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Der Silberweiden-Auenwald des unteren Odertals - Genres

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DER SILBERWEIDEN-AUENWALD<br />

DES UNTEREN ODERTALES<br />

Die Silberweide (Salix alba) ist ein Waldbildner im ökologischen Grenzbereich <strong>des</strong> Waldwachstums Sie<br />

alleine kann in Mitteleuropa Waldbestände mit einer Überflutungstoleranz von mehr als 200 Tagen im Jahr<br />

bilden<br />

<strong>Silberweiden</strong>-Auenwälder, die gemeinhin auch unter der Bezeichnung Weichholzauen geführt werden, sind<br />

in ihrem Vorkommen an mehrere ökologische Bedingungen gebunden und weisen kennzeichnende<br />

Besonderheiten gegenüber anderen Waldgesellschaften auf, wie:<br />

– ausgeprägte Überflutungsdynamik mit mehrfachem Wechsel von Überschwemmung (insgesamt im<br />

Mittel zwischen 70 und 200 Tagen/Jahr) und Trockenfallen <strong>des</strong> Oberbodens;<br />

– Einwirkung starker mechanischer Schubkräfte <strong>des</strong> flutenden Wassers bzw Eises auf Vegetation und<br />

Boden, verbunden mit stetem Wechsel von Auflandung und Abtrag von Bodensubstrat („der Fluss<br />

wirft nieder und baut auf in immer wiederholtem Wechsel“, ELLENBERG 1996);<br />

– ausgeprägte Niveauschwankungen <strong>des</strong> fließenden sauerstoffreichen Grundwassers;<br />

– unterbrochener Stoffkreislauf zwischen Vegetation und Boden durch Abschwemmung von Streu und<br />

Anlandung standortsfremder organischer und mineralischer Substrate;<br />

– kurzzeitige Wechseldynamik in der Intensität von Stoffumsetzungsprozessen<br />

Vegetationsstruktur<br />

<strong>Der</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> <strong>des</strong> <strong>unteren</strong> Odertales gehört ausschließlich zu den grundnassen Auenwäldern,<br />

seine Vegetationsstruktur wurde durch Untersuchungen von PASSARGE (1985) ausführlich dokumentiert<br />

In der lockeren, lichtdurchlässigen und meist stufigen Baumschicht dominiert die Silber-Weide (Salix alba),<br />

die Höhen bis über 20 m erreichen kann Beigemischt sind gelegentlich Bruch-Weide (Salix fragilis) und<br />

der Bastard zwischen Silber-Weide und Bruch-Weide (Salix x rubens) Vereinzelt kommen auch Flatter-<br />

Ulme (Ulmus laevis) und Schwarz-Pappel (Populus nigra s str) vor Sträucher sind selten, nur randlich<br />

oder in Lücken dringen Korb-Weide (Salix viminalis), Mandel-Weide (Salix triandra) oder Purpur-Weide<br />

(Salix purpurea) ein Zum festen Grundstock der Bodenvegetation, die stets fast den ganzen Boden bedeckt,<br />

zählen stickstoffliebende Arten wie Große Brennessel (Urtica dioica), Kratzbeere (Rubus caesius),<br />

Gundermann (Glechoma hederacea) ebenso wie Röhricht- und Sumpfpflanzen, z B Rohrglanzgras<br />

(Phalaris arundinacea), Wasser-Schwertlilie (Iris pseudacorus), Gelbweiderich (Lysimachia vulgaris)<br />

Auch typische „Stromtalpflanzen“ wie Barbarakraut (Barbarea stricta), Seide (Cuscula lupuliformis),<br />

Katzenschwanz (Leonurus marrubiastrum) fehlen nicht Neben dieser Arten-Grundausstattung, die auf<br />

Wassernähe und erhöhte Stickstoffumsätze verweist, variiert die Struktur der Bodenvegetation noch in<br />

deutlicher Abhängigkeit vom durchschnittlichen Wasserhaushalt<br />

19


DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES<br />

20<br />

– Ufernahe und stärker grundwasserbeeinflusste Standorte sind durch Schlank-Segge (Carex gracilis),<br />

viel Gelbweiderich (Lysimachia vulgaris), Wasser-Kresse (Rorippa amphibia), Wasserfenchel<br />

(Oenanthe aquatica), Merk (Sium latifolium) gekennzeichnet<br />

– Weniger grundwassernahe Standorte, auf denen das Flutwasser geringere Schwankungen aufweist<br />

und seine Gewalt einbüßt, werden von Winden-Knöterich (Fallopia dumetorum), Hain-Rispengras<br />

(Poa nemoralis), Hohlzahn (Galeopsis bifida) besiedelt Auch Arten der Niederungswälder wie<br />

Hopfen (Humulus lupulus) dringen hier ein, während das Schilf (Phragmites australis) höhere<br />

Deckungswerte erreicht<br />

Wird diese Vegetationsdifferenzierung im wesentlichen vom Stand <strong>des</strong> Grundwassers und der Überflutungsdauer<br />

geprägt, so schaffen Unterschiede in der Gewalt der Strömung eine weitere Gliederung Südlich von<br />

Frankfurt/Oder tritt eine Artenzusammensetzung auf, die starker Strömungsgeschwindigkeit <strong>des</strong> Flutwassers<br />

widerstehen kann, gebildet durch robuste Kräuter und bodenanliegende Gräser Nach dem Unterlauf hin<br />

finden sich mit abnehmender Strömungsgeschwindigkeit und Flutungshöhe zunehmend Schlingpflanzen wie<br />

Zaun-Winde (Calystegia sepium), Seide (Cuscuta lupuliformis, C europaea), Winden-Knöterich (Fallopia<br />

dumetorum) oder strömungsempfindliche Kräuter wie Sumpf-Wolfsmilch (Euphorbia palustris) und Wiesen-<br />

Raute (Thalictrum flavium) ein<br />

Die Artenzusammensetzung <strong>des</strong> märkischen <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es in der Stromfolge von Süd nach<br />

Nord zeigt Tabelle 1 auf der gegenüber liegenden Seite<br />

Standort<br />

Die Standorte <strong>des</strong> märkischen <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es sind stromgeprägte Erosions- und Auflandungsbereiche<br />

Dazu zählen einerseits die Uferbereiche der ständig wasserführenden Flussarme und Inseln, andererseits<br />

Altwasserarme und Überflutungsrinnen ohne ständigen Anschluss an Fließwasser Das Bodensubstrat<br />

ist südlich von Frankfurt/Oder noch schlickhaltig, nördlich davon überwiegend sandiger Natur Nie besiedelt<br />

die Gesellschaft organische Bodendecken Als Bodentypen sind Auen-Rohböden (Rambla) oder Graue<br />

Auenböden (Paternia) anzutreffen Diese stehen unter wechselndem Grundwassereinfluss, <strong>des</strong>sen mittlerer<br />

Flurabstand im Auftreten von Rostflecken unterschiedlicher Farbintensität und Größe deutlich wird (PASSARGE<br />

1985, Übersicht 1)<br />

abnehmender Grundwassereinfluss<br />

Übersicht 1: Bodenprofile im <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> <strong>des</strong> märkischen Odertales (aus PASSARGE 1985)


DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES<br />

Tab 1: Wasserschwertlilien-<strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> der märkischen Oderaue (nach PASSARGE 1985)<br />

Angaben in Stetigkeits- und Deckungswertklassen, Tabellen-Auszüge<br />

Märkisches Odertal<br />

Süd- Mittel- Nordabschnitt<br />

Anzahl der Aufn./mittlere Artenzahl 9/19 9/20 9/18 9/20<br />

B Salix alba V 4 V 4 V 4 V 4<br />

Ulmus laevis II1 I1 II1 III1<br />

Populus nigra I 1 I 1<br />

Salix fragilis, Salix x rubens III 2 III 2 IV 2<br />

Salix viminalis II 2<br />

Bo Urtica dioica IV 1 V 2 IV 1 IV 2<br />

Glechoma hederacea III 1 V 2 IV3<br />

Rubus caesius II + IV 2 V3 V3<br />

Galium aparine I + II + II 1<br />

Phalarisarundinacea V2 V2 V1 V2<br />

Stachys palustris III+ V + IV 1 III+<br />

Aster tra<strong>des</strong>cantii III + III +<br />

Iris pseudacorus III + V 1 V 1 V +<br />

Solanum dulcamara V 1 IV 1 V 1 IV 1<br />

Lysimachia vulgaris V 2 V 1 V 1 IV 1<br />

Galium palustre III + III + III + II +<br />

Lythrum salicaria IV + II + III + II +<br />

Carex gracilis IV + II + II +<br />

Phragmites australis II + II + IV 2 V 1<br />

Rorippa amphibia V 2 IV 1 IV + II +<br />

Sium latifolium III + I + III +<br />

Oenanthe aquatica III 1 II +<br />

Mentha aquatica III + III +<br />

Myosotis palustris III 1 III +<br />

Alisma plantago-aquatica II +<br />

Ranunculus repens IV 1 III + III + II +<br />

Lysimachia nummularia II + II + II +<br />

Agrostis stolonifera IV 1<br />

Plantago major IV +<br />

Rumex obtusifolius II 1<br />

Atriplex latifolia II + III + IV + IV +<br />

Bidens frondosa III + II + II + III +<br />

Polygonum hydropiper III + III +<br />

Symphytumofficinale I+ V2 V1 IV+<br />

Calystegia sepium III 1 III 1 II 1<br />

Cuscuta lupuliformis IV + III + II +<br />

Cuscuta europaea II + II + III +<br />

Leonurus marrubiastrum II + I +<br />

Thalictrum flavum II + II +<br />

Galeopsis bifida II + IV +<br />

Equisetum arvense II + II +<br />

Erysimum cheiranthoi<strong>des</strong> II + III +<br />

Euphorbia palustris II + ÍI +<br />

Fallopia dumetorum V 1<br />

Humulus lupulus II +<br />

Carduus crispus II +<br />

Filipendula ulmaria II +<br />

21


DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES<br />

22<br />

Gebiet<br />

Tab 2: Mitteleuropäische <strong>Silberweiden</strong>-Auenwälder<br />

p<br />

Hochufer-<strong>Silberweiden</strong>auen Flachufer-<strong>Silberweiden</strong>auen<br />

Schweiz<br />

Isar<br />

Oberrhein<br />

Donau<br />

Spalte a b c d e f g h i k l<br />

Zahl der Aufnahmen 15 8 6 28 8 8 9 36 6 5 18<br />

mittlere Artenzahl 30 27 24 27 21 25 23 20 19 15 8<br />

B. Salix alba V V V V V V V V IV V V<br />

Salixfragilis/S.xrubens II I - I I V III III III I -<br />

Populus nigra II II - III III - II + - - -<br />

Ulmus laevis - - - - II II II II II - -<br />

Prunus padus II - III I II - - - - - -<br />

Alnusincana I II - - - II II - - - -<br />

Populus alba - - - I II II - - - - -<br />

S. Cornus sanguinea II II V I IV - II - - - I<br />

Sambucus nigra II IV II IV - - - - II - -<br />

F. Phalaris arundinacea V IV V IV V V V V V III V<br />

Symphytum officinale II V III II II IV IV IV II III II<br />

Urtica dioica V V V V V IV - IV V II II<br />

Rubus caesius V IV V V V IV IV V II - II<br />

Galium aparine V V V III IV I - I III II -<br />

Glechoma hederacea I I V III II II - III - - -<br />

Calystegia sepium II III I II II IV - II II IV I<br />

Solanum dulcamara IV II - I II IV II V - - II<br />

Ranunculus repens III - II IV I IV IV V III II -<br />

Lysimachia nummular. II II - III - III V II - II -<br />

Phragmites australis D - I - - - III III - V V<br />

Iris pseudacorus D - V D - V V V IV V IV<br />

Stachys palustris - - - II I IV IV IV IV III I<br />

Lysimachia vulgaris D - - D D V V V - V I<br />

Lythrum salicaria D - - D - IV III III - III I<br />

Galium palustre - - - D D V IV III II - I<br />

Carex gracilis - - - D - - IV II II - I<br />

Rorippa amphibia III - - D - II II IV - - I<br />

Alisma plant.-aquatica - - - - I II IV I - - -<br />

Siumlatifolium - - - - - III III II - - -<br />

Oenantheaquatica - - - - - II - II - -<br />

Impatiens noli-tangere V II - IV V I - - - I -<br />

Solidago gigantea IV I V III I - - - - - -<br />

Humulus lupulus I II V III IV I - I - - -<br />

Alliaria petiolata IV II IV III - - - - - - -<br />

Galiummollugo II IV - - - - - - - - -<br />

Angelica sylvestris III IV V II II - - - II - -<br />

Festuca gigantea IV - II III II - - - - - -<br />

Lamium maculatum II IV I II I - - - - - -<br />

Aegopodium podagr. IV IV - III I - - - - - -<br />

Ranunculus ficaria I - V IV - - - - - - -<br />

Angaben in Stetigkeitsklassen, Fettdruck: höhere Mengenentfaltung; D = Trennarten von Untereiheiten<br />

Tabellen-Auszüge: a) MOOR 1958, b) SEIBERT 1962, c) LOHMEYER u. TRAUTMANN 1975, d) SOMSAK 1976,e,g) JURKO 1958,<br />

f) BERTA 1970, h) PASSARGE 1985, i) REICHHOFF 1998, k) MÜLLER u. GÖRS 1958, l) PHILIPPI 1978<br />

Donau<br />

Theiss<br />

Donau<br />

Oder<br />

Elbe<br />

Iller<br />

Oberrhein


23<br />

Übersicht 2: Potenziell-natürliche Vegetation im <strong>unteren</strong> Odertal<br />

DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES


DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES<br />

<strong>Der</strong> Bodenkörper ist günstig belüftbar, das fließende Grundwasser in der Regel sauerstoffreich Die<br />

Humusakkumulation im Oberboden hält sich in Grenzen, starke Umsetzungsprozesse in den Trockenphasen<br />

sorgen für ein hohes Stickstoffangebot Das subkontinental geprägte Stromtal-Klima <strong>des</strong> <strong>unteren</strong> Odertales<br />

intensiviert die Prozesse zusätzlich In Verbindung mit den im Grundwasser enthaltenen Nährelementen ist<br />

für alle Glieder der Vegetation eine kräftige Nährstoffversorgung gegeben<br />

Regeneration und Sukzession<br />

<strong>Der</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> braucht zu seiner Initialisierung vegetationsfreie Stellen, die im Wechselspiel<br />

zwischen Bodenauftrag und Bodenabtrag entstehen, denn Sedimentations- oder Erosionsflächen sind die<br />

Voraussetzung für die Ansamung der Silberweide ebenso wie das Trockenfallen dieser Stellen im Spätsommer<br />

für die Keimlingsentwicklung (HÜGIN und HENRICHFREISE 1992) Hat der <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong><br />

erst einmal Fuß gefasst, ist seine Erhaltung über längere Zeit auch über Wurzel-, Ast- und Stammausschlag<br />

möglich, wenn sich das Wasserregime <strong>des</strong> Flusses im Einfluss-Niveau nicht verschiebt Eine gewisse<br />

Eigenstabilisierung erfolgt durch die strukturelle Selbstorganisation <strong>des</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es, indem<br />

gefangenes Treibholz oder dichter Bodenbewuchs die erodierende Kraft <strong>des</strong> Wassers schwächt<br />

24<br />

Abb 1: <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> bei Frankfurt/Oder<br />

Foto: Gerhard Hofmann<br />

In jedem Falle aber ist es letztlich der Fluss in seiner Unberechenbarkeit, der Verteilung, Erhaltung oder<br />

Regeneration <strong>des</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es bestimmt In keinem Falle jedoch steht der märkische<br />

<strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> in einer gesetzmäßigen schrittweisen Entwicklungslinie von der offenen Sandbank<br />

zum Hartholzauenwald, wie das gelegentlich für alle <strong>Silberweiden</strong>-Auen unterstellt wird Die Sukzession<br />

bewegt sich hier im wesentlichen zyklisch im Standortsbereich von Spülfeld, Weidengebüsch und Weidenwald


DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES<br />

Im Kampf um Standortsbesiedelung in der Stromaue erwächst dem <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> oftmals, so<br />

auch im deltanahen Bereich der Oder, eine unüberwindbare Konkurrenz durch Röhrichte und Seggenriede<br />

(insbesondere durch das Schilf-Röhricht) Jegliche Baumweidenverjüngung wird hierdurch unterbunden<br />

Die Stellung <strong>des</strong> märkischen <strong>Silberweiden</strong>wal<strong>des</strong> im Rahmen<br />

europäischer Weichholzauen<br />

<strong>Silberweiden</strong>-Auenwälder kommen in Mitteleuropa von Frankreich bis in die Ukraine an allen großen Stromund<br />

Flussläufen vor Sie erreichen ihre Hauptentfaltung in Tieflagen, ihre höchsten Vorkommen liegen im<br />

Voralpenland bei 6oo m über NN Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>, bei<br />

allen Gemeinsamkeiten in der Zusammensetzung der Baumschicht und Bodenvegetation, in sich noch<br />

erhebliche artenstrukturelle und ökologische Unterschiede aufweist So sind die gebirgsnahen Weidenauen<br />

mit schnell fließenden und tiefer eingeschnittenen Flüssen, zumal wenn sie kalkreiche Landschaften<br />

durchqueren, durch eine ganze Reihe anspruchsvollerer Pflanzenarten ausgezeichnet, bei gleichzeitigem<br />

Fehlen von Sumpfpflanzen Auch südlich verbreitete Arten wie z B Grau-Erle und Weiß-Pappel differenzieren<br />

hier in pflanzengeographischer Hinsicht Diese Hochufer-Weidenauen sind in Struktur und Entwicklungsdynamik<br />

deutlich von stärker tieflagenorientierten und/oder mit weniger Gefälle ausgestatteten Flachufer-<br />

Weidenauen (bzw nassen Weidenauen) unterschieden Für letztere wird u a das Vorkommen der Wasser-<br />

Schwertlilie (Iris pseudacorus) und/oder die Massenentfaltung <strong>des</strong> Schilfes (Phragmites australis) zum<br />

kennzeichnenden Merkmal, verweisend auf größere Grundwassernähe dieser Gesellschaftsgruppe Hierher<br />

gehören ausnahmslos die <strong>Silberweiden</strong>-Auenwälder der Oder und Warthe, deren subkontinentale Tönung<br />

noch durch die Vorkommen von Flatterulme (Ulmus laevis) und Hopfen-Seide (Cuscuta lupuliformis)<br />

unterstrichen wird<br />

Abb 2: Bestan<strong>des</strong>bild eines Relikt-<strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es im Nationalpark Unteres Odertal<br />

Foto: Gerhard Hofmann<br />

25


DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES<br />

Die Verbreitung <strong>des</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es<br />

im <strong>unteren</strong> Odertal<br />

Die ökologisch zwingende Nähe <strong>des</strong> Schwertlilien-<strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es zum Fluss und Strom verleiht<br />

ihm den Charakter eines Galeriewal<strong>des</strong> Die wenigen Reste der heutigen Vorkommen deuten dies zwar<br />

noch an, ohne dass davon allerdings ein hinreichen<strong>des</strong> Bild seiner potenziellen Verbreitung im Odertal abzuleiten<br />

wäre Eine Auswertung alter Kartenunterlagen, wie der „Schulenburgschen Karte“ von 1778–1786 und der<br />

„Urmesstischblätter“ von 1826–1844, aus dem Odertal vermittelt dagegen eine gute Vorstellung Zur Zeit<br />

dieser Kartenerstellungen war das Flussregime der Oder besonders nördlich von Hohensaaten noch<br />

weitgehend als natürlich zu bezeichnen<br />

Bei der Kartenauswertung ergibt sich zum ersten, dass die vor 180 bis 220 Jahren in die Karten eingetragenen<br />

Baumsignaturen in der Oderaue tatsächlich eine galerieartige Verteilung an Flussläufen zeigen oder sich auf<br />

Talinseln konzentrieren, während sie sich in gewässerfernen Partien ausdünnen (Die aus dem Kartenbild<br />

gut ablesbare ökologische Situation führt zwingend zu dem Schluss, dass die Baumsignaturen im betrachteten<br />

Bereich nur Vorkommen <strong>des</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es charakterisieren können)<br />

Zum zweiten zeigt das Kartenbild, dass Baumbestände im <strong>unteren</strong> Odertal zu dieser Zeit nur nordwärts bis<br />

in die Höhe von Zützen verbreitet waren, und dass von da an stromabwärts im wesentlichen waldfreie Aue<br />

vorherrschte, in die flächig Buschkomplexe eingestreut waren<br />

Diese geschichtlichen Befunde (vgl auch VOLK 1995), verbunden mit vegetationskundlichen und ökologischen<br />

Erkenntnissen, vereinen sich zu dem Bild, dass die natürliche Vegetation <strong>des</strong> <strong>unteren</strong> Odertales einen<br />

vielgestaltigen Komplex aus Wasserpflanzengesellschaften, Röhrichten, Rieden, Gebüschen und Wäldern<br />

darstellt, in dem der <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> von Natur aus nur begrenzt auftritt und auf dem Wege stromabwärts<br />

eine immer geringer werdende Rolle spielt, um praktisch nördlich von Schwedt fast völlig auszuklingen<br />

Abb 3: Initialisierung <strong>des</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es auf der Oderinsel Kietz nach Aufsandung durch das<br />

Oderhochwasser 1997 (neben Weiden-Arten auch Schwarz-Pappel im Aufwuchs) Foto: Gerhard Hofmann<br />

26


DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES<br />

Kartenausschnitt 1: Urmesstischblatt Lunow,<br />

1826 aufgenommen und gezeichnet von Lt von Hahn, koloriert von G Hofmann<br />

27


28<br />

Kartenausschnitt 2: Urmesstischblatt Schwedt/Oder, aufgenommen und gezeichnet im Jahre 1826 vom Lt v Carte, koloriert von G Hofmann<br />

DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES


Die Vegetationskomplexe der märkischen Oderaue zur<br />

Darstellung der potenziell-natürlichen Vegetation<br />

Die potenziell-natürliche Vegetation ist als eine Konstruktion von Natürlichkeit unter den derzeitigen<br />

Standortbedingungen eine von der Vegetationskunde erarbeitete und in der Landnutzungsplanungerfolgreich<br />

eingesetzte Information<br />

Für das untere Odertal ergeben sich nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis mehrere potenziell-natürliche<br />

Vegetationskomplexe, aus denen Stellung und Bedeutung <strong>des</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es hervorgeht Diese<br />

Gliederung macht deutlich, dass von einer potenziellen Vollbewaldung <strong>des</strong> Tales, wie in bisherigen<br />

Vegetationskarten dargestellt, nicht ausgegangen werden kann, und dass auch die traditionell alleinig erfolgende<br />

Aufteilung der Aue in eine Weichholz-(Weiden-)Aue und eine Hartholz-(Eichen-Ulmen-)Aue so vereinfacht<br />

nicht erfolgen kann<br />

Potenziell-natürliche Vegetationskomplexe der überfluteten Oderaue<br />

– Überwiegend bewaldete Stromaue mit <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>, Schwarzpappel-Wald und größerem<br />

Anteil an Flatterulmen-Stieleichen-<strong>Auenwald</strong> (um Frankfurt/Oder);<br />

– <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> im Komplex mit Weiden-Auengebüschen und nur kleinflächig randlichem<br />

Flatterulmen-Stieleichen-<strong>Auenwald</strong> (mittlerer märkischer Oderlauf);<br />

– Weiden-Auengebüsche im Komplex mit Röhrichten, Seggensümpfen und Flatterulmen-Erlenwald<br />

(nördlich von Schwedt, deltanaher Komplex);<br />

– Auengewässer mit vorherrschender Wasservegetation im Komplex mit (randlichen) Röhrichten und<br />

Seggensümpfen (Auenseen, Wasserarme)<br />

Potenziell-natürlicher Vegetationskomplex der eingedeichten Oderaue<br />

– Überwiegend bewaldete Niederung mit Flatterulmen-(Stieleichen-)Hainbuchenwald im Komplex mit<br />

Erlenbruch- und -Niederungswald, Bruchweiden-Gehölzen und Weiden-Gebüschen (Oderbruch,<br />

Ziltendorfer Niederung)<br />

Besonders der Wandel der Vegetation vom Komplex <strong>des</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong>es zum deltanahen Vegetationskomplex<br />

mit Weiden-Gebüschen (incl Grauweiden-Gebüsch), Röhrichten, Seggensümpfen einschließlich<br />

<strong>des</strong> im Niveau etwas höher gelegenen Flatterulmen-Erlen-<strong>Auenwald</strong>es verdient Beachtung, weil hierdurch<br />

ein grundsätzlicher Wandel <strong>des</strong> Talstandortes angezeigt wird, der ökologisch durch den Übergang zu<br />

anmoorigen Bodenbildungen, ständig höherem Grundwasserstand mit geringerer Grundwasserbewegung<br />

sowie eingeschränkter Überflutungshöhe bedingt wird<br />

Einige Restbestände dieses Erlen-<strong>Auenwald</strong>es finden sich in der Höhe von Gatow, folgende Aufnahme<br />

belegt die Vegetationszusammensetzung (Aufnahme August 1999), Angaben in Deckungsprozenten der Art,<br />

+ = 0,2 %, r = einige Individuen<br />

Baumschicht (20 m hoch)<br />

Alnus glutinosa 60 %<br />

Salix fragilis 15 %<br />

Ulmus laevis 10 %<br />

Salix alba 5 % (randlich)<br />

Strauchschicht<br />

Ulmus laevis 3 %<br />

Alnus glutinosa +<br />

DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES<br />

29


DER SILBERWEIDEN-AUENWALD DES UNTEREN ODERTALES<br />

30<br />

Bodenvegetation<br />

Urtica dioica 70 % Filipendula ulmaria 1 %<br />

Glechoma hederacea 5 % Iris pseudacorus 1 %<br />

Rubus caesius 10 % Calystegia sepium 1 %<br />

Myosoton aquaticum + Lythrum salicaria 1 %<br />

Phalaris arundinacea 5 % Cirsium palustre r<br />

Atriplex latifolia + Rumex obtusifolius 3 %<br />

Bidens frondosa 1 % Galeopsis bifida +<br />

Cuscuta europaea 2 % Scrophularia nodosa r<br />

Ranunculus repens 5 %<br />

Angelica sylvestris 3 %<br />

Symphytum officinale 5 %<br />

Schematische Vegetationsprofile zeigen den potenziell-natürlichen Zustand (siehe Übersicht 2)<br />

Schlussbemerkung<br />

<strong>Der</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> ist innerhalb der mitteleuropäischen Wälder das Ökosystem mit der wohl am<br />

stärksten ausgeprägten Struktur-Prozessdynamik Es vermittelt uns noch eindrucksvoll ein Bild urwüchsiger,<br />

ja ursprünglicher Natur <strong>Der</strong> <strong>Silberweiden</strong>-<strong>Auenwald</strong> wirkt über seine (auch potenziell) relativ begrenzten<br />

Vorkommen weit hinausgehend günstig auf Lan<strong>des</strong>kultur und Landschaftsschutz, ist Lebensraum für viele<br />

Pflanzen- und Tierarten und ist nicht zuletzt wertvolles Studienobjekt für wissenschaftliche Untersuchungen,<br />

mit denen über das Verstehen von Naturzusammenhängen praktischer Nutzen für die Auenbewirtschaftung,<br />

und im Falle <strong>des</strong> Nationalparkes für den Naturschutz, zu erzielen ist Man könnte daher den <strong>Silberweiden</strong>-<br />

<strong>Auenwald</strong> mit vollem Recht auch als das Waldökosystem <strong>des</strong> Jahres 1999 bezeichnen<br />

Literatur<br />

DISTER, E: Die Silberweide, Baum <strong>des</strong> Jahres 1999 Nationalpark 1/1999, 9 –11<br />

ELLENBERG, H: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen 5 Aufl Ulmer Verlag Stuttgart 1996<br />

HÜGIN, G: Die Auenwälder <strong>des</strong> südlichen Oberrheintales und ihre Veränderung durch den Rheinausbau:<br />

Colloques phytosociologiques, IX, Les forets alluviales, Strasbourg 1980, 678 –706<br />

HÜGIN, G u HENRICHFREISE, A: Vegetation und Wasserhaushalt <strong>des</strong> rheinischen Wal<strong>des</strong> Schr Reihe<br />

Vegetationskunde 24, Bonn/Bad Go<strong>des</strong>berg 1992<br />

OBERDORFER, E: Süddeutsche Pflanzengesellschaften Teil IV Fischer Verlag Jena, Stuttgart, New York<br />

1992<br />

PASSARGE, H: Phanerophyten-Vegetation der märkischen Oderaue Phytocoenologia 13 (4) 1985, 505 –<br />

603 (dort weitere Literaturnachweise)<br />

PASSARE, H u HOFMANN, G: Pflanzengesellschaften <strong>des</strong> nordostdeutschen Flachlan<strong>des</strong> II<br />

Pflanzensoziologie 16, Jena 1968<br />

REHFUESS, K E: Waldböden 2 Aufl Pareys Studientexte, Hamburg und Berlin 1990<br />

REICHHOFF, L et all: Übersichtskarte der potenziell-natürlichen Vegetation von Deutschland Teilprojekt<br />

Sachsen-Anhalt, Teilabschlußbericht 1998, BfN Bonn/LUA Sachsen-Anhalt Halle<br />

VOLK, H: Ein neues Schutzkonzept für die Rheinaue Wälder Badische Heimat, 1/1995, 27– 47<br />

Anschrift <strong>des</strong> Autors:<br />

Prof Dr habil Gerhard Hofmann<br />

Waldkunde-Institut Eberswalde<br />

Walther-Rathenau-Straße 6a, 16225 Eberswalde

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