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Hohenasperg - Haus der Geschichte Baden-Württemberg

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N 4 Die Zukunft des Strafens?<br />

Gerhard Roth von <strong>der</strong> Universität Bremen [...] for<strong>der</strong>t, das Strafrechtssystem solle<br />

[...] auf das traditionelle Schuldprinzip verzichten. Dieses mache nur Sinn, wenn<br />

Menschen über einen freien Willen im Sinne einer rein moralischen Entscheidungsfähigkeit<br />

verfügen.<br />

Diese Freiheit wird aber gerade von manchen Philosophen und Wissenschaftlern in<br />

Frage gestellt. So kann es, wenn keine äußeren Zwänge herrschen, theoretisch immer<br />

die Möglichkeit geben, aus mehreren Verhaltensalternativen zu wählen. Praktisch<br />

aber stehen Entscheidungen immer am Ende einer langen Kette von Ereignissen und<br />

aufeinan<strong>der</strong> folgenden hirnphysiologischen Zuständen, die unseren subjektiven Motiven<br />

zugrundeliegen.<br />

Man stelle sich den Augenblick vor, wo das Gehirn [...] das Für und Wi<strong>der</strong> eines Verbrechens<br />

abwägt. Alle verfügbaren Argumente wurden durchdacht, dann senkt sich<br />

die Waagschale in Richtung Straftat. Sollte es einen freien Willen geben, auf dem<br />

das Konzept <strong>der</strong> Schuldfähigkeit beruht, müsste jetzt ein neuer Faktor auftreten können,<br />

<strong>der</strong> die Schale unabhängig von den Argumenten und Motiven wie<strong>der</strong> hebt. Auf<br />

die Frage, woher ein solcher Faktor kommen sollte, hat allerdings noch niemand eine<br />

Antwort gefunden.<br />

„Aus psychologischer Sicht kann man uns eine Handlung nur dann als unser Handeln<br />

zuschreiben, wenn es von unseren Motiven bestimmt wird“, so Roth. In <strong>der</strong> Strafrechtstheorie<br />

werde jedoch das genaue Gegenteil als Grundlage für Willensfreiheit<br />

angesehen: die Fähigkeit, sich von <strong>der</strong> Bedingtheit durch Motive<br />

zu befreien. „Unser Rechtsgewissen ist aber das Produkt unserer Erziehung o<strong>der</strong> Lebenserfahrung.<br />

Es unterliegt wie alle Motive <strong>der</strong> Persönlichkeitsentwicklung.“ An<strong>der</strong>s<br />

gesagt: Je<strong>der</strong> kann nur mit den Werkzeugen arbeiten, über die er verfügt. [...]<br />

Aber wie könnte ein Strafrechtssystem ohne Schuldprinzip überhaupt aussehen? Zusammen<br />

mit <strong>der</strong> Rechtswissenschaftlerin Grischa Merkel von <strong>der</strong> Uni Rostock hat<br />

Roth gerade ein Modell vorgestellt. Dieses sieht vor, auf Vergeltung generell zu verzichten<br />

– laut Bundesverfassungsgericht eines <strong>der</strong> Ziele von Strafe. Es blieben die<br />

Ziele Schadenskompensation, Behebung <strong>der</strong> sozialen Störung, Abschreckung und<br />

Aufrechterhaltung <strong>der</strong> Norm. Die Höhe einer Strafe ließe sich weiterhin mit Hilfe<br />

des § 46 des Strafgesetzbuchs abwägen. Berücksichtigt werden dann unter an<strong>der</strong>em<br />

Beweggründe und Ziele des Täters, das Maß <strong>der</strong> Pflichtwidrigkeit und seine Bemühungen,<br />

den Schaden wie<strong>der</strong>gutzumachen.

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