Der Genfersee (PDF, 1.28 MB) - marina.ch - das nautische Magazin ...
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lakeside<br />
<strong>Der</strong> <strong>Genfersee</strong> -<br />
Vivre lémanique<br />
Als Kulisse die Savoyer und S<strong>ch</strong>weizer Alpen, <strong>das</strong> Klima s<strong>ch</strong>on fast mediterran,<br />
am Ufer Kultur und Reben: Die wels<strong>ch</strong>e Riviera ist ein ebenso vielseitiges wie<br />
windsi<strong>ch</strong>eres Revier. Ein Gewässer mit Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te.<br />
lakeside<br />
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ST/swiss-image.<strong>ch</strong>
Montreux: Kleiner Hafen<br />
fernab des Musikges<strong>ch</strong>ehens.<br />
Rebberge am S<strong>ch</strong>weizer Ufer:<br />
<strong>Der</strong> Mens<strong>ch</strong> lebt ni<strong>ch</strong>t vom<br />
Wasser allein.<br />
TexT und FoToS: daniel B. PeTerlunger<br />
im regenfeu<strong>ch</strong>ten Morgenli<strong>ch</strong>t bei Morges s<strong>ch</strong>immert<br />
hinter den Hafenmolen aus dem 17. Jahrhundert eine<br />
zauberhaft silbrige Platte: der genfersee, le lac léman,<br />
wie man ihn hier nennt. die sanfte Hügelzunge<br />
hinter Morges ist wegen ihrer Weine weit über die<br />
region hinaus bekannt. la Côte, die mit reben überzogene<br />
Welle, ist gespickt mit kleinen Städt<strong>ch</strong>en wie<br />
Chigny, Fé<strong>ch</strong>y, Begnins und Bursins. Hier ist au<strong>ch</strong> der<br />
Malakoff zu Hause – kein russe, sondern ein Käsekrapfen,<br />
den man mit einem glas Wein geniesst. ein<br />
e<strong>ch</strong>ter russe hingegen, der Komponist igor Strawinsky,<br />
hat bei Morges gelebt und si<strong>ch</strong> von der<br />
gegend inspirieren lassen, gesegelt hat er ni<strong>ch</strong>t.<br />
da, endli<strong>ch</strong> trifft der «Morgien» ein – nein, kein Wein,<br />
sondern ein lokalwind. Mit ihm gehts los, auf einen<br />
See hinaus, der dank seiner Winde aus vers<strong>ch</strong>iedensten<br />
ri<strong>ch</strong>tungen ein ideales Segelrevier abgibt. der<br />
Spinnaker zieht uns ri<strong>ch</strong>tung Montreux. Steuerbords<br />
ragen die hohen Zacken der alpen und die französis<strong>ch</strong>en<br />
Savoyer Berge in den Himmel. dunkle Wälder<br />
krallen si<strong>ch</strong> an steile Felswände. erst jetzt, vom<br />
Wasser aus, wird die S<strong>ch</strong>weizer Seite im norden in<br />
ihrer ganzen grösse erkennbar: ein Panorama aus terrassierten<br />
rebhängen bildet eine prä<strong>ch</strong>tige Kulisse für<br />
den ersten S<strong>ch</strong>lag. dieses fru<strong>ch</strong>tbare gebiet östli<strong>ch</strong><br />
von lausanne, <strong>das</strong> lavaux, liefert seit 900 Jahren<br />
Wein – den Mön<strong>ch</strong>en der region sei dank. die rei<strong>ch</strong>e<br />
ernte dieses Südhangs musste vor herumziehendem<br />
gesindel ges<strong>ch</strong>ützt werden, und so entstanden<br />
die markanten Türme von Marsens und grandvaux<br />
sowie <strong>das</strong> S<strong>ch</strong>loss lutry. Sie beherrs<strong>ch</strong>en <strong>das</strong> Bild der<br />
region und können als navigationshilfe dienen – wie<br />
früher, in der «Vor-gPS-Zeit», als man gewöhnli<strong>ch</strong><br />
seinen augen und dem gespür vertraute. Man s<strong>ch</strong>aute<br />
übers Wasser und übers land. der genfersee animiert<br />
zur sinnli<strong>ch</strong>en navigation.<br />
lausanne liegt bald a<strong>ch</strong>teraus und Vevey, wo einst<br />
Charlie Chalin wohnte, querab. auf dem da<strong>ch</strong> eines<br />
Bürogebäudes am ufer flattert eine riesige S<strong>ch</strong>weizer<br />
Fahne: Hier hat nestlé seinen Hauptsitz. in dieser<br />
ST/swiss-image.<strong>ch</strong><br />
verträumten gegend würde man ihn ni<strong>ch</strong>t unbedingt<br />
erwarten.<br />
Liebe und Jazz am See<br />
Wir legen in Montreux an – im ehemaligen Wallfahrtsort<br />
der literaturfreunde, die auf den Spuren von<br />
Jean Jacques rousseaus roman «la nouvelle Héloise»<br />
wandelten. die Wallfahrer wollten selber sehen, wo<br />
si<strong>ch</strong> die Hauptfiguren Julie und St-Preux geliebt hatten<br />
– so begann der Tourismus. europas noblesse des<br />
19. Jahrhunderts stieg in den luxusherbergen im französis<strong>ch</strong>en<br />
rivierastil ab. do<strong>ch</strong> erst <strong>das</strong> Jazz-Festival<br />
ma<strong>ch</strong>te Montreux weltberühmt. Während des Festivals<br />
im Juli ist der ort überfüllt und die Chance grösser,<br />
von einer mit Musikern gefüllten luxuslimousine<br />
überfahren zu werden, als in der langen Bu<strong>ch</strong>t – die<br />
si<strong>ch</strong> zum S<strong>ch</strong>loss Chillon s<strong>ch</strong>wingt – auf grund zu<br />
laufen.<br />
na<strong>ch</strong> einer ruhigen na<strong>ch</strong>t im westli<strong>ch</strong> der Stadt gelegenen<br />
Hafen segeln wir weiter. Wir lassen den Palais<br />
oriental, ein restaurant mit arabesken Stukkaturen<br />
und s<strong>ch</strong>önen Fayencen, wo man<strong>ch</strong>mal eine Bau<strong>ch</strong>tänzerin<br />
auftritt, am ufer zurück und nehmen Kurs auf<br />
<strong>das</strong> bekannteste Postkartenmotiv der region: S<strong>ch</strong>loss<br />
Chillon. lord Byron, der dem S<strong>ch</strong>loss einen roman<br />
widmete, soll der erste gewesen sein, der mit einer<br />
aus england mitgebra<strong>ch</strong>ten Ya<strong>ch</strong>t den lac léman im<br />
Sommer 1816 segelnd erkundete. der See hatte s<strong>ch</strong>on<br />
immer bekannte Mens<strong>ch</strong>en angezogen, die entweder<br />
lands<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>önheit su<strong>ch</strong>ten, politis<strong>ch</strong>es asyl<br />
oder die inspirierende atmosphäre der riviera des<br />
léman. alexandre dumas, Fjodor dostojewskij, leo<br />
78 lakeside <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong> mai 07 mai 07 <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong><br />
lakeside 79<br />
ST/swiss-image.<strong>ch</strong><br />
ST/swiss-image.<strong>ch</strong><br />
Tolstoj, anton Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>ov, georges Simenon, audrey<br />
Hepburn – alle lebten hier, in s<strong>ch</strong>önen Häusern mit Blick<br />
auf den See, und genossen <strong>das</strong> «Vivre lémanique».<br />
Wind und Wasser<br />
auf dem Haut lac, dem oberen Teil des Sees, wo si<strong>ch</strong><br />
<strong>das</strong> Wasser der rhone na<strong>ch</strong> einem langen Weg von<br />
den glets<strong>ch</strong>ern hinab in einem vier Kilometer breiten<br />
delta in den See ergiesst, hat <strong>das</strong> Segeln seine Tücken.<br />
Beim Talausgang, wo steile Felswände den See flankieren,<br />
bläst man<strong>ch</strong>mal ein böiger Wind, der den Haut<br />
lac zum Ko<strong>ch</strong>en bringt. der warme Föhn, der ungebremst<br />
dur<strong>ch</strong> die Talpforte stürzt, hat s<strong>ch</strong>on man<strong>ch</strong>en<br />
Segler in Bedrängnis gebra<strong>ch</strong>t. Zum glück gibts gute<br />
Häfen in der nähe. Kommt man von Montreux, liegt<br />
die Zuflu<strong>ch</strong>t am rande des rhône-deltas bei Bouveret.<br />
oder man segelt mit den ersten Böen glei<strong>ch</strong> weiter bis<br />
na<strong>ch</strong> Frankrei<strong>ch</strong>. na<strong>ch</strong> Meillerie etwa, dort gibt es einen<br />
geeigneten Hafen. neben französis<strong>ch</strong>en dauerliegern<br />
findet man meistens Platz. So au<strong>ch</strong> im Port Martin,<br />
dem nä<strong>ch</strong>sten kleinen Hafen, dessen einfahrt im<br />
Westen liegt – also ideal bei Föhn. do<strong>ch</strong> die meisten<br />
Segler zieht es weiter in den Westen, in die gegend<br />
mit den grossen namen: evian-les-Bains oder Thonon-les<br />
Bains.<br />
uns treibt eine starke Bise. Hier, auf der französis<strong>ch</strong>en<br />
Seite des Sees, wo der Wind fast im re<strong>ch</strong>ten Winkel<br />
auftrifft, hat si<strong>ch</strong> im laufe des Tages eine lange Welle<br />
aufgebaut. Sie gis<strong>ch</strong>tet über die groben Steinquader<br />
des befestigten ufers. der eigentli<strong>ch</strong> kurze S<strong>ch</strong>lag na<strong>ch</strong><br />
evian-les-Bains, berühmt geworden dur<strong>ch</strong> <strong>das</strong> Mineralwasser,<br />
wird zu einer feu<strong>ch</strong>ten angelegenheit. der<br />
Casino-Besu<strong>ch</strong> muss hart erarbeitet werden. die ausgedehnten<br />
Hafenanlagen des Städt<strong>ch</strong>ens bieten alles,<br />
was ein Segler brau<strong>ch</strong>t. do<strong>ch</strong> der ort ist au<strong>ch</strong> eine<br />
touristis<strong>ch</strong>e Ho<strong>ch</strong>burg. Vor lauter Wellness-<br />
angeboten könnte man bei Windstille <strong>das</strong> Segeln glatt<br />
vergessen. Zum glück gibts an der Seepromenade eine<br />
erinnerungsstütze, ein restaurant mit dem namen «la<br />
Croisière», genau übersetzt: die erkundungsfahrt zu<br />
land oder zu Wasser. also weiter. Wir warten auf<br />
Wind. aber bitte ni<strong>ch</strong>t zuviel. denn was hier zwar selten,<br />
dann aber umso heftiger und mit dem klangvollen<br />
namen «Bornan» die Berge hinunter tobt, ist bis zu<br />
120 Stundenkilometer s<strong>ch</strong>nell.<br />
der Sé<strong>ch</strong>ard aus nordost kommt uns gelegen. Wir hätten<br />
au<strong>ch</strong> den rebat genommen, ein Bergwind von angenehmer<br />
Stärke. oder den Vent oder den Vent Blanc,<br />
falls sie aus Südwest und West kommend, si<strong>ch</strong> bis hier<br />
dur<strong>ch</strong>gesetzt hätten. aber mit dem Sé<strong>ch</strong>ard gehts bequem<br />
quer über den See, über die nasse grenze zwis<strong>ch</strong>en<br />
Frankrei<strong>ch</strong> und der S<strong>ch</strong>weiz, ans liebli<strong>ch</strong>e ufer<br />
zwis<strong>ch</strong>en St. Prex und allaman. Hier finden si<strong>ch</strong> wieder<br />
kleine Bu<strong>ch</strong>ten und maleris<strong>ch</strong>e Städt<strong>ch</strong>en, die zum<br />
Verweilen und geruhsamen Wandersegeln einladen.<br />
S<strong>ch</strong>loss Chillon: Das Gefängnis<br />
der Herzöge von Savoyen.<br />
Lutry: Freie Si<strong>ch</strong>t auf die<br />
Savoyer Berge.
Am 16. Juni ist es wieder<br />
soweit: Start zur Bol d’Or<br />
Mirabaud 2007.<br />
80<br />
lakeside<br />
Alte Sitten, neue S<strong>ch</strong>iffe<br />
St. Prex ist ein kleines mittelalterli<strong>ch</strong>es Städt<strong>ch</strong>en, <strong>das</strong><br />
die damalige Struktur weitgehend bewahrt hat. <strong>das</strong><br />
s<strong>ch</strong>öne Stadttor mit dem Pe<strong>ch</strong>nasen-erker erinnert<br />
daran, wie früher unwillkommene Besu<strong>ch</strong>er unbürokratis<strong>ch</strong><br />
abgewiesen wurden: man goss ihnen heisses<br />
Pe<strong>ch</strong> auf die Köpfe. ein früher rege praktizierter<br />
Brau<strong>ch</strong>, der si<strong>ch</strong> glückli<strong>ch</strong>erweise ni<strong>ch</strong>t bis zum heutigen<br />
Tag gehalten hat. Später wies man unerwüns<strong>ch</strong>te<br />
per dekret ab. als Monsieur Voltaire im<br />
S<strong>ch</strong>loss von allaman, <strong>das</strong> nur einen Katzensprung von<br />
St. Prex enfernt liegt, wohnen wollte, widersetzten<br />
si<strong>ch</strong> die Herren von Bern seinem ansinnen mit der<br />
Begründung, er habe gott gelästert.<br />
Wir nähern uns dem ende des grand lacs, der grossen<br />
freien Seeflä<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en dem Haut lac und dem<br />
Petit lac, dem s<strong>ch</strong>malen Seeteil bei genf. runde Türmen<br />
zieren <strong>das</strong> S<strong>ch</strong>loss von rolle, <strong>das</strong> im gelben<br />
abendli<strong>ch</strong>t die atmosphäre vergangener Zeiten erahnen<br />
lässt. Bei näherer Betra<strong>ch</strong>tung eröffnet si<strong>ch</strong> ein<br />
für Segler interessantes detail: die na<strong>ch</strong> osten und<br />
nordosten geri<strong>ch</strong>teten S<strong>ch</strong>iesss<strong>ch</strong>arten sind mit Fenstern<br />
vers<strong>ch</strong>lossen. Vor ein paar Jahren no<strong>ch</strong> waren<br />
sie zugemauert – als S<strong>ch</strong>utz gegen jenen Wind, der<br />
unser antrieb ist.<br />
<strong>das</strong> detail zeigt: der lac léman ist ein relativ windsi<strong>ch</strong>eres<br />
revier. <strong>das</strong> beweist au<strong>ch</strong> der gut gefüllte regatta-Kalender.<br />
do<strong>ch</strong> während der Wo<strong>ch</strong>entage hat<br />
man den See fast für si<strong>ch</strong> alleine. die regatten finden<br />
wie überall an den Wo<strong>ch</strong>enenden statt. und au<strong>ch</strong><br />
dann herrs<strong>ch</strong>t auf dem 72 Kilometer langen See kein<br />
Platzmangel. Mit einer ausnahme: Wenn im Sommer<br />
die Bol d’or, die grösste Binnenregatta europas statt-<br />
rolex/Carlo Borlenghi<br />
findet, starten in genf bis zu 600 Segels<strong>ch</strong>iffe – ein<br />
heikles gedränge. Für die Mehrrümpfer wird dieses<br />
Jahr zum ersten Mal eine zweite Startlinie in 400 Metern<br />
entfernung zur traditionellen linie ausgelegt. Zusätzli<strong>ch</strong><br />
soll eine «verkehrstrennende» Boje am anfang<br />
des regatta-Parcours für mehr Si<strong>ch</strong>erheit sorgen.<br />
am fantastis<strong>ch</strong>en Spektakel ändert si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts – besonders<br />
bei Westwind, wenn hunderte von farbigen<br />
Spinnakern vom Petit lac auf den grand lac drängen.<br />
Seit 2004 segelt jeweils eine relativ neue Klasse<br />
der s<strong>ch</strong>warzen Karbon-High-Te<strong>ch</strong>-renner vorneweg:<br />
die décision 35, ein Meisterstück des regionalen<br />
Bootsbaus, der seit alinghis america’s Cup-Sieg einen<br />
fulminanten aufs<strong>ch</strong>wung erlebt.<br />
Segeln hat hier Tradition. S<strong>ch</strong>on im 17. Jahrhundert<br />
trugen zweimastige Barken, die zuvor als Kriegss<strong>ch</strong>iffe<br />
gedient hatten, s<strong>ch</strong>were lasten über den See. Mit<br />
ihren riesigen lateinersegeln fuhren sie am liebsten<br />
Vorwind im S<strong>ch</strong>metterlingsstil. Wir tun es ihnen<br />
glei<strong>ch</strong>. Steuerbord voraus liegt nyon. <strong>das</strong> imposante<br />
S<strong>ch</strong>loss der ehemaligen römis<strong>ch</strong>en garnisonsstadt<br />
thront über dem Städt<strong>ch</strong>en und der rue du lac, wo<br />
<strong>das</strong> Musée du léman liegt. <strong>das</strong> Museum bietet einen<br />
guten einblick in die regionale ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des Segelns,<br />
des S<strong>ch</strong>iffsbaus und seiner Verknüpfung mit der<br />
europäis<strong>ch</strong>en Politik.<br />
E<br />
<strong>marina</strong>.<strong>ch</strong> mai 07 mai 07 <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong><br />
rolex/daniel Forster rolex/Carlo Borlenghi<br />
<strong>marina</strong>.<strong>ch</strong><br />
Ralligweg 10<br />
3012 Bern<br />
Tel: 031 301 00 31<br />
<strong>marina</strong>@<strong>marina</strong>-online.<strong>ch</strong><br />
www.<strong>marina</strong>-online.<strong>ch</strong><br />
Tel Abodienst: 031 300 63 43
82<br />
lakeside <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong> mai 07<br />
rolex/Carlo Borlenghi<br />
Fast lautlos ziehen wir südwärts in den Petit lac. Vor<br />
5000 Jahren als Pfahlbausiedlung gegründet, dana<strong>ch</strong><br />
römis<strong>ch</strong>es geneva, später Sitz der Burgunderkönige<br />
und bis<strong>ch</strong>öfli<strong>ch</strong>es Fürstentum wurde genf dank<br />
reformator Jean Calvin «protestantis<strong>ch</strong>es rom» und<br />
zu der internationalen Metropole, wie wir sie heute<br />
kennen. der erste Segelclub der S<strong>ch</strong>weiz, die Sociéte<br />
nautique de genève, gründete si<strong>ch</strong> hier 1872 als weltweit<br />
65. Verein seiner art. alinghi ma<strong>ch</strong>te ihn weltbekannt.<br />
<strong>das</strong> offizielle genf, <strong>das</strong> anfängli<strong>ch</strong> zögerli<strong>ch</strong><br />
aufs alinghi-Fieber reagierte, sprang na<strong>ch</strong> dem<br />
america’s Cup-Sieg auf die Welle der Begeisterung<br />
auf, die dur<strong>ch</strong>s land s<strong>ch</strong>wappte. die genfer Verwaltung<br />
taufte über na<strong>ch</strong>t – ein Vorgang der<br />
normalerweise einige Zeit beanspru<strong>ch</strong>t – die Strasse<br />
beim Clubareal auf den edlen namen «esplanade<br />
alinghi».<br />
in genf verlässt die rhône die S<strong>ch</strong>weiz und fliesst<br />
weiter bis ins Mittelmeer. obwohl der See hier in der<br />
region mit vier Kilometern Breite tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> klein und<br />
s<strong>ch</strong>mal ist, lässt si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> keine Strömung feststellen.<br />
Kurz vor der Stadt, wo si<strong>ch</strong> an klaren Tagen die<br />
ufer zum greifen nahe kommen, kann man ungestört<br />
in die Pärke, Villen und S<strong>ch</strong>lösser gucken. der voyeuristis<strong>ch</strong>e<br />
ausguck über die reling lohnt si<strong>ch</strong>, denn die<br />
Wohnsitze des alten adels und die herrli<strong>ch</strong> gelegenen<br />
Villen der allerrei<strong>ch</strong>sten dieser Welt kreieren eine<br />
locker besiedelte goldküste.<br />
Vor lauter Staunen sollte man ni<strong>ch</strong>t vergessen, <strong>das</strong>s<br />
si<strong>ch</strong> am Seeausgang eine niedrige Brücke über die<br />
rhone spannt. do<strong>ch</strong> die Chance, verträumt mit<br />
halbem Wind segelnd in die Mont Blanc-Brücke zu<br />
knallen, ist gering. denn der Jet d’eau, der 130 Meter<br />
hohe Wasserstrahl, <strong>das</strong> Wahrzei<strong>ch</strong>en von genf,<br />
verspritzt sein Wasser weiträumig. Spätestens diese<br />
kalte dus<strong>ch</strong>e weckt einen aus den Träumen. Zurück<br />
an die arbeit. Fender hervorholen, leinen bereitlegen,<br />
Motor starten, Segel runter. die Sonne geht unter:<br />
anlegen unter alpenglühen.<br />
am anfang der Croisière, vor s<strong>ch</strong>einbar ewig langer<br />
Zeit, hatte eine Kioskverkäuferin in Morges gesagt:<br />
«der lac léman ist mehr als ein See. er ist eine Quelle<br />
– eine Quelle der inspiration und der erholung.»