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Aktuelle Nachrichten für<br />
Expertinnen und Experten<br />
Februar/März <strong>2012</strong><br />
Im Wandel<br />
Deutsche Abkommensmissbrauchsregelungen<br />
geändert<br />
Schutz des guten<br />
Glaubens<br />
Innergemeinschaftliche<br />
Lieferung beim Reihengeschäft<br />
Risiko erhöht<br />
Neue Erkenntnisse zur<br />
aktienrechtlichen Differenzhaftung<br />
Unternehmensbesteuerung<br />
Deutsch-französisches<br />
Grünbuch veröffentlicht<br />
Alternativen gesucht<br />
Wechsel des Durchführungswegs<br />
in der betrieblichen<br />
Altersversorgung<br />
http://tax-news.pwc.de/steuern-und-recht<br />
steuern+recht
Inhalt<br />
Steuern aktuell ........................... 4<br />
Titel ............................................ 6<br />
Neuregelung des Paragrafen 50 d Absatz 3 Einkommensteuergesetz:<br />
Alles wie gehabt? ........................................ 6<br />
Steuern A bis Z ............................ 14<br />
Keine deutsche Besteuerung für in die USA gezahlte<br />
Pensionen ........................................................................ 14<br />
Finanzunternehmen und Eigenhandelsabsicht ................ 15<br />
Umsatzsteuer: Gestellung von Personal ........................... 17<br />
Umsatzsteuer: Leistungsort für Anzahlungen bei<br />
Vermittlung grundstücksbezogener Leistungen ............... 19<br />
Umsatzsteuer: Neuerungen beim Vorsteuerabzug ............ 20<br />
Deutsch-französische Steuerpolitik: Grünbuch<br />
Unternehmensbesteuerung veröffentlicht ........................ 23<br />
Umsatzsteuer: Haftungsvergütung einer Personalgesellschaft<br />
an einen persönlich haftenden Gesellschafter ........ 25<br />
Wechsel des Durchführungswegs in der betrieblichen<br />
Altersversorgung ............................................................. 26<br />
Umsatzsteuer: Geschäftsveräußerung im Ganzen bei der<br />
Veräußerung von Anteilen ............................................... 28<br />
Umsatzsteuer: neue Regeln bei der Zuordnung der<br />
innergemeinschaftlichen Lieferung im Reihengeschäft .... 29<br />
Rückwirkende Besteuerung von Erstattungszinsen auf<br />
dem Prüfstand ................................................................. 30<br />
Übertragung von Gesellschaftsanteilen als Geschäftsveräußerung<br />
im Ganzen .................................................. 31<br />
Recht aktuell .............................. 32<br />
Neue Rechtsprechung zum aktienrechtlichen Differenzhaftungsanspruch<br />
........................................................... 32<br />
Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge im<br />
GmbH-Konzern: neue Rechtsprechung ............................ 34<br />
Keine Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugszinsen ....... 35<br />
Länder ........................................ 36<br />
Ticker ......................................... 38<br />
Impressum ................................. 39<br />
2 <strong>PwC</strong>
Editorial<br />
Prof. Dr. Dieter Endres,<br />
Leiter Steuern und Mitglied<br />
des Vorstands<br />
„Über das Ziel hinausgeschossen“<br />
Etliche deutsche Steuerregelungen hat die Kommission der<br />
Europäischen Union schon kritisiert und als unvereinbar mit<br />
Europarecht deklariert. Aktuell im Visier der europäischen<br />
Wettbewerbshüter: der Paragraf 50 d Absatz 3 Einkommensteuergesetz.<br />
Dieser Passus richtet sich gegen das sogenannte<br />
Treaty Shopping. Was nichts anderes bedeutet, als dass sich ein<br />
Steuerpflichtiger die Vorteile eines Doppelbesteuerungsabkommens<br />
verschafft, obwohl er in dem betreffenden Vertragsstaat<br />
gar nicht ansässig ist. Das geschieht regelmäßig durch<br />
das Zwischenschalten einer Kapitalgesellschaft. Solchen Gestaltungen<br />
hat der deutsche Gesetzgeber bislang zu begegnen<br />
versucht, indem er beim bloßen Zwischenschalten einer Kapitalgesellschaft<br />
die Entlastung von Quellensteuern versagte.<br />
Doch Völkerrecht durch nationales Recht nachwirkend einfach<br />
außer Kraft zu setzen kommt in Brüssel nicht gut an. Dabei<br />
hätte die Bundesregierung gewarnt sein müssen. Denn bereits<br />
Großbritannien war mit seinen Antimissbrauchsregelungen<br />
übers Ziel hinausgeschossen und vom Europäischen Gerichtshof<br />
in der Rechtssache Cadbury Schweppes korrigiert worden.<br />
Im entschiedenen Fall hatte das Finanzamt den Londoner Konzern<br />
aufgefordert, die Gewinne zweier irischer Tochterfirmen<br />
in England zu versteuern. Das Unternehmen aber wollte die<br />
Abgaben in Irland zahlen – zu einem günstigeren Steuersatz.<br />
Mit Recht, wie die Luxemburger Richter entschieden. Das britische<br />
Finanzamt darf die Tochterfirmen danach nur besteuern,<br />
wenn es objektiv nachweisen kann, dass sie substanzlose<br />
Kunstprodukte sind. Um sich vor dem Europäischen Gerichtshof<br />
keine blutige Nase zu holen, ist die Bundesregierung den<br />
eindringlichen Forderungen der EU-Kommission deshalb jetzt<br />
im Rahmen des sogenannten Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes<br />
nachgekommen. Mit welchem Ergebnis und worauf<br />
sich Unternehmen zukünftig einstellen müssen, fasst<br />
<strong>PwC</strong>-Autor Bertram Früh in der Titelgeschichte „Neuregelung<br />
des Paragrafen 50 d Absatz 3 Einkommensteuergesetz: Alles<br />
wie gehabt?“ ab Seite 6 für Sie zusammen.<br />
Ebenfalls um den zunehmenden Einfluss der Rechtsprechung<br />
auf die hiesige Finanzverwaltung geht es in dem Beitrag „Umsatzsteuer:<br />
Neuerungen beim Vorsteuerabzug“. Der Hinter-<br />
grund: In letzter Zeit äußerte sich der Bundesfinanzhof in<br />
mehreren Urteilen zu Fragen des Abzugs und einer eventuellen<br />
Korrektur der Vorsteuer. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung<br />
nahm das Bundesfinanzministerium jetzt zum Anlass,<br />
die in den Urteilen entwickelten Grundsätze des Vorsteuerabzugs<br />
und dessen Berichtigungsmöglichkeiten in einem Schreiben<br />
ausführlich darzulegen und umfangreiche Änderungen im<br />
Anwendungserlass vorzunehmen. Im aktuellen Beitrag stellen<br />
Ihnen die <strong>PwC</strong>-Autorinnen Miriam Peisker und Kathrin Barb<br />
ab Seite 20 ausgewählte Neuerungen vor und zeigen die Konsequenzen<br />
auf, die sich aus dem Schreiben ergeben.<br />
„Aktionäre sind dumm und unverschämt. Dumm, weil sie mir<br />
ihr Geld überlassen, und unverschämt, weil sie auch noch Dividenden<br />
dafür haben wollen“, gab einst der Berliner Bankier<br />
Carl Fürstenberg zum Besten. Dabei hat Fürstenberg einen<br />
Aspekt der Geldanlage in seinem Bonmot glatt außer Acht gelassen<br />
– nämlich das Risiko, das jeder Kapitalanleger bei seinen<br />
Engagements trägt. Als Beispiel dafür zu nennen wäre die Differenzhaftung<br />
von Aktionären. Denn Aktionäre einer Aktiengesellschaft<br />
sind dieser Haftung ausgesetzt, wenn die Einlage,<br />
die sie im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung erbringen, den<br />
geringsten Ausgabebetrag der dafür erhaltenen Aktien nicht<br />
deckt. Im Zusammenhang mit der Differenzhaftung gibt es<br />
viele ungeklärte Fragen. Der Bundesgerichtshof hatte am<br />
15. November 2011 über einen Fall zu entscheiden, in dem der<br />
Insolvenzverwalter von der unternehmerischen Rechtsnachfolgerin<br />
im Wege der Differenzhaftung einen Betrag von über<br />
170 Millionen Euro forderte. Das Gericht nahm diesen Fall<br />
zum Anlass, sich zu einigen Fragen im Zusammenhang mit der<br />
aktienrechtlichen Differenzhaftung zu äußern. Über das Urteil<br />
und darüber, welche Risiken es für die Aktionäre einer Aktiengesellschaft<br />
birgt, informiert Sie der Beitrag „Neue Rechtsprechung<br />
zum aktienrechtlichen Differenzhaftungsanspruch“ des<br />
<strong>PwC</strong>-Autors Dirk Krome ab Seite 32.<br />
Fortgesetzten Nutzen aus der Lektüre aller Beiträge wünscht<br />
Ihnen:<br />
Ihr<br />
Prof. Dr. Dieter Endres<br />
Leiter Steuern und Mitglied des Vorstands<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 3
Steuern aktuell<br />
Reform des Unternehmensteuerrechts:<br />
neuer Zwölf-Punkte-Plan<br />
Die Finanzpolitiker der Regierungsparteien machen Ernst: Bei<br />
einer zweitägigen Klausurtagung in Berlin verständigten sie<br />
sich auf ein Zwölf-Punkte-Programm zur Modernisierung und<br />
Vereinfachung des Unternehmensteuerrechts. Das Papier<br />
schlägt unter anderem Maßnahmen bei der Verlustverrechnung,<br />
dem Reisekostenrecht sowie der Gruppenbesteuerung<br />
vor. Die ins Auge gefassten Schritte zielen nicht nur darauf ab,<br />
Unternehmen steuerlich direkt zu entlasten. Sie sollen auch<br />
durch ein verlässliches, einfach zu handhabendes und weniger<br />
gestaltungsanfälliges Steuerrecht gute Rahmenbedingungen<br />
für Investitionen schaffen und den Aufwand der Unternehmen<br />
in der betrieblichen Steuerpolitik reduzieren.<br />
Die Kernthemen des Maßnahmenpakets<br />
Einführung einer Gruppenbesteuerung: Die steuerliche<br />
Organschaft wird seit Längerem unter anderem wegen der<br />
engen Anbindung des Gewinnabführungsvertrags an das<br />
Gesellschaftsrecht als zu förmlich und fehleranfällig kritisiert.<br />
Mit der Einführung einer Gruppenbesteuerung soll künftig auf<br />
die deutsche Besonderheit des Gewinnabführungsvertrags als<br />
Voraussetzung der Ergebnisverrechnung im Konzern verzichtet<br />
werden. Dadurch will die Regierung das deutsche Steuerrecht<br />
internationalen Standards weiter annähern. Die verschiedenen<br />
Alternativen sehen flankierend eine Anhebung der Mindestbeteiligungsquote<br />
vor.<br />
Höchstbetrag beim Verlustrücktrag: Er wird, so die<br />
Planung, angehoben, und zwar von derzeit 511.500 auf eine<br />
Million Euro. Zusätzlich möchte Berlin das Wahlrecht bei Höhe<br />
des Rücktrags streichen. Mit der Anhebung des Höchstbetrags<br />
passt sich Deutschland dem französischen Steuerrecht an.<br />
Betriebsstätten im Ausland: Eine Beschränkung der<br />
Berücksichtigung endgültiger Verluste von Betriebsstätten im<br />
Ausland soll missbräuchliche grenzüberschreitende Gestaltungen<br />
verhindern.<br />
Hybride Finanzierung: Auch den Gestaltungsmissbrauch<br />
mittels hybrider Finanzierung will die Koalition bekämpfen.<br />
Dabei handelt es sich um bestimmte Finanzierungen, die in<br />
einem Staat als Fremdkapital, in einem anderen als Eigenkapital<br />
qualifiziert werden und die Vergütungen hierauf im<br />
Quellenstaat als Betriebsausgaben abgezogen und im Empfängerstaat<br />
als Dividenden ermäßigt oder erst gar nicht besteuert<br />
werden.<br />
Ausländische Mitunternehmer: Die Besteuerung der<br />
Sondervergütungen im Inland (als Vorabgewinn) soll zwar<br />
auch dann gelten, wenn sie ausländischen Mitunternehmern<br />
gewährt wird. Faktisch sei dies jedoch – so die Regierungsver-<br />
4 <strong>PwC</strong><br />
treter – nach der Auslegung der Abkommen zur Vermeidung<br />
der Doppelbesteuerung seitens des Bundesfinanzhofs regelmäßig<br />
nicht der Fall: Die Besteuerung soll daher durch eine<br />
gesetzliche Regelung festgeschrieben werden.<br />
Fremdfinanzierter Beteiligungserwerb: Der fremdfinanzierte<br />
Beteiligungserwerb (Leveraged Buy-out) soll<br />
beschränkt werden und so Gestaltungen unterbinden, in denen<br />
erworbene Unternehmen ihren Kaufpreis selbst finanzieren<br />
müssen.<br />
Reisekostenrecht: Das Reisekostenrecht wird in vielen<br />
Punkten als zu kompliziert empfunden: Der bisherige Begriff<br />
der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ bei Fahrtkosten soll neu<br />
gefasst und gesetzlich definiert werden. Bei Verpflegungsmehraufwendungen<br />
und Kosten der Unterkunft sollen die<br />
Abrechnungen laut Entwurf vereinfacht werden.<br />
Vereinfachungen bewirken sollen außerdem:<br />
• eine Umstellung der Verlustabzugsbegrenzung des § 15 a<br />
Einkommensteuergesetz auf das sogenannte Steuerbilanzmodell<br />
und damit eine Loslösung vom Gesellschaftsrecht<br />
• eine weitere Beschränkung der Wertpapierleihe<br />
• die Versagung des Verlustübergangs bei Verschmelzung<br />
einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft<br />
• die Verbindung der Stundung bei grenzüberschreitenden<br />
Entstrickungsvorgängen mit einer Sicherheitsleistung und<br />
entsprechender Verzinsung<br />
Auf der Basis der im Strategiepapier niedergelegten Ergebnisse<br />
will die Regierung nun die Gespräche mit den Ländern und der<br />
Wirtschaft fortsetzen.<br />
Automatischer Informationsaustausch<br />
zwischen USA und EU-Ländern<br />
In einer gemeinsamen Erklärung haben Deutschland, Frankreich,<br />
Großbritannien, Italien, Spanien und die USA ihre<br />
Absicht erklärt, die bilaterale Zusammenarbeit bei der<br />
Bekämpfung der Steuerhinterziehung weiter auszubauen. Die<br />
beteiligten Länder planen, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit<br />
regelmäßig Informationen zu erheben, die für die Besteuerung<br />
relevant sind, und mit den USA automatisch auszutauschen.<br />
Die Einzelheiten werden sich aus einer Vereinbarung<br />
ergeben, die in den kommenden Monaten erarbeitet werden<br />
soll. Die Ziele und Vorteile der geplanten zwischenstaatlichen<br />
Vorgehensweise beschreiben die beteiligten Parteien folgendermaßen:<br />
• keine Vereinbarungen mehr zwischen ausländischen Finanzinstituten<br />
und US-Steuerbehörde<br />
• deutlich mehr Rechtssicherheit und Verfahrenserleichterungen<br />
für die Institute und ihre Kunden
• Austausch relevanter Daten zwischen in- und ausländischen<br />
Finanzbehörden und nicht zwischen Banken und der US-<br />
Steuerbehörde<br />
• Kostensenkung für die ausländischen Finanzinstitute<br />
Weltbank-Studie: Steuerlast sinkt weiter<br />
weltweit<br />
Die Steuer- und Abgabenlast für kleine und mittlere Unternehmen<br />
ist weltweit gesunken. Innerhalb der letzten sechs Jahre<br />
profitierten Betriebe in 123 von insgesamt 183 Staaten von<br />
niedrigeren Steuersätzen, einer Vereinfachung des Steuersystems<br />
sowie weniger Bürokratie. Das geht hervor aus der Studie<br />
Paying Taxes <strong>2012</strong>, die <strong>PwC</strong> zusammen mit der Weltbank und<br />
der International Finance Corporation durchführte. Danach<br />
haben allein 23 Länder Onlinesysteme für die Steuererklärung<br />
oder -zahlung von Unternehmen eingeführt. Überdies fiel der<br />
Anteil aller Steuern und Abgaben am Unternehmensgewinn<br />
(Total Tax Rate) in den vergangenen Jahren im Schnitt auf<br />
44,8 Prozent. Weiterhin nicht zufrieden kann allerdings<br />
Deutschland mit dem Ergebnis der Studie sein. Denn im internationalen<br />
Vergleich hat sich die Wettbewerbsfähigkeit des<br />
Steuerstandorts Deutschland kaum verbessert. Im Gesamtranking,<br />
das neben der Total Tax Rate auch den Verwaltungsaufwand<br />
der Unternehmen bei der Erfüllung ihrer steuerlichen<br />
Pflichten sowie die Anzahl der Steuerzahlungen in einer<br />
Durchschnittsnote zusammenfasst, hat sich Deutschland gegenüber<br />
der Vorjahresstudie um zwei Positionen verbessert.<br />
Das Land belegt aber nach wie vor einen weit abgeschlagenen<br />
Platz (Rang 86!). „Es liegt an den Regierungen, durch die weitere<br />
Vereinfachung des Steuersystems das Investitionsklima zu<br />
verbessern und damit für mehr Wachstum und Wohlstand zu<br />
sorgen. Niedrigere Steuersätze und weniger Bürokratie erleichtern<br />
es den Unternehmen, sich auf ihre eigentlichen Aufgaben<br />
und Wachstumsstrategien zu konzentrieren“, kommentiert<br />
Prof. Dr. Dieter Endres, Steuerexperte und Vorstandsmitglied<br />
bei <strong>PwC</strong>.<br />
Weitere Informationen zur Studie bekommen Sie unter:<br />
www.pwc.de/paying-taxes-<strong>2012</strong>.<br />
Entfernungspauschale bei verkehrsgünstigerer<br />
Strecke<br />
Grundsätzlich kann die Entfernungspauschale nur für die<br />
kürzeste Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte<br />
beansprucht werden. In zwei Urteilen hat der Bundesfinanzhof<br />
(BFH, VI R 19/11 und VI R 46/10) jetzt aber die Anforderungen<br />
an den Begriff der offensichtlich günstigeren Straßenverbindung<br />
gelockert. Der Senat entschied: Grundsätzlich kann<br />
die Entfernungspauschale nur für den kürzesten Weg zwischen<br />
Wohnung und Arbeitsstätte in Anspruch genommen werden –<br />
es sei denn, eine andere Verbindung ist offensichtlich verkehrsgünstiger.<br />
Als verkehrsgünstiger als die kürzeste Verbindung<br />
Steuern aktuell<br />
sei eine Straßenverbindung dann anzusehen, wenn der Arbeitnehmer<br />
eine andere, aber längere Straßenverbindung nutzt<br />
und die Arbeitsstätte auf diese Weise trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen<br />
in der Regel schneller und pünktlicher erreicht.<br />
Die Vorteilhaftigkeit der Strecke müsse auf der Hand<br />
liegen. Mit anderen Worten: Ein unvoreingenommener Verkehrsteilnehmer<br />
hätte unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen<br />
sich ebenfalls für die Benutzung der Strecke entschieden.<br />
Zu vergleichen seien die kürzeste und die vom Arbeitnehmer<br />
regelmäßig benutzte längere Straßenverbindung. Weitere<br />
mögliche, tatsächlich aber nicht benutzte Fahrtstrecken zwischen<br />
Wohnung und Arbeitsstätte blieben dagegen unberücksichtigt.<br />
Es müsse sich aber nicht um die verkehrsgünstigste<br />
Strecke überhaupt handeln. Denn dies hätte die Notwendigkeit<br />
umfangreicher Ermittlungen der Finanzbehörden und der<br />
Finanzgerichte einschließlich weiterer Beweiserhebungen zur<br />
Folge. In jedem Einzelfall müsste nämlich dann unter Einbeziehung<br />
sämtlicher Streckenvarianten geprüft werden, welche<br />
Verbindung als am verkehrsgünstigsten anzusehen ist. Vergleiche<br />
man demgegenüber – so der BFH – lediglich die leicht feststellbare<br />
kürzeste Verbindung mit der vom Steuerpflichtigen<br />
tatsächlich benutzten, entspreche das dem Vereinfachungsgedanken<br />
der gesetzlichen Pauschalierungsregelung. Darüber<br />
hinaus hat der BFH klargestellt: Eine Mindestzeitersparnis von<br />
20 Minuten ist nicht stets erforderlich. Vielmehr seien alle<br />
Umstände des Einzelfalls in die Beurteilung einzubeziehen,<br />
darunter die Streckenführung und die Schaltung von Ampeln.<br />
Eine Straßenverbindung kann somit auch dann offensichtlich<br />
verkehrsgünstiger sein, wenn bei ihrer Benutzung nur eine<br />
ganz geringe Zeitersparnis zu erwarten ist.<br />
Steuer-Identifikationsnummer und<br />
Datenspeicherung verfassungsgemäß<br />
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden (II R 49/10): Die<br />
Zuteilung der Identifikationsnummer und die dafür beim Bundeszentralamt<br />
für Steuern erfolgte Datenspeicherung sind mit<br />
dem Grundgesetz vereinbar. Denn das sei durch überwiegende<br />
Interessen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Steuer-Identifikationsnummer<br />
wird seit August 2008 vom Bundeszentralamt<br />
für Steuern (BZSt) an alle Einwohner versandt (§ 139 b Abgabenordnung).<br />
Deutschland folgt damit dem Beispiel vieler<br />
Nachbarn in der Europäischen Union. Die Einführung der<br />
Identifikationsnummer soll das Besteuerungsverfahren vereinfachen<br />
und die Bürokratie abbauen. Hierzu erhält das zuständige<br />
BZSt von allen Meldebehörden elektronisch die im<br />
Melderegister gespeicherten Daten. Daneben werden auch<br />
lohnsteuererhebliche Daten, wie etwa Religionszugehörigkeit,<br />
Krankenversicherungsbeiträge, Zahl der Lohnsteuerkarten und<br />
Kinder, mit ihrer Identifikationsnummer gespeichert. Die Nummer<br />
besteht aus elf Ziffern, aus denen sich aber keine Rückschlüsse<br />
auf den konkreten Steuerpflichtigen ziehen lassen.<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 5
Titel<br />
Neuregelung des Paragrafen 50 d Absatz 3<br />
Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 27. Oktober<br />
2011 dem sogenannten Beitreibungsrichtlinien-<br />
Umsetzungsgesetz zugestimmt. Das Gesetz trat am<br />
1. Januar <strong>2012</strong> in Kraft. Für international tätige<br />
Unternehmen ist in diesem Gesetzespaket vor allem<br />
die Neufassung der Vorschrift des Paragrafen 50 d Absatz<br />
3 Einkommensteuergesetz von Bedeutung. Diese<br />
Vorschrift versagt Begünstigungen, die sich aus der<br />
Anwendung von EU-Richtlinien und Doppelbesteuerungsabkommen<br />
für die ausländischen Empfänger<br />
dieser Einkünfte ergeben. So werden Dividenden- und<br />
Lizenzerträge ausländischer Empfänger möglicherweise<br />
mit deutscher Abzugssteuer belastet, obwohl die<br />
Mutter-Tochter-Richtlinie sowie die Zins- und Lizenzrichtlinie<br />
der EU oder das Doppelbesteuerungsabkommen<br />
die Freistellung von einer derartigen Besteuerung<br />
an der Quelle oder zumindest die Begrenzung der<br />
Höhe nach vorsehen. Das erhöht den Verwaltungsaufwand<br />
in den beteiligten Unternehmen und reduziert<br />
die im Unternehmensverbund vorhandene Liquidität.<br />
– Worauf Steuerpflichtige achten sollten, fasst <strong>PwC</strong>-<br />
Autor Bertram Früh für Sie zusammen.<br />
Der Grundsatz: Kapitalertragsteuerpflicht<br />
mit Freistellungsmöglichkeit<br />
Beschränkt Steuerpflichtige und damit auch ausländische Anteilseigner<br />
einer inländischen Kapitalgesellschaft sind in<br />
Deutschland nur mit ihren inländischen Einkünften steuerpflichtig.<br />
Zu den beschränkt steuerpflichtigen inländischen<br />
Einkünften gehören zum Beispiel auch Erträge aus Dividenden<br />
und Lizenzen. Die Erhebung der Steuer erfolgt zum Teil im<br />
Rahmen des Abzugs an der Quelle (Quellensteuer, Kapitalertragsteuer)<br />
durch den Vergütungsschuldner. So ist bei Dividenden<br />
eine Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 Prozent zuzüglich<br />
Solidaritätszuschlag mit 5,5 Prozent durch die ausschüttende<br />
inländische Kapitalgesellschaft einzubehalten. Die effektive<br />
Gesamtsteuerbelastung des beschränkt steuerpflichtigen aus-<br />
6 <strong>PwC</strong><br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … welche Fallkonstellationen Paragraf 50 d Absatz<br />
3 Einkommensteuergesetz erfasst.<br />
• … welche Abweichungen von der bisherigen Regelung<br />
zu erwarten sind.<br />
• … welche Unklarheiten bei der Anwendung der<br />
neuen Vorschrift verbleiben.<br />
ländischen Anteilseigners auf die inländische Dividende<br />
beträgt somit insgesamt 26,375 Prozent.<br />
Der Steuerabzug an der Quelle hat für beschränkt Steuerpflichtige<br />
abgeltende Wirkung. Das bedeutet: Die Quellensteuer ist<br />
für diese Empfänger eine definitive Steuerbelastung und kann<br />
nicht im Rahmen einer Steuerveranlagung reduziert werden.<br />
Im Vergleich dazu können unbeschränkt steuerpflichtige inländische<br />
Anteilseigner einer inländischen Kapitalgesellschaft die<br />
einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer im Rahmen<br />
der eigenen Veranlagung zur Körperschaftsteuer anrechnen.<br />
Für den Fall einer Verlustsituation des Anteilseigners wird die<br />
einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer an den<br />
Anteilseigner erstattet. Im Ergebnis ist die Kapitalertragsteuer<br />
lediglich eine Vorauszahlung auf die eigene Körperschaftsteuerschuld<br />
des inländischen Anteilseigners. Steuerbefreiungen<br />
für bestimmte Einkünfte können im Rahmen der Veranlagung<br />
ebenfalls berücksichtigt werden.<br />
Internationale Regelungen<br />
Um Doppelbesteuerung im ausländischen Staat des Empfängers<br />
und im Staat der Einkunftsquelle zu vermeiden, hat die<br />
Bundesrepublik Deutschland Abkommen auf dem Gebiet der<br />
Steuern von Einkommen und von Vermögen (DBA) abgeschlossen.<br />
Sie enthalten Regelungen, die das Recht der Besteuerung<br />
für bestimmte Einkünfte einem Staat zuweisen oder<br />
den zulässigen Steuerabzug an der Quelle der Höhe nach begrenzen.<br />
So kann bei Dividendeneinkünften nach vielen DBA<br />
eine Reduzierung der Besteuerung an der Quelle bei Vorliegen<br />
bestimmter weiterer qualifizierender Merkmale auf zehn oder<br />
fünf Prozent erreicht werden.<br />
Auf europäischer Ebene ist den Mitgliedstaaten durch die Mutter-Tochter-Richtlinie<br />
sowie die Zins- und Lizenzrichtlinie der<br />
EU aufgetragen worden, die entsprechenden Zahlungen unter<br />
den in den Richtlinien genannten Voraussetzungen von einer<br />
Besteuerung an der Quelle freizustellen.<br />
Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 50 d Absatz<br />
3 Einkommensteuergesetz (EStG) die Gewährung dieser<br />
vollständigen oder teilweisen Freistellung von deutscher Quellensteuer<br />
von bestimmten weiteren Merkmalen abhängig gemacht,<br />
um Missbräuche zu verhindern.<br />
Die bis zum 31. Dezember 2011 geltende Regelung lautete wie<br />
folgt:<br />
„Eine ausländische Gesellschaft hat keinen Anspruch auf völlige<br />
oder teilweise Entlastung nach Abs. 1 oder Abs. 2 (des § 50<br />
d EStG: Anmerkung des Verfassers), soweit Personen an ihr
Einkommensteuergesetz: Alles wie gehabt?<br />
beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustünde,<br />
wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten und<br />
1. für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche<br />
oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder<br />
2. die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent<br />
ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahrs<br />
aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder<br />
3. die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck<br />
angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb<br />
am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.“<br />
Beabsichtigte Wirkung: Es soll verhindert werden, dass substanzarme<br />
Domizilgesellschaften zwischen die ausschüttende<br />
inländische Kapitalgesellschaft und den letztlich nicht abkommens-<br />
oder entlastungsberechtigten wirtschaftlichen Empfänger<br />
der Dividende oder Lizenzzahlung geschaltet werden, um<br />
von der Mutter-Tochter-Richtlinie, der Zins- und Lizenzrichtlinie<br />
beziehungsweise einem entsprechenden DBA zu profitieren.<br />
EU-Kommission: Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht<br />
Die Europäische Kommission hat die starre Zehn-Prozent-<br />
Regelung zum Anlass genommen, Deutschland offiziell zur<br />
Änderung dieser einschränkenden und aus Sicht der EU-Kommission<br />
gemeinschaftsrechtswidrigen, weil unverhältnismäßigen<br />
Regelung aufzufordern. Die Kommission bemängelte<br />
insbesondere: Der ausländische Anteilseigner, der weniger als<br />
zehn Prozent seiner gesamten Bruttoerträge des betreffenden<br />
Wirtschaftsjahrs aus eigener Wirtschaftstätigkeit erziele, habe<br />
keine Möglichkeit, den Gegenbeweis zu führen, dass die Zwischenschaltung<br />
einer ausländischen Gesellschaft nicht missbräuchlich<br />
sei.<br />
Am einfachsten wäre es gewesen, die Regelung des § 50 d Absatz<br />
3 EStG komplett zu streichen und damit die Vorteile aus<br />
den DBA oder der Mutter-Tochter-Richtlinie ungeschmälert<br />
und ohne weitere einschränkende Voraussetzungen zu gewähren.<br />
Missbrauchsfällen hätte auch mit der allgemeinen Missbrauchsvorschrift<br />
des § 42 Abgabenordnung begegnet werden<br />
können.<br />
Der Wortlaut des neuen Paragrafen 50 d<br />
Absatz 3 Einkommensteuergesetz und<br />
Grundfälle<br />
Der deutsche Gesetzgeber wählte einen anderen Weg und modifizierte<br />
die angegriffene Vorschrift des § 50 d Absatz 3 EStG.<br />
Die modifizierte Regelung ist in einigen Bereichen unklar. Wel-<br />
che Bereiche davon betroffen sind, erfahren Sie in den folgenden<br />
Absätzen.<br />
Titel<br />
Die neue, ab 1. Januar <strong>2012</strong> geltende Regelung hat folgenden<br />
Wortlaut:<br />
„Eine ausländische Gesellschaft hat keinen Anspruch auf völlige<br />
oder teilweise Entlastung nach Abs. 1 oder Abs. 2 (des § 50<br />
d EStG: Anmerkung des Verfassers), soweit Personen an ihr beteiligt<br />
sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustünde,<br />
wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und die<br />
von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr<br />
erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit<br />
stammen, sowie<br />
1. in Bezug auf diese Erträge für die Einschaltung der ausländischen<br />
Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche<br />
Gründe fehlen oder<br />
2. die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck<br />
angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb<br />
am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.“<br />
Der erste Halbsatz der neuen Regelung ist mit der bisher geltenden<br />
Regelung identisch. Die bisherige Nummer 2 der Vorgängerregelung<br />
ist nun direkt in Satz 1 ohne Bezugnahme auf<br />
die Zehn-Prozent-Grenze enthalten. Die Bezugnahme auf die<br />
gesamten Bruttoerträge entfällt. Stattdessen wird in der Regelung<br />
nur noch auf die Bruttoerträge verwiesen.<br />
Aus dem geänderten Wortlaut („Bruttoerträge“ statt „gesamte<br />
Bruttoerträge“) lässt sich nicht schließen, dass nicht die gesamten<br />
weltweiten Bruttoerträge der ausländischen Gesellschaft<br />
als Vergleichsmaßstab heranzuziehen sind, sondern nur<br />
die inländischen Bruttoerträge, für die eine Freistellung angestrebt<br />
wird. Diese Auslegung wird auch vom Bundesfinanzministerium<br />
(BMF) im Schreiben vom 24. Januar <strong>2012</strong> dort unter<br />
„2. Anwendungsbereich“ vertreten. Die Entlastung soll danach<br />
nur im Verhältnis der unschädlichen Bruttoerträge zu den im<br />
Wirtschaftsjahr insgesamt erzielten Bruttoerträgen der ausländischen<br />
Gesellschaft gewährt werden (Aufteilungsklausel).<br />
Die Neufassung wählt ebenfalls eine Negativformulierung<br />
(„hat keinen Anspruch auf“). Die Vorteile aus den DBA beziehungsweise<br />
der Mutter-Tochter-Richtlinie sowie der Zins- und<br />
Lizenzrichtlinie sind nur dann zu versagen, wenn beide Tatbestandsmerkmale<br />
kumulativ vorliegen. Die Rechtsfolge der<br />
teilweisen („soweit“) oder vollständigen Versagung der Begünstigungen<br />
erfordert das Fehlen begünstigter Anteilseigner<br />
(persönliche Entlastungsberechtigung) sowie das Fehlen von<br />
unschädlichen Erträgen (sachliche Entlastungsberechtigung).<br />
Unschädliche Erträge sind solche aus eigener Wirtschaftstätigkeit,<br />
aber auch solche aus nicht eigenwirtschaftlicher Tätigkeit,<br />
wenn für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirt-<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 7
Titel<br />
schaftliche oder sonst beachtliche Gründe bestehen (Nummer<br />
1) und die Gesellschaft mit einem angemessen eingerichteten<br />
Geschäftsbetrieb am wirtschaftlichen Leben teilnimmt.<br />
Wären also an einer ausländischen Gesellschaft nur Anteilseigner<br />
beteiligt, die in eigener Person unter Berücksichtigung des<br />
§ 50 d Absatz 3 EStG die vollständige Entlastung begehren<br />
könnten, und würden sie die Einkünfte unmittelbar erzielen,<br />
so wäre die Freistellung zu gewähren, selbst wenn die zwischengeschaltete<br />
ausländische Gesellschaft im betreffenden<br />
Wirtschaftsjahr ausschließlich schädliche Bruttoerträge erzielt<br />
hätte. Das gleiche Ergebnis würde gelten, wenn zwar an der<br />
zwischengeschalteten ausländischen Gesellschaft ausschließlich<br />
nicht berechtigte Anteilseigner beteiligt wären, die zwischengeschaltete<br />
ausländische Gesellschaft aber ausschließlich<br />
unschädliche Bruttoerträge zum Beispiel aus eigener Wirtschaftstätigkeit<br />
generieren würde. Ein Missbrauch durch Zwischenschaltung<br />
einer ausländischen Gesellschaft wäre somit<br />
nicht anzunehmen.<br />
Das Ergebnis ist in Abbildung 1 am Beispiel einer Dividendenausschüttung<br />
dargestellt.<br />
Anwendung der Aufteilungsklausel<br />
Die Aufteilungsklausel, vertreten durch das Wort „soweit“,<br />
umfasst nach Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-<br />
Schreiben – dort unter „1. Allgemeines“ – sowohl den Anteilseigner<br />
als auch die schädlichen Einkünfte. Dies führt bei<br />
mehrgliedrigen Beteiligungsketten durchaus zu Berechnungsaufwand,<br />
wie Ihnen das stark vereinfachte Beispiel in Abbildung<br />
2 zeigt.<br />
Auf der Ebene der NL BV ist in einem ersten Schritt zu unterscheiden<br />
zwischen den unschädlichen, aus eigener Wirt-<br />
Dividende<br />
8 <strong>PwC</strong><br />
UK Ltd<br />
NL BV<br />
DE GmbH<br />
100%<br />
„unschädliche“<br />
0%<br />
„unschädliche“<br />
Dividende<br />
Bermudas<br />
NL BV<br />
DE GmbH<br />
schaftstätigkeit stammenden Einkünften (Anteil 60 Prozent)<br />
und den schädlichen, nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit<br />
stammenden Einkünften (Anteil 40 Prozent).<br />
Die unschädlichen Einkünfte in Höhe von 60 Prozent der NL<br />
BV verhindern anteilig, dass die Versagungsvorschrift anwendbar<br />
ist, denn für eine Versagung der Begünstigungen müssen<br />
sowohl die persönliche als auch die sachliche Entlastungsberechtigung<br />
fehlen. Die sachliche Entlastungsberechtigung ist<br />
hier mit 60 Prozent der Einkünfte der NL BV gegeben. Der Umstand,<br />
dass eine natürliche Person auf den Bermudas als nicht<br />
begünstigter Anteilseigner an der NL BV beteiligt ist, spielt bei<br />
den unschädlichen Einkünften keine Rolle.<br />
Anders bei den schädlichen Einkünften (Anteil 40 Prozent).<br />
Hier fehlt die sachliche Entlastungsberechtigung und es ist zu<br />
prüfen, ob die Anteilseigner der NL BV ihrerseits in eigener<br />
Person nach § 50 d Absatz 3 EStG entlastungsberechtigt wären,<br />
würden sie die Einkünfte unmittelbar erzielen (persönliche<br />
Entlastungsberechtigung). Die begünstigte Anteilseignerin UK<br />
Ltd und die nicht begünstigte natürliche Person als Anteilseigner<br />
sind jeweils zu 70 beziehungsweise 30 Prozent an der NL<br />
BV beteiligt. Für den Anteil der schädlichen Einkünfte von<br />
40 Prozent kann nur zu 70 Prozent über die UK Ltd die Begünstigung<br />
erreicht werden. Die Funktionsvoraussetzungen sind<br />
bei der UK Ltd wegen der gänzlich unschädlichen Erträge erfüllt.<br />
Für die verbleibenden 30 Prozent des über die Bermudas<br />
gehaltenen Anteils fehlt schon die persönliche Entlastungsberechtigung<br />
der natürlichen Person. Eine Freistellung kommt<br />
insoweit nicht in Betracht.<br />
In der Summe ergibt sich eine anteilige Freistellung der Dividendenzahlung<br />
von der DE GmbH an die NL BV von deutscher<br />
Kapitalertragsteuer in Höhe von 88 Prozent (aus 60 Prozent<br />
plus).<br />
100%<br />
„unschädliche“<br />
Dividende<br />
Bermudas<br />
Freistellung Freistellung keine Freistellung<br />
Abb. 1: Freistellung bei einer Dividendenausschüttung<br />
NL BV<br />
DE GmbH<br />
0%<br />
„unschädliche“
UK Ltd<br />
Dividende<br />
100% „unschädliche“<br />
70% 30%<br />
NL BV<br />
DE GmbH<br />
60% „unschädliche“<br />
40% „schädliche“<br />
Bermudas<br />
Abb. 2: Berechnungsmethode bei mehrgliedrigen Beteiligungsketten<br />
Unterscheidung zwischen unschädlichen<br />
und schädlichen Einkünften<br />
Wie Sie den Ausführungen entnehmen konnten, kommt es<br />
entscheidend auf die Qualifikation der Einkünfte der empfangenden<br />
Gesellschaft an. Liegen unschädliche Einkünfte vor,<br />
besteht insoweit die Möglichkeit der Freistellung. Liegen<br />
schädliche Einkünfte vor, kommt es auf die Entlastungsberechtigung<br />
auf Ebene der Anteilseigner der Gesellschaft an. Im<br />
Ergebnis wird die Prüfung der Entlastungsberechtigung eine<br />
Stufe nach oben verlegt.<br />
Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit sind nach<br />
Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben, dort<br />
„5. Eigene Wirtschaftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft“,<br />
auch solche Einkünfte, die mit der eigenen Wirtschaftstätigkeit<br />
derselben Gesellschaft in einem funktionalen<br />
Zusammenhang stehen. Darüber hinaus sind Zinserträge, die<br />
aus der Anlage von unschädlichen Einkünften erzielt werden,<br />
ebenfalls unschädliche Einkünfte.<br />
Die eigene Wirtschaftstätigkeit setzt nach Auffassung der<br />
Finanzverwaltung eine über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung<br />
hinausgehende Teilnahme am allgemeinen<br />
wirtschaftlichen Verkehr voraus, was auch durch die Erbringung<br />
von fremdüblich entgoltenen Dienstleistungen gegenüber<br />
einer oder mehreren Konzerngesellschaften erreicht werden<br />
kann. Die Gesellschaft muss dazu am dortigen Marktgeschehen<br />
im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit aktiv,<br />
ständig und nachhaltig teilnehmen. Bei Beteiligungen soll eine<br />
aktive Beteiligungsverwaltung für die Annahme einer eigenen<br />
Wirtschaftstätigkeit erforderlich sein. Diese wäre gegeben,<br />
wenn eine Beteiligung von einigem Gewicht erworben würde,<br />
um gegenüber den Gesellschaften, an denen die Beteiligung<br />
Titel<br />
besteht, geschäftsleitende Funktionen wahrzunehmen. Bei<br />
reinen Holdinggesellschaften muss die geschäftsleitende Funktion<br />
gegenüber mehreren Gesellschaften ausgeübt werden.<br />
Insgesamt soll nach Vorstellung des BMF die Beschränkung auf<br />
die Wahrnehmung der gesellschaftsrechtlichen Mitgliedsrechte<br />
nur eine passive Beteiligungsverwaltung darstellen, die<br />
nicht ausreichend sein soll. Aus der Sicht des BMF folgerichtig<br />
sind Dividendenerträge, aber auch Zins- und Lizenzerträge aus<br />
geleiteten Tochtergesellschaften unschädliche Bruttoerträge<br />
im Sinne des § 50 d Absatz 3 EStG.<br />
Die Abgrenzung zwischen unschädlichen und schädlichen Einkünften<br />
kann in Einzelfällen schwierig sein. Das Merkmal der<br />
durch den funktionalen Zusammenhang mit der eigenen Wirtschaftstätigkeit<br />
verbundenen Bruttoerträge lässt Raum für<br />
verschiedene Auffassungen. Liegt ein solcher funktionaler Zusammenhang<br />
bereits vor, wenn eine ausländische Produktionsgesellschaft<br />
von ihrer deutschen Tochtervertriebsgesellschaft<br />
eine Lizenzzahlung erhält, oder muss die ausländische Gesellschaft<br />
ihrerseits ebenfalls eine wenigstens teilweise ausgeübte<br />
Vertriebstätigkeit entfalten? Gerade bei diesem elementaren<br />
Abschnitt der Beschreibung der unschädlichen Bruttoerträge<br />
wäre seitens des BMF eine klarere Positionierung wünschenswert<br />
gewesen. Diese Unschärfe bestand auch schon bezüglich<br />
der bisher geltenden Regelung, doch wirkte sie sich nicht so<br />
dramatisch aus. Für viele ausländische Anteilseigner war es<br />
möglich, zehn Prozent der Bruttoerträge aus unstrittig eigener<br />
Wirtschaftstätigkeit nachzuweisen, was den Weg zu einer vollständigen<br />
Freistellung eröffnete.<br />
Nach den Ausführungen im BMF-Schreiben besteht die Möglichkeit,<br />
dass gerade die Dividendenerträge, für welche die<br />
Freistellung nach der Mutter-Tochter-Richtlinie erreicht werden<br />
soll, bei der empfangenden ausländischen Gesellschaft zu<br />
schädlichen Einkünften führt, was in einer (partiellen) Versagung<br />
der Freistellung mündet. Stammt die Dividende aus einer<br />
nicht geleiteten deutschen Tochtergesellschaft, bei der sich der<br />
Gesellschafter auf die Wahrnehmung von Gesellschafterrechten<br />
beschränkt (passive Beteiligungsverwaltung), qualifizieren<br />
die Beteiligungserträge als nicht aus eigner Wirtschaftstätigkeit<br />
stammend. Das hätte zur Folge, dass die Dividendenzahlung<br />
der Sachgrund für die Begrenzung beziehungsweise<br />
Versagung der eigenen Freistellung ist. Zwar scheint das folgerichtig<br />
zu sein, ist aber dennoch überraschend und erscheint in<br />
der Begründung zirkulär.<br />
Bei Holdinggesellschaften ist daher der Nachweis einer aktiven<br />
Beteiligungsverwaltung unverzichtbar. Die geeignete Dokumentation<br />
ist vorzuhalten, aus der sich die geschäftsleitende,<br />
tatsächliche Einflussnahme auf die Beteiligungsgesellschaft<br />
ergibt.<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 9
Titel<br />
Freistellung trotz schädlicher Einkünfte –<br />
die Ausnahmen der Nummern 1 und 2<br />
Die Nummern 1 und 2 in § 50 d Absatz 3 EStG sind mit dem<br />
Hauptbestandteil der Vorschrift durch das Wort „sowie“ verbunden,<br />
was als „und“ gelesen werden darf. Die Formulierung<br />
legt ein aufzählendes, additives Vorliegen der einzelnen Tatbestandsmerkmale<br />
nahe. Die Formulierung „in Bezug auf diese<br />
Erträge“ in § 50 d Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 EStG deutet darauf<br />
hin, dass es sich um die Erträge handelt, die nicht aus eigener<br />
Wirtschaftstätigkeit stammen. Weiterhin sind die Nummern 1<br />
und 2 miteinander durch das Wort „oder“ verbunden. Bei<br />
Negationen ist dieses „oder“ ebenfalls wie ein „und“ zu lesen.<br />
Unter Beachtung der Nummern 1 und 2 des § 50 d Absatz 3<br />
EStG und ungeachtet einer persönlichen Entlastungsberechtigung<br />
des Anteilseigners besteht demnach ein Anspruch auf<br />
Freistellung, soweit:<br />
• die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr<br />
erzielten Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit<br />
stammen oder<br />
• in Bezug auf die nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden<br />
Erträge für die Einschaltung der ausländischen<br />
Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe<br />
bestehen und die ausländische Gesellschaft mit einem für<br />
ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb<br />
am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.<br />
Die Tatbestände in den Nummern 1 und 2 haben eine heilende<br />
Wirkung: Schädliche Bruttoerträge, die nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit<br />
stammen, werden wie unschädliche Bruttoerträge<br />
aus eigener Wirtschaftstätigkeit behandelt, wenn die<br />
Tatbestandsmerkmale der Nummern 1 und 2 erfüllt sind.<br />
10 <strong>PwC</strong><br />
UK Ltd<br />
Dividende<br />
100% „unschädliche“<br />
70% 30%<br />
NL BV<br />
DE GmbH<br />
Bermudas<br />
60% „eigenwirtschaftliche“<br />
40% „nicht eigenwirtschaftliche“<br />
Dies bedeutet Folgendes: Gelingt der empfangenden ausländischen<br />
Gesellschaft der Nachweis, dass in Bezug auf die schädlichen<br />
Erträge wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe<br />
für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft bestehen<br />
und dass sie mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen<br />
eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen<br />
Verkehr teilnimmt, wird die schädliche Wirkung aufgehoben.<br />
Eine Freistellung der Dividende kann, wie Sie in Abbildung<br />
3 sehen, in diesem Fall vollumfänglich erfolgen.<br />
Die Schwierigkeit des Nachweises der wirtschaftlichen Gründe<br />
besteht allerdings darin, dass dieser in Bezug auf die „schädlichen“<br />
Einkünfte und nicht auf die Zwischenschaltung der Gesellschaft<br />
als solcher erfolgen soll. Dadurch muss die<br />
ausländische Gesellschaft begründen, warum die schädlichen<br />
Einkünfte bei ihr und nicht bei einer anderen (Konzern-)Gesellschaft<br />
angefallen sind.<br />
Auf den ersten Blick scheint die Finanzverwaltung im BMF-<br />
Schreiben unter Textziffer 6 eine Hilfestellung anzubieten: Ein<br />
wirtschaftlicher Grund soll besonders dann vorliegen, wenn<br />
die ausländische Gesellschaft eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit<br />
plant und sich Aktivitäten in dieser Richtung nachweisen<br />
lassen. Die neben einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit einer<br />
ausländischen Gesellschaft anfallenden schädlichen Einkünfte<br />
wären damit generell unschädlich.<br />
Auf den zweiten Blick wird anhand des in Textziffer 6 genannten<br />
Beispiels klar, dass wirtschaftliche Gründe wie die geplante<br />
Aufnahme einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit in Bezug auf<br />
die nicht eigenwirtschaftlichen Erträge vorliegen müssen. Das<br />
BMF geht im Beispiel offenbar davon aus, dass neben den eigenwirtschaftlichen<br />
Erträgen auch nicht eigenwirtschaftliche<br />
Erträge vorliegen können, welche nur partiell durch wirtschaftliche<br />
Gründe gedeckt sind. Der Weg der Umdeutung von<br />
UK Ltd<br />
Dividende<br />
70% 30%<br />
NL BV<br />
DE GmbH<br />
Freistellung 88 Prozent Freistellung 100 Prozent<br />
Abb. 3: Freistellung der Dividende in vollem Umfang durch Substanz und wirtschaftliche Gründe<br />
Bermudas<br />
60% „eigenwirtschaftliche“<br />
40% „nicht eigenwirtschaftliche“<br />
plus wirtschaftliche Gründe<br />
plus substanzieller Geschäftsbetrieb
schlechten Erträgen in gute allein deshalb, weil neben diesen<br />
noch Erträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit bestehen, scheint<br />
nicht gangbar.<br />
Das wird in vielen Fällen dazu führen, dass wirtschaftlich<br />
durchweg aktive Gesellschaften, deren Geschäftszweck aktive<br />
Produktion, Vertrieb oder aktive Beteiligungsverwaltung ist,<br />
durch gleichsam als Nebeneinkünfte bestehende schädliche<br />
Bruttoerträge die Freistellung von deutscher Quellensteuer zumindest<br />
partiell verlieren würden. Die Frage nach der Vereinbarkeit<br />
einer solchen Interpretation mit Verfassungsrecht oder<br />
europäischem Gemeinschaftsrecht ist mit Händen zu greifen.<br />
Von einer Vorschrift zur Abwehr von Missbrauch, wie sie der<br />
Gesetzgeber einst plante, ist diese Regelung unsäglich weit<br />
entfernt. Hier wird sich die EU-Kommission gegebenenfalls<br />
nochmals positionieren müssen, sonst wird das der Europäische<br />
Gerichtshof tun. – Hier liegt der Schwachpunkt des BMF-<br />
Schreibens: Eine Klärung tut not, wie die Finanzverwaltung<br />
damit umgehen will.<br />
Vieles bleibt beim Alten<br />
Die besondere Bedeutung der Definition der „Erträge aus eigener<br />
Wirtschaftstätigkeit“ ist an den dargestellten Fallbeispielen<br />
deutlich erkennbar.<br />
Das BMF hat im Schreiben vom 3. April 2007 zur bisherigen<br />
Regelung des § 50 d Absatz 3 EStG sein Verständnis von eigener<br />
Wirtschaftstätigkeit näher erläutert. Zwar ist durch das<br />
neue Schreiben vom 24. Januar <strong>2012</strong> das BMF-Schreiben vom<br />
3. April 2007 aufgehoben worden. Die entsprechenden Vorschriften<br />
zur eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit wurden aber<br />
entsprechend übernommen, sodass trotz Abgrenzungsschwierigkeiten<br />
im Einzelfall keine Änderung der Rechtslage durch<br />
die Neuregelung eintritt. Haben ausländische Anteilseigner<br />
Dividende<br />
Bahamas<br />
NL BV<br />
DE GmbH<br />
Freistellung 60 Prozent<br />
Abb. 4: Anteilige Freistellung<br />
60% „eigenwirtschaftliche“<br />
40% „nicht eigenwirtschaftliche“<br />
ohne wirtschaftliche Gründe<br />
ohne substanziellen Geschäftsbetrieb<br />
bisher eine von den Finanzbehörden anerkannte eigene Wirtschaftstätigkeit<br />
ausgeübt, so wird dies bei unveränderten Fakten<br />
auch in Zukunft so sein.<br />
Titel<br />
Das gilt im Übrigen auch für die Interpretation der „wirtschaftlichen<br />
oder sonst beachtlichen Gründe“ (ohne die dargestellte<br />
Unsicherheit in Bezug auf die Definition des wirtschaftlichen<br />
Grundes für die schädlichen Erträge) und der Teilnahme am<br />
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sowie des Vorliegens<br />
eines für den Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetriebs.<br />
Auch für diese Tatbestandsmerkmale kann im<br />
Wesentlichen auf das bisherige Verständnis durch die Finanzbehörden<br />
zurückgegriffen werden, die auch dem neuen BMF-<br />
Schreiben zugrunde liegt.<br />
Konsequenzen der Neuregelung<br />
Nach der Gesetzesbegründung werden nur insoweit keine Abkommens-<br />
und Richtlinienvorteile mehr gewährt, als die Bruttoerträge<br />
nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen und<br />
die übrigen Ausschlussgründe vorliegen.<br />
Aus dieser Zielvorstellung des Gesetzgebers lässt sich zweierlei<br />
entnehmen:<br />
1. Erträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit im betreffenden<br />
Jahr führen zu einer anteiligen Freistellung, selbst wenn die<br />
ausländische Gesellschaft substanzarm ist und die „schädlichen“,<br />
nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden<br />
Bruttoerträge nicht durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche<br />
Gründe geheilt werden können.<br />
2. Sind die nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden<br />
Bruttoerträge durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche<br />
Gründe geheilt und nimmt die ausländische Gesellschaft<br />
mit einem angemessen ausgestatteten Geschäftsbetrieb am<br />
wirtschaftlichen Verkehr teil, so sind auch die nicht aus<br />
Dividende<br />
Bahamas<br />
NL BV<br />
DE GmbH<br />
Freistellung 88 Prozent<br />
60% „eigenwirtschaftliche“<br />
40% „nicht eigenwirtschaftliche“<br />
zu 70% mit wirtschaftlichen Gründen<br />
und mit substanziellem Geschäftsbetrieb<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 11
Titel<br />
eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden Bruttoerträge<br />
entlastungsberechtigend zu berücksichtigen.<br />
Sind die wirtschaftlichen Gründe aber nur teilweise geeignet,<br />
die nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden Erträge<br />
zu heilen, so erfolgt eine ebenfalls nur anteilige Freistellung,<br />
da es in Höhe der nicht gedeckten Bruttoerträge bei schädlichen<br />
Erträgen verbleibt.<br />
Unterschiede in der Anwendung<br />
Aus dem Gesagten lässt sich verkürzt formulieren: Eine Entlastung<br />
kann nicht begehrt werden, soweit bei der ausländischen<br />
Gesellschaft die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:<br />
• An der ausländischen Gesellschaft sind nicht berechtigte<br />
Anteilseigner beteiligt.<br />
• Die ausländische Gesellschaft erzielt Bruttoerträge, die<br />
nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen (schädliche<br />
Erträge).<br />
• Die schädlichen Erträge können nicht durch wirtschaftliche<br />
oder sonst beachtliche Gründe und einen angemessen eingerichteten<br />
Geschäftsbetrieb geheilt werden.<br />
Der augenscheinliche Unterschied ist, dass in der bis zum<br />
31. Dezember 2011 geltenden Fassung das Ausschlusskriterium<br />
der Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit dann<br />
unbeachtlich ist, wenn die Grenze von zehn Prozent überschritten<br />
und das Tor der Entlastungsberechtigung damit<br />
durchschritten wird. In der neuen Fassung wird auch nach<br />
Überschreiten der Zehn-Prozent-Grenze die Frage nach dem<br />
Anteil der unschädlichen Bruttoerträge beantwortet werden<br />
müssen, falls nicht entgegen dem BMF-Schreiben die Auffassung<br />
vertreten werden kann, ein wirtschaftlicher Grund sei<br />
bereits in der Ausübung der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit zu<br />
sehen, aus der die unschädlichen Erträge geschaffen werden.<br />
Dividende<br />
Abb. 5: Fallbeispiel<br />
12 <strong>PwC</strong><br />
Bahamas<br />
NL BV<br />
DE GmbH<br />
8% „eigenwirtschaftliche“<br />
(alternativ: 70%)<br />
92% (30%) „nicht eigenwirtschaftliche“<br />
mit wirtschaftlichen Gründen<br />
und mit<br />
substanziellem Geschäftsbetrieb<br />
Die natürliche Person B auf den Bahamas ist nicht entlastungsberechtigt.<br />
Die NL BV erzielt nur acht Prozent (alternativ: 70<br />
Prozent) ihrer Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahrs<br />
aus eigener Wirtschaftstätigkeit. Annahmegemäß sollen aber<br />
für die Einschaltung der niederländischen BV als solcher und<br />
für die nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden<br />
Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahrs wirtschaftliche<br />
oder sonst beachtliche Gründe vorhanden sein. Die NL BV<br />
nimmt mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten<br />
Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen<br />
Verkehr teil.<br />
Für den Fall im Jahr 2011 gilt: Die Dividendenerträge<br />
sind einer Entlastung von deutscher Kapitalertragsteuer nicht<br />
zugänglich, da der Ausschlussgrund Nummer 2 in Verbindung<br />
mit dem Merkmal des nicht eigenständig entlastungsberechtigten<br />
Anteilseigners vorliegt. In der Alternative wären die Dividendenerträge<br />
vollständig von deutscher Kapitalertragsteuer<br />
zu befreien, wenn die sonstigen Voraussetzungen der Mutter-<br />
Tochter-Richtlinie gegeben sind.<br />
Für den Fall im Jahr <strong>2012</strong> gilt: Die Dividendenerträge der<br />
NL BV sind vollständig von der deutschen Kapitalertragsteuer<br />
freizustellen. Zwar ist B nicht entlastungsberechtigt, jedoch<br />
liegt hinsichtlich der aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden<br />
Bruttoerträge in Höhe von acht Prozent eine Entlastungsberechtigung<br />
auf Ebene der NL BV vor und bezüglich der<br />
nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden Erträge<br />
sind die sonstigen Ausschlussgründe nicht erfüllt (annahmegemäß:<br />
beachtliche Gründe und Substanz). Der in der Alternative<br />
dargestellte Anteil von 70 Prozent der Bruttoerträge, die<br />
aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, hat auf die Entlastungsberechtigung<br />
der NL BV keinen weiteren Einfluss.<br />
Fazit<br />
Die neue Vorschrift ist in Teilen unklar formuliert und führt zu<br />
Verwirrung über den Anwendungsbereich. Die gewählte Form<br />
der Addition von Negationen erschwert das Lesen.<br />
Ein Grund für allgemeine, hektische Betriebsamkeit ist die<br />
Änderung des § 50 d Absatz 3 EStG nicht. Dass ausländische<br />
Gesellschaften einen angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb<br />
aufweisen und sich am allgemeinen wirtschaftlichen<br />
Verkehr beteiligen müssen und dass diese Gesellschaften ihre<br />
Daseinsberechtigung aus wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen<br />
Gründen herleiten müssen, ist aus steuerlicher Perspektive<br />
ein alter Hut. Dennoch sind nachteilige Rechtsfolgen aus<br />
der Änderung der Rechtslage in entsprechend gelagerten Fällen<br />
nicht auszuschließen. Die sorgfältige Prüfung im Einzelfall<br />
ist notwendig. Daher ist anzuraten, dass (Holding-)Gesellschaften<br />
mehr Augenmerk auf die Dokumentation ihrer<br />
geschäftsleitenden Aktivitäten legen, um die aktive Beteiligungsverwaltung<br />
belegen zu können. Auch wird es zu empfeh-
len sein, die Zins- und Lizenzströme im Konzern zu analysieren,<br />
um die bestehenden wirtschaftlichen Gründe für diese<br />
Zahlungsströme darlegen zu können. Gelingt das nicht, könnten<br />
ausländische Unternehmen mit der neuen Regelung<br />
schlechter gestellt werden, als sie dies bei der Vorgängerregelung<br />
waren.<br />
Dem Steuerpflichtigen wäre geholfen, wenn er weitere Aufklärung<br />
zu den Aspekten des funktionalen Zusammenhangs<br />
von Tätigkeiten, der wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit auch<br />
in Bezug auf Lizenzen und der Rechtfertigung durch wirtschaftliche<br />
Gründe erhalten würde. Letzteres ist unabdingbar.<br />
Wenn eine geplante oder bereits ausgeübte eigenwirtschaftliche<br />
Tätigkeit als rechtfertigender wirtschaftlicher Grund<br />
angesehen werden könnte, der die grundsätzliche Schädlichkeit<br />
der nicht aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit stammenden<br />
Bruttoerträge aufhebt, so wäre diese Interpretation der<br />
Geltung allgemeiner Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtsprinzipien<br />
förderlich. Die Regelung käme ihrer Funktion einer<br />
besonderen Missbrauchsvorschrift nach – ungeachtet gewisser<br />
Überschneidungen mit anderen Vorschriften – und wäre praktikabel.<br />
Falls das vonseiten der Finanzverwaltung auch in Zukunft<br />
anders gesehen wird, wird die neue Regelung nur für<br />
zwei Anwendergruppen ein Quell der Freude sein: Germanisten<br />
und Mathematiker.<br />
Fundstelle<br />
BMF, Schreiben vom 24. Januar <strong>2012</strong><br />
(IV B 3 –S2411/07/10016)<br />
Bertram Früh<br />
Tel.: +4969 9585-5504<br />
bertram.frueh@de.pwc.com<br />
Anti-treaty shopping regulations revised<br />
Withholding taxes on payments abroad are in most cases<br />
restricted or eliminated by a double tax treaty, by the<br />
provisions of the EU Parent-Subsidiary Directive, the<br />
Interest and Royalty Directive or by local law. The foreign<br />
company must apply to the German Federal Tax Office<br />
for relief either before (via tax exemption certificate) or<br />
after payment is made (requesting a refund of the tax<br />
withheld). In order to claim relief the foreign company<br />
must document adherence to German anti-treaty shopping<br />
regulations.<br />
Germany’s anti-treaty shopping regulations – the<br />
old rules<br />
Under the previous anti-treaty shopping rules treaty<br />
relief was not to be available on payments to foreign<br />
companies to the extent their own shareholders would<br />
not have had the same entitlement had they received the<br />
income themselves. This restriction was not to be applied<br />
if there was a good reason for routing the payment<br />
through the company, the company achieves more than<br />
10 per cent of its gross revenue from its own business<br />
activities and the company maintains adequate business<br />
facilities for its part in the business community.<br />
The new rules<br />
In the course of the changes made in the act transposing<br />
the EU Mutual Assistance Directive on tax collection a<br />
number of other changes was enacted as well: As one of<br />
the more important ones, the application of the provision<br />
to curb the misuse of double tax treaties (“treaty shopping”)<br />
by denying treaty (or EU directive) relief to foreign<br />
companies held by shareholders who would not<br />
have been entitled to relief had they received the income<br />
from Germany directly has been amended effective<br />
January 1, <strong>2012</strong>. Under the revised rules it is no longer<br />
required that a non-German resident company generates<br />
more than 10 per cent of its gross revenues through its<br />
own business activities. Henceforth, a foreign company<br />
loses its relief entitlement to the extent it is disqualified<br />
by its shareholders and in so far as its gross earnings do<br />
not stem from its own active business activity (activity<br />
test), and, either with respect to the “passive” earnings<br />
there is no business or other good reason for its interposition,<br />
or it lacks suitable premises and equipment for its<br />
business activities (substance test). The latter precondition<br />
can be established by circumstantial evidence,<br />
namely if both qualified and managerial personnel is<br />
employed and transactions between related persons are<br />
at arm’s length.<br />
Decree issued by the Federal Finance Ministry on<br />
January 24, <strong>2012</strong><br />
The German tax administration has now issued its long<br />
awaited decree – an attempt to clarify some of the issues<br />
at hand and thus contributing to a smoother implementation<br />
of the new law. As often the case, such efforts<br />
inevitably raise further questions and still leave room for<br />
interpretation of the new regulations.<br />
In general, only the foreign shareholder is eligible for<br />
and must therefore meet the conditions for a potential<br />
relief. The active earnings do not include those from<br />
mere asset management, with the exception of those<br />
holding companies actively managing several subsidiaries.<br />
It is not detrimental if services are provided by<br />
the foreign shareholder to other group companies, pro-<br />
Titel<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 13
Titel<br />
vided an adequate remuneration (i.e. at arm’s length) is<br />
received. Interest, dividends and royalties are generally<br />
not from active business. The restrictions would not<br />
apply where the foreign company’s principal class of<br />
shares is regularly traded on a recognized stock exchange<br />
or where the foreign company is subject to the German<br />
Investment Tax Act. Relief is not available if the foreign<br />
company outsources important activities to third parties,<br />
i.e. to law firms or management companies. Both, activity<br />
test and substance test, must be checked while determining<br />
the grounds on which the entitlement to a tax<br />
relief is based. If the foreign company receives both<br />
passive and active earnings and the substance test is met,<br />
relief will be granted on a pro rata basis. The pro rata<br />
computation formula will probably remain one of the<br />
main areas of dispute in the future. The term “gross<br />
earnings from own active business activities” refers to<br />
the foreign company’s total gross earnings rather than<br />
the German source income for which relief is sought.<br />
The administration points out that the anti-treaty shopping<br />
rules are superior to the local anti-abuse provisions<br />
in the Tax Management Act, unless specific anti-avoidance<br />
provisions in tax treaties override the more general<br />
statutory rules.<br />
The burden of proof in any case rests with the foreign<br />
company. Tax exemption certificates are therefore to be<br />
issued on a preliminary basis and the foreign company<br />
must inform the Federal Tax Office of any subsequent<br />
changes. Certain de minimis rules apply as regards these<br />
reporting requirements, i.e. the changes in ratio of gross<br />
earnings from active business to total earnings (a change<br />
of less than 30 per cent is not significant in this respect)<br />
and the changes of shareholders (a change of less than<br />
20 per cent would be negligible). (MH)<br />
14 <strong>PwC</strong><br />
Keine deutsche Steuer für USA-<br />
Pensionen<br />
Erhält ein in den USA ansässiger ehemaliger Gesellschafter<br />
einer inländischen Kommanditgesellschaft<br />
beziehungsweise Kommanditgesellschaft auf Aktien<br />
Pensionszahlungen, können diese Vergütungen nicht<br />
in Deutschland, sondern nur in den USA besteuert<br />
werden.<br />
Ein in den USA ansässiger Steuerpflichtiger war bis 1998 persönlich<br />
haftender Gesellschafter zunächst einer inländischen<br />
Kommanditgesellschaft (KG), später – nach Umwandlung der<br />
KG – einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Nach<br />
seinem Ausscheiden als persönlich haftender geschäftsführender<br />
Gesellschafter übernahm er ein Aufsichtsratsmandat bei<br />
der KGaA. 1999 erhielt er aufgrund einer früher getroffenen<br />
Vereinbarung für seine Tätigkeit in der KGaA eine Pension.<br />
Das Finanzamt hatte die gezahlten Ruhegelder als nachträgliche<br />
Sondervergütungen gesehen, die den Einkünften aus<br />
Gewerbebetrieb zugeordnet werden müssten und als solche<br />
der beschränkten Steuerpflicht unterlägen. Denn die Ruhegelder<br />
seien durch die KG beziehungsweise die KGaA und damit<br />
durch eine Betriebsstätte, die im Inland unterhalten wurde,<br />
veranlasst worden. Dem widersprach jedoch der Bundesfinanzhof<br />
(BFH).<br />
Die Ruhegelder können, so das Gericht, nach Artikel 18 Absatz<br />
3 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) nur in den USA<br />
besteuert werden. Der Steuerpflichtige erhielt die Pensionsleistungen<br />
für seine frühere unselbstständige Tätigkeit. Die Annahme<br />
gewerblicher Gewinne – und damit eine Besteuerung<br />
der Vergütungen in Deutschland – scheide aus. Der BFH verwies<br />
insofern auf sein Urteil vom 8. September 2010 (I R<br />
74/09) zu einer im Kern gleich gelagerten Frage. Danach gelten<br />
nach § 50 d Absatz 10 Einkommensteuergesetz (EStG) Vergütungen<br />
im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1<br />
zweiter Halbsatz und Nummer 3 EStG, auf welche die DBA-<br />
Vorschriften anzuwenden sind und für die das Abkommen<br />
keine ausdrückliche Regelung enthält, zwar ausschließlich als<br />
Unternehmensgewinne. Einer Umqualifizierung der Vergütungen<br />
in Unternehmensgewinne erteilte der BFH jedoch eine<br />
Absage, da nachträgliche Einkünfte vom Wortlaut dieser Vorschrift<br />
ausdrücklich nicht erfasst werden. Richterliche Begründung:<br />
Die Einordnung eines Ruhegelds als Gewinnanteil in<br />
Form von Sondervergütungen verlangt prinzipiell, dass der<br />
Empfänger der Zahlung noch Gesellschafter der Personengesellschaft<br />
ist. Ein ehemaliger Gesellschafter kann somit<br />
keine Gewinnanteile in Gestalt der Sondervergütungen mehr<br />
beziehen.<br />
Fundstelle<br />
BFH, Urteil vom 7. Dezember 2011 (I R 5/11)
Steuern A bis Z<br />
Finanzunternehmen und Eigenhandelsabsicht<br />
In seinem Urteil vom 12. Oktober 2011 beantwortete<br />
der Bundesfinanzhof folgende Frage: Unter welchen<br />
Voraussetzungen liegt ein Finanzunternehmen im<br />
Sinne des Paragrafen 8 b Absatz 7 Körperschaftsteuergesetz<br />
(2002) vor? – Wie das Gericht entschied<br />
und wie es seine Entscheidung begründete, fasst der<br />
folgende Beitrag für Sie zusammen.<br />
Sachverhalt<br />
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahr<br />
2002 gegründete GmbH. Unternehmensgegenstand der GmbH<br />
war unter anderem der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen,<br />
die Veräußerung und die Verwaltung eigenen Vermögens,<br />
speziell von Grundstücken, Gebäuden sowie von Geschäftsbeteiligungen<br />
aller Art und alle damit in Zusammenhang stehenden<br />
Geschäfte.<br />
Im April 2002 schloss die Klägerin einen Vermögensverwaltungsvertrag<br />
mit einer Bank. In dem Vertrag wurde vereinbart,<br />
dass die Bank in der Folgezeit für die Klägerin Aktien und<br />
Rentenpapiere kauft und veräußert. Zusätzlich war die Bank<br />
ausdrücklich berechtigt, nach freiem Ermessen und ohne<br />
Einholung von Weisungen über die Depotbestände und die<br />
Kontoguthaben zu verfügen.<br />
Anschließend richtete die Klägerin bei einer weiteren Bank ein<br />
zusätzliches Depot ein, das sie selbst verwaltete und über das<br />
sie ebenfalls Wertpapiergeschäfte abwickelte.<br />
Im Streitjahr 2005 schloss die GmbH einen Vermögensverwaltungsvertrag<br />
mit einer dritten Bank ab. Ein Teil der bisher<br />
bei der ersten Bank deponierten Wertpapiere wurde auf das<br />
neu errichtete Depot der dritten Bank übertragen. Auch die<br />
dritte Bank war berechtigt, ohne vorherige Einholung von Weisungen<br />
das Depot zu verwalten. In den Handelsbilanzen der<br />
Jahre 2002 bis 2004 erfasste die Klägerin alle Wertpapiere im<br />
Umlaufvermögen.<br />
Im Veranlagungszeitraum 2002 erwirtschaftete die GmbH<br />
einen Verlust, der sich durch Abschreibungen auf Wertpapiere<br />
und Veräußerungsverluste ergab. Das Finanzamt behandelte<br />
diesen unter Hinweis auf § 8 b Absatz 7 Körperschaftsteuergesetz<br />
(KStG, 2002) zugunsten der Klägerin als steuerpflichtig. In<br />
den Folgejahren 2003 und 2004 ergaben sich bei der Saldierung<br />
von Veräußerungsgewinnen und -verlusten sowie der<br />
Ab- und Zuschreibung von Wertpapieren insgesamt Gewinne.<br />
Auch diese berücksichtigte das Finanzamt erklärungsgemäß<br />
als steuerpflichtig.<br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … wie der Bundesfinanzhof den Begriff des Finanzunternehmens<br />
definiert.<br />
• … was nach Auffassung des Gerichts als Indiz für<br />
eine Eigenhandelsabsicht spricht.<br />
Zu Beginn des Streitjahres 2005 gliederte die Klägerin die<br />
Wertpapiere vom Umlaufvermögen in das Anlagevermögen<br />
um. Alle weiteren, im Streitjahr hinzuerworbenen Wertpapiere<br />
wurden unmittelbar im Anlagevermögen erfasst. In der für das<br />
Streitjahr 2005 eingereichten Körperschaftsteuererklärung gab<br />
die Klägerin unter Hinweis auf § 8 b Absätze 1 und 2 KStG<br />
(2002) steuerfreie Bezüge in Höhe von 223.397 Euro an. In<br />
dem Betrag waren neben dem Saldo aus Wertpapierverkäufen<br />
auch Dividenden enthalten.<br />
Das Finanzamt erfasste die Dividenden und die Aktienverkäufe<br />
zunächst wie in den Vorjahren als steuerpflichtig und erließ<br />
entsprechende Festsetzungen zur Körperschaft- und Gewerbesteuer<br />
für 2005. Mit Änderungsbescheiden zur Körperschaftsteuer<br />
und zur Gewerbesteuer wurden jedoch die Dividenden<br />
und das Ergebnis der Aktienverkäufe, die erst im Streitjahr erworben<br />
wurden, nachträglich ausgenommen. Die entsprechenden<br />
Erträge wurden mithin steuerfrei vereinnahmt.<br />
Die gegen die Steuerfestsetzung erhobene Klage vor dem<br />
Finanzgericht (FG) Hamburg blieb erfolglos. Mit ihrer Revision<br />
rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Die Klägerin<br />
beantragt die Anwendung des Freistellungsverfahrens nach<br />
§ 8 b Absätze 1 und 2 KStG (2002) auch für die vor 2005<br />
erworbenen Wertpapiere. Das Finanzamt beantragte, die Revision<br />
als unbegründet zurückzuweisen.<br />
Entscheidung<br />
Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Revision als unbegründet<br />
zurück. Das FG hat nach seiner Ansicht zu Recht entschieden,<br />
dass Dividenden und Veräußerungserlöse aus Wertpapieren,<br />
die vor 2005 erworben wurden, im Streitjahr steuerpflichtig zu<br />
erfassen seien.<br />
Der BFH führt aus: Bei der Ermittlung des Einkommens bleiben<br />
grundsätzlich nach § 8 b Absatz 1 Satz 1 KStG (2002)<br />
unter anderem Bezüge aus Aktien und Dividenden (im Sinne<br />
des § 20 Absatz 1 Nummer 1 Einkommensteuergesetz, EStG)<br />
außer Ansatz. Dieselbe Rechtsfolge tritt nach § 8 b Absatz 2<br />
Satz 1 KStG (2002) ein für Gewinne aus der Veräußerung<br />
eines Anteils an einer Körperschaft, deren Leistung beim Empfänger<br />
zu bestimmten Einnahmen im Sinne des § 20 Absatz 1<br />
EStG gehört.<br />
Nach § 8 b Absatz 7 Sätze 1 und 2 KStG (2002) sind allerdings<br />
§ 8 b Absätze 1 und 2 KStG (2002) nicht für Anteile anzuwen-<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 15
Steuern A bis Z<br />
den, die von Finanzunternehmen im Sinne des Gesetzes über<br />
das Kreditwesen (KWG) erworben werden, um kurzfristig einen<br />
Eigenhandelserfolg zu erzielen. § 8 b Absatz 7 KStG (2002)<br />
umfasst damit eine Ausnahmeregelung für bestimmte Unternehmen.<br />
Die entsprechenden Gewinne sind dann steuerpflichtig<br />
und die daraus resultierenden Verluste sind dann auch<br />
steuerwirksam zu berücksichtigen.<br />
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der<br />
Begriff des Finanzunternehmens. So formuliert der BFH: Zu<br />
den Finanzunternehmen im Sinne von § 8 b Absatz 7 Satz 2<br />
KStG (2002) in Verbindung mit § 1 Absatz 3 Satz 1 des KWG<br />
zählen unter anderem solche Unternehmen, die weder Kreditinstitute<br />
noch Finanzdienstleistungsinstitute sind und deren<br />
Haupttätigkeit unter anderem darin besteht, mit Finanzinstrumenten<br />
für eigene Rechnung zu handeln. Übt die Gesellschaft<br />
auch andere Tätigkeiten aus, die nicht den Finanzsektor betreffen,<br />
muss ermittelt werden, ob die Haupttätigkeit der Gesellschaft<br />
finanzunternehmerisch ist.<br />
Im vorliegenden Fall war die Einstufung als Finanzunternehmen<br />
unstreitig. Der BFH argumentiert: Die Geschäftstätigkeit<br />
der Klägerin beschränkte sich seit der Unternehmensgründung<br />
auf den Erwerb und den Verkauf beziehungsweise das Halten<br />
von Aktien und Rentenpapieren, die jeweils den Begriff des Finanzinstruments<br />
im Sinne des KWG erfüllen. Der auf eigene<br />
Rechnung der Klägerin durchgeführte und vom satzungsmäßigen<br />
Unternehmenszweck abgedeckte Handel mit diesen Wertpapieren<br />
bildet deshalb zugleich auch ihre Haupttätigkeit.<br />
Infolge der einheitlichen Erfassung des Wertpapierbestands im<br />
Umlaufvermögen, dem die Anschaffung der Wertpapiere zu<br />
spekulativen Zwecken oder zur kurzfristigen Geldanlage zugrunde<br />
liegt (Umkehrschluss aus § 247 Handelsgesetzbuch),<br />
kommt es deshalb nicht in Betracht, diesen Bestand in den einzelnen<br />
Jahren anteilig einem Bereich „Handel“ und einem Bereich<br />
„Vermögensverwaltung“ zuzuordnen. Damit schließt der<br />
BFH neben dem Handel einen weiteren Tätigkeitsbereich aus.<br />
Genau dieser weitere konkurrierende Tätigkeitsbereich wäre<br />
für das Tatbestandsmerkmal der Haupttätigkeit vonnöten gewesen.<br />
Deshalb lässt der BFH im vorliegenden Fall die Streitfrage<br />
zur Qualifizierung der Haupttätigkeit aufgrund der<br />
fehlenden Notwendigkeit unbeantwortet. Hervorzuheben ist<br />
daher – so auch der BFH –, dass die Streitfrage der Qualifizierung<br />
einer Haupttätigkeit bisher höchstrichterlich noch nicht<br />
entschieden wurde.<br />
Im vorliegenden Fall folgert der BFH: Die für den Streit maßgeblichen<br />
Wertpapiere sind mit einem Erwerbszeitpunkt vor<br />
dem 1. Januar 2005 in vollem Umfang Anteile im Sinne des<br />
§8b Absatz 7 Satz 2 KStG (2002). Die Klägerin hat die Wertpapiere<br />
mit der Absicht, einen kurzfristigen Eigenhandelserfolg<br />
zu erzielen, erworben.<br />
Zwar führt die Zuordnung der erworbenen Wertpapiere zum<br />
Umlaufvermögen nicht zwingend zu einem Rückschluss auf<br />
16 <strong>PwC</strong><br />
die tatbestandsmäßige Eigenhandelsabsicht, jedoch ist diese<br />
Zuordnung ein maßgebliches Indiz für das Vorliegen der erforderlichen<br />
Eigenhandelsabsicht beim Anteilserwerb. Zudem<br />
spricht der Umfang der ausschließlich den Wertpapierhandel<br />
betreffenden Geschäftstätigkeit und die Beauftragung professioneller<br />
Wertpapierhändler zur sachkundigen Marktbeobachtung<br />
nach der Auffassung des BFH für eine Handelsabsicht.<br />
Auch die Umgliederung der Wertpapiere in das Anlagevermögen<br />
zum Beginn des Streitjahres 2005 kann nach Meinung des<br />
BFH keine andere Beurteilung nach sich ziehen. Bemerkenswert<br />
sind die Ausführungen des BFH zum Wortlaut des § 8 b<br />
Absatz 7 Satz 2 KStG (2002): Danach kommt es auf die im Erwerbszeitpunkt<br />
bestehende Absicht an. Ändere sich die Absicht<br />
im Zeitverlauf, stehe zwar einer Umgliederung in das Anlagevermögen<br />
nichts entgegen, jedoch habe dies keine Auswirkungen<br />
auf die Rechtsfolgen des § 8 b Absatz 7 Satz 2 KStG (2002)<br />
für die betroffenen Wertpapiere. Für ebenfalls unerheblich erklärt<br />
der BFH den Umstand, dass die Klägerin in den Jahren<br />
2003 bis 2004 im Wesentlichen nicht selbst, sondern über zwei<br />
Banken am Marktgeschehen teilgenommen hat. Die ausgeübten<br />
Handlungen der Banken seien uneingeschränkt der Klägerin<br />
hinzuzurechnen.<br />
Haben Sie Fragen oder sind Sie an Details interessiert? – Dann<br />
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Dr. Michael Scheel<br />
Tel.: +49 69 9585-3911<br />
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Matthias Reitzenstein<br />
Tel.: +49 69 9585-2037<br />
matthias.reitzenstein@de.pwc.com<br />
Fundstellen<br />
• BFH, Urteil vom 12. Oktober 2011 (I R 4/11)<br />
• FG Hamburg, Urteil vom 14. Dezember 2010 (3 K 40/10)
Steuern A bis Z<br />
Income from short-term dealings of finance institutions not tax exempt<br />
Dividends received are generally tax-free in the hands of a corporation. The non-deductible effectively connected expenses<br />
of earning this tax-free income is irrefutable presumed to be 5 per cent of the dividend received or capital gain realized.<br />
This tax exemption is shared by all except for banks and other finance institutions in their short-term dealings. According to<br />
the wording of Section 8b of the Corporation Tax Act exemption is not available “to shares acquired by finance companies<br />
within the meaning of the Banking Act with a short-term dealer’s profit in view”. In this instance profits of the finance<br />
company are subject to tax, conversely losses those transactions are fully tax deductible.<br />
The statutory business of a GmbH was to purchase and hold shares and the asset management, especially from real estate<br />
and buildings as well as all other related transactions. In the case before the Supreme Tax Court, the activities of the GmbH<br />
– based on an asset management agreement with a bank – were limited to dealings in securities and bonds which the court<br />
saw as its main (short-term) business. The GmbH had initially recorded the securities as current assets and subsequently<br />
reallocated the portfolio as fixed assets and hence thought this a remedy against the short term trading which was fully<br />
subject to tax. However, the initial classification was held as indicative by the court to assume that trading was for its own<br />
account from the outset and thus considered the private limited company (GmbH) a finance institution. In addition, the cooperation<br />
with professional securities dealers from the bank further encouraged the Supreme Tax Court in this opinion. It<br />
is worth to note that – as the court put it – the intention at the time of purchase of the securities is crucial for its tax treatment.<br />
Any subsequent changes of intention are of no relevance. (MH)<br />
Umsatzsteuer: Gestellung von<br />
Personal<br />
In Deutschland war der Begriff „Personalgestellung“<br />
bisher nicht klar definiert. Denn es bestand Uneinigkeit<br />
darüber, ob auch die Vermittlung von Selbstständigen<br />
unter diesen Begriff fällt oder nicht. Nun<br />
beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof in<br />
seinem Urteil vom 26. Januar <strong>2012</strong> in der Rechtssache<br />
ADV Allround mit dieser Frage.<br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … was der Europäische Gerichtshof unter einer<br />
Personalgestellung versteht.<br />
• … wie sich das Urteil auf die deutsche Umsatzsteuerpraxis<br />
auswirken wird.<br />
Sachverhalt<br />
Ein Unternehmer „vermittelte“ selbstständige Lkw-Fahrer an<br />
Speditionen, wobei die Fahrer ihm gegenüber und er selbst<br />
Wichtige Änderungen<br />
in Recht und Gesetz<br />
gegenüber seinen Kunden abrechnete. Er wollte die an seine<br />
ausländischen Kunden erbrachten Leistungen als Personalgestellung<br />
behandeln – weshalb die Leistung auch nach damaliger<br />
Rechtslage nicht in Deutschland steuerbar gewesen wäre.<br />
Das für den Unternehmer zuständige Finanzamt war der Auffassung,<br />
unter den Begriff der Personalgestellung könne nur<br />
die Arbeitnehmerüberlassung fallen, nicht aber die Gestellung<br />
Selbstständiger. Aus diesem Grunde rechnete er schließlich<br />
gegenüber seinen Kunden mit deutscher Mehrwertsteuer ab.<br />
Den ausländischen Kunden des Unternehmers wurde aber die<br />
Vergütung der deutschen Mehrwertsteuer versagt, weil das<br />
zuständige Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) seinerseits<br />
die Auffassung des Finanzamts nicht teilte. Das BZSt ging<br />
davon aus, bei der „Vermittlung“ selbstständiger Lkw-Fahrer<br />
handele es sich um eine Personalgestellung, sodass der Leistungsort<br />
am Sitz des jeweiligen Abnehmers läge.<br />
Fragestellung<br />
steuern+recht aktuell<br />
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich einerseits mit<br />
der Frage zu beschäftigen, ob eine Personalgestellung auch die<br />
Gestellung von selbstständigem, nicht beim leistenden Unternehmer<br />
abhängig beschäftigtem Personal umfasst. Zudem war<br />
fraglich, ob die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, das nationale<br />
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steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 17
Steuern A bis Z<br />
Special VAT rule on place of staff supply also applies to staff not employed by hirer<br />
A German employment agency supplied lorry drivers to a series of Italian haulage firms. At the time, the hire of staff was<br />
taxable in the country of the customer, whereas the provision of general services was taxable in the country of the provider.<br />
The agency’s local tax office took the view that the service was general and taxable in Germany, as the lorry drivers were<br />
not its own employees but rather they were self-employed independent contractors. Accordingly, the agency invoiced the<br />
Italian customers with German VAT. Initially, the customers accepted this invoicing and assumed that they would be able to<br />
recover the amount charged through the refund scheme for foreign businesses. Unfortunately, their refund claims were<br />
rejected by the German Central Tax Office, the competent authority for dealing with refund claims from abroad, on the<br />
grounds that the VAT had been charged in error as the services were hire of staff – regardless of the formal employment<br />
status of the individuals – and thus taxable in the country of the customer. In consequence, the Italian customers refused to<br />
accept further invoices from the agency with VAT and the agency was unable to persuade its own tax office to follow the<br />
view of the Central Tax Office.<br />
The court side-stepped the more basic issue of whether two tax authorities from the same country can be required to take a<br />
uniform approach to the same problem by saying, that it was up to member states to ensure that VAT is collected accurately<br />
and with respect for the principle of fiscal neutrality. The authorities must act if two subordinate offices consistently take<br />
conflicting positions but do not have to establish a mechanism for automatic coordination. Rather, they only have to ensure<br />
that aggrieved parties can turn to the courts.<br />
It should be noted that this case has lost much of its future relevance with the change in the provisions on the place of<br />
supply which took effect on January 1, 2010. From then on, basically all B2B services are taxable in the country of the<br />
customer (by reverse charge if the supplier is not registered there for VAT). The distinction between the supply of personnel<br />
and other services is therefore now only relevant to staff loaned to non-business customers in non-member states. (MH)<br />
Verfahrensrecht so zu bestimmen, dass die Steuerbarkeit und<br />
die Mehrwertsteuerpflicht einer Dienstleistung beim Leistungserbringer<br />
und beim Leistungsempfänger einheitlich beurteilt<br />
werden, auch wenn verschiedene Finanzbehörden<br />
zuständig sind.<br />
Entscheidung<br />
Der EuGH gab der Rechtsauffassung des Unternehmers beziehungsweise<br />
des Bundeszentralamts statt und bejahte das<br />
Vorliegen einer Personalgestellung. Seine Entscheidung begründete<br />
der EuGH unter anderem mit dem Argument: Diese<br />
Auslegung entspreche dem Grundsatz der Rechtssicherheit, da<br />
so die Bestimmung des Leistungsorts vorhersehbarer sei. Vor<br />
allem sei es für den Abnehmer der Leistung in der Regel nicht<br />
möglich, die Rechtsnatur der Beziehungen zwischen dem Leistungserbringer<br />
und dem gestellten „Personal“ zu erforschen.<br />
Zur zweiten Vorlagefrage führte der EuGH aus: Es könne als<br />
Verstoß des Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen an-<br />
18 <strong>PwC</strong><br />
European Customs & Trade<br />
Communiqué<br />
gesehen werden, wenn verschiedene Behörden und/oder<br />
Gerichte eines Mitgliedstaats systematisch unterschiedliche<br />
Auffassungen über den Leistungsort verträten, sodass vor<br />
allem der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt<br />
werde.<br />
Praxishinweis<br />
Die Entscheidung war im Wesentlichen relevant für die Bestimmung<br />
des Leistungsorts nach alter Rechtslage. Für noch offene<br />
Fälle, die nach der alten Rechtslage (Leistungen, die vor dem<br />
1. Januar 2010 erbracht wurden) zu beurteilen sind, kann die<br />
Entscheidung durchaus Bedeutung haben. Deshalb ist es wichtig,<br />
zu überprüfen, ob es von Vorteil sein könnte, sich auf die<br />
Auslegung des EuGH zu berufen.<br />
Nicht selten zeigt die Praxis: Finanzbehörden (speziell die verschiedener<br />
Bundesländer) und Finanzgerichte (in erster Linie<br />
in Fällen, in denen leistender Unternehmer und Leistungsemp-<br />
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fänger auf eine einheitliche Beurteilung der Leistung angewiesen<br />
sind) können über längere Zeiträume unterschiedlicher<br />
Auffassung sein (etwa in Fragen der Anwendung von Steuerbefreiungen<br />
oder ähnlichen Konstellationen). Geht das so weit,<br />
dass sie Auslegungskonflikte letztlich einfach auf sich beruhen<br />
lassen, ohne eine Klärung durch den EuGH herbeizuführen,<br />
kann das – wie der EuGH darlegt – ein Verstoß gegen die EU-<br />
Verträge sein.<br />
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Fundstelle<br />
EuGH, Urteil vom 26. Januar <strong>2012</strong> (C-218/10, ADV Allround)<br />
Umsatzsteuer: Leistungsort für<br />
Anzahlungen bei Vermittlung grundstücksbezogener<br />
Leistungen<br />
Am 8. September 2011 traf der Bundesfinanzhof eine<br />
Entscheidung zum Leistungsort für Anzahlungen bei<br />
der Vermittlung grundstücksbezogener Leistungen. –<br />
Die Besonderheit des Falls: Bei Anzahlung stand<br />
der Ort der späteren Leistung noch nicht fest. Alles<br />
Wichtige zu den Hintergründen und Folgen des Urteils<br />
lesen Sie im folgenden Beitrag.<br />
Steuern A bis Z<br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … wo die Vermittlung einer grundstücksbezogenen<br />
Leistung an einen Nichtunternehmer steuerbar ist,<br />
wenn bei einer Anzahlung noch nicht feststeht, ob<br />
sich die Vermittlungsleistung auf ein im Ausland<br />
belegenes Grundstück bezieht.<br />
• … warum es sich nach Auffassung des Bundesfinanzhofs<br />
bei der entgeltlichen Ausgabe der Hotelschecks<br />
um eine steuerbare Anzahlung auf die<br />
Leistung der Klägerin handelt.<br />
• … welche Folgen sich daraus für betroffene Unternehmer<br />
ergeben.<br />
Sachverhalt<br />
Die Klägerin vertreibt unter anderem „Hotelschecks“ über Vertriebspartner,<br />
Anzeigen in Zeitschriften und über ihr Internetportal.<br />
Die Kunden der Klägerin erwarben diese Schecks für<br />
ein pauschalisiertes Entgelt zusammen mit einem Katalog derjenigen<br />
Hotels im In- und Ausland, in denen diese Gutscheine<br />
unter bestimmten weiteren Voraussetzungen für verbilligte<br />
Übernachtungen verwendet werden konnten. Das Hotelzimmer<br />
hatte der Kunde selbst zu buchen. Den um den Namen des<br />
Hotels ergänzten Scheck schickte der Kunde an die Klägerin<br />
zurück, die ihn als „Vermittlerin“ an das Hotel übersandte. Die<br />
Klägerin behandelte diese Umsätze zunächst als nicht steuerbar,<br />
weil sie davon ausging, sie habe zum Zeitpunkt der Ausgabe<br />
der Gutscheine an ihre Kunden noch keine konkreten und<br />
bestimmbaren Leistungen erbracht, weswegen es an einem<br />
Leistungsaustausch fehle.<br />
Entscheidung des Bundesfinanzhofs<br />
Der Bundesfinanzhof (BFH) stellt dagegen in seiner Entscheidung<br />
fest: Erhält ein Unternehmer eine Anzahlung dafür, dass<br />
er eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einer Vielzahl<br />
im In- und Ausland belegener Grundstücke (hier: Hotelübernachtungen)<br />
vermittelt, so richtet sich der Leistungsort auch<br />
dann nach § 3 a Absatz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG), wenn<br />
zum Zeitpunkt der Vereinnahmung noch nicht feststeht, ob<br />
sich die Vermittlungsleistung auf ein im Ausland liegendes<br />
Grundstück (Hotel) bezieht oder nicht.<br />
Nach Auffassung des BFH handelt es sich bei der entgeltlichen<br />
Ausgabe der Hotelschecks um eine steuerbare Anzahlung auf<br />
die Leistung der Klägerin. Der Inhalt der Leistung habe bei<br />
Zahlung schon festgestanden – abgesehen von der Entscheidung<br />
des Kunden für ein konkretes Hotel sowie dessen Verfügbarkeit.<br />
Dass dem Leistungsempfänger gegen Entgelt ein durch<br />
einen Gutschein verkörpertes zukünftiges und unbestimmtes<br />
Recht an Gegenständen oder Dienstleistungen eingeräumt<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 19
Steuern A bis Z<br />
werde, schließe die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhangs<br />
zwischen Entgelt und Leistung alleine nicht aus.<br />
Stehe bei der Anzahlung noch nicht fest, ob der vermittelte<br />
Umsatz im Inland oder an einem anderen Ort stattfinde, unterlägen<br />
die Vermittlungsleistungen nach § 3 a Absatz 1 UStG der<br />
Besteuerung an dem Ort, an dem der Unternehmer sein Unternehmen<br />
betreibt, weil zu diesem Zeitpunkt der Zusammenhang<br />
mit einem bestimmten Grundstück noch nicht hinreichend<br />
eng sei. Komme es dann zu einer Vermittlung in einem<br />
Hotel im Ausland, so ändere sich der Leistungsort der Vermittlungsleistung.<br />
– Die Folge: Die Leistung ist nicht (mehr)<br />
im Inland steuerbar. In einem solchen Fall sei die Bemessungsgrundlage<br />
analog § 17 Absatz 2 Nummer 2 UStG zu berichtigen.<br />
Schließlich betont der BFH: Trotz der Tatsache, dass der Kunde<br />
selbst Kontakt zum Hotel aufnahm, habe es sich um eine Vermittlungsleistung<br />
gehandelt. Denn es sei unerheblich, dass der<br />
Kunde des Vermittlers den Vertragsabschluss selbst bewirken<br />
muss, wenn er sich für einen der nachgewiesenen Vertragspartner<br />
entscheidet.<br />
Schlussfolgerung und Beratungshinweis<br />
Im Urteil stellte der BFH hat klar: Bei dem Verkauf von Hotelschecks<br />
handelt es sich im vorliegenden Fall um eine steuerbare<br />
Leistung, die bereits konkret bestimmbar ist. Diese<br />
Argumentation ist insofern überraschend, als der BFH in seiner<br />
Entscheidung sehr frei mit den Grundsätzen umgeht, die der<br />
Europäische Gerichtshof (EuGH) unter anderem im Urteil C-<br />
419/02 (BUPA) aufgestellt hat. Dort heißt es in Randziffer 48:<br />
„Damit der Steueranspruch in einem solchen Fall entstehen<br />
kann, ist erforderlich, dass alle maßgeblichen Elemente des<br />
Steuertatbestands, d. h. der künftigen Lieferung oder der<br />
künftigen Dienstleistung, bereits bekannt und somit […] insbesondere<br />
die Gegenstände oder die Dienstleistungen zum<br />
Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind.“<br />
Um zunächst eine Besteuerung im Inland sicherzustellen, hat<br />
sich der BFH offenbar dafür entschieden, dass der Leistungsort<br />
nicht zu den maßgeblichen Elementen gehört, die bekannt sein<br />
müssten. Vor allem nach weiteren jüngst ergangenen Urteilen<br />
wie insbesondere BFH V R 36/09 (Steuerbarkeit nicht zurückgewährter<br />
Anzahlungen von „no-show“-Passagieren) sollte<br />
künftig Fällen, in denen Anzahlungen vermeintlich (noch oder<br />
endgültig) keine Leistungen gegenüberstehen, erhöhte Aufmerksamkeit<br />
geschenkt werden. In vergleichbaren Fällen sollten<br />
betroffene Unternehmer die Besteuerung ihrer Umsätze<br />
deshalb genau überprüfen, wollen sie Steuernachzahlungen<br />
und gegebenenfalls mögliche Zinsforderungen vermeiden.<br />
Die Entscheidung ist noch nach altem Recht ergangen. Nach<br />
Änderung des § 3 a UStG ab 1. Januar 2010 hat sich an der<br />
Rechtslage nichts geändert, werden die nach Auffassung des<br />
BFH hinsichtlich des Leistungsorts noch nicht konkretisierten<br />
20 <strong>PwC</strong><br />
Vermittlungsleistungen an Nichtunternehmer erbracht. In diesen<br />
Fällen sind die Leistungen nach § 3 a Absatz 1 UStG am<br />
Sitz des leistenden Unternehmers steuerbar. Steht der Ort der<br />
vermittelten Leistung fest, ändert sich auch der Leistungsort<br />
der Vermittlungsleistung selbst – im Falle von grundstücksbezogenen<br />
Leistungen ist dann auch die Vermittlung dieser<br />
Leistungen dort zu besteuern, wo das Grundstück liegt. Für<br />
Vermittlungen von Leistungen an Unternehmer und gleichgestellte<br />
Personen gilt nun demgegenüber jedoch das in § 3 a<br />
Absatz 2 UStG festgelegte Empfängerortprinzip – und zwar<br />
unabhängig davon, ob die vermittelte Leistung hinreichend<br />
konkretisiert ist oder nicht.<br />
Ihre Fragen beantworten Ihre Ansprechpartner gern. Rufen Sie sie<br />
bitte an oder schicken ihnen einfach eine E-Mail.<br />
Aleksandra Kostecka<br />
Tel.: +49 211 981-1904<br />
aleksandra.kostecka@de.pwc.com<br />
Martin Diemer<br />
Tel.: +49 69 9585-6104<br />
martin.diemer@de.pwc.com<br />
Fundstelle<br />
BFH, Urteil vom 8. September 2011 (VR 42/10)<br />
Umsatzsteuer: Neuerungen beim<br />
Vorsteuerabzug<br />
In letzter Zeit äußerte sich der Bundesfinanzhof in<br />
mehreren Urteilen zu Fragen des Vorsteuerabzugs und<br />
einer eventuellen -korrektur. Die höchstrichterliche<br />
Rechtsprechung nahm das Bundesfinanzministerium<br />
jetzt zum Anlass, um die in den Urteilen entwickelten<br />
Grundsätze des Vorsteuerabzugs und dessen Berichtigungsmöglichkeiten<br />
in einem Schreiben ausführlich
darzulegen und umfangreiche Änderungen im Anwendungserlass<br />
vorzunehmen. – Der aktuelle Beitrag<br />
stellt Ihnen ausgewählte Neuerungen vor und zeigt die<br />
Konsequenzen auf, die sich aus dem Schreiben ergeben.<br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … welche Systematik der Prüfung des Vorsteuerabzugs<br />
respektive der Vorsteuerkorrektur zugrunde<br />
liegt.<br />
• … welche Folgen und Neuerungen sich im Bereich<br />
des Vorsteuerabzugs aus diesem Schreiben ergeben.<br />
Bundesfinanzhof zum Vorsteuerabzug<br />
Die jüngste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)<br />
stellte die Berechtigung eines Unternehmers zum Vorsteuerabzug<br />
auf den Prüfstand. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung<br />
bezieht sich die Finanzverwaltung in ihrem Schreiben<br />
auf folgende BFH-Urteile zum Vorsteuerabzug:<br />
• Betriebsausflug (9. Dezember 2010, V R 17/10)<br />
• Überlassung eines Grundstücks an Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
(12. Januar 2011, XI R 9/08)<br />
• Erschließungskosten (13. Januar 2011, V R 12/08)<br />
• Beteiligungsverkauf (27. Januar 2011, V R 38/09)<br />
• Sanierung eines Marktplatzes (3. März 2011, V R 23/10)<br />
Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 2. Januar <strong>2012</strong>:<br />
Wesentliche Änderungen<br />
Wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche<br />
Tätigkeiten<br />
Unter Verweis auf die Terminologie der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie<br />
verwendet der BFH neuerdings die Begriffe „wirtschaftliche“<br />
und „nichtwirtschaftliche“ Tätigkeiten in seinen<br />
Urteilen. Die Finanzverwaltung hebt hervor: Diese Begriffe<br />
sind mit den bislang benutzten Begriffen „unternehmerisch“<br />
und „nichtunternehmerisch“ deckungsgleich und bleiben<br />
daher bestehen. Dabei soll ab jetzt der Bereich der nichtunternehmerischen<br />
Tätigkeiten zu differenzieren sein, und zwar: in<br />
nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne und in unternehmensfremde<br />
Tätigkeiten. Als unternehmensfremde (private)<br />
Tätigkeiten versteht das Bundesfinanzministerium (BMF)<br />
Entnahmen für den privaten Bedarf des Unternehmers als natürliche<br />
Person, für den privaten Bedarf seines Personals oder<br />
für private Zwecke des Gesellschafters. Alles, was nicht als<br />
unternehmensfremd gilt, fällt damit in den Bereich der übrigen<br />
nichtunternehmerischen Tätigkeiten und bildet damit die<br />
nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne. Hierzu<br />
zählen laut BMF unter anderem hoheitliche Tätigkeiten juristischer<br />
Personen des öffentlichen Rechts oder auch die Veräuße-<br />
Steuern A bis Z<br />
rung von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen, wenn die<br />
Beteiligung nicht im Unternehmensvermögen gehalten wird.<br />
Vorsteuerabzug bei gemischter Verwendung<br />
Die Unterscheidung zwischen unternehmensfremden Tätigkeiten<br />
und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne ist<br />
vor allem dort relevant, wo Wirtschaftsgüter und andere Eingangsleistungen<br />
teilunternehmerisch (teils wirtschaftlich/<br />
unternehmerisch, teils nichtwirtschaftlich/nichtunternehmerisch)<br />
genutzt werden. Für den Vorsteuerabzug muss grundsätzlich<br />
ein direkter unmittelbarer Zusammenhang zwischen<br />
Eingangs- und Ausgangsleistungen bestehen. Den Ausführungen<br />
des BMF zufolge gilt bei der gemischten Verwendung<br />
Folgendes: Dort, wo neben der wirtschaftlichen Nutzung eine<br />
unternehmensfremde erfolgt, ist eine Zuordnung zum Unternehmen<br />
und damit ein voller Vorsteuerabzug möglich. Im Falle<br />
der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne ist eine<br />
Zuordnung zum Unternehmen und damit auch der Vorsteuerabzug<br />
nur insoweit möglich, als tatsächlich eine wirtschaftliche<br />
Nutzung nötig ist.<br />
Kein Vorsteuerabzug bei Leistungsbezug<br />
für unentgeltliche Entnahme<br />
Bitte beachten Sie: Nach den Änderungen des BMF, die auf<br />
einer Rechtsprechungsänderung des BFH beruhen, ist ein<br />
Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn ein Wirtschaftsgut bei<br />
Leistungsbezug (zunächst) ausschließlich und unmittelbar<br />
unternehmensfremd für eine unentgeltliche Wertabgabe im<br />
Sinne des § 3 Absatz 1 b oder 9 a Umsatzsteuergesetz (UStG) genutzt<br />
wird oder genutzt werden soll. Bislang war hier ein Vorsteuerabzug<br />
grundsätzlich möglich.<br />
Systematik des Vorsteuerabzugs und<br />
Vorsteuerberichtigung<br />
Die Finanzverwaltung nimmt darüber hinaus anhand von Beispielen<br />
zu verschiedenen Fallgruppen Stellung. Daraus ergibt<br />
sich die folgende Systematik bei der Prüfung des Vorsteuerabzugs.<br />
Direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit einer<br />
unternehmerischen oder nichtunternehmerischen<br />
Tätigkeit<br />
Bei direkter und unmittelbar möglicher Zuordnung der Eingangsleistung<br />
zu einem beabsichtigten entgeltlichen Ausgangsumsatz<br />
ist die umsatzsteuerliche Beurteilung dieses Umsatzes<br />
entscheidend für den Vorsteuerabzug. Die von Anfang an beabsichtigte<br />
Verwendung der Eingangsleistung für eine nichtunternehmerische<br />
Tätigkeit führt grundsätzlich zur Versagung<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 21
Steuern A bis Z<br />
des Vorsteuerabzugs. Eine Wertabgabenbesteuerung entfällt<br />
hier ebenfalls.<br />
Teilunternehmerische Verwendung<br />
Bei kombinierter Verwendung der Eingangsleistung für unternehmerische<br />
oder nichtwirtschaftliche Tätigkeit im engeren<br />
Sinne ist ein Vorsteuerabzug – unter Beachtung der Zehn-<br />
Prozent-Mindestgrenze für die unternehmerische Nutzung –<br />
nur im Rahmen der tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzung<br />
zulässig.<br />
Bei der Verwendung für unternehmerische/unternehmensfremde<br />
(private) Tätigkeiten hat der Unternehmer – unter<br />
Beachtung der Zehn-Prozent-Mindestgrenze für die unternehmerische<br />
Nutzung – ein Zuordnungswahlrecht. Er kann also<br />
die Leistung insgesamt dem Unternehmen zuordnen, er kann<br />
den Vorsteuerabzug gegebenenfalls voll in Anspruch nehmen,<br />
hat aber insoweit eine Wertabgabe zu versteuern.<br />
Unmittelbarer Zusammenhang nur mit der Gesamttätigkeit<br />
Erst wenn sich kein unmittelbarer und direkter Zusammenhang<br />
zwischen Eingangsleistung und einer Ausgangsleistung<br />
(oder mehreren) ergibt, richtet sich die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs<br />
danach, ob die Kosten für die Eingangsleistung<br />
zu den allgemeinen Aufwendungen (etwa Aufwendungen im<br />
Zusammenhang mit der Gründung einer Gesellschaft) des Unternehmers<br />
gehören und als solche Bestandteile des Preises der<br />
von ihm erbrachten Leistungen sind. Denn in einem solchen<br />
Fall liegt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit<br />
der – nachrangig zu prüfenden – unternehmerischen Gesamttätigkeit<br />
vor. Entsprechendes gilt für Fälle, in denen eine Wertabgabenbesteuerung<br />
unterbleibt (etwa Aufmerksamkeiten).<br />
Der Vorsteuerabzug aus Aufwendungen für bezogene Leistungen<br />
ist lediglich dann zulässig, soweit diese Aufwendungen<br />
einer unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen sind, die den<br />
Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt. – Folge: Die Vorsteuerbeträge<br />
sind aufzuteilen.<br />
Beim Bezug von Beratungsleistungen für eine steuerfreie<br />
Veräußerung einer Beteiligung an einer Tochtergesellschaft<br />
fehlt es an einem Zusammenhang mit der unternehmerischen<br />
Gesamttätigkeit.<br />
Bei der Berichtigung des Vorsteuerabzugs sind die folgenden<br />
Kriterien zu beachten:<br />
• Bei Änderung der für den Vorsteuerabzug ursprünglichen<br />
Verhältnisse ist grundsätzlich eine Vorsteuerkorrektur erforderlich.<br />
• Die Berichtigung eines unterbliebenen Vorsteuerabzugs setzt<br />
voraus, dass ein solcher Abzug ursprünglich möglich gewesen<br />
wäre. Ändert sich demnach die erstmalige ausschließlich<br />
nichtunternehmerische Nutzung in eine Verwendung für<br />
22 <strong>PwC</strong><br />
eine unternehmerische Tätigkeit, ist keine Vorsteuerkorrektur<br />
mehr möglich.<br />
• Wird ein Gegenstand sowohl unternehmerisch als auch<br />
nichtwirtschaftlich im engeren Sinne genutzt, ist ein Vorsteuerabzug<br />
berechtigt, soweit dieser Gegenstand für den<br />
Vorsteuerabzug nicht ausschließende unternehmerische Tätigkeiten<br />
in Höhe von mindestens zehn Prozent verwendet<br />
wird. Führt die Änderung der Verhältnisse zu einer Erhöhung<br />
der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne,<br />
ist eine Nutzungsentnahme zu versteuern. Wird dagegen die<br />
unternehmerische Nutzung des Gegenstands erhöht, kommt<br />
eine Vorsteuerberichtigung zugunsten des Unternehmers aus<br />
Billigkeitsgründen infrage. Bei einer sowohl unternehmerischen<br />
als auch unternehmensfremden Nutzung ist eine Berichtigung<br />
der Vorsteuer ausgeschlossen, da der<br />
Unternehmer eine Option auf vollständige Zuordnung des<br />
Gegenstands zum Unternehmen hatte.<br />
Übergangsregelung bis 31. März <strong>2012</strong><br />
Die Grundsätze aus dem Schreiben der Finanzverwaltung sind<br />
fortan auf alle offenen Fälle anzuwenden. Das BMF beanstandet<br />
es jedoch nicht, wenn sich Unternehmer für Eingangsleistungen,<br />
die vor dem 31. März <strong>2012</strong> bezogen werden, auf die<br />
bisher geltende Auffassung der Finanzverwaltung berufen.<br />
Bitte beachten Sie dabei: Eine nur partielle Berufung auf die<br />
vorherige Verwaltungsauffassung ist im Hinblick auf einen ungekürzten<br />
Vorsteuerabzug nicht zulässig. Auch im Fall des Vorsteuerabzugs<br />
bei teilunternehmerischer Verwendung eines<br />
Grundstücks im Sinne von § 15 Absatz 1 b UStG ist es nicht<br />
möglich, sich auf die Nichtbeanstandungsregelung zu berufen.<br />
Denn insoweit ist die in § 27 Absatz 16 UStG geschaffene Übergangsregelung<br />
als vorrangig zu betrachten.<br />
Beurteilung und Beratungshinweis<br />
Das BMF-Schreiben verschafft einen Überblick über die Grundzüge<br />
des relativ komplexen Bereichs des Vorsteuerabzugs und<br />
der Vorsteuerkorrektur.<br />
Die im BMF-Schreiben dargestellten Änderungen ziehen teils<br />
gravierende Konsequenzen nach sich. Vor allem ist es ratsam,<br />
zu überlegen, ob Wirtschaftsgüter nach Anschaffung zunächst<br />
überhaupt ausschließlich nichtunternehmerisch genutzt werden,<br />
wenn eine spätere unternehmerische Nutzung in Betracht<br />
kommt. Denn für den Fall der zunächst ausschließlichen nichtunternehmerischen<br />
Nutzung ist ein Vorsteuerabzug komplett<br />
ausgeschlossen.<br />
Auffällig ist auch: Laut BMF wird zu den nichtwirtschaftlichen<br />
Tätigkeiten im engeren Sinne auch das Halten von Beteiligungen<br />
gezählt. Ein Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen, die<br />
sich auf das Halten von Beteiligungen beziehen, ist insoweit<br />
nicht möglich. Das ergibt sich daraus, dass auch bei teilunter-
nehmerischer Nutzung von Eingangsleistungen in diesem Fall<br />
eine komplette Zuordnung zum Unternehmen ausgeschlossen<br />
ist. Ein Vorsteuerabzug ist nur insoweit möglich, als hier tatsächlich<br />
die Eingangsleistung auf die wirtschaftliche Verwendung<br />
entfällt.<br />
Ihre Fragen beantworten Ihre Ansprechpartnerinnen gern. Rufen<br />
Sie sie bitte an oder schicken ihnen einfach eine E-Mail.<br />
Miriam Peisker<br />
Tel.: +49 221 284-482<br />
miriam.christine.peisker@de.pwc.com<br />
Kathrin Barb<br />
Tel.: +49 211 981-4141<br />
kathrin.barb@de.pwc.com<br />
Fundstelle<br />
BMF, Schreiben vom 2. Januar <strong>2012</strong> (IV D 2 – S 7300/11/<br />
10002)<br />
Deutsch-französische Steuerpolitik:<br />
Grünbuch Unternehmensbesteuerung<br />
veröffentlicht<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident<br />
Nicolas Sarkozy beauftragten im vergangenen Jahr<br />
ihre Finanzminister, Vorschläge für eine Annäherung<br />
der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlagen und<br />
der Körperschaftsteuersätze zu unterbreiten. Die<br />
Ergebnisse dieser deutsch-französischen Zusammenarbeit<br />
liegen nun in Form eines sogenannten Grünbuchs<br />
vor. Die hehren Ziele: durch eine aufeinander<br />
abgestimmte Unternehmensbesteuerung neue Wachstumsimpulse<br />
zu setzen und Mittelständlern die grenzüberschreitende<br />
Arbeit zu erleichtern. – Sollten diese<br />
Änderungen Gesetz werden, dürfte der Vorschlag der<br />
EU-Kommission über eine Gemeinsame konsolidierte<br />
Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage vom Tisch<br />
sein.<br />
Das von den Finanzministerien beider Länder erarbeitete Papier<br />
analysiert die Steuersysteme und gibt Empfehlungen, wie<br />
die Unternehmensteuern künftig angeglichen werden können.<br />
Auf den folgenden Gebieten sehen die deutsch-französischen<br />
Steuerexperten dabei Möglichkeiten für eine Angleichung.<br />
Organschaft/Gruppenbesteuerung<br />
In Frankreich wie in Deutschland gibt es Regelungen zur Gruppenbesteuerung,<br />
die sich jedoch wesentlich unterscheiden. So<br />
Steuern A bis Z<br />
hängt nach deutschem Steuerrecht die Zusammenrechnung<br />
von Gewinnen und Verlusten beim Organträger vom Abschluss<br />
eines Gewinnabführungsvertrags ab – und damit von einer<br />
Gewinnabführung durch die Organgesellschaft beziehungsweise<br />
einer Verlustübernahme durch den Organträger. Demgegenüber<br />
wird im französischen Steuerrecht der Abschluss<br />
eines Gewinnabführungsvertrags nicht gefordert. Abweichungen<br />
gibt es aber auch bei der Mindestbeteiligungsquote. Während<br />
Deutschland eine Quote von mehr als 50 Prozent fordert,<br />
hängt die Gruppenbesteuerung in Frankreich von einer Quote<br />
von 95 Prozent ab. Da eine vollständige Angleichung bei der<br />
Gruppenbesteuerung kurzfristig nicht umsetzbar erscheint,<br />
zieht Deutschland einerseits die Abschaffung beziehungsweise<br />
Änderung des Gewinnabführungsvertrags und andererseits<br />
eine Erhöhung der Quote in Betracht.<br />
Behandlung von Dividenden und<br />
bestimmten Betriebsausgaben<br />
Mutter-Tochter-Regelung: In Frankreich wie in Deutschland<br />
sind Dividenden vorbehaltlich eines Anteils von fünf<br />
Prozent für Kosten und Auslagen von der Körperschaftsteuer<br />
befreit. Das französische Steuerrecht sieht im Gegensatz zum<br />
deutschen Recht allerdings eine Mindestbeteiligung von mehr<br />
als fünf Prozent und eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren<br />
vor. Mögliche Angleichung: Deutschland erwägt die Einführung<br />
einer Mindestbeteiligungsquote.<br />
Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen: Die deutschen<br />
Vorschriften unterscheiden nicht danach, ob die Zinsen<br />
an einen Anteilseigner oder einen Drittgläubiger gezahlt<br />
werden. Zinsaufwendungen sind allerdings nur im Rahmen<br />
der Zinsschranke abziehbar. Der französische Gesetzgeber<br />
begrenzt den Abzug von Zinsaufwendungen nur in Fällen, in<br />
denen Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen gewährt<br />
werden. Folgende Optionen für eine Annäherung der Steuersysteme<br />
sind denkbar:<br />
• Steuerneutralität bei der Behandlung von Dividenden und<br />
Darlehenszinsen herbeiführen.<br />
• Allgemeine Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen<br />
wie in Deutschland vorsehen.<br />
• Zinsaufwendungen zur Finanzierung von Wertpapieren, die<br />
steuerfreie Erträge generieren, nur begrenzt zum Abzug zulassen.<br />
• Gezieltere Missbrauchsregelungen einführen.<br />
Verlustabzug<br />
Die französischen Vorschriften über den Verlustvor- und -rücktrag<br />
wichen bislang deutlich von der deutschen Regelung ab.<br />
Frankreich hat sich deshalb entschieden, seine Vorschriften<br />
entsprechend zu ändern. Ein darüber hinaus verbleibender<br />
Unterschied betrifft die Begrenzung des Verlustrücktrags. In<br />
Deutschland ist der Verlustrücktrag auf 511.500 Euro be-<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 23
Steuern A bis Z<br />
grenzt, während Frankreich eine Höchstgrenze von einer Million<br />
Euro eingeführt hat. Alternativ könnte sich Deutschland<br />
deshalb eine Erhöhung der Höchstgrenze auf eine Million Euro<br />
vorstellen sowie eine Abschaffung des Wahlrechts in Bezug auf<br />
die Höhe des Verlustrücktrags in Erwägung ziehen.<br />
24 <strong>PwC</strong><br />
Abschreibungen<br />
Die wesentlichen Unterschiede zwischen Deutschland und<br />
Frankreich betreffen die degressive Abschreibung, die Poolabschreibung<br />
und die Abschreibung des Firmenwerts. Für eine<br />
Angleichung der Steuersysteme zieht Frankreich in Erwägung,<br />
die zurzeit geltenden Regeln für die degressive Abschreibung<br />
zu verschärfen und sie, wie es in Deutschland der Fall ist, nur<br />
French-German Green Paper on common corporation tax<br />
The German and French Finance Ministries presented a Green Paper identifying areas of convergence on corporate<br />
taxation between the two states. It is the intention of both governments that their suggestions for a greater corporate tax<br />
(cpt) harmonization should stimulate economic growth and ease cross-border activities of small and medium sized enterprises.<br />
The Green Paper is viewed as an important move to counter competition between tax regimes in Europe outlining<br />
specific points where action is seen necessary. Talks should be held in conjunction with parliament and industry in both<br />
countries. The defined goal is implementation of the proposals starting in 2013.<br />
In brief, the following areas of convergence have been identified:<br />
Tax rates: At approximately 29,9 per cent Germany’s total corporate tax burden (including local trade tax) is significantly<br />
lower than its French equivalent being somewhere between 42 and 44 per cent. In order to maintain competitiveness of<br />
German and French companies it is sought to gradually lower the French standard tax rate in order that both cpt and CVAE<br />
(which is a tax based on the “value added” each year by the business) correspond to the German overall tax burden.<br />
Group taxation (Organschaft): The rules for group taxation differ significantly. Germany requires a profit and loss<br />
pooling agreement (not required under French law) and the parent to control more than 50 per cent of the voting rights of<br />
the subsidiary whereas group taxation in France depends on a minimum holding of 95 per cent. Germany concedes to<br />
abolish or amend the profit and loss pooling rules and to increase the holding percentage threshold.<br />
Dividend taxation: Though both countries exempt dividends between subsidiary and parent with non-deductible related<br />
costs of 5 per cent of the dividend received, France requires a minimum holding of more than 5 per cent for at least 2<br />
years. Germany should likewise attempt to introduce a minimum holding requirement.<br />
Interest expense deduction: Thin capital rules are no longer in force in Germany. Their substitute is an interest limitation<br />
generally restricting the deductibility of the negative interest margin (i.e. surplus of interest expense over the interest<br />
income) to 30 per cent of the total net earnings before interest, taxes on income, depreciation and amortization (EBITDA).<br />
Under French tax jurisdiction interest deduction is only limited if on intercompany loans.<br />
Possible options on both issues: Neutralize tax treatment of dividend and interest payments, introduce an interest<br />
limitation scheme similar to Germany, restrict the refinancing of tax-free securities and care for adequate anti-abuse rules.<br />
Loss relief: In Germany corporate taxpayers may optionally claim a loss carry-back of up to €511.500, whilst France<br />
provides for an amount of up to €1m. Hence, Germany could consider increasing the loss-carry-back to €1m and also<br />
abolish the option-formula and introduce cross-border loss utilization provisions.<br />
Depreciation: The major differences are the reducing-balance depreciation (as opposed to straight-line), pool depreciation<br />
(for a group of assets) and depreciation of goodwill. France agrees to tighten and limit the methods for reducing-balance<br />
depreciation (in Germany this method is only available for fixed assets acquired in 2009 and 2010) and also accept depreciation<br />
of goodwill.<br />
Partnerships: The taxation of partnerships in both states offer a number of resemblances. Whilst Germany does not plan<br />
substantial changes, France might want to reconsider its 2010 reform initiatives for modification of the tax regime of partnerships:<br />
Unlike Germany, which treats partnership as transparent, France currently has a co-existing scheme of semitransparent<br />
and transparent taxation and could abolish the option for cpt which is presently available for partnerships and<br />
therefore further approaching the concept of tax transparency. (MH)
noch zeitlich befristet in Abhängigkeit von konjunkturellen<br />
Unwägbarkeiten zuzulassen. Darüber hinaus wird erwogen,<br />
die Abschreibung des Goodwill zuzulassen.<br />
Personengesellschaften<br />
Die steuerlichen Regelungen für Personengesellschaften in<br />
Frankreich und Deutschland weisen viele Ähnlichkeiten auf.<br />
Deutschland beabsichtigt deshalb keine substanzielle Änderung<br />
seiner Vorschriften. Frankreich könnte indes das<br />
Grünbuch zum Anlass nehmen, eine bereits im Jahr 2010<br />
gescheiterte Reform für Personengesellschaften erneut aufzugreifen.<br />
Hintergrund: Die Möglichkeit, als Personengesellschaft<br />
zur Körperschaftsteuerpflicht zu optieren, gewährt Personengesellschaften<br />
nach französischem Recht ein hohes Maß<br />
an Gestaltungsfreiheit. Das Nebeneinander von intransparenter<br />
und transparenter Besteuerung verursacht jedoch einen<br />
hohen administrativen Aufwand. Die von Frankreich beabsichtigte<br />
Reform sieht deshalb einen Übergang von einem „halbtransparenten“<br />
System zu einer systematischeren Anwendung<br />
des Prinzips der Transparenz vor.<br />
Steuersätze<br />
Frankreich weist im Vergleich zu Deutschland einen höheren<br />
Körperschaftsteuersatz auf. Um die Wettbewerbsfähigkeit<br />
deutscher und französischer Unternehmen zu erhalten, könnte<br />
Frankreich nach und nach den Regelkörperschaftsteuersatz<br />
senken, ohne jedoch einen Steuersatz festzulegen, der mit dem<br />
deutschen Körperschaftsteuergesetz identisch ist. Dieser Steuersatz<br />
wird in diesem Fall so berechnet, dass die französische<br />
Körperschaftsteuer zuzüglich Steuerzuschläge der deutschen<br />
Ertragsteuerbelastung entspricht.<br />
Weiteres Vorgehen<br />
Die Vorschläge müssen nun innerhalb der Europäischen Union<br />
und mit den nationalen Parlamenten diskutiert werden. Nach<br />
weiteren Konsultationen könnten sie dann ab 2013 schrittweise<br />
umgesetzt werden. GS<br />
Umsatzsteuer: Haftungsvergütung<br />
einer Personalgesellschaft an einen<br />
persönlich haftenden Gesellschafter<br />
Das Bundesministerium der Finanzen schließt sich<br />
beim Thema Haftungsvergütung mit seinem Schreiben<br />
vom 14. November 2011 der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs<br />
an und gibt die bisherige Auffassung<br />
der Verwaltung auf. Den Umsatzsteuer-Anwendungserlass<br />
hat die Behörde entsprechend angepasst.<br />
Steuern A bis Z<br />
In seinem Urteil vom 3. März 2011 (V R 24/10) hatte der Bundesfinanzhof<br />
(BFH) entschieden: Die Festvergütung, die der<br />
geschäftsführungs- und vertretungsberechtigte Komplementär<br />
einer Kommanditgesellschaft von dieser für seine Haftung<br />
nach den §§ 161 und 128 Handelsgesetzbuch erhält, ist als Entgelt<br />
für eine einheitliche Leistung, die Geschäftsführung, Vertretung<br />
und Haftung umfasst, umsatzsteuerpflichtig. Der BFH<br />
hatte in seiner Entscheidung festgestellt: Sowohl die Haftungsübernahme<br />
als auch die Geschäftsführung und Vertretung besitzen<br />
ihrer Art nach Leistungscharakter und können daher<br />
auch im Fall einer isolierten Erbringung Gegenstand eines<br />
umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen Gesellschaft<br />
und Gesellschafter sein. Die Festvergütung sei zudem auch<br />
nicht nach § 4 Nummer 8 Buchstabe g Umsatzsteuergesetz<br />
steuerfrei, da ihr kein Finanzcharakter zukomme. Das Bundesfinanzministerium<br />
(BFH) hat diese Rechtsprechung nun in<br />
Abschnitt 1.6 Absatz 6 Umsatzsteuer-Anwendungserlass übernommen.<br />
Das BMF weist darauf hin: Die genannten Grundsätze sind in<br />
allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird allerdings nicht beanstandet,<br />
wenn eine gegen Sonderentgelt erbrachte isolierte<br />
Haftungsübernahme vor dem 1. Januar <strong>2012</strong> als nicht umsatzsteuerbar<br />
behandelt wird. Diese Übergangsregelung gilt jedoch<br />
nicht für die Fälle, in denen der persönlich haftende Gesellschafter<br />
gegenüber der Personengesellschaft zudem umsatzsteuerbare<br />
Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen<br />
erbringt.<br />
Praxishinweis<br />
Von dieser Regelung betroffene Unternehmer und ihre Gesellschafter<br />
sollten die Besteuerung ihrer Umsätze mit Blick auf<br />
Haftungsvergütungen überprüfen und gegebenenfalls die notwendigen<br />
Korrekturen in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen<br />
vornehmen. In diesem Zusammenhang ist es unter anderem<br />
entscheidend, ob dem Gesellschafter eine Festvergütung oder<br />
eine gewinnabhängige Vergütung gezahlt wurde. In der Regel<br />
liegt nur im ersten Fall ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch<br />
vor, der durch den Gesellschafter zu versteuern wäre,<br />
wenn er kein Kleinunternehmer ist. Bitte beachten Sie: Bei<br />
einer Nachversteuerung der Umsätze muss auch eine Korrektur<br />
der durch den Gesellschafter ausgestellten Rechnungen<br />
erfolgen, sofern Rechnungen ausgestellt wurden. Andernfalls<br />
müssten erstmalig Rechnungen durch den Gesellschafter für<br />
die Haftungsübernahme erstellt werden. Bei einer isolierten<br />
Haftungsübernahme gegen Sonderentgelt vor dem 1. Januar<br />
<strong>2012</strong> wird es nicht beanstandet, wenn diese als nicht umsatzsteuerbar<br />
behandelt wird. Für zukünftige Gestaltungen wäre<br />
zu prüfen, in welcher Form der Gesellschafter seine Leistungen<br />
erbringt und ob es sinnvoll ist, hier die Voraussetzungen für ein<br />
Leistungsaustauschverhältnis zu begründen. Speziell für<br />
Unternehmer, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind,<br />
sind hier eingehende Vorüberlegungen sinnvoll.<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 25
Steuern A bis Z<br />
Mehr über die Hintergründe des oben genannten BFH-Urteils<br />
erfahren Sie in der Ausgabe Juni 2011 Ihrer Fachnachrichten<br />
steuern+recht ab Seite 13.<br />
Ihre Fragen beantworten Ihre Ansprechpartnerinnen gern. Rufen<br />
Sie sie bitte an oder schicken ihnen einfach eine E-Mail.<br />
Aleksandra Kostecka<br />
Tel.: +49 211 981-1904<br />
aleksandra.kostecka@de.pwc.com<br />
Kathrin Barb<br />
Tel.: +49 211 981-4141<br />
kathrin.barb@de.pwc.com<br />
Fundstellen<br />
• BMF, Schreiben vom 14. November 2011<br />
(IV D 2 – S 7100/07/10028 :003)<br />
• BFH, Urteil vom 3. März 2011 (V R 24/10)<br />
Wechsel des Durchführungswegs in<br />
der betrieblichen Altersversorgung<br />
Die Zahl von Pensionsverpflichtungen bewegt Unternehmen<br />
seit Jahren dazu, nach Alternativen zu<br />
suchen, um die Auswirkungen von Pensionsrückstellungen<br />
auf die Bilanz gering zu halten. Ein gängiges<br />
Mittel ist dabei der Wechsel des Durchführungswegs,<br />
etwa zu einem Pensionsfonds. Lange Jahre war ungeklärt,<br />
ob ein solcher Wechsel – bei inhaltlich unveränderter<br />
Fortführung der Versorgungszusage – die<br />
Zustimmung der Begünstigten erfordert. Das Bundesarbeitsgericht<br />
stellte dann in seinem Urteil vom<br />
12. Juni 2007 fest: Eine Zustimmung ist erforderlich,<br />
wenn der Durchführungsweg Bestandteil der arbeitsrechtlichen<br />
Versorgungsregelung ist. Da das die praktische<br />
Umsetzung erschwert, schlägt die Literatur<br />
unter anderem vor, die Versorgungszusagen des<br />
Unternehmens um ein Optionsrecht auf Umstellung<br />
des Durchführungswegs zu erweitern. Arbeitsrechtlich<br />
hinreichend mag diese Vorgehensweise sein,<br />
steuerlich sind damit allerdings erhebliche Gefahren<br />
verbunden, wie Sie im aktuellen Beitrag lesen.<br />
Anlass der Auslagerung<br />
Der Wunsch von Unternehmen, die Auswirkung von Pensionsverpflichtungen<br />
auf ihre Bilanz zu reduzieren, hat vielfältige<br />
Hintergründe, darunter:<br />
• die Bilanzpolitik<br />
• die Trennung vom operativen Geschäft<br />
26 <strong>PwC</strong><br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … warum Unternehmen die Auswirkungen von<br />
Pensionsverpflichtungen auf ihre Bilanz möglichst<br />
minimieren wollen.<br />
• … welche Wege es gibt, das Ziel zu erreichen.<br />
• … welche steuerlichen Fallstricke dabei zu<br />
umgehen sind.<br />
• eine Auslagerung der Administration<br />
• eine Veränderung von Kennzahlen oder Ratingeinstufungen<br />
• neue Vorstellungen zur Gesamtgestaltung der betrieblichen<br />
Altersversorgung (bAV)<br />
• eine Unternehmenstransaktion<br />
Daneben betrachten viele Finanzdienstleister und Berater das<br />
Thema seit Jahren als Erfolg versprechendes Marktsegment<br />
und werben aktiv für die Auslagerung respektive externe Ausfinanzierung<br />
von Pensionsverpflichtungen. Schließlich wird<br />
das Thema in Zukunft sicher noch größere Bedeutung erlangen,<br />
wenn die im Moment nur diskutierten Änderungsmodelle<br />
zur Beitragsbemessung von Insolvenzsicherungsbeiträgen<br />
wirklich umgesetzt werden. Nach diesen Modellen soll ein<br />
zweckgebundenes Vermögen zur Finanzierung der Pensionsverpflichtungen<br />
die Insolvenzsicherungsbeiträge grundsätzlich<br />
reduzieren.<br />
Lösungswege im Überblick<br />
Die Möglichkeiten, die bilanziellen Auswirkungen von Pensionsverpflichtungen<br />
zu vermindern, können nach folgenden<br />
Merkmalen differenziert werden:<br />
• Grad der Enthaftung des Arbeitgebers<br />
• Ausfinanzierung ohne Wechsel des Durchführungswegs<br />
• Ausfinanzierung durch Wechsel des Durchführungswegs<br />
In bestimmten Situationen verbinden Unternehmen die Ausfinanzierung<br />
mit einer rechtlichen Ablösung von der bAV, zum<br />
Beispiel bei der Liquidation oder Betriebsstilllegung. Dann<br />
bietet § 4 Absatz 4 Betriebsrentengesetz die Möglichkeit, die<br />
Pensionsverpflichtungen auf eine Versicherung oder eine Pensionskasse<br />
bei gleichzeitiger Haftungsübernahme zu übertragen.<br />
Ansonsten ist die Übertragung mit rechtlicher Enthaftung<br />
nur eingeschränkt zulässig und beschränkt sich im Wesentlichen<br />
auf die Portabilität bei Arbeitgeberwechsel. Alternativ ist<br />
eine Abfindung von Versorgungsanwartschaften oder -leistungen<br />
denkbar, wobei § 3 Betriebsrentengesetz die Abfindung<br />
restriktiv behandelt. Besondere Lösungen bieten der Schuldbeitritt<br />
mit Freistellung im Innenverhältnis oder die Ausgliederung<br />
in eine „Rentnergesellschaft“ im Sinne des Umwandlungsgesetzes.<br />
Solche Lösungen entlasten den Arbeitgeber<br />
wirtschaftlich (Schuldbeitritt) oder mit zeitlicher Verzögerung<br />
(Ausgliederung).
Steht nur die bilanzielle Belastung von Pensionsverpflichtungen<br />
im Zentrum, sollten Unternehmen gegebenenfalls die Nutzung<br />
des Saldierungsgebots bei fortbestehender unmittelbarer<br />
Pensionszusage erwägen. Hierbei wird ein Vermögen, das im<br />
Wesentlichen zweckgebunden und gegen den Zugriff von<br />
Gläubigern geschützt ist, in der Bilanz von der Pensionsrückstellung<br />
abgezogen, sodass nur noch eine mögliche Differenz<br />
ausgewiesen werden muss. Nach Einführung des Gesetzes zur<br />
Modernisierung des Bilanzrechts ist die Saldierung auch in der<br />
Handelsbilanz zulässig. In einer Bilanz nach den International<br />
Financial Reporting Standards oder den Generally Accepted<br />
Accounting Principles der USA bietet sich die Saldierung schon<br />
seit Jahren an.<br />
Schließlich ist es auch denkbar – und in manchen Situationen<br />
durchaus sinnvoll –, den Durchführungsweg der bAV zu wechseln.<br />
Alternativ zur unmittelbaren Pensionszusage bieten sich<br />
vier externe Wege an, die allesamt durch eine Kapitalansammlung<br />
außerhalb des Betriebsvermögens des Unternehmens<br />
gekennzeichnet sind. Unterschiede ergeben sich aus ertragund<br />
lohnsteuerlicher sowie aus aufsichtsrechtlicher Sicht.<br />
Aufgrund des relativ geringen lohnsteuerfreien Dotierungsrahmens<br />
eignen sich die Pensionskasse und die Direktversicherung<br />
in der Praxis weniger für die Auslagerung. Dagegen<br />
bieten die Unterstützungskasse oder der Pensionsfonds lohnsteuerfreie<br />
Dotierungschancen in größerem Umfang, sodass<br />
sie überwiegend als alternative Durchführungswege in<br />
Betracht kommen.<br />
Arbeitsrechtliche Zustimmung<br />
Ein wesentliches Kennzeichen der bAV ist ihre arbeitsrechtliche<br />
Verwurzelung. Als Vergütungsbestandteil kann sie zwar<br />
einseitig zugesagt, nicht aber ohne Weiteres einseitig verändert<br />
werden. Speziell für Verschlechterungen des Versorgungsniveaus<br />
gelten strenge arbeitsrechtliche Vorschriften. Lange<br />
Jahre war auch ungeklärt, ob eine Mitbestimmung der Begünstigten<br />
oder des Betriebsrats beim Wechsel des Durchführungswegs<br />
erforderlich ist. Unstrittig ist das bei Fällen, bei denen im<br />
Vorfeld einer Übertragung auf einen externen Durchführungsweg<br />
eine inhaltliche Anpassung der Versorgungszusage nötig<br />
ist. Offen blieb die Frage allerdings für Situationen, in denen<br />
der neue Versorgungsträger die Versorgungszusage vollinhaltlich<br />
abbilden kann. Solche Möglichkeiten bestehen beispielsweise<br />
bei nicht versicherungsförmigen Pensionsfonds. Dass die<br />
pragmatische Lösung – „das geht schon“ – vor der Rechtsprechung<br />
nicht notwendigerweise standhält, zeigte sich im Urteil<br />
des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12. Juni 2007 (3 AZR<br />
186/06; DB 2008, 2034). Der Leitsatz des BAG lautete seinerzeit:<br />
„Soweit sich das aus der Versorgungszusage ergibt, hat der<br />
Arbeitnehmer auch einen Anspruch auf Einhaltung des<br />
(externen) Durchführungswegs der betrieblichen Altersversorgung.“<br />
Steuern A bis Z<br />
Mit der Kritik der Fachliteratur an dem Urteil befasste sich bereits<br />
2010 der Vorsitzende Richter a.D. am BAG, Dr. Reinecke.<br />
Demnach ist bei einem Wechsel von einem Durchführungsweg<br />
mit Rechtsanspruch (etwa unmittelbare Pensionszusage) zu<br />
einem solchen ohne Rechtsanspruch (Unterstützungskasse) im<br />
Regelfall eine Zustimmung der Begünstigten nötig. Ansonsten<br />
ist eine Zustimmung immer dann erforderlich, wenn der<br />
Durchführungsweg explizit in der Zusage genannt wird oder<br />
auch dann, wenn die Zusage entsprechend ausgelegt werden<br />
kann.<br />
Steuerliche Gefahren<br />
Ein Vorbehalt zum Wechsel des Durchführungswegs in der<br />
Zusage kann sinnvoll sein, um den Prozess der Zustimmung<br />
bei einem Wechsel zu vermeiden – das jedenfalls wird in der<br />
arbeitsrechtlichen Fachliteratur teilweise vertreten. Beachten<br />
Sie aber: Selbst wenn das arbeitsrechtlich grundsätzlich zulässig<br />
erscheint, ist unter steuerlichen Gesichtspunkten davor zu<br />
warnen. Denn geht man von einer unmittelbaren Pensionszusage<br />
aus, so kann durch einen solchen Vorbehalt die Ernsthaftigkeit<br />
und damit die Pensionsrückstellung nach § 6 a Absatz 1<br />
Nummer 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gefährdet werden.<br />
Das EStG spricht den Wechsel des Durchführungswegs zwar<br />
nicht direkt an. Die Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) aber<br />
enthalten einige Hinweise, die zeigen, wie gefährlich der arbeitsrechtlich<br />
zulässige Vorbehalt sein kann. H 6 a Absatz 3<br />
EStR betont explizit, dass Pensionsrückstellungen nicht anerkannt<br />
werden, wenn die Zusage „voraussichtlich von einem externen<br />
Versorgungsträger erbracht“ wird. Dieser Passus<br />
verneint außerdem die Zulässigkeit der Bildung einer Rückstellung,<br />
wenn die Pensionszusage eine Vereinbarung enthält,<br />
die eine Übertragung auf eine Unterstützungskasse bei Eintritt<br />
des Versorgungsfalls vorsieht. Letzteres gilt auch für einen<br />
Übertragungsvorbehalt zugunsten einer Pensionskasse oder<br />
eines Pensionsfonds nach R 6 a Absatz 15 EStR.<br />
Empfehlung<br />
Beim Wechsel von einer unmittelbaren Pensionszusage auf<br />
einen externen Versorgungsträger möchten Unternehmen in<br />
der Regel langwierige Zustimmungsprozesse vermeiden. Arbeitsrechtlich<br />
mag das mit einem entsprechenden Vorbehalt in<br />
der Zusage gestaltbar sein. Wenn es um die Folgen für die<br />
Besteuerung geht, kann davor aber nur gewarnt werden. Bei<br />
konkreten Sachverhalten empfiehlt es sich daher, zunächst die<br />
Versorgungszusage darauf zu überprüfen, ob sich ein Anspruch<br />
auf den Durchführungsweg ableiten lässt. Wenn es den sonstigen<br />
Zielen des Unternehmens entspricht, könnte der Pensionsfonds<br />
ohne versicherungsförmige Garantie eine sinnvolle<br />
Lösung sein, da die Anbieter in der Lage sind, existierende Versorgungszusagen<br />
in vollem Umfang abzubilden. Allerdings<br />
sind Unternehmen gut beraten, alle relevanten Anforderungskriterien<br />
abzuwägen, um den passenden Durchführungsweg<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 27
Steuern A bis Z<br />
zu finden. Sich alleine an einem Aspekt auszurichten ist in keinem<br />
Fall sinnvoll.<br />
Haben Sie Fragen oder möchten Sie beraten werden? – Dann<br />
rufen Sie bitte Ihren Ansprechpartner an oder mailen ihm einfach.<br />
Joachim Sartoris<br />
Tel.: +49 221 2084-486<br />
joachim.sartoris @de.pwc.com<br />
Fundstelle<br />
BAG, Urteil vom 12. Juni 2007 (3 AZR 186/06; DB 2008,<br />
2034)<br />
Fachliteratur<br />
Löwisch/Diller, BetrAV 2010, 411; Thüsing/Granetzny, BetrAV<br />
2009, 485; Kemper, in: Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber,<br />
BetrAV, 4. Auflage, § 1 Randnummer 38, 258 ff.; DB 2010,<br />
2392 ff.<br />
Umsatzsteuer: Geschäftsveräußerung<br />
im Ganzen bei der Veräußerung<br />
von Anteilen<br />
Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist nicht nur<br />
dann gegeben, wenn materielle und immaterielle<br />
Wirtschaftsgüter übertragen werden (Asset Deal). Sie<br />
kann auch dann vorliegen, wenn lediglich Anteile an<br />
einer Gesellschaft übertragen werden (Share Deal).<br />
Unter welchen Voraussetzungen das Bundesministerium<br />
der Finanzen das offenbar für möglich hält,<br />
lesen Sie in diesem Beitrag.<br />
Die Auffassung der Rechtsprechung<br />
Schon 2009 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden:<br />
Die Veräußerung von Anteilen kann auch als (nicht steuerbare)<br />
Geschäftsveräußerung im Ganzen gelten. Der Bundesfinanzhof<br />
(BFH) folgte dieser Vorgabe im Januar 2011 in einem Urteil.<br />
Dabei unterschied er zwei Fälle: Eine Geschäftsveräußerung im<br />
28 <strong>PwC</strong><br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … in welchen Fällen das Bundesministerium der<br />
Finanzen eine Geschäftsveräußerung im Ganzen<br />
zuzulassen scheint.<br />
• … welche Zweifel daran erlaubt sind.<br />
• … weshalb es sich für Sie lohnen kann, auch<br />
vergangene Share Deals erneut zu beurteilen.<br />
Ganzen liegt (mit Sicht auf das Unternehmensvermögen der<br />
übertragenen Gesellschaft) zum einen dann vor, wenn ein Unternehmer<br />
100 Prozent der Anteile überträgt. Bestand ein umsatzsteuerliches<br />
Organschaftsverhältnis der betreffenden<br />
Gesellschaft mit dem Veräußerer und beabsichtigt der Erwerber<br />
seinerseits, mit der Gesellschaft ein Organschaftsverhältnis<br />
zu begründen, kann zum anderen eine Geschäftsveräußerung<br />
im Ganzen auch dann vorliegen, wenn nicht 100 Prozent der<br />
Anteile übertragen werden. In einem solchen Fall ist nur die<br />
Übertragung der Anteilsmehrheit erforderlich, welche die<br />
finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft vermittelte.<br />
Die Auffassung des Bundesministeriums<br />
der Finanzen<br />
Offenbar hat sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF)<br />
nun gegen diese Auffassung des BFH gestellt. Denn obwohl es<br />
eingangs auf das Urteil des BFH Bezug nimmt, kommt es dem<br />
BMF dem Wortlaut des Schreibens nach weder auf die Höhe<br />
der Beteiligung noch auf eine Organschaft mit der betreffenden<br />
Gesellschaft an – und zwar weder beim Veräußerer noch<br />
beim Erwerber. Das BMF scheint es für ausreichend zu halten,<br />
dass Anteile und Rechtsbeziehungen zusammen als „hinreichendes<br />
Ganzes“ übertragen werden.<br />
Dazu muss der Erwerber in diejenigen Rechtsverhältnisse des<br />
Veräußerers zu der Gesellschaft eintreten, die bisher dazu geführt<br />
haben, dass die Anteile beim Veräußerer im umsatzsteuerlichen<br />
Unternehmensvermögen gehalten wurden. Solche<br />
Leistungsbeziehungen können – vereinfacht ausgedrückt – in<br />
entgeltlichen Dienstleistungen bestehen, mit denen der Anteilseigner<br />
in die Verwaltung seiner Tochtergesellschaft eingreift,<br />
etwa Verwaltungstätigkeiten im Personalwesen, aber<br />
auch technische Unterstützung und anderes mehr.<br />
Bei einer Organschaft kann der nötige Eintritt in die Rechtsverhältnisse<br />
besonders dadurch gewährleistet sein, dass der<br />
Erwerber in diejenigen Beziehungen eintritt, die zuvor die wirtschaftliche<br />
Eingliederung der Gesellschaft in das Unternehmen<br />
des Veräußerers vermittelt haben. Eine wirtschaftliche Eingliederung<br />
liegt etwa dann vor, wenn der Anteilseigner seiner Tochtergesellschaft<br />
entgeltliche Leistungen zukommen lässt, die für<br />
deren Tätigkeit mehr als nur unwesentliche Bedeutung haben.<br />
Praxishinweis<br />
Bitte beachten Sie: Die genannte Interpretation des BMF-<br />
Schreibens ist nur eine von mehreren möglichen – engeren wie<br />
weiteren. Die Autoren haben sich dabei am Wortlaut des<br />
Schreibens orientiert und die Regelungen so ausgelegt, dass<br />
sich kein offenbarer Widerspruch ergibt. Unsicherheiten entstehen<br />
dadurch, dass das BMF in seinem Schreiben trotz alledem<br />
ausdrücklich auf die Entscheidung des BFH Bezug nimmt.<br />
Dadurch sind Auslegungen denkbar, die sich mit diesem Urteil
esser vereinbaren ließen. Allerdings lassen die Äußerungen<br />
des BMF und BFH sich selbst dann nur sehr schwer in überzeugender<br />
Weise zur Deckung bringen. Da im Prinzip auch das<br />
örtliche Finanzamt vor diesem Auslegungsproblem steht, sind<br />
im Fall der Übertragung von Anteilen Meinungsverschiedenheiten<br />
möglich. Wird keine Gestaltung gewählt, die sämtliche<br />
vom BFH und vom BMF geforderten Voraussetzungen kumulativ<br />
erfüllt, ist es darum empfehlenswert, schon im Vorfeld eine<br />
verbindliche Auskunft zu beantragen.<br />
Wenn Sie in der Vergangenheit (im umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen<br />
gehaltene) Gesellschaftsbeteiligungen von<br />
100 Prozent übertragen haben, beachten Sie bitte speziell die im<br />
BMF-Schreiben enthaltene Übergangsregelung: Für vor dem<br />
31. März <strong>2012</strong> ausgeführte Umsätze beanstandet es das BMF<br />
(unter einigen weiteren Voraussetzungen) demnach nicht, wenn<br />
der Unternehmer die Veräußerung von 100 Prozent der Anteile<br />
als Geschäftsveräußerung im Ganzen behandelt. Offenbar liegt<br />
in diesem Fall nach Auffassung des BMF keine steuerfreie Veräußerung<br />
von Anteilen vor, die den Vorsteuerabzug ausschließt,<br />
sondern eine – im Übrigen offenbar voraussetzungslose – Geschäftsveräußerung<br />
im Ganzen. Dann aber kann der Vorsteuerabzug<br />
aus Aufwendungen, die mit der Veräußerung der Anteile<br />
in Zusammenhang stehen, anders zu beurteilen sein als im Falle<br />
eines steuerfreien Share Deal. Bitte beachten Sie auch: Es handelt<br />
sich insoweit um eine neue Rechtsentwicklung, die Auswirkungen<br />
auf die Umsatzsteuer in der Vergangenheit hat – denn<br />
der fehlende Vorsteuerabzug bei Share Deals war bislang veröffentlichte<br />
Meinung der Finanzverwaltung. Aus diesem Grund<br />
lassen Sie am besten alle derartigen Share Deals der vergangenen<br />
Jahre von fachkundiger Seite überprüfen. In offenen Fällen<br />
kann möglicherweise Vorsteuer – unter Umständen in nicht<br />
unerheblicher Höhe – nachträglich geltend gemacht werden.<br />
Sie haben Fragen oder möchten beraten werden? – Rufen Sie bitte<br />
Ihre Ansprechpartner an oder schicken ihnen einfach eine E-Mail.<br />
Mónica Azcárate<br />
Tel.: +49 69 9585-6111<br />
monica.azcarate@de.pwc.com<br />
Martin Diemer<br />
Tel.: +49 69 9585-6104<br />
martin.diemer@de.pwc.com<br />
Fundstellen<br />
• BMF, Schreiben vom 3. Januar <strong>2012</strong><br />
• EuGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 (C-29/08, SKF)<br />
• BFH, Urteil vom 27. Januar 2011 (V R 38/09)<br />
Steuern A bis Z<br />
Umsatzsteuer: neue Regeln bei der<br />
Zuordnung der innergemeinschaftlichen<br />
Lieferung im Reihengeschäft<br />
Bislang lautete die Regel: Wer den Spediteur beauftragt,<br />
bestimmt auch, welche der verschiedenen Lieferungen<br />
im Reihengeschäft als „bewegte“ Lieferung<br />
und damit als innergemeinschaftliche Lieferung gilt.<br />
Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen<br />
Gerichtshofs hat der Bundesfinanzhof nun die<br />
Vorgaben für die Zuordnung der innergemeinschaftlichen<br />
Lieferung im Reihengeschäft geändert.<br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … wie der Bundesfinanzhof nun unter mehreren<br />
Lieferungen eines Reihengeschäfts die innergemeinschaftliche<br />
Lieferung bestimmt.<br />
• … weshalb die Regelung des Paragrafen 6 a Absatz<br />
4 Umsatzsteuergesetz über den Schutz des guten<br />
Glaubens bei innergemeinschaftlichen Lieferungen<br />
auch für „ruhende“ Lieferungen gelten kann.<br />
Sachverhalt<br />
Die Klägerin hatte Kraftfahrzeuge an K verkauft, der mit einer<br />
spanischen Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt.-IdNr.)<br />
auftrat. Den Wagen holte Fahrer Y im Inland ab. Y überreichte<br />
der Klägerin eine Erklärung über den Empfang des Fahrzeugs<br />
und die Beförderung nach Spanien sowie eine schriftliche, von<br />
K auf Y ausgestellte Abholvollmacht. Daraufhin ging die Klägerin<br />
von einer innergemeinschaftlichen Lieferung an K aus. Das<br />
Finanzamt ermittelte aber, nicht K, sondern dessen in Frankreich<br />
ansässiger Abnehmer X habe den Transport beauftragt<br />
und die Lieferung sei nicht nach Spanien ausgeführt worden,<br />
sondern nach Frankreich.<br />
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs<br />
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) war die erste Lieferung<br />
der Klägerin an K die innergemeinschaftliche Lieferung.<br />
K habe gegenüber der Klägerin bekundet, er werde den Gegenstand<br />
in einen anderen Mitgliedstaat befördern; er habe auch<br />
eine ausländische USt.-IdNr. benutzt und einen Beauftragten<br />
vorbeigeschickt. Anders wäre es nur gewesen, wenn K der Klägerin<br />
vor dem Transport oder der Beförderung mitgeteilt hätte,<br />
er habe den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft. Ein<br />
anderes Ergebnis alleine ließe sich wegen des Umstands, dass<br />
der zweite Abnehmer in die Beförderung einbezogen war, mit<br />
dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der<br />
Rechtssache C-430/09 (Euro Tyre) nicht vereinbaren.<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 29
Steuern A bis Z<br />
Dabei war es dem BFH gleichgültig, dass der Bestimmungsort<br />
im Nachweis der Klägerin falsch angegeben war. Auch der Umstand,<br />
dass ein anderer Versendungsbeleg vorgeschrieben war,<br />
erschien ihm nicht entscheidend. Denn nach § 17 a Absatz 4<br />
Satz 2 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV)<br />
könne der Unternehmer, sei ihm der Nachweis der Versendung<br />
durch den Abnehmer mittels einer „weißen Spediteursbescheinigung“<br />
nicht möglich (weil er zum Beispiel nicht erkennen<br />
kann, dass es sich nicht um einen unselbstständigen Beauftragten<br />
des Unternehmers handelt), den Nachweis auch nach<br />
§ 17 a Absatz 2 UStDV führen.<br />
Schließlich gebe es – wie der BFH im Wege eines Obiter<br />
Dictum ausführte, weil es nach alldem auf den Gutglaubensschutz<br />
nach § 6 a Absatz 4 Umsatzsteuergesetz eigentlich nicht<br />
mehr ankam – keinen Grund, den Glaubensschutz nicht auch<br />
auf eine „ruhende“ Lieferung anzuwenden.<br />
Beratungshinweis<br />
Dieses Urteil ist bis zu seiner Veröffentlichung im Bundessteuerblatt<br />
und gegebenenfalls einer Äußerung der Finanzverwaltung<br />
nur mit gehöriger Vorsicht zu genießen. Denn es stellt die<br />
jahrzehntelange Praxis bei der Zuordnung innergemeinschaftlicher<br />
Lieferungen infrage.<br />
Bei allen Zweifelsfragen, die sich einstweilen ergeben, stellt<br />
der BFH in Kürze folgende Voraussetzungen auf, nach denen<br />
ein Lieferer seine Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung<br />
behandeln darf:<br />
Der Abnehmer bekundet, die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet<br />
zu versenden (etwa weil er seine ausländische<br />
USt.-IdNr. verwendet und ein Beauftragter des ersten Abnehmers<br />
auftritt), und er teilt dem Lieferer nicht mit, dass er den<br />
Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat.<br />
Hierbei spielt es keine Rolle, wer den Spediteur beauftragt hat. –<br />
Es kann auch ein Abnehmer, der in der Kette auf den ersten Abnehmer<br />
folgt, der (in der Kette weitergegebenen) Verpflichtung<br />
des ersten Abnehmers nachkommen, die Ware ins übrige Gemeinschaftsgebiet<br />
zu befördern. Die Grundsätze gelten, wie der<br />
BFH ausdrücklich anhand eines Beispiels hervorhebt, auch für<br />
Reihengeschäfte mit mehr als drei Beteiligten, und zwar auch<br />
dann, wenn der Lieferer nicht der erste Lieferer in der Kette ist.<br />
Sie haben Fragen oder möchten beraten werden? – Rufen Sie bitte<br />
Ihre Ansprechpartner an oder schicken ihnen einfach eine E-Mail.<br />
Mónica Azcárate<br />
Tel.: +49 69 9585-6111<br />
monica.azcarate@de.pwc.com<br />
30 <strong>PwC</strong><br />
Martin Diemer<br />
Tel.: +49 69 9585-6104<br />
martin.diemer@de.pwc.com<br />
Fundstellen<br />
• BFH, Urteil vom 11. August 2011 (V R 3/10)<br />
• EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 (C-430/09, Euro Tyre)<br />
Rückwirkende Besteuerung von<br />
Erstattungszinsen auf dem Prüfstand<br />
Der Bundesfinanzhof ist derzeit mit verschiedenen<br />
Verfahren beschäftigt, in denen es um die allgemeine<br />
rechtliche und vor allem aber verfassungsrechtliche<br />
Problematik der Besteuerung von Erstattungszinsen<br />
als Einkünfte aus Kapitalvermögen geht.<br />
Mit seinem Urteil vom 15. Juni 2010 hat sich der Bundesfinanzhof<br />
(BFH) gegen die Versteuerung von Erstattungszinsen ausgesprochen,<br />
soweit sie aus der Erstattung von nicht abziehbaren<br />
Steuern resultieren. Diese Entscheidung wurde allgemein begrüßt,<br />
da im Gegenzug die auf nicht abziehbare Steuern entfallenden<br />
Nachzahlungszinsen die steuerliche<br />
Bemessungsgrundlage nicht mindern dürfen.<br />
Als Reaktion auf diese Rechtsprechung wurde im Rahmen des<br />
Jahressteuergesetzes 2010 in § 20 Absatz 1 Nummer 7 Satz 3 Einkommensteuergesetz<br />
„klargestellt“, dass die früher zugeflossenen<br />
Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen<br />
sind. Durch diese gesetzliche Festschreibung bleibt es – rückwirkend<br />
– bei der bisherigen Handhabung der Erstattungszinsen,<br />
die so nach wie vor der Steuerpflicht unterliegen: Fazit: Das oben<br />
genannte BFH-Urteil wird somit ausgehebelt, denn die gesetzliche<br />
Regelung ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden. Kein<br />
Wunder also, dass der BFH Bedenken gegen das „Nichtanwendungsgesetz“<br />
der Verwaltung äußert und bestehende Zweifel in<br />
zwei Fällen der Aussetzung der Vollziehung nunmehr grundsätzlich<br />
bejaht. Die Klärung der Hauptsache ist derzeit in zwei anderen<br />
Verfahren dort anhängig. Nach Meinung der höchsten<br />
Richter bedürfen diese umstrittenen und höchstrichterlich noch<br />
nicht endgültig geklärten Fragen aber noch weiterer eingehender<br />
Prüfung in den zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren.<br />
Fundstellen<br />
• BFH, Beschluss vom 22. Dezember 2011 (VIII B 190/11;<br />
veröffentlicht am 15. Februar <strong>2012</strong>)<br />
• BFH, Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 (VIII B 146/11)<br />
und 9. Januar <strong>2012</strong> (VIII B 95/11; als NV-Entscheidung<br />
bekannt gegeben am 8. beziehungsweise am 22. Februar<br />
<strong>2012</strong>)
Zinsen aus Lebensversicherung bei<br />
schädlicher Verwendung steuerpflichtig<br />
Dient ein mit einer Lebensversicherung besichertes Finanzierungsdarlehen<br />
auch der Begleichung von Finanzierungskosten<br />
in Form von Zinsabgrenzungsprämien, führt das zur Steuerpflicht<br />
sämtlicher Zinsen aus dem Lebensversicherungsvertrag.<br />
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören unter anderem<br />
außerrechnungs- und rechnungsmäßige Zinsen aus Sparanteilen,<br />
die in den Lebensversicherungen enthalten sind.<br />
Nicht steuerpflichtig sind diese Zinsen allerdings etwa dann,<br />
wenn sie aus Versicherungen stammen, für die ein Abzug der<br />
Sonderausgaben zulässig ist. Ein Sonderausgabenabzug scheidet<br />
jedoch aus, wenn die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen<br />
nicht der Sicherung von solchen Darlehen dienen, die<br />
unmittelbar und ausschließlich zur Finanzierung von Anschaffungs-<br />
oder Herstellungskosten eines (zur Erzielung von Einkünften<br />
bestimmten) Wirtschaftsguts aufgenommen wurden.<br />
– Das ist die Konsequenz einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs<br />
(BFH, VIII R 49/09). Zum Hintergrund: Ein Steuerpflichtiger<br />
hatte seinen Versicherungsanspruch einerseits zum<br />
größten Teil eingesetzt, um das für den Kauf einer Praxis aufgenommene<br />
Darlehen in Höhe von 148.000 Euro zu besichern.<br />
Andererseits nutzte er die Versicherung für eine Zinscap-Gebühr<br />
in Höhe von 7.200 Euro, die durch eine Zinsabgrenzungsvereinbarung<br />
entstanden war. Mit dem Policendarlehen<br />
finanzierte der Steuerpflichtige also auch Aufwendungen, die<br />
nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines<br />
Wirtschaftsguts gehörten (denn Zinsbegrenzungsprämien sind<br />
Finanzierungskosten). Deshalb setzte das Finanzamt die Zinsen<br />
aus der Lebensversicherung als Einkünfte aus Kapitalvermögen<br />
fest. – Zu Recht, wie der BFH entschied. Dem Einwand<br />
des Steuerpflichtigen, die Versicherungsansprüche seien immerhin<br />
teilweise zur Sicherung des betrieblichen Darlehens<br />
abgetreten worden und hätten mindestens insofern der Finanzierung<br />
von Anschaffungskosten gedient, konnte der BFH nicht<br />
folgen. Er entgegnete: Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug<br />
sei die uneingeschränkte unmittelbare und ausschließliche<br />
Verwendung des gesamten Darlehens zur Finanzierung<br />
von Anschaffungs- und Herstellungskosten.<br />
Übertragung von Gesellschaftsanteilen<br />
als Geschäftsveräußerung<br />
im Ganzen<br />
Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung<br />
im Ganzen an einen anderen Unternehmer für dessen<br />
Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer,<br />
gleichwohl ist aber der Vorsteuerabzug aus den damit<br />
zusammenhängenden Kosten möglich. Das Bundesfinanzministerium<br />
hat nun erklärt, dass dies auch bei<br />
Steuern A bis Z<br />
Anteilsverkäufen der Fall sein kann, sofern der Erwerber<br />
die wirtschaftlichen<br />
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich in seinem Urteil vom<br />
27. Januar 2011 (V R 38/09) mit diesem Thema auseinandergesetzt<br />
und den Vorsteuerabzug aus Beratungsleistungen, die<br />
ein Unternehmen für die Beteiligungsveräußerung bezogen<br />
hatte, verneint. Nach Auffassung des Gerichts bestand der<br />
maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zur<br />
steuerfreien Beteiligungsveräußerung. Entscheidend für eine<br />
Geschäftsveräußerung ist, dass die übertragenen Vermögensgegenstände<br />
ein hinreichendes Ganzes bilden, um dem Erwerber<br />
die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten<br />
unternehmerischen Tätigkeit zu ermöglichen und der<br />
Erwerber dies auch tatsächlich tut. Eine Geschäftsveräußerung<br />
im Ganzen liegt nur vor, wenn entweder alle Anteile der Gesellschaft<br />
veräußert werden oder aber wenn eine Anteilsmehrheit<br />
übertragen wird, die eine finanzielle Eingliederung<br />
begründet und wenn der neue Mehrheitsgesellschafter seinerseits<br />
beabsichtigt, eine Organschaft zu der Gesellschaft, an der<br />
die übertragenen Anteile bestehen, zu begründen. Eine Anteilsübertragung,<br />
durch die lediglich die finanzielle Eingliederung<br />
beim bisherigen Organträger beendet wird, ohne dass es<br />
zugleich zu einer Organschaft zum neuen Mehrheitsgesellschafter<br />
kommt, reicht nicht aus. Die Finanzverwaltung hat<br />
ihren Umsatzsteuer-Anwendungserlass nunmehr entsprechend<br />
angepasst. Erst wenn der Erwerber in Rechtsverhältnisse eintritt,<br />
durch die das Halten der Beteiligung beim Veräußerer als<br />
unternehmerisch veranlasst anzusehen war, wird ein hinreichendes<br />
Ganzes zur Fortführung eines Geschäftsbetriebs übertragen.<br />
Diese Voraussetzung ist in den Fällen der Organschaft<br />
dann erfüllt, wenn der Erwerber in die die wirtschaftliche Eingliederung<br />
vermittelnden Beziehungen zwischen bisherigem<br />
Organträger und der Organgesellschaft eintritt. Eine nicht<br />
steuerbare Geschäftsveräußerung kann in diesen Fällen aber<br />
auch dann vorliegen, wenn zwischen dem Erwerber der Beteiligung<br />
und der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, aus<br />
anderen Gründen kein Organschaftsverhältnis begründet wird.<br />
Für vor dem 31. März <strong>2012</strong> ausgeführte Umsätze besteht eine<br />
Übergangsfrist: Der Unternehmer kann dann noch von der Veräußerung<br />
eines gesondert geführten Betriebs anhand der ertragsteuerlichen<br />
Grundsätze ausgehen.<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 31
Recht aktuell<br />
Neue Rechtsprechung zum aktienrechtlichenDifferenzhaftungsanspruch<br />
Die Aktionäre einer Aktiengesellschaft sind einer<br />
Differenzhaftung ausgesetzt, wenn die Einlage, die sie<br />
im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung erbringen,<br />
den geringsten Ausgabebetrag der dafür erhaltenen<br />
Aktien nicht deckt. Im Zusammenhang mit dieser<br />
Differenzhaftung gibt es viele ungeklärte Fragen. Der<br />
Bundesgerichtshof hatte am 15. November 2011 über<br />
einen Fall zu entscheiden, in dem der Insolvenzverwalter<br />
der Babcock Borsig AG von der Rechtsnachfolgerin<br />
der Preussag AG im Wege der Differenzhaftung<br />
einen Betrag von über 170 Millionen Euro fordert.<br />
Das Gericht nahm diesen Fall zum Anlass, sich zu<br />
einigen Fragen im Zusammenhang mit der aktienrechtlichen<br />
Differenzhaftung zu äußern. – Über das<br />
Urteil und seine Hintergründe informiert Sie der<br />
aktuelle Beitrag.<br />
Der zugrunde liegende Sachverhalt<br />
Die Deutsche Babcock AG, später Babcock Borsig AG (Babcock),<br />
hatte im Jahre 1999 eine Sachkapitalerhöhung durchgeführt,<br />
anlässlich derer die Preussag AG (Preussag) ihr Industrie-<br />
und Werftengeschäft, darunter ein Aktienpaket an der<br />
Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW), als Sacheinlage<br />
einbrachte. Zu diesem Zweck war zwischen den Parteien ein<br />
Transaktionsvertrag geschlossen worden. Der Verkehrswert<br />
der von der Preussag zu erbringenden Einlagen war auf<br />
409.915.000 DM (209.586.211,50 Euro) festgelegt worden.<br />
Die Preussag übernahm im Rahmen der Sachkapitalerhöhung<br />
rund 3,5 Millionen Babcock-Aktien, wobei der geringste Ausgabebetrag<br />
sich auf rund 89 Millionen Euro belief. Ein weiteres<br />
Aktienpaket an der HDW war ebenfalls Gegenstand des Transaktionsvertrags.<br />
Die Preussag verkaufte es der Babcock unter<br />
aufschiebenden Bedingungen zu einem Kaufpreis von 325 Millionen<br />
DM. Die Preussag verpflichtete sich zudem dazu, einen<br />
Zuschuss in das Vermögen der Babcock zu erbringen, um die<br />
32 <strong>PwC</strong><br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … mit welcher Argumentation der Insolvenzverwalter<br />
der Babcock Borsig AG versucht, gegen die<br />
Rechtsnachfolgerin der Preussag AG vermeintliche<br />
Ansprüche durchzusetzen.<br />
• … zu welchen Fragen im Zusammenhang mit der<br />
aktienrechtlichen Differenzhaftung der Bundesgerichtshof<br />
Stellung bezogen hat.<br />
• … welche Risiken sich für die Aktionäre einer<br />
Aktiengesellschaft daraus ergeben können.<br />
Kosten einer schon begonnenen Restrukturierung auszugleichen.<br />
Nachdem die Kapitalerhöhung durchgeführt worden<br />
war, kam es zwischen den Parteien zum Streit über die weiteren<br />
Inhalte des Transaktionsvertrags. Die Verhandlungen mündeten<br />
im Jahre 2000 in einer Vereinbarung, wonach die<br />
Preussag der Babcock für zu erwartende Verluste einen Ertragszuschuss<br />
in Höhe von 325 Millionen DM gewährte, dessen<br />
Zahlung schließlich mit der Kaufpreisforderung in eben dieser<br />
Höhe für das weitere Aktienpaket an der HDW verrechnet<br />
wurde. Die Babcock erklärte, aus dem Transaktionsvertrag<br />
keine Ansprüche gegen die Preussag mehr zu erheben.<br />
Im Jahre 2002 wurde über das Vermögen der Babcock das<br />
Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter meinte,<br />
der Wert des Industrie- und Werftengeschäfts, das die Babcock<br />
von der Preussag übernommen hatte, sei geringer als die vereinbarte<br />
Einlage. Er verlangte deshalb von der Rechtsnachfolgerin<br />
der Preussag den Ausgleich des Differenzbetrags und<br />
berief sich dabei unter anderem darauf, die Babcock könne mit<br />
der Vereinbarung im Jahre 2000 nicht wirksam auf Differenzhaftungsansprüche<br />
gegen die Preussag verzichten. Land- und<br />
Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.<br />
Die vom Bundesgerichtshof entschiedenen<br />
Rechtsfragen<br />
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob in der Revision die Entscheidung<br />
des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG) auf und<br />
verwies den Fall zur weiteren Aufklärung zurück. Dabei nahm<br />
das Gericht zu wichtigen Fragen im Zusammenhang mit der<br />
aktienrechtlichen Differenzhaftung Stellung. – Die Entscheidungen<br />
im Einzelnen:<br />
• Ein gesetzlicher Differenzhaftungsanspruch besteht auch,<br />
wenn der Wert der Sacheinlage zwar den geringsten Ausgabeanspruch<br />
(§ 9 Absatz 1 Aktiengesetz, AktG), aber nicht<br />
das Aufgeld (§ 9 Absatz 2 AktG) deckt.<br />
Diese Frage war deshalb von Bedeutung, weil der Wert der von<br />
der Preussag erbrachten Einlagen nach dem unbestrittenen<br />
Vortrag des Insolvenzverwalters rund 95 Millionen Euro betrug.<br />
Sie deckte damit zwar den Ausgabebetrag der dafür bezogenen<br />
Aktien (von rund 89 Millionen Euro), nicht aber das<br />
Aufgeld (von weiteren rund 120 Millionen Euro).<br />
Mangels eindeutiger Regelung im Gesetz war diese Frage in<br />
der juristischen Fachliteratur umstritten. Sie ist von erheblicher<br />
Bedeutung für die Praxis und zeigt einmal mehr: Die<br />
Vorschriften für die Aufbringung von Kapital sind bei der<br />
Aktiengesellschaft strenger als bei der Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung (GmbH). Denn bei ihr erstreckt sich die<br />
Differenzhaftung nach herrschender Ansicht nicht auf das Aufgeld.
Recht aktuell<br />
Federal Civil Court on the liability for shortfall under the auspices of the Stock Corporation Act<br />
Shareholders of a public limited company (AG) continue to owe the difference if their contribution in kind does not cover<br />
the lowest amount for which shares are issued (liability for the shortfall). In a recent case the Federal Civil Court has<br />
taken the opportunity to outline in general some of the relevant issues relating to issues of a shortfall of liability under the<br />
regulations governed by the Stock Corporation Act. Some of the key points outlined in the decision:<br />
• An enforceable liability for the shortfall likewise exists if the value of the contribution in kind would cover the lowest<br />
amount for which shares are issued, but not the share premium. The rules for raising capital for an AG are thus more<br />
stringent than those for private limited companies (GmbH).<br />
• A private settlement on the liability for shortfall is possible although an AG is generally not allowed to release its shareholders<br />
from their obligations in connection with a capital increase. The court stated that a settlement is permissible, if<br />
such compromise is reached because of legal uncertainty as regards validity and amount of the claim.<br />
• A settlement on the liability for shortfall is not subject to approval of the shareholders’ meeting.<br />
• The shareholder may not set-off own claims from the AG against his obligation for a contribution towards the AG. Similarly,<br />
this also applies to the AG in a reverse situation. However, the AG may generally release the shareholder from its obligation<br />
if the claims to be off-set are due, liquid and of value. (MH)<br />
• Ein Vergleich über den Differenzhaftungsanspruch ist zulässig.<br />
Diese Frage war ebenfalls strittig. Die Unsicherheit hatte ihren<br />
Grund in § 66 Absatz 1 Satz 1 AktG. Danach ist es der Aktiengesellschaft<br />
verboten, die Aktionäre von ihren im Rahmen<br />
einer Kapitalerhöhung eingegangenen Leistungspflichten zu<br />
befreien. Allgemein war anerkannt, dass dieses Verbot weit<br />
auszulegen ist und sämtliche Rechtsgeschäfte erfasst, die zu<br />
einer Befreiung der Aktionäre von der Einlageleistung führt.<br />
Der BGH hat nun entschieden: § 66 Absatz 1 Satz 1 AktG steht<br />
einem Vergleich nicht entgegen, wenn dieser „wegen tatsächlicher<br />
oder rechtlicher Ungewissheit über den Bestand oder Umfang<br />
des Anspruchs geschlossen wird“. Die Voraussetzungen<br />
lagen nach Auffassung des BGH in dem entschiedenen Fall vor.<br />
Diese Entscheidung ist für die Rechtspraxis sehr wichtig, kann<br />
doch der Vergleich – bei Einhaltung der vom BGH genannten<br />
Voraussetzungen – im Ergebnis dazu führen, dass die Aktionäre<br />
sehr wohl von ihrer Leistungspflicht befreit werden.<br />
• Der Vergleich über den Differenzhaftungsanspruch bedarf<br />
nicht der Zustimmung der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft.<br />
Dies war zum Teil in der Literatur, aber auch von Oberlandesgerichten<br />
anders gesehen worden. Die Entscheidung des BGH<br />
dient der Klarheit. Sie stärkt die Position des Vorstands in einer<br />
Aktiengesellschaft.<br />
• Die Beschränkung der Aufrechnung nach § 66 Absatz 1 Satz<br />
2 AktG für den Differenzhaftungsanspruch gilt für die in<br />
einem Vergleich über diesen Anspruch vereinbarte Forderung<br />
fort.<br />
Neben dem schon genannten Befreiungsverbot enthält § 66<br />
Absatz 1 AktG in seinem Satz 2 auch ein Aufrechnungsverbot.<br />
Das heißt: Der Aktionär darf mit sonstigen Forderungen, die<br />
ihm gegenüber der Aktiengesellschaft zustehen, nicht gegen<br />
eine Forderung der Gesellschaft auf Erbringung der Einlagen<br />
aufrechnen. Dieses Aufrechnungsverbot beschränkt über den<br />
Wortlaut der Vorschrift hinaus auch eine Aufrechnung seitens<br />
der Aktiengesellschaft. Nach allgemeiner Meinung darf die<br />
Aktiengesellschaft die Aktionäre von ihren Leistungspflichten<br />
durch Aufrechnung nur befreien, wenn die Forderungen der<br />
Aktionäre gegen die aufgerechnet werden sollen, vollwertig,<br />
fällig und liquide sind. Der BGH hat in dem genannten Fall entschieden,<br />
dass die in der Vereinbarung aus dem Jahre 2000<br />
enthaltene Verrechnung – trotz des Vergleichs – an diesen<br />
Voraussetzungen zu messen ist. Dies hatte das OLG versäumt,<br />
weswegen der Fall zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts<br />
vom BGH zurückverwiesen wurde.<br />
Fazit<br />
Zwar fällte der BGH in der Sache keine abschließende Entscheidung.<br />
Aber er nahm doch zu einigen wichtigen Fragen im<br />
Zusammenhang mit der aktienrechtlichen Differenzhaftung<br />
Stellung. Die Entscheidung zeigt einmal mehr: Kapitalmaßnahmen<br />
sind bei der Aktiengesellschaft mit höchster Sorgfalt<br />
anzugehen. Anderenfalls können Haftungsrisiken für die Aktionäre<br />
entstehen.<br />
Wenn Sie Fragen haben oder beraten werden möchten, rufen Sie<br />
bitte Ihren Ansprechpartner an oder schicken ihm einfach eine<br />
E-Mail.<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 33
Recht aktuell<br />
Dirk Krome<br />
Tel.: +49 711 25034-1530<br />
dirk.krome@de.pwc.com<br />
Fundstelle<br />
BGH, Urteil vom 15. November 2011 (II ZR 149/10)<br />
Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge<br />
im GmbH-Konzern:<br />
neue Rechtsprechung<br />
Für die wirksame Begründung einer ertragsteuerlichen<br />
Organschaft ist unter anderem nach Paragraf<br />
14 Absatz 1 Körperschaftsteuergesetz der Abschluss<br />
eines Ergebnisabführungsvertrags erforderlich.<br />
Gesetzliche Regelungen zum Abschluss, zur Kündigung<br />
und Beendigung eines solchen sind nur im<br />
Aktiengesetz (Paragrafen 291 ff.) zu finden. Im<br />
Wesentlichen werden diese Regelungen im GmbH-Konzern<br />
entsprechend angewandt. Einzelne Aspekte sind<br />
aber nach wie vor umstritten. Der Bundesgerichtshof<br />
traf am 31. Mai 2011 eine wichtige Entscheidung zu<br />
den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen bei Kündigung<br />
und Aufhebung eines Ergebnisabführungsvertrags<br />
im GmbH-Konzern. – Über das Urteil und seine<br />
Hintergründe informiert Sie der aktuelle Beitrag.<br />
Aufhebung und Kündigung eines Ergebnisabführungsvertrags<br />
im Aktienrecht<br />
Bei einer Aktiengesellschaft als Untergesellschaft (steuerlich:<br />
Organgesellschaft) enthält das Gesetz für die einvernehmliche<br />
34 <strong>PwC</strong><br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … welche Anforderungen das Gesetz an die Aufhebung<br />
und Kündigung von Ergebnisabführungsverträgen<br />
stellt.<br />
• … zu welchen offenen Fragen der Bundesgerichtshof<br />
Stellung genommen hat.<br />
• … welche Folgen sich aus der Entscheidung<br />
ergeben.<br />
Aufhebung eines Ergebnisabführungsvertrags (EAV) nur<br />
wenige Vorgaben:<br />
• Nach § 296 Absatz 1 Aktiengesetz (AktG) kann der EAV<br />
grundsätzlich nur zum Ende des Geschäftsjahrs aufgehoben<br />
werden.<br />
• Eine rückwirkende Aufhebung ist unzulässig.<br />
• Die Aufhebung bedarf der schriftlichen Form.<br />
Für die Kündigung eines EAV fordert § 297 Absatz 3 AktG<br />
lediglich: Sie hat schriftlich zu erfolgen. Sowohl bei der Kündigung<br />
als auch bei der einvernehmlichen Aufhebung eines EAV<br />
kann ein Sonderbeschluss außenstehender Aktionäre erforderlich<br />
sein. Grundsätzlich gilt aber: Eine Zustimmung der Hauptversammlung<br />
der Untergesellschaft in der Rechtsform der<br />
Aktiengesellschaft ist nicht nötig. Die Aufhebung eines EAV<br />
fällt im AG-Konzern als Maßnahme der Geschäftsführung in<br />
die Zuständigkeit des Vorstands, die – wenn überhaupt – nur<br />
im Innenverhältnis (etwa durch Satzung, Geschäftsordnung<br />
oder Ähnlichem) über eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats<br />
eingeschränkt sein kann.<br />
Streitfall: Anwendung dieser Grundsätze<br />
im GmbH-Konzern<br />
Die Vorgaben der §§ 296 Absatz 1, 297 Absatz 3 AktG sind im<br />
GmbH-Konzern, also bei einer GmbH als Unter- oder Organgesellschaft,<br />
grundsätzlich entsprechend anzuwenden. Offen war<br />
allerdings, ob auch bei einer GmbH die Aufhebung oder Kündigung<br />
des EAV als Geschäftsführungsmaßnahme anzusehen ist,<br />
die allein in die Zuständigkeit des Geschäftsführers fällt. In der<br />
Literatur fanden sich dazu die unterschiedlichsten Meinungen.<br />
Auch die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte war uneinheitlich.<br />
In der Praxis war es daher vor allem bei einer einvernehmlichen<br />
Aufhebung eines EAV empfehlenswert, mit dem<br />
zuständigen Registergericht abzustimmen, ob neben dem<br />
schriftlichen Aufhebungsvertrag Zustimmungsbeschlüsse der<br />
Gesellschafterversammlungen der beteiligten Rechtsträger vorzulegen<br />
waren. Die Registerpraxis war ebenso uneinheitlich<br />
wie die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte.<br />
Neue Grundsätze nach der Entscheidung<br />
des Bundesgerichtshofs vom 31. Mai 2011<br />
Der Bundesgerichtshof (BGH) schließt sich mit seinem Urteil<br />
vom 31. Mai 2011 der Meinung an, die in der Aufhebung und<br />
Kündigung eines EAV nicht nur einen schuldrechtlichen Vorgang<br />
sieht. Dieser Sicht zufolge ist die Entscheidung über die<br />
Aufhebung oder Kündigung eines EAV ein innergemeinschaftlicher<br />
Organisationsakt, den der Geschäftsführer einer GmbH –<br />
anders als der Vorstand einer AG – nicht eigenmächtig vollziehen<br />
kann. Die Folge: Die Aufhebung oder ordentliche Kündigung<br />
eines EAV bedarf der Zustimmung der Gesellschafterversammlung<br />
der GmbH. Daraus ergibt sich nun ein wesentlicher<br />
Unterschied zum Aktienrecht.
Bitte beachten Sie: Bei dem Fall, welcher der BGH-Entscheidung<br />
zugrunde liegt, ging es gar nicht um die Frage, ob die<br />
Gesellschafterversammlung der Organgesellschaft der erfolgten<br />
EAV-Kündigung zustimmen musste oder nicht. Im Vordergrund<br />
stand vielmehr, ob der beherrschende Mehrheitsgesellschafter<br />
(und Vertragspartner) bei der Beschlussfassung über<br />
die – ordentliche – Kündigung einem Stimmverbot unterlag.<br />
Der BGH lehnt ein solches Stimmverbot unter Verweis auf den<br />
körperschaftlichen Charakter der Entscheidung ab.<br />
Der BGH ließ allerdings auch viele Fragen offen. So wurde<br />
unter anderem nicht entschieden, welcher Form der Zustimmungsbeschluss<br />
der Gesellschafterversammlung bedarf<br />
(notarielle Beurkundung wie beim Abschluss eines EAV oder<br />
privatschriftlich) und ob das Zustimmungserfordernis auch für<br />
die Entscheidung der Obergesellschaft (steuerlich: Organträgerin)<br />
gilt.<br />
Fazit<br />
Das Urteil des BGH führt zu einem wichtigen verfahrensrechtlichen<br />
Unterschied zwischen AG- und GmbH-Konzern bei der<br />
Entscheidung über eine ordentliche Kündigung oder Aufhebung<br />
eines EAV. Bei einer GmbH als Unter- oder Organgesellschaft<br />
kann diese Entscheidung nicht mehr ohne die Gesellschafterversammlung<br />
gefällt werden. Deshalb sind solche<br />
Maßnahmen stets sehr sorgfältig vorzubereiten.<br />
Wenn Sie Fragen haben oder beraten werden möchten, rufen Sie<br />
bitte Ihren Ansprechpartner an oder schicken ihm einfach eine<br />
E-Mail.<br />
Dirk Krome<br />
Tel.: +49 711 25034-1530<br />
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Fundstelle<br />
BGH, Urteil vom 31. Mai 2011 (II ZR 109/10)<br />
Keine Einkünfteerzielungsabsicht<br />
bei Verzugszinsen<br />
Fordert ein Schuldner den in Erfüllung einer vermeintlichen<br />
Verpflichtung geleisteten Geldbetrag erfolgreich<br />
zurück, so sind die vom Gläubiger neben der<br />
Rückzahlung geleisteten Verzugszinsen vom Empfänger<br />
dann nicht zu versteuern, wenn ihnen Refinanzierungszinsen<br />
in übersteigender Höhe gegenüberstehen.<br />
Verzugszinsen wie auch Prozesszinsen sind regelmäßig Kapitalerträge<br />
im Sinne von § 20 Absatz 1 Nummer 7 Einkommen-<br />
Recht aktuell<br />
steuergesetz. Diese Steuerbarkeit ist darin begründet, dass zu<br />
den Einkünften aus Kapitalvermögen grundsätzlich alle Vermögensmehrungen<br />
gehören, die bei wirtschaftlicher Betrachtung<br />
Entgelt für eine Kapitalnutzung sind. Unerheblich ist es,<br />
ob der Überlassung von Kapital ein Darlehensvertrag oder ein<br />
anderer Rechtsgrund zugrunde liegt. Verzugszinsen stellen aus<br />
ertragsteuerlicher Sicht keinen Schadensersatz für die Verletzung<br />
privater Güter dar, sondern sind Entgelt für die unfreiwillige<br />
Vorenthaltung des zustehenden Kapitals.<br />
Das Finanzamt hatte die einem Steuerpflichtigen aus einer unberechtigten<br />
Bürgschaftsverpflichtung zustehenden Verzugszinsen<br />
zwar als sonstige Einnahmen steuerlich erfasst, aber die<br />
aufgrund der Bürgschaftszahlung zu leistenden Finanzierungszinsen<br />
mangels Zusammenhang mit den vereinnahmten Zinsen<br />
nicht zum Abzug zugelassen. Der Bundesfinanzhof (BFH)<br />
sah dies anders, mit nachfolgendem Ergebnis: Die vom Bürgen<br />
gezahlten Schuldzinsen sind als Werbungskosten zu berücksichtigen,<br />
denn letztendlich habe sich – so der BFH – seine<br />
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht erhöht, wenn den<br />
Zinserträgen hohe Zinsaufwendungen gegenüberstünden und<br />
er keinen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erzielen<br />
konnte. Die obersten Finanzrichter bejahten aufgrund des<br />
wirtschaftlichen Zusammenhangs der Zinsaufwendungen mit<br />
den Verzugszinsen einen Werbungskostenabzug grundsätzlich:<br />
Bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung reicht es zur Begründung<br />
des erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhangs<br />
zwischen der Kreditaufnahme und den späteren<br />
Zinseinnahmen aus, wenn das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen<br />
und verwendet worden ist, um die Forderung zu erfüllen.<br />
In derartigen Fällen erfordere die Abzugsfähigkeit keine<br />
besondere subjektive Bestimmung der Schuldzinsen für Zwecke<br />
der Erzielung von Verzugszinsen.<br />
Fundstelle<br />
BFH, Urteil vom 24. Mai 2011 (VIII R 3/09; veröffentlicht am<br />
22. Februar <strong>2012</strong>)<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 35
Länder<br />
Länderreport<br />
Litauen<br />
Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes<br />
Am 22. November 2011 verabschiedete<br />
der Gesetzgeber die Änderung XI-1716<br />
des Körperschaftsteuergesetzes. Sie trat<br />
am 1. Dezember 2011 in Kraft. Hier für<br />
Sie die wichtigsten neuen Bestimmungen<br />
im Überblick:<br />
• Die Einkommensgrenze für Unternehmen<br />
mit maximal zehn Angestellten,<br />
die in den Genuss des ermäßigten Körperschaftsteuersatzes<br />
von fünf Prozent<br />
kommen, wurde auf eine Million Litauische<br />
Litas (LTL; rund 289.044<br />
Euro) erhöht (zuvor: 500.000 LTL,<br />
also rund 144.522 Euro). Die Änderung<br />
gilt ab dem Steuerjahr <strong>2012</strong>.<br />
• Vergünstigungen bei der Körperschaftsteuer<br />
zur Förderung des Erwerbs von<br />
Gütern des Anlagevermögens im Rahmen<br />
von Investitionsprojekten bleiben<br />
auch dann erhalten, wenn die betreffenden<br />
Wirtschaftsgüter innerhalb von<br />
drei Jahren nach Erwerb auf ein anderes<br />
Unternehmen übergehen. Voraussetzung<br />
ist: Das übernehmende<br />
Unternehmen nutzt die Wirtschaftsgüter<br />
für drei Jahre weiter – beginnend<br />
mit der Nutzung der Wirtschaftsgüter<br />
durch das übertragende Unternehmen.<br />
Diese Änderung gilt ebenfalls ab dem<br />
Steuerjahr 2011.<br />
• Die Liste der Tätigkeiten von Unternehmen,<br />
die in Freihandelszonen tätig<br />
sind und einem begünstigten Körperschaftsteuersatz<br />
unterliegen, wurde<br />
erweitert. Die Begünstigung gilt allerdings<br />
nur für Unternehmen, die körperlich<br />
oder geistig beeinträchtigte<br />
oder anderweitig benachteiligte<br />
36 <strong>PwC</strong><br />
Aktuelles aus<br />
Mittel- und Osteuropa<br />
Arbeitnehmer zu einem Arbeitslohn<br />
beschäftigen, der mindestens 75 Prozent<br />
des Entgelts entspricht, das für<br />
vergleichbare Tätigkeiten gezahlt<br />
wird. Nunmehr finden sich auf der<br />
Liste auch IT-bezogene Beratungs- und<br />
sonstige Dienstleistungen sowie die Instandhaltung<br />
und Wartung von Flugzeugen<br />
und Raumschiffen. Auch diese<br />
Änderung gilt ab dem Steuerjahr<br />
<strong>2012</strong>.<br />
Besteuerung von Zinseinkünften<br />
bei natürlichen Personen<br />
Durch diesen Gesetzentwurf (erstmals<br />
bei der Steuererklärung für <strong>2012</strong> zu berücksichtigen)<br />
werden die nachfolgend<br />
aufgezählten Einkünfte bei natürlichen<br />
Personen zu steuerpflichtigen Einkünften<br />
und bestimmte Befreiungen abgeschafft:<br />
• Zinsen für die Gewährung von Darlehen,<br />
wenn die Tilgung frühestens 366<br />
Tage nach dem Tag der Darlehensgewährung<br />
beginnt<br />
• Dividenden für Wertpapiere, die länger<br />
als 366 Tage gehalten werden<br />
Außerdem wird durch die Änderung die<br />
Befreiung für Zinsen eingeschränkt, die<br />
auf Guthaben bei einer Bank im Europäischen<br />
Wirtschaftsraum gezahlt werden.<br />
Der jährliche Steuerfreibetrag, der auf<br />
Zinsen gewährt wird, wird auf 200 LTL<br />
(rund 57,81 Euro) begrenzt. Zinseinkünfte,<br />
die diesen Betrag überschreiten,<br />
sind ab dem Veranlagungszeitraum <strong>2012</strong><br />
ebenfalls steuerpflichtige Einkünfte.<br />
Kristina Krisciunaite-<br />
Bartuseviciene<br />
Tel.: +370 5 239-2300<br />
EU kompakt<br />
Russland<br />
Lassen sich im Ausland gezahlte<br />
Steuern in Russland abziehen? –<br />
Standpunkt des russischen Finanzministeriums<br />
Das Finanzministerium geht von einer<br />
typischen Konstellation aus: Eine russische<br />
Kapitalgesellschaft eröffnet eine<br />
Repräsentanz in der Ukraine. Die Vertretung<br />
hat eine ausschließlich repräsentative<br />
Funktion inne, wird vollständig<br />
durch die Kapitalgesellschaft finanziert<br />
und leistet Zahlungen an ukrainische<br />
Sozialversicherungsfonds auf die Gehälter<br />
ihrer Arbeitnehmer.<br />
Mit Verweis auf Artikel 2641.1 Steuergesetzbuch<br />
der Russischen Föderation<br />
(SteuerGB RF) entschied das Ministerium<br />
in dem Fall: Pflichtabgaben, die von<br />
einem russischen Unternehmen an Sozialversicherungsfonds<br />
eines ausländischen<br />
Staates gezahlt werden, dürfen in<br />
Russland nicht für ertragsteuerliche<br />
Zwecke abgezogen werden.<br />
Kommentar<br />
Nach Artikel 311 SteuerGB RF („Beseitigung<br />
der Doppelbesteuerung“) muss<br />
Einkommen, das ein russisches Unternehmen<br />
von ausländischen Quellen<br />
erhält, bei der Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage<br />
berücksichtigt<br />
werden. Das Einkommen wird vollständig<br />
versteuert, nachdem in Russland und<br />
im Ausland angefallene Ausgaben abgezogen<br />
wurden. Bei der Berechnung der<br />
Steuerbemessungsgrundlage werden<br />
Kosten, die bei einem russischen Unternehmen<br />
anfallen (in Zusammenhang mit<br />
Einkünften aus ausländischen Quellen),<br />
Weitere interessante Beiträge finden Sie<br />
in der neuen Ausgabe von EU kompakt.<br />
Bestellung<br />
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celina.maciejewski@de.pwc.com
in Höhe des Betrags abgezogen, der in<br />
Kapitel 25 festgesetzt ist.<br />
Nach Artikel 264.1.1 umfassen sonstige<br />
produktions- und verkaufsbezogene Kosten<br />
des Steuerpflichtigen:<br />
• Steuern und Abgaben<br />
• Zölle und Gebühren<br />
• gesetzliche Versicherungsbeiträge an<br />
die russische Rentenversicherung<br />
• gesetzliche Versicherungsbeiträge an<br />
die russische Sozialversicherung für<br />
Fälle von vorübergehender Arbeitsunfähigkeit<br />
oder Mutterschaft<br />
• gesetzliche Versicherungsbeiträge an<br />
die föderale und örtliche Krankenversicherung<br />
Sämtliche Pflichtbeiträge müssen hierbei<br />
entsprechend den russischen Gesetzen<br />
abgeführt werden, mit Ausnahme solcher,<br />
die unter Artikel 270 fallen.<br />
Außerdem ist die Liste der abzugsfähigen<br />
Ausgaben nicht vollständig (Artikel<br />
264.1.49). Steuern und Versicherungsbeiträge,<br />
die nach den Vorschriften ausländischer<br />
Staaten gezahlt werden, sind<br />
nicht in der Liste der nicht abzugsfähigen<br />
Ausgaben enthalten (Artikel 270).<br />
Mithin lässt sich das Gesetz so interpretieren,<br />
dass eine Minderung des steuerpflichtigen<br />
Einkommens um den Betrag<br />
solcher Ausgaben zulässig ist.<br />
Aus der Rechtsprechung sind einige Beispiele<br />
bekannt, in denen Gerichte das<br />
Recht des Steuerpflichtigen zum Abzug<br />
von Ausgaben für die Steuerzahlungen,<br />
die von einer im Ausland befindlichen<br />
Vertretung aus steuerpflichtigem Einkommen<br />
gezahlt wurden, bestätigt<br />
haben. Allerdings müssen Steuerpflichtige<br />
wegen des Fehlens einer einheitlichen<br />
Herangehensweise sowie einheitlicher<br />
gerichtlicher Praxis zu dieser<br />
Frage jeden Einzelfall gesondert prüfen<br />
und ihr Vorgehen für jeden konkreten<br />
Sachverhalt neu und selbst entscheiden.<br />
Tanja Galander<br />
Tel.: +49 30 2636-5483<br />
Daniel Kast<br />
Tel.: +49 30 2636-5252<br />
Stanislav Rogojine<br />
Tel.: +49 30 2636-5207<br />
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Russland-Blog:<br />
http://blogs.pwc.de/russlandnews<br />
Slowakei<br />
Änderungen des Einkommensteuergesetzes<br />
Am 1. Dezember 2011 verabschiedete<br />
der Nationalrat der Slowakei eine Änderung<br />
des Einkommensteuergesetzes,<br />
welche einige wichtige Änderungen bei<br />
der Besteuerung von natürlichen und<br />
juristischen Personen herbeiführt. Die<br />
Änderung trat am 1. Januar <strong>2012</strong> in<br />
Kraft.<br />
Steuerliche Abschreibung im ersten Jahr<br />
wird nach der Anzahl der Monate, in der<br />
Anlagegüter genutzt wurden, berechnet.<br />
Unternehmer müssen Änderungen bei<br />
der Abschreibung von Wirtschaftsgütern<br />
des Anlagevermögens beachten. Wirtschaftsgüter,<br />
die <strong>2012</strong> angeschafft werden,<br />
unterliegen nur für die Monate, in<br />
denen sie Teil des Betriebsvermögens<br />
waren, der Abschreibung. Dasselbe Prinzip<br />
gilt nunmehr auch für die beschleunigte<br />
Abschreibung. Dementsprechend<br />
gibt es keine Möglichkeit mehr, die<br />
Steuerbemessungsgrundlage gezielt<br />
durch den Erwerb von Eigentum am<br />
Ende der Steuerperiode zu verringern.<br />
Änderungen der Abschreibung im Fall<br />
eines Erwerbs von Wirtschaftsgütern<br />
durch Finanzierungsleasing.<br />
Es gibt ebenfalls Änderungen bei der<br />
Abschreibung von Wirtschaftsgütern, die<br />
im Rahmen von Finanzierungsleasing erworben<br />
wurden. Diese Wirtschaftsgüter<br />
müssen nunmehr wie regulär gekaufte<br />
Wirtschaftsgüter abgeschrieben werden.<br />
Unternehmer verlieren hierdurch die<br />
Möglichkeit, durch Finanzierungsleasing<br />
erworbene Wirtschaftsgüter schneller<br />
abzuschreiben als bei einem Kauf. Falls<br />
ein Unternehmer den Gegenstand des<br />
Finanzierungsleasings vor Ablauf der<br />
vereinbarten Leasinglaufzeit kauft, muss<br />
er seine Steuerbemessungsgrundlage um<br />
den Betrag der bis dahin gezahlten und<br />
abgesetzten Zinsen erhöhen. Erfolgt der<br />
Kauf zu einem Preis, der unter dem tatsächlichen<br />
Rückkaufwert liegt, wird der<br />
Differenzbetrag dem Wirtschaftsgut als<br />
erhöhtes Abschreibungsvolumen zugewiesen.<br />
Dieses kann in den folgenden<br />
Jahren steuerwirksam genutzt werden.<br />
Weitere Änderungen mit Bezug auf<br />
natürliche Personen<br />
Die Gesetzesänderung präzisiert Regelungen,<br />
die seit 2011 für die Besteuerung<br />
von natürlichen Personen mit Bezug auf<br />
Regelungen des Verlustausgleichs bei<br />
sogenanntem „aktiven Einkommen“, wie<br />
zum Beispiel Einkommen aus Geschäftstätigkeit,<br />
gelten. Als Folge wird auch die<br />
Möglichkeit des Abzugs von Verlusten<br />
aus Vermietung und Verpachtung eingeschränkt.<br />
Nach der neuen Regelung kann<br />
ein entsprechender Verlust nur dann geltend<br />
gemacht werden, wenn ein Bezug<br />
zu gewerblicher Tätigkeit oder anderer<br />
selbstständiger Tätigkeiten besteht. Ein<br />
solcher Verlust kann in die folgenden<br />
Jahre vorgetragen werden, allerdings ist<br />
ein Abzug nur bei positiven Einkünften<br />
aus gewerblicher Tätigkeit oder aus anderen<br />
selbstständigen Tätigkeiten möglich.<br />
Tomas Alaxin<br />
Tel.: +421 259 350-664<br />
Länder<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 37
Ticker<br />
Steuern & Recht: die Seite für alle Steuerfragen<br />
In allen Phasen des wirtschaftlichen Handelns spielen Steuerfragen eine wichtige<br />
Rolle. Die Quellen des Steuerrechts sind mannigfaltig, international vor allem durch<br />
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und im Inland durch Verfügungen<br />
der Finanzverwaltung sowie durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geprägt.<br />
Umfassend und aktuell stellt Ihnen <strong>PwC</strong> deshalb die erforderlichen Informationen<br />
online auf der Steuern-&-Recht-Seite in deutscher und englischer Sprache<br />
zur Verfügung. Neben aktuellen Steuernachrichten, Newslettern und Publikationshinweisen<br />
erläutern die Steuerexperten von <strong>PwC</strong> Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten<br />
für Unternehmen.<br />
Ihr Link zur deutschen Seite<br />
http://tax-news.pwc.de/steuern-und-recht/<br />
Ihr Link zur englischen Seite<br />
http://tax-news.pwc.de/german-tax-and-legal-news/<br />
Statutes<br />
Cases<br />
Decrees<br />
38 <strong>PwC</strong><br />
Tax & Legal News<br />
BFH – kurz und knapp<br />
Einzelabrechnung unverzichtbar<br />
Pauschal gezahlte Zuschläge für Sonntags-,<br />
Feiertags- oder Nachtarbeit sind<br />
nur dann steuerlich begünstigt, wenn sie<br />
als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse<br />
auf eine spätere Einzelabrechnung<br />
geleistet werden.<br />
BFH, Urteil vom 8. Dezember 2011<br />
(VI R 18/11)<br />
Unternehmerische Tätigkeit<br />
Nachhaltige und gegen Entgelt erbrachte<br />
Leistungen der öffentlichen Hand unterliegen<br />
der Umsatzsteuer, wenn diese Tätigkeiten<br />
auf zivilrechtlicher Grundlage<br />
oder – im Wettbewerb zu Privaten – auf<br />
öffentlich-rechtlicher Grundlage ausgeführt<br />
werden. Dabei reicht es aus, würde<br />
die Nichtbesteuerung der öffentlichen<br />
Hand zu einer nicht nur unbedeutenden<br />
Wettbewerbsverzerrung führen. Ein Beispiel:<br />
Gestattet eine Gemeinde gegen<br />
Entgelt die Nutzung einer Sport- oder<br />
Freizeithalle, ist sie als Unternehmerin<br />
tätig.<br />
BFH, Urteil vom 10. November<br />
2011 (V R 41/10)<br />
Satzungsmäßige Zwecke<br />
Ist einer Stiftung qua Stiftungsgeschäft<br />
vorgegeben, ihr Einkommen ausschließlich<br />
für eine bestimmte gemeinnützige<br />
Körperschaft zu verwenden, lassen sich<br />
Zahlungen an die Körperschaft nicht als<br />
Spenden abziehen.<br />
BFH, Urteil vom 12. Oktober 2011<br />
(I R 102/10)<br />
Beiträge in Englisch finden Sie in<br />
der neuen Ausgabe von Tax & Legal<br />
News.<br />
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Olof-Palme-Straße 35<br />
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Gabriele Stein<br />
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Korrektorat<br />
Werkstatt für moderne Sprache, Frankfurt am Main<br />
Druck<br />
Kohlhammer und Wallishauser GmbH, Hechingen<br />
Die Beiträge sind als Hinweise für unsere Mandanten<br />
bestimmt. Für die Lösung einschlägiger Probleme greifen Sie<br />
bitte auf die angegebenen Quellen oder die Unterstützung<br />
unserer für Sie tätigen Büros zurück. Teile dieser Veröffentlichung<br />
dürfen nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung<br />
durch den Herausgeber nachgedruckt oder vervielfältigt<br />
werden. Meinungsbeiträge geben die Auffassung der einzelnen<br />
Autoren wieder. Beiträge ohne Ansprechpartner hat die Tax-<br />
Redaktion verfasst.<br />
Über uns<br />
Unsere Mandanten stehen tagtäglich vor vielfältigen Aufgaben,<br />
möchten neue Ideen umsetzen und suchen Rat. Sie erwarten,<br />
dass wir sie ganzheitlich betreuen und praxisorientierte Lösungen<br />
mit größtmöglichem Nutzen entwickeln. Deshalb setzen<br />
wir für jeden Mandanten, ob Global Player, Familienunternehmen<br />
oder kommunaler Träger, unser gesamtes Potenzial ein:<br />
Erfahrung, Branchenkenntnis, Fachwissen, Qualitätsanspruch,<br />
Innovationskraft und die Ressourcen unseres Expertennetzwerks<br />
in über 158 Ländern. Besonders wichtig ist uns die vertrauensvolle<br />
Zusammenarbeit mit unseren Mandanten, denn je<br />
besser wir sie kennen und verstehen, umso gezielter können<br />
wir sie unterstützen.<br />
<strong>PwC</strong>. 8.900 engagierte Menschen an 28 Standorten.<br />
1,45 Milliarden Euro Gesamtleistung. Führende Wirtschaftsprüfungs-<br />
und Beratungsgesellschaft in Deutschland.<br />
Die PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
bekennt sich zu den <strong>PwC</strong>-Ethikgrundsätzen<br />
(zugänglich in deutscher Sprache über www.pwc.de/<br />
de/ethikcode) und zu den Zehn Prinzipien des UN Global<br />
Compact (zugänglich in deutscher und englischer Sprache<br />
über www.globalcompact.de).<br />
© Februar/März <strong>2012</strong><br />
PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
„<strong>PwC</strong>“ bezeichnet in diesem Dokument die Pricewaterhouse-<br />
Coopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft,<br />
die eine Mitgliedsgesellschaft der PricewaterhouseCoopers<br />
International Limited (<strong>PwC</strong>IL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften<br />
der <strong>PwC</strong>IL ist eine rechtlich selbstständige Gesellschaft.<br />
steuern+recht Februar/März <strong>2012</strong> 39
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