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Wohnungsmarkt Berlin – Hoffnungsloser Fall oder Markt voller ... - LBS

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<strong>Wohnungsmarkt</strong> <strong>Berlin</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Hoffnungsloser</strong> <strong>Fall</strong><br />

<strong>oder</strong> <strong>Markt</strong> <strong>voller</strong> Chancen?<br />

Kommunen und Wohnungswirtschaft<br />

unter Druck<br />

im Auftrag der<br />

<strong>LBS</strong> Norddeutsche Landesbausparkasse<br />

<strong>Berlin</strong> - Hannover<br />

Bearbeiter:<br />

Dr. Marie-Therese Krings-Heckemeier,<br />

Ulrich Pfeiffer,<br />

Stefan Geiss,<br />

Dr. Reiner Braun,<br />

Markus Schmidt<br />

Hannover, im März 2002


Hallo


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 1<br />

ZUSAMMENFASSUNG 3<br />

A: EINLEITUNG 7<br />

1. Hintergrund: <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> im Umbruch 7<br />

2. Fragestellung der Untersuchung 8<br />

3. Untersuchungsdesign 9<br />

B: WOHNUNGSMARKTENTWICKLUNG<br />

IN DER REGION BERLIN 11<br />

1. Besonderheiten des <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong>es<br />

vor der Wiedervereinigung 11<br />

1.1 <strong>Berlin</strong>er Bautraditionen 11<br />

1.2 <strong>Berlin</strong>er Mischung 12<br />

1.3 Eine Periode der Segregation 13<br />

2. <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> nach der Wiedervereinigung 15<br />

2.1 Starke Bautätigkeit Mitte der neunziger Jahre 15<br />

2.2 Planungen der neunziger Jahre und ihre Folgen 18<br />

2.3 Akzeptanz prototypischer Wohnbauprojekte 19<br />

2.3.1 Typische Geschosswohnungsbauprojekte 19<br />

2.3.2 Typische Ein- und Zweifamilienhausprojekte 24<br />

2.3.3 Verzögertes Reagieren auf die tatsächliche Nachfrage 26<br />

3. Neubau trotz vorhandener Leerstände 27<br />

C: NACHFRAGE FÜR WOHNANGEBOTE IN DER REGION BERLIN 31<br />

1. Bevölkerungsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong> in den<br />

neunziger Jahren 31<br />

1.1 Schrumpfung der <strong>Berlin</strong>er Bevölkerung bei gleichzeitigem<br />

Bevölkerungswachstum im Umland 31<br />

1.2 Wachsende Umzüge ins Umland 35<br />

1.3 Wanderungsgewinne als Motor des Bevölkerungswachstums<br />

in der Region 38<br />

2. Haushaltsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong> in den<br />

neunziger Jahren 41<br />

3. Wanderungsbewegungen als Folge veränderter<br />

<strong>Markt</strong>verhältnisse in <strong>Berlin</strong> 45<br />

4. Wanderungen im <strong>Berlin</strong>er Umland 51<br />

D: ZUKÜNFTIGE NACHFRAGETENDENZEN AUF DEM<br />

BERLINER WOHNUNGSMARKT 55<br />

1. Quantitative Haushaltsentwicklung in <strong>Berlin</strong> bis 2030 55<br />

2. Zukünftige Haushaltstypen für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong> 57<br />

2.1 Zunahme der Seniorenhaushalte bei gleichzeitiger<br />

Abnahme der jüngeren Haushalte 57<br />

I


II<br />

2.2 Zunahme der älteren Kleinhaushalte 59<br />

2.3 Vorübergehende Zunahme der Haushaltsgründer/-erweiterer 62<br />

3. Potenzielle Eigentumserwerber unter Berücksichtigung<br />

der Alters- und Haushaltsstruktur 63<br />

4. Prognose der zukünftigen Wohneigentumsquote in <strong>Berlin</strong> 67<br />

4.1 Wohneigentumsquoten im Städte-Vergleich 67<br />

4.2 Szenarien für die Entwicklung der Wohneigentumsquote 67<br />

5. Abschätzung des Gesamtbedarfs für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong> 75<br />

5.1 Szenario 1: Status quo 75<br />

5.2 Szenario 2: Optimistische Rahmenbedingungen<br />

(hohe Zuwanderung) 75<br />

5.3 Szenario 3: Steigerung der Attraktivität <strong>Berlin</strong>s<br />

für Umlandabwanderer 77<br />

6. Chancen für den Wohneigentumserwerb 79<br />

6.1 Rahmenbedingungen 79<br />

6.2 Potenziale zukünftiger Selbstnutzer 79<br />

6.3 Eigentumsbildungsstrategien durch Privatisierung im Bestand 81<br />

7. Voraussichtliche Entwicklung des <strong>Markt</strong>es und der Leerstände 83<br />

E: EMPFEHLUNGEN 90<br />

1. Zentrale Ergebnisse 90<br />

1.1 Starke Bautätigkeit Mitte der neunziger Jahre 90<br />

1.2 Neubau trotz vorhandener Leerstände 91<br />

1.3 Wachsende Zahl von Umzügen in das <strong>Berlin</strong>er Umland 92<br />

1.4 Soziale Selektivität bei den Wanderungsprozessen 92<br />

1.5 Schrumpfung der Zahl der Haushalte in <strong>Berlin</strong> 93<br />

1.6 Niedrige Eigentümerquote in <strong>Berlin</strong> 94<br />

1.7 Relevanter Gesamtbedarf für Wohnangebote durch<br />

Umlenkung der Abwanderer 95<br />

2. Empfehlungen 97<br />

2.1 Von der Bauförderung zur Steigerung der Effizienz<br />

der Wohnungsmärkte 97<br />

2.2 <strong>Berlin</strong> die preiswerte Stadt: Metropole zu Mittelstadtpreisen 98<br />

2.3 Kompensierende Politik in sozial segregierten Gebieten 98<br />

2.4 Eigentumsbildung im Neubau und Verkauf von Wohnungen<br />

aus dem Bestand 99<br />

2.5 Alterung und Wohnungspolitik 100<br />

2.6 Chancen durch nachfragegerechte Bauformen und<br />

Organisationsstrukturen 101


Vorwort<br />

Die Schriftenreihe der <strong>LBS</strong> Nord kann auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblicken.<br />

Bereits seit Ende der siebziger Jahre veröffentlichen wir jährlich eine neutrale Studie<br />

zu aktuellen <strong>Wohnungsmarkt</strong>tendenzen. Dabei haben wir die Themen, Analysen und<br />

Empfehlungen unserer Studien durchaus auch polarisierend und unbequem gewählt, was<br />

stets für rege Diskussionen sorgte. Das vorrangige Ziel ist es aber, anhand einer soliden<br />

Datenbasis Perspektiven für den <strong>Wohnungsmarkt</strong> aufzuzeigen und zu gemeinsamen<br />

Strategien aller am <strong>Markt</strong> Tätigen zu gelangen.<br />

Zum Jahresbeginn 2001 haben die Landesbausparkassen in <strong>Berlin</strong> und Hannover<br />

fusioniert, so dass wir mit dieser Studie zum ersten Mal eine Untersuchung des <strong>Berlin</strong>er<br />

<strong>Wohnungsmarkt</strong>es vorlegen.<br />

Ausgangspunkt sind dabei die starken Veränderungen der vergangenen zehn Jahre in<br />

<strong>Berlin</strong>. Wir fragen: Wie hat sich die Nachfrage entwickelt? Entspricht das Wohnungsangebot<br />

in seiner Struktur noch der Nachfrage? Welche Zukunftsperspektiven haben die<br />

unterschiedlichen Teilmärkte der Region?<br />

Die Studie macht deutlich: Aus Wohnungsmangel wurde subventionierter Wohnungsüberschuss.<br />

Und während die Einwohnerzahl in <strong>Berlin</strong> <strong>–</strong> entgegen allen Prognosen <strong>–</strong><br />

zurückging, konnte das Umland einen deutlichen Zuwachs verzeichnen. Die Gründe<br />

hierfür liegen nicht zuletzt darin, dass die in der Kernstadt erstellten und meist an den<br />

Bedürfnissen von Kapitalanlegern ausgerichteten ‚Standardwohnungen‘ ebenso wenig<br />

den Kundenorientierungen entsprechen, wie die in ähnlichen Bauformen errichteten<br />

geförderten Wohnungen. Deshalb muss in Zukunft die Struktur des Angebotes stärker an<br />

die Struktur der Nachfrage angepasst werden <strong>–</strong> auch durch Umbau vorhandener Bestände.<br />

Obwohl <strong>Berlin</strong> <strong>–</strong> im Gegensatz zu den meisten Großstädten <strong>–</strong> noch genügend freie<br />

Flächen für den individuellen Wohnungsbau besitzt, werden zu wenig Grundstücke zu<br />

bezahlbaren Preisen ausgewiesen. Aber auch eine behutsame, bedarfsorientierte<br />

Bestandserneuerung mit Anreizen zum Eigentumserwerb ist für ein gesundes soziales<br />

Gefüge einer Stadt unerlässlich.<br />

Hannover, im März 2002<br />

Ihr <strong>LBS</strong>-Vorstand<br />

Manfred Breuer Eberhard Fähnrich Klaus Rymarczyk<br />

1


ZUSAMMENFASSUNG<br />

Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> hat seit der Wende gleich mehrere Extreme erlebt. Auf<br />

eine Phase akuten Mangels mit sprunghaften Mietsteigerungen Anfang der neunziger<br />

Jahre reagierte die Wohnungspolitik mit einem genauso sprunghaften Anstieg der<br />

Förderprogramme und in dieser Höhe bis dahin nicht gekannten steuerlichen Subventionen.<br />

Diese Phase war auch geprägt durch die Erwartung eines hohen Bevölkerungswachstums<br />

(300.000 Einwohner für die Kernstadt bis 2015).<br />

Tatsächlich ist die Einwohnerzahl in <strong>Berlin</strong> zurückgegangen (bis 2000 um 52.000).<br />

Gleichzeitig hat sich die Zahl der Einwohner im Umland um knapp 160.000 erhöht <strong>–</strong><br />

überwiegend durch Zuwanderung aus der Kernstadt. Der ab 1994 einsetzende Bauboom<br />

(bis heute wurden etwa 250.000 Wohnungen fertig gestellt, davon fast 140.000 in <strong>Berlin</strong>)<br />

lief damit weitgehend ins Leere, vor allem in <strong>Berlin</strong>. Aufgrund der quantitativ faktisch<br />

unveränderten Nachfrage entstanden durch den Umzug in Neubauwohnungen und<br />

Eigenheime an anderen Stellen Leerstände. Seit etwa 1996 stiegen die Leerstände bis auf<br />

das heutige Rekordniveau von rd. 140.000 Wohnungen an. Aus Mangel wurde<br />

Überschuss <strong>–</strong> und das in einem Ausmaß, das wohl von niemandem für möglich gehalten<br />

wurde. Die Produktion erreichte im Spitzenjahr 1997 in der Region (Kernstadt und<br />

Umland) eine Größenordnung von über 55.000 Wohnungen und sinkt seitdem kontinuierlich.<br />

Auch im Jahre 2000 wurden jedoch mit noch etwa 20.000 Wohnungen (in der<br />

Region) deutlich mehr neue Angebote geschaffen als in den Wendejahren, wobei mittlerweile<br />

deutlich über 50 % der Produktion auf das Umland entfällt.<br />

Parallel zu diesem quantitativen Auf und Ab haben sich nachhaltige strukturelle Verschiebungen<br />

ergeben. In der Region <strong>Berlin</strong> entstand ein neuer, besonders leistungsfähiger<br />

<strong>Markt</strong> für Wohneigentum. Im Umland von <strong>Berlin</strong> wurden im Spitzenjahr 1998 fast<br />

10.000 neue Eigenheime errichtet. Aber auch in <strong>Berlin</strong> wurden in den letzten Jahren<br />

jeweils etwa 3.000 Eigenheime gebaut, zum weit überwiegenden Teil im Ostteil der Stadt.<br />

Die Mieter der Mieterstadt <strong>Berlin</strong> haben die Wohneigentumsbildung entdeckt.<br />

Die Anbieter haben auf diese Nachfrage mit erstaunlich günstigen Angeboten reagiert.<br />

In der größten Stadtregion Deutschlands sind heute Preise für Eigenheime möglich, die<br />

in Westdeutschland nur in Kleinstädten üblich sind. Das 150.000 Euro-Haus, noch vor<br />

zehn Jahren als Utopie belächelt, ist massenhaft Wirklichkeit geworden und ein erstaunlicher<br />

Erfolg des <strong>Markt</strong>es. Dieser neue <strong>Markt</strong> für Wohneigentum etablierte sich vor allem<br />

im Umland. Im Durchschnitt sind in den letzten zehn Jahren jährlich 24.000 <strong>Berlin</strong>er in<br />

das Umland gezogen. 1998 erreichten die Wanderungen mit einem Wegzug von rd.<br />

40.000 <strong>Berlin</strong>ern in das Umland ihren Höhepunkt.<br />

Zukünftig wird es in <strong>Berlin</strong> kaum mehr einen relevanten Zuwachs in der Zahl der Haushalte<br />

geben. Wahrscheinlicher ist zunächst ein leichter Rückgang, gefolgt von einer<br />

Periode der Stagnation. Auf lange Sicht (nach 2025) geht die Zahl der Haushalte stetig<br />

zurück. Nur wenn es zu einer drastischen Zuwanderung aus dem Ausland kommt <strong>–</strong> etwa<br />

im Zuge der Osterweiterung der EU <strong>–</strong> kann dieser Trend für längere Zeit unterbrochen<br />

werden.<br />

3


4<br />

In der Region <strong>Berlin</strong> hat damit ein neues Zeitalter der <strong>Wohnungsmarkt</strong>entwicklung<br />

begonnen. Auch künftig dürften die Fertigstellungen von Eigenheimen und selbst genutzten<br />

Eigentumswohnungen die <strong>Markt</strong>entwicklung dominieren. Nach dem Ende<br />

quantitativer Defizite wird künftig der strukturelle Bedarf Motor und Ursache für den<br />

Neubau sein. Haushalte, die im Bestand nicht die Wohnformen finden, die sie sich<br />

wünschen und finanzieren können, werden auch dann Neubauten beziehen, wenn Leerstände<br />

weiterbestehen <strong>oder</strong> sogar weiterwachsen.<br />

Daneben geht es darum, die Struktur des Angebotes an die künftige Struktur der Nachfrage<br />

anzupassen <strong>–</strong> auch durch Umbau vorhandener Bestände. Und es geht darum, die<br />

negativen Folgen der Segregationstendenzen, die sich bei Märkten mit Wohnungsüberschüssen<br />

verfestigen können, möglichst weitgehend zu überwinden.<br />

Die Wohnungspolitik, deren Aufgabe es bisher immer war, Mangel zu überwinden, wird<br />

sich neuen Herausforderungen stellen müssen. In Zukunft gilt es, Vermögensbildung im<br />

Neubau und aus dem Bestand anzuregen, da die Wohneigentumsbildung als wesentlicher<br />

Bestandteil der Alterssicherung weiterhin an Bedeutung gewinnen wird.<br />

<strong>Berlin</strong> hat die Chance, die Wohneigentumsquote zu heben und damit sukzessive den<br />

Wohneigentumsquoten der anderen Städte anzupassen. Wohneigentum war in der Vergangenheit,<br />

insbesondere im Vergleich zu den subventionierten Mieten im Neubau bzw.<br />

zu den herunterregulierten Altbaumieten, zu teuer.<br />

Im Neubau wird es in <strong>Berlin</strong> darauf ankommen, möglichst günstige Voraussetzungen für<br />

die Eigentumsbildung zu schaffen, um möglichst vielen Schwellenhaushalten den Erwerb<br />

von Eigenheimen und Eigentumswohnungen in <strong>Berlin</strong> zu ermöglichen. Dabei wird die<br />

Baulandpolitik zum wichtigsten Instrument der Wohnungspolitik. <strong>Berlin</strong> verfügt, anders<br />

als die westdeutschen Großstädte, noch über riesige innere Flächenreserven, die für<br />

diese Aufgaben mobilisiert werden können. Wenn es gelingt, attraktive und preiswerte<br />

Bauprojekte zu entwickeln, wird auch die Abwanderung in das Umland geringer sein als<br />

in anderen Großstädten. Viele Abwanderer in das Umland folgen noch immer lediglich<br />

einem Preisgefälle. Sie würden bei entsprechenden Angeboten auch in <strong>Berlin</strong> bleiben.<br />

<strong>Berlin</strong> als Stadt des preiswerten Wohneigentums und der preiswerten Wohnung insgesamt<br />

würde damit gleichzeitig in der künftig verschärften Konkurrenz der Stadtregionen<br />

um knappen Nachwuchs bei hochqualifizierten Arbeitskräften eine günstige Wettbewerbsposition<br />

erreichen.<br />

Preiswertes Bauland führt zu preiswerten Büros und anderen Bauten. Durch gute Möglichkeiten<br />

zur Eigentumsbildung wird zudem eine wichtige Komponente der Lebenshaltungskosten<br />

günstiger als in den anderen konkurrierenden Großstädten. Am Arbeitsmarkt<br />

werden Büroarbeitsplätze preisgünstiger als in den anderen Großstädten. Da auch die<br />

Löhne/Einkommen spürbar niedriger sind als in München <strong>oder</strong> Frankfurt, ergibt sich hier<br />

ein erheblicher Standortvorteil, der im gesamten Dienstleistungssektor spürbar wird.<br />

<strong>Berlin</strong> kann seine Wettbewerbsposition an den Märkten für hochwertige, überregional<br />

vermarktete Dienstleistungen durch eine langfristig vorausschauende Politik schon jetzt<br />

verbessern.


Der neue <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> bietet die Chance, dass zukünftig eine größere Bandbreite<br />

der Wohnmilieus und auch der Wohnformen realisiert werden kann. Im Neubau<br />

kann, gestützt auf das reichhaltige Angebot an unterschiedlichen Lagen, auch eine Vielfalt<br />

der Lösungen angeboten werden, weil niedrigere Preise eine größere Bandbreite der<br />

Bauträgerprojekte ermöglichen.<br />

Natürlich werden auch weiterhin qualitativ hochwertige freifinanzierte Mietwohnungen<br />

im Neubau benötigt. Traditionelle Förderprogramme sind hierfür nicht mehr erforderlich.<br />

Auch hier geht es vor allem darum, planerisch die Voraussetzungen für einen preisgünstigen<br />

und nachfragegerechten Neubau zu schaffen.<br />

Ebenso wichtig wie eine Baulandstrategie ist eine Politik zur Stärkung der Eigentumsbildung<br />

im Bestand. Angesichts des entspannten <strong>Wohnungsmarkt</strong>es und in Anbetracht<br />

der relativ hohen Anzahl der Leerstände bestehen die Chance und die Notwendigkeit,<br />

Wohnungen an Mieter zu veräußern, die sonst nicht die Möglichkeit hätten, Wohneigentum<br />

zu bilden. Bei den städtischen Gesellschaften ist ein Kompromiss zwischen dem<br />

Wunsch nach möglichst hohen Erlösen zugunsten der Wohnungsunternehmen und des<br />

öffentlichen Haushaltes und der Zahlungsfähigkeit der Mieter zu erreichen. Orientiert<br />

man sich an den Privatisierungserfolgen anderer Wohnungseigentümer mit umfangreichen<br />

Beständen in Deutschland, könnten in <strong>Berlin</strong> etwa 6.000-7.000 Wohnungen pro<br />

Jahr aus dem Bestand verkauft und dabei im Durchschnitt zwischen 25.000 und 35.000<br />

Euro an stillen Reserven aufgelöst werden. Es wird unterstellt, dass die Mieter eine Mehrbelastung<br />

von 10 bis 15 % gegenüber ihrer Ausgangsmiete tragen können. Parallel zur<br />

Privatisierungsstrategie der kommunalen Gesellschaften müssen die Rahmenbedingungen<br />

zur Sanierung und Veräußerung privater Mietwohnungen weiter verbessert werden.<br />

5


A: EINLEITUNG<br />

1. Hintergrund: <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> im Umbruch<br />

Ausgangspunkt für die Analysen und Schlussfolgerungen in diesem Bericht sind die starken<br />

Veränderungen des <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong>es der letzten zehn Jahre:<br />

● Nach der Wiedervereinigung entstand in der Region <strong>Berlin</strong> ein vollkommen neuer<br />

<strong>Wohnungsmarkt</strong>: Durch das Zusammenwachsen der bis dahin getrennten Wohnungsmärkte<br />

in den beiden Stadthälften sowie der Öffnung des Umlandes für die<br />

Nachfrager aus dem Westteil der Stadt wurde die Rolle der Nachfrager in allen<br />

Teilen gestärkt. Die Bewohner des <strong>Berlin</strong>er Ostteils erlebten erstmals einen <strong>Markt</strong> in<br />

seiner Funktionsweise und konnten ihre individuellen Wohnpräferenzen besser zur<br />

Geltung bringen<br />

● Die anfänglichen Erwartungen über die wirtschaftliche und demographische Zukunft<br />

<strong>Berlin</strong>s waren hoch. Sie wurden durch den Beschluss, die Regierung nach <strong>Berlin</strong><br />

zu verlagern, nochmals gepuscht. Allein für die Kernstadt wurde ein Bevölkerungswachstum<br />

von bis zu 300.000 Personen bis zum Jahre 2010 erwartet.<br />

● Diese zu optimistischen Erwartungen und die hohen steuerlichen Förderungen sowie<br />

große Förderprogramme im sozialen Wohnungsbau riefen ab 1994 einen Boom bei<br />

den Wohnungsfertigstellungen hervor.<br />

● Ausgelöst durch neue Angebote am Stadtrand und jenseits der Stadtgrenzen setzte<br />

schnell die jahrzehntelang unterdrückte Suburbanisierung ein. Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong><br />

wandelte sich vom Anbieter- zum Nachfragermarkt. Die vor allem an<br />

den Bedürfnissen der Kapitalanleger ausgerichteten „Standardwohnungen“ (relativ<br />

kleine Wohnungen im hoch verdichteten Geschosswohnungsbau) trafen jedoch im<br />

Zeitverlauf auf immer geringere Nachfrage.<br />

● Die Bauträger im Umland reagierten relativ schnell auf die veränderten <strong>Markt</strong>bedingungen.<br />

Insbesondere der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser an den<br />

gesamten Fertigstellungen im Umland hat sich zwischen 1995 und 1999 verdoppelt,<br />

zudem wurde das Angebot kleinteiliger und differenzierter; der Geschosswohnungsbau<br />

spielt dort nur noch eine untergeordnete Rolle<br />

● Die Anpassungsreaktion und der Wandel vom Kapitalanlegermarkt bzw. vom durch<br />

Förderprogramme dominierten <strong>Markt</strong> zum Nachfragermarkt verliefen in <strong>Berlin</strong> sehr<br />

viel langsamer. Die Leerstände wuchsen etwa ab Mitte der neunziger Jahre, vor<br />

allem im Mietwohnungsbestand, weil die Haushalte in Neubauwohnungen wechselten,<br />

die alten Wohnungen aber nicht im gleichem Maße wieder belegt wurden.<br />

Aus dem ewigen Wohnungsmangel wurde ein bisher nicht vorstellbarer Wohnungsüberschuss.<br />

7


8<br />

2. Fragestellung der Untersuchung<br />

Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Fragestellungen:<br />

● Wie hat sich die Nachfrage seit 1990 entwickelt (Bevölkerung und Haushalte)?<br />

● Wie ist die Situation des Wohnungsangebotes? Welche Vielfalt bietet der regionale<br />

<strong>Wohnungsmarkt</strong>? Wie haben sich die neu gebauten Wohnungsangebote und die<br />

bestehende Struktur verändert?<br />

● Welche Umzugs- und Wanderungsbewegungen haben die neuen Wohnungsangebote<br />

ausgelöst („Gewinner- und Verliererbezirke“ bzw. „Gewinner- und Verliererkreise/gemeinden“<br />

im Umland)?<br />

● Wie hoch ist angesichts der prognostizierten Bevölkerungs- bzw. Haushaltsentwicklung<br />

der in Zukunft zu erwartende Wohnungsbedarf? Welche Folgerungen hat der<br />

zukünftige Bedarf für die Neubautätigkeit in der Region?<br />

● Entspricht das Wohnungsangebot in seiner Struktur noch der Nachfrage, <strong>oder</strong> bestehen<br />

strukturelle Defizite? Welche Nachfragertypen treten auf dem <strong>Wohnungsmarkt</strong><br />

auf? Welche Angebotsformen wünschen sie sich? Welche Konsequenzen sind daraus<br />

abzuleiten?<br />

● Welche Zukunftsperspektiven haben die unterschiedlichen Teilmärkte der Region?<br />

● Welche Handlungserfordernisse ergeben sich für die Bauland- und Wohnungsbaupolitik<br />

angesichts eines eher wachsenden Mismatches zwischen den überkommenen<br />

Wohnungsbeständen und der Struktur der Nachfrage?


3. Untersuchungsdesign<br />

Die Untersuchung umfasst folgende Bausteine:<br />

a) Wohnungsangebot<br />

<strong>–</strong> Quantitativer Überblick über Neubautätigkeit seit 1990<br />

<strong>–</strong> Differenzierung der realisierten Bauformen<br />

Quelle: Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) von 1987, die Gebäude- und Wohnungsstichprobe (GWS) von<br />

1993 (Westteil <strong>Berlin</strong>s), die GWZ von 1995 (Ostteil <strong>Berlin</strong>s und <strong>Berlin</strong>er Umland), die Bautätigkeitsstatistik,<br />

Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998.<br />

b) Wohnungsbedarf<br />

<strong>–</strong> Demographische Entwicklung in <strong>Berlin</strong>, differenziert nach Bezirken und<br />

Brandenburger Kreisen (engerer Verflechtungsraum) zwischen 1990 und 2000<br />

<strong>–</strong> Umzugspotenziale und Zielorte, differenziert nach Umzügen zwischen den<br />

<strong>Berlin</strong>er Bezirken und zwischen <strong>Berlin</strong> und dem Brandenburger Teil des engeren<br />

Verflechtungsraums<br />

<strong>–</strong> Wohnpräferenzen (insbesondere Gewinner-/Verliererbezirke sowie Gewinner-/<br />

Verlierergemeinden)<br />

<strong>–</strong> Prototypische Projekte und ihre Akzeptanz<br />

Quelle: Amtliche Statistiken der Statistischen Landesämter, empirica-Datenbank, Expertengespräche und<br />

Vor-Ort-Erhebungen in ausgewählten Wohngebieten.<br />

c) Analyse des strukturellen Mismatches und dessen Ursachen<br />

Quelle: empirica-Datenbank und Vor-Ort-Erhebungen in ausgewählten Wohngebieten.<br />

d) Zukünftige Nachfragetendenzen auf dem <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong><br />

<strong>–</strong> Quantitative Bevölkerungs- und Haushaltsprognose für <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

bis 2030<br />

<strong>–</strong> Strukturell veränderte Nachfrage nach Wohnungen<br />

<strong>–</strong> Szenarien des Gesamtbedarfs für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong> (in Abhängigkeit von<br />

unterschiedlichen Zuwanderungsintensitäten)<br />

Quelle: Basis ist die 9. koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung für <strong>Berlin</strong> und Brandenburg. Die Haushaltsprognosen<br />

werden mit Hilfe des Makrosimulationsprogramms PROFAMY erstellt, das detaillierte Alters- und Haushaltsstrukturen<br />

darstellt.<br />

e) Potenzialschätzung zukünftiger Selbstnutzer<br />

<strong>–</strong> Potenzial im Status quo, ohne private Altersvorsorge und ohne Änderungen bei<br />

der Förderung von Wohneigentum<br />

Quelle: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), eigene Berechnungen<br />

9


B: WOHNUNGSMARKTENTWICKLUNG IN DER<br />

REGION BERLIN<br />

1. Besonderheiten des <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong>es vor der<br />

Wiedervereinigung<br />

1.1 <strong>Berlin</strong>er Bautraditionen<br />

<strong>Berlin</strong> ist als Stadt eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts. Die Rolle als Hauptstadt und als<br />

Zentrum der industriellen Revolution hat die Struktur der Stadt und damit auch die<br />

Formen des Bauens, Lebens und Wohnens nachhaltig beeinflusst. „<strong>Berlin</strong>er Urbanität“<br />

wird bis heute gleichgesetzt mit den vier- bis fünfgeschossigen Mietshäusern der<br />

Gründerzeit mit meist mehr als 20 Wohnungen pro Gebäude, die in weiten Bereichen der<br />

Innenstadt auch heute noch für typisches <strong>Berlin</strong>er Wohnen stehen. Der extrem hohe<br />

Anteil von „Großhäusern“ ist jedoch auch Ausdruck einer monumentalen Planungskonzeption,<br />

deren Wurzeln bis in den Absolutismus reichen. Aus den Nutzungsinteressen<br />

der Bewohner ist die <strong>Berlin</strong>er Mietskaserne nicht zu erklären. Auch ökonomische<br />

Gründe <strong>–</strong> vor allem die im Vergleich zu kleineren Häusern höheren Bewirtschaftungsund<br />

Erschließungskosten <strong>–</strong> sprechen nicht für diese Bauform, wie Eberstadt schon vor<br />

dem Ersten Weltkrieg formulierte: „Das große Mietshaus ist eine gewillkürte politische<br />

Schöpfung“.<br />

Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war durch ein hoch entwickeltes System der marktwirtschaftlichen<br />

Erschließung durch Terraingesellschaften und der Bauspekulation für<br />

Kapitalanleger charakterisiert. Die Tradition des monumentalen Städtebaus mit breiten<br />

Boulevards, hohen Häusern und großen tiefen Blöcken, die im Innenraum noch zugebaut<br />

werden konnten <strong>oder</strong> aus Kostengründen auch zugebaut werden mussten, wurde in den<br />

zwanziger Jahren <strong>–</strong> allerdings ohne großes quantitatives Gewicht <strong>–</strong> durch einige spektakuläre<br />

Siedlungen unterbrochen. Hier gelang es, u.a. gestützt auf öffentliche Finanzierungen,<br />

weil der Kapitalmarkt als Folge der Inflation zusammengebrochen war, einen<br />

anderen Typ Siedlungen zu entwickeln. Sie waren aufgelockerter und durchgrünt, nicht<br />

mehr durch die großen Blöcke, sondern durch offene Zeilen charakterisiert. Dieser für<br />

viele beispielgebende Wohnungsbau hat die Wohnungsbautätigkeit auch noch in den<br />

ersten Jahren der Nachkriegszeit beeinflusst.<br />

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Stadtentwicklung <strong>–</strong> auch der Wohnungsbau <strong>–</strong><br />

stark durch von außen wirkende (politische) Leitbilder geprägt. Im Westteil der Stadt<br />

hielt die Politik die Mietpreisbindung für Altbauwohnungen bis in die achtziger Jahre<br />

aufrecht. Die Versorgung mit preisgünstigen Mietwohnungen wurde damit zu einer<br />

Verantwortung der staatlichen Förderpolitik, die wiederum Wettbewerb weitgehend ausschaltete<br />

und die Bauformen sehr stark nach planerischen Zielsetzungen und nicht nach<br />

den Präferenzen der Nachfrager festsetzte. Der Wohnungsbestand in den Gründerzeitvierteln<br />

blieb über Jahrzehnte auf vergleichsweise niedrigem Standard. Mietwohnungen<br />

waren preiswert, auch für Familien <strong>oder</strong> Haushalte mit Ansprüchen an größere Wohnflächen<br />

blieb die Altbauwohnung <strong>–</strong> zumindest im Westteil der Stadt <strong>–</strong> häufig die normale<br />

Wohnform.<br />

11


12<br />

Die Umwandlung von Bestandswohnungen in Eigentumswohnungen und der frei finanzierte,<br />

kleinteilige Wohnungsneubau blieben in Folge der hohen Baukosten und der niedrigen<br />

Mieten Nischenmärkte, sieht man von wenigen bevorzugten Lagen ab. Wohnungsneubau<br />

war in Ost- und Westberlin das Ergebnis staatlicher Vorsorgepolitik. Nach dem<br />

Wiederaufbau entstanden in den sechziger und siebziger Jahren die großen Trabantenstädte<br />

am Stadtrand, von der Gropiusstadt über die Thermometersiedlung, die Siedlungen<br />

an der Heerstraße und am Stadtrand von Spandau bis zum Märkischen Viertel im äußersten<br />

Nordwesten und ihren Äquivalenten Marzahn <strong>oder</strong> Hellersdorf im Ostteil der Stadt.<br />

Auch innerhalb der geschlossenen Stadtbebauung dominierten der soziale Wohnungsbau<br />

und die Wohnungsbewirtschaftung durch die großen städtischen Wohnungsbaugesellschaften.<br />

Nach Abbruch der schwer zerstörten Altbauquartiere am Kottbusser Tor, im<br />

Rollberbergviertel in Neukölln und an der Brunnenstraße im Wedding entstanden neue<br />

Wohnquartiere, die in ihren Bauformen den Stadtrandsiedlungen ähnelten.<br />

Erst relativ spät richtete sich das Auge der Stadtentwicklung auf die Altbaubestände;<br />

Abrissstrategien wurden von der „Behutsamen Stadterneuerung“ abgelöst. Mit Hilfe<br />

von staatlichen Sanierungsmitteln versuchte man (mehr <strong>oder</strong> weniger erfolgreich), die<br />

Attraktivität ausgewählter Altbaukieze zu steigern.<br />

Im Ostteil der Stadt verlief die Entwicklung erstaunlich ähnlich. In den Wohnungsbestand<br />

wurde allerdings weit länger und ausgeprägter als in Westberlin so gut wie gar nicht investiert,<br />

mit der Folge, dass im Zeitverlauf immer mehr Wohnungen unbewohnbar wurden.<br />

Die hohen Leerstände in Friedrichshain sind noch heute Folge dieser Politik, die den<br />

staatlich gelenkten Wohnungsneubau zu lange bevorzugte. Die Wohnungsproduktion<br />

wurde im Zeitverlauf immer weiter rationalisiert und auf eine industrielle Fabrikation<br />

umgestellt. Radikaler noch als im Westen entstanden, vor allem in der Spätphase der<br />

DDR, große Neubaugebiete am Stadtrand und wurden zentrumsnahe Quartiere im<br />

großen Stil neu bebaut.<br />

1.2 <strong>Berlin</strong>er Mischung<br />

Die Wohnbevölkerung in den Wohnquartieren <strong>Berlin</strong>s war bis zur Wende deutlich stärker<br />

durchmischt als in anderen Großstädten Europas <strong>oder</strong> gar in den USA. Aus der Konzeption<br />

des großen Blockes mit Innenbebauung ergaben sich auf engem Raum sehr ausgeprägte<br />

Qualitätsdifferenzierungen, die zu einer entsprechenden Mischung von Mietern<br />

mit hohen und niedrigen Einkommen führten. Dennoch muss man sich vor Augen halten,<br />

dass die <strong>Berlin</strong>er Mischung die Folge von Mängeln des verdichtet zugebauten Blocks ist,<br />

das Ergebnis einer Investorenlogik, die auf die hohen Erschließungskosten der großen<br />

Blöcke mit ihren breiten Straßen und der hohen inneren Verdichtung reagierte. Erst<br />

später wurde daraus durch die Interpretation der Stadtplaner eine soziale Strategie.<br />

In Ostberlin wurde die soziale Mischung durch das staatliche Zuteilungssystem konserviert,<br />

das individuellen Wohnpräferenzen kaum Spielräume ließ; die beabsichtigte<br />

Auflösung der Klassenunterschiede wirkte zudem über die geringen Einkommensunterschiede<br />

zwischen verschiedenen Berufsgruppen in die gleiche Richtung. In Westberlin


sorgten der außergewöhnlich hohe Sozialwohnungsanteil <strong>–</strong> bei bis in die neunziger Jahre<br />

sehr hohen Einkommensgrenzen <strong>–</strong> und der preisgebundene Altbausektor dafür, dass <strong>–</strong><br />

bis auf die wenigen Ausnahmen exklusiver Wohngebiete <strong>–</strong> hoch segregierte Quartiere<br />

eine Seltenheit waren.<br />

1.3 Eine Periode der Segregation<br />

Das sozialräumliche Gefüge einer Stadt hängt ab von:<br />

● der demographischen und ökonomischen Entwicklung,<br />

● der stadtpolitischen Steuerung,<br />

● den relativen Preisen verschiedener Wohngebiete,<br />

● der Umzugsmobilität, die wiederum bedingt ist durch die Fluktuationsreserven und<br />

ein ausreichendes Angebot.<br />

Alle Parameter haben sich in <strong>Berlin</strong> seit 1990 grundlegend verändert. In der Folge<br />

wandelte sich nicht nur die allgemeine Vorstellung über das Wohnen in der Stadt (beziehungsweise<br />

im Umland der Stadt), auch die sozialräumliche Zusammensetzung der<br />

Bevölkerung begann sich zu verändern. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die<br />

Entwicklungsperspektive verschiedener Stadtteile und auf die Lebenswelten der dort<br />

lebenden Menschen. Statt der administrierten Mischung bzw. der Mischung durch hohe<br />

Qualitätsdifferenzen auf engem Raum (innerhalb eines Blocks) entstand in einem<br />

weniger durch Knappheiten geprägten <strong>Markt</strong> eine neue Trennung von Einkommens-<br />

und Sozialschichten.<br />

13


2. <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> nach der Wiedervereinigung<br />

2.1 Starke Bautätigkeit Mitte der neunziger Jahre<br />

Die <strong>Berlin</strong>er Wohnungspolitik reagierte auf die neue Situation nach der Wiedervereinigung<br />

der Stadt und auf den erwarteten hohen Anstieg der Wohnungsnachfrage mit<br />

umfangreichen Wohnungsbauprogrammen. Zwischen 1992 und 2000 sind in der Region<br />

<strong>Berlin</strong> etwa 250.000 Wohnungen neu entstanden, davon etwa 140.000 in <strong>Berlin</strong> selbst und<br />

etwa 110.000 im Umland. 1<br />

Bereits 1996 waren deutliche Vermietungsschwierigkeiten vor allem in Geschosswohnungsbauprojekten<br />

im <strong>Berlin</strong>er Umland, aber auch bei einzelnen Neubauvorhaben in<br />

<strong>Berlin</strong> festzustellen, weil viele Projekte nicht sorgfältig genug auf die Akzeptanz durch<br />

Endnachfrager hin konzipiert wurden. Eine Kombination aus der auslaufenden Sonderabschreibungsregelung,<br />

die den Wohnungsbau für Kapitalanleger förderte, immer noch<br />

hohen Kontingenten im geförderten Wohnungsbau (vor allem in <strong>Berlin</strong>) und eine zunehmende<br />

Bedeutung des Einfamilienhausbaus (vor allem im Umland) bewirkten zunächst<br />

jedoch noch eine weitere Steigerung der Bautätigkeit. Die Neubautätigkeit erreichte ihren<br />

Höhepunkt 1997 (vgl. Abbildung 1). Erst seit 1998 sinkt die Zahl der neu gebauten Wohnungen<br />

pro Jahr in der Region kontinuierlich. Ebenfalls seit 1998 werden zudem im<br />

<strong>Berlin</strong>er Umland mehr Wohnungen errichtet als in der Stadt selbst. Bezogen auf die<br />

Bevölkerungszahl ist die Neubautätigkeit dort etwa viermal so stark wie in <strong>Berlin</strong>.<br />

Erfahrungen aus anderen Großstadtregionen legten die Schlussfolgerung nahe, dass mit<br />

der Maueröffnung auch die jahrzehntelang verhinderte Suburbanisierung in Form des<br />

Eigenheimbaus im Umland nachgeholt werden würde. Tatsächlich entwickelte sich<br />

der Einfamilienhausbau im <strong>Berlin</strong>er Umland mit rasanter Geschwindigkeit (vgl. Abbildung<br />

2). Im Spitzenjahr 1998 wurden dort fast 10.000 neue Eigenheime errichtet, also<br />

mehr als 12 WE/1.000 Einwohner. Befragungen in den neuen Wohnanlagen zeigten, dass<br />

etwa 60 % dieser neuen Häuser von <strong>Berlin</strong>er Nachfragern bezogen wurden, in den direkt<br />

an <strong>Berlin</strong> angrenzenden Gemeinden wurde dieser Wert z.T. noch deutlich überschritten.<br />

Auch in <strong>Berlin</strong>, das historisch einen im Vergleich zu anderen Großstädten niedrigen<br />

Anteil von Wohnungen in Einfamilienhäusern hatte, entwickelte sich <strong>–</strong> vor allem im<br />

Ostteil der Stadt <strong>–</strong> ein lebhafter <strong>Markt</strong> für Einfamilienhäuser. Seit 1996 schwanken die<br />

Fertigstellungszahlen um 3.000 WE/Jahr.<br />

1 In diesem Bericht steht Umland für den brandenburgischen Teil des engeren Verflechtungsraums.<br />

15


16<br />

Abbildung 1<br />

Anzahl der fertig gestellten Wohnungen absolut und<br />

je 1.000 Einwohner in <strong>Berlin</strong> und dem Umland<br />

Fertig gestellte<br />

Wohnungen<br />

35.000<br />

30.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

Fertig gestellte Wohnungen<br />

je 1.000 Einwohner<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Fertigstellungen Umland Fertigstellungen je 1.000 Einwohner Umland<br />

Fertigstellungen <strong>Berlin</strong> Fertigstellungen je 1.000 Einwohner <strong>Berlin</strong><br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

empirica


Abbildung 2<br />

Anzahl der fertig gestellten Wohnungen im individuellen<br />

Wohnungsbau sowie anteilig an den gesamten<br />

Fertigstellungen <strong>–</strong> <strong>Berlin</strong> und Umland<br />

Fertigstellungen absolut<br />

[Wohnungen]<br />

10.000<br />

9.000<br />

8.000<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Fertigstellungen Umland<br />

Anteil an den gesamten<br />

Fertigstellungen Umland<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

Anteil an den gesamten<br />

Fertigstellungen<br />

Fertigstellungen <strong>Berlin</strong><br />

Anteil an den gesamten<br />

Fertigstellungen <strong>Berlin</strong><br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0 %<br />

empirica<br />

17


18<br />

2.2 Planungen der neunziger Jahre und ihre Folgen<br />

Die Tatsache, dass große Teile der <strong>Berlin</strong>er Wohnungssuchenden ein für sie passendes<br />

Angebot nicht in <strong>Berlin</strong>, sondern im Umland fanden, hatte erstaunlicherweise zunächst<br />

nur geringen Einfluss auf die Wohnungsbaupolitik der Stadt, obwohl Stadt- und Regionalplanung<br />

frühzeitig die erwartete Stadtflucht zu steuern suchten. In einem 1990 von der<br />

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgelegten fiktiven Szenario für das Jahr 2010<br />

heißt es (rückblickend auf die Periode zwischen 1990 und 2010): „In der Berichtsperiode<br />

ist es nur in Teilbereichen gelungen, die Probleme des städtischen <strong>Wohnungsmarkt</strong>es zu<br />

lösen. Offenbar wegen des gestiegenen Mietniveaus und der starken Beeinträchtigung<br />

innerstädtischer Wohnviertel durch den Verkehr sind vor allem kinderreiche Familien in<br />

den vergangenen Jahren verstärkt auf den Eigenheimsektor des Umlandes ausgewichen.<br />

Die Konkurrenz der Umlandgemeinden um steuerkräftige, bauwillige Haushalte hat in<br />

einer Vielzahl von Kommunen zu einer Ausweisung von großflächigen Baugebieten geführt,<br />

die teilweise trotz aufwendiger Erschließung seit langem nur mit vereinzelten<br />

Gebäuden bebaut sind. Die Stadt <strong>Berlin</strong> sieht sich durch den mit Abwanderung verbundenen<br />

Steuerausfall in ihren finanziellen Handlungsmöglichkeiten beschränkt, ist jedoch<br />

nicht in der Lage, über Beratungen hinaus auf die Baulandpolitik im Umland Einfluss<br />

zu nehmen.“<br />

Ein Teil der in dem fiktiven Szenario geäußerten „Befürchtungen“ wurde schneller Realität<br />

als erwartet. Obwohl die Mieten in den Innenstadtbereichen nicht wie erwartet stiegen,<br />

sondern in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre dank eines reichhaltigen Angebots<br />

sanken, verließen zahlreiche Familien die Stadt und bezogen ihr Reihenhaus im Umland.<br />

Die <strong>Berlin</strong>er Wohnungspolitik hatte den qualitativen Aspekt der Wohnraumversorgung<br />

und die Nachfragepräferenzen vernachlässigt. Viele Haushalte spürten, wie sehr ein<br />

Garten am Haus das Leben mit Kindern erleichtert. Das Einfamilienhaus symbolisiert für<br />

sie im Vergleich zum Mietshaus Unabhängigkeit und Freiheit im Verhalten. Erleichtert<br />

wurde der Wechsel durch die im Zeitverlauf immer weiter zunehmende Konkurrenz<br />

zwischen starken nationalen und internationalen Anbietern im <strong>Berlin</strong>er Umland. Angesichts<br />

der tatsächlich immensen Baulandausweisungen der Brandenburgischen Gemeinden<br />

verfielen die Bodenpreise, durch immer preiswertere Haustypen sanken die Preise<br />

für Einfamilien-Reihenhäuser schnell unter die 255.000 Euro-Grenze. Auch das 155.000<br />

Euro-Haus, Mitte der neunziger Jahre von der <strong>Berlin</strong>er Wohnungswirtschaft noch als<br />

Utopie belächelt, war drei Jahre später Realität. Stadtflucht und Steuerausfälle bewegten<br />

die <strong>Berlin</strong>er Gemüter 1997 und 1998.<br />

Die <strong>Berlin</strong>er Wohnungspolitik antwortete mit neuen Wohnungsbauprogrammen. Im Rahmen<br />

der „<strong>Berlin</strong>er Eigenheiminitiative“ wurde fieberhaft nach neuen Standorten für<br />

große Einfamilienhausprojekte gesucht. Die Senatsverwaltung für Wohnungswesen organisierte<br />

eine „Bauausstellung“ für stadtgerechte Einfamilienhausprojekte, die in den<br />

Architekturfeuilletons überregionaler Zeitungen mitunter als „Musterhausaustellung“ in<br />

das allgemeine Städtebaugeschehen eingeordnet wurde. Während die Bauträger in Brandenburg<br />

Erfahrungen sammelten und ihre Produkte sich in hartem Konkurrenzkampf<br />

langsam an die Bedürfnisse der Wohnungsnachfrager annäherten, übte sich die <strong>Berlin</strong>er<br />

Architektenschaft in Gemeinschaft mit der für den Wohnungsbau zuständigen Großver-


waltung an der Neudefinition des Themas Eigenheim. Während die Siedlungen in<br />

Brandenburg nach der ersten Welle der großen und einförmigen Anlagen langsam kleiner<br />

und differenzierter wurden, begann <strong>Berlin</strong> neue Flächen am Stadtrand für Einfamilienhausprojekte<br />

mit 600 bis 700 Wohnungen auszuweisen.<br />

Parallel zur Eigenheiminitiative arbeitete die Stadtentwicklungsbehörde an Konzepten<br />

zur Nutzung innerstädtischer Flächen zur Wohnraumnutzung. Angesichts eines mittlerweile<br />

deutlich sichtbaren Überangebotes und schwer vermietbarer Wohnungen selbst im<br />

<strong>Markt</strong>segment der im Rahmen der vereinbarten Förderung errichteten Mietwohnungen,<br />

setzte sich die Erkenntnis durch, dass die hohen Förderquoten für den Mietwohnungsbau<br />

alsbald der Vergangenheit angehören würden. Die mittlerweile leeren Staatskassen<br />

führten zu einem deutlichen Richtungswechsel in der städtischen Wohnungspolitik.<br />

„Stärkung der Eigentumsbildung“ lautete die Devise gegen Ende des Jahrtausends.<br />

Auch 1997 wurden jedoch noch 40 % aller neu gebauten Wohnungen in <strong>Berlin</strong> direkt<br />

subventioniert, die im Rahmen der Eigentumsprogramme geförderten Neubauten selbstnutzender<br />

Wohnungserwerber nicht eingeschlossen. 1996 waren dies immerhin noch<br />

fast 70 %.<br />

Es dauerte über fünf Jahre, bis sich die Wohnungswirtschaft auf die neuen Entwicklungen<br />

einstellte. Der „<strong>Markt</strong>“, jahrzehntelang durch ein knappes Angebot und eine starke<br />

Nachfrage geprägt, kam erst in den späten neunziger Jahren in eine Entwicklungsphase,<br />

in der die Wohnungswirtschaft unter dem Eindruck der verschärften Konkurrenz eine<br />

strikte Kundenorientierung entwickelte. Der Übergang von einem Investorenverhalten,<br />

bei dem staatliche Programme in planerische Bauformen umgesetzt wurden, zu einer<br />

marktorientierten Investitionstätigkeit verlief sehr zögerlich. Er dürfte jetzt weitgehend<br />

abgeschlossen sein.<br />

2.3 Akzeptanz prototypischer Wohnbauprojekte<br />

2.3.1 Typische Geschosswohnungsbauprojekte<br />

Die Geschosswohnungsbautätigkeit in <strong>Berlin</strong> ruhte im wesentlichen auf drei Säulen:<br />

● Der größte Teil der fertig gestellten Wohnungen wurde im Rahmen mittelfristig<br />

angelegter Programme im Wesentlichen als Reaktion auf zunächst akute, später aber<br />

nicht mehr existente Versorgungsengpässe errichtet. In der Regel handelte es sich dabei<br />

um geförderten Wohnungsbau. Beispiele für solche Projekte sind die Bauvorhaben<br />

in Karow und Französisch Buchholz (Pankow) sowie in Altglienicke (Treptow)<br />

sowie Teile der städtebaulichen Entwicklungsgebiete.<br />

● Ein quantitativ bedeutsamer Anteil des Wohnungsneubaus wurde an Standorten<br />

geplant und realisiert, die aus stadtentwicklungspolitischen Gründen in Angriff<br />

genommen wurden. Dazu gehören fast alle großen Entwicklungsgebiete, wie die<br />

Rummelsburger Bucht <strong>oder</strong> die Wasserstadt-Oberhavel. Hier wurde versucht, geförderten<br />

und frei finanzierten Wohnungsbau miteinander zu kombinieren.<br />

19


20<br />

● Die dritte Gruppe sind Projekte, die für die Vermarktung an Kapitalanleger konzipiert<br />

wurden. In der Regel handelt es sich um Wohnungsbau, bei dem eine<br />

maximale Dichte realisiert wurde, ohne Rücksicht darauf, was die Endnachfrager<br />

wünschen.<br />

a) Entwicklungen in der Wasserstadt-Oberhavel<br />

Der Standort der Wasserstadt-Oberhavel wurde ehemals v.a. industriell bzw. produktionsgewerblich<br />

genutzt (z.B. Hafen, Brauerei Schultheiss, Insel Eiswerder). Zahlreiche<br />

Betriebsliegenschaften zeugen noch heute von dieser Vergangenheit. Wohnnutzungen gab<br />

es nur vereinzelt, so z.B. auf dem Gelände des heutigen Quartiers Pulvermühle. In der<br />

Wasserstadt-Oberhavel soll bis zum Jahr 2010 der größte Wohnungsbaustandort<br />

<strong>Berlin</strong>s realisiert werden: insgesamt sind knapp 13.000 Wohneinheiten sowie Dienstleistungs-<br />

und Gewerbeflächen vorgesehen. Die bisher fertig gestellten Wohnungen sind<br />

ausschließlich Geschosswohnungsbauten, sowohl frei finanziert als auch im 1. und<br />

2. Förderweg. Das erste Projekt mit Reihen- und Doppelhäusern wird gegenwärtig im<br />

Bereich Haveleck realisiert.<br />

Die Leerstände bei den frei finanzierten Wohnungen und bei den Wohnungen der vereinbarten<br />

Förderung sind erheblich. Zu den hohen Leerständen kommt der alarmierende<br />

Befund hinzu, dass die Fluktuation unter den Bewohnern hoch ist.<br />

Wasserstadt-Oberhavel<br />

b) Entwicklungen in der Rummelsburger Bucht<br />

Das Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht ist einer der größten Wohnungsneubaustandorte<br />

in <strong>Berlin</strong>. Insgesamt sollen hier bis zum Jahr 2010 rd. 5.700 Wohneinheiten sowie<br />

Wohnfolge- und Gewerbeeinrichtungen fertig gestellt sein. Die fertig gestellten<br />

Wohngebäude sind zwischen 3- und 6-geschossig. Bisher sind etwa zwei Drittel der<br />

Wohnungen im 2. Förderweg errichtet, die übrigen sind frei finanzierte Miet- <strong>oder</strong><br />

Eigentumswohnungen.


Der Leerstand in der Rummelsburger Bucht liegt bei dem durchschnittlichen Leerstand<br />

in Geschosswohnungsbauprojekten der neunziger Jahre in Gesamt-<strong>Berlin</strong>. Die Leerstände<br />

konzentrieren sich fast ausschließlich auf die frei finanzierten Wohnungen. Bei den<br />

Wohnungen im zweiten Förderweg (inklusive der einkommensorientierten Wohnungen)<br />

gibt es kaum Leerstände. Vermarktungsschwierigkeiten gibt es insbesondere beim Verkauf<br />

von kleinen Wohnungen.<br />

Rummelsburger Bucht<br />

c) Entwicklungen bei hochwertigen Neubauprojekten<br />

Der <strong>Markt</strong> für hochwertige Wohnungen in <strong>Berlin</strong> ist zweigeteilt: Während die Nachfrage<br />

nach sehr exklusiven Wohnungen in besonders exponierten Lagen nicht gedeckt werden<br />

kann, besteht ein Überangebot an Wohnungen, die zwar hochwertig ausgestattet, aber<br />

hinsichtlich ihrer Qualität und Lage nicht exklusiv bzw. dem Spitzensegment zuzuordnen<br />

sind.<br />

Die Preise für Wohnungen im Spitzensegment liegen zwischen 3.500 und 5.000 Euro/m 2 .<br />

Wahrscheinlich werden die Preise in diesem Bereich in den nächsten zwei bis drei Jahren<br />

ansteigen; Preiserhöhungen in diesem Wohnungssegment auf ein Niveau, das mit anderen<br />

europäischen Metropolen wie beispielsweise Paris <strong>oder</strong> London vergleichbar ist, sind<br />

in <strong>Berlin</strong> allerdings erst in den nächsten 20 bis 30 Jahren zu erwarten.<br />

Im Segment der hochwertigen Wohnungen (Preisspanne rd. 2.200 bis 3.500 Euro/m 2 )<br />

sind in den letzten Jahren viele Projekte realisiert worden, so dass momentan ein<br />

Überangebot in diesem Segment vorhanden ist. Dieser Trend wird anhalten, da in diesem<br />

Teilbereich auch in Zukunft eine Vielzahl neuer Projekte realisiert wird (u.a. in der Friedrichstadt,<br />

am Lehrter Stadtbahnhof, mehrere Projekte in der Spandauer Vorstadt, z.B.<br />

Johannis-Viertel an der Oranienburger Straße). Durch die Vielzahl an Angeboten in diesem<br />

hochwertigen Segment stehen viele Wohnungen leer und die Vermarktungszeit ist<br />

relativ lang (bis zu drei Jahre).<br />

Generell zeichnet sich der Trend ab, dass hochwertige Wohnungen in aufwendig sanierten<br />

Altbauten weniger Leerstände bzw. kürzere Vermarktungszeiten haben als reine Neu-<br />

21


22<br />

baustandorte, wie beispielsweise am Potsdamer Platz. Neubauprojekte in Baulücken gewachsener<br />

Altbauquartiere, wie in der Spandauer Vorstadt, profitieren von der attraktiven<br />

Gestaltung der Umgebung und ergänzen das Angebot im Altbaubestand. Diese integrierten<br />

Standorte sind ebenfalls in geringerem Umfang von Leerständen betroffen als reine<br />

Neubaustandorte.<br />

Die Preise sind zur Zeit trotz des Überangebotes stabil. Dies ist darauf zurückzuführen,<br />

dass bei der Gewährung von Preisnachlässen das Image des Standortes nachhaltig<br />

geschädigt wird, potenzielle Käufer abgeschreckt und die Vermarktungsprobleme somit<br />

zunehmen würden. Inwieweit am derzeitigen Preisniveau festgehalten wird <strong>oder</strong> ob es zu<br />

Preissenkungen kommt, kann momentan nicht abschließend gesagt werden. Einige<br />

Experten erwarten, dass „sich der <strong>Markt</strong> selbst kaputt macht“ und das Preisniveau im<br />

Bereich der zwar hochwertigen, aber nicht im engeren Sinne exklusiven Wohnungen,<br />

deutlich herabgesetzt wird. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass diese städtischen<br />

Wohnformen lediglich von einem sehr begrenzten Personenkreis nachgefragt werden.<br />

Akzeptanz finden die sehr exklusiven und hochwertigen Wohnungen, wenn die Kombination<br />

zwischen Ruhe und Zentralität, das Image des Standortes und der Ausblick aus der<br />

Wohnung (freier Blick über die Dächer, möglichst auf besondere Bauten) gegeben sind.<br />

Diese Faktoren sind in Kombination nur an sehr ausgewählten Standorten zu vereinen<br />

und nicht beliebig zu duplizieren. Im absoluten Spitzensegment werden sehr hohe<br />

Anforderungen an den Standort und das Bauprojekt gestellt.<br />

d) Drei Beispiele für hochwertige Wohnprojekte: Potsdamer Platz,<br />

Friedrichstraße und Spandauer Vorstadt<br />

Die drei Projekte am Potsdamer Platz von Sony (201 Wohnungen, Fertigstellung 1999),<br />

Daimler-Chrysler (630 Wohnungen, Fertigstellung 1998/99) und die Park-Kolonnaden<br />

(rd. 90 Wohnungen, Fertigstellung 2001) umfassen insgesamt gut 900 zumeist sehr exklusive<br />

Wohnungen im Hochpreissegment. Die Kaufpreise bewegen sich zwischen 4.000<br />

und 7.000 Euro/ m 2 , die Nettokaltmieten liegen in der Regel über 15 Euro/m 2 .<br />

Auch in der Friedrichstraße sind viele Bürogebäude aufgrund planungsrechtlicher Auflagen<br />

der Senatsverwaltung mit einem Wohnanteil von 20 bis 30 % gebaut werden. Die zumeist<br />

sehr exklusiven Wohnungen befinden sich zumeist in den oberen Stockwerken der<br />

Bürogebäude. Zusätzlich entstanden viele neue, ebenfalls sehr hochwertige Wohnungen<br />

in der Friedrichstraße durch Baulückenschließungen. Die Kaufpreise liegen leicht unter<br />

dem Niveau des Potsdamer Platzes zwischen 3.200 und 5.000 Euro/m 2 . Die Nettokaltmieten<br />

bewegen sich in der Friedrichstraße um 15 Euro/m 2 , in den Seitenstraßen zwischen<br />

10 und 13 Euro/m 2 .<br />

Die Vermarktung verläuft insbesondere am Potsdamer Platz sehr schleppend. Die<br />

Wohnungen der „Daimler-City“ konnten noch zu Kapitalanlegerzeiten verkauft werden,<br />

allerdings werden viele Wohnungen noch nicht genutzt bzw. sind noch nicht vermietet.<br />

Im Sony-Center sind erst 50 % der Wohnungen verkauft, die Belegung der bereits


verkauften Wohnungen ist jedoch sehr gering. Die Vermarktung in der Friedrichstraße<br />

verläuft besser als am Potsdamer Platz, da bei einem geringeren Preisniveau eine breitere<br />

Nachfrageschicht angesprochen und der Imagefaktor des Wohnens in der Friedrichstraße<br />

insgesamt höher bewertet wird. Allerdings ist die Nachfragesituation nicht<br />

zufrieden stellend. Vermarktungszeiträume von bis zu drei Jahren sind auch in der<br />

Friedrichstraße und in den Seitenstraßen keine Seltenheit.<br />

Der Potsdamer Platz ist ein typisches Beispiel für eine rein additive Mischung von<br />

Wohnen und anderen Nutzungen. Die Nachfrage rekrutiert sich aus Gruppen, bei denen<br />

der Beruf zu einer sehr hohen Inanspruchnahme führt und die hoch mobil sind (dementsprechend<br />

ist der Anteil an Zweit- und Firmenwohnungen sehr hoch). Die Nachfrager<br />

legen keinen bzw. nur einen geringen Wert auf die Einbindung in eine Nachbarschaft. Es<br />

entsteht ein sehr anonymes Wohnen, allerdings mit dem Vorteil einer repräsentativen und<br />

imagebehafteten Lage. Durch die Extrempreise ist der Kreis der Nachfrager sehr<br />

begrenzt. Verschärft wird die Situation, da in <strong>Berlin</strong> zurzeit mehrere Projekte diese kaufkräftige<br />

Nachfragergruppe ansprechen. Die Wohnungsangebote am Potsdamer Platz<br />

konkurrieren mit sehr exklusiven Neubauangeboten in repräsentativen Lagen wie z.B.<br />

am Gendarmenmarkt, im Klingelhöfer Dreieck <strong>oder</strong> in der Friedrichstraße. Für den<br />

Wohnstandort Friedrichstraße gelten ähnliche Charakteristika, wobei jedoch dem Faktor<br />

der prestigeträchtigen Lage deutlich mehr Gewicht beigemessen wird. Qualitativ hochwertige<br />

Wohnungen werden zu hohen Preisen vermarktet. Penthousewohnungen und<br />

größere Wohnungen mit über 100 m 2 (z.T. sind Wohnungen bis zu 300 m 2 zusammenlegbar)<br />

lassen sich in der Regel sehr gut vermarkten. Problematisch ist die Vermarktung der<br />

kleinen Wohnungen und der Wohnungen in den unteren Geschossen.<br />

Ein Wohnstandort mit derzeit beispielhafter Attraktivität ist die Spandauer Vorstadt, einer<br />

der begehrtesten und urbansten Wohnstandorte mit gewachsener und durchmischter<br />

Bebauung und Infrastruktur. Die aufwendig sanierten Altbauwohnungen sind gefragt, die<br />

Mieten und Kaufpreise stiegen in den vergangenen Jahren stark an. Neubauprojekte in<br />

der Spandauer Vorstadt sind zumeist Baulückenschließungen, die eine Angebotslücke an<br />

sehr großen Wohnungen, die im Altbaubestand nicht vorhanden sind, schließen (z.B.<br />

Quartier Kronberg an der Ziegelstraße/Tucholskystraße: 2.200 Euro/m 2 in den unteren<br />

Etagen bis 4.600 Euro/m 2 für Penthousewohnungen mit Blick über <strong>Berlin</strong>-Mitte). Die<br />

Vermarktung der Wohnungen sowohl im Altbau als auch in den Neubauprojekten, die<br />

eine Nische zum Bestand abdecken, verläuft erfolgreich. Vor allem große Wohnungen<br />

und große Loftwohnungen mit einer guten Möglichkeit zur individuellen Raumaufteilung<br />

und mit Wohnungsgrößen von mehr als 100 m 2 lassen sich gut vermarkten. Die Wohnungen<br />

in den Mischgebäuden liegen in der Regel in den oberen Etagen, wobei die<br />

Penthousewohnungen auf die größte Akzeptanz stoßen.<br />

Die Untergrenze der Kaufpreise im Neubau liegt zwischen 2.200 und 2.500 Euro/m 2 .<br />

In besseren Lagen und in den oberen Stockwerken werden Wohnungen für bis zu 5.000<br />

Euro/m 2 angeboten.<br />

23


24<br />

2.3.2 Typische Ein- und Zweifamilienhausprojekte<br />

Die Einfamilienhausstandorte, die in jüngster Zeit realisiert wurden bzw. sich in einem<br />

konkreten Umsetzungs- und Vermarktungsstand befinden, lassen sich verschiedenen Projekttypen<br />

zuordnen:<br />

a) „Städtische“ Haustypen mit geringer Akzeptanz<br />

Die Einfamilienhausanlagen auf den „Rudower Feldern“ und am Mohnweg in Altglienicke<br />

sind stark am Leitbild des „städtischen Einfamilienhauses“ orientierte Vorhaben,<br />

die vor allem auf die Nachfrage durch Schwellenhaushalte (Eigenheim statt<br />

Mietwohnung bei annähernd gleicher Belastung) und durch Haushalte, die ein<br />

„städtisches Ambiente“ bevorzugen, abzielen. Die dort realisierten Haustypen zeichnen<br />

sich durch eine schnörkellose bis strenge Architektur aus und setzen bewusst einen<br />

Kontrast zum traditionellen Eigenheim mit Spitzdach.<br />

Rudower Felder, Neukölln Mohnweg, Altglienecke<br />

Akzeptanz finden diese Häuser nur bei Haushalten, die unter keinen Umständen ins<br />

Umland gezogen wären, unter anderem weil sie auf eine Anbindung an den öffentlichen<br />

Nachverkehr angewiesen sind. Die Preise für einfache Reihenmittelhäuser ohne Keller<br />

liegen in beiden Objekten nur wenig unter 200.000 Euro; trotzdem wird der Preis von den<br />

Nachfragern neben der Lage (Standort in <strong>Berlin</strong>) als ausschlaggebendes Entscheidungskriterium<br />

genannt. Die Erwerber, für die das Eigenheim die Alternative zur Mietwohnung<br />

ist, sind Schwellenhaushalte, für die es in diesem Preissegment nur wenig Wahlmöglichkeiten<br />

gibt.<br />

Die Akzeptanz dieser Vorhaben ist mäßig. In Altglienicke standen etwa ein Jahr nach<br />

Fertigstellung noch etwa 50 % der Häuser leer; in den Rudower Feldern standen in dem<br />

Projekt der Bavaria ca. fünf Monate nach Fertigstellung der letzten Häuser noch etwa<br />

50 % der Einheiten leer, im Projekt der „Stadt und Land“ etwa drei Monate nach Fertigstellung<br />

der letzten Häuser noch etwa 20 %. Dort konnten vor allem die teureren Objekte<br />

mit größeren Wohnflächen und/<strong>oder</strong> Grundstücken nicht verkauft werden.


) Konventionelle Haustypen mit geringer Akzeptanz<br />

Die Projekte der Viterra/Veba in Mariendorf („Leben in Mariendorf“) und der Firma Zapf<br />

in Treptow („Späthsches Viertel“), sind Beispiele für Projekte, die eine konventionelle<br />

Reihenhaus-Qualität an relativ zentralen Standorten bieten. In beiden Fällen liegen die<br />

Projekte mehrere Kilometer näher an der Innenstadt als die Angebote in Rudow <strong>oder</strong> Altglienicke,<br />

im <strong>Fall</strong>e des Mariendorfer Projektes handelt es sich um einen Standort im<br />

Übergangsbereich zur offenen Stadtrandbebauung. Beide Projekte wurden zu vergleichsweise<br />

hohen Preisen angeboten; die Viterra-Häuser wurden anfangs zwischen 260.000<br />

Euro und 280.000 Euro verkauft, später sind die Preise auf etwas unter 260.000 Euro<br />

gesenkt worden. In Treptow wurden einfache Reihenhäuser mit kleinen Grundstücken<br />

überwiegend im Preissegment zwischen 230.000 Euro und 260.000 Euro angeboten.<br />

Doppelhaushälften kosteten zwischen 260.000 Euro und 280.000 Euro.<br />

Mariendorf, Tempelhof Späthsches Viertel, Treptow<br />

Beide Objekte werden aufgrund des Preisniveaus kaum noch von Schwellenhaushalten<br />

nachgefragt. Haushalte, die die Angebote finanzieren können, verfügen über Wahlmöglichkeiten<br />

und entscheiden sich häufig für Angebote, die als kleine Nachverdichtungen<br />

im Bestand realisiert werden. Beide Projekte sind relativ große Neubaugebiete (Späthsches<br />

Viertel 240 WE, Mariendorf: Verbindung mit größerem Geschosswohnungsbauprojekt,<br />

welches hohe Leerstände aufweist) und konnten nur sehr schleppend vermarktet<br />

werden.<br />

25


26<br />

c) Kleine und integrierte Projekte mit hoher Akzeptanz<br />

Beispiel für ein kleines Projekt, das auf einem Lückengrundstück in den vorhandenen<br />

Siedlungsbestand integriert wurde, ist die Bebauung an der „Rheinpfalzallee 59-65“<br />

in <strong>Berlin</strong> Lichtenberg. Es liegt in einem ruhigen und attraktiven, durch Stadtvillen und<br />

Einfamilienhäuser geprägten Wohngebiet in Karlshorst und stellt somit eine Alternative<br />

zu den oft großflächigen Neubauvorhaben in periphereren Lagen dar. Errichtet wurden<br />

acht Doppelhaushälften und sechs Einheiten in Reihenbauweise (2 Reihen à 3 WE), mit<br />

je 116 m 2 Wohnfläche. Die Grundstücksgrößen variieren zwischen 160 m 2 und 300 m 2 .<br />

Die einfache Gestaltung der Häuser wird durch Farbgestaltungen und Schmuckdetails <strong>–</strong><br />

wie Fensterläden <strong>–</strong> aufgelockert und aufgewertet. Die Häuser konnten relativ rasch zu<br />

Preisen um 200.000 Euro verkauft werden. Erwerber waren überwiegend Familien aus<br />

den Lichtenberger Innenstadtbereichen.<br />

Rheinlandpfalzallee, <strong>Berlin</strong> Karlshorst<br />

2.3.3 Verzögertes Reagieren auf die tatsächliche Nachfrage<br />

Die Wohnungsbauprojekte des letzten Jahrzehnts spiegeln die Transformation der Bautätigkeit<br />

und die sich allmählich durchsetzenden neuen Anforderungen an die Bauformen<br />

und Standorte in unterschiedlichen Stufen wieder. Über längere Phasen wurde in den<br />

alten Formen weitergebaut, weil die neue Nachfrage noch nicht sichtbar war und die<br />

Subventionen Risiken soweit verringerten, dass eine strikte Nachfrageorientierung nicht<br />

im Vordergrund der Überlegungen stand. In den letzten Jahren haben die Erfahrungen der<br />

Verluste durch die Leerstände die Investoren dazu gebracht, Jahr für Jahr eine stärkere<br />

Nachfrageorientierung bei ihren Planungen zu realisieren. Die Projekte zu verschiedenen<br />

Zeitpunkten demonstrieren diese allmähliche Umorientierung, die inzwischen weitgehend<br />

abgeschlossen ist. Angesichts der künftig fast ausschließlich strukturell bedingten<br />

Nachfrage am Neubaumarkt und der starken Stellung der Käufer und Mieter von neu<br />

gebauten Wohnungen, wird Nachfrageorientierung zu einer Voraussetzung des Investitionserfolges.<br />

In <strong>Berlin</strong> geht eine mehr als hundertjährige Geschichte der staatlichen<br />

Interventionen im Wohnungsbau zu Ende. Planung und Nachfrage müssen eine neue<br />

Symbiose finden.


3. Neubau trotz vorhandener Leerstände<br />

Wiederkehrende Leerstände sind auf den Märkten für Büroimmobilien ein bekanntes<br />

Phänomen. Sie entstehen dort immer wieder als Folge von Nachfrageüberschätzungen,<br />

als Folge der langwierigen Produktionsfristen, die dazu führen, dass in der Fertigstellungsphase<br />

ganz andere <strong>Markt</strong>verhältnisse bestehen als zum Planungszeitpunkt. Sie entstehen<br />

aus überraschenden Wenden der Zinspolitik und der Geldpolitik, die zu veränderten<br />

Finanzierungsbedingungen <strong>oder</strong> Nachfrageverhältnissen führen. Solche zyklischen<br />

Leerstände waren am <strong>Wohnungsmarkt</strong> ausgesprochen selten, weil die staatlichen Interventionen<br />

<strong>–</strong> vor allem bei der Bereitstellung von kostengünstigem Bauland <strong>–</strong> i. d. R. eine<br />

hohe Knappheit aufrechterhalten, so dass eine wirklich drastische Überproduktion nur<br />

selten auftritt.<br />

Der Anstieg der Wohnungsleerstände in <strong>Berlin</strong> zwischen 1995 und 2000 um bis zu<br />

100.000 Wohneinheiten bedeutet im Ergebnis, dass seitdem etwa 50 % der Fertigstellungen<br />

statistisch zu einer Erhöhung der Leerstände geführt haben. Der übersubventionierte<br />

<strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> erzeugte eine Kapitalfehllenkung. Der überwiegende<br />

Anteil des Geschosswohnungsbaus in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre wäre unter<br />

marktwirtschaftlichen Bedingungen kaum finanziert worden. Unterstellt man eine<br />

subventionsbedingte Überproduktion von rd. 60.000 Wohnungen bei 150.000 Euro<br />

Investitionskosten pro Wohnung, dann entspricht dies einer Kapitalfehlleitung von rd.<br />

9 Milliarden Euro. Bei einer Subventionsquote von 30 % ergäbe sich allein aus dem überhöhten<br />

Mietwohnungsbau der neunziger Jahre eine Belastung des Staatshaushalts von<br />

rd. 3 Milliarden Euro.<br />

Nicht jede Wohnungsproduktion, die zu Leerstand führt, bedeutet eine Fehllenkung von<br />

Kapital. Wenn die Wohnungsproduktion auch bei hohen Leerständen marktwirtschaftlich<br />

finanziert weitergeht und private Nachfrager bereit sind, die hohen Kosten zu tragen,<br />

so wird dadurch demonstriert, dass die historischen Bestände den gegenwärtigen und<br />

auch künftigen Ansprüchen in diesem Umfang nicht mehr entsprechen. Wie auch auf<br />

anderen Märkten führt der Wettbewerb zur ökonomischen Obsoleszens von Produkten,<br />

die technisch zumindest teilweise durchaus funktionsfähig sind, aber in ihrer Qualität<br />

hinter m<strong>oder</strong>nen Ansprüchen zurückbleiben. Ganz offensichtlich sind gleichzeitig auch<br />

die M<strong>oder</strong>nisierungskosten so hoch, dass eine Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr hergestellt<br />

werden kann.<br />

Die Abbildungen 3 und 4 zeigen das Ausmaß und die Verteilung der Leerstände. Insgesamt<br />

erreicht der Wohnungsüberschuss in der Region etwa 200.000, davon gut 150.000<br />

in <strong>Berlin</strong>. Wie nicht anders zu erwarten, konzentriert sich der Leerstand überwiegend auf<br />

den Mietwohnungsbestand.<br />

Die Informationen über die Größe und die Struktur der Leerstände sind unsicher. So ist<br />

insbesondere der Anteil an Überschusswohnungen unbekannt, der von den Eigentümern<br />

vom <strong>Markt</strong> zurückgezogen wurde und nicht mehr aktiv angeboten wird. Solche „ausgebuchten“<br />

Wohnungen gehen in ihrer Entstehung z. T. noch auf die Zeit vor der Wende<br />

zurück. Allerdings haben auch Wohnungsunternehmen, in deren Siedlungen sich Leer-<br />

27


28<br />

stände konzentrieren, inzwischen einzelne Gebäude zumindest „eingemottet“ <strong>oder</strong> auch<br />

endgültig stillgelegt (Türen und Fenster zugemauert, Leitungssysteme gekappt). Über das<br />

Ausmaß dieser ausgebuchten Bestände kann man nur spekulieren. Expertenmeinungen<br />

und einzelne Indikatoren deuten daraufhin, dass von den Leerstandswohnungen in <strong>Berlin</strong><br />

etwa 100.000 noch aktiv am <strong>Markt</strong> angeboten werden.<br />

Die künftige Neubautätigkeit und die Nachfrageentwicklung werden darüber entscheiden,<br />

ob sich die Leerstandsentwicklung stabilisiert. Die Erfahrung mit anderen Städten<br />

zeigt, dass im Laufe einer Verfestigung des Wohnungsüberschusses die Leerstände mehr<br />

und mehr zu den schlechten Wohnungsbeständen „heruntersickern“ und sich dort allmählich<br />

in bestimmten Gebäuden konzentrieren. Im Laufe der Zeit werden so durch die<br />

<strong>Markt</strong>prozesse wirtschaftlich abgestorbene Bestände herausgefiltert, die auch schwer<br />

wieder in eine Nutzung zurückgeholt werden können. Der Prozess ist in verschiedenen<br />

ostdeutschen Städten schon sehr viel weiter fortgeschritten als in <strong>Berlin</strong> und lässt sich<br />

deshalb in seinem Ablauf vorhersehen. Die Erfahrungen zeigen dort auch, dass vor allem<br />

kleine Wohnungen, hoch verdichtete Bestände sowie abgewohnte Altbauten in ungünstigen<br />

Lagen überdurchschnittlich vom Leerstand bedroht sind. Die Beobachtungen in<br />

<strong>Berlin</strong> zeigen ähnliche Tendenzen.


Abbildung 3<br />

Wohnungen<br />

in 1.000<br />

2.000<br />

1.800<br />

1.600<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Leerstände im <strong>Berlin</strong>er Wohnungsbestand<br />

<strong>Berlin</strong><br />

Bestand absolut<br />

Mietwohneinheiten<br />

Quelle: Mikrozensus Zusatzerhebung 1998<br />

<strong>Berlin</strong>-West <strong>Berlin</strong>-Ost<br />

Eigentümerwohneinheiten<br />

leer stehende Wohneinheiten<br />

empirica<br />

29


30<br />

Abbildung 4<br />

Leerstände in <strong>Berlin</strong> nach Wohnungsbestandstypen<br />

Wohnungen<br />

in 1.000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Ein- und<br />

Zweifamilienhäuser<br />

Klein- und<br />

vorstädt.<br />

Geschosswohnungen<br />

Bestand absolut<br />

Quelle: Mikrozensus Zusatzerhebung 1998<br />

Innerstädt.<br />

Geschosswohnungen<br />

Gebäudetyp<br />

Plattenbauten<br />

davon Leerstand<br />

Neugebaute<br />

Geschosswohnungen<br />

empirica


C: NACHFRAGE FÜR WOHNANGEBOTE IN DER<br />

REGION BERLIN<br />

1. Bevölkerungsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong> in den neunziger<br />

Jahren<br />

1.1 Schrumpfung der <strong>Berlin</strong>er Bevölkerung bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum<br />

im Umland<br />

In der Region <strong>Berlin</strong> (Land <strong>Berlin</strong> und brandenburgische Gemeinden des engeren Verflechtungsraums)<br />

lebten 2000 rd. 4,3 Mio. Einwohner, davon rd. 3,4 Mio. (fast 80 %)<br />

in der Kernstadt und rd. 0,9 Mio. im engeren Verflechtungsraum (vgl. Abbildung 5). Insgesamt<br />

ist die Zahl der Einwohner in der Region seit 1990 um rd. 106.000 (plus 2,5 %)<br />

gestiegen (vgl. Abbildung 6). Entgegen den optimistischen Wachstumserwartungen für<br />

<strong>Berlin</strong> (plus 300.000 bis 2015) schrumpfte die Bevölkerung in der Kernstadt bis 2000<br />

um etwa 52.000 (minus 1,5 %) bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum im engeren<br />

Verflechtungsraum um über 158.000 (plus 20 %).<br />

In den ersten Jahren nach der Wende erhöhte sich die Einwohnerzahl in der Kernstadt<br />

(vgl. Abbildung 7), da es bis 1995 einen Wanderungsgewinn (knapp 100.000<br />

Personen) vornehmlich durch Zuwanderung aus dem Ausland gab (jährlich zwischen<br />

15.000 und 35.000 Personen). Der Zuwanderungsgewinn aus den neuen Bundesländern 2<br />

war deutlich geringer: Er sank von über 6.000 (1991) auf unter 1.000 (1995). Der Wanderungssaldo<br />

mit Westdeutschland blieb in der ersten Hälfte der neunziger Jahre negativ.<br />

Seit 1996 hat in <strong>Berlin</strong> ein Schrumpfungsprozess eingesetzt. Die seit etwa 1994 deutlich<br />

spürbare Umlandabwanderung führte zusammen mit dem extremen Rückgang der<br />

Zuwanderung aus dem Ausland (nach 1996) zu einem Bevölkerungsverlust. Der bisherige<br />

Tiefstand des Wanderungssaldos wurde 1997 erreicht (im Saldo knapp minus 30.000<br />

Personen).<br />

2 Ohne Umlandgemeinden<br />

31


32<br />

Abbildung 5<br />

Die Region <strong>Berlin</strong> (Kernstadt und Umland)<br />

und ihre Lage im Land Brandenburg<br />

Landkreise Brandenburg<br />

Stadt <strong>Berlin</strong><br />

Umland = engerer Verflechtungsraum<br />

empirica


Abbildung 6<br />

Bevölkerungsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong><br />

1990 bis 2000 [Personen]<br />

Bevölkerungsentwicklung<br />

(Indexiert 1990 = 100)<br />

130<br />

120<br />

110<br />

100<br />

90<br />

1990 1991<br />

Umland<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

<strong>Berlin</strong> Gesamte Region<br />

empirica<br />

33


34<br />

Abbildung 7<br />

Wanderungssaldo<br />

[Personen]<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

- 10.000<br />

- 20.000<br />

- 30.000<br />

1991<br />

Wanderungssalden nach Herkunftsgebieten <strong>–</strong><br />

<strong>Berlin</strong> [Personen]<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Wanderungssaldo Ausland<br />

Wanderungssaldo<br />

<strong>Berlin</strong>er Umland<br />

Wanderungssaldo insgesamt<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

Wanderungssaldo alte Bundesländer<br />

Wanderungssaldo neue<br />

Bundesländer ohne Umland<br />

empirica


1.2 Wachsende Umzüge ins Umland<br />

Das Bevölkerungswachstum im Umland ist überwiegend (ca. 80 %) auf Zuwanderung<br />

aus der Kernstadt zurückzuführen (vgl. Abbildungen 8 und 9). Insgesamt sind in den letzten<br />

zehn Jahren mehr als 240.000 Personen von <strong>Berlin</strong> in das Umland gezogen.<br />

● Die Wanderungen aus der Kernstadt erreichten 1998 ihren Höhepunkt mit einem<br />

Wegzug von rd. 41.500 Personen.<br />

● Nur mit den neuen Bundesländern hat das Umland noch einen relevanten Wanderungsüberschuss<br />

(zuletzt etwa 3.600 Personen jährlich). Die Wanderungssalden mit<br />

den anderen Herkunftsgebieten spielen keine Rolle: Seit 1995 halten sich die<br />

Zu- und Abwanderungen aus dem Ausland in etwa die Waage. Gegenüber Westdeutschland<br />

bestehen keine nennenswerten Salden. Im Jahr 2000 war die Wanderungsbilanz<br />

zwischen den alten Ländern negativ (minus 500 Personen).<br />

Die hohen Bevölkerungszunahmen im Umland sind eine Folge der relativen Attraktivitätsgewinne<br />

des Umlands gegenüber <strong>Berlin</strong>. Der ab 1994 in <strong>Berlin</strong> einsetzende Bauboom<br />

stützte sich überwiegend auf den Geschosswohnungsbau. Das Angebot an kleinteiligen<br />

Bauformen, insbesondere die Angebote an Ein- und Zweifamilienhäusern, blieb<br />

knapp. Die Folge war eine selektive Abwanderung von Haushalten mit Kindern, die<br />

durch beträchtliche Baulandausweisungen der Brandenburger Gemeinden und eine zunehmende<br />

Konkurrenz starker nationaler wie auch internationaler Anbieter im <strong>Berlin</strong>er<br />

Umland viele Möglichkeiten zum Erwerb eines Eigenheims hatten (zwischen 1992 und<br />

1999: im Umland ein Angebot von 40.000 Ein- und Zweifamilienhäusern im Unterschied<br />

zu 19.000 in <strong>Berlin</strong>).<br />

Unter anderem durch die forcierte Abwanderung in das <strong>Berlin</strong>er Umland nehmen die<br />

Fluktuation und die Leerstände bei den weniger attraktiven Wohngebieten zu. Dies wiederum<br />

führt zu finanziellen Nachteilen für <strong>Berlin</strong> und zu einer sozialen Segregation zwischen<br />

<strong>Berlin</strong> und dem Umland einerseits und attraktiven und unattraktiven Wohngebieten<br />

innerhalb <strong>Berlin</strong>s andererseits (mit entsprechenden Begleitkosten).<br />

35


36<br />

Abbildung 8<br />

Abwanderung aus <strong>Berlin</strong> nach Zielgebieten [Personen]<br />

Abwanderung nach Zielgebieten<br />

[Personen]<br />

160.000<br />

140.000<br />

120.000<br />

100.000<br />

80.000<br />

60.000<br />

40.000<br />

20.000<br />

0<br />

1991<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Abwanderung<br />

<strong>Berlin</strong>er Umland<br />

Abwanderung Ausland<br />

Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />

Abwanderung neue Bundesländer<br />

ohne Umland<br />

Abwanderung alte Bundesländer<br />

empirica


Abbildung 9<br />

Wanderungssalden nach Herkunftsgebieten <strong>–</strong> Umland [Personen]<br />

Wanderungssaldo<br />

[Personen]<br />

35.000<br />

30.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

- 5.000<br />

1991<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Wanderungssaldo mit dem<br />

Ausland<br />

Wanderungssaldo mit den<br />

neuen Bundesländern<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

Wanderungssaldo mit den alten<br />

Bundesländern<br />

Wanderungssaldo mit <strong>Berlin</strong><br />

Wanderungssaldo gesamt<br />

empirica<br />

37


38<br />

1.3 Wanderungsgewinne als Motor des Bevölkerungswachstums<br />

in der Region<br />

Der natürliche Bevölkerungsrückgang von 122.000 Einwohnern in der Region konnte<br />

durch einen Wanderungsüberschuss von etwa 224.000 Personen (seit 1991) ausgeglichen<br />

werden.<br />

● Durch den Sterbeüberschuss 3 verringerte sich die Einwohnerzahl in <strong>Berlin</strong> um knapp<br />

90.000 Einwohner und im Umland um rd. 32.000. Dabei nimmt die natürliche Bevölkerungsschrumpfung<br />

in der Region aufgrund zurückgehender Sterbeüberschüsse<br />

ab (in der Region von 17.000 Personen auf etwa 5.000 Personen, vgl. Abbildung 11).<br />

● In <strong>Berlin</strong> werden die Sterbeüberschüsse seit 1993 nicht mehr durch Wanderungsgewinne<br />

ausgeglichen (vgl. Abbildung 10). In der Gesamtregion sind die Wanderungsgewinne<br />

mit Ausnahme des Jahres 1997 deutlich höher als die natürliche Bevölkerungsabnahme<br />

(vgl. Abbildung 11).<br />

3 Saldo aus Geburten und Sterbefällen


Abbildung 10<br />

Bevölkerungsentwicklung 1991 bis 2000 in <strong>Berlin</strong> [Personen]<br />

Bevölkerungssaldo<br />

[Personen]<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

- 10.000<br />

- 20.000<br />

- 30.000<br />

- 40.000<br />

1991<br />

Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Saldo Zu- und Fortzüge<br />

Saldo Geburten- und Sterbefälle<br />

Bevölkerungszunahme bzw. -abnahme<br />

empirica<br />

39


40<br />

Abbildung 11<br />

Bevölkerungssaldo<br />

[Personen]<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

- 10.000<br />

- 20.000<br />

- 30.000<br />

1991<br />

Bevölkerungsentwicklung 1991 bis 2000<br />

in der Region <strong>Berlin</strong> [Personen]<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Saldo Zu- und Fortzüge<br />

Saldo Geburten- und Sterbefälle<br />

Bevölkerungszunahme bzw. -abnahme<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

empirica


2. Haushaltsentwicklung in der Region <strong>Berlin</strong> in den neunziger Jahren<br />

Die Zahl der Haushalte in der Region ist zwischen 1993 und 2000 um knapp 90.000<br />

kontinuierlich auf ca. 2,2 Mio. Haushalte gestiegen (Zunahme um etwa 4 %). Dabei stieg<br />

die Zahl der Haushalte im Umland durch Zuwanderung um 21 % (rd. 70.000 Haushalte),<br />

in <strong>Berlin</strong> gab es im Jahr 2000 nur 1 % (bzw. 18.600 Haushalte) mehr Haushalte als 1993<br />

(vgl. Abbildung 12). Nicht zuletzt durch diese räumlichen Verlagerungen sank die Haushaltsgröße<br />

in der Kernstadt auf 1,86 Personen im Jahr 2000 (1993: 1,93) und blieb im<br />

Umland mit 2,33 Personen (1993: 2,34) weitgehend unverändert.<br />

Die Abbildungen 13 und 14 zeigen die unterschiedliche Entwicklung der Haushaltstypen<br />

in <strong>Berlin</strong> bzw. dem Umland: Während in <strong>Berlin</strong> der Anteil der Haushalte mit drei Personen<br />

von 13,2 % (1993) auf 11,3 % in 2000 zurückgegangen ist (absoluter Rückgang um<br />

etwa 33.000 Dreipersonenhaushalte), ist der Anteil dieser Haushalte im Umland leicht<br />

angestiegen (absoluter Anstieg um etwa 13.600 Dreipersonenhaushalte).<br />

41


42<br />

Abbildung 12<br />

2.000<br />

1.800<br />

1.600<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

Entwicklung der Haushalte in der Region <strong>Berlin</strong><br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Anzahl der Haushalte<br />

in Tausend<br />

Personen<br />

pro Haushalt<br />

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />

Haushalte <strong>Berlin</strong> Personen pro Haushalt <strong>Berlin</strong><br />

Haushalte Umland<br />

Personen pro Haushalt Umland<br />

2,50<br />

2,40<br />

2,30<br />

2,20<br />

2,10<br />

2,00<br />

1,90<br />

1,80<br />

1,70<br />

1,60<br />

1,50<br />

empirica


Abbildung 13<br />

Verteilung der Haushalte nach<br />

Größe in % aller Haushalte<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0<br />

Entwicklung der Haushaltstypen in <strong>Berlin</strong><br />

2,64 %<br />

45,87 %<br />

29,71 %<br />

13,22 %<br />

8,56 %<br />

1993 2000<br />

Einpersonenhaushalte<br />

Zweipersonenhaushalte<br />

Dreipersonenhaushalte<br />

Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />

47,50 %<br />

31,75 %<br />

11,27 %<br />

7,24 %<br />

2,25 %<br />

Vierpersonenhaushalte<br />

Fünf Personen und mehr<br />

empirica<br />

43


44<br />

Abbildung 14<br />

Verteilung der Haushalte nach<br />

Größe in % aller Haushalte<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0<br />

Entwicklung der Haushaltstypen im Umland<br />

3,92 %<br />

26,84 %<br />

33,04 %<br />

19,41 %<br />

16,78 %<br />

1993 2000<br />

Einpersonenhaushalte<br />

Zweipersonenhaushalte<br />

Dreipersonenhaushalte<br />

Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />

29,57 %<br />

35,62 %<br />

19,45 %<br />

12,70 %<br />

2,65 %<br />

Vierpersonenhaushalte<br />

Fünf Personen und mehr<br />

empirica


3. Wanderungsbewegungen als Folge veränderter <strong>Markt</strong>verhältnisse<br />

in <strong>Berlin</strong><br />

Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Markt</strong> hat sich innerhalb weniger Jahre von einem angebotsgesteuerten<br />

<strong>Markt</strong> zu einem <strong>Markt</strong> mit Angebotsüberhängen in verschiedenen <strong>Markt</strong>segmenten entwickelt.<br />

Entsprechend kam es seit der Wende zu erheblichen wanderungsbedingten<br />

Verschiebungen der Zahl der Einwohner zwischen den Bezirken (vgl. Abbildung 15). Die<br />

Ursachen dafür sind von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich. In manchen Fällen sind<br />

starke Wanderungsgewinne auf eine starke Erhöhung des Wohnungsangebotes zurückzuführen<br />

(z.B. Weißensee). Eine überdurchschnittlich starke Abwanderung kann auf ein<br />

Wohnungsangebot zurückzuführen sein, dass den Bedürfnissen der ursprünglichen<br />

Wohnbevölkerung nicht angemessen war; in diesen Fällen hat die Abwanderung in der<br />

Regel ein Ansteigen der Leerstände zur Folge, sofern sich nicht neue Nachfragegruppen<br />

finden, die das Wohnungsangebot annehmen (z.B. Friedrichshain, vgl. Abbildung 18).<br />

Die Neubautätigkeit ist sehr stark durch die Verfügbarkeit von Bauland bestimmt. Insofern<br />

ist ein hohes Anwachsen der Bevölkerung nicht automatisch ein Indikator für eine<br />

besonders hohe Attraktivität eines Bezirks, sondern zunächst ein Indikator für große<br />

Baulandpotenziale. Die überdurchschnittliche Neubautätigkeit bei gleichzeitiger Akzeptanz<br />

der fertig gestellten Wohnungen führt zu einer Zuwanderung und einer deutlichen<br />

Erhöhung der Einwohnerzahlen. Dort, wo frei finanzierte Eigenheime und Mietwohnungen<br />

errichtet werden, dürfte der Neubau auch immer Attraktivitätsmerkmal sein.<br />

In der Umkehrung führt ein hoher Anteil unattraktiver und „abgewohnter“ Wohnungsbestände<br />

bei gleichzeitig günstigen <strong>Wohnungsmarkt</strong>bedingungen dazu, dass ein entsprechender<br />

Anteil der Einwohner abwandern konnte.<br />

Neben einer Abwanderung aus unattraktiven Beständen kann eine Abwanderung auch<br />

Reflex einer Wohlstandssteigerung <strong>oder</strong> auch einer veränderten Altersschichtung sein. So<br />

führt eine überdurchschnittliche Quote von Einwohnern zwischen 20 und 30 zu einer<br />

überdurchschnittlichen Zahl neu gegründeter Haushalte. Sofern ein entsprechendes Angebot<br />

an dem bisherigen Standort nicht verfügbar ist, kommt es zu einer Abwanderung<br />

als Konsequenz der Altersschichtung. Ähnlich wirkt sich ein steigendes Einkommen aus,<br />

das zu steigenden Wohnflächen je Einwohner führt. Fehlendes Bauland in den Wohngebieten<br />

solcher „Aufsteigerhaushalte“ führt dann zu einer sinkenden Zahl der Einwohner<br />

und zu Abwanderung. Abwanderung und zurückgehende Einwohnerzahlen sind deshalb<br />

nicht zwangsläufig ein Indikator für eine geringe Akzeptanz von Wohngebieten, sondern<br />

können auch ein Indikator für steigende Wohnflächenansprüche der Bewohner sein (z.B.<br />

Mitte).<br />

45


46<br />

Abbildung 15<br />

Wanderungssalden, Leerstände und Bautätigkeit<br />

in den <strong>Berlin</strong>er Bezirken<br />

Weißensee<br />

Pankow<br />

Treptow<br />

Köpenick<br />

Zehlendorf<br />

Tempelhof<br />

Steglitz<br />

Spandau<br />

Reinickendorf<br />

Wilmersdorf<br />

Neukölln<br />

Friedrichshain<br />

Charlottenburg<br />

Hellersdorf<br />

Prenzlauer Berg<br />

Schöneberg<br />

Tiergarten<br />

Lichtenberg<br />

Wedding<br />

Mitte<br />

Hohenschönhausen<br />

Kreuzberg<br />

Marzahn<br />

Fertiggestellte Wohnungen je<br />

1.000 Einwohner (1992 bis 2000)<br />

- 40 0 40 80 120 160 200 240 280<br />

im Geschosswohnungsbau<br />

im individuellen<br />

Wohnungsbau<br />

Durchschnittlicher Wanderungssaldo je<br />

1.000 Einwohner jährlich (1992 bis 2000)<br />

Leerstehende Wohnungen je 1.000 Haushalte<br />

(Zusatzerhebung Mikrozensus 1998)<br />

Quelle: Bautätigkeitsstatistik, Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998, Wanderungsstatistik<br />

empirica


Die Wanderungen bzw. Veränderungen der Einwohnerzahl in den einzelnen Bezirken<br />

<strong>Berlin</strong>s müssen angesichts solch komplexer Ursachen jeweils von <strong>Fall</strong> zu <strong>Fall</strong> interpretiert<br />

werden. Die Abbildung 15 zeigt die Neubautätigkeit in den einzelnen Bezirken (bezogen<br />

auf 1.000 Einwohner) und die Höhe der Leerstände. Das Zusammenwirken verschiedener<br />

Faktoren lässt sich an einigen extremen Beispielen verdeutlichen:<br />

● Das Abwanderungsvolumen ist in Weißensee seit 1994/1995 fast konstant. Durch die<br />

überdurchschnittliche Zuwanderung, in erster Linie <strong>Berlin</strong>er, gewinnt Weißensee<br />

Einwohner (vgl. Abbildung 16). Der Bevölkerungszuwachs von Weißensee ist die<br />

Folge der günstigen Baumöglichkeiten. Die Leerstände sind gleichzeitig durchschnittlich,<br />

das bedeutet, dass der vorhandene Bestand ausreichend attraktiv ist.<br />

● Der Rückgang der Einwohnerzahl in Zehlendorf bei niedriger Bautätigkeit ist ein<br />

Ergebnis der steigenden wohlstandsbedingten Nachfrage, die durch behördliche<br />

Angebotsausweitung nicht befriedigt werden kann (vgl. Abbildung 17). Der Rückgang<br />

der Einwohnerzahl ist hier Zeichen einer hohen Attraktivität des Bezirkes und<br />

kein Zeichen einer „Bezirksflucht“.<br />

● Extrem hoch sind die Leerstände in Friedrichshain. In Friedrichshain war die<br />

Neubautätigkeit gering, was angesichts der Lage des Bezirks in der Stadt und dem<br />

damit verbundenen geringen Baulandpotenzial nicht überrascht. Die hohen Leerstände<br />

sind ganz offensichtlich Zeichen eines hohen Anteils unattraktiver Bestände.<br />

Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass große Sanierungsgebiete umbaubedingte<br />

Leerstände hervorrufen und in der Folgezeit der Leerstand zurückgehen kann. Hier<br />

wird dann allerdings der Effekt zu beobachten sein, dass die Wiedernutzung bisher<br />

leerer Altbauten wahrscheinlich in anderen, bisher bewohnten Wohnungen, zu Leerständen<br />

führt.<br />

Diese drei Bezirksbeispiele zeigen die unterschiedlichen Kombinationen von Angebot<br />

und Nachfrage sowie die unterschiedlichen Auswirkungen der örtlichen Baulandvorräte<br />

bzw. verfügbaren Bauqualitäten. Schon das grobe statistische Bild in den einzelnen<br />

Bezirken macht deutlich, wie komplex die Wirkungsverflechtungen sind, die künftig bei<br />

Maßnahmen der Baulandpolitik, der Stadtsanierung und der Abrisspolitik berücksichtigt<br />

werden müssen.<br />

47


48<br />

Abbildung 16<br />

Fort-/Zuzüge Weißensee<br />

[Personen je 1.000 Einwohner]<br />

180<br />

140<br />

100<br />

60<br />

20<br />

0<br />

- 20<br />

- 60<br />

- 100<br />

1991<br />

Zu- und Fortzüge in Weißensee<br />

[Personen je 1.000 Einwohner*]<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Zu-/Fortzüge ins Ausland<br />

Zu-/Fortzüge in die alten Länder<br />

Zu-/Fortzüge ins Umland Zu-/Fortzüge in die neuen Länder<br />

ohne Umland<br />

Zu-/Fortzüge in andere Bezirke Wanderungssaldo insgesamt<br />

*Einwohnergewichtung 31.12. des jeweiligen Jahres<br />

Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />

empirica


Abbildung 17<br />

Fort-/Zuzüge Zehlendorf<br />

[Personen je 1.000 Einwohner]<br />

120<br />

80<br />

40<br />

0<br />

- 40<br />

- 80<br />

- 120<br />

1991<br />

Zu- und Fortzüge im Stadtteil Zehlendorf<br />

[Personen je 1.000 Einwohner*]<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Zu-/Fortzüge ins Ausland<br />

Zu-/Fortzüge in die alten Länder<br />

Zu-/Fortzüge ins Umland Zu-/Fortzüge in die neuen Länder<br />

ohne Umland<br />

Zu-/Fortzüge in andere Bezirke Wanderungssaldo insgesamt<br />

*Einwohnergewichtung 31.12. des jeweiligen Jahres<br />

Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />

empirica<br />

49


50<br />

Abbildung 18<br />

Fort-/Zuzüge Friedrichshain<br />

[Personen je 1.000 Einwohner]<br />

180<br />

140<br />

100<br />

60<br />

20<br />

0<br />

- 20<br />

- 60<br />

- 100<br />

- 140<br />

- 180<br />

1991<br />

Zu- und Fortzüge in Friedrichshain<br />

[Personen je 1.000 Einwohner*]<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Zu-/Fortzüge ins Ausland<br />

Zu-/Fortzüge in die alten Länder<br />

Zu-/Fortzüge ins Umland Zu-/Fortzüge in die neuen Länder<br />

ohne Umland<br />

Zu-/Fortzüge in andere Bezirke Wanderungssaldo insgesamt<br />

*Einwohnergewichtung 31.12. des jeweiligen Jahres<br />

Quelle: Statistisches Landesamt <strong>Berlin</strong><br />

empirica


4. Wanderungen im <strong>Berlin</strong>er Umland<br />

Die Wanderungsbewegungen im <strong>Berlin</strong>er Umland, insbesondere die Zuwanderungen aus<br />

der Kernstadt, sind in hohem Maße durch die im Umland stattfindende Bautätigkeit<br />

beeinflusst (vgl. Abbildungen 19 bis 21). Dies gilt insbesondere für den Ein-/Zweifamilienhausbau,<br />

wohingegen der Geschosswohnungsbau zu einem hohen Teil von überwiegend<br />

lokalen Nachfragern absorbiert wird. Insgesamt wurden zwischen 1992 und 1999<br />

mehr als 40.000 Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern in den knapp 250<br />

Gemeinden im Umland gebaut. Etwa die Hälfte dieser Bautätigkeit erfolgte in 30<br />

Gemeinden. Die Gemeinden mit dem größten Anteil am regionalen Ein-/Zweifamilienhausbau<br />

(ab jeweils 1.000 Wohneinheiten zwischen 1992 und 1999 kumuliert) sind die<br />

Stadt Falkensee, Zepernick, Neuenhagen, Hohen Neuendorf, Fredersdorf-Vogelsdorf,<br />

Hönow und Kleinmachnow. Die Abbildungen 19 und 20 zeigen die Verteilung der<br />

Bautätigkeit im <strong>Berlin</strong>er Umland und die daraus resultierenden Wanderungsbewegungen.<br />

51


52<br />

Abbildung 19<br />

Baufertigstellungen 1991 bis 1999 in <strong>Berlin</strong> und dem Umland<br />

[Wohnungen je 1.000 Einwohner*]<br />

Havelland<br />

Brandenburg<br />

a. d. Havel<br />

Baufertigstellungen: Neue Wohneinheiten<br />

pro. 1.000 Einwohner 1991 bis 1999<br />

0 <strong>–</strong> 50<br />

50 <strong>–</strong> 100<br />

100 <strong>–</strong> 150<br />

150 <strong>–</strong> 200<br />

200 <strong>–</strong> 350<br />

350 <strong>–</strong> 500<br />

500 <strong>–</strong> 700<br />

Ostprignitz-<br />

Ruppin<br />

Potsdam -<br />

Mittelmark<br />

Potsdam<br />

Kreis- und Bezirksgrenzen<br />

Oberhavel<br />

Teltow-Fläming<br />

Barnim<br />

*Einwohnergewichtung 31.12. des jeweiligen Jahres<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

Dahme-<br />

Spreewald<br />

Märkisch -<br />

Oderland<br />

Oder - Spree<br />

Brandenburg, <strong>Berlin</strong> und<br />

engerer Verflechtungsraum<br />

Kartographie © empirica<br />

empirica


Abbildung 20<br />

Havelland<br />

Brandenburg<br />

a. d. Havel<br />

Fortzüge aus <strong>Berlin</strong> ins Umland 1991-1999<br />

[Personen je 1.000 Einwohner]*<br />

Zuzüge aus <strong>Berlin</strong> 1991-1999<br />

900 <strong>–</strong> 1000<br />

750 <strong>–</strong> 900<br />

600 <strong>–</strong> 750<br />

450 <strong>–</strong> 600<br />

300 <strong>–</strong> 450<br />

150 <strong>–</strong> 300<br />

100 <strong>–</strong> 150<br />

50 <strong>–</strong> 100<br />

25 <strong>–</strong> 50<br />

0 <strong>–</strong> 25<br />

Ostprignitz-<br />

Ruppin<br />

Potsdam -<br />

Mittelmark<br />

Potsdam<br />

Oberhavel<br />

Teltow-Fläming<br />

* Bevölkerungsstand 31.12.1998<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

Barnim<br />

Dahme-<br />

Spreewald<br />

Märkisch -<br />

Oderland<br />

Oder - Spree<br />

Brandenburg, <strong>Berlin</strong> und<br />

engerer Verflechtungsraum<br />

Kartographie © empirica<br />

empirica<br />

53


54<br />

Abbildung 21<br />

Zu- und Fortzüge aus den <strong>Berlin</strong>er Bezirken ins Umland<br />

von 1991 bis Juni 2000<br />

[Personen je 1.000 Einwohner]*<br />

Havelland<br />

Brandenburg<br />

a. d. Havel<br />

Ostprignitz-<br />

Ruppin<br />

Potsdam -<br />

Mittelmark<br />

Bevölkerungsveränderungen pro 1.000 EW<br />

-200 <strong>–</strong> -1000<br />

-100 <strong>–</strong> 0<br />

0 <strong>–</strong> 500<br />

500 <strong>–</strong> 1000<br />

1000 <strong>–</strong> 1500<br />

1500 <strong>–</strong> 2000<br />

2000 <strong>–</strong> 2500<br />

2500 <strong>–</strong> 3000<br />

3000 <strong>–</strong> 3500<br />

3500 <strong>–</strong> 4000<br />

Potsdam<br />

Oberhavel<br />

Teltow-Fläming<br />

* Bevölkerungsstand 31.12.1998<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

Barnim<br />

Dahme-<br />

Spreewald<br />

Märkisch -<br />

Oderland<br />

Oder - Spree<br />

Brandenburg, <strong>Berlin</strong> und<br />

engerer Verflechtungsraum<br />

Kartographie © empirica<br />

empirica


D: ZUKÜNFTIGE NACHFRAGETENDENZEN AUF DEM<br />

BERLINER WOHNUNGSMARKT<br />

1. Quantitative Haushaltsentwicklung in <strong>Berlin</strong> bis 2030<br />

Die hier vorliegende Prognose der Haushaltsentwicklung für <strong>Berlin</strong> basiert auf einer<br />

Modellrechnung, in der, ausgehend von der aktuellen Alters- und Haushaltsstruktur und<br />

unter Zugrundelegung unterschiedlicher Wanderungsszenarien, die zukünftigen Haushaltsstrukturen<br />

simuliert werden. 4 Im Unterschied zu üblichen Haushaltsprognosen,<br />

die lediglich ex-post Entwicklungen in die Zukunft projizieren, wird hier nach Nachfragetypen<br />

(Alters- und Haushaltsstruktur) differenziert.<br />

Die drei Prognosen (vgl. Abbildung 22) unterscheiden sich durch unterschiedliche<br />

Annahmen der Wanderungsintensität:<br />

● Trendprognose: Ausgeglichener Saldo zwischen Zu- und Abwanderung mit dem<br />

Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet.<br />

● 100.000 Variante: Jährlich zusätzlich 100.000 Personen Nettozuwanderung (Saldo<br />

zwischen Zu- und Abwanderung mit dem Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet).<br />

● 200.000 Variante: Jährlich zusätzlich 200.000 Personen Nettozuwanderung (Saldo<br />

zwischen Zu- und Abwanderung mit dem Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet).<br />

Die drei Haushaltsprognosen 5 sind strukturell ähnlich, d.h. die Entwicklung verläuft bei<br />

allen Varianten parallel, allerdings auf unterschiedlichem Niveau. Bei keiner der Varianten<br />

gibt es einen relevanten Haushaltszuwachs, im Gegenteil, in der langfristigen<br />

Perspektive nehmen die Haushaltszahlen stark ab.<br />

● Bei der Trendvariante beträgt der Verlust bis zum Jahr 2005 jährlich rd. 6.000 Haushalte,<br />

bei den anderen beiden Varianten 3.200 bzw. 3.500 jährlich.<br />

● Danach gibt es nur noch bei der 100.000 Variante bis zum Jahr 2015 einen jährlichen<br />

Zuwachs von etwa 2.000 Haushalten und bei der 200.000 Variante bis 2020 eine<br />

Zunahme um 2.500 Haushalte im Jahr.<br />

4 Die Basis bildet die 9. koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung.<br />

5 Die zukünftige Haushaltsverkleinerung ist bei der Prognose berücksichtigt (Vgl. Kapitel D:2.1). Ohne<br />

Berücksichtigung der anhaltenden Haushaltsverkleinerung würde z.B. die Prognose bei der 100.000<br />

Variante um fast 14.000 Haushalte niedriger liegen als die angegebenen 1.716.400.<br />

55


56<br />

Abbildung 22<br />

Zahl der Haushalte<br />

[in 1.000]<br />

1.900<br />

1.850<br />

1.800<br />

1.750<br />

1.700<br />

1.650<br />

1.600<br />

Prognose der Haushaltszahlen für <strong>Berlin</strong><br />

bis 2030 [Haushalte]<br />

1996 2000 2005 2010 2015<br />

100.000 Variante<br />

200.000 Variante<br />

Trendvariante<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />

2020 2025 2030<br />

empirica


2. Zukünftige Haushaltstypen für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong> 6<br />

2.1 Zunahme der Seniorenhaushalte bei gleichzeitiger Abnahme der jüngeren<br />

Haushalte<br />

Eine relevante Zunahme der Zahl der Haushalte gibt es in den nächsten Jahren nur<br />

bei den Seniorenhaushalten, alle anderen Altersgruppen stagnieren bzw. schrumpfen<br />

(vgl. Abbildung 23):<br />

● Das heute schon niedrige Niveau bei der Zahl der sehr jungen Haushalte (100.000<br />

Haushalte unter 25 Jahren) wird in den nächsten Jahren nur unerheblich steigen und<br />

ansonsten bis zum Jahr 2030 in etwa konstant bleiben. Im Unterschied dazu wird die<br />

heute schon hohe Anzahl der älteren Haushalte (400.000 über 65 Jahre) deutlich<br />

ansteigen, insbesondere bis zum Jahr 2010 (etwa 25 %ige Steigerung) und danach<br />

kontinuierlich bis auf etwa 640.000 Haushalte im Jahr 2030 anwachsen.<br />

● Die Zahl der jüngeren Haushalte (25-40 Jahre) nimmt von einem heute relativ hohen<br />

Niveau (gut 500.000 Haushalte) in den nächsten zehn Jahren stark ab (um fast<br />

200.000 Haushalte) und verläuft danach in etwa konstant. Die Zahl der mittelalten<br />

Haushalte (40 bis unter 65 Jahre) nimmt bis 2015 leicht zu und fällt danach ab.<br />

6 Da die relative Veränderung bei den drei Haushaltsprognosen ähnlich ist, wird bei der Typisierung der Haushalte<br />

nur auf eine Variante (100.000 Variante) Bezug genommen.<br />

57


58<br />

Abbildung 23<br />

Haushalte nach Alter<br />

der Bezugsperson in Tausend<br />

1.000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

Entwicklungsverlauf ausgewählter Altersklassen<br />

bis 2030<br />

0<br />

2000 2005 2010 2015 2020<br />

unter 25 Jahren<br />

25 bis unter 40 Jahren<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />

2025 2030<br />

40 bis unter 65 Jahre<br />

65 Jahre und älter<br />

empirica


2.2 Zunahme der älteren Kleinhaushalte<br />

Die wichtigsten Veränderungen der Haushaltsstruktur (vgl. Abbildung 24) werden durch<br />

die anhaltende Singularisierung und die Alterung der Gesellschaft verursacht. Zum einen<br />

steigt die Zahl der kleinen Haushalte, weil die Altersklasse der über 65-Jährigen zukünftig<br />

noch stärker besetzt ist. Aber auch bei den jüngeren Haushalten (Altersklassen unter<br />

65 Jahre) besteht der Trend zu kleineren Haushalten. In den nächsten Jahren wird die<br />

Zahl der kleinen Haushalte um jährlich durchschnittlich 7.000 zunehmen, langfristig<br />

jedoch abnehmen (ab 2030).<br />

● Die Zahl der Drei- und Mehrpersonenhaushalte wird weiter zurückgehen.<br />

● Die Zahl der Einpersonenhaushalte hingegen nimmt nach 2005 (um 34.000 Haushalte<br />

bis 2015) und die der Zweipersonenhaushalte ab sofort zu (um 77.100 zwischen<br />

2000 und 2015).<br />

Der Anteil der Einpersonenhaushalte an allen Haushalten steigt kontinuierlich von 47 %<br />

auf 50 % bis zum Jahre 2030. Das gleiche gilt für die Zweipersonenhaushalte (kontinuierliche<br />

Steigerung von 32 % auf 36 %). Im Unterschied dazu sinkt die Zahl der Dreiund<br />

Mehrpersonenhaushalte von 20 % auf 13 % (vgl. Abbildung 25).<br />

Bei den kleinen Haushalten gibt es in den nächsten Jahren eine Altersverschiebung. Die<br />

Zahl der jungen Single- und Zweipersonenhaushalte (unter 40 Jahren) nimmt ab und die<br />

Zahl der älteren Kleinhaushalte zu.<br />

● Einpersonenhaushalte: Im Jahre 2000 40 % jünger als 40 und 35 % älter als 60<br />

Jahre. Im Jahre 2030 25 % jünger als 40 und 50 % älter als 60 Jahre.<br />

● Zweipersonenhaushalte: Im Jahre 2000 25 % jünger als 40 und knapp 40 % älter<br />

als 60 Jahre. Im Jahre 2030 15 % jünger als 40 und mehr als 60 % älter als 60<br />

Jahre.<br />

Wegen der Alterung der Gesellschaft und der anhaltenden Singularisierungsprozesse<br />

werden sich die Haushalte zukünftig weiter verkleinern: 1,77 Personen pro Haushalt im<br />

Jahre 2015 und 1,71 im Jahre 2030.<br />

59


60<br />

Abbildung 24<br />

Anzahl der Haushalte<br />

in Tausend<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

865.800<br />

578.700<br />

205.500<br />

172.900<br />

Entwicklung der Haushaltszahlen<br />

nach Haushaltsgröße bis 2030<br />

855.100<br />

640.900<br />

180.500<br />

140.400<br />

874.700<br />

2000 2010 2015 2020 2030<br />

Einpersonenhaushalte<br />

Zweipersonenhaushalte<br />

655.800<br />

170.000<br />

124.000<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />

887.700<br />

654.800<br />

161.400<br />

110.200<br />

857.800<br />

624.800<br />

140.900<br />

Dreipersonenhaushalte<br />

Vier Personen und mehr<br />

92.900<br />

empirica


Abbildung 25<br />

Verteilung Haushalte nach<br />

Größe in % aller Haushalte<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0<br />

Veränderung der Haushaltsgrößen<br />

9 %<br />

11 %<br />

32 %<br />

47 %<br />

8 %<br />

10 %<br />

35 %<br />

47 %<br />

2000 2010 2020<br />

2030<br />

Einpersonenhaushalte<br />

Zweipersonenhaushalte<br />

36 %<br />

49 %<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />

6 %<br />

9 %<br />

5 %<br />

8 %<br />

36 %<br />

50 %<br />

Dreipersonenhaushalte<br />

Vier Personen und mehr<br />

empirica<br />

61


62<br />

Insgesamt steigt die Zahl der Seniorenhaushalte von 2000 bis 2030 um 64 % (Zunahme<br />

um 245.000 Haushalte):<br />

● Kurzfristig (bis 2010) Zunahme um 108.300 Seniorenhaushalte (10.000 Haushalte<br />

jährlich).<br />

● Von 2010 bis 2015 kaum Zunahme, weil schwach besetzte Geburtsjahrgänge der<br />

Nachkriegszeit ins Rentenalter kommen.<br />

● Von 2015 bis 2025 insgesamt Zunahme um 60.000 Haushalte (6.000 Haushalte jährlich).<br />

● Nach 2025 stärkerer Anstieg (von 2025 bis 2030 jährlich zusätzlich 13.000 Haushalte),<br />

weil die Baby-Boomer ins Rentenalter kommen.<br />

Dies führt zu einer passiven Steigerung des Wohnflächenverbrauchs pro Person (Remanenz-Effekt:<br />

Ältere bleiben in der angestammten Wohnung, sowohl beim Wegzug der<br />

Kinder wie auch nach Sterben des Partners).<br />

2.3 Vorübergehende Zunahme der Haushaltsgründer/-erweiterer<br />

Die Zahl der potenziellen Haushaltsgründer bzw. -erweiterer (Ein- und Zweipersonenhaushalte<br />

unter 25 Jahren) wird bis zum Jahr 2010 ansteigen, danach jedoch abnehmen:<br />

● Bis 2005 wird diese Gruppe um rd. 9.000 Haushalte ansteigen (im Jahr 2000<br />

103.700 Ein- und Zweipersonenhaushalte unter 25 Jahren), bis 2010 um weitere<br />

knapp 4.000 Haushalte.<br />

● Nach 2010 nimmt diese Gruppe dann deutlich ab (Auswirkung des Geburtenknicks<br />

Anfang der neunziger Jahre in Ostdeutschland). Die Zahl der potenziellen Haushaltsgründer/-erweiterer<br />

sinkt dann unter das Niveau von 2000 (in fünf Jahren eine<br />

Abnahme um rd. 14.500 Haushalte). Zwischen 2015 und 2020 bleibt diese Gruppe<br />

nahezu konstant und nimmt dann wieder bis 2030 um insgesamt 11.500 Haushalte<br />

ab.


3. Potenzielle Eigentumserwerber unter Berücksichtigung der Altersund<br />

Haushaltsstruktur<br />

Die primäre Zielgruppe für den Erwerb von Wohneigentum (Drei- und Mehrpersonenhaushalte,<br />

30-40 Jahre) nimmt in den nächsten 15 Jahren deutlich ab (vgl. Abbildung 26),<br />

wobei die Abnahme bis zum Jahr 2010 am stärksten ausfällt: jährlich im Durchschnitt<br />

6.500 Haushalte (vgl. Abbildung 26).<br />

Das heißt, dass sich diese Gruppe allein in den nächsten zehn Jahren halbiert. Die<br />

Abnahme dieser Haushalte ist auf das Herauswachsen der späten Baby-Boomer bei<br />

gleichzeitig hoher Umlandwanderung in dieser Altersgruppe zurückzuführen.<br />

Wenn sich das für die neunziger Jahre typische Wanderungsverhalten von der <strong>Berlin</strong>er<br />

Kernstadt ins Umland fortsetzt, so bedeutet das bei der Kerngruppe der potenziellen<br />

Eigentumserwerber bis 2010 ein Minus von 10.000 Haushalten und bis 2015 einen Verlust<br />

von etwa 15.000 Haushalten (Umlandwanderungseffekt).<br />

Wenn man die Zielgruppe der potenziellen Eigentümer etwas weiter fasst und die Altersgruppe<br />

der 40- bis 44-Jährigen mitberücksichtigt, sinkt die absolute Zahl deutlich um ca.<br />

100.000 Haushalte (vgl. Abbildung 28). Bei Fortsetzung der Wanderungsintensität der<br />

neunziger Jahre macht der Umlandwanderungseffekt der erweiterten Gruppe der potenziellen<br />

Eigenheimgründer bis 2010 ein Minus von 15.000 und bis 2015 einen Verlust von<br />

gut 17.000 Haushalten aus.<br />

63


64<br />

Abbildung 26<br />

Entwicklung der Zahl der Drei- und<br />

Mehrpersonenhaushalte in <strong>Berlin</strong><br />

(nach Altersgruppen, jeweils Alter des Haushaltsvorstands)<br />

Anzahl der Haushalte<br />

400.000<br />

350.000<br />

300.000<br />

250.000<br />

200.000<br />

150.000<br />

100.000<br />

50.000<br />

0<br />

86.500<br />

123.200<br />

133.800<br />

84.800<br />

137.100<br />

101.800<br />

34.900 26.600 27.300 26.500<br />

2000 2005 2010<br />

2015<br />

unter 30 Jahre<br />

30 bis 40 Jahre<br />

85.600<br />

138.300<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />

69.700 62.000<br />

40 bis 50 Jahre<br />

über 50 Jahre<br />

98.300<br />

107.200<br />

empirica


Abbildung 27<br />

Anzahl der Haushalte<br />

in 1.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

0<br />

Entwicklung der Zahl der Haushalte in <strong>Berlin</strong><br />

mit und ohne Umlandwanderung (in 1.000)<br />

1.893<br />

1.823 1.823 1.805 1.817 1.825<br />

2000 2005 2010<br />

2015<br />

100.000 Variante<br />

1.988<br />

100.000 Variante ohne Umlandwanderung<br />

2.079<br />

* Die Größenordnung des Umlandwanderungseffektes in der Haushaltsprognose kann<br />

annähernd über eine modifizierte Fortschreibung der Wanderungsintensität der 90er Jahre<br />

abgebildet werden. Die Unterstellung sind gleich bleibende Rahmenbedingungen, z. B.<br />

deutlich preiswertere Angebote im Umland.<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />

empirica<br />

65


66<br />

Abbildung 28<br />

Entwicklung der Zahl der Drei- und Mehrpersonenhaushalte<br />

in <strong>Berlin</strong> (Altersgruppe 25 <strong>–</strong> 44 Jahre im Vergleich,<br />

jeweils Alter des Haushaltsvorstands)<br />

Anzahl der Haushalte<br />

400.000<br />

350.000<br />

300.000<br />

250.000<br />

200.000<br />

150.000<br />

100.000<br />

50.000<br />

0<br />

149.953<br />

228.393<br />

147.985<br />

202.286<br />

2000 2005 2010<br />

2015<br />

andere Altersgruppen<br />

161.284<br />

159.577<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />

25 bis 44 Jahre<br />

165.741<br />

128.265<br />

empirica


4. Prognose der zukünftigen Wohneigentumsquote in <strong>Berlin</strong><br />

4.1 Wohneigentumsquoten im Städte-Vergleich<br />

Die Wohneigentumsquote für <strong>Berlin</strong> fällt mit 11 % (13 % in <strong>Berlin</strong> West und 7 % in<br />

<strong>Berlin</strong> Ost) 7 im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten sehr kümmerlich aus<br />

(vgl. Abbildung 29). Die Ursache dafür ist insbesondere in der hohen Mehrfamilienhausquote<br />

zu finden; dieser Gebäudetyp ist für Selbstnutzer nicht besonders attraktiv.<br />

Daneben wirken die jahrzehntelangen hohen Subventionen des Westberliner Mietwohnungsbaus<br />

immer noch nach. Dadurch ist das Mietniveau verglichen mit anderen Großstädten<br />

sehr niedrig. Wohneigentum ist aus finanzieller Sicht umso attraktiver, je höher<br />

die ersparte Miete ausfällt.<br />

In den neunziger Jahren wurden in den <strong>Berlin</strong>er Umlandgemeinden viele Neubaugebiete<br />

ausgewiesen. Das große Flächenangebot führte nicht nur zu niedrigen Grundstückspreisen,<br />

sondern ermöglichte auch aufgrund der hohen Fertigstellungszahlen einen<br />

intensiven Preis- und Qualitätswettbewerb unter den Bauträgern. In der Folge hat sich die<br />

Nachfrage <strong>Berlin</strong>er Haushalte nach Wohneigentum stark auf das Umland konzentriert.<br />

4.2 Szenarien für die Entwicklung der Wohneigentumsquote<br />

Die im Vergleich zu anderen Großstädten geringe Wohneigentumsquote der <strong>Berlin</strong>er<br />

Haushalte ist nicht das Resultat einer gegenwärtig geringen Eigentumsneigung und nicht<br />

nur das Resultat der gegenwärtigen Abwanderung neuer Selbstnutzer ins Umland. Vielmehr<br />

wirkt hier eine historisch bedingt niedrige Eigentumsneigung immer noch nach.<br />

Dies wird durch einen Vergleich der Wohneigentumsquote in einzelnen Altersklassen<br />

zwischen <strong>Berlin</strong>er und hannoverschen Haushalten deutlich (vgl. Abbildung 30). Weil in<br />

den vergangenen Jahrzehnten nur wenige <strong>Berlin</strong>er Haushalte Wohneigentum gebildet<br />

haben, dominieren in den älteren Altersgruppen heutzutage die Mieterhaushalte.<br />

7 Quelle: Mikrozensus 1998,<br />

67


68<br />

Abbildung 29<br />

Anteil der Selbstnutzerhaushalte<br />

an allen Haushalten in %<br />

Bremen 38 %<br />

Stuttgart 26 %<br />

München/<br />

Nürnberg<br />

Vergleich der Wohneigentumsquote<br />

in deutschen Großstädten (1998)<br />

D, DU, E, K, DO 21 %<br />

Hamburg 20 %<br />

Hannover 20 %<br />

Frankfurt 14 %<br />

<strong>Berlin</strong>-West 13 %<br />

Leipzig 8 %<br />

<strong>Berlin</strong>-Ost 7 %<br />

Quelle: Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998<br />

23 %<br />

empirica


Abbildung 30<br />

Vergleich der Wohneigentumsquote in <strong>Berlin</strong> und Hannover<br />

nach Altersgruppen 1998<br />

Anteil Selbstnutzerhaushalte<br />

an allen Haushalten<br />

35 %<br />

30 %<br />

25 %<br />

20 %<br />

15 %<br />

10 %<br />

5 %<br />

0 %<br />

< 25 25-30 30-40 40-50 50-60<br />

Altersklasse<br />

Quelle: Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998<br />

Hannover 1998<br />

<strong>Berlin</strong> 1998<br />

Kohorteneffekt<br />

Kohorteneffekt<br />

60-65 > 65 Insgesamt<br />

empirica<br />

69


70<br />

In Zukunft wird sich die Eigentümerquote durch das „Aussterben“ älterer Mietergenerationen<br />

(Kohorteneffekt; s. Pfeile in Abbildung 30) auch bei einer gleich bleibenden<br />

Abwanderungs- und Eigentumsneigung leicht erhöhen. 8 Eine deutliche Erhöhung der<br />

Wohneigentumsquote ist dagegen nur erreichbar, wenn man für die Zukunft eine zunehmende<br />

Neigung der jüngeren <strong>Berlin</strong>er Haushalte zur Eigentumsbildung erreicht und<br />

wenn die Umlandwanderung der Erwerber von Wohneigentum durch attraktive Angebote<br />

in der Stadt gebremst werden kann. Eine Steigerung der Eigentumsquote innerhalb der<br />

kommenden 10 bis 15 Jahre <strong>–</strong> beispielsweise auf das Niveau von Hannover <strong>–</strong> wäre allerdings<br />

auch bei offensiven Eigentumsbildungsstrategien nur vorstellbar, wenn durch<br />

Privatisierung im Bestand der Kreis der Eigenheimerwerber deutlich ausgeweitet wird<br />

(Mobilisierung von Schwellenhaushalten). Die folgenden zwei Szenarien verdeutlichen,<br />

welche Spannbreite es für die künftige Entwicklung der Eigentümerhaushalte in <strong>Berlin</strong><br />

gibt (vgl. Abbildung 31):<br />

● Szenario „Weiter so“: Gleichbleibende Neigung der Haushalte zur Eigentumsbildung,<br />

Erhöhung der Wohneigentumsquote im Wesentlichen nur durch den<br />

Kohorteneffekt.<br />

● Szenario „Offensive Wohneigentumsstrategie“: Verstärkte Neigung zur Eigentumsbildung<br />

bei den potenziellen Eigentümerhaushalten mit zusätzlichem Nachholeffekt<br />

bei den älteren Haushalten als „best case“-Rechnung.<br />

Szenario „Weiter so“<br />

Unter den Bedingungen einer „Weiter so“-Entwicklung wird sich die Quote der Eigentümer<br />

in <strong>Berlin</strong> bis 2015 um etwa 1,3 %-Punkte bzw. fast 40.000 Eigentümerhaushalte<br />

leicht erhöhen. Bei dieser Variante ist insbesondere das Aussterben älterer Mietergenerationen<br />

für den Anstieg der Wohneigentumsquote verantwortlich. Weil die Anzahl junger<br />

Haushalte stark schrumpft, sinkt die absolute Anzahl der jüngeren Eigentumsgründer<br />

gegenüber dem Jahr 2000 sogar (z.B. bei den 30- bis 40-Jährigen um jährlich etwa 800<br />

bis 900 Haushalte). Dieser Rückgang erfolgt jedoch nicht gleichmäßig über den gesamten<br />

Zeitraum, sondern verläuft bis 2010 intensiver. Nach 2010 stabilisiert sich die Zahl<br />

der Haushalte dieser Altersgruppe bis 2015 auf dem erreichten niedrigen Niveau.<br />

Fazit für das Szenario „Weiter so“: Insgesamt werden bei dem „Weiter so“-Szenario<br />

jährlich etwa 2.500 neue Haushalte Wohneigentum bilden.<br />

8 Die steigende Wohneigentumsquote ist damit zum überwiegenden Teil auf die höheren Quoten unter den<br />

heute älteren Haushalten der Geburtsjahrgänge 1930 bis 1945 und den steigenden Anteil der Älteren an der<br />

Gesamtbevölkerung zurückzuführen. Die Vorkriegs- und Kriegsgenerationen (Geburtsjahrgänge vor 1930)<br />

mit einem hohen Mieteranteil und durch die Weltkriege gestörter Vermögensbildung sterben ab. Die<br />

nachrückenden Altenhaushalte haben nach dem Krieg dank hohen Wachstums und eigentumsfreundlicher<br />

Rahmenbedingungen vermehrt Wohneigentum bilden können (vgl. empirica-Studie „Vermögensbildung in<br />

Deutschland“, Hrsg.: <strong>LBS</strong> Bundesgeschäftsstelle, <strong>Berlin</strong> 2001).


Abbildung 31<br />

Wohneigentumsquoten in <strong>Berlin</strong> nach Altersgruppen<br />

im Vergleich 2000 und 2015 (Szenario „Weiter so“ und<br />

„Offensive Wohneigentumsstrategie“)<br />

Quote der<br />

Wohneigentümer<br />

35 %<br />

30 %<br />

25 %<br />

20 %<br />

15 %<br />

10 %<br />

5 %<br />

0 %<br />

< 25 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 ab 75 Gesamt<br />

Altersklassen<br />

2015 Szenario „Offensive<br />

Wohneigentumsstrategie“<br />

Quelle: Mikrozensus-Zusatzerhebung 1998<br />

2015 Szenario „Weiter so“<br />

Eigentümerquote 2000<br />

empirica<br />

71


72<br />

Szenario „Offensive Wohneigentumsstrategie“<br />

Hier wird untersucht, welche Erhöhung der bisherigen Eigentumsneigung notwendig<br />

wäre, damit <strong>Berlin</strong> bis zum Jahr 2015 dasselbe Niveau erreicht wie Hannover Ende der<br />

neunziger Jahre (knapp 20 %). Eine solche Steigerung um zehn Prozentpunkte entspricht<br />

einer Zahl von rd. 180.000 Haushalten. Gegenüber der heutigen Situation müsste die<br />

Eigentumsneigung bei den 25- bis 39-jährigen Haushalte deutlich steigen (Erhöhung um<br />

das 3,5fache). Um im Jahr 2015 die 20 % zu erreichen, wäre darüber hinaus notwendig,<br />

dass zukünftig auch mehr unter 25-jährige und mehr über 40-jährige Haushalte Wohneigentum<br />

erwerben. 9 Eine solche Steigerung der Wohneigentumsquote bzw. der Eigentumsneigung<br />

kann nicht nur über Neubau erreicht werden. Der Erwerb aus dem Bestand<br />

müsste durch entsprechende Eigentumsstrategien erhöht werden (vgl. Kapitel 6 in Teil D).<br />

Fazit für das Szenario „Offensive Wohneigentumsstrategie“: Insgesamt müssten bei<br />

dieser Best-Case-Betrachtung jährlich rd. 10.000 Mieterhaushalte Wohneigentum zur<br />

Selbstnutzung erwerben, damit <strong>Berlin</strong> bis zum Jahre 2015 dasselbe Niveau erreicht, wie<br />

Hannover Ende der neunziger Jahre (knapp 20 %) (vgl. Abbildung 32).<br />

9 Im Einzelnen muss die Eigentumsneigung bei den unter 25-Jährigen und 40- bis 45-Jährigen um das<br />

2,5fache, bei den 25- bis 39-Jährigen um das 3,5fache, bei den 45- bis 50-Jährigen um das Doppelte und<br />

bei den 50- bis 55-Jährigen um das 1,5fache ansteigen.


Abbildung 32<br />

Jährliche Veränderung der Anzahl der Selbstnutzerhaushalte<br />

2000 bis 2015 in den Altersgruppen <strong>–</strong> verschiedene Varianten<br />

Anzahl der<br />

Haushalte<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

- 5.000<br />

- 10.000<br />

- 15.000<br />

- 20.000<br />

< 30<br />

30-40 40-50 50-60 > 60 Gesamt<br />

Veränd. Anz. Selbstn. „Weiter so“ 2015<br />

Veränd. Anz. Selbstn. „Offensive Wohneigentumsstrategie“ 2015<br />

Veränd. Anz. Haushalte gesamt 2015<br />

Veränd. Anz. Haushalte gesamt 2010<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />

empirica<br />

73


5. Abschätzung des Gesamtbedarfs für Wohnangebote in <strong>Berlin</strong><br />

5.1 Szenario 1: Status quo<br />

Bei der Trendvariante sinkt die Zahl der Haushalte bis 2005 jährlich um 6.000 und bleibt<br />

dann bis 2015 in etwa konstant bei 1,8 Mio. Nach 2015 wird die Zahl der Haushalte jährlich<br />

um knapp 4.000 (bis 2020) und danach um rd. 10.500 (bis 2030) abnehmen. Somit<br />

würde die Zahl der Haushalte bis zum Jahr 2030 um rd. 155.000 sinken (vgl. Tabelle 1).<br />

Fazit: In <strong>Berlin</strong> gab es im Jahr 1998 lt. Mikrozensus rd. 1,85 Mio. Wohnungen, wobei in<br />

den Jahren 98 und 99 zusätzlich mehr als 20.000 Wohnungen fertig gestellt wurden (Erhöhung<br />

des Bestandes auf etwa 1,87 Mio.). Somit wird sich das heute schon bestehende<br />

quantitative Überangebot in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Wohnungsneubau wird<br />

nur aufgrund struktureller Defizite, insbesondere aus Mangel an Eigenheimen und hochwertigen<br />

Mietwohnungen, notwendig sein.<br />

5.2 Szenario 2: Optimistische Rahmenbedingung (hohe Zuwanderung)<br />

Beim optimistischen Szenario wird eine relativ starke Zuwanderung aus dem Ausland<br />

unterstellt. In der Folge wird die Zahl der Haushalte mittelfristig steigen (von 2008/09 bis<br />

2023/24). Kurzfristig gibt es aber auch bei dieser Variante einen Rückgang von jährlich<br />

rd. 3.000 Haushalten. Nach 2005 steigt die Zahl jährlich um knapp 4.000 bis zum Jahr<br />

2015, danach tritt eine Stagnation ein und erst nach 2025 eine starke Schrumpfung (rd.<br />

7.500 jährlich). Die Zahl der Haushalte wird bis zum Jahr 2030 bei dieser Variante um<br />

rd. 50.000 sinken (vgl. Tabelle 1). Um das Jahr 2017 wird die maximale Zahl von dann<br />

1.850.000 Haushalten erreicht.<br />

Fazit: Trotz der optimistischen Unterstellung einer hohen Zuwanderung aus dem Ausland<br />

ist auch bei dieser Variante der quantitative Wohnungsbedarf heute schon gedeckt.<br />

Auch bei dieser Variante wird also „nur“ aufgrund von strukturellen Defiziten Neubau in<br />

Teilmärkten eine Rolle spielen.<br />

75


76<br />

Zusätzliche Zuwanderungseffekte durch die EU-Osterweiterung*<br />

Bei einer Prognose der Wohnungsnachfrage über die nächsten 30 Jahre sind auch die<br />

Auswirkungen der EU-Osterweiterung zu berücksichtigen. Momentan ist noch<br />

unklar, wann und mit welchen Übergangsregelungen diese vollzogen wird. Für den<br />

<strong>Fall</strong> einer völligen Freizügigkeit (freie Wohnort- und Arbeitsplatzwahl) schätzt das<br />

Ifo-Institut ein Zuwanderungspotenzial für Deutschland von 2,5 bis 3,3 Millionen<br />

Personen für einen Zeitraum von 15 Jahren. Unklar ist jedoch, wie sich die Zuwanderung<br />

auf die 15 Jahre verteilt und in welchem Ausmaß Übergangsregelungen die<br />

Schätzung reduzieren.<br />

Unter der Annahme, dass ausgehend von 3 Mio. Personen in den ersten 5 Jahren<br />

(Phase 1) die Zuwanderung doppelt so hoch ist wie in den letzten 5 Jahren (Phase 3)<br />

des Prognosezeitraums, würden in den ersten 5 Jahren 1,33 Mio. Menschen ins Bundesgebiet<br />

einwandern, in den zweiten 5 Jahren 1 Mio. Menschen und in den dritten<br />

5 Jahren 0,66 Mio. Menschen (stark abhängig von der Situation auf dem Arbeitsmarkt,<br />

speziell im durch Gewerkschaften nicht <strong>oder</strong> kaum regulierten Bereich des<br />

Niedriglohnsektors). Gegenüber einer gleichmäßigen Verteilung der Einwanderung<br />

auf das Bundesgebiet unterstellen wir für <strong>Berlin</strong> einen doppelt so hohen Zuzug, so<br />

dass die Größenordnung bei etwa 8 % aller Immigranten liegt. Gleichzeitig gehen<br />

wir aber von einem Verdrängungseffekt gegenüber der sonstigen Zuwanderung von<br />

ca. 40 % aus, so dass wir für die 15 Jahre nach der EU-Osterweiterung mit völliger<br />

Freizügigkeit für <strong>Berlin</strong> mit insgesamt 130-160.000 Personen rechnen, von denen<br />

bereits ca. 40.000 (illegal) in <strong>Berlin</strong> leben. (1. Phase: 50-80.000 Personen, 2. Phase<br />

40-60.000 Personen, 3. Phase 25-40.000 Personen). Bei einer durchschnittlichen<br />

Haushaltsgröße, die von 1,2 (Phase 1) auf 1,5 (Phasen 2 und 3) Personen pro Haushalt<br />

steigen wird (Familiennachzug), ergibt sich durch die Osterweiterung ein zusätzlicher<br />

Bedarf von insgesamt 70-90.000 Wohnungen (100-110.000 Wohnungen<br />

abzüglich 20.000 bereits von Illegalen bewohnten Wohnungen) für die nächsten<br />

15 Jahre. Das bedeutet, dass der heute vorhandene aktive Leerstand durch diese<br />

Zuwanderung sukzessive abgebaut wird.<br />

* Grobe Berechnungen (zur Illustration der Größenordnungen)


5.3 Szenario 3: Steigerung der Attraktivität <strong>Berlin</strong>s für<br />

Umlandabwanderer<br />

Vor dem Hintergrund der hohen Abwanderung aus <strong>Berlin</strong> ist auszuloten, inwieweit es<br />

gelingen kann, durch nachfragegerechte Angebote die Umlandabwanderer in <strong>Berlin</strong> zu<br />

halten. Gegenwärtig werden etwa 10.000 neue Ein-/Zweifamilien-Häuser pro Jahr im<br />

<strong>Berlin</strong>er Umland fertig gestellt. Etwa zwei Drittel der Angebote im Umland werden von<br />

<strong>Berlin</strong>er Haushalten erworben und bezogen. Laut Befragungen in neuen Wohngebieten 10<br />

gibt es nur rd. 20 % Umland-Orientierte, die gezielt einen Standort im Umland gesucht<br />

haben und unter keinen Umständen in <strong>Berlin</strong> geblieben wären. Etwa 80 % sind <strong>Berlin</strong>-<br />

Verlorene, die in <strong>Berlin</strong> und im Umland gesucht haben. Für diese waren Wohnformen,<br />

Angebotsqualität und Preis-Leistungs-Verhältnis ausschlaggebend für die Standortwahl.<br />

Tabelle 1: Abschätzung des Gesamtbedarfs für Wohnungsangebote in<br />

<strong>Berlin</strong> bis 2030<br />

…im Zeitraum<br />

2000-05<br />

2005-10<br />

2010-15<br />

2015-20<br />

2020-30<br />

Definition Umlenkung: Umlandwanderer, die man als Eigentümer in <strong>Berlin</strong> halten könnte<br />

Szenario 1<br />

Status quo<br />

Jährliche Veränderung…<br />

Anzahl<br />

Haushalte<br />

(jährlich)<br />

-6.000<br />

0<br />

0<br />

-4.000<br />

-10.500<br />

2<br />

Optimistisch<br />

Anzahl<br />

Haushalte<br />

(jährlich)<br />

-3.000<br />

4.000<br />

4.000<br />

0<br />

-7.500<br />

Anzahl<br />

Haushalte<br />

(jährlich)<br />

3.500<br />

2.500<br />

2.500<br />

2.500<br />

2.500<br />

Anzahl<br />

Haushalte<br />

(jährlich)<br />

-2.500<br />

2.500<br />

2.500<br />

-1.500<br />

-8.000<br />

Anzahl<br />

Haushalte<br />

(jährlich)<br />

500<br />

6.500<br />

6.500<br />

2.500<br />

-5.000<br />

Veränderung 2000-2030<br />

Summe<br />

-155.000 -50.000 80.000 -75.000 30.000<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach Mikrozensus, PROFAMY<br />

3<br />

Umlenkung<br />

1a<br />

=1+3<br />

2a<br />

=2+3<br />

empirica<br />

10 Die meisten der Befragten (rd. 80 %) haben sich auch in <strong>Berlin</strong> nach einem entsprechenden Objekt<br />

umgesehen, aber nichts Passendes gefunden.<br />

77


78<br />

Vor dem Hintergrund, dass aktuell etwa 6.000-7.000 <strong>Berlin</strong>er Haushalte pro Jahr im<br />

Umland Eigentum erwerben, ergibt sich in der Obergrenze ein jährliches Potenzial von<br />

derzeit gut 5.000 Eigentümerhaushalten, die in <strong>Berlin</strong> hätten gehalten werden können.<br />

Zukünftig wäre dieses Potenzial aufgrund der sinkenden Anzahl junger Haushalte etwas<br />

kleiner. Dieselben Quoten „umlenkungsfähiger“ Haushalte vorausgesetzt, könnten jedoch<br />

bis 2005 jährlich etwa 3.500 Haushalte und im Zeitraum 2005-30 jährlich rd. 2.500<br />

junge Haushalte in <strong>Berlin</strong> gehalten werden (vgl. Tabelle 1).<br />

Fazit: Wenn es gelänge, die zur Eigentumsbildung ins Umland abwandernden Haushalte<br />

in <strong>Berlin</strong> zu „halten“, ergäbe sich eine zusätzlicher Nachfrage für 2.000 bis 3.000 Wohneinheiten<br />

jährlich (für Haushalte in der Familiengründungs/-erweiterungsphase, die<br />

Eigentümer werden). Durch die Verhinderung der Umlandabwanderung könnte der<br />

strukturell bedingte Neubau im Umland, bei gleichzeitig bestehenden Leerständen in<br />

der Kernstadt, verhindert werden. Allerdings kann das quantitative „Überangebot“ im<br />

<strong>Berlin</strong>er Bestand durch die Umlenkung der Abwanderer, die nach „klassischen“ Eigentumsformen<br />

suchen, nicht verhindert werden. Trotzdem hätte eine Umlenkung des<br />

Eigentumserwerbs folgende Vorteile:<br />

● Weniger Beanspruchung von Landschaft (Nutzung der innerstädtischen Flächenreserven);<br />

● Weniger Pendlerverkehr;<br />

● Bessere Auslastung der innerstädtischen Infrastruktur;<br />

● Eindämmung der sozialen Segregation zwischen Stadt-Umland sowie zwischen<br />

verschiedenen innerstädtischen Quartieren und der entsprechenden Begleitkosten;<br />

● Mehr Steuereinnahmen für das Land <strong>Berlin</strong>.


6. Chancen für den Wohneigentumserwerb<br />

6.1 Rahmenbedingungen<br />

Die Finanzierungsmöglichkeiten von Wohneigentum hängen in erster Linie von der<br />

Eigenkapitalausstattung der Haushalte und deren verfügbaren Einkommen ab. Absolute<br />

Hürden für den Eigentumserwerb stellen in der Regel Eigenkapitalquoten von mindestens<br />

20-25 % sowie maximale Belastungen des verfügbaren Einkommens durch Zins- und<br />

Tilgungszahlungen von 35 % dar. Haushalte, die gegenwärtig diese Kriterien nicht erfüllen,<br />

können nur durch langfristiges Vorsparen die Hürden überwinden.<br />

Potenzialschätzung<br />

Eine Potenzialschätzung kann Aufschluss darüber geben, wie viele Mieterhaushalte<br />

unter bestimmten Annahmen (Sparverhalten, Entwicklung der Einkommen und der<br />

Hauspreise) in einem Zeithorizont von 5 bzw. 10 Jahren finanziell in der Lage wären,<br />

Wohneigentum zu erwerben. Die effektive Nachfrage wird natürlich auch von den<br />

individuellen Präferenzen, der Familienplanung und den konkreten Rahmenbedingungen<br />

(Zinssätze, Mobilitätsbedürfnisse, Arbeitsplatzsicherheit) abhängen<br />

und kann deswegen nicht geschätzt werden.<br />

6.2 Potenziale zukünftiger Selbstnutzer<br />

Bei Gesamtkosten von 180.000 Euro könnten bis zum Jahr 2012 potenziell rd. 280.000<br />

<strong>Berlin</strong>er Mieterhaushalte Wohneigentum erwerben (knapp 115.000 bis 2007; vgl. Abbildung<br />

33). Betrachtet man allein die Kerngruppe der 30- bis 39-Jährigen, dann könnten<br />

bis zum Jahr 2007 jährlich rd. 8.000 Mieterhaushalte Wohneigentümer werden, im Zeitraum<br />

2008 bis 2012 jährlich rd. 15.000 Haushalte (vgl. Tabelle 2).<br />

Bei relativ geringen Gesamtkosten von 130.000 Euro summiert sich das Potenzial der<br />

Kerngruppe (30- bis 39-jährige Mieterhaushalte) bis 2007 auf durchschnittlich rd. 16.000<br />

Haushalte jährlich und im Zeitraum 2008 bis 2012 auf etwa 19.000 Haushalte jährlich<br />

(vgl. Tabelle 2). Betragen die Gesamtkosten dagegen 230.000 Euro, dann können bis zum<br />

Jahr 2007 nur 6.000 Haushalte der Kerngruppe 30- bis 39-jähriger Mieter jährlich als<br />

potenzielle Selbstnutzer eingestuft werden. Auch im Zeitraum der Jahre 2008 bis 2012<br />

steigt dieses Potenzial dann nur auf rd. 8.000 Haushalte jährlich.<br />

79


80<br />

Abbildung 33<br />

Basispotenzial bis 2007 bzw. bis 2012 nach Altersklassen<br />

(Anzahl Mieterhaushalte)<br />

Definition Potenzial: unter 50-jährige Mieterhaushalte, die innerhalb der nächsten 5 bzw. 10 Jahre<br />

Wohneigentum erwerben könnten<br />

Anzahl der Haushalte<br />

in Tausend<br />

Potenzial bis 2012<br />

450<br />

(10-jährige Anspardauer)<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

130.000<br />

180.000 230.000 130.000 180.000 230.000<br />

40 Jahre bis 49 Jahre<br />

unter 30 Jahre<br />

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der EVS<br />

Gesamtkosten in Euro<br />

Potenzial bis 2007<br />

(5-jährige Anspardauer)<br />

30 Jahre bis 39 Jahre<br />

(Kerngruppe)<br />

empirica


Tabelle 2: Basispotenzial bis 2007 bzw. bis 2012 nach Altersklassen<br />

(Mieterhaushalte in 1.000)<br />

Summe<br />

Definition Basispotenzial: unter 50jährige Mieterhaushalte, die innerhalb der nächsten fünf bzw. zehn<br />

Jahre Wohneigentum erwerben können<br />

Kumuliertes Potenzial Basispotenzial bis 2012 Basispotenzial bis 2007<br />

Gesamtkosten/Altersklasse<br />

(heutiges Alter)<br />

unter 30 Jahren<br />

30 bis unter 39 Jahre<br />

(Kerngruppe)<br />

40 bis unter 49 Jahre<br />

Gesamtkosten/Altersklasse<br />

(heutiges Alter)<br />

Summe<br />

130.000 180.000 230.000<br />

50.000 28.000 16.000<br />

176.000 116.000 68.000<br />

198.000 135.000 95.000<br />

424.000 279.000 179.000<br />

130.000 180.000 230.000<br />

6.600 4.000 3.000<br />

19.400 14.800 7.800<br />

19.000 14.400 10.000<br />

45.000 33.200 20.800<br />

130.000 180.000 230.000<br />

17.000 8.000 1.000<br />

79.000 42.000 29.000<br />

103.000 63.000 45.000<br />

199.000 113.000 75.000<br />

Durchschnittliches<br />

jährliches Potenzial Basispotenzial 2007-12 jährlich Basispotenzial 2002-07 jährlich<br />

unter 30 Jahren<br />

30 bis unter 39 Jahre<br />

(Kerngruppe)<br />

40 bis unter 49 Jahre<br />

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der EVS<br />

130.000 180.000 230.000<br />

3.400 1.600 200<br />

15.800 8.400 5.800<br />

20.600 12.600 9.000<br />

39.800 22.600 15.000<br />

6.3 Eigentumsbildungsstrategien durch Privatisierung im Bestand<br />

Nur durch Bestandserwerb und entsprechend niedrige Kosten im Vergleich zum Erwerb<br />

im Neubau erhöht sich die Zahl der Eigentümer erheblich. In den letzten Jahren hat das<br />

Land <strong>Berlin</strong> seine Wohnungsgesellschaften zur Mieterprivatisierung aufgefordert. Die<br />

Zahl der jährlich an Mieter verkauften Wohnungen blieb jedoch gering. Dem stehen in<br />

anderen Stadtregionen, etwa durch die Viterra im Ruhrgebiet, größere Erfolge gegenüber.<br />

Der bisher schleppende Verkauf in <strong>Berlin</strong> geht auf verschiedene Ursachen zurück, die<br />

bisher noch nicht hinreichend untersucht sind.<br />

Ein wesentlicher Grund ist die geringe Kaufbereitschaft für Wohnungen im Bestand.<br />

Diese Kaufbereitschaft kann allerdings mittelfristig gesteigert werden. Insbesondere eine<br />

verstärkte eigene Alterssicherung legt den Erwerb von Wohneigentum nahe, weil etwa<br />

10-15 Jahre nach dem Erwerb die Wohnkosten niedriger sind als die Mieten. Hier ist ein<br />

Aufklärungsprozess notwendig.<br />

In vielen Fällen reicht die Zahlungsbereitschaft der Mieter nicht aus, den Verkauf für die<br />

Eigentümer attraktiv zu machen, weil als Folge der hohen Kosten in der Vergangenheit<br />

die Buchwerte und die Restschulden zu hoch sind. Als weitere Begrenzung kommt<br />

hinzu, dass viele Wohnungen nicht ausreichend für eine Eigentumsbildung geeignet sind.<br />

81


82<br />

Sie liegen in zu großen Gebäuden <strong>oder</strong> in Siedlungen mit unsicherer Wertentwicklung.<br />

Eine stabile Wertentwicklung ist in jedem <strong>Fall</strong> Voraussetzung der Mieterprivatisierung<br />

<strong>oder</strong> der Veräußerung an Selbstnutzer nach dem Auszug der bisherigen Mieter.<br />

Gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzprobleme der Stadt wäre es<br />

dringlich, die Zahl der auf Grund von Lage, Bauform und Restfinanzierung geeigneten<br />

Wohnungen zu ermitteln. Dann lassen sich mögliche Verkaufspreise abschätzen und die<br />

erzielbaren Überschüsse ermitteln, die in einem vorgegebenen Zeitraum realisiert werden<br />

können. Es gibt gegenwärtig keine verlässlichen Schätzungen für das Privatisierungspotenzial.<br />

Wenig sinnvoll ist es, ohne nähere Prüfung Privatisierungsvorgaben festzulegen,<br />

die nicht empirisch fundiert sind.<br />

Jede Privatisierung von Mietwohnungen muss in <strong>Berlin</strong> mit einer besonderen Sensibilität<br />

rechnen: sie wird als sozialpolitisch problematisch bzw. für die Mieter als belastend<br />

empfunden. Solche Vorbehalte sind unter den künftigen <strong>Markt</strong>bedingungen nicht zu<br />

rechtfertigen. Quantitative Versorgungsprobleme verlieren an Bedeutung. Wohnungen,<br />

die von Mietern erworben werden, stehen dem <strong>Markt</strong> <strong>oder</strong> für die Nutzung von<br />

Belegungsbindungen ohnehin meist erst in ferner Zukunft zur Verfügung. Demgegenüber<br />

hat die private Vermögensbildung deutlich an Bedeutung gewonnen. Mieter verfügen im<br />

Alter über deutlich weniger Vermögen als Eigentümer. Ihre verfügbaren Einkommen<br />

nach Wohnkosten sind gering. Eine Veräußerung von möglichst vielen geeigneten<br />

Wohnungen bekommt unter den Bedingungen der Alterung und der entspannten Wohnungsmärkte<br />

eine neue, deutlich steigende Bedeutung.<br />

Unabhängig von der Abschätzung der Möglichkeiten sind die Organisationsformen zu<br />

entscheiden. Hier empfiehlt sich die Ausgründung von Privatisierungsgesellschaften,<br />

aber auch die Kooperation mit spezialisierten soliden Privatisierungsunternehmen.<br />

Will man in <strong>Berlin</strong> bis 2015 eine Eigentumsquote von dem Niveau Hannovers Ende der<br />

neunziger Jahre erreichen (20 %), dann entspricht dies einer Zahl von gut 150.000<br />

Haushalten. Davon könnten, unterstellt man ein „Halten“ der Abwanderer durch entsprechend<br />

attraktive Angebote in <strong>Berlin</strong>, 75.000 durch Neubau entstehen. Für den Erwerb aus<br />

dem Bestand ergäbe sich dann noch eine Größenordnung von rd. 75.000 Wohneinheiten,<br />

die, legt man eine entsprechend offensive Preisgestaltung zugrunde, allein durch die<br />

Privatisierung aus dem Bestand der kommunalen Wohnungsunternehmen erreicht<br />

werden kann.


7. Voraussichtliche Entwicklung des <strong>Markt</strong>es und der Leerstände<br />

Die Entwicklung der Bautätigkeit der letzten Jahre (vgl. Abbildung 34) erfolgte schon vor<br />

dem Eindruck ausbleibender Mietsteigerungen und wachsender Leerstände. Zukünftig<br />

kann man nicht mehr davon ausgehen, dass ähnlich wie 1994/95 Bauträger <strong>oder</strong> Investoren<br />

vor dem Hintergrund überzogener Erwartungen agieren.<br />

Die Bauplanungen seit 1999/2000 standen unter dem Eindruck des Überangebots und der<br />

wachsenden Leerstände und sind nur noch zu einem Teil durch die auslaufenden Subventionsprogramme<br />

geprägt. Man muss deshalb aus den Genehmigungen der letzten Jahre<br />

folgern:<br />

● Am <strong>Wohnungsmarkt</strong> in der Region <strong>Berlin</strong> besteht eine Bereitschaft, in einer Größenordnung<br />

von 15.000 bis 20.000 Wohnungen pro Jahr zu planen, dabei sind allein<br />

7.000 bis 8.000 Wohnungen für <strong>Berlin</strong> vorgesehen. Dem steht, ungeachtet des<br />

bestehenden Leerstandes, kaum ein Wachstum der Zahl der Haushalte gegenüber.<br />

Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Markt</strong> befindet sich gegenwärtig in einer Phase, in der wahrscheinlich<br />

der gesamte Neubau, abgesehen von einem geringen Ersatzbedarf für den Schwund<br />

bei bewohnten Wohnungen (Zusammenlegungen, Zweckentfremdungen, technisch<br />

bedingter Abriss) in einer Größenordnung von etwa 3.000 Wohnungen pro Jahr, zur<br />

Erhöhung der Zahl der Überschusswohnungen führt.<br />

● Durch die bisher noch vorgesehene Bautätigkeit in einer Größenordnung deutlich<br />

über 5.000 Wohneinheiten ist ein weiterer Anstieg der Leerstände programmiert.<br />

Allerdings ist auf der Angebotsseite der Märkte mit Bremseffekten zu rechnen, denn<br />

die Mietsteigerungen werden dauerhaft begrenzt. Die Rentabilität der älteren Bestände<br />

wird sich sehr ungünstig entwickeln. Dies hat auch Rückwirkungen auf das Anbieterverhalten.<br />

Rationale Investoren müssen auf Märkten mit langfristig geringen<br />

Mietsteigerungserwartungen sehr hohe Anfangsmieten fordern. Wahrscheinlich bestimmen<br />

die künftigen <strong>Markt</strong>bedingungen die gegenwärtigen Investitionsentscheidungen<br />

noch zu wenig, so dass im Mietwohnungsbau mit weiteren strukturellen<br />

Anpassungen nach unten zu rechnen ist. Bei der Interpretation der Bautätigkeit trotz<br />

Leerstand muss man allerdings berücksichtigen, dass sich der <strong>Markt</strong> in <strong>Berlin</strong> nach<br />

Standorten und Bauformen erheblich differenziert hat. So kann auf kleinen Teilmärkten<br />

(z.B. Luxuswohnungen) ein Mangel bestehen, der nur durch Neubau überwunden<br />

werden kann. Die dort einziehenden Haushalte machen Wohnungen auf Teilmärkten<br />

frei, die schon durch Entspannung <strong>oder</strong> gar Leerstände charakterisiert sind. Neubau<br />

bei Leerstand kann auch bei rationalem Investorenverhalten auftreten. In jedem <strong>Fall</strong><br />

werden auf Dauer die schlechten Wohnungen keine Nutzer mehr finden.<br />

● Die Nachfrager nach Wohneigentum werden demgegenüber auf niedrige <strong>oder</strong> ausbleibende<br />

Mietsteigerungserwartungen nur sehr abgeschwächt reagieren. Die nachgefragten<br />

Wohnformen und Wohnungsgrundrisse sind im Bestand nicht bzw. nur zum<br />

Teil verfügbar. Ein Überangebot an kleinen Wohnungen in großen Häusern, bei einem<br />

gleichzeitig hohen Mangel an großen Wohnungen in kleinen Häusern, wird auch dann<br />

noch zu Neubautätigkeit führen, wenn sehr preiswerte Mietwohnungen angeboten<br />

werden, weil die angebotenen Wohnungen wesentlichen Nachfragebedürfnissen nicht<br />

genügen.<br />

83


84<br />

Abbildung 34<br />

Wohnungsgenehmigungen im Neubau<br />

pro 1.000 Einwohner und insgesamt <strong>–</strong> <strong>Berlin</strong> und Umland<br />

Baugenehmigungen<br />

[Wohnungen]<br />

35.000<br />

30.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

Baugenehmigungen<br />

[Wohnungen] je 1.000 EW<br />

0<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

Genehmigungen Neubau Umland<br />

Genehmigungen Neubau<br />

Umland je 1.000 Einwohner<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

Genehmigungen Neubau <strong>Berlin</strong><br />

Genehmigungen Neubau <strong>Berlin</strong><br />

je 1.000 Einwohner<br />

5<br />

0<br />

empirica


● Es ist möglich, dass im Laufe der Zeit die günstigen Preise der Geschosswohnungen<br />

die Nachfrage nach Eigenheimen <strong>oder</strong> vergleichbaren Objekten dämpft. Auf Dauer<br />

kann ein leistungsfähiger und preiswerter <strong>Markt</strong> für Gebrauchtwohnungen den<br />

Neubaumarkt für Eigenheime und erst recht für neu gebaute Eigentumswohnungen<br />

in seinem Wachstum bremsen. Da diese <strong>Markt</strong>konstellationen sehr neu sind und aus<br />

der Vergangenheit keinerlei Analogieschlüsse gezogen werden können, ist man<br />

gegenwärtig gezwungen, solche spekulativen Erwägungen anzustellen. Sie machen<br />

deutlich, dass erst durch Experimentieren herausgefunden werden kann, welche<br />

Chancen bestehen, um einen Selbstnutzermarkt im Bestand kräftig zu entwickeln,<br />

<strong>oder</strong> wie robust und unabhängig die Nachfrage nach Eigenheimen von der Entwicklung<br />

der Märkte im Mietwohnungsbestand und der Märkte für gebrauchte Eigentumswohnungen<br />

sein wird.<br />

Auf der Nachfrageseite kommt es in den nächsten fünf Jahren kaum zu einer Belebung<br />

(vgl. Teil D). Die Zahl der Haushalte wird bei den gegebenen Wanderungstrends<br />

(Umlandwanderungen und Wanderungssaldo mit den anderen Regionen) bis 2005<br />

jährlich zwischen 3.000 und 6.000 abnehmen (abhängig von dem Wanderungssaldo<br />

mit dem Ausland). Danach gibt es, unter der Voraussetzung einer hohen Wanderungsintensität<br />

aus dem Ausland, für 10 bzw. 15 Jahre einen leichten Zuwachs (rd. 2.000 Haushalte<br />

pro Jahr).<br />

Dieser rückläufigen Nachfrage steht weiterhin ein beachtlicher Neubau in Größenordnungen<br />

von wahrscheinlich 6.000 bis 8.000 Wohnungen allein in <strong>Berlin</strong> selbst<br />

gegenüber. Auch <strong>Berlin</strong> kommt <strong>–</strong> wie verschiedene andere Großstädte <strong>–</strong> in eine bisher<br />

nicht gekannte Phase der <strong>Markt</strong>entwicklung, in der ein strukturell neuer Bedarf zu einem<br />

beachtlichen Wohnungsneubau führt, während gleichzeitig der quantitative Bedarf<br />

zurückgeht.<br />

Als Folge dieser ständigen quantitativen Überproduktion erhöht sich der Überschussbestand<br />

ständig weiter (vgl. Tabelle 3). Er wird in seinem Wachstum nur begrenzt, weil<br />

nach wie vor durch Zusammenlegungen, Zweckentfremdungen und den technisch<br />

bedingten Abriss bewohnter Wohnungen der aktive und nutzbare Wohnungsbestand<br />

schrumpft. 11<br />

11 Parallel zu diesen marktrelevanten Veränderungen können natürlich zum Beispiel in Sanierungsgebieten<br />

ständig Wohnungen abgerissen werden, die schon seit langem nicht mehr „marktaktiv“ waren. Solche technischen<br />

Bereinigungen des Bestandes durch Abriss von Gebäuden sind stadtstrukturell von Bedeutung,<br />

weil z. B. Hinterhöfe entkernt werden. Sie sind für den <strong>Markt</strong> irrelevant, weil diese Wohnungen keine<br />

ökonomische Angebotsbedeutung hatten. Die Abgänge von leeren Gebäuden sind zu unterscheiden von<br />

ökonomisch relevanten Veränderungen, die etwa dadurch entstehen, dass Zweifamilienhäuser in Einfamilienhäuser<br />

umgewandelt werden, dass kleine Wohnungen durch Umbauten zu großen Wohnungen zusammengelegt<br />

werden usw.. Leider gibt es zu diesen relevanten <strong>Markt</strong>veränderungen keine statistischen Daten;<br />

der in unserer Prognose angesetzte Schwund von marktaktiven Wohnungen beruht auf historischen Erfahrungswerten<br />

und ist nicht erneut durch eigene Erhebungen empirisch untermauert.<br />

85


86<br />

Tabelle 3: Erwartete Veränderungen bei Angebot und Nachfrage<br />

Jahr Anzahl der<br />

Haushalte<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

1.754.000<br />

1.790.000<br />

1.806.000<br />

1.841.000<br />

1.832.000<br />

1.831.000<br />

1.805.000<br />

1.797.000<br />

1.811.000<br />

1.821.000<br />

1.818.500<br />

1.816.000<br />

1.813.500<br />

1.811.000<br />

1.808.500<br />

1.806.000<br />

Veränderung der<br />

Haushaltszahlen<br />

36.000<br />

16.000<br />

35.000<br />

-9.000<br />

-1.000<br />

-26.000<br />

-8.000<br />

14.000<br />

10.000<br />

-2.500<br />

-2.500<br />

-2.500<br />

-2.500<br />

-2.500<br />

-2.500<br />

Baufertigstellungen<br />

[WE]*<br />

8.675<br />

9.287<br />

11.189<br />

15.301<br />

22.317<br />

32.350<br />

16.823<br />

12.183<br />

9.061<br />

6.000<br />

6.000<br />

7.000<br />

7.000<br />

7.000<br />

7.000<br />

Veränderungen<br />

im Bestand<br />

[WE]**<br />

-3.938<br />

-3.973<br />

-4.050<br />

-4.030<br />

-4.028<br />

-3.971<br />

-3.953<br />

-3.984<br />

-4.006<br />

-4.001<br />

-3.995<br />

-3.990<br />

-3.984<br />

-3.979<br />

-3.973<br />

Leerstand<br />

[WE]***<br />

88.172<br />

76.909<br />

47.223<br />

63.362<br />

75.632<br />

119.921<br />

156.300<br />

155.139<br />

153.316<br />

160.876<br />

165.381<br />

169.891<br />

175.407<br />

180.928<br />

186.455<br />

*** Ab 2001: eigene Annahmen<br />

*** Abriss, Zweckentfremdungen und Zusammenlegungen (Annahme: -0,25 % pro Jahr)<br />

*** Anmerkung: Ein großer Teil der Leerwohnungen sind am <strong>Markt</strong> nicht aktiv<br />

Quelle: Eigene Berechnungen empirica<br />

Als Ergebnis der <strong>Markt</strong>tendenzen wachsen die Überschussbestände nochmals in einer<br />

Größenordnung von 20.000 Wohnungen. Auch hier ist eine sorgfältige Interpretation<br />

erforderlich. So kann im Rahmen von Stadtumbauprogrammen die Zahl der Wohnungsabgänge<br />

in den nächsten Jahren kräftig steigen. Damit würde sich der Umfang der Leerstände<br />

verringern. Für den <strong>Markt</strong>, insbesondere für die Preisentwicklung, hätten solche<br />

Abrisse keinerlei Bedeutung, denn sie werden sich in der Masse auf Wohnungen<br />

konzentrieren, die ohnehin schon längst „eingemottet“ waren und dementsprechend auch<br />

den Wettbewerb der Anbieter nicht mehr beeinflussten. Man kann erwarten, dass die<br />

Wohnungseigentümer, die jetzt immer mehr erkennen müssen, dass die Wohnungsproduktion<br />

weiterläuft, obwohl die Leerstände anwachsen, künftig mit ihren wirtschaftlichen<br />

Dispositionen sehr rasch auf diese Konstellation reagieren. Bleibt z. B. die Nachfrage<br />

nach bestimmten Beständen aus, mit der Folge, dass diese über längere Zeit leer<br />

stehen, dann werden die Eigentümer diese Wohnungen rascher als in der Vergangenheit<br />

vom <strong>Markt</strong> nehmen, ganze Gebäude möglichst rasch „entmieten“, um die Vorhaltekosten<br />

des Leerstandes zu verringern.


Angesichts der Größenordnung der Leerstände wird es jedoch nicht gelingen, eine<br />

sogenannte <strong>Markt</strong>bereinigung durch Abriss zu erreichen. Eine <strong>Markt</strong>bereinigung im<br />

Sinne einer Verringerung des Überangebots wird auf lange Zeit nur durch das Verhalten<br />

der Anbieter zustande kommen. Sie können die Zahl der aktiv am <strong>Markt</strong> angebotenen<br />

Wohnungen rasch verringern, ohne dass diese Wohnungen abgerissen werden müssen.<br />

Die Abrissentscheidungen sollten ausschließlich an der Frage orientiert sein, wie groß die<br />

negativen Ausstrahlungen durch Leerstände für eine Nachbarschaft sind und welchen<br />

Wert die durch Abriss frei gelegten Flächen haben. Abrisse sind aufwendig. Es geht deshalb<br />

um ein Kosten-Nutzen-Kalkül. Der Nutzen besteht jeweils darin, dass Störungen<br />

verschwinden und das Flächen für neue Zwecke (Neubebauung bis Grünanlage) verwendet<br />

werden können.<br />

Natürlich ist die Prognose eines weiteren Anwachsens der Leerstände mit Unsicherheiten<br />

behaftet. So ist unbekannt, wie die Anbieter von neu gebauten Mietwohnungen auf die<br />

neuen <strong>Markt</strong>konstellationen reagieren werden. Die wachsenden Leerstände bei gleichzeitiger<br />

Erwartung einer schrumpfenden Bevölkerung, können einen so ausgeprägten<br />

Attentismus der Anbieter hervorrufen, dass der frei finanzierte Mietwohnungsbau weitgehend<br />

zum Erliegen kommt. Es bleibt darauf zu verweisen, dass diese Hypothese durch<br />

die bisherigen Erfahrungen nicht gestützt wird. Der Neubau an Mietwohnungen ging<br />

auch in den letzten Jahren trotz steigender Leerstände weiter (vgl. Abbildung 35). Die<br />

Anbieter sehen sich selbst offensichtlich auf sehr getrennten Märkten, die noch nach<br />

anderen Regeln funktionieren und noch auf längere Frist mit stabiler Nachfrage rechnen<br />

können.<br />

Als relativ stabil hat sich die Nachfrage nach selbstgenutztem Wohneigentum erwiesen.<br />

Unsicher sind natürlich alle Wanderungsprognosen. Doch hat sich die Abwanderung in<br />

das Umland von <strong>Berlin</strong> stabilisiert. Hier sind höhere Fertigstellungszahlen wahrscheinlicher<br />

als ein nachhaltiger Rückgang. Es bleibt darauf zu verweisen, dass eine aktive<br />

„Haltepolitik“ gegenüber potenziellen Abwanderern als Instrument auf die Ausweitung<br />

des Angebots an preiswertem Bauland setzen muss. Eine solche Politik würde nicht nur<br />

die Zahl der mangelnden Eigentümerhaushalte verringern, sondern wegen der günstigen<br />

Preise als Nebenfolge automatisch die Zahl der Mieterhaushalte vergrößern, die in<br />

<strong>Berlin</strong> Eigentum erwerben. Dementsprechend kann eine Verringerung der Abwanderung<br />

als ungewollten Nebeneffekt eine Vergrößerung der Leerstände zur Folge haben. Die<br />

Leerstände würden stärker steigen, obwohl die Zahl der Haushalte ebenfalls zunehmen<br />

würde.<br />

87


88<br />

Abbildung 35<br />

Wohnungsgenehmigungen in Ein- und Zweifamilienhäusern <strong>–</strong><br />

<strong>Berlin</strong> und Umland<br />

Baugenehmigungen<br />

[Wohnungen]<br />

12.000<br />

10.500<br />

9.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

Anteil an allen<br />

genehmigten Wohnungen<br />

0<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000<br />

individueller Wohnungsbau Umland<br />

Anteil an den Genehmigungen<br />

im Neubau Umland<br />

Quelle: Statistische Landesämter <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

100 %<br />

75 %<br />

50 %<br />

25 %<br />

0 %<br />

individueller Wohnungsbau <strong>Berlin</strong><br />

Anteil an den Genehmigungen<br />

im Neubau <strong>Berlin</strong><br />

empirica


Abbildung 36<br />

Veränderung zum Vorjahr<br />

[Wohneinheiten]<br />

50.000<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

- 10.000<br />

- 20.000<br />

- 30.000<br />

Veränderungen bei Wohnungsnachfrage,<br />

Wohnungsbestand und Leerständen in <strong>Berlin</strong><br />

- 40.000<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />

Quelle: eigene Berechnungen<br />

Nachfrage = Veränderung der Anzahl der Haushalte<br />

Angebot = Neubau minus Abriss bzw. Bestandsveränderung<br />

Leerstandsveränderungen (Wohneinheiten)<br />

empirica<br />

89


90<br />

E: EMPFEHLUNGEN<br />

1. Zentrale Ergebnisse<br />

1.1 Starke Bautätigkeit Mitte der neunziger Jahre<br />

Nach der Wiedervereinigung entstand in der Region <strong>Berlin</strong> ein vollkommen neuer<br />

<strong>Wohnungsmarkt</strong>. Die anfänglichen Erwartungen über die wirtschaftliche und demographische<br />

Zukunft <strong>Berlin</strong>s waren hoch. Sie wurden durch den Beschluss, die Regierung<br />

nach <strong>Berlin</strong> zu verlagern, nochmals gepuscht. Allein für die Kernstadt wurde ein Bevölkerungswachstum<br />

von bis zu 300.000 Personen bis zum Jahre 2010 erwartet.<br />

Die aus den optimistischen Prognosen abgeleiteten umfangreichen Wohnungsbauprogramme<br />

führten in Kombination mit einem investitionsfreundlichen Steuerrecht und<br />

dem Nachholbedarf bei Einfamilienhäusern ab Mitte der neunziger Jahre zu einem Boom<br />

bei den Wohnungsfertigstellungen. Insgesamt sind in der Region <strong>Berlin</strong> zwischen 1992<br />

und 2000 etwa 250.000 Wohneinheiten neu entstanden, davon rd. 45 % im Umland. 12<br />

Mit der Öffnung der Mauer wurde die Jahrzehnte lang verhinderte Suburbanisierung in<br />

Form des Eigenheimbaus im Umland nachgeholt. Der Einfamilienhausbau im <strong>Berlin</strong>er<br />

Umland hat sich mit rasanter Geschwindigkeit zwischen 1995 und 1999 verdoppelt. Im<br />

Spitzenjahr 1998 wurden im Umland fast 10.000 neue Eigenheime errichtet (mehr als 12<br />

Wohneinheiten/1.000 Einwohner). Zudem wurde das Angebot kleinteiliger und differenzierter.<br />

Angesichts der immensen Baulandausweisungen der brandenburgischen Gemeinden<br />

und der Konkurrenz zwischen starken nationalen und internationalen Anbietern wurden<br />

im Umland immer preiswertere Haustypen angeboten (Preise unter 255.000 Euro).<br />

Auch das 155.000 Euro-Haus, noch Mitte der neunziger Jahre von der <strong>Berlin</strong>er<br />

Wohnungswirtschaft als Utopie belächelt, ist mittlerweile Realität. Die Bauträger im<br />

Umland reagierten damit relativ schnell auf die veränderten <strong>Markt</strong>bedingungen, der<br />

Geschosswohnungsbau spielt zunehmend eine untergeordnete Rolle.<br />

Die Wachstumserwartungen für <strong>Berlin</strong> haben sich nicht erfüllt, die Bevölkerung<br />

schrumpfte in der Kernstadt bis zum Jahr 2000 um rd. 50.000 Bewohner und ab 1996<br />

setzten deutliche Vermietungsschwierigkeiten vor allem bei Geschosswohnungsbauprojekten<br />

ein. Die an den Bedürfnissen der Kapitalanleger ausgerichteten „Standardwohnungen“<br />

(relativ kleine Wohnungen im verdichteten Geschosswohnungsbau) trafen,<br />

ebenso wie die in ähnlichen Bauformen errichteten geförderten Wohnungen, im Zeitverlauf<br />

auf immer geringere Nachfrage.<br />

12 Umland = Brandenburger Teil des engeren Verflechtungsraumes.


Die Anpassungsreaktion und der Wandel vom Kapitalanlegermarkt bzw. vom durch<br />

Förderprogramme dominierten <strong>Markt</strong> zum Nachfragermarkt verliefen in der Stadt <strong>Berlin</strong><br />

viel langsamer als im Umland. Die Leerstände wuchsen ab Mitte der neunziger Jahre vorwiegend<br />

im Mietwohnungsbestand, weil die Haushalte in Neubauwohnungen wechselten,<br />

die alten Wohnungen aber nicht im gleichen Maße wieder belegt wurden. Aber auch mehrere<br />

tausend Neubauwohnungen fanden bis heute keine Mieter, weil ihre Bauformen und<br />

besonders die Dichten den Vorstellungen der Nachfrager nicht entsprachen. Der <strong>Berlin</strong>er<br />

<strong>Wohnungsmarkt</strong>, der in der Vergangenheit durch ein knappes Angebot und eine starke<br />

Nachfrage geprägt war, kam erst in den späten neunziger Jahren in eine Phase, in der sich<br />

eine strikte Kundenorientierung bei allen Anbietern durchsetzte. Statt der Subventionen<br />

und der normativen Planungsauflagen dominiert am <strong>Berlin</strong>er <strong>Markt</strong> erstmals die Nachfrage.<br />

1.2 Neubau trotz vorhandener Leerstände<br />

Der in der Vergangenheit übersubventionierte <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> hat in den neunziger<br />

Jahren eine dramatische Kapitalfehllenkung erzeugt. In <strong>Berlin</strong> sind die Wohnungsleerstände<br />

zwischen 1995 und 2000 um mehr als 100.000 Wohneinheiten gestiegen. Das<br />

heißt, dass ein erheblicher Anteil der Fertigstellungen lediglich zu einer Erhöhung der<br />

Leerstände geführt hat.<br />

Der überwiegende Anteil des Geschosswohnungsbaus in der zweiten Hälfte der neunziger<br />

Jahre wäre unter marktwirtschaftlichen Bedingungen kaum finanziert worden.<br />

Unterstellt man eine subventionsbedingte Überproduktion von rd. 60.000 Wohnungen bei<br />

150.000 Euro Investitionskosten pro Wohnung, dann entspricht dies einer Kapitalfehlleitung<br />

von rd. 9 Milliarden Euro. Bei einer Subventionsquote von 30 % ergäbe sich<br />

allein aus dem überhöhten Mietwohnungsbau der neunziger Jahre eine Belastung des<br />

Staatshaushalts von rd. 3 Milliarden Euro.<br />

Nicht jede Wohnungsproduktion, die zu Leerstand führt, bedeutet eine Fehllenkung von<br />

Kapital. Wenn die Wohnungsproduktion auch bei hohen Leerständen marktwirtschaftlich<br />

finanziert weitergeht und private Nachfrager bereit sind, die hohen Kosten zu tragen, wird<br />

dadurch demonstriert, dass die historischen Bestände den gegenwärtigen und auch künftigen<br />

Ansprüchen z. T. nicht mehr entsprechen. Wie auch auf anderen Märkten führt der<br />

Wettbewerb zur ökonomischen Obsoleszens von Produkten, die technisch zumindest teilweise<br />

durchaus funktionsfähig sind, aber in ihrer Qualität hinter m<strong>oder</strong>nen Ansprüchen<br />

zurückbleiben. Ganz offensichtlich sind gleichzeitig auch die M<strong>oder</strong>nisierungskosten so<br />

hoch, dass eine Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr hergestellt werden kann.<br />

Insgesamt erreicht der Wohnungsüberschuss in der Region etwa 200.000 Wohneinheiten,<br />

davon gut 150.000 in <strong>Berlin</strong>. Wie nicht anders zu erwarten, konzentriert sich der Leerstand<br />

weit überwiegend auf den Mietwohnungsbestand. Überdurchschnittlich betroffen<br />

sind die Großsiedlungen im Ostteil der Stadt und die abgewohnten innerstädtischen<br />

Altbauquartiere. Dies wird bei der Verteilung der Leerstände auf die Bezirke deutlich.<br />

Besonders herausragend sind hier die Leerstände in Marzahn und Friedrichshain.<br />

91


92<br />

Es gibt keine ausreichenden Informationen über die Struktur des Leerstandes. So ist nicht<br />

bekannt, wie hoch der Anteil an Überschusswohnungen ist, der von den Eigentümern<br />

vom <strong>Markt</strong> zurückgezogen wurde und nicht mehr aktiv angeboten wird. Solche „ausgebuchten“<br />

Wohnungen gehen in ihrer Entstehung z. T. noch auf die Zeit vor der Wende<br />

zurück. Allerdings haben auch Wohnungsunternehmen, in deren Siedlungen sich Leerstände<br />

konzentrieren, inzwischen einzelne Gebäude zumindest „eingemottet“ <strong>oder</strong> auch<br />

endgültig stillgelegt (Türen und Fenster zugemauert, Leitungssysteme gekappt). Über das<br />

Ausmaß dieser ausgebuchten Bestände kann man nur spekulieren. Expertenmeinungen<br />

und einzelne Indikatoren deuten daraufhin, dass von den Leerstandswohnungen etwa<br />

100.000 noch aktiv am <strong>Markt</strong> angeboten werden. Diese Quote wird allmählich zurückgehen.<br />

1.3 Wachsende Zahl von Umzügen in das <strong>Berlin</strong>er Umland<br />

In der Region <strong>Berlin</strong> lebten 2000 rd. 4,3 Mio. Einwohner, davon rd. 3,4 Mio. (fast 80 %)<br />

in der Kernstadt und rd. 0,9 Mio. im engeren Verflechtungsraum. Die Zahl der Einwohner<br />

ist in der Region seit 1990 um 106.000 (plus 2,5 %) gestiegen, wobei sie in der Kernstadt<br />

um 52.000 Bewohner schrumpfte bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum im<br />

Umland (plus 158.000).<br />

Das Bevölkerungswachstum im Umland ist überwiegend (ca. 80 %) auf Zuwanderung<br />

aus der Kernstadt zurückzuführen. Im Durchschnitt sind in den letzten 10 Jahren jährlich<br />

24.000 <strong>Berlin</strong>er in das Umland gezogen. 1998 erreichten die Wanderungen ihren Höhepunkt<br />

mit einem Wegzug von rd. 40.000 Personen. Obwohl die Mieten in den Innenstadtbereichen<br />

nicht gestiegen sind, sondern in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre<br />

dank eines reichhaltigen Angebots sanken, verließen vor allem Familien die Stadt und<br />

bezogen ein Reihenhaus im Umland. Das Einfamilienhaus symbolisiert für sie im Vergleich<br />

zum Mietshaus Unabhängigkeit und Freiheit.<br />

1.4 Soziale Selektivität bei den Wanderungsprozessen<br />

In <strong>Berlin</strong> war die Wohnbevölkerung bis zur Wende deutlich stärker durchmischt als in<br />

anderen Großstädten Europas <strong>oder</strong> gar in den USA. Aufgrund des verdichtet zugebauten<br />

Blocks (Innenbebauung) ergaben sich auf engem Raum sehr ausgeprägte Qualitätsdifferenzierungen,<br />

die zu einer entsprechenden Mischung von Mietern mit hohen und niedrigen<br />

Einkommen führten, der so genannten „<strong>Berlin</strong>er Mischung“. In Ostberlin wurde die<br />

soziale Mischung durch das staatliche Zuteilungssystem konserviert, das individuellen<br />

Wohnpräferenzen kaum Spielraum ließ; die beabsichtigte Auflösung der Klassenunterschiede<br />

wirkte zudem über die geringen Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen<br />

Berufsgruppen in die gleiche Richtung.<br />

Das sozialräumliche Gefüge <strong>Berlin</strong>s hat sich nach der Wende grundlegend verändert. Die<br />

Kernstadt verdankt ihren Bevölkerungsgewinn in der ersten Hälfte der neunziger Jahre<br />

der Zuwanderung aus dem Ausland (jährlich zwischen 15.000 und 35.000 Personen).


Auch die aktuelle Stagnation der Bevölkerungszahlen ist nur durch Zuwanderung aus<br />

dem Ausland möglich (Ausgleich für den natürlichen Bevölkerungsverlust).<br />

Gleichzeitig verliert <strong>Berlin</strong> sozial stabile Haushalte an das Umland, weil das Angebot<br />

an attraktiven kleinteiligen Bauformen, insbesondere die Angebote an Ein- und Zweifamilienhäusern<br />

in <strong>Berlin</strong> knapp blieb (zwischen 1992 und 1999: im Umland ein Angebot<br />

von 40.000 Ein- und Zweifamilienhäusern im Unterschied zu 19.000 in <strong>Berlin</strong>).<br />

Etwa 60 % der im Umland gebauten Eigenheime werden von <strong>Berlin</strong>ern bezogen, in den<br />

direkt an <strong>Berlin</strong> angrenzenden Gemeinden wurde dieser Wert zum Teil noch deutlich<br />

überschritten.<br />

Unter anderem durch die forcierte Abwanderung in das <strong>Berlin</strong>er Umland hat sich der<br />

<strong>Markt</strong> in der Kernstadt deutlich entspannt, so dass auch die Fluktuation und die Leerstände<br />

in den weniger attraktiven Wohngebieten <strong>Berlin</strong>s zugenommen haben. Dies führt<br />

neben finanziellen Nachteilen für <strong>Berlin</strong> zu einer sozialen Segregation zwischen <strong>Berlin</strong><br />

und dem Umland sowie zu einer deutlich verstärkten Segregation zwischen den <strong>Berlin</strong>er<br />

Stadtteilen, die wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklungsperspektive<br />

dieser Stadtteile und die Lebenswelten der dort lebenden Menschen hat. In dem weniger<br />

durch Knappheiten geprägten <strong>Markt</strong> entsteht zunehmend eine neue Trennung von Einkommens-<br />

und Sozialschichten; damit geht die „<strong>Berlin</strong>er Mischung“ verloren.<br />

1.5 Schrumpfung der Zahl der Haushalte in <strong>Berlin</strong><br />

Insgesamt ist die Zahl der Haushalte in der Region <strong>Berlin</strong> in den letzten Jahren (zwischen<br />

1993 und 2000) um knapp 90.000 kontinuierlich auf ca. 2,2 Mio. Haushalte gestiegen,<br />

davon 21 % zuwanderungsbedingt im Umland und lediglich 1 % (18.600 Haushalte) in<br />

<strong>Berlin</strong>. Zukünftig wird es in <strong>Berlin</strong> keine relevanten Haushaltszuwächse mehr geben, im<br />

Gegenteil, die Haushaltszahlen nehmen kurzfristig ab, stagnieren dann für zehn Jahre<br />

(Trendvariante) und nehmen danach drastisch ab. Nur bei einem hohen Zuwanderungssaldo<br />

mit dem Ausland 13 werden die Haushaltszahlen nach 2005 nochmals jährlich um<br />

knapp 4.000 (bis zum Jahr 2015) ansteigen, danach tritt eine Stagnation und nach 2025<br />

eine starke Schrumpfung ein.<br />

Eine relevante Zunahme der Haushalte gibt es in den nächsten Jahren nur bei den Seniorenhaushalten,<br />

alle anderen Altersgruppen stagnieren bzw. schrumpfen. Die wichtigsten<br />

Veränderungen der Haushaltsstruktur werden durch die anhaltende Singularisierung und<br />

die Alterung der Gesellschaft verursacht. Bis 2030 wird die Zahl der Kleinhaushalte (Einund<br />

Zweipersonenhaushalte) um jährlich 7.000 zunehmen; dabei werden die kleinen<br />

Haushalte im Durchschnitt älter: Die Zahl der jungen Single- und Zweipersonenhaushalte<br />

nimmt ab, während parallel die Zahl der älteren Kleinhaushalte stark zunimmt.<br />

13 Jährlich zusätzlich 200.000 Personen Nettozuwanderung (Saldo zwischen Zu- und Abwanderung mit dem<br />

Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet).<br />

93


94<br />

1.6 Niedrige Eigentümerquote in <strong>Berlin</strong><br />

Die Kerngruppe für den Erwerb von Wohneigentum (Drei- und Mehrpersonenhaushalte,<br />

30 bis 40 Jahre) wird sich alleine in den nächsten 10 Jahren halbieren. Die Abnahme dieser<br />

Haushalte hat sowohl demografische als auch angebotsbestimmte Gründe. Zum einen<br />

wachsen die späten Baby-Boomer (geboren zwischen 1960 und 1970) aus der entsprechenden<br />

Gruppe heraus, gleichzeitig wandern die Haushalte dieser Altersgruppe besonders<br />

häufig ins Umland ab.<br />

Die Wohneigentumsquote für <strong>Berlin</strong> fällt mit 11 % (13 % in <strong>Berlin</strong> West und 7 % in<br />

<strong>Berlin</strong> Ost) im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten sehr kümmerlich aus. Die<br />

Ursache dafür liegt unter anderem in der hohen Quote sehr großer Mehrfamilienhäuser.<br />

Die <strong>Berlin</strong>er Geschosswohnungsbauten erschweren allein wegen ihrer Größe die Eigentumsbildung<br />

aus dem Bestand; kleine, für Selbstnutzer besonders geeignete Häuser mit<br />

großen Wohnungen bleiben in <strong>Berlin</strong> knapp. Im Umland gibt es demgegenüber inzwischen<br />

ein vielfältiges Angebot an Ein- und Zweifamilienhäusern bei intensivem Preisund<br />

Qualitätswettbewerb. Dies erklärt die starke Verlagerung der Nachfrage <strong>Berlin</strong>er<br />

Haushalte nach Wohneigentum auf das Umland.<br />

Daneben wirken die jahrzehntelangen hohen Subventionen des Westberliner Mietwohnungsmarkts<br />

immer noch nach, mit der Folge, dass das Mietniveau verglichen mit anderen<br />

Großstädten sehr niedrig ausfällt. Dies muss die Neigung, in <strong>Berlin</strong> Wohneigentum<br />

zu bilden, verringern. Allerdings kann die im Vergleich zu anderen Großstädten deutlich<br />

niedrigere Wohneigentumsquote der <strong>Berlin</strong>er Haushalte kaum das alleinige Resultat<br />

einer geringen Eigentumsneigung sein. Die <strong>Berlin</strong>er sind keine geborenen Mieterhaushalte.<br />

Das in der Vergangenheit nur wenige <strong>Berlin</strong>er Haushalte Wohneigentum gebildet<br />

haben, ist die Folge spezifischer, z.T. politisch geschaffener Rahmenbedingungen. Es<br />

wirken zusammen: der hohe Anteil großer Häuser als Folge von Planungsentscheidungen,<br />

die relativ zum Mietwohnungsbau niedrige Förderung der Eigentumsbildung bei<br />

überhöhten Bodenpreisen und Erschließungskosten, die Jahrzehnte der Mietpreisbindung.<br />

<strong>Berlin</strong> bleibt deshalb noch lange eine Mieterstadt, selbst wenn durch günstige<br />

Bedingungen im Neubau und günstige Erwerbsmöglichkeiten aus dem Bestand die Eigentumsbildung<br />

kräftig ansteigen sollte.<br />

Unter den geltenden Rahmenbedingungen dürfte bei etwa bleibender Neigung der Haushalte<br />

zur Eigentumsbildung jährlich etwa 2.500 neue Haushalte Wohneigentum bilden.<br />

Diese Zahl kann durch eine strikt eigentumsfreundliche Politik in <strong>Berlin</strong> allerdings deutlich<br />

gesteigert werden. Damit das Niveau der <strong>Berlin</strong>er Wohneigentumsquote bis zum Jahr<br />

2015 das heutige Niveau anderer Großstädte (rd. 20 %) erreichen könnte, müsste die<br />

Möglichkeit, Eigentum zu bilden, stark verbessert werden. Neben günstigen Bedingungen<br />

im Neubau könnte eine veränderte Politik der Mieterprivatisierung zu jährlich höheren<br />

Erwerbszahlen führen.<br />

Will man in <strong>Berlin</strong> bis 2015 eine Eigentumsquote von dem Niveau Hannovers Ende der<br />

neunziger Jahre erreichen (20 %), dann entspricht dies einer Zahl von gut 150.000 Haushalten.<br />

Davon könnten, unterstellt man ein „Halten“ der Abwanderer durch entsprechend


attraktive Angebote in <strong>Berlin</strong>, 75.000 durch Neubau entstehen. Für den Erwerb aus dem<br />

Bestand ergäbe sich dann noch eine Größenordnung von rd. 75.000 Wohneinheiten, die,<br />

setzt man ein eine entsprechende Preisgestaltung voraus, allein durch die Privatisierung<br />

aus dem Bestand der kommunalen Wohnungsgesellschaften erreicht werden kann.<br />

1.7 Relevanter Gesamtbedarf für Wohnangebote durch Umlenkung der<br />

Abwanderer<br />

Unter der Vorraussetzung eines ausgeglichenen Saldos zwischen Zu- und Abwanderung<br />

mit dem Ausland würde sich das heute schon bestehende quantitative Überangebot an<br />

Wohnungen in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Wohnungsneubau wird dennoch aufgrund<br />

der in <strong>Berlin</strong> besonders ausgeprägten strukturellen Defizite, insbesondere aus<br />

Mangel an Eigenheimen und hochwertigen Miet- und Eigentumswohnungen, über den<br />

quantitativen Bedarf hinaus finanziert werden.<br />

Auch wenn man von der optimistischen Unterstellung einer hohen Zuwanderung aus dem<br />

Ausland ausgeht (jährlich zusätzlich 200.000 Personen Nettozuwanderung mit dem<br />

Ausland, bezogen auf das Bundesgebiet), so ist bereits heute der Wohnungsbedarf quantitativ<br />

gedeckt. Auch bei dieser Entwicklung wird Neubau also „nur“ notwendig, weil es<br />

eine Diskrepanz zwischen den qualitativen Ansprüchen der Nachfrager und den Qualitäten<br />

des vorhandenen Bestandes gibt.<br />

Bei einer Prognose der quantitativen Wohnungsnachfrage für die nächsten 30 Jahre sind<br />

allerdings auch die Auswirkungen der EU-Osterweiterung zu berücksichtigen. Für den<br />

<strong>Fall</strong> einer völligen Freizügigkeit (freie Wohnort- und Arbeitsplatzwahl) schätzt das<br />

Ifo-Institut ein Zuwanderungspotenzial für ganz Deutschland von 2,5 bis 3,3 Millionen<br />

Personen für einen Zeitraum von 15 Jahren nach der Liberalisierung der Zuwanderungsbedingungen.<br />

Durch die prognostisierte Osterweiterung ergäbe sich bei solchen Wanderungen<br />

ein zusätzlicher Bedarf von insgesamt 70.000-90.000 Wohnungen für die nächsten<br />

15 Jahre in <strong>Berlin</strong>. Das bedeutet, dass der heute vorhandene aktive Leerstand durch<br />

diese Zuwanderung sukzessive abgebaut werden könnte (Hierbei wurde unterstellt, dass<br />

aufgrund der Nähe zu Polen ein überproportionaler Anteil der EU-Zuwanderer nach<br />

<strong>Berlin</strong> kommt).<br />

Impliziert man, dass von den aktuell etwa 6.000 bis 7.000 <strong>Berlin</strong>er Haushalten, die pro<br />

Jahr im Umland Eigentum erwerben, ein Großteil dies auch in der Stadt selbst tun<br />

könnte, ergibt sich ein jährliches Potenzial von derzeit gut 5.000 Eigentümerhaushalten,<br />

die in <strong>Berlin</strong> hätten gehalten werden können. Zukünftig wäre dieses Potenzial aufgrund<br />

der sinkenden Anzahl junger Haushalte etwas kleiner. Dieselben Quoten „umlenkungsfähiger“<br />

Haushalte vorausgesetzt, könnten durch geeignete Maßnahmen bis 2005 jährlich<br />

etwa 3.500 Haushalte und im Zeitraum 2005-2030 rd. 2.500 junge Haushalte in <strong>Berlin</strong><br />

gehalten werden.<br />

Durch die Umlenkung der Abwanderer, die nach „klassischen“ Eigentumsformen suchen,<br />

könnte der strukturell bedingte Neubau im Umland gesenkt werden und sich stärker auf<br />

95


96<br />

das Stadtgebiet konzentrieren. Allerdings kann dadurch das quantitative „Überangebot“<br />

im <strong>Berlin</strong>er Bestand nicht verhindert werden, da dieser Neubau keine Auswirkungen auf<br />

die Leerstandsentwicklung hat. Trotzdem hätte eine Umlenkung des Eigentumserwerbs<br />

folgende Vorteile:<br />

● Weniger Beanspruchung von Landschaft (Nutzung der innerstädtischen Flächenreserven);<br />

● Weniger Pendlerverkehr;<br />

● Bessere Auslastung der innerstädtischen Infrastruktur;<br />

● Eindämmung der sozialen Segregation zwischen Stadt-Umland sowie zwischen<br />

verschiedener innerstädtischer Quartiere und der entsprechenden Begleitkosten;<br />

● Verhinderung der finanziellen Steuernachteile für <strong>Berlin</strong>.


2. Empfehlungen<br />

2.1 Von der Bauförderung zur Steigerung der Effizienz der<br />

Wohnungsmärkte<br />

Priorität sollte bei den ureigensten kommunalen Aufgaben liegen: bei der Bereitstellung<br />

von erschlossenem Bauland. Der gegenwärtige Erschließungs- und Bauprozess ist zu<br />

arbeitsteilig und zu wenig auf das Ziel hin organisiert, hohe Qualität zu günstigen Kosten<br />

zu produzieren. Die Arbeitsteilungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, die<br />

sich aus der Vergangenheit entwickelt haben, sind sicher nicht optimal und müssen auf<br />

den Prüfstand. Das Ziel muss sein, die gesamte Bereitstellung einschließlich der<br />

Steuerung der Bebauung aus einer Hand zu organisieren. Hier könnte sich <strong>Berlin</strong> der<br />

Traditionen aus der großen Wachstumsphase zwischen 1870 und 1914 erinnern, als ein<br />

hocheffizientes System der Stadterweiterung und der Bereitstellung von Bauland<br />

bestand. Damals haben private Terraingesellschaften Grundstücke aufgekauft und<br />

erschlossen, um sie dann für die Bebauung zu veräußern.<br />

Grundstückserschließung ist eine öffentliche Aufgabe <strong>–</strong> allerdings keine Aufgabe, die<br />

Kommunen in Eigenregie übernehmen müssen. Dabei müssen private Bauträger das<br />

Recht erhalten, die öffentliche Infrastruktur zu produzieren. Öffentliche Stellen sollten<br />

lediglich die Infrastruktur abnehmen und ihre Übereinstimmung mit öffentlichen Regeln<br />

überprüfen. Sinnvoll wäre ein gemischt zusammengesetzter Ausschuss, der ständig<br />

Verbesserungsvorschläge macht, um unsinnige und kostentreibende Auflagen und Regeln<br />

auszumerzen.<br />

Die <strong>Berlin</strong>er Grundstückspreise sind gegenwärtig günstiger als in München, Hamburg<br />

<strong>oder</strong> Frankfurt. Gemessen an den riesigen Flächenreserven und den geringen Bauaufgaben<br />

sind sie jedoch viel zu hoch; sie könnten leicht halbiert werden, wenn die Märkte<br />

effizient organisiert wären. Dies erfordert z.B., die Richtwertkarten überall dort auszusetzen,<br />

wo in letzter Zeit de facto keine größeren Umsätze stattfanden und die Werte<br />

historische Gegebenheiten widerspiegeln.<br />

Die öffentliche Hand sollte ihre eigenen Grundstücke nutzen, um das Angebot möglichst<br />

rasch effektiv zu erhöhen. Dabei dürften fiskalische Zielsetzungen, die kurzfristig durchaus<br />

verständlich sind, keine Rolle spielen, weil die langfristigen Schäden einer Hochpreispolitik<br />

weit größer sind als die kurzfristigen fiskalischen Erfolge. Es sollte geprüft<br />

werden, ob eine systematische Bodenpolitik des „erst kaufen dann planen“ praktiziert<br />

werden kann. Eine solche Politik wird z. B. im Umland von München durch die Städte<br />

praktiziert, die durch preiswertes Einkaufen von Bauerwartungsland die einheimischen<br />

Nachfrager mit preiswertem Bauland versorgen und die hohe <strong>Markt</strong>preise nur zu Lasten<br />

der Zuwanderer wirksam werden lassen. Was bayerischen Kommunen zugunsten der<br />

Einheimischen Recht ist, sollte in <strong>Berlin</strong> zugunsten einer preiswerten Stadtentwicklung<br />

praktiziert werden.<br />

97


98<br />

2.2 <strong>Berlin</strong>, die preiswerte Stadt: Metropole zu Mittelstadtpreisen<br />

Der Senat sollte möglichst bald das Ziel verkünden, die <strong>Berlin</strong>er Bodenpreise außerhalb<br />

der Zonen absoluter Knappheiten (Innenstadt) zu halbieren. Preiserwartungen müssen<br />

glaubwürdig gebrochen werden, damit auch Bauland auf den <strong>Markt</strong> kommt und ein nachhaltiger<br />

Prozess der Preissenkung entsteht. <strong>Berlin</strong> kann als größte Stadt Deutschlands angesichts<br />

seiner Flächenreserven beim Bauen (und damit bei den Mieten außerhalb der<br />

Zonen absoluter Knappheit) das Preisniveau einer Mittelstadt erreichen.<br />

Allerdings werden Mieten und Wohnimmobilienpreise in knappen, nicht vermehrbaren<br />

Lagen (wie in anderen Städten auch) künftig extreme Spitzenwerte erreichen. Die Preisdifferenzierung<br />

wird zunehmen.<br />

Preiswertes Bauland führt zu preiswerten Büros und anderen Bauten. Die Mieterstadt<br />

<strong>Berlin</strong> kann durch preiswertes Bauland und preiswertes Bauen einen Aufholprozess in der<br />

Eigentumsbildung im Neubau wie bei der Veräußerung von Mietwohnungen aus dem<br />

Bestand in Gang setzen.<br />

Damit wird eine wichtige Komponente der Lebenshaltungskosten günstiger als in den<br />

anderen konkurrierenden Großstädten. Am Arbeitsmarkt werden etwa Büroarbeitsplätze<br />

preisgünstiger als in den anderen Großstädten. Da auch die Löhne/Einkommen spürbar<br />

niedriger sind als in München <strong>oder</strong> Frankfurt, ergibt sich hier ein erheblicher Standortvorteil,<br />

der im gesamten Dienstleistungssektor spürbar wird. Bau- und Wohnkosten<br />

haben eine Schlüsselstellung in der künftigen überregionalen Konkurrenz um knappere<br />

hochqualifizierte Arbeitskräfte. <strong>Berlin</strong> kann seine Wettbewerbsposition an den überregionalen<br />

Arbeitsmärkten und damit auch an den Märkten für hochwertige, überregional<br />

vermarktete Dienstleistungen durch eine langfristig vorausschauende Politik schon<br />

jetzt verbessern.<br />

<strong>Berlin</strong> kann darüber hinaus eine größere Bandbreite der Wohnmilieus und (zukünftig)<br />

auch der Wohnformen bieten. Im Neubau kann, gestützt auf das reichhaltige Angebot an<br />

unterschiedlichen Lagen, auch eine Vielfalt der Lösungen angeboten werden, weil niedrigere<br />

Preise eine größere Bandbreite der Bauträgerprojekte ermöglichen.<br />

Bauformen und Baudichten sollten sehr viel stärker durch die Nachfrage bestimmt<br />

werden. Es fehlen vor allem große Wohnungen in kleinen Gebäuden. Die Planung sollte<br />

den Bauträgern sehr viel größere Freiheit lassen, ihre Bauformen selbst nachfragegerecht<br />

zu bestimmen. Nur dort, wo ein allgemein öffentliches Interesse nach Kohärenz besteht,<br />

sollten planerische Vorgaben gemacht werden.<br />

2.3 Kompensierende Politik in sozial segregierten Gebieten<br />

Das hohe Maß der Segregation, dass in den letzten Jahren am <strong>Wohnungsmarkt</strong> entstanden<br />

ist, wird die Politik noch auf lange Zeit zu kompensierenden Strategien zwingen. Es gibt<br />

zu viele Gebiete, in denen Jugendliche, die dort aufwachsen, in ihrem Fortkommen<br />

behindert werden. Die Schulen bleiben hinter dem Durchschnitt zurück. Die hohen


Ausländerquoten führen zu einem Absinken der Leistungsansprüche, zu unterdurchschnittlichen<br />

Schulergebnissen. Die Arbeitslosigkeit ist überdurchschnittlich hoch.<br />

Zudem besteht in diesen Gebieten neben einer Einkommensarmut eine ausgesprochene<br />

Netzwerkarmut. Es fehlen vielfältig nutzbare und wertvolle Kontakte in den Dienstleistungssektor<br />

und in die Wirtschaft. Es fehlen Chancen in die eigene Selbständigkeit.<br />

Das hat auch damit zu tun, dass ein großer Teil der Bewohner die Gebiete als vorübergehenden<br />

Wohnstandort sehen und nicht als Nachbarschaft, in der man sich auf Dauer einrichtet<br />

und für die man sich engagiert.<br />

Die Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik hat hier nur eine Teilverantwortung, da die<br />

Wohnverhältnisse nur einen Teil des Problems ausmachen. Mit dem Programm Quartiersmanagement<br />

in siebzehn Gebieten wurde ein wichtiger Schritt zur Aufwertung getan,<br />

denn die Probleme dieser Gebiete wurden damit zu einem zentralen politischen<br />

Thema in den Bezirken und in einer breiten Öffentlichkeit. Es wird deutlich, dass hier<br />

breit angelegte, nicht nur auf das Bauliche beschränkte Entwicklungsprozesse in Gang<br />

gesetzt werden müssen.<br />

Durch die Programme und Maßnahmen der letzten vier Jahre sind weithin sichtbare<br />

sowie von den Bewohnern begrüßte und von ihnen mitgetragene Projekt in Gang gesetzt<br />

worden. Allerdings ist auch deutlich geworden, dass bei diesen Gebieten eine so tiefgreifende<br />

Ungleichheit (im Vergleich zur übrigen Stadt) besteht, dass eine sehr weitreichende<br />

und langanhaltende kompensierende Politik notwendig bleiben wird.<br />

Quartiersmanagement wird, solange es eine Zuwanderung von Ausländern mit niedrigen<br />

Qualifikationen gibt, solange die strukturelle Arbeitslosigkeit bei niedrig qualifizierten<br />

Deutschen und Ausländern zu hoch bleibt, solange die Anforderungen an die Schulen und<br />

andere öffentlichen Dienstleistungen so dramatisch unterschiedlich sind wie heute, notwendig<br />

sein.<br />

<strong>Berlin</strong> wird, wie andere Großstädte auch, im eigenen Entwicklungsinteresse und im<br />

Interesse der bisher benachteiligten Bewohner besondere Maßnahmen aufrechterhalten<br />

müssen. Dabei sind humane und wirtschaftliche Ziele nahezu identisch. So liegt es im<br />

Interesse der Jugendlichen dieser Gebiete, dass die bisherigen Bildungsdefizite möglichst<br />

rasch überwunden werden. Ein Abbau der Unterausbildung jugendlicher Ausländer wird<br />

aber auch zu einem wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungsziel <strong>Berlin</strong>s, weil etwa nach<br />

2010 in <strong>Berlin</strong> wie auch in den anderen Großstädten ein allgemeiner „Jugendmangel“<br />

spürbar sein wird.<br />

2.4 Eigentumsbildung im Neubau und Verkauf von Wohnungen aus dem<br />

Bestand<br />

Die Wohnungspolitik der Vergangenheit hat versucht, durch riesige Subventionsprogramme,<br />

die den Haushalt noch auf Jahrzehnte belasten, ein ausreichendes Wohnungsangebot<br />

zu schaffen. Sie ging von der Prämisse aus, dass der <strong>Markt</strong> unter <strong>Berlin</strong>er<br />

99


100<br />

Bedingungen nicht in der Lage ist, ein ausreichendes Wohnungsangebot bereitzustellen.<br />

Tatsächlich hat diese massive Subventionierung auch dazu geführt, die marktwirtschaftlich<br />

möglichen Investitionen weitgehend zu verdrängen. Dies gilt insbesondere für die<br />

Eigentumsbildung. Wohneigentum war unter den aufgeblähten Kosten zu teuer, insbesondere<br />

im Vergleich zu den subventionierten Mieten im Neubau bzw. zu den herunter<br />

regulierten Altbaumieten. Die Politik muss in beiden Bereichen die Voraussetzungen für<br />

mehr Vermögensbildung schaffen.<br />

Im Neubau kommt es darauf an, innerhalb der Stadt preiswertes Eigentum zu ermöglichen.<br />

Eigentumspolitik ist künftig im Wesentlichen Grundstückspolitik. Eine solche<br />

Politik hätte gleichzeitig die positive Nebenwirkung, dass die Abwanderung in das<br />

Umland geringer würde.<br />

Parallel dazu sollten möglichst viele Wohnungen an ihre Mieter veräußert werden.<br />

Hier ist ein Kompromiss zwischen dem Wunsch nach möglichst hohen Erlösen zugunsten<br />

der Wohnungsunternehmen und des öffentlichen Haushalts und der Zahlungsfähigkeit<br />

der Mieter zu erreichen. Es sollte möglich sein, in den nächsten 15 Jahren<br />

100.000 Wohnungen zu veräußern und dabei im Durchschnitt zwischen 25.000 und<br />

35.000 Euro an stillen Reserven aufzulösen. Im Optimalfall könnten nach einer<br />

Anlaufphase pro Jahr rd. 0,5 bis 0,65 Mrd. Euro erlöst werden. Dabei ist unterstellt,<br />

dass die Mieter Mehrbelastungen von 10 bis 15 % gegenüber ihrer Ausgangsmiete tragen<br />

können.<br />

2.5 Alterung und Wohnungspolitik<br />

<strong>Berlin</strong> wird in 20 Jahren eine Stadt mit einer dann lange Zeit wachsenden Zahl kinderloser<br />

Rentner sein. Wohnen im Alter wird neue Probleme aufwerfen. Die informellen<br />

Unterstützungen der älteren Generation im hohen Alter (i.d.R. durch die Familie) werden<br />

seltener, weil die Zahl und die Quote der kinderlosen Rentner ständig steigen wird.<br />

Außerdem geht mit steigender Erwerbsquote der Frauen die Kapazität der Familien<br />

zurück, Unterstützungsleistungen zu erbringen.<br />

Hier sind gerade in den Großstädten neue informelle Formen des Zusammenlebens<br />

erforderlich. Die Politik kann hier nur katalytisch wirken. Es geht nicht darum,<br />

Programme aufzulegen. Es geht um die Unterstützung von Gruppen, damit neue<br />

Formen der gegenseitigen Hilfe und des eigenständigen Wohnens im Alter entwickelt<br />

und getestet werden können. Auch die kommunalen Wohnungsgesellschaften können<br />

hier ihre Mieter unterstützen, sich in selbstorganisierter Nachbarschaftshilfe von<br />

professionellen Unterstützungsleistungen zumindest teilweise zu emanzipieren. Der<br />

Anreiz dazu wird groß sein, weil die Pflegeversicherung auf Dauer nicht ausreichen<br />

wird, um die erforderlichen Leistungen zu finanzieren. Jede Form der entlastenden<br />

Unterstützung wird erwünscht sein. Selbstbestimmtes Wohnen im Alter wird<br />

allerdings nicht automatisch entstehen, dazu sind die Widerstände und Hindernisse<br />

zu groß.


Es gibt schon heute in jeder Stadt zahlreiche Gruppen, die versuchen, in Eigeninitiative<br />

ein stärker selbstbestimmtes Gruppenwohnen zu realisieren; sie brauchen jedoch<br />

eine beratende Unterstützung. Auch Bauträger können geeignete Projekte anbieten.<br />

Je früher Erfahrungen gesammelt werden, umso früher werden die optimalen Lösungen<br />

getestet und verfügbar sein und umso eher kann Anschauung gewonnen werden.<br />

2.6 Chancen durch nachfragegerechte Bauformen und<br />

Organisationsstrukturen<br />

Der <strong>Berlin</strong>er <strong>Wohnungsmarkt</strong> hat Chancen, ein eigenes Profil zu gewinnen und sich<br />

erheblich von regionalen Wohnungsmärkten in westdeutschen Agglomerationen zu<br />

unterscheiden. In Zukunft werden sich die Anbieter in der Region <strong>Berlin</strong> auf selbstgenutztes<br />

Eigentum konzentrieren. Bei einer Fortsetzung der bisherigen Baulandpolitik,<br />

die dazu geführt hat, dass das Preisniveau für Eigenheime im Umland von <strong>Berlin</strong> um<br />

50.000 bis 100.000 Euro niedriger liegt als in westdeutschen Stadtregionen, ist sichergestellt,<br />

dass die <strong>Berlin</strong>er Schwellenhaushalte über 25.000 bis 35.000 Euro geringere<br />

Einkommen verfügen müssen, als Nachfrager nach Eigenheimen im Umland von<br />

Stuttgart <strong>oder</strong> München. Die Versorgungsprobleme in der Region <strong>Berlin</strong> können daher in<br />

weitaus größerem Umfang über den Neubau von selbstgenutztem Eigentum gelöst<br />

werden, als in westdeutschen Stadtregionen.<br />

In der Kernstadt wird zukünftig stärker auf die an den Wünschen der Endnachfrager<br />

orientierten Bedürfnisse der Bauträger und Investoren eingegangen werden<br />

müssen. Bei der Analyse erfolgreicher bzw. weniger erfolgreicher Neubauprojekte haben<br />

sich folgende Akzeptanzaspekte herauskristallisiert:<br />

● Städtebaulich überschaubare Konstellationen bei gleichzeitig hohem Maß an<br />

Privatheit (keine Einsehbarkeit von allen Seiten) der Wohnung, der Balkone und<br />

Terrassen sowie der hausnahen Freiflächen.<br />

● Keine Achsmaße unter 7 m bei Reihenhäusern und Stadthäusern, weil sie die<br />

inneren Gestaltungsmöglichkeiten einschränken und die Freiraumqualitäten ausgehöhlt<br />

werden.<br />

● Spielraum bei den Gestaltungsmöglichkeiten. Damit die innerstädtischen Wohnprojekte<br />

trotz Gestaltungsfreiheit städtebauliche Qualität haben, sollte man sich für<br />

einen Planungskorridor mit Beratung entscheiden.<br />

● Private Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien, direkt angrenzend an das Gebäude<br />

(vor und hinter dem Haus). Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für Familien<br />

mit Kindern.<br />

● Arrangement der Häuser so gestalten, dass zentrale Freiflächen entstehen, die<br />

von allen gut erreicht werden können und geschützt von der Straße liegen. Dies<br />

101


102<br />

kommt den Bedürfnissen von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen entgegen,<br />

weil dadurch geschützte Räume entstehen und informelle soziale Kontakte wie auch<br />

eine informelle soziale Kontrolle begünstigt werden.<br />

● Hausnaher Stellplatz für den Pkw.<br />

In Zukunft wird man auch an Standorte, die mit hoher Dichte zu bebauen sind, verstärkt<br />

Eigentümer und Selbstnutzer heranführen müssen. Hier klafft bisher eine Nachfragelücke,<br />

die u.a. durch professionell gesteuerte Baugruppen zumindest teilweise<br />

geschlossen werden kann. Baugruppen können ein wachsendes Gewicht erhalten, wenn<br />

man die Rahmenbedingungen dafür schafft (Baugruppenbetreuung als Regelaufgabe<br />

kommunaler Wohnungspolitik wie z.B. in Freiburg <strong>oder</strong> Tübingen). Gegenwärtig sind<br />

Baugruppen für viele mit dem Hauch des Exotischen und „Spinnerten“ behaftet und<br />

bleiben folglich in Nischen. Notwendig ist eine Projektagentur für Baugruppen und ein<br />

Modellvorhaben/Vorzeigeprojekt mit Baugruppen, das „normale“ bauwillige anspricht.<br />

Erfahrungen mit Baugruppen müssen systematisch gesammelt und evaluiert werden.<br />

Neben den Prozessaspekten ist dabei auch die Akzeptanz von Haustypen und Lagen zu<br />

prüfen.


Folgende Bände der <strong>LBS</strong>-Schriftenreihe sind bereits erschienen:*<br />

Band 1:<br />

Familie und Wohnen<br />

Band 4:<br />

<strong>Wohnungsmarkt</strong><br />

Niedersachsen<br />

Band 7:<br />

<strong>Wohnungsmarkt</strong><br />

Niedersachsen<br />

Band 2:<br />

Jung und Alt<br />

Band 5:<br />

Eigentumsbildung<br />

im Wohnungsbau<br />

Band 8:<br />

<strong>Markt</strong>dynamik im<br />

Wohnungsbestand<br />

Band 3:<br />

Mieter und Vermieter<br />

Band 6:<br />

Junge Menschen<br />

Band 9:<br />

Wohneigentum als<br />

Beitrag zur privaten<br />

Altersvorsorge<br />

* Band 1<strong>–</strong>16 sind vergriffen.<br />

Die <strong>LBS</strong>-Schriftenreihe ist aber<br />

unter der ISSN-Nummer<br />

0944/8225 in der Deutschen<br />

Bibliothek, Ffm registriert.<br />

103


104<br />

Band 10:<br />

Lebenspläne<br />

und Wohnentscheidungen<br />

Band 13:<br />

Ältere Menschen<br />

Band 16:<br />

Baulandausweis<br />

zwischen Trägheit und<br />

Übereifer<br />

Band 11:<br />

Im Spannungsfeld<br />

zwischen Überangebot<br />

und Übernachfrage<br />

Band 14:<br />

Das Jahrzehnt des<br />

Wohnungsmangels<br />

Band 17:<br />

Konsequenzen für neue<br />

Wohnformen in der<br />

dritten Lebensphase<br />

Band 12:<br />

Mieterhaushalte<br />

an der Schwelle zur<br />

Eigentumsbildung<br />

Band 15:<br />

Diskrepanz zwischen<br />

Zukunftsplänen<br />

und Angebot<br />

Band 18:<br />

Preiswert bauen im<br />

Spannungsfeld zwischen<br />

Nachfrage und Angebot


Band 19:<br />

Steigende Nachfragepotentiale<br />

<strong>–</strong><br />

zögernde Anbieter<br />

Band 22:<br />

Vom Anbieter- zum<br />

Nachfragermarkt<br />

Stand März 2002<br />

© 2002<br />

<strong>LBS</strong> Norddeutsche Landesbausparkasse<br />

<strong>Berlin</strong> - Hannover<br />

Postfach 263, 30002 Hannover<br />

Presse/Öffentlichkeitsarbeit<br />

Telefon (0511) 926-6668<br />

Telefax (0511) 926-6938<br />

Gesamtherstellung:<br />

Druckerei Gebrüder Höltje GmbH, Hannover<br />

Band 20:<br />

Kommunale Baulandpolitik<br />

im Wettbewerb<br />

um Bevölkerung<br />

Band 21:<br />

Wohnmobilität in der<br />

zweiten Lebenshälfte<br />

105

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