Hohenasperg - Haus der Geschichte Baden-Württemberg
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V 3 Aktuelle Positionen<br />
<strong>der</strong> rechtsgeschichtlichen Forschung<br />
Die Entwicklungen <strong>der</strong> Rechtsordnung ergeben sich … aus einem sich ständig verän<strong>der</strong>nden<br />
Zusammenspiel von Nor men, Akteuren und Institutionen. Damit wird die<br />
Vorstellung, dass Recht ‚gesetzt‘ (o<strong>der</strong> gar ‚gefunden‘ wird), ersetzt durch die Vorstellung<br />
eines dy namischen Prozesses <strong>der</strong> vielen, die, ausgestattet mit unterschiedlicher<br />
Macht, Recht immer wie<strong>der</strong> neu aushandeln.<br />
Was das genau bedeutet, will ich mit dem Begriff »Doing Recht« um schreiben.<br />
»Doing Recht« ist ein Begriff, <strong>der</strong> mit Bedacht ein unübersetz bares englisches Gerundium<br />
mit dem genauso schlecht zu übersetzenden deutschen Wort »Recht« verbindet.<br />
Er bedeutet erstens, dass die Definition dessen, was Recht ist und wie<br />
Rechtsbrüche zu ahnden sind, kein Zuschreibungs-, son<strong>der</strong>n ein Aushandlungsprozess<br />
ist, an dem viele teilha ben. »Doing Recht« als Aushandlungsprozess ist also we<strong>der</strong><br />
mit dem be kannten »labeling approach« <strong>der</strong> Kriminologie <strong>der</strong> 1980er Jahre zu ver -<br />
wechseln, noch soll Recht als ein Zweifigurenmodell verstanden werden, in dem Antagonisten<br />
– etwa Justiz beziehungsweise Staat und Kriminelle – aufeinan<strong>der</strong> treffen:<br />
Denn we<strong>der</strong> das lange Zeit in <strong>der</strong> Forschung beliebte »social crime«-Narrativ, das<br />
den Kriminellen als eine machtvolle Figur konstruierte, die mittels Kriminalität gegen<br />
den Staat und seine Vorstellun gen rebellierte, noch das Sozialdisziplinierungsmodell,<br />
in dem <strong>der</strong> Staat als die machtvolle Kraft verstanden wurde, die den Delinquenten<br />
erzieht, werden dem komplexen Zusammenspiel ganz unterschiedlicher Kräfte und<br />
Akteure gerecht. Statt bloß zwei bevölkern viele die Bühne: Anzeigende, Kriminelle,<br />
Zeuginnen und Zeugen, unschuldig Verleumdete, Zuschauer und Zuschauerinnen,<br />
Exekutivkräfte, Ermittlungsbeamte, Richter, Vertei diger, Journalisten, Politiker und<br />
Juristen. Aber nicht nur Akteure und Akteurinnen im allzu engen Sinne gestalten die<br />
Art und Weise, wie Recht hergestellt wird. Daneben gibt es Akteure in einem umfassen<strong>der</strong>en<br />
Sinne: Das Normengerüst, die Verfahrensstruktur, die Muster <strong>der</strong><br />
Verhörmetho den, die Arten des Protokollieren, die juristische Ausbildung, die Ausfor -<br />
mung des Expertenhabitus und das Selbstverständnis des Richters spielen ebenso<br />
eine wichtige Rolle, bestimmen sie doch, welche Ereignisse über haupt vor Gericht<br />
gebracht und durch welche Personen und nach welchen Regeln thematisiert werden<br />
können.<br />
Recht als Aushandlungsprozess zu verstehen, an dem viele teilhaben, heißt zweitens<br />
zu beachten, dass diese vielen Kräfte und Akteure auf un terschiedlichen Ebenen agieren.<br />
Die Bedeutung einer kriminologischen Abhandlung liegt auf einer an<strong>der</strong>en Ebene<br />
als die Aussage eines Ange klagten. Die Prinzipien <strong>der</strong> juristischen Wissensproduk-<br />
ARBEITSBLATT VORBEREITUNG<br />
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