />
in den nächsten Jahren kräftig steigen. Damit würde sich der Umfang der Leerstände<br />
verringern. Für den <strong>Markt</strong>, insbesondere für die Preisentwicklung, hätten solche<br />
Abrisse keinerlei Bedeutung, denn sie werden sich in der Masse auf Wohnungen<br />
konzentrieren, die ohnehin schon längst „eingemottet“ waren und dementsprechend auch<br />
den Wettbewerb der Anbieter nicht mehr beeinflussten. Man kann erwarten, dass die<br />
Wohnungseigentümer, die jetzt immer mehr erkennen müssen, dass die Wohnungsproduktion<br />
weiterläuft, obwohl die Leerstände anwachsen, künftig mit ihren wirtschaftlichen<br />
Dispositionen sehr rasch auf diese Konstellation reagieren. Bleibt z. B. die Nachfrage<br />
nach bestimmten Beständen aus, mit der Folge, dass diese über längere Zeit leer<br />
stehen, dann werden die Eigentümer diese Wohnungen rascher als in der Vergangenheit<br />
vom <strong>Markt</strong> nehmen, ganze Gebäude möglichst rasch „entmieten“, um die Vorhaltekosten<br />
des Leerstandes zu verringern.
Angesichts der Größenordnung der Leerstände wird es jedoch nicht gelingen, eine<br />
sogenannte <strong>Markt</strong>bereinigung durch Abriss zu erreichen. Eine <strong>Markt</strong>bereinigung im<br />
Sinne einer Verringerung des Überangebots wird auf lange Zeit nur durch das Verhalten<br />
der Anbieter zustande kommen. Sie können die Zahl der aktiv am <strong>Markt</strong> angebotenen<br />
Wohnungen rasch verringern, ohne dass diese Wohnungen abgerissen werden müssen.<br />
Die Abrissentscheidungen sollten ausschließlich an der Frage orientiert sein, wie groß die<br />
negativen Ausstrahlungen durch Leerstände für eine Nachbarschaft sind und welchen<br />
Wert die durch Abriss frei gelegten Flächen haben. Abrisse sind aufwendig. Es geht deshalb<br />
um ein Kosten-Nutzen-Kalkül. Der Nutzen besteht jeweils darin, dass Störungen<br />
verschwinden und das Flächen für neue Zwecke (Neubebauung bis Grünanlage) verwendet<br />
werden können.<br />
Natürlich ist die Prognose eines weiteren Anwachsens der Leerstände mit Unsicherheiten<br />
behaftet. So ist unbekannt, wie die Anbieter von neu gebauten Mietwohnungen auf die<br />
neuen <strong>Markt</strong>konstellationen reagieren werden. Die wachsenden Leerstände bei gleichzeitiger<br />
Erwartung einer schrumpfenden Bevölkerung, können einen so ausgeprägten<br />
Attentismus der Anbieter hervorrufen, dass der frei finanzierte Mietwohnungsbau weitgehend<br />
zum Erliegen kommt. Es bleibt darauf zu verweisen, dass diese Hypothese durch<br />
die bisherigen Erfahrungen nicht gestützt wird. Der Neubau an Mietwohnungen ging<br />
auch in den letzten Jahren trotz steigender Leerstände weiter (vgl. Abbildung 35). Die<br />
Anbieter sehen sich selbst offensichtlich auf sehr getrennten Märkten, die noch nach<br />
anderen Regeln funktionieren und noch auf längere Frist mit stabiler Nachfrage rechnen<br />
können.<br />
Als relativ stabil hat sich die Nachfrage nach selbstgenutztem Wohneigentum erwiesen.<br />
Unsicher sind natürlich alle Wanderungsprognosen. Doch hat sich die Abwanderung in<br />
das Umland von <strong>Berlin</strong> stabilisiert. Hier sind höhere Fertigstellungszahlen wahrscheinlicher<br />
als ein nachhaltiger Rückgang. Es bleibt darauf zu verweisen, dass eine aktive<br />
„Haltepolitik“ gegenüber potenziellen Abwanderern als Instrument auf die Ausweitung<br />
des Angebots an preiswertem Bauland setzen muss. Eine solche Politik würde nicht nur<br />
die Zahl der mangelnden Eigentümerhaushalte verringern, sondern wegen der günstigen<br />
Preise als Nebenfolge automatisch die Zahl der Mieterhaushalte vergrößern, die in<br />
<strong>Berlin</strong> Eigentum erwerben. Dementsprechend kann eine Verringerung der Abwanderung<br />
als ungewollten Nebeneffekt eine Vergrößerung der Leerstände zur Folge haben. Die<br />
Leerstände würden stärker steigen, obwohl die Zahl der Haushalte ebenfalls zunehmen<br />
würde.<br />
87
88<br />
Abbildung 35<br />
Wohnungsgenehmigungen in Ein- und Zweifamilienhäusern <strong>–</strong><br />
<strong>Berlin</strong> und Umland<br />
Baugenehmigungen<br />
[Wohnungen]<br />
12.000<br />
10.500<br />
9.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
Anteil an allen<br />
genehmigten Wohnungen<br />
0<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />
individueller Wohnungsbau Umland<br />
Anteil an den Genehmigungen<br />
im Neubau Umland<br />
Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />
100 %<br />
75 %<br />
50 %<br />
25 %<br />
0 %<br />
individueller Wohnungsbau <strong>Berlin</strong><br />
Anteil an den Genehmigungen<br />
im Neubau <strong>Berlin</strong><br />
empirica
Abbildung 36<br />
Veränderung zum Vorjahr<br />
[Wohneinheiten]<br />
50.000<br />
40.000<br />
30.000<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
- 10.000<br />
- 20.000<br />
- 30.000<br />
Veränderungen bei Wohnungsnachfrage,<br />
Wohnungsbestand und Leerständen in <strong>Berlin</strong><br />
- 40.000<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Quelle: eigene Berechnungen<br />
Nachfrage = Veränderung der Anzahl der Haushalte<br />
Angebot = Neubau minus Abriss bzw. Bestandsveränderung<br />
Leerstandsveränderungen (Wohneinheiten)<br />
empirica<br />
89
90<br />
E: EMPFEHLUNGEN<br />
1. Zentrale Ergebnisse<br />
1.1 Starke Bautätigkeit Mitte der neunziger Jahre<br />
Nach der Wiedervereinigung entstand in der Region <strong>Berlin</strong> ein vollkommen neuer<br />
<strong>Wohnungsmarkt</strong>. Die anfänglichen Erwartungen über die wirtschaftliche und demographische<br />
Zukunft <strong>Berlin</strong>s waren hoch. Sie wurden durch den Beschluss, die Regierung<br />
nach <strong>Berlin</strong> zu verlagern, nochmals gepuscht. Allein für die Kernstadt wurde ein Bevölkerungswachstum<br />
von bis zu 300.000 Personen bis zum Jahre 2010 erwartet.<br />
Die aus den optimistischen Prognosen abgeleiteten umfangreichen Wohnungsbauprogramme<br />
führten in Kombination mit einem investitionsfreundlichen Steuerrecht und<br />
dem Nachholbedarf bei Einfamilienhäusern ab Mitte der neunziger Jahre zu einem Boom<br />
bei den Wohnungsfertigstellungen. Insgesamt sind in der Region <strong>Berlin</strong> zwischen 1992<br />
und 2000 etwa 250.000 Wohneinheiten neu entstanden, davon rd. 45 % im Umland. 12<br />
Mit der Öffnung der Mauer wurde die Jahrzehnte lang verhinderte Suburbanisierung in<br />
Form des Eigenheimbaus im Umland nachgeholt. Der Einfamilienhausbau im <strong>Berlin</strong>er<br />
Umland hat sich mit rasanter Geschwindigkeit zwischen 1995 und 1999 verdoppelt. Im<br />
Spitzenjahr 1998 wurden im Umland fast 10.000 neue Eigenheime errichtet (mehr als 12<br />
Wohneinheiten/1.000 Einwohner). Zudem wurde das Angebot kleinteiliger und differenzierter.<br />
Angesichts der immensen Baulandausweisungen der brandenburgischen Gemeinden<br />
und der Konkurrenz zwischen starken nationalen und internationalen Anbietern wurden<br />
im Umland immer preiswertere Haustypen angeboten (Preise unter 255.000 Euro).<br />
Auch das 155.000 Euro-Haus, noch Mitte der neunziger Jahre von der <strong>Berlin</strong>er<br />
Wohnungswirtschaft als Utopie belächelt, ist mittlerweile Realität. Die Bauträger im<br />
Umland reagierten damit relativ schnell auf die veränderten <strong>Markt</strong>bedingungen, der<br />
Geschosswohnungsbau spielt zunehmend eine untergeordnete Rolle.<br />
Die Wachstumserwartungen für <strong>Berlin</strong> haben sich nicht erfüllt, die Bevölkerung<br />
schrumpfte in der Kernstadt bis zum Jahr 2000 um rd. 50.000 Bewohner und ab 1996<br />
setzten deutliche Vermietungsschwierigkeiten vor allem bei Geschosswohnungsbauprojekten<br />
ein. Die an den Bedürfnissen der Kapitalanleger ausgerichteten „Standardwohnungen“<br />
(relativ kleine Wohnungen im verdichteten Geschosswohnungsbau) trafen,<br />
ebenso wie die in ähnlichen Bauformen errichteten geförderten Wohnungen, im Zeitverlauf<br />
auf immer geringere Nachfrage.<br />
12 Umland = Brandenburger Teil des engeren Verflechtungsraumes.
Die Anpassungsreaktion und der Wandel vom Kapitalanlegermarkt bzw. vom durch<br />
Förderprogramme dominierten <strong>Markt</strong> zum Nachfragermarkt verliefen in der Stadt <strong>Berlin</strong><br />
viel langsamer als im Umland. Die Leerstände wuchsen ab Mitte der neunziger Jahre vorwiegend<br />
im Mietwohnungsbestand, weil die Haushalte in Neubauwohnungen wechselten,<br />
die alten Wohnungen aber nicht im gleichen Maße wieder belegt wurden. Aber auch mehrere<br />
tausend Neubauwohnungen fanden bis heute keine Mieter, weil ihre Bauformen und<br />
besonders die Dichten den Vorstellungen der Nachfrager nicht entsprachen. Der <strong>Berlin</strong>er<br />
<strong>Wohnungsmarkt</strong>, der in der Vergangenheit durch ein knappes Angebot und eine starke<br />
Nachfrage geprägt war, kam erst in den späten neunziger Jahren in eine Phase, in der sich<br />
eine strikte Kundenorientierung bei allen Anbietern durchsetzte. Statt der Subventionen<br />
und der normativen Planungsauflagen dominiert am <strong>Berlin</strong>er <strong>Markt</strong> erstmals die Nachfrage.<br />
1.2 Neubau trotz vorhandener Leerstände<br />
Der in der Vergangenheit übersubventionierte <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> hat in den neunziger<br />
Jahren eine dramatische Kapitalfehllenkung erzeugt. In <strong>Berlin</strong> sind die Wohnungsleerstände<br />
zwischen 1995 und 2000 um mehr als 100.000 Wohneinheiten gestiegen. Das<br />
heißt, dass ein erheblicher Anteil der Fertigstellungen lediglich zu einer Erhöhung der<br />
Leerstände geführt hat.<br />
Der überwiegende Anteil des Geschosswohnungsbaus in der zweiten Hälfte der neunziger<br />
Jahre wäre unter marktwirtschaftlichen Bedingungen kaum finanziert worden.<br />
Unterstellt man eine subventionsbedingte Überproduktion von rd. 60.000 Wohnungen bei<br />
150.000 Euro Investitionskosten pro Wohnung, dann entspricht dies einer Kapitalfehlleitung<br />
von rd. 9 Milliarden Euro. Bei einer Subventionsquote von 30 % ergäbe sich<br />
allein aus dem überhöhten Mietwohnungsbau der neunziger Jahre eine Belastung des<br />
Staatshaushalts von rd. 3 Milliarden Euro.<br />
Nicht jede Wohnungsproduktion, die zu Leerstand führt, bedeutet eine Fehllenkung von<br />
Kapital. Wenn die Wohnungsproduktion auch bei hohen Leerständen marktwirtschaftlich<br />
finanziert weitergeht und private Nachfrager bereit sind, die hohen Kosten zu tragen, wird<br />
dadurch demonstriert, dass die historischen Bestände den gegenwärtigen und auch künftigen<br />
Ansprüchen z. T. nicht mehr entsprechen. Wie auch auf anderen Märkten führt der<br />
Wettbewerb zur ökonomischen Obsoleszens von Produkten, die technisch zumindest teilweise<br />
durchaus funktionsfähig sind, aber in ihrer Qualität hinter m<strong>oder</strong>nen Ansprüchen<br />
zurückbleiben. Ganz offensichtlich sind gleichzeitig auch die M<strong>oder</strong>nisierungskosten so<br />
hoch, dass eine Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr hergestellt werden kann.<br />
Insgesamt erreicht der Wohnungsüberschuss in der Region etwa 200.000 Wohneinheiten,<br />
davon gut 150.000 in <strong>Berlin</strong>. Wie nicht anders zu erwarten, konzentriert sich der Leerstand<br />
weit überwiegend auf den Mietwohnungsbestand. Überdurchschnittlich betroffen<br />
sind die Großsiedlungen im Ostteil der Stadt und die abgewohnten innerstädtischen<br />
Altbauquartiere. Dies wird bei der Verteilung der Leerstände auf die Bezirke deutlich.<br />
Besonders herausragend sind hier die Leerstände in Marzahn und Friedrichshain.<br />
91
92<br />
Es gibt keine ausreichenden Informationen über die Struktur des Leerstandes. So ist nicht<br />
bekannt, wie hoch der Anteil an Überschusswohnungen ist, der von den Eigentümern<br />
vom <strong>Markt</strong> zurückgezogen wurde und nicht mehr aktiv angeboten wird. Solche „ausgebuchten“<br />
Wohnungen gehen in ihrer Entstehung z. T. noch auf die Zeit vor der Wende<br />
zurück. Allerdings haben auch Wohnungsunternehmen, in deren Siedlungen sich Leerstände<br />
konzentrieren, inzwischen einzelne Gebäude zumindest „eingemottet“ <strong>oder</strong> auch<br />
endgültig stillgelegt (Türen und Fenster zugemauert, Leitungssysteme gekappt). Über das<br />
Ausmaß dieser ausgebuchten Bestände kann man nur spekulieren. Expertenmeinungen<br />
und einzelne Indikatoren deuten daraufhin, dass von den Leerstandswohnungen etwa<br />
100.000 noch aktiv am <strong>Markt</strong> angeboten werden. Diese Quote wird allmählich zurückgehen.<br />
1.3 Wachsende Zahl von Umzügen in das <strong>Berlin</strong>er Umland<br />
In der Region <strong>Berlin</strong> lebten 2000 rd. 4,3 Mio. Einwohner, davon rd. 3,4 Mio. (fast 80 %)<br />
in der Kernstadt und rd. 0,9 Mio. im engeren Verflechtungsraum. Die Zahl der Einwohner<br />
ist in der Region seit 1990 um 106.000 (plus 2,5 %) gestiegen, wobei sie in der Kernstadt<br />
um 52.000 Bewohner schrumpfte bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum im<br />
Umland (plus 158.000).<br />
Das Bevölkerungswachstum im Umland ist überwiegend (ca. 80 %) auf Zuwanderung<br />
aus der Kernstadt zurückzuführen. Im Durchschnitt sind in den letzten 10 Jahren jährlich<br />
24.000 <strong>Berlin</strong>er in das Umland gezogen. 1998 erreichten die Wanderungen ihren Höhepunkt<br />
mit einem Wegzug von rd. 40.000 Personen. Obwohl die Mieten in den Innenstadtbereichen<br />
nicht gestiegen sind, sondern in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre<br />
dank eines reichhaltigen Angebots sanken, verließen vor allem Familien die Stadt und<br />
bezogen ein Reihenhaus im Umland. Das Einfamilienhaus symbolisiert für sie im Vergleich<br />
zum Mietshaus Unabhängigkeit und Freiheit.<br />
1.4 Soziale Selektivität bei den Wanderungsprozessen<br />
In <strong>Berlin</strong> war die Wohnbevölkerung bis zur Wende deutlich stärker durchmischt als in<br />
anderen Großstädten Europas <strong>oder</strong> gar in den USA. Aufgrund des verdichtet zugebauten<br />
Blocks (Innenbebauung) ergaben sich auf engem Raum sehr ausgeprägte Qualitätsdifferenzierungen,<br />
die zu einer entsprechenden Mischung von Mietern mit hohen und niedrigen<br />
Einkommen führten, der so genannten „<strong>Berlin</strong>er Mischung“. In Ostberlin wurde die<br />
soziale Mischung durch das staatliche Zuteilungssystem konserviert, das individuellen<br />
Wohnpräferenzen kaum Spielraum ließ; die beabsichtigte Auflösung der Klassenunterschiede<br />
wirkte zudem über die geringen Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen<br />
Berufsgruppen in die gleiche Richtung.<br />
Das sozialräumliche Gefüge <strong>Berlin</strong>s hat sich nach der Wende grundlegend verändert. Die<br />
Kernstadt verdankt ihren Bevölkerungsgewinn in der ersten Hälfte der neunziger Jahre<br />
der Zuwanderung aus dem Ausland (jährlich zwischen 15.000 und 35.000 Personen).
Auch die aktuelle Stagnation der Bevölkerungszahlen ist nur durch Zuwanderung aus<br />
dem Ausland möglich (Ausgleich für den natürlichen Bevölkerungsverlust).<br />
Gleichzeitig verliert <strong>Berlin</strong> sozial stabile Haushalte an das Umland, weil das Angebot<br />
an attraktiven kleinteiligen Bauformen, insbesondere die Angebote an Ein- und Zweifamilienhäusern<br />
in <strong>Berlin</strong> knapp blieb (zwischen 1992 und 1999: im Umland ein Angebot<br />
von 40.000 Ein- und Zweifamilienhäusern im Unterschied zu 19.000 in <strong>Berlin</strong>).<br />
Etwa 60 % der im Umland gebauten Eigenheime werden von <strong>Berlin</strong>ern bezogen, in den<br />
direkt an <strong>Berlin</strong> angrenzenden Gemeinden wurde dieser Wert zum Teil noch deutlich<br />
überschritten.<br />
Unter anderem durch die forcierte Abwanderung in das <strong>Berlin</strong>er Umland hat sich der<br />
<strong>Markt</strong> in der Kernstadt deutlich entspannt, so dass auch die Fluktuation und die Leerstände<br />
in den weniger attraktiven Wohngebieten <strong>Berlin</strong>s zugenommen haben. Dies führt<br />
neben finanziellen Nachteilen für <strong>Berlin</strong> zu einer sozialen Segregation zwischen <strong>Berlin</strong><br />
und dem Umland sowie zu einer deutlich verstärkten Segregation zwischen den <strong>Berlin</strong>er<br />
Stadtteilen, die wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklungsperspektive<br />
dieser Stadtteile und die Lebenswelten der dort lebenden Menschen hat. In dem weniger<br />
durch Knappheiten geprägten <strong>Markt</strong> entsteht zunehmend eine neue Trennung von Einkommens-<br />
und Sozialschichten; damit geht die „<strong>Berlin</strong>er Mischung“ verloren.<br />
1.5 Schrumpfung der Zahl der Haushalte in <strong>Berlin</strong><br />
Insgesamt ist die Zahl der Haushalte in der Region <strong>Berlin</strong> in den letzten Jahren (zwischen<br />
1993 und 2000) um knapp 90.000 kontinuierlich auf ca. 2,2 Mio. Haushalte gestiegen,<br />
davon 21 % zuwanderungsbedingt im Umland und lediglich 1 % (18.600 Haushalte) in<br />
<strong>Berlin</strong>. Zukünftig wird es in <strong>Berlin</strong> keine relevanten Haushaltszuwächse mehr geben, im<br />
Gegenteil, die Haushaltszahlen nehmen kurzfristig ab, stagnieren dann für zehn Jahre<br />
(Trendvariante) und nehmen danach drastisch ab. Nur bei einem hohen Zuwanderungssaldo<br />
mit dem Ausland 13 werden die Haushaltszahlen nach 2005 nochmals jährlich um<br />
knapp 4.000 (bis zum Jahr 2015) ansteigen, danach tritt eine Stagnation und nach 2025<br />
eine starke Schrumpfung ein.<br />
Eine relevante Zunahme der Haushalte gibt es in den nächsten Jahren nur bei den Seniorenhaushalten,<br />
alle anderen Altersgruppen stagnieren bzw. schrumpfen. Die wichtigsten<br />
Veränderungen der Haushaltsstruktur werden durch die anhaltende Singularisierung und<br />
die Alterung der Gesellschaft verursacht. Bis 2030 wird die Zahl der Kleinhaushalte (Einund<br />
Zweipersonenhaushalte) um jährlich 7.000 zunehmen; dabei werden die kleinen<br />
Haushalte im Durchschnitt älter: Die Zahl der jungen Single- und Zweipersonenhaushalte<br />
nimmt ab, während parallel die Zahl der älteren Kleinhaushalte stark zunimmt.<br />
13 Jährlich zusätzlich 200.000 Personen Nettozuwanderung (Saldo zwischen Zu- und Abwanderung mit dem<br />
Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet).<br />
93
94<br />
1.6 Niedrige Eigentümerquote in <strong>Berlin</strong><br />
Die Kerngruppe für den Erwerb von Wohneigentum (Drei- und Mehrpersonenhaushalte,<br />
30 bis 40 Jahre) wird sich alleine in den nächsten 10 Jahren halbieren. Die Abnahme dieser<br />
Haushalte hat sowohl demografische als auch angebotsbestimmte Gründe. Zum einen<br />
wachsen die späten Baby-Boomer (geboren zwischen 1960 und 1970) aus der entsprechenden<br />
Gruppe heraus, gleichzeitig wandern die Haushalte dieser Altersgruppe besonders<br />
häufig ins Umland ab.<br />
Die Wohneigentumsquote für <strong>Berlin</strong> fällt mit 11 % (13 % in <strong>Berlin</strong> West und 7 % in<br />
<strong>Berlin</strong> Ost) im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten sehr kümmerlich aus. Die<br />
Ursache dafür liegt unter anderem in der hohen Quote sehr großer Mehrfamilienhäuser.<br />
Die <strong>Berlin</strong>er Geschosswohnungsbauten erschweren allein wegen ihrer Größe die Eigentumsbildung<br />
aus dem Bestand; kleine, für Selbstnutzer besonders geeignete Häuser mit<br />
großen Wohnungen bleiben in <strong>Berlin</strong> knapp. Im Umland gibt es demgegenüber inzwischen<br />
ein vielfältiges Angebot an Ein- und Zweifamilienhäusern bei intensivem Preisund<br />
Qualitätswettbewerb. Dies erklärt die starke Verlagerung der Nachfrage <strong>Berlin</strong>er<br />
Haushalte nach Wohneigentum auf das Umland.<br />
Daneben wirken die jahrzehntelangen hohen Subventionen des Westberliner Mietwohnungsmarkts<br />
immer noch nach, mit der Folge, dass das Mietniveau verglichen mit anderen<br />
Großstädten sehr niedrig ausfällt. Dies muss die Neigung, in <strong>Berlin</strong> Wohneigentum<br />
zu bilden, verringern. Allerdings kann die im Vergleich zu anderen Großstädten deutlich<br />
niedrigere Wohneigentumsquote der <strong>Berlin</strong>er Haushalte kaum das alleinige Resultat<br />
einer geringen Eigentumsneigung sein. Die <strong>Berlin</strong>er sind keine geborenen Mieterhaushalte.<br />
Das in der Vergangenheit nur wenige <strong>Berlin</strong>er Haushalte Wohneigentum gebildet<br />
haben, ist die Folge spezifischer, z.T. politisch geschaffener Rahmenbedingungen. Es<br />
wirken zusammen: der hohe Anteil großer Häuser als Folge von Planungsentscheidungen,<br />
die relativ zum Mietwohnungsbau niedrige Förderung der Eigentumsbildung bei<br />
überhöhten Bodenpreisen und Erschließungskosten, die Jahrzehnte der Mietpreisbindung.<br />
<strong>Berlin</strong> bleibt deshalb noch lange eine Mieterstadt, selbst wenn durch günstige<br />
Bedingungen im Neubau und günstige Erwerbsmöglichkeiten aus dem Bestand die Eigentumsbildung<br />
kräftig ansteigen sollte.<br />
Unter den geltenden Rahmenbedingungen dürfte bei etwa bleibender Neigung der Haushalte<br />
zur Eigentumsbildung jährlich etwa 2.500 neue Haushalte Wohneigentum bilden.<br />
Diese Zahl kann durch eine strikt eigentumsfreundliche Politik in <strong>Berlin</strong> allerdings deutlich<br />
gesteigert werden. Damit das Niveau der <strong>Berlin</strong>er Wohneigentumsquote bis zum Jahr<br />
2015 das heutige Niveau anderer Großstädte (rd. 20 %) erreichen könnte, müsste die<br />
Möglichkeit, Eigentum zu bilden, stark verbessert werden. Neben günstigen Bedingungen<br />
im Neubau könnte eine veränderte Politik der Mieterprivatisierung zu jährlich höheren<br />
Erwerbszahlen führen.<br />
Will man in <strong>Berlin</strong> bis 2015 eine Eigentumsquote von dem Niveau Hannovers Ende der<br />
neunziger Jahre erreichen (20 %), dann entspricht dies einer Zahl von gut 150.000 Haushalten.<br />
Davon könnten, unterstellt man ein „Halten“ der Abwanderer durch entsprechend
attraktive Angebote in <strong>Berlin</strong>, 75.000 durch Neubau entstehen. Für den Erwerb aus dem<br />
Bestand ergäbe sich dann noch eine Größenordnung von rd. 75.000 Wohneinheiten, die,<br />
setzt man ein eine entsprechende Preisgestaltung voraus, allein durch die Privatisierung<br />
aus dem Bestand der kommunalen Wohnungsgesellschaften erreicht werden kann.<br />
1.7 Relevanter Gesamtbedarf für Wohnangebote durch Umlenkung der<br />
Abwanderer<br />
Unter der Vorraussetzung eines ausgeglichenen Saldos zwischen Zu- und Abwanderung<br />
mit dem Ausland würde sich das heute schon bestehende quantitative Überangebot an<br />
Wohnungen in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Wohnungsneubau wird dennoch aufgrund<br />
der in <strong>Berlin</strong> besonders ausgeprägten strukturellen Defizite, insbesondere aus<br />
Mangel an Eigenheimen und hochwertigen Miet- und Eigentumswohnungen, über den<br />
quantitativen Bedarf hinaus finanziert werden.<br />
Auch wenn man von der optimistischen Unterstellung einer hohen Zuwanderung aus dem<br />
Ausland ausgeht (jährlich zusätzlich 200.000 Personen Nettozuwanderung mit dem<br />
Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet), so ist bereits heute der Wohnungsbedarf quantitativ<br />
gedeckt. Auch bei dieser Entwicklung wird Neubau also „nur“ notwendig, weil es<br />
eine Diskrepanz zwischen den qualitativen Ansprüchen der Nachfrager und den Qualitäten<br />
des vorhandenen Bestandes gibt.<br />
Bei einer Prognose der quantitativen Wohnungsnachfrage für die nächsten 30 Jahre sind<br />
allerdings auch die Auswirkungen der EU-Osterweiterung zu berücksichtigen. Für den<br />
<strong>Fall</strong> einer völligen Freizügigkeit (freie Wohnort- und Arbeitsplatzwahl) schätzt das<br />
Ifo-Institut ein Zuwanderungspotenzial für ganz Deutschland von 2,5 bis 3,3 Millionen<br />
Personen für einen Zeitraum von 15 Jahren nach der Liberalisierung der Zuwanderungsbedingungen.<br />
Durch die prognostisierte Osterweiterung ergäbe sich bei solchen Wanderungen<br />
ein zusätzlicher Bedarf von insgesamt 70.000-90.000 Wohnungen für die nächsten<br />
15 Jahre in <strong>Berlin</strong>. Das bedeutet, dass der heute vorhandene aktive Leerstand durch<br />
diese Zuwanderung sukzessive abgebaut werden könnte (Hierbei wurde unterstellt, dass<br />
aufgrund der Nähe zu Polen ein überproportionaler Anteil der EU-Zuwanderer nach<br />
<strong>Berlin</strong> kommt).<br />
Impliziert man, dass von den aktuell etwa 6.000 bis 7.000 <strong>Berlin</strong>er Haushalten, die pro<br />
Jahr im Umland Eigentum erwerben, ein Großteil dies auch in der Stadt selbst tun<br />
könnte, ergibt sich ein jährliches Potenzial von derzeit gut 5.000 Eigentümerhaushalten,<br />
die in <strong>Berlin</strong> hätten gehalten werden können. Zukünftig wäre dieses Potenzial aufgrund<br />
der sinkenden Anzahl junger Haushalte etwas kleiner. Dieselben Quoten „umlenkungsfähiger“<br />
Haushalte vorausgesetzt, könnten durch geeignete Maßnahmen bis 2005 jährlich<br />
etwa 3.500 Haushalte und im Zeitraum 2005-2030 rd. 2.500 junge Haushalte in <strong>Berlin</strong><br />
gehalten werden.<br />
Durch die Umlenkung der Abwanderer, die nach „klassischen“ Eigentumsformen suchen,<br />
könnte der strukturell bedingte Neubau im Umland gesenkt werden und sich stärker auf<br />
95
96<br />
das Stadtgebiet konzentrieren. Allerdings kann dadurch das quantitative „Überangebot“<br />
im <strong>Berlin</strong>er Bestand nicht verhindert werden, da dieser Neubau keine Auswirkungen auf<br />
die Leerstandsentwicklung hat. Trotzdem hätte eine Umlenkung des Eigentumserwerbs<br />
folgende Vorteile:<br />
● Weniger Beanspruchung von Landschaft (Nutzung der innerstädtischen Flächenreserven);<br />
● Weniger Pendlerverkehr;<br />
● Bessere Auslastung der innerstädtischen Infrastruktur;<br />
● Eindämmung der sozialen Segregation zwischen Stadt-Umland sowie zwischen<br />
verschiedener innerstädtischer Quartiere und der entsprechenden Begleitkosten;<br />
● Verhinderung der finanziellen Steuernachteile für <strong>Berlin</strong>.
2. Empfehlungen<br />
2.1 Von der Bauförderung zur Steigerung der Effizienz der<br />
Wohnungsmärkte<br />
Priorität sollte bei den ureigensten kommunalen Aufgaben liegen: bei der Bereitstellung<br />
von erschlossenem Bauland. Der gegenwärtige Erschließungs- und Bauprozess ist zu<br />
arbeitsteilig und zu wenig auf das Ziel hin organisiert, hohe Qualität zu günstigen Kosten<br />
zu produzieren. Die Arbeitsteilungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, die<br />
sich aus der Vergangenheit entwickelt haben, sind sicher nicht optimal und müssen auf<br />
den Prüfstand. Das Ziel muss sein, die gesamte Bereitstellung einschließlich der<br />
Steuerung der Bebauung aus einer Hand zu organisieren. Hier könnte sich <strong>Berlin</strong> der<br />
Traditionen aus der großen Wachstumsphase zwischen 1870 und 1914 erinnern, als ein<br />
hocheffizientes System der Stadterweiterung und der Bereitstellung von Bauland<br />
bestand. Damals haben private Terraingesellschaften Grundstücke aufgekauft und<br />
erschlossen, um sie dann für die Bebauung zu veräußern.<br />
Grundstückserschließung ist eine öffentliche Aufgabe <strong>–</strong> allerdings keine Aufgabe, die<br />
Kommunen in Eigenregie übernehmen müssen. Dabei müssen private Bauträger das<br />
Recht erhalten, die öffentliche Infrastruktur zu produzieren. Öffentliche Stellen sollten<br />
lediglich die Infrastruktur abnehmen und ihre Übereinstimmung mit öffentlichen Regeln<br />
überprüfen. Sinnvoll wäre ein gemischt zusammengesetzter Ausschuss, der ständig<br />
Verbesserungsvorschläge macht, um unsinnige und kostentreibende Auflagen und Regeln<br />
auszumerzen.<br />
Die <strong>Berlin</strong>er Grundstückspreise sind gegenwärtig günstiger als in München, Hamburg<br />
<strong>oder</strong> Frankfurt. Gemessen an den riesigen Flächenreserven und den geringen Bauaufgaben<br />
sind sie jedoch viel zu hoch; sie könnten leicht halbiert werden, wenn die Märkte<br />
effizient organisiert wären. Dies erfordert z.B., die Richtwertkarten überall dort auszusetzen,<br />
wo in letzter Zeit de facto keine größeren Umsätze stattfanden und die Werte<br />
historische Gegebenheiten widerspiegeln.<br />
Die öffentliche Hand sollte ihre eigenen Grundstücke nutzen, um das Angebot möglichst<br />
rasch effektiv zu erhöhen. Dabei dürften fiskalische Zielsetzungen, die kurzfristig durchaus<br />
verständlich sind, keine Rolle spielen, weil die langfristigen Schäden einer Hochpreispolitik<br />
weit größer sind als die kurzfristigen fiskalischen Erfolge. Es sollte geprüft<br />
werden, ob eine systematische Bodenpolitik des „erst kaufen dann planen“ praktiziert<br />
werden kann. Eine solche Politik wird z. B. im Umland von München durch die Städte<br />
praktiziert, die durch preiswertes Einkaufen von Bauerwartungsland die einheimischen<br />
Nachfrager mit preiswertem Bauland versorgen und die hohe <strong>Markt</strong>preise nur zu Lasten<br />
der Zuwanderer wirksam werden lassen. Was bayerischen Kommunen zugunsten der<br />
Einheimischen Recht ist, sollte in <strong>Berlin</strong> zugunsten einer preiswerten Stadtentwicklung<br />
praktiziert werden.<br />
97
98<br />
2.2 <strong>Berlin</strong>, die preiswerte Stadt: Metropole zu Mittelstadtpreisen<br />
Der Senat sollte möglichst bald das Ziel verkünden, die <strong>Berlin</strong>er Bodenpreise außerhalb<br />
der Zonen absoluter Knappheiten (Innenstadt) zu halbieren. Preiserwartungen müssen<br />
glaubwürdig gebrochen werden, damit auch Bauland auf den <strong>Markt</strong> kommt und ein nachhaltiger<br />
Prozess der Preissenkung entsteht. <strong>Berlin</strong> kann als größte Stadt Deutschlands angesichts<br />
seiner Flächenreserven beim Bauen (und damit bei den Mieten außerhalb der<br />
Zonen absoluter Knappheit) das Preisniveau einer Mittelstadt erreichen.<br />
Allerdings werden Mieten und Wohnimmobilienpreise in knappen, nicht vermehrbaren<br />
Lagen (wie in anderen Städten auch) künftig extreme Spitzenwerte erreichen. Die Preisdifferenzierung<br />
wird zunehmen.<br />
Preiswertes Bauland führt zu preiswerten Büros und anderen Bauten. Die Mieterstadt<br />
<strong>Berlin</strong> kann durch preiswertes Bauland und preiswertes Bauen einen Aufholprozess in der<br />
Eigentumsbildung im Neubau wie bei der Veräußerung von Mietwohnungen aus dem<br />
Bestand in Gang setzen.<br />
Damit wird eine wichtige Komponente der Lebenshaltungskosten günstiger als in den<br />
anderen konkurrierenden Großstädten. Am Arbeitsmarkt werden etwa Büroarbeitsplätze<br />
preisgünstiger als in den anderen Großstädten. Da auch die Löhne/Einkommen spürbar<br />
niedriger sind als in München <strong>oder</strong> Frankfurt, ergibt sich hier ein erheblicher Standortvorteil,<br />
der im gesamten Dienstleistungssektor spürbar wird. Bau- und Wohnkosten<br />
haben eine Schlüsselstellung in der künftigen überregionalen Konkurrenz um knappere<br />
hochqualifizierte Arbeitskräfte. <strong>Berlin</strong> kann seine Wettbewerbsposition an den überregionalen<br />
Arbeitsmärkten und damit auch an den Märkten für hochwertige, überregional<br />
vermarktete Dienstleistungen durch eine langfristig vorausschauende Politik schon<br />
jetzt verbessern.<br />
<strong>Berlin</strong> kann darüber hinaus eine größere Bandbreite der Wohnmilieus und (zukünftig)<br />
auch der Wohnformen bieten. Im Neubau kann, gestützt auf das reichhaltige Angebot an<br />
unterschiedlichen Lagen, auch eine Vielfalt der Lösungen angeboten werden, weil niedrigere<br />
Preise eine größere Bandbreite der Bauträgerprojekte ermöglichen.<br />
Bauformen und Baudichten sollten sehr viel stärker durch die Nachfrage bestimmt<br />
werden. Es fehlen vor allem große Wohnungen in kleinen Gebäuden. Die Planung sollte<br />
den Bauträgern sehr viel größere Freiheit lassen, ihre Bauformen selbst nachfragegerecht<br />
zu bestimmen. Nur dort, wo ein allgemein öffentliches Interesse nach Kohärenz besteht,<br />
sollten planerische Vorgaben gemacht werden.<br />
2.3 Kompensierende Politik in sozial segregierten Gebieten<br />
Das hohe Maß der Segregation, dass in den letzten Jahren am <strong>Wohnungsmarkt</strong> entstanden<br />
ist, wird die Politik noch auf lange Zeit zu kompensierenden Strategien zwingen. Es gibt<br />
zu viele Gebiete, in denen Jugendliche, die dort aufwachsen, in ihrem Fortkommen<br />
behindert werden. Die Schulen bleiben hinter dem Durchschnitt zurück. Die hohen
Ausländerquoten führen zu einem Absinken der Leistungsansprüche, zu unterdurchschnittlichen<br />
Schulergebnissen. Die Arbeitslosigkeit ist überdurchschnittlich hoch.<br />
Zudem besteht in diesen Gebieten neben einer Einkommensarmut eine ausgesprochene<br />
Netzwerkarmut. Es fehlen vielfältig nutzbare und wertvolle Kontakte in den Dienstleistungssektor<br />
und in die Wirtschaft. Es fehlen Chancen in die eigene Selbständigkeit.<br />
Das hat auch damit zu tun, dass ein großer Teil der Bewohner die Gebiete als vorübergehenden<br />
Wohnstandort sehen und nicht als Nachbarschaft, in der man sich auf Dauer einrichtet<br />
und für die man sich engagiert.<br />
Die Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik hat hier nur eine Teilverantwortung, da die<br />
Wohnverhältnisse nur einen Teil des Problems ausmachen. Mit dem Programm Quartiersmanagement<br />
in siebzehn Gebieten wurde ein wichtiger Schritt zur Aufwertung getan,<br />
denn die Probleme dieser Gebiete wurden damit zu einem zentralen politischen<br />
Thema in den Bezirken und in einer breiten Öffentlichkeit. Es wird deutlich, dass hier<br />
breit angelegte, nicht nur auf das Bauliche beschränkte Entwicklungsprozesse in Gang<br />
gesetzt werden müssen.<br />
Durch die Programme und Maßnahmen der letzten vier Jahre sind weithin sichtbare<br />
sowie von den Bewohnern begrüßte und von ihnen mitgetragene Projekt in Gang gesetzt<br />
worden. Allerdings ist auch deutlich geworden, dass bei diesen Gebieten eine so tiefgreifende<br />
Ungleichheit (im Vergleich zur übrigen Stadt) besteht, dass eine sehr weitreichende<br />
und langanhaltende kompensierende Politik notwendig bleiben wird.<br />
Quartiersmanagement wird, solange es eine Zuwanderung von Ausländern mit niedrigen<br />
Qualifikationen gibt, solange die strukturelle Arbeitslosigkeit bei niedrig qualifizierten<br />
Deutschen und Ausländern zu hoch bleibt, solange die Anforderungen an die Schulen und<br />
andere öffentlichen Dienstleistungen so dramatisch unterschiedlich sind wie heute, notwendig<br />
sein.<br />
<strong>Berlin</strong> wird, wie andere Großstädte auch, im eigenen Entwicklungsinteresse und im<br />
Interesse der bisher benachteiligten Bewohner besondere Maßnahmen aufrechterhalten<br />
müssen. Dabei sind humane und wirtschaftliche Ziele nahezu identisch. So liegt es im<br />
Interesse der Jugendlichen dieser Gebiete, dass die bisherigen Bildungsdefizite möglichst<br />
rasch überwunden werden. Ein Abbau der Unterausbildung jugendlicher Ausländer wird<br />
aber auch zu einem wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungsziel <strong>Berlin</strong>s, weil etwa nach<br />
2010 in <strong>Berlin</strong> wie auch in den anderen Großstädten ein allgemeiner „Jugendmangel“<br />
spürbar sein wird.<br />
2.4 Eigentumsbildung im Neubau und Verkauf von Wohnungen aus dem<br />
Bestand<br />
Die Wohnungspolitik der Vergangenheit hat versucht, durch riesige Subventionsprogramme,<br />
die den Haushalt noch auf Jahrzehnte belasten, ein ausreichendes Wohnungsangebot<br />
zu schaffen. Sie ging von der Prämisse aus, dass der <strong>Markt</strong> unter <strong>Berlin</strong>er<br />
99
100<br />
Bedingungen nicht in der Lage ist, ein ausreichendes Wohnungsangebot bereitzustellen.<br />
Tatsächlich hat diese massive Subventionierung auch dazu geführt, die marktwirtschaftlich<br />
möglichen Investitionen weitgehend zu verdrängen. Dies gilt insbesondere für die<br />
Eigentumsbildung. Wohneigentum war unter den aufgeblähten Kosten zu teuer, insbesondere<br />
im Vergleich zu den subventionierten Mieten im Neubau bzw. zu den herunter<br />
regulierten Altbaumieten. Die Politik muss in beiden Bereichen die Voraussetzungen für<br />
mehr Vermögensbildung schaffen.<br />
Im Neubau kommt es darauf an, innerhalb der Stadt preiswertes Eigentum zu ermöglichen.<br />
Eigentumspolitik ist künftig im Wesentlichen Grundstückspolitik. Eine solche<br />
Politik hätte gleichzeitig die positive Nebenwirkung, dass die Abwanderung in das<br />
Umland geringer würde.<br />
Parallel dazu sollten möglichst viele Wohnungen an ihre Mieter veräußert werden.<br />
Hier ist ein Kompromiss zwischen dem Wunsch nach möglichst hohen Erlösen zugunsten<br />
der Wohnungsunternehmen und des öffentlichen Haushalts und der Zahlungsfähigkeit<br />
der Mieter zu erreichen. Es sollte möglich sein, in den nächsten 15 Jahren<br />
100.000 Wohnungen zu veräußern und dabei im Durchschnitt zwischen 25.000 und<br />
35.000 Euro an stillen Reserven aufzulösen. Im Optimalfall könnten nach einer<br />
Anlaufphase pro Jahr rd. 0,5 bis 0,65 Mrd. Euro erlöst werden. Dabei ist unterstellt,<br />
dass die Mieter Mehrbelastungen von 10 bis 15 % gegenüber ihrer Ausgangsmiete tragen<br />
können.<br />
2.5 Alterung und Wohnungspolitik<br />
<strong>Berlin</strong> wird in 20 Jahren eine Stadt mit einer dann lange Zeit wachsenden Zahl kinderloser<br />
Rentner sein. Wohnen im Alter wird neue Probleme aufwerfen. Die informellen<br />
Unterstützungen der älteren Generation im hohen Alter (i.d.R. durch die Familie) werden<br />
seltener, weil die Zahl und die Quote der kinderlosen Rentner ständig steigen wird.<br />
Außerdem geht mit steigender Erwerbsquote der Frauen die Kapazität der Familien<br />
zurück, Unterstützungsleistungen zu erbringen.<br />
Hier sind gerade in den Großstädten neue informelle Formen des Zusammenlebens<br />
erforderlich. Die Politik kann hier nur katalytisch wirken. Es geht nicht darum,<br />
Programme aufzulegen. Es geht um die Unterstützung von Gruppen, damit neue<br />
Formen der gegenseitigen Hilfe und des eigenständigen Wohnens im Alter entwickelt<br />
und getestet werden können. Auch die kommunalen Wohnungsgesellschaften können<br />
hier ihre Mieter unterstützen, sich in selbstorganisierter Nachbarschaftshilfe von<br />
professionellen Unterstützungsleistungen zumindest teilweise zu emanzipieren. Der<br />
Anreiz dazu wird groß sein, weil die Pflegeversicherung auf Dauer nicht ausreichen<br />
wird, um die erforderlichen Leistungen zu finanzieren. Jede Form der entlastenden<br />
Unterstützung wird erwünscht sein. Selbstbestimmtes Wohnen im Alter wird<br />
allerdings nicht automatisch entstehen, dazu sind die Widerstände und Hindernisse<br />
zu groß.
Es gibt schon heute in jeder Stadt zahlreiche Gruppen, die versuchen, in Eigeninitiative<br />
ein stärker selbstbestimmtes Gruppenwohnen zu realisieren; sie brauchen jedoch<br />
eine beratende Unterstützung. Auch Bauträger können geeignete Projekte anbieten.<br />
Je früher Erfahrungen gesammelt werden, umso früher werden die optimalen Lösungen<br />
getestet und verfügbar sein und umso eher kann Anschauung gewonnen werden.<br />
2.6 Chancen durch nachfragegerechte Bauformen und<br />
Organisationsstrukturen<br />
Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> hat Chancen, ein eigenes Profil zu gewinnen und sich<br />
erheblich von regionalen Wohnungsmärkten in westdeutschen Agglomerationen zu<br />
unterscheiden. In Zukunft werden sich die Anbieter in der Region <strong>Berlin</strong> auf selbstgenutztes<br />
Eigentum konzentrieren. Bei einer Fortsetzung der bisherigen Baulandpolitik,<br />
die dazu geführt hat, dass das Preisniveau für Eigenheime im Umland von <strong>Berlin</strong> um<br />
50.000 bis 100.000 Euro niedriger liegt als in westdeutschen Stadtregionen, ist sichergestellt,<br />
dass die <strong>Berlin</strong>er Schwellenhaushalte über 25.000 bis 35.000 Euro geringere<br />
Einkommen verfügen müssen, als Nachfrager nach Eigenheimen im Umland von<br />
Stuttgart <strong>oder</strong> München. Die Versorgungsprobleme in der Region <strong>Berlin</strong> können daher in<br />
weitaus größerem Umfang über den Neubau von selbstgenutztem Eigentum gelöst<br />
werden, als in westdeutschen Stadtregionen.<br />
In der Kernstadt wird zukünftig stärker auf die an den Wünschen der Endnachfrager<br />
orientierten Bedürfnisse der Bauträger und Investoren eingegangen werden<br />
müssen. Bei der Analyse erfolgreicher bzw. weniger erfolgreicher Neubauprojekte haben<br />
sich folgende Akzeptanzaspekte herauskristallisiert:<br />
● Städtebaulich überschaubare Konstellationen bei gleichzeitig hohem Maß an<br />
Privatheit (keine Einsehbarkeit von allen Seiten) der Wohnung, der Balkone und<br />
Terrassen sowie der hausnahen Freiflächen.<br />
● Keine Achsmaße unter 7 m bei Reihenhäusern und Stadthäusern, weil sie die<br />
inneren Gestaltungsmöglichkeiten einschränken und die Freiraumqualitäten ausgehöhlt<br />
werden.<br />
● Spielraum bei den Gestaltungsmöglichkeiten. Damit die innerstädtischen Wohnprojekte<br />
trotz Gestaltungsfreiheit städtebauliche Qualität haben, sollte man sich für<br />
einen Planungskorridor mit Beratung entscheiden.<br />
● Private Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien, direkt angrenzend an das Gebäude<br />
(vor und hinter dem Haus). Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für Familien<br />
mit Kindern.<br />
● Arrangement der Häuser so gestalten, dass zentrale Freiflächen entstehen, die<br />
von allen gut erreicht werden können und geschützt von der Straße liegen. Dies<br />
101
102<br />
kommt den Bedürfnissen von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen entgegen,<br />
weil dadurch geschützte Räume entstehen und informelle soziale Kontakte wie auch<br />
eine informelle soziale Kontrolle begünstigt werden.<br />
● Hausnaher Stellplatz für den Pkw.<br />
In Zukunft wird man auch an Standorte, die mit hoher Dichte zu bebauen sind, verstärkt<br />
Eigentümer und Selbstnutzer heranführen müssen. Hier klafft bisher eine Nachfragelücke,<br />
die u.a. durch professionell gesteuerte Baugruppen zumindest teilweise<br />
geschlossen werden kann. Baugruppen können ein wachsendes Gewicht erhalten, wenn<br />
man die Rahmenbedingungen dafür schafft (Baugruppenbetreuung als Regelaufgabe<br />
kommunaler Wohnungspolitik wie z.B. in Freiburg <strong>oder</strong> Tübingen). Gegenwärtig sind<br />
Baugruppen für viele mit dem Hauch des Exotischen und „Spinnerten“ behaftet und<br />
bleiben folglich in Nischen. Notwendig ist eine Projektagentur für Baugruppen und ein<br />
Modellvorhaben/Vorzeigeprojekt mit Baugruppen, das „normale“ bauwillige anspricht.<br />
Erfahrungen mit Baugruppen müssen systematisch gesammelt und evaluiert werden.<br />
Neben den Prozessaspekten ist dabei auch die Akzeptanz von Haustypen und Lagen zu<br />
prüfen.
Folgende Bände der <strong>LBS</strong>-Schriftenreihe sind bereits erschienen:*<br />
Band 1:<br />
Familie und Wohnen<br />
Band 4:<br />
<strong>Wohnungsmarkt</strong><br />
Niedersachsen<br />
Band 7:<br />
<strong>Wohnungsmarkt</strong><br />
Niedersachsen<br />
Band 2:<br />
Jung und Alt<br />
Band 5:<br />
Eigentumsbildung<br />
im Wohnungsbau<br />
Band 8:<br />
<strong>Markt</strong>dynamik im<br />
Wohnungsbestand<br />
Band 3:<br />
Mieter und Vermieter<br />
Band 6:<br />
Junge Menschen<br />
Band 9:<br />
Wohneigentum als<br />
Beitrag zur privaten<br />
Altersvorsorge<br />
* Band 1<strong>–</strong>16 sind vergriffen.<br />
Die <strong>LBS</strong>-Schriftenreihe ist aber<br />
unter der ISSN-Nummer<br />
0944/8225 in der Deutschen<br />
Bibliothek, Ffm registriert.<br />
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104<br />
Band 10:<br />
Lebenspläne<br />
und Wohnentscheidungen<br />
Band 13:<br />
Ältere Menschen<br />
Band 16:<br />
Baulandausweis<br />
zwischen Trägheit und<br />
Übereifer<br />
Band 11:<br />
Im Spannungsfeld<br />
zwischen Überangebot<br />
und Übernachfrage<br />
Band 14:<br />
Das Jahrzehnt des<br />
Wohnungsmangels<br />
Band 17:<br />
Konsequenzen für neue<br />
Wohnformen in der<br />
dritten Lebensphase<br />
Band 12:<br />
Mieterhaushalte<br />
an der Schwelle zur<br />
Eigentumsbildung<br />
Band 15:<br />
Diskrepanz zwischen<br />
Zukunftsplänen<br />
und Angebot<br />
Band 18:<br />
Preiswert bauen im<br />
Spannungsfeld zwischen<br />
Nachfrage und Angebot
Band 19:<br />
Steigende Nachfragepotentiale<br />
<strong>–</strong><br />
zögernde Anbieter<br />
Band 22:<br />
Vom Anbieter- zum<br />
Nachfragermarkt<br />
Stand März 2002<br />
© 2002<br />
<strong>LBS</strong> Norddeutsche Landesbausparkasse<br />
<strong>Berlin</strong> - Hannover<br />
Postfach 263, 30002 Hannover<br />
Presse/Öffentlichkeitsarbeit<br />
Telefon (0511) 926-6668<br />
Telefax (0511) 926-6938<br />
Gesamtherstellung:<br />
Druckerei Gebrüder Höltje GmbH, Hannover<br />
Band 20:<br />
Kommunale Baulandpolitik<br />
im Wettbewerb<br />
um Bevölkerung<br />
Band 21:<br />
Wohnmobilität in der<br />
zweiten Lebenshälfte<br />
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