Positionspapier Soziale Arbeit und Psychiatrie - Psychiatrische ...
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sehbare Zahl von Studien zu den Wirkungen von kurzer versus Dauererwerbslosigkeit auf<br />
die psychische <strong>und</strong> soziale Situation der Betroffenen (stellvertretend auf der Basis von 223<br />
Studien in westlichen Ländern vgl. Mohr/Richter 2008).<br />
Mittlerweile hat sich eine zentrale qualitative wie quantitative Forschungstradition zum Zusammenhang<br />
zwischen „Gesellschaft“ <strong>und</strong> „Individuum“ im Bereich physischer <strong>und</strong> psychischer<br />
Erkrankungen etabliert. Leider wird in vielen Studien nicht immer klar zwischen physischen<br />
<strong>und</strong> psychischen/psychiatrierelevanten Erkrankungen unterschieden, wobei zugegebenermassen<br />
keine scharfe Trennungslinie besteht (für die Zusammenstellung von Studien,<br />
die sich explizit auf psychische Erkrankungen beziehen, vgl. Richter 2003, ausführlich im<br />
Anhang 3).<br />
2.3.1. Frühe <strong>und</strong> neuere Erklärungsansätze<br />
Ältere Analysen der gesellschaftlichen Ursachen ges<strong>und</strong>heitlicher Beeinträchtigung <strong>und</strong> in<br />
der Folge sozialer Ungleichheit fokussierten im Wesentlichen auf drei Erklärungsansätzen<br />
(Richter/Hurrelmann 2007; Bittlingmayer/Sahrai, 2010):<br />
• <strong>Soziale</strong> Mobilität <strong>und</strong> soziale Selektion: Vereinfacht formuliert lautet die Hypothese:<br />
„Nicht Armut macht krank, sondern Krankheit macht arm“. (Richter/Hurrelmann 2007,<br />
S. 6) Er folgt einer Vorstellung des „Survival of the Fittest“, wonach die Ges<strong>und</strong>en<br />
aufsteigen <strong>und</strong> die Kranken sozial absteigen.<br />
• Sozialstruktureller oder sozioökonomischer Ansatz: Er folgt einer Ressourcenlogik,<br />
wonach zu wenig Geld, um ges<strong>und</strong> zu leben oder ein tiefes formales Bildungsniveau<br />
als sogenannt soziales Kapital - einhergehend mit der fehlenden Kompetenz, die Folgen<br />
eines bestimmten Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens mittel- <strong>und</strong> langfristig einzuschätzen,<br />
für die Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen determinierend sind. Zumeist treten diese<br />
Faktoren kombiniert auf. (Bittlingmayer/Sahrai 2010, S. 29)<br />
• Kultureller Erklärungsansatz aus dem Bereich der vergleichenden Medizinethnologie:<br />
Die Annahme ist hier, dass klassen-/schichtspezifische (Bourdieu 1983/1979) oder<br />
ethnisch/religiöse Kulturmuster (Sahrai 2009) sowohl unterschiedliche Vorstellungen<br />
über Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit beinhalten als auch sich unterschiedlich auf ges<strong>und</strong>heitsfördernde<br />
oder –beeinträchtigende Verhaltensweisen auswirken (z.B. bezüglich<br />
Fehlernährung, Alkohol-/Zigarettenkonsum, Bewegungsmangel usw., ferner überzogener<br />
<strong>Arbeit</strong>sethos der Mitglieder der Mittelschicht). (Bittlingmayer/Sahrai 2010)<br />
Neuere Studien erweitern diese Erklärungsansätze um einen<br />
• psychosozialen Erklärungsansatz: Ihm liegen Studien zu „Stress, Bewältigungs- <strong>und</strong><br />
sozialer Unterstützungsforschung“ zugr<strong>und</strong>e, ergänzt durch weitere Determinanten<br />
wie „kritische Lebensereignisse, chronische Alltagsbelastungen oder berufliche Gratifikationskrisen“,<br />
wobei gezeigt wurde, „dass nicht nur die psychischen Belastungen,<br />
sondern auch die Ressourcen zu deren Bewältigung sozial ungleich verteilt sind.“ (S.<br />
7); die zweite Erweiterung bezieht sich auf die<br />
• Lebenslaufperspektive, die den kausalen Zusammenhang zwischen individueller sozialer<br />
Position, weiterer sozialer Determinanten, neuronaler Verarbeitung von Lebensereignissen<br />
<strong>und</strong> Erkrankungen deutlicher aufzuzeigen vermag (z.B. Richter<br />
2003, S. 184, Mackenbach 2002, Lynch/Smith 2005, Dragano 2007).<br />
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