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Reverse-Charge-Verfahren bei im<br />
Ausland ansässigen Unternehmern:<br />
Haftungsvoraussetzungen für die<br />
Umsatzsteuer<br />
In diesem Beitrag erfahren Sie …<br />
• … wie die rechtliche Definition des Begriffs „Zweigniederlassung“<br />
vom Bundesfinanzhof ausgelegt<br />
wird.<br />
• … welche Auswirkungen diese Auslegung für im<br />
Ausland ansässige Unternehmer hat.<br />
In seinem Urteil vom 8. September 2010 ging der Bundesfinanzhof<br />
folgender Frage nach: Genügt eine vom<br />
einem ausländischen Unternehmen im Inland unterhaltene<br />
Betriebsstätte den Voraussetzungen einer im<br />
Paragraf 51 Absatz 3 Satz 1 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung<br />
und ab 1. Januar 2002 im Paragraf<br />
13 b Absatz 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz geregelten<br />
Zweigniederlassung? Wie das hohe Gericht entschied,<br />
lesen Sie im Beitrag von Mónica Azcárate und Denis<br />
Specht.<br />
Sachverhalt<br />
Gegenstand des Urteils war ein Rechtsstreit der Beteiligten<br />
darüber, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (eine in der<br />
Baubranche tätige GmbH) zur Einbehaltung und Abführung<br />
von Umsatzsteuer im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens<br />
verpflichtet war. Eine „umgekehrte Belastung“ (Reverse-<br />
Charge) bezeichnet eine Regelung, nach der in bestimmten<br />
Fällen der Empfänger der Leistung und nicht der leistende<br />
Unternehmer die Umsatzsteuer schuldet. Die Klägerin war in<br />
den Streitjahren 1997 und 1998 Leistungsempfängerin von<br />
umsatzsteuerpflichtigen Werklieferungen einer polnischen<br />
Kapitalgesellschaft (I). Die Geschäftsleitung und Sitz der I<br />
befanden sich unstrittig in Polen.<br />
Die I unterhielt im Inland eine Betriebsstätte, die nicht in das<br />
inländische Handelsregister eingetragen war. Ihre Rechnungen<br />
an die Klägerin stellte I ohne den Umsatzsteuerausweis aus.<br />
Die Erstattung ihrer Vorsteuerbeträge hatte I im Rahmen eines<br />
Vorsteuervergütungsverfahrens nach §§ 59 ff. Umsatzsteuer-<br />
Durchführungsverordnung (UStDV) beantragt. Zu diesem<br />
Zweck reichte der Steuerberater der I Ende 1995 beim Bundesamt<br />
für Finanzen (BfF) einen entsprechenden Antrag ein. Den<br />
Antrag lehnte das BfF 1996 ab, und zwar mit der Begründung,<br />
die Vorsteuervergütung habe nicht im Vergütungsverfahren<br />
nach §§ 59 ff. UStDV zu erfolgen, sondern im allgemeinen<br />
Besteuerungsverfahren.<br />
Steuern A bis Z<br />
Daraufhin stellte I der Klägerin Rechnungen mit gesondertem<br />
Steuerausweis, da I annahm, sie unterliege als im Inland ansässiger<br />
Unternehmer der Umsatzbesteuerung gemäß §§ 16 und<br />
18 Umsatzsteuergesetz (UStG).<br />
Die daraus entstandene Umsatzsteuer wurde seitens I gegenüber<br />
dem zuständigen Finanzamt erklärt. Dennoch wurde die<br />
Umsatzsteuer laut den Feststellungen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung<br />
bei der I nicht entrichtet.<br />
Den Feststellungen der Sonderprüfung folgend vertrat das<br />
Finanzamt daraufhin die Ansicht, mangels Eintragung im Handelsregister<br />
liege eine Zweigniederlassung im Sinne des § 51<br />
Abs. 3 UStDV (ab 1. Januar 2002 § 13 b Abs. 4 UStG) nicht vor<br />
und I sei folglich im Ausland ansässig. Nach der in den Streitjahren<br />
geltenden Rechtslage hatte die Klägerin als Leistungsempfänger<br />
nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 UStDV (ab 1. Januar 2002 §<br />
13 b Abs. 1 Nr. 1 UStG) für die Umsätze der I die Steuer einzubehalten<br />
und an das für die Klägerin zuständige Finanzamt<br />
abzuführen. Da die Klägerin das unterlassen hatte, erließ das<br />
Finanzamt gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid<br />
bezüglich der von I geschuldeten Umsatzsteuer.<br />
Der folgende Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das<br />
Finanzgericht schloss sich der Auffassung des Finanzamts an<br />
und erkannte bei der von I unterhaltenen Betriebsstätte keine<br />
inländische Zweigniederlassung. Das Gericht war der Auffassung:<br />
Die Ansässigkeit der I im Inland sei nur dann gegeben,<br />
wenn I über eine inländische Zweigniederlassung im Sinne des<br />
§ 51 UStDV verfügt hätte. In Anlehnung an § 13 des Handelsgesetzbuchs<br />
wären zumindest ernsthafte Bemühungen um die<br />
gesetzlich vorgeschriebene Eintragung in das Handelsregister<br />
notwendig.<br />
In der anschließenden Revision rügte die Klägerin die Auffassung<br />
des Finanzgerichts. Sie machte geltend, I unterhielte eine<br />
Betriebsstätte im Inland und die Voraussetzungen einer Zweigniederlassung<br />
seien deshalb erfüllt.<br />
Entscheidung des Bundesfinanzhofs<br />
Der Elfte Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hebt die Vorentscheidung<br />
der Vorinstanz auf und verweist die Rechtssache an<br />
das Finanzgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung<br />
zurück.<br />
In den Entscheidungsgründen führt der BFH aus: Das Finanzgericht<br />
hat sich bei der Auslegung des Begriffs „Zweigniederlassung“<br />
zu Unrecht auf die „eingetragene Zweigniederlassung“<br />
im Sinne des § 12 Abgabenordnung gestützt.<br />
Weiter schreiben die Richter, dass gemäß dem damaligen § 18<br />
Abs. 8 Nr. 1 UStG in Verbindung mit §§ 51, 54 UStDV ein unternehmerischer<br />
Leistungsempfänger für Werklieferungen und<br />
sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unterneh-<br />
steuern+recht April 19