EU-Türkei - EN-PAZ
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<strong>EU</strong>-<strong>Türkei</strong><br />
!<br />
*<br />
Konfliktakteure<br />
<strong>Türkei</strong>, <strong>EU</strong>-Mitgliedstaaten<br />
Konfliktbeschreibung<br />
Die <strong>Türkei</strong> wurde 1923 aus den Resten des einsti-<br />
gen Osmanischen Reiches gegründet. Der Gründer<br />
des Staates, Mustafa Kemal Atatürk, formte und<br />
modernisierte sein Land nach westlichem Vorbild<br />
und so konnte die islamische <strong>Türkei</strong> nach dem<br />
zweiten Weltkrieg in zahlreiche westliche Organi-<br />
sationen (z.B. NATO, OECD, Europarat) eintreten.<br />
1959 stellte die <strong>Türkei</strong> auch einen Antrag zum<br />
Beitritt zur Vorgängerorganisation (der EGKS) der<br />
heutigen Europäischen Union (<strong>EU</strong>).<br />
Nach und nach erweiterte die Europäische Ge-<br />
meinschaft ihre Aufgabenfelder um politische,<br />
soziale und kulturelle Elemente und nahm neue<br />
Mitgliedstaaten auf, heute sind 27 Staaten Teil der<br />
<strong>EU</strong>. 1963 wurde Ankara erstmals die Möglichkeit<br />
einer Vollmitgliedschaft in Aussicht gestellt.<br />
Es gab aber auch Rückschläge. 1960, 1971 und von<br />
1980 bis 1983 griff das Militär massiv in die tür-<br />
kische Politik ein. Außerdem streiten die <strong>Türkei</strong><br />
und Griechenland (das seit 1981 Mitglied der <strong>EU</strong><br />
ist) sich seit Jahrzehnten um Zypern. Heute ist die<br />
Insel in einen türkischen und einen griechischen<br />
Staat aufgeteilt und der griechische Teil ist eben-<br />
falls Mitglied der <strong>EU</strong>. Die <strong>Türkei</strong> erkennt Zypern<br />
allerdings bis heute nicht an.<br />
Konflikte & Lösungen<br />
http://en-paz.de/konflikt/<strong>EU</strong>-<strong>Türkei</strong><br />
Konflikttransformation<br />
Dieser Text ist zu den Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz “Namensnennung - Keine kommerzielle<br />
Nutzung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland” freigegeben.<br />
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?<br />
Der Konflikt über den türkischen Beitritt zur<br />
Europäischen Union spaltet die Union wie<br />
kaum ein anderes Thema. Warum ist das so?<br />
Einerseits weil der Konflikt nicht nur ein-<br />
fach zwischen zwei Akteuren stattfindet.<br />
Vielmehr findet er ja zwischen der <strong>Türkei</strong>,<br />
den <strong>EU</strong>-Institutionen und allen 27 Mitglied-<br />
staaten statt. Denn bekanntlich muss jeder<br />
Mitgliedstaat im Parlament oder durch ein<br />
Referendum letztendlich über den Beitritt<br />
abstimmen. Selbst wenn also bis circa 2013<br />
die Beitrittsanforderungen von der <strong>EU</strong> durch<br />
die <strong>Türkei</strong> erfüllt werden können, bleibt so<br />
das sogenannte Ratifizierungsproblem beste-<br />
hen.<br />
Konfliktbeginn:<br />
1999<br />
<strong>EU</strong>-Referendum und soziale und politische<br />
Reformen in der <strong>Türkei</strong><br />
Anderseits ist die „<strong>Türkei</strong>frage“ auch ein the-<br />
matisch sehr vielschichtiger Konflikt. Denn<br />
es geht um religiöse, kulturelle, wirtschaft-<br />
liche, sicherheitspolitische und menschen-<br />
1
1989 wurde ein Antrag auf Vollmitgliedschaft mit<br />
der Begründung abgelehnt, dass die <strong>Türkei</strong> poli-<br />
tisch und wirtschaftlich noch nicht reif für den<br />
Beitritt sei und außerdem andere kulturelle Tra-<br />
ditionen als das christlich geprägte Europa habe.<br />
Seit 1996 gibt es eine Zollunion von <strong>EU</strong> und <strong>Türkei</strong><br />
und 1999 wurde der <strong>Türkei</strong> der Status eines Bei-<br />
trittskandidaten gewährt; 2005 wurden schließlich<br />
Beitrittsverhandlungen aufgenommen.<br />
Um Mitglied der <strong>EU</strong> zu werden, muss ein Land<br />
anspruchsvolle politische und soziale Kriterien<br />
erfüllen. Die <strong>Türkei</strong> offenbart dabei immer noch<br />
gravierende Defizite bei Menschenrechtsfragen,<br />
der Stellung von Frauen in der Gesellschaft, der<br />
Meinungsfreiheit der Medien, der zu starken<br />
politischen Rolle des Militärs und der ungelösten<br />
Situation der noch immer unterdrückten Minder-<br />
heit der Kurden. Und die Zypernfrage ist ebenfalls<br />
noch ungelöst.<br />
Andererseits hat die <strong>Türkei</strong> sehr liberale Gesetze<br />
und einen gut funktionierendes Rechtssystem,<br />
mehr Frauen in Führungspositionen als Deutsch-<br />
land und auch die Trennung von Kirche und Staat<br />
ist sehr weit fortgeschritten. Daher stellen sich ei-<br />
nige Juristen und Politikwissenschaftler die Frage,<br />
was Europa von der <strong>Türkei</strong> lernen kann.<br />
Doch selbst wenn die <strong>Türkei</strong> die Kriterien der<br />
<strong>EU</strong> erfüllte, ist es nicht sicher, dass sie beitreten<br />
könnte. Denn es gibt bei großen Teilen der Bev-<br />
ölkerungen in den <strong>EU</strong>-Staaten und auch in der<br />
europäischen Politik noch zahlreiche Gegner<br />
eines Beitritts. Es geht dabei auch um Fragen, ob<br />
die <strong>Türkei</strong> kulturell, historisch und geografisch<br />
überhaupt zu Europa gehöre.<br />
Konflikte & Lösungen<br />
http://en-paz.de/konflikt/<strong>EU</strong>-<strong>Türkei</strong><br />
rechtliche Themen.<br />
Um den Konflikt zu lösen, muss letztendlich<br />
eine Entscheidung getroffen werden, ob die<br />
<strong>Türkei</strong> beitritt oder welche Alternativen zu<br />
einer Vollmitgliedschaft angestrebt werden<br />
können. Letztendlich müssen diese Entschei-<br />
dungen durch die verantwortlichen Politiker<br />
getroffen werden. Aber es ist auch fundamental<br />
wichtig, dass jeder <strong>EU</strong>-Bürger sich mit der Fra-<br />
ge auseinandersetzt und eine Position bezieht.<br />
Denn letztendlich vereinigen sich ja in den<br />
Parlamentsabstimmungen und Referenden die<br />
Ansichten der <strong>EU</strong>-Bürger.<br />
Damit du dir persönlich eine Meinung über die-<br />
ses Problem bilden kannst, geben wir dir hier<br />
einige erste Diskussionsgrundlagen.<br />
1. Zuwanderung: In der <strong>Türkei</strong> leben 73 Mil-<br />
lionen Menschen. Für 2050 wird sogar von 95<br />
Millionen ausgegangen. Viele gerade junge<br />
Türken könnten deshalb auswandern. Dies<br />
kann als Gefahr vor Entfremdung oder als<br />
Chance für Bevölkerungsentwicklungen in Län-<br />
dern mit Demographieproblemen wie Deutsch-<br />
land oder Frankreich gesehen werden.<br />
2. <strong>EU</strong>- Institutionen: Manche Länder haben<br />
Angst vor einem zu großen politischen Einfluss<br />
der <strong>Türkei</strong> in den <strong>EU</strong>- Institutionen. Denn mit<br />
seiner Bevölkerungszahl käme der <strong>Türkei</strong> die<br />
gleiche Verhandlungsmacht wie etwa Deutsch-<br />
land zu.<br />
3. <strong>EU</strong>- Glaubwürdigkeit: Die <strong>Türkei</strong> bewirbt<br />
sich seit über 40 Jahren um einen Beitritt. Kann<br />
man sie wirklich am Ende des Prozesses noch<br />
ablehnen, aber im Gegenzug intensive “freund-<br />
schaftliche” Beziehungen fordern?<br />
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Befürworter sagen, dass die heutige <strong>Türkei</strong> auch in<br />
der Geschichte immer mit Europa verbunden war,<br />
dass der Islam seit seinem Bestehen auch ein Teil<br />
Europas ist, dass ein kleiner Teil der <strong>Türkei</strong> geo-<br />
grafisch in Europa liegt und dass die Erweiterung<br />
um das große Land <strong>Türkei</strong> eine Stärkung der <strong>EU</strong><br />
bedeute. Zudem würde ein Beitritt die notwendi-<br />
gen sozialen und politischen Reformen des Landes<br />
erheblich beschleunigen.<br />
Gegner führen an, dass Europa kulturell christlich<br />
geprägt ist, dass das Osmanische Reich historisch<br />
lange ein Feind Europas war, dass die <strong>Türkei</strong> zum<br />
großen Teil geografisch nicht in Europa liegt und<br />
dass ein Beitritt enorme Kosten für die jetzigen<br />
<strong>EU</strong>-Länder bedeute, da die <strong>Türkei</strong> ein großteils<br />
armes Land und stark von der Landwirtschaft ge-<br />
prägt ist. Zudem gibt es Zweifel, ob sich die Situ-<br />
ation der Menschen- und Bürgerrechte sowie der<br />
unterdrückten Kurden mittelfristig lösen lassen<br />
werden.<br />
Konflikte & Lösungen<br />
http://en-paz.de/konflikt/<strong>EU</strong>-<strong>Türkei</strong><br />
4. <strong>EU</strong>- Geographie: Wie ist die <strong>EU</strong> geographisch<br />
definiert? Kann ein Staat beitreten, obwohl sich<br />
ein Großteil seines Staatsgebiets nicht auf dem<br />
europäischen Kontinent befindet?<br />
5. Veränderte <strong>EU</strong>-Grenzen: Eine „europäische“<br />
<strong>Türkei</strong> würde neue, gemeinsame Außengren-<br />
zen zu Ländern wie Iran, Syrien, Irak und den<br />
Kaukasusstaaten implizieren. Dies könnte die<br />
<strong>EU</strong> langfristig destabilisieren, böte aber auch<br />
eine Chance zum politischen Dialog.<br />
6. Islam: Die <strong>Türkei</strong> ist ein mehrheitlich musli-<br />
misches Land. Dies kann als Vor- oder Nachteil<br />
interpretiert werden. Befürworter sagen, dass<br />
eine „europäische“ <strong>Türkei</strong> eine klare Absage an<br />
das Bild von einer <strong>EU</strong> als „Christenclub“ wäre.<br />
Dadurch würde die <strong>EU</strong> in ihren Beziehungen<br />
zu muslimischen Ländern immens aufgewer-<br />
tet werden. Allerdings argumentieren Gegner<br />
damit, dass es zu einer „Islamisierung“ Europas<br />
inklusive fremder Traditionen und Bräuche<br />
kommen könnte.<br />
7. Wirtschaftsleistung: Die <strong>Türkei</strong> ist eine auf-<br />
strebende Wirtschaftsmacht. Ihr werden auch<br />
in den nächsten Jahrzehnten (im Gegensatz zu<br />
den meisten <strong>EU</strong>-Staaten) große Wachstumspo-<br />
tentiale zugesprochen. Allerdings beträgt das<br />
türkische BIP momentan nur ein Viertel des<br />
<strong>EU</strong>-Durchschnitts. Der wirtschaftliche „Zw-<br />
erg“ <strong>Türkei</strong> wäre aber aufgrund der Bevölker-<br />
ungszahl ein politischer „Riese“.<br />
8. Beitrittskosten: Die Kosten für einen Bei-<br />
tritt können noch nicht verlässlich verifiziert<br />
werden. Allerdings fürchten sich viele <strong>EU</strong>-<br />
Bürger vor hohen Folgekosten des Beitritts.<br />
Beispielsweise könnte die <strong>Türkei</strong> durch ihre<br />
starke agrarische Ausrichtung extrem viele<br />
Fördersubventionen verlangen.<br />
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9. Menschenrechte: Momentan gibt es in der<br />
<strong>Türkei</strong> noch diverse Probleme im Bereich Minder-<br />
heitenrechte und Menschenrechte. Durch einen<br />
<strong>EU</strong>-Beitritt könnte die <strong>EU</strong> sehr starken Einfluss auf<br />
die Verbesserung dieser Umstände ausüben.<br />
10. <strong>EU</strong> als Global- Player: Die <strong>EU</strong> hätte mit der<br />
<strong>Türkei</strong> eine stark veränderte weltpolitische Bedeu-<br />
tung. Denn mit der <strong>Türkei</strong> stände der <strong>EU</strong> eine Re-<br />
gionalmacht im Nahen Osten und Vorderasien zur<br />
Seite. Sie könnte so eine weitaus einflussreichere<br />
Außenpolitik betreiben.<br />
11. <strong>Türkei</strong> und die Rohstoffe: Die <strong>Türkei</strong> ist ein<br />
wichtiges Transitland für europäische Rohstoff-<br />
lieferungen. Gerade da die <strong>EU</strong> bestrebt ist, ihre<br />
momentane Abhängigkeit in diesem Bereich<br />
gegenüber Russland weiter abzubauen, wäre eine<br />
„europäische“ <strong>Türkei</strong> hier sehr wichtig.<br />
Initiativen zur ZKB:<br />
- Die <strong>Türkei</strong> als Vorbild für arabische Staaten und<br />
Europa:<br />
http://wissen.dradio.de/tuerkei-modell-fuer-ara-<br />
bische-staaten.33.de.html?dram:article_id=12465<br />
Mehr zum Land:<br />
- Spiegelonline-Lexikon <strong>Türkei</strong>:<br />
http://www.spiegel.de/lexikon/54456275.html<br />
E-Mail: info@en-paz.de<br />
Website :<br />
Telefonnummer :<br />
Adresse:<br />
www.en-paz.de<br />
+49 30 / 206160 -28<br />
Schützenstrasße 6a<br />
10117 Berlin<br />
Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft| Konto-Nr.: 1311700 | BLZ: 100 205 00<br />
Konflikte & Lösungen<br />
http://en-paz.de/konflikt/<strong>EU</strong>-<strong>Türkei</strong><br />
Mehr zum Konflikt:<br />
- Faz.net: <strong>Türkei</strong>-Beitritt: Pro und Contra:<br />
http://www.faz.net/aktuell/politik/europa-<br />
eische-union-tuerkei-beitritt-pro-und-cont-<br />
ra-1194259.html<br />
- The European: Willkommen daheim:<br />
http://www.theeuropean.de/debatte/2186-eu-beitritt-der-tuerkei<br />
Mehr zur Historie des Konflikts:<br />
- Europäische Komission, Erweiterung, Bezie-<br />
hungen Eu-<strong>Türkei</strong>:<br />
http://ec.europa.eu/enlargement/candidate-<br />
countries/turkey/relation/index_de.htm<br />
- Bundeszentrale für politische Bildung: <strong>Türkei</strong><br />
und <strong>EU</strong> Debatte:<br />
http://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkeiund-eu/52340/der-eu-beitritt-aus-dem-blickwinkel-der-tuerkei<br />
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