Positionspapier Soziale Arbeit und Psychiatrie - Psychiatrische ...
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Anhang 3<br />
STUDIEN ZUR GENESE VON PSYCHISCHEN STÖRUNGEN UND KRANKHEITEN<br />
1. Klassische Studien zur sozialen Verursachung psychischer Krankheiten<br />
Erste Generation von Studien:<br />
Faris/Dunham (1930er Jahre) – Chicago Schule der Soziologie<br />
August Hollingshead/Frederick Redlich in New Haven<br />
Leo Srole et al. Midtown-Manhattan<br />
Wirtschaftskrise <strong>und</strong> zweiter Weltkrieg zeigten die Auswirkungen von <strong>Arbeit</strong>slosigkeit <strong>und</strong> Armut and<br />
veränderten die Vorstellung von genetischer Verursachung.<br />
Sozioökonomische Situation als Stressfaktor, der psychische Reaktionen hervorruft, die sich auf die<br />
Wiedereingliederung von <strong>Arbeit</strong>slosen auswirken (Durham: „one third of the nation ill-clothed, illhoused,<br />
ill-fed“).<br />
Faris/Dunham: <strong>Soziale</strong> Isolation, der mit dem tiefen Status verb<strong>und</strong>en ist, fördert die Entstehung von<br />
Halluzinationen <strong>und</strong> unangemessenen Handlungen, zumal die soziale Kontrolle fehlt (!).<br />
Hollingshead/Redlich: postulieren einen Zusammenhang mit der sozialen Schicht <strong>und</strong> dem Behandlungsmodus<br />
(inkl. Einweisungsmodus durch Ärzte versus Polizei <strong>und</strong> Gerichte) von psychischen Erkrankungen.<br />
(vgl. den Sozialschichtindex, S. 101)<br />
Srole: erhob auch den Sozialstatus der Eltern – Frage nach dem Zusammenhang zwischen intergenerationaler<br />
Aufwärts- (Rate 12 %), <strong>und</strong> Abwärtsmobilität (30 %), Stabilen (23 %) <strong>und</strong> Psychopathologie.<br />
Die Verursachung wurde durch den Faktor Stress <strong>und</strong> sozioökonomische Position erweitert.<br />
Zweite Generation von Studien:<br />
Feldstudien ohne standardisierte Instrumente; Einschätzung/Diagnosen wurden nachträglich von den<br />
Psychiatern vorgenommen. Es entstand das Diagnostic and Statistical Manual (DSm III) <strong>und</strong> das ƒ<br />
Dritte Generation von Studien (Übersicht bei Kohn et al. 1998):<br />
Dohrendwend et al. 1998 – Israel: Frage nach dem Zusammenhang von Stress, Mobilität, Minderheits-/Mehrheitsstatus<br />
<strong>und</strong> psychischen Störungen. Wenn Stress die Ursache für psychische Erkrankung<br />
ist, dann wird eine Minderheitsethnie in jeder Sozialschicht eine höhere Rate von psychischen<br />
Erkrankungen aufweisen; Wenn Selektion die Ursache für den Zusammenhang zwischen Sozialschicht<br />
<strong>und</strong> Erkrankung ist, dann werden die Ges<strong>und</strong>en sozial aufsteigen oder stabil bleiben, die<br />
Kranken zur Abwärtsmobilität neigen. Zudem: Ges<strong>und</strong>e Mitglieder der Minderheitsethnie werden nicht<br />
im gleichen Masse wie die Ges<strong>und</strong>en der Mehrheitsethnie aufsteigen können. Wenn Selektion vorliegt,<br />
dann werden die Angehörigen der benachteiligten Ethnie in jeder Sozialschicht eine geringere<br />
Krankheitsrate aufweisen (Dohrenwend et al. 1998). Stichprobe: zweite Generation eingewanderte<br />
europäische Juden <strong>und</strong> nordafrikanische Juden. Ergebnisse: Schizophrenie war unter den Juden europäischer<br />
Herkunft verbreiteter als unter den nordafrikanischen. (Selektionsthese). Hingegen erfüllten<br />
die Depression (bei Frauen), die antisoziale Persönlichkeitsstörung (bei Männern) sowie die Substanzmittelabhängigkeit<br />
(bei Männern) – bei den nordafrikanischen Israelis die Hypothese der sozialen<br />
Verursachung. Im Unterschied zu diesen Störungsbildern scheint Schizophrenie nicht sozial verursacht<br />
zu sein. (S. 106f.) Beide Ursachenkomplexe müssen allerdings erweitert werden.<br />
Fazit: Die Studien zeigen, dass die Relation zwischen Sozialstatus <strong>und</strong> psychischer Erkrankung nicht<br />
übersehen werden kann. Je rigoroser die methodischen Standards sind, desto mehr Differenzierungen<br />
ergeben sich. Aber ein direkter, unidirektionaler Einfluss kann nicht mehr unterstellt werden.<br />
(109f.)<br />
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