17 Ikterus, Cholestase und Leberparenchym- erkrankungen
17 Ikterus, Cholestase und Leberparenchym- erkrankungen
17 Ikterus, Cholestase und Leberparenchym- erkrankungen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>17</strong> <strong>Ikterus</strong>, <strong>Cholestase</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Leberparenchym</strong><strong>erkrankungen</strong><br />
Hans-Michael Steffen <strong>und</strong> Tobias Goeser<br />
<strong>17</strong>.1 Definition <strong>und</strong> Abgrenzung<br />
Die Leber ist als zentrales Organ im Stoffwechsel für eine Fülle von Funktionen<br />
der Homöostase, den Abbau endogener <strong>und</strong> exogener Metaboliten <strong>und</strong> deren<br />
Ausscheidung in den Darm verantwortlich. Gleichzeitig ist sie die größte Drüse<br />
des Körpers. Durch ihre zentrale Stellung ist die Leber bei vielen Erkrankungen<br />
beteiligt, andererseits haben Erkrankungen der Leber vielfältige Rückwirkungen<br />
auf andere Organsysteme. Die Erkennung, Differenzierung <strong>und</strong> auch die<br />
Verlaufsbeobachtung von Leber<strong>erkrankungen</strong> stützt sich auf klinisch-chemische,<br />
virologische, mikrobiologische immunologische sowie bildgebende<br />
Bef<strong>und</strong>e. Die sog. Leberfunktionstests (Tab. <strong>17</strong>.1) sind einfache <strong>und</strong> sensitive<br />
Parameter zum Nachweis einer Lebererkrankung. Daneben erlauben sie eine<br />
Tab. <strong>17</strong>.1 Bewertung verschiedener Laborparameter bei <strong>Ikterus</strong> <strong>und</strong> Leber<strong>erkrankungen</strong>.<br />
Laborwert Interpretation bei pathologischem Wert<br />
AST hepatozellulärer Schaden<br />
ALT hepatozellulärer Schaden<br />
GLDH hepatozellulärer Schaden<br />
AP nicht obstruktive oder obstruktive <strong>Cholestase</strong>,<br />
infiltrative Erkrankung<br />
γ-GT nicht obstruktive oder obstruktive <strong>Cholestase</strong><br />
indirektes Bilirubin Hämolyse, nicht obstruktive <strong>Cholestase</strong><br />
direktes Bilirubin nicht obstruktive oder obstruktive <strong>Cholestase</strong><br />
LDH Hämolyse, hepatozellulärer Schaden<br />
Albumin gestörte Lebersyntheseleistung<br />
PTT, Quick gestörte Lebersyntheseleistung<br />
CHE Ernährungszustand, gestörte Lebersyntheseleistung<br />
Haptoglobin Hämolyse, gestörte Lebersyntheseleistung<br />
Retikulozyten Hämolyse<br />
337
338 <strong>17</strong> <strong>Ikterus</strong>, <strong>Cholestase</strong> <strong>und</strong> <strong>Leberparenchym</strong><strong>erkrankungen</strong><br />
grobe Kategorisierung der Störung. So kann z. B. zwischen hepatozellulären<br />
Störungen wie bei einer Virushepatitis <strong>und</strong> cholestatischen Syndromen wie der<br />
primär biliären Zirrhose oder Gallengangsobstruktionen unterschieden werden.<br />
Weiter können das Ausmaß der Leberfunktionsstörung <strong>und</strong> gelegentlich<br />
auch die Prognose abgeschätzt werden. Schließlich lässt sich der Verlauf einer<br />
Lebererkrankung verfolgen, der Erfolg einer Therapie bestimmen <strong>und</strong> ggf.<br />
auch die Therapie anpassen.<br />
Prinzipiell unterscheidet man:<br />
l Erkrankungen des <strong>Leberparenchym</strong>s,<br />
l Störungen der Gallesekretion oder -exkretion sowie<br />
l infiltrative Prozesse.<br />
Die Funktion der Leber als Drüse besteht in der kontinuierlichen Gallebildung,<br />
deren wichtigste Bestandteile Gallensäuren <strong>und</strong> Phospholipide sind. Die an der<br />
Gallesekretion beteiligten hepatobiliären Transportprozesse sind auch für die<br />
Entgiftung <strong>und</strong> Ausscheidung vieler endogener <strong>und</strong> exogener Substanzen essenziell.<br />
Störungen der Transportmechanismen in den Hepato- <strong>und</strong> Cholangiozyten<br />
sind die Ursache der angeborenen oder erworbenen Formen cholestatischer<br />
Leber<strong>erkrankungen</strong>. Der klinische Begriff <strong>Cholestase</strong> umfasst dabei<br />
jede Störung der Bildung <strong>und</strong> Sekretion auf der Ebene der Leberzelle (intrahepatische<br />
nicht obstruktive <strong>Cholestase</strong>) <strong>und</strong> des Abflusses der Galle über die<br />
sekretorisch <strong>und</strong> resorptiv tätigen Strukturen der ableitenden Gallenwege sowohl<br />
intrahepatisch (intrahepatische obstruktive <strong>Cholestase</strong>) als auch extrahepatisch<br />
bis zur Einmündung in das Duodenum (extrahepatische obstruktive<br />
<strong>Cholestase</strong>). Pathophysiologische Veränderungen der Cholangiozyten, die<br />
etwa 3–5 % der Gesamtleberzellpopulation ausmachen, können an jeder Stelle<br />
des Gallengangssystems vom Hering-Kanal bis zur Vater-Papille auftreten <strong>und</strong><br />
sind das Kennzeichen der Cholangiopathien.<br />
Als <strong>Ikterus</strong> wird die Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten <strong>und</strong> Skleren bezeichnet,<br />
die durch die Ablagerung von Bilirubin im Gewebe hervorgerufen<br />
wird. Ein Sklerenikterus wird etwa ab einer Serumbilirubinkonzentration von<br />
mehr als 2 mg/dl erkennbar (Normalwert 0,3–1 mg/dl), ein Hautikterus bei<br />
Werten über 3 mg/l. Übermäßige Zufuhr von Karotin kann einen Hautikterus<br />
vortäuschen, führt jedoch nicht zum Sklerenikterus.<br />
Die Hauptmenge des Bilirubins (80–85 %) stammt aus dem Hämoglobinabbau<br />
gealterter Erythrozyten im retikuloendothelialen System von Milz, Leber<br />
<strong>und</strong> Knochenmark. Die restlichen 15–20 % des täglich anfallenden Gesamtbilirubins<br />
entstammen anderen hämhaltigen Proteinen <strong>und</strong> Enzymen, z. B. dem<br />
Myoglobin oder den Cytochromen. Bilirubin erreicht reversibel an Albumin<br />
geb<strong>und</strong>en auf dem Blutweg die Leber <strong>und</strong> wird dort nach Abkoppelung über<br />
Transportproteine über die basolaterale (sinusoidale) Membran in die Hepatozyten<br />
aufgenommen. Nach der Glukuronidierung im endoplasmatischen Retikulum<br />
(Mikrosomen) mittels der UDP-Glukuronyltransferase erfolgt die Sekretion<br />
des Bilirubins über ATP-abhängige Transportpumpen durch die<br />
apikale (kanalikuläre) Membran. Das mit der Galle ausgeschiedene Bilirubindi-<br />
oder -monoglukuronid ist nicht resorbierbar <strong>und</strong> wird durch enterale<br />
Bakterien im terminalen Ileum <strong>und</strong> Dickdarm gespalten. Das unkonjugierte
<strong>17</strong>.1 Defi nition <strong>und</strong> Abgrenzung.<br />
Bilirubin wird durch bakterielle Reduktasen in Urobilinogen <strong>und</strong> über Zwischenstufen<br />
in Urobilin <strong>und</strong> Sterkobilin umgewandelt. Urobilinogen wird zum<br />
Teil resorbiert <strong>und</strong> unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf, ein kleiner<br />
Teil erscheint im Urin.<br />
Mit diazotierter Sulfanilsäure bildet das Bilirubinglukuronid sofort einen roten<br />
Farbstoff (direktes Bilirubin), das unkonjugierte Bilirubin reagiert dagegen erst<br />
nach Zusatz von Alkohol (indirektes Bilirubin). Unter klinisch-praktischen Gesichtspunkten<br />
hat sich folgende Einteilung des <strong>Ikterus</strong> im Hinblick auf die therapeutischen<br />
Konsequenzen bewährt:<br />
l prähepatisch: gesteigerte Bilirubinproduktion,<br />
l intrahepatisch: angeborene oder erworbene reduzierte Aufnahme, Glukuronidierung<br />
<strong>und</strong> Exkretion von Bilirubin,<br />
l posthepatisch: biliäre Obstruktion.<br />
Neben der erwähnten Entgiftung spielt die Leber als größtes parenchymatöses<br />
Organ des Menschen eine zentrale Rolle bei der Synthese <strong>und</strong> Metabolisierung<br />
endogener <strong>und</strong> exogener Substanzen. Unter den primären Leber<strong>erkrankungen</strong><br />
sind die Parenchym<strong>erkrankungen</strong> am häufigsten, die typischerweise durch eine<br />
akute Phase im Sinne einer Hepatitis mit wechselnd ausgeprägter Nekrose <strong>und</strong><br />
Apoptose bis zum akuten Leberversagen charakterisiert sind. Erkrankungen<br />
zahlreicher anderer Organssysteme können die Leber sek<strong>und</strong>är in Mitleidenschaft<br />
ziehen. Bei fehlender Ausheilung oder persistierender Exposition gegenüber<br />
einer Noxe führt die Mehrzahl der primären <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>ären Hepatopathien<br />
über eine Leberzellverfettung mit dann chronischer Entzündung zur<br />
Zirrhose mit bindegewebigem Ersatz des <strong>Leberparenchym</strong>s. Von allen Strukturen<br />
der Leber können ortsständige Tumoren ausgehen, daneben werden Infiltrationen<br />
durch Metastasen, Lymphome oder extramedulläre Blutbildungsherde<br />
bei myeloproliferativen Erkrankungen beobachtet.<br />
Im Erwachsenenalter liegt einem <strong>Ikterus</strong> bei 40 % der Patienten eine posthepatische<br />
Obstruktion zugr<strong>und</strong>e, deren Anteil mit zunehmendem Alter steigt<br />
(Geier et al. 2003). Da <strong>Leberparenchym</strong><strong>erkrankungen</strong> asymptomatisch verlaufen<br />
können <strong>und</strong> nicht invasive Verfahren zur Abschätzung des tatsächlichen<br />
Zellschadens (etwa durch Bestimmung der »Leberwerte«) nicht zuverlässig<br />
sind, muss sich im Einzelfall der Umfang der Diagnostik an den klinischen<br />
Umständen orientieren. In einer prospektiven skandinavischen Studie wurde<br />
bei 150 konsekutiven asymptomatischen Patienten mit über 6 Monate persistierender<br />
Transaminasenerhöhung (42–300 U/l) <strong>und</strong> normaler alkalischer<br />
Phosphatase nach abdomensonografischen Ausschluss einer fokalen Läsion<br />
eine Leberbiopsie durchgeführt, die nur in 5 Fällen (3,3 %) einen histologischen<br />
Normalbef<strong>und</strong> zeigte (Mathiesen et al. 1999). Die häufigste Diagnose war eine<br />
nicht alkoholische Steatohepatitis oder Steatose bei 66, meist übergewichtigen<br />
Patienten (44 %), 24 % wiesen eine chronische Hepatitis unklarer Ätiologie auf,<br />
bei weiteren 15,3 % fand sich eine chronische Hepatitis C, in 8 % der Fälle<br />
konnte ein alkoholischer Leberschaden diagnostiziert werden <strong>und</strong> nur selten<br />
autoimmune oder metabolische Erkrankungen. Medikamentöse Schäden sind<br />
für 50 % der Lebertransplantationen wegen eines akuten Leberversagens verantwortlich<br />
(Lee 2003), <strong>und</strong> etwa ein Drittel der Patienten, die zur Transplan-<br />
339
340 <strong>17</strong> <strong>Ikterus</strong>, <strong>Cholestase</strong> <strong>und</strong> <strong>Leberparenchym</strong><strong>erkrankungen</strong><br />
tation vorgestellt werden, leiden an biliären Zirrhosen auf dem Boden einer<br />
Cholangiopathie (Elsing et al. 2003).<br />
Per definitionem haben 2,5 % der ges<strong>und</strong>en Menschen erhöhte Transaminasen,<br />
da der Normwertebereich als Mittelwert ± 2 Standardabweichungen definiert<br />
ist. Darüber hinaus muss bedacht werden, dass die sog. Leberwerte keineswegs<br />
leberspezifisch sind <strong>und</strong> eine Variation mit dem Alter, Geschlecht <strong>und</strong> physiologischen<br />
Zuständen wie Wachstum oder Schwangerschaft beobachtet wird.<br />
Andererseits hat eine große koreanische Kohortenstudie mit etwa 140 000 Versicherten<br />
gezeigt, dass bereits geringe Erhöhungen innerhalb des Normwertebereichs<br />
bei beiden Geschlechtern mit einer Zunahme der leberbedingten<br />
Mortalität verb<strong>und</strong>en sind, bei Männern auch mit der Sterblichkeit durch kardiovaskuläre<br />
Erkrankungen (Kim 2004). Ausgehend von den in Tabelle <strong>17</strong>.1<br />
genannten Analysen können bestimmte pathologische Muster identifiziert<br />
werden, die Ausgangspunkt der weiteren differenzialdiagnostischen Abklärung<br />
einer Leberwerterhöhung sind (Tab. <strong>17</strong>.2):<br />
l Parenchymschaden oder hepatozellulärer Schaden: vorwiegende Transaminasenerhöhung,<br />
l <strong>Cholestase</strong>: vorwiegende Erhöhung von AP <strong>und</strong> γ-GT <strong>und</strong> Hyperbilirubinämie,<br />
l infiltrative Erkrankung: fast ausschließliche Erhöhung der AP <strong>und</strong> γ-GT.<br />
Eine Hyperbilirubinämie tritt nur bei diffusen oder zentral an den Gallenwegen<br />
sitzenden Prozessen auf, da für die Ausscheidung des Bilirubins die ungestörte<br />
Funktion eines Teils der Leber ausreichend ist.<br />
Eine Parenchymschädigung der Leber wird durch verschiedene Enzyme angezeigt,<br />
von denen die Transaminasen Aspartat-Aminotransferase (AST; ehem.<br />
GOT) <strong>und</strong> Alanin-Aminotransferase (ALT; ehem. GPT) von zentraler Bedeutung<br />
sind. Beide Enzyme werden aus Hepatozyten durch Zellschädigung oder<br />
Zelltod freigesetzt. Bereits der Untergang von 1 g Lebergewebe führt im Serum<br />
zu einem messbaren Anstieg der Transaminasen. AST <strong>und</strong> ALT zeigen eine unterschiedliche<br />
Verteilung sowohl intrazellulär als auch innerhalb des Leberläppchens.<br />
Die ALT ist ein rein zytoplasmatisches Enzym, nimmt in den Hepa-<br />
Tab. <strong>17</strong>.2 Differenzialdiagnostische Hinweise aus den Laborwerten der Basisdiagnostik.<br />
Nekrose Obstruktion Infiltration<br />
Ischämisch/<br />
toxisch<br />
Hepatitis Alkohol Pankreaskarzinom<br />
Primär sklerosierende<br />
Cholangitis/<br />
Klatskin-Tumor<br />
Tumoren/<br />
Sarkoidose<br />
AST/ALT 50–100 × 5–50 × 2–5 × 1–5 × 1–5 × 1–3 ×<br />
AP 1–3 × 1–3 × 1–10 × 2–20 × 2–10 × 1–20 ×<br />
Bilirubin 1–5 × 1–30 × 1–30 × 1–30 × 1–5 × 1–5 ×<br />
Quick erniedrigt<br />
erniedrigt<br />
100 %<br />
Vitamin K: kein Effekt<br />
Vitamin-K-sensibel<br />
Albumin erniedrigt normal normal
<strong>17</strong>.1 Defi nition <strong>und</strong> Abgrenzung.<br />
tozyten von periportal nach perivenös hin ab <strong>und</strong> findet sich nur in geringer<br />
Menge in anderen Zellen. Die AST liegt in den Hepatozyten in zwei Isoformen<br />
vor, die sowohl im Zytosol als auch in den Mitochondrien nachzuweisen <strong>und</strong> in<br />
allen Hepatozyten gleichmäßig verteilt sind. Außerhalb der Hepatozyten findet<br />
sich dieses Enzym in vielen anderen Geweben wie Skelettmuskel oder Herz. Die<br />
ausschließlich zytosolisch gelegene ALT gilt als der empfindlichere Parameter<br />
einer gestörten hepatozellulären Integrität. Erst bei über die Membranläsion<br />
hinausgehenden Schädigungen steigt die AST zunehmend an <strong>und</strong> zeigt ggf.<br />
auch höhere Werte als die ALT. Durch die bevorzugt periportale Lokalisation<br />
der ALT werden vom Portalfeld übergreifende Schädigungen (z. B. Virushepatitis)<br />
ein anderes Transaminasenprofil induzieren als perivenös betonte Schäden<br />
(z. B. Alkohol, Medikamente). Die Höhe der gemessenen Transaminsasenaktivitäten<br />
korreliert bei akuten Leber<strong>erkrankungen</strong> mit dem Schweregrad,<br />
während diese Korrelation bei chronischen Verläufen eher zweifelhaft ist. Eine<br />
Diskrepanz zwischen der Schwere der akuten Lebererkrankung <strong>und</strong> der nur<br />
mäßig oder gar fehlenden Erhöhung der Transaminasen kann jedoch beim fulminanten<br />
Leberversagen, beim Morbus Weil sowie beim Morbus Wilson zu<br />
finden sein. Die diagnostische Sensitivität der ALT für Leber- <strong>und</strong> Gallenwegs<strong>erkrankungen</strong><br />
liegt mit 83 % über der der AST mit 71 %. In einem Kollektiv mit<br />
einer Prävalenz von Leber<strong>erkrankungen</strong> von 8 %, also deutlich höher als in der<br />
Allgemeinbevölkerung, ergab sich für die ALT ein positiver prädiktiver Wert<br />
(PPW) von 0,31 <strong>und</strong> ein negativer prädiktiver Wert (NPW) von 0,98, d. h. nur<br />
jeder dritte Patient mit erhöhter ALT hat eine eigenständige Lebererkrankung.<br />
Erhöhte Werte für AST <strong>und</strong> ALT finden sich vereinzelt schon nach geringen<br />
Mengen regelmäßig getrunkenem Alkohol oder längerfristiger Paracetamoleinnahme<br />
ebenso wie nach ausgiebiger sportlicher Betätigung oder schwerer<br />
körperlicher Arbeit. Blutentnahmen nach 15-minütigem Sitzen sowie nach<br />
mindestens 2-minütiger venöser Stauung führen zu einem Anstieg der Transaminasen<br />
um 5–10 %. Seltene Ursachen für erhöhte Transaminasen sind Makroenzyme,<br />
woran man bei fehlender klinischer Symptomatik <strong>und</strong> Ausschluss<br />
typischer Leber<strong>erkrankungen</strong> denken sollte. Nachgewiesen werden die Makroenzyme<br />
durch Bestimmung des Molekulargewichts.<br />
Für differenzialdiagnostische Überlegungen ist die Glutamat-Dehydrogenase<br />
(GLDH) von Bedeutung. Das Enzym ist in den Mitochondrien lokalisiert, mit<br />
besonders hoher Aktivität in der Leber. Geringere Aktivitäten (5–30 %) finden<br />
sich in weiteren parenchymatösen Organen. In der Leber liegt die Hauptmasse<br />
der GLDH in der perivenösen Zone der Leberläppchen. Aufgr<strong>und</strong> der Lokalisation<br />
in den Mitochondrien kommt es erst bei schwerer Leberschädigung zu<br />
einer verzögerten Freisetzung des Enzyms. Es ist daher ein Indikator für einen<br />
schwereren Leberschaden.<br />
Die Laktat-Dehydrogenase (LDH) ist als zytosolisches Enzym in allen Organen<br />
zu finden. Die zonale Verteilung im Leberläppchen entspricht der der<br />
GLDH mit Betonung der perivenösen Zone 3. Die Bestimmung dieses Enzyms<br />
ist außerdem im Rahmen der Hämolysediagnostik von Bedeutung. Außer weiteren<br />
Enzymen, die in die Routinediagnostik keinen Eingang gef<strong>und</strong>en haben,<br />
wird bei einem Zellschaden eine Vielzahl weiterer Moleküle aus der Leberzelle<br />
freigesetzt wie z. B. das Ferritin.<br />
341
342 <strong>17</strong> <strong>Ikterus</strong>, <strong>Cholestase</strong> <strong>und</strong> <strong>Leberparenchym</strong><strong>erkrankungen</strong><br />
Das klassische Indikatorenzym für die <strong>Cholestase</strong> ist die alkalische Phosphatase<br />
(AP). Dieses membrangeb<strong>und</strong>ene Enzym besteht aus drei Isoenzymen<br />
(Plazenta, intestinaler <strong>und</strong> unspezifischer Typ) sowie aus zahlreichen posttranslational<br />
modifizierten Unterformen. Die Leber-AP gehört zu dem unspezifischen<br />
Typ. Die im Serum des Erwachsenen nachweisbare AP stammt<br />
überwiegend aus der Leber. Zum Anstieg des Enzyms kommt es durch unterschiedliche<br />
Knochen<strong>erkrankungen</strong>, Schwangerschaft <strong>und</strong> durch Leber- <strong>und</strong><br />
Gallenwegs<strong>erkrankungen</strong>. Bei Letzteren ist die Erhöhung durch eine gesteigerte<br />
Neusynthese bedingt, wobei allerdings mit zunehmender Zellschädigung die<br />
Aktivität im Serum wieder sinken kann. Obwohl die Ursache nicht genau bekannt<br />
ist, könnte der Druckanstieg in den Gallekapillaren den Anstieg induzieren.<br />
Die γ-Glutamyltransferase (γ-GT) findet sich in Zellen mit gesteigerter absorptiver<br />
oder sekretorischer Funktion (Leber, Niere, Lunge, Pankreas, Milz).<br />
In der Leber findet sich das Enzym sowohl in den Hepatozyten als auch in den<br />
Nichtparenchymzellen, überwiegend in der Plasmamembran <strong>und</strong> zum geringen<br />
Teil im Zytosol. Die γ-GT der Leber besitzt nur 4–15 % der Aktivität des<br />
Enzyms in den Nieren.<br />
Induziert wird die Freisetzung des Enzyms durch Alkohol, Medikamente oder<br />
andere Xenobiotika. Alkohol führt in einer Dosis von 0,75 g/kg KG zu einem<br />
Anstieg der γ-GT um 30 %, wobei der Maximalwert etwa nach 60 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />
die Normalisierung nach ca. 4 Tagen erreicht wird. Dieser geringe Anstieg verbirgt<br />
sich jedoch in der Regel innerhalb des Normwertes für die γ-GT. Erst nach<br />
länger andauerndem Alkoholmissbrauch ist mit einer deutlich erhöhten γ-GT<br />
zu rechnen. Die Aktivität des Enzyms steigt um das Drei- bis Fünffache bei toxischen,<br />
aber auch viralen Erkrankungen, bei <strong>Cholestase</strong>n auf höhere Werte.<br />
Die Leuzinaminopeptidase (LAP) <strong>und</strong> die 5’-Nukleotidase werden heute nur<br />
noch selten zur <strong>Cholestase</strong>diagnostik eingesetzt.<br />
Die Syntheseleistung der Leber wird über verschiedene von ihr synthetisierte<br />
Proteine eingeschätzt. Von der Vielzahl an sezernierten Proteinen werden in der<br />
Regel nur die Albuminkonzentration, die Cholinesteraseaktivität <strong>und</strong> globale<br />
Gerinnungstests genutzt. Die Bestimmung anderer Proteine wird nur bei speziellen<br />
Fragestellungen benötigt (α-Fetoprotein, Coeruloplasmin, α-1-Antitrypsin,<br />
Antithromin III u. a.). Die Plasmakonzentration dieser Proteine sinkt<br />
erst bei schwerster Leberfunktionsstörung ab, mit Ausnahme von Antithrombin-III<br />
<strong>und</strong> α-1-Antitrypsin, deren Serumkonzentration im Rahmen von Leberzirrhosen<br />
abnimmt.<br />
Pro Tag werden etwa <strong>17</strong> g Albumin von der Leber synthetisiert. Die Produktion<br />
kann bei Bedarf auf das Zwei- bis Dreifache gesteigert werden. Der onkotische<br />
Druck <strong>und</strong> das Angebot an Aminosäuren steuern die Synthese <strong>und</strong> Sekretion.<br />
Die Halbwertszeit liegt bei 20 (± 3) Tagen. Bei reduzierter Zufuhr von Aminosäuren<br />
sinkt die Produktion des Albumins stärker als die anderer Proteine. Renale<br />
<strong>und</strong> intestinale Verluste können die Neusyntheserate der Leber übersteigen<br />
<strong>und</strong> somit zu einem Abfall des Serumalbumins führen. Mit fortschreitender<br />
Zirrhose sinkt die Albuminsynthese kontinuierlich ab. Mit der langen Halbwertszeit<br />
<strong>und</strong> den vielfältigen anderen Variablen ist der Albuminspiegel weder<br />
ein sensitiver noch ein spezifischer Parameter für eine Einschränkung der Le-
ersyntheseleistung, bei fortgeschrittenen Leber<strong>erkrankungen</strong> bleibt er jedoch<br />
ein wesentlicher Prognosefaktor <strong>und</strong> geht daher in den Child-Pugh-Score ein.<br />
Eine eingeschränkte Lebersyntheseleistung wird durch den Abfall der Gerinnungsparameter<br />
im Serum angezeigt. Mit Ausnahme des Faktors VIII werden<br />
alle Gerinnungsenzyme <strong>und</strong> Kofaktoren in den Hepatozyten produziert. Die<br />
Faktoren II, VII, IX <strong>und</strong> X sowie die Inhibitoren Protein C <strong>und</strong> S hängen vom<br />
Vitamin K ab. Beim Fehlen von Vitamin K (z. B. <strong>Cholestase</strong>, Gallenwegsdrainage<br />
oder Malabsorption) werden nur inaktive Vorstufen produziert. Wegen seiner<br />
kürzesten Halbwertszeit (7 h) fällt bei Synthesestörungen zunächst der<br />
Faktor VII ab, später gefolgt von den Faktoren IX <strong>und</strong> X, zuletzt von Faktor II.<br />
Bei schweren Leberschäden sind auch die nicht vom Vitamin K abhängigen<br />
Faktoren erniedrigt (V, XI <strong>und</strong> XII). Extreme Verminderungen des Quick-Wertes<br />
findet man beim akuten Leberversagen, wobei der in den Endothelzellen<br />
gebildete Faktor VIII meist erhöht ist. Nachdem Fibrinogen (Faktor II) auch<br />
extrahepatisch gebildet wird, fällt dieser Parameter erst spät ab. Die Gerinnungsfaktoren<br />
sind durch ihre kurzen Halbwertszeiten nützliche Parameter bei<br />
akuten Einschränkungen der Leberfunktion. Für leichte <strong>und</strong> mittlere Leberschäden<br />
ist deren Sensitivität jedoch gering. Bei schweren Leberschäden ist die<br />
Einschränkung der Gerinnungsfaktoren ein wesentlicher Parameter der Lebersyntheseleistung<br />
<strong>und</strong> prognostisch von Bedeutung. Dies führte auch zur Berücksichtigung<br />
des Quickwertes im Child-Pugh-Score.<br />
Der dritte üblicherweise bestimmte Parameter der Syntheseleistung ist die Serumcholinesterase<br />
(CHE). Dieses Enzym wird ebenfalls in der Leber synthetisiert<br />
<strong>und</strong> hat im Serum eine Halbwertszeit von 10 (3,4–12) Tagen <strong>und</strong> liegt<br />
damit zwischen den Halbwertszeiten von Albumin <strong>und</strong> dem Prothrombinkomplex.<br />
Es gibt auch Minusvarianten (Prävalenz ca. 2 %), die eine Lebersynthesestörung<br />
vortäuschen, welche aber durch Normalwerte für die anderen<br />
Syntheseparameter ausgeschlossen werden kann. Die Aktivität des Enzyms ist<br />
bei Adipositas, Hyperlipoproteinämien <strong>und</strong> Leberverfettung häufig erhöht. Erniedrigte<br />
Werte werden gef<strong>und</strong>en bei Intoxikationen mit organischen Phosphorsäureestern<br />
wie Parathion oder E605, Therapie mit Prostigmin oder Endoxan<br />
sowie im Rahmen einer katabolen Stoffwechsellage bei Hunger, Sepsis<br />
oder maligner Erkrankung. Das Enzym weist damit im Vergleich zu AST <strong>und</strong><br />
ALT eine geringere Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität zum Nachweis einer Lebererkrankung<br />
auf.<br />
<strong>17</strong>.2 Diagnostisches Vorgehen<br />
<strong>17</strong>.2 Diagnostisches Vorgehen.<br />
Es liegen keine prospektiven randomisierten Studien vor, die zur Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage<br />
bei der differenzialdiagnostischen Abklärung von <strong>Cholestase</strong>,<br />
<strong>Ikterus</strong> oder Leberwerterhöhungen gemacht werden könnten. Es existieren<br />
Empfehlungen zur laborchemischen (American Gastroenterological Association<br />
2002a, b; EbM-Level 5) <strong>und</strong> bildgebenden Diagnostik (American College<br />
of Radiology 2005; EbM-Level 2).<br />
343
344 <strong>17</strong> <strong>Ikterus</strong>, <strong>Cholestase</strong> <strong>und</strong> <strong>Leberparenchym</strong><strong>erkrankungen</strong><br />
Wegen der möglichen Gefährdung <strong>und</strong> dringlichen Indikation zur Operation<br />
oder endoskopischen Intervention muss bei <strong>Ikterus</strong> <strong>und</strong> <strong>Cholestase</strong>,<br />
vor allem bei begleitendem Fieber, zunächst zwischen obstruktiver<br />
<strong>und</strong> nicht obstruktiver <strong>Cholestase</strong> unterschieden werden.<br />
Beim <strong>Ikterus</strong> mit Zeichen des akuten Leberversagens muss frühzeitig<br />
Kontakt mit einem Leberzentrum aufgenommen werden, um die Frage<br />
einer eventuellen Lebertransplantation zu erörtern.<br />
Parenchymatöse Leber<strong>erkrankungen</strong> sind meist asymptomatisch, solange keine<br />
Störung der Leberfunktion mit Hyperbilirubinämie oder Zeichen einer<br />
fortgeschrittenen Leber<strong>erkrankungen</strong> (Zirrhose) vorliegen. Falls Symptome<br />
auftreten, sind diese meist unspezifisch <strong>und</strong> wenig richtungsweisend, wie Müdigkeit,<br />
Leistungsschwäche, Abgeschlagenheit oder Druckgefühl im rechten<br />
oberen Quadranten. Eine detaillierte Anamnese mit körperlicher Untersuchung<br />
ist erforderlich, um eine mögliche Lebererkrankung als akut oder chronisch<br />
einzustufen <strong>und</strong> ätiologisch sowie durch mögliche Begleit<strong>erkrankungen</strong><br />
(Tab. <strong>17</strong>.3) einzugrenzen.<br />
Tab. <strong>17</strong>.3 Begleitreaktionen bei Infektionskrankheiten.<br />
Art der Infektion Erreger/Krankheitbild<br />
virale Infektionen l Mononukleose<br />
l Mumps<br />
l Herpes simplex l Adenoviren<br />
l Zytomegalie<br />
l Coxsackie-Viren<br />
l HIV<br />
l Flaviviren<br />
l Varizellen<br />
l Filaviren<br />
l Röteln<br />
l Arenaviren<br />
l Masern<br />
bakterielle Infektionen l Staphylokokken l Tuberkulose<br />
l Gonokoken<br />
l Leptospirose<br />
l Clostridien<br />
l Lues<br />
l Salmonellose<br />
l Borreliose<br />
l Shigellose<br />
l Rickettsien<br />
l Yersiniose<br />
l Legionella<br />
l Listeriose<br />
l Bartonella<br />
l Brucellose<br />
Pilzinfektionen l Aktinomykose<br />
l Histoplasmose<br />
parasitäre Infektionen l Amöbiasis<br />
l Leishmaniasis<br />
l Malaria<br />
l Toxoplasmose<br />
l Typanosomiasis<br />
Helmintheninfektionen l Echinokokkose<br />
l Opisthorchis felineus<br />
l Schistosomiasis l Dicrocoelium dendriticum<br />
l Ascaris lumbricoides l Trichinella spiralis<br />
l Fasciola hepatica l<br />
Toxocara canis (cati)<br />
l Clonorchis sinensis
<strong>17</strong>.2 Diagnostisches Vorgehen.<br />
Das differenzialdiagnostische Vorgehen folgt den Hinweisen aus der gezielten<br />
Anamnese:<br />
l Leber<strong>erkrankungen</strong> in der Familie,<br />
l verordnete oder selbst erworbene Medikamenten einschließlich nicht schulmedizinischer<br />
Präparate,<br />
l toxische Arbeitsplatzbelastungen,<br />
l Alkohol <strong>und</strong> andere Drogen,<br />
l Hepatitisrisiken wie Transfusionen, Tätowierungen, Auslandsaufenthalte, intravenöser<br />
Drogenmissbrauch oder häufig wechselnde Geschlechtspartner,<br />
l Muskel- oder Gelenkschmerzen,<br />
l Hautausschläge oder Blutungsstigmata,<br />
l Gewichtsverlust,<br />
l Juckreiz,<br />
l Stuhl- bzw. Urinverfärbungen,<br />
l Schwangerschaft.<br />
Bei der körperlichen Untersuchung sollte im Akutfall wie oben dargelegt zunächst<br />
nach Zeichen einer akuten Cholezystitis/Cholangitis gefahndet (Murphy-Zeichen,<br />
Charcot-Trias) bzw. auf Bewusstseinsstörungen, Tremor, Foetor<br />
hepaticus oder Haut- <strong>und</strong> Schleimhautblutungen als Hinweise auf ein akutes<br />
Leberversagen geachtet werden.<br />
Im Falle einer weniger dramatischen Präsentation sollte gezielt gesucht werden<br />
nach typischen Zeichen:<br />
l Leberhautzeichen: Teleangiektasien, Xanthelasmen, Rhagaden, Lacklippen,<br />
-zunge, Palmar- oder Plantarerythem,<br />
l Veränderungen der Geschlechtsmerkmale bei Männern: Gynäkomastie,<br />
Fehlen der männlichen Sek<strong>und</strong>ärbehaarung, Bauchglatze <strong>und</strong> Hodenatrophie,<br />
l am Abdomen: Caput medusae <strong>und</strong> Aszites,<br />
l an den Fingern: Dupuytren-Kontraktur, Weißnägel, Trommelschlegelfinger,<br />
l Parotisschwellung,<br />
l tastbare, nicht schmerzhafte Gallenblase (Courvoisier-Zeichen) als Hinweis<br />
auf eine neoplastische Obstruktion des Ductus hepatocholedochus,<br />
l Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz: Jugularvenenstauung, Unterschenkelödeme,<br />
Aszites, positiver hepatojugulärer Reflux, 3. Herzton.<br />
Aus Größe, Konsistenz <strong>und</strong> Oberfläche der Leber <strong>und</strong> der Milzgröße können<br />
sich erste Hinweise auf eine Leberzirrhose mit portaler Hypertonie aber auch<br />
auf Erkrankungen des hämatopoetischen Systems oder septische Erkrankungen<br />
ergeben.<br />
Sowohl die Höhe der Transaminasen als auch das Verhältnis von AST zu ALT<br />
können hilfreich sein, das Spektrum der Differenzialdiagnosen einzuengen.<br />
Die Grenze ist nicht scharf markiert. Letztlich kann das gesamte Spektrum der<br />
möglichen parenchymatösen Leber<strong>erkrankungen</strong> sowohl mit gering als auch<br />
mit erheblich erhöhten Transaminasen auftreten. In der Regel wird unter leicht<br />
erhöhten Transaminasen eine Erhöhung um den Faktor 2–5, unter einer erheblichen<br />
Erhöhung das 15-Fache des oberen Normwertes verstanden, wobei ent-<br />
345
346 <strong>17</strong> <strong>Ikterus</strong>, <strong>Cholestase</strong> <strong>und</strong> <strong>Leberparenchym</strong><strong>erkrankungen</strong><br />
weder AST oder ALT führend sein können (EbM-Level 5). Der De-Ritis-Quotient<br />
der Serumwerte AST/ALT unterscheidet zwischen Entzündung (< 0,7)<br />
oder Nekrose (> 0,7) bei hepatischen Erkrankungen. Ein De-Ritis-Quotient<br />
> 2 macht eine alkoholische Leberschädigung wahrscheinlich, vor allem bei<br />
niedrigen ALT-Werten. Zu berücksichtigen ist auch die längere Serumhalbwertszeit<br />
der AST gegenüber der ALT, sodass sich bei abklingender Entzündung<br />
das Muster verschieben kann. Transaminasenerhöhungen bis zum Fünffachen<br />
des oberen Normwertes können sowohl bei chronischen als auch bei akuten<br />
Leber<strong>erkrankungen</strong> auftreten. Die Transaminasenerhöhung kann mit Parametern<br />
der <strong>Cholestase</strong> verb<strong>und</strong>en sein (cholestatische Hepatitis).<br />
Die in Tabelle <strong>17</strong>.1 genannten obligatorischen Laboruntersuchungen umfassen<br />
die Basisdiagnostik bei der Abklärung von <strong>Ikterus</strong> <strong>und</strong> <strong>Cholestase</strong> sowie die<br />
notwendigen Erweiterungen bei <strong>Leberparenchym</strong><strong>erkrankungen</strong>. Primär ist zu<br />
unterscheiden, ob die erhöhten Transaminasen bei einem asymptomatischen<br />
Patienten bestimmt wurden, wie lange die Leberwerterhöhung belegt ist, ob<br />
Zeichen eines fortgeschrittenen Leberschadens im Sinne einer Leberzirrhose<br />
(Symptome s. o.) oder einer ikterischen Lebererkrankung vorliegen. Das Verhältnis<br />
der einzelnen Laborwerte zueinander erlaubt eine erste Einordnung<br />
(Tab. <strong>17</strong>.2).<br />
Bei einem <strong>Ikterus</strong> mit Fieber werden zusätzlich folgende Werte bestimmt:<br />
l Blutbild <strong>und</strong> Differenzialblutbild,<br />
l CRP,<br />
l Kreatinin sowie<br />
l Blutausstrich, falls der Patient einen Tropenaufenthalt hinter sich hat.<br />
Zur Basisdiagnostik gehört auch eine Abdomensonografie, bei der Bef<strong>und</strong>e am<br />
<strong>Leberparenchym</strong>, den Gallenwegen <strong>und</strong> Gefäßen richtungsweisend für das<br />
weitere Vorgehen werden können.<br />
Abbildung <strong>17</strong>.1 zeigt die mit dieser Labordiagnostik mögliche Differenzialdiagnose<br />
des <strong>Ikterus</strong>. Bei einer vorwiegend indirekten Hyperbilirubinämie liegen<br />
ca. 80–85 % des Gesamtbilirubins in unkonjugierter Form vor, bei der vorwiegend<br />
direkten Hyperbilirubinämie beträgt der Anteil des konjugierten<br />
Bilirubins mehr als 40 % des Gesamtbilirubins.<br />
Zahlreiche Medikamente <strong>und</strong> pflanzliche Produkte kommen als Auslöser<br />
einer <strong>Cholestase</strong> oder hepatozellulären Schädigung infrage, sodass vor einer<br />
aufwendigen Diagnostik ein Auslassversuch angezeigt ist. Wann immer<br />
möglich sollten zunächst alle Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel<br />
<strong>und</strong> auch pflanzliche Arzneimittel abgesetzt <strong>und</strong> der Verlauf der<br />
Transaminasen beobachtet werden.<br />
Die Tabellen <strong>17</strong>.4 <strong>und</strong> <strong>17</strong>.5 enthalten Angaben zu einigen Substanzen, bei denen<br />
häufig Leberwerterhöhungen beschrieben werden, die bei fortgesetzter<br />
Therapie bis zum Leberversagen führen können. Bei entsprechendem Verdacht<br />
müssen, bei einem nicht ausreichend wahrscheinlichen Zusammenhang, weitere<br />
differenzialdiagnostische Überlegungen angestellt werden. Für einen ursächlichen<br />
Zusammenhang spricht das Auftreten der Laborwertveränderungen
<strong>17</strong>.2 Diagnostisches Vorgehen.<br />
Tab.<strong>17</strong>.4 Leberschädigende pflanzliche Arzneimittel, Toxine <strong>und</strong> Drogen (nach Stickel et al.<br />
2001; American Gastroenterological Association 2002a, b).<br />
Pflanzliche Arzneimittel Toxine Drogen<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
vorwiegend indirekte<br />
Hyperbilirubinämie<br />
vorwiegend direkte<br />
Hyperbilirubinämie<br />
Abb. <strong>17</strong>.1 Differenzialdiagnostik des <strong>Ikterus</strong>.<br />
Ephedra-Spezies<br />
Gamander<br />
Gentian<br />
Helmkraut<br />
Jin Bu Huan<br />
Johanniskraut<br />
Kava Kava<br />
Kreosoth<br />
Ma-Huang<br />
Pfi ngstrose<br />
Polei-Minze<br />
Pyrrolizidinalkaloide<br />
Schöllkraut<br />
Sho-saiko-to<br />
Senna<br />
Weißer Diptam<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
l<br />
Hämolysezeichen<br />
Transaminasenerhöhung<br />
Tetrachlorkohlenstoff<br />
Chloroform<br />
Dimethylformamid<br />
Hydrazin<br />
Hydrochlorofl uorocarbon<br />
2-Nitropropan<br />
Trichlorethylen<br />
Toluen<br />
ja<br />
nein<br />
ja<br />
nein<br />
l<br />
l<br />
l<br />
hämolytische Anämien;<br />
große Hämatome<br />
Gilbert-Meulengracht-<br />
Syndrom;<br />
Shunt-Hyperbilirubinämie;<br />
Crigler-Najjar-Syndrom<br />
Typ I/II<br />
hepatozellulärer Schaden;<br />
intra-/extrahepatische<br />
<strong>Cholestase</strong><br />
Dubin-Johnson-Syndrom;<br />
Rotor-Syndrom;<br />
benigne rezidivierende<br />
intrahepatische<br />
<strong>Cholestase</strong><br />
Ecstasy<br />
Kokain<br />
Phenylcyclidin<br />
347