Inhalt Orgel Im Hohen Dom nn - Erzbistum Paderborn
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2<br />
Herausgeber:<br />
Metropolitankapitel <strong>Paderborn</strong><br />
<strong>Dom</strong>platz 3<br />
33098 <strong>Paderborn</strong><br />
Gesamtherstellung:<br />
Typographen GmbH <strong>Paderborn</strong>, 2007
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Vorwort 5<br />
Die <strong>Orgel</strong>anlage im <strong>Hohen</strong> <strong>Dom</strong> 7<br />
zu <strong>Paderborn</strong><br />
<strong>Orgel</strong>geschichte vom Mittelalter bis ins<br />
20. Jahrhundert<br />
<strong>Orgel</strong>anlage von 1924/1926 – 9<br />
Eine „Schwester von Passau“<br />
Reiz der Elektrik – <strong>Orgel</strong> und Industrie<br />
Chororgel von 1948/1952, 12<br />
Turmorgel von 1958/59 und Kryptaorgel<br />
von 1971<br />
Die Brücke zur Gegenwart<br />
Die <strong>Orgel</strong>anlage von 1979/1981 13<br />
Reinigungs- und Ergänzungsprojekt 15<br />
2004/2005 –<br />
Tradition und I<strong>nn</strong>ovation am Pulsschlag der Zeit<br />
Turmorgel 2005<br />
Chororgel 2004/2005 16<br />
Klangliche Ausrichtungen – 16<br />
Versuch eine orgel-typologischen Einordnung<br />
Dispositionen der <strong>Dom</strong>orgeln 21<br />
3
Sehr geehrte Besucheri<strong>nn</strong>en und Besucher des<br />
<strong>Hohen</strong> <strong>Dom</strong>es zu <strong>Paderborn</strong>,<br />
ich entbiete Ihnen im Namen des Metropolitankapitels einen<br />
herzlichen Willkommensgruß.<br />
Der <strong>Dom</strong> ist für uns Haus Gottes. Er selbst, die Bilder,<br />
Kunstwerke und die <strong>Orgel</strong>n sind Zeugen des Glaubens.<br />
Der <strong>Dom</strong> ist Ort des Gebetes und festlicher Gottesdienste.<br />
Die <strong>Orgel</strong>n unseres <strong>Dom</strong>es wurden geschaffen zum<br />
Lobe Gottes; sie erklingen darum vornehmlich in der<br />
Liturgie. Außerhalb der Gottesdienste kö<strong>nn</strong>en Sie unsere<br />
<strong>Orgel</strong>n während der allmonatlich stattfindenden internationalen<br />
<strong>Orgel</strong>konzerte, des Silvesterkonzerts und der<br />
allwöchentlich samstags durchgeführten Angelus-Matinéen<br />
(12.00 Uhr) hören.<br />
Der Hohe <strong>Dom</strong> hat eine dreiteilige <strong>Orgel</strong>anlage,<br />
bestehend aus Turm-, Chor- und Kryptaorgel; mehrteilige<br />
<strong>Orgel</strong>anlagen finden sich häufig in Kathedralen, <strong>Dom</strong>kirchen<br />
und Basiliken. Unsere heutige <strong>Orgel</strong>anlage wurde<br />
1981 geschaffen, während sie auf Material von 1948 / 1952<br />
basiert und in den Jahren 2004 und 2005 zuletzt<br />
ausgereinigt, erneuert, neu intoniert und um einige Register<br />
erweitert wurde.<br />
Mögen der <strong>Dom</strong> selbst und auch die <strong>Orgel</strong>n in ihm die<br />
Menschen zum Lobe Gottes anleiten, wie es uns Psalm<br />
150 ans Herz legt:<br />
„Lobet Gott in seinem Heiligtum,<br />
lobt ihn in seiner mächtigen Feste!<br />
Lobt ihn für seine großen Taten,<br />
lobt ihn in seiner gewaltigen Größe!<br />
Lobt ihn mit dem Schall der Hörner,<br />
lobt ihn mit Harfe und Zither!<br />
Lobt ihn mit Pauken und Tanz,<br />
lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel!<br />
Lobt ihn mit hellen Zimbeln,<br />
lobt ihn mit klingenden Zimbeln!<br />
Alles, was atmet,<br />
lobe den Herrn!“<br />
Psalm 150<br />
<strong>Im</strong> Folgenden werden Ihnen die <strong>Orgel</strong>n näher vorgestellt.<br />
Dr. Wilhelm Hentze<br />
<strong>Dom</strong>propst<br />
5
<strong>Orgel</strong>geschichte vom Mittelalter<br />
bis ins 20. Jahrhundert<br />
Als im Jahre 799 Papst Leo III. mit dem Frankenkönig Karl<br />
an den Quellen der Pader zusammentraf, stand an der Stelle<br />
des heutigen <strong>Dom</strong>es bereits eine „Kirche von eindrucksvoller<br />
Großartigkeit“ 1 , die kurze Zeit später einem Stadtbrand<br />
zum Opfer fiel. In der Folgezeit wurde der <strong>Dom</strong> wiederholt<br />
durch Feuer zerstört und wieder aufgebaut.<br />
Mit der Errichtung des mächtigen Westturms gegen<br />
Ende des 12. Jahrhunderts, der dem <strong>Dom</strong> wie auch der<br />
gesamten Stadtsilhouette ein bis heute markantes Profil<br />
verleiht, wurde der <strong>Dom</strong>neubau in seiner heutigen Gestalt<br />
bego<strong>nn</strong>en. Unter dem Einfluss der klassischen französischen<br />
Kathedralgotik wurde der <strong>Dom</strong> da<strong>nn</strong> im 13. Jahrhundert<br />
als dreischiffige Hallenkirche mit geradem Chorschluss<br />
im Osten errichtet.<br />
Bezüglich der Errichtung eines Benefiziums wird in<br />
einer Urkunde des Jahres 1348 erstmals eine <strong>Orgel</strong> für den<br />
<strong>Dom</strong> bezeugt. Der Benefiziumsaltar befand sich „in parte<br />
aquilonari iuxta Collumpnam sub organis“ 2 . Als Standort<br />
hatte man also das östliche Joch des nördlichen Seitenschiffs<br />
gewählt, und der heute noch im so gena<strong>nn</strong>ten „Eselsturm“<br />
befindliche Treppenaufgang legt die Vermutung nahe, dass<br />
dieses Werk als Schwalbe<strong>nn</strong>est konzipiert war.<br />
1626 beauftragte das <strong>Dom</strong>kapitel den <strong>Orgel</strong>macher<br />
Hans Heinrich Bader mit der Versetzung dieses Werkes zur<br />
„Roten Tür gegenüber der Küsterei“. Für die eigens hierfür<br />
errichtete Tribüne schuf Heinrich Groninger vier steinerne<br />
Prunksäulen, die heute wiederum die Turmorgel „tragen“.<br />
Knapp 30 Jahre später wurde diese <strong>Orgel</strong> abermals<br />
laut Vertrag vom 2. April 1655 durch Bader versetzt. Dazu<br />
wurde diesmal „unter dem Glockenturm in den mittelsten<br />
Boden zwischen zwei Pilaren“ eine neue <strong>Orgel</strong>bühne errichtet.<br />
<strong>Im</strong> Zuge dieser Arbeiten wurde das Instrument<br />
jedoch erheblich erweitert. Nach Abschluss der Arbeiten im<br />
Jahr 1661 verfügte der <strong>Dom</strong> schließlich über ein stattliches<br />
Werk mit 39 Registern, verteilt auf drei Manuale und Pedal.<br />
Der neugeschaffene <strong>Orgel</strong>prospekt stammte von Berten<br />
Sauerma<strong>nn</strong> aus Bielefeld. Die bereits 1653 vom <strong>Dom</strong>kapitel<br />
7
8<br />
beschlossene Anschaffung einer eigenen Chororgel wurde<br />
erst 1666, ebenfalls durch Bader, ausgeführt.<br />
Offensichtlich waren diese <strong>Orgel</strong>n sehr störanfällig. In<br />
den Folgejahren mussten daher immer wieder <strong>Orgel</strong>bauer<br />
zu Reparatur- und Umbauarbeiten herangezogen werden,<br />
so Meister Andreas aus Höxter im Jahr 1684 und 1709<br />
Heinrich Menke aus Beckum. 1739 zog man da<strong>nn</strong> den<br />
berühmten Joha<strong>nn</strong> Patroclus Möller aus Lippstadt zu Rate.<br />
Dieser ersetzte laut Vertrag vom 13. September 1746<br />
zunächst die Chororgel durch einen zweimanualigen Neubau<br />
mit 14 Registern 3 , bevor es 1754 und 1757 zu Verträgen<br />
bezüglich des Umbaus der großen <strong>Orgel</strong> kam. Doch<br />
scheinen seine Arbeiten nicht zufriedenstellend gewesen<br />
zu sein, de<strong>nn</strong> das Abnahmeprotokoll des <strong>Dom</strong>kapitels von<br />
1760 und ein Gutachten des <strong>Orgel</strong>baumeisters Joha<strong>nn</strong><br />
Conrad Müller aus Hildesheim führten dazu, dass Möller<br />
beim Magistrat von Lippstadt auf Schadensersatz verklagt<br />
wurde. Obwohl er in seiner schriftlichen Verteidigung<br />
beteuerte, „eine neue <strong>Orgel</strong> zu machen in keinem Wege<br />
übernommen“ 4 zu haben, verlor er den Prozess. Die beanstandeten<br />
Mängel beseitigte Möllers Schwiegersohn Daniel<br />
Christoph Vahlkamp 1765. 5<br />
1788 war erneut eine große Reparatur an der <strong>Orgel</strong><br />
fällig, und für das gesamte 19. Jahrhundert dokumentieren<br />
die Archivunterlagen den unentwegten und kostspieligen<br />
Versuch des <strong>Dom</strong>kapitels, die Mängel der <strong>Orgel</strong> dauerhaft<br />
und zufriedenstellend zu beseitigen. Ab etwa 1900 bega<strong>nn</strong><br />
man da<strong>nn</strong> mit konkreten Überlegungen zu einem Neubau<br />
der <strong>Dom</strong>orgel. Musikfachleute, Denkmalpfleger und Architekten<br />
waren daran ebenso beteiligt wie das Kultusministerium<br />
in Berlin. Erst als eine Kommission bedeutender<br />
Organisten, darunter die Professoren Franke aus Köln und<br />
Biehle aus Bautzen, eine musikalisch klar umrissene Konzeption<br />
der neu zu bauenden <strong>Dom</strong>orgel vorlegten, gleichzeitig<br />
aber auch ein vernichtendes Urteil über das Möllersche<br />
Werk sprachen, war der Weg zu einem neuen Instrument<br />
geebnet. So beschloss endlich das <strong>Dom</strong>kapitel 1923 den<br />
Abbruch der Barockorgel. Als Interimsinstrument diente für<br />
die folgenden drei Jahre die 1894 neu erbaute Chororgel,<br />
die ihrerseits das 1746 von Möller erbaute Instrument<br />
ersetzte. 6
<strong>Orgel</strong>anlage von 1924/26 –<br />
eine „Schwester von Passau”<br />
Reiz der Elektrizität – <strong>Orgel</strong> und Industrie<br />
Aufgrund der beachtlichen Länge des Mittelschiffs von 104<br />
m und der Jahrhunderte langen Erfahrung, den Erfordernissen<br />
der <strong>Dom</strong>liturgie mit einer einzigen <strong>Orgel</strong> nicht ausreichend<br />
gerecht zu werden, fassten die damaligen Verantwortlichen<br />
einen wagemutigen Entschluss, der in vielerlei<br />
Hinsicht deutliche Parallelen zur gleichzeitig entstehenden<br />
Steinmeyer-<strong>Orgel</strong> (1924-28) im <strong>Dom</strong> zu Passau aufzeigt,<br />
freilich ohne Streben nach Gigantomanie. Der Plan sah die<br />
Teilung des <strong>Orgel</strong>werks in drei einzelne, an unterschiedlichen<br />
Standorten im <strong>Dom</strong> positionierte, in sich eigenständige<br />
Klangkörper mit jeweils eigenem Spieltisch vor, wobei<br />
derjenige der Chororgel mit seinen fünf Manualen und der<br />
elektrischen Traktur so angelegt war, dass er gleichzeitig die<br />
Funktion des Generalspieltischs übernahm. Diese <strong>Orgel</strong>anlage,<br />
deren Bau der <strong>Paderborn</strong>er <strong>Orgel</strong>baufirma Anton<br />
Feith, vormals Eggert, übertragen worden war, teilte sich<br />
auf in Turmorgel im Westen, Chor- und Kryptaorgel.<br />
Die Überbrückung weiter Strecken vom Spieltisch zur<br />
eigentlichen <strong>Orgel</strong>anlage mittels Elektrik war zu dieser Zeit<br />
keine Neuerung im engeren Si<strong>nn</strong>e. Während man in England<br />
und Frankreich schon vor der Jahrhundertwende<br />
dieses System erfolgreich in den <strong>Orgel</strong>bau integriert hatte 7 ,<br />
wurde es in Deutschland erstmals 1905 von Firma Voit<br />
(Durlach) in der <strong>Orgel</strong> der Heidelberger Stadthalle verwirklicht<br />
8 , gefolgt 1906 von Walcker im Odeonsaal in München<br />
9 . <strong>Im</strong> kirchlichen Raum dürfte das elektrisch angesteuerte<br />
Fernwerk der von der Firma Klais 1906 erbauten<br />
Erfurter <strong>Dom</strong>orgel das früheste Beispiel hierzulande sein. 10<br />
Ein aus Platzgründen zweigeteiltes Werk (Querhaus und<br />
Empore) errichtete die Firma Stahlhut 1910 in der Abteikirche<br />
Maria Laach, das von einem elektrischen Spieltisch im<br />
Chorgestühl aus gespielt wurde. Und 1912 erstellte die<br />
<strong>Orgel</strong>baufirma Wilhelm Sauer (seit 1910 im Besitz von Paul<br />
Walcker) für die Jahrhunderthalle in Breslau ein kolossales<br />
Werk mit 200 Registern, wovon allein 31 in einem Fernwerk<br />
standen, das eine von Walcker entwickelte und unter<br />
der Nummer 260579 patentierte „direkte, elektrische,<br />
funkenfreie <strong>Orgel</strong>traktur“ besaß. 11<br />
9
10<br />
In <strong>Paderborn</strong> verteilte man jedoch nicht zur Erzielung<br />
besonderer Effekte einzelne Teilwerke der <strong>Orgel</strong> auf mehrere<br />
Standorte in Raum. Das genuin Neue, dessen sich<br />
<strong>Paderborn</strong> hier sicherlich rühmen ka<strong>nn</strong> und darf, war die<br />
Zusammenfassung mehrerer in sich autarker Instrumente<br />
an unterschiedlichen Standorten zu einer raumfüllenden<br />
Gesamtanlage, die neben der akustischen Gesamtbeschallung<br />
des <strong>Dom</strong>es primär den vielfältigen Anforderungen der Liturgie<br />
Rechnung trug. Mit Gegensatz zu Passau 12 , wo der<br />
Generalspieltisch (bis heute) seinen traditionellen Platz auf<br />
der Westempore beibehalten hat, war die „Schaltzentrale“<br />
der <strong>Paderborn</strong>er <strong>Orgel</strong>anlage auf der Sängerempore im<br />
Hochchor installiert, also auch unmittelbar am Ort des<br />
liturgischen Geschehens.<br />
We<strong>nn</strong> auch zeitgleich bego<strong>nn</strong>en, so wurde die dreiteilige<br />
<strong>Orgel</strong>anlage von <strong>Paderborn</strong> zwei Jahre vor ihrer „großen<br />
Schwester“ in Passau im Jahr 1926 in Betrieb genommen.<br />
Zwar war sie nur etwa halb so groß wie das 208<br />
Register zählende Passauer Riesenwerk und bliebt auch<br />
hinter Instrumenten wie Kevelaer (Seifert, 1926 elektrifiziert<br />
und auf 131 Register erweitert) oder dem der Kölner<br />
Messehalle (Klais, V/130, 1923/24) zurück. Und doch war<br />
sie die erste derartige <strong>Orgel</strong>anlage in einer deutschen Kathedrale,<br />
die - gefolgt von Passau - bald auch mit ähnlichen<br />
Konzepten Nachahmung finden sollte: Hedwigskathedrale<br />
Berlin (Klais, IV/78, 1932), Freiburger Münster (1936),<br />
Würzburger <strong>Dom</strong> (Klais, IV/80, 1937) und Lorentzkiche<br />
Nürnberg (Steinmeyer 1937) .<br />
Die insgesamt 109 Register der <strong>Paderborn</strong>er Feith-<br />
<strong>Orgel</strong> verteilten sich wie folgt: Die Turmorgel mit eigenem<br />
pneumatischen Spieltisch erhielt drei Manuale und Pedal<br />
mit 66 Registern, die Chororgel zwei Manuale und Pedal<br />
mit 33 Registern samt Celesta sowie die Kryptaorgel ein<br />
Manual und Pedal mit 10 Registern. Als erster Teilabschnitt<br />
wurde die so gena<strong>nn</strong>te Turmorgel erstellt. Nachdem die alte<br />
<strong>Orgel</strong> samt Empore abgerissen worden war, wurde zunächst<br />
das gesamte Fußbode<strong>nn</strong>iveau im gewaltigen Turmraum<br />
um 1,50 m angehoben. Unter Verwendung der vier<br />
Prunksäulen von Gröninger entwarf <strong>Dom</strong>baumeister Kurt<br />
Matern eine monumentale Fassadenarchitektur, die sich, in<br />
Anlehnung an die kurz zuvor bei Grabungen entdeckte<br />
Westapsis des Vorgängerbaus, zum <strong>Dom</strong>i<strong>nn</strong>eren hin in
einem Halbrund öffnete. 13 Dahinter stand in einem einzigen,<br />
12 m hohen Schwellkasten die gesamte Turmorgel,<br />
deren großflächige Jalousiefront mit einem Teppichmuster<br />
bemalt war. Ein perspektivisches Eisengitter aus dem Jahr<br />
1754 grenzte zudem den erhöhten Turmbereich zum Mittelschiff<br />
hin ab.<br />
Die Chororgel wurde in einem Raum über dem<br />
Kapitelsaal untergebracht. Über eine mit Jalousien versehene<br />
Fensteröffnung erfolgte die Klangabstrahlung ins Kirchenschiff.<br />
Da dieser <strong>Orgel</strong>raum 15 m von der eigens<br />
erbauten Sängerempore mit dem Generalspieltisch entfernt<br />
war, musste zusätzlich ein Schallkanal hin zur Tribüne an<br />
der Nordwand des Hochchores angelegt werden. 14<br />
Schließlich war die <strong>Orgel</strong> der Krypta noch in einer mit<br />
Schnitzereien verblendeten Wandnische untergebracht und<br />
ebenfalls schwellbar. Laut Wegener waren die Labialregister<br />
dieses kleinen Instruments so intoniert, dass sie „bei ausreichendem<br />
Tone sich dem Halbdunkel des Raumes vorzüglich<br />
anpassen.“ 15 Auch die Vox humana soll von besonderer,<br />
weil auf Fernwirkung bedachter Schönheit gewesen<br />
sein. „Man denke sich die Wirkung, we<strong>nn</strong> der Organist am<br />
Spieltisch diese drei <strong>Orgel</strong>n meistert! Eines leisen Schauerns<br />
ka<strong>nn</strong> sich der Zuhörer nicht entziehen, we<strong>nn</strong> unter leiser<br />
Harfenbegleitung (Celesta) aus der Tiefe der Krypta die Vox<br />
humana bebend ein Lied singt. Mächtig weitet sich die<br />
Brust, we<strong>nn</strong> das ganze Werk von 109 Registern seine<br />
gewaltigen Tonwellen durch den großen Raum sendet.<br />
Wahrlich, was <strong>Orgel</strong>baukunst aufbieten ka<strong>nn</strong>, um der geistlichen<br />
Musik ihre ganze Weihe und Schönheit zu geben,<br />
hier ist es geschehen.“ 16<br />
Dieses imposante, von vielen Zeitzeugen 17 aufgrund<br />
der klanglichen Wirkung vielfach gelobte Werk wurde – mit<br />
Ausnahme der Kryptaorgel – am 27. März 1945 während<br />
des schweren Bombenangriffs auf die Stadt zerstört.<br />
11
12<br />
Chororgel von 1948/1952,<br />
Turmorgel von 1958/59 und Kryptaorgel<br />
von 1971<br />
Die Brücke zur Gegenwart<br />
Zur Wiedereröffnung des <strong>Dom</strong>es am Liborifest 1948 ko<strong>nn</strong>te<br />
zunächst eine kleine Behelfsorgel mit 9 Registern beschafft<br />
werden, die 1950 auf 25 Register erweitert wurde und<br />
unmittelbar über der neu errichteten Sängerempore im<br />
Hochchor Aufstellung fand. 1952 wurde diese Chororgel<br />
abermals erweitert zu einem dreimanualigen Instrument<br />
mit 42 Registern.<br />
1958/59 erhielt der <strong>Dom</strong> da<strong>nn</strong> eine neue Turmorgel,<br />
ausgestattet mit elektropneumatischen Kegelladen und einem<br />
eigenen Spieltisch. Die 63 Register verteilten sich auf<br />
Alter Generalspieltisch auf der Chororgelempore (1959)<br />
vier Manuale und Pedal. Die äußere Gestaltung bestand,<br />
noch weithin typisch für dieses Jahrzehnt, aus einem Freipfeifenprospekt.<br />
Gleichzeitig erhielt die Chororgel auf der<br />
Sängerempore einen neuen Spieltisch, der auch die Funktion<br />
des Generalspieltischs übernahm. Dieses monumentale<br />
Prunkstück fungiert noch heute einwandfrei für die neue<br />
und ergänzte <strong>Orgel</strong>anlage.<br />
1971 wurde die bis dahin weitgehend original erhaltene<br />
Kryptaorgel von 1924/26 auf Schleiflade umgebaut,<br />
dabei auf zwei Manuale und Pedal mit 15 Registern erwei-
tert. Dieses Werk befindet sich in den beiden Nischen links<br />
und rechts des südlichen Treppenaufgangs. Schlichte Türen<br />
mit Schallaustrittsöffnungen bilden den „Prospekt“ zur<br />
Krypta hin, während vergitterte Fensteröffnungen den Klangaustritt<br />
in den <strong>Dom</strong> ermöglichen, so dass diesem Werk in<br />
der Gesamtanlage die Funktion eines Fernwerks zukommt.<br />
Die <strong>Orgel</strong>anlage verfügte seither über 121 Register;<br />
erbaut wurde sie ebenfalls von der <strong>Paderborn</strong>er Firma<br />
Anton Feith.<br />
Die <strong>Orgel</strong>anlage von 1979/1981<br />
In den Jahren 1979 bis 1981 wurde im Zuge der <strong>Dom</strong>renovierung<br />
unter Beibehaltung der bisherigen Standorte<br />
auch die gesamte <strong>Orgel</strong>anlage der frühen Nachkriegsjahre<br />
durch die Firma Siegfried Sauer, Höxter-Ottbergen, zum<br />
Teil grundlegend überarbeitet.<br />
Neuer Generalspieltisch auf dem Boden des Hochchors (1981)<br />
Mit Ausnahme weniger Register, die auf elektrisch<br />
gesteuerten Tonkanzellen stehen, wurde dabei die Turmorgel<br />
mit ihren 75 Registern, verteilt auf vier Manuale und<br />
Pedal, als Schleifladenorgel mit wahlweise mechanischer<br />
beziehungsweise elektrischer Traktur gänzlich neu konzipiert.<br />
18 Dieses Werk erhielt ein Vollgehäuse in Eiche, das<br />
maßgeblich auf die Entwürfe von Diözesanbaumeister<br />
Rünauer zurückgeht und mit seinen verhaltenen geometri-<br />
13
14<br />
schen Formen die schlichte Westrose umschließt. 19 Einige<br />
Register des Vorgängerinstruments „wanderten“ in die<br />
Chororgel, andere wurden nach entsprechender Überarbeitung<br />
und unter zum Teil beträchtlichen Mensurrückungen<br />
in das neue Werk integriert. Primär orientiert sich die von<br />
<strong>Dom</strong>vikar Karl Josef Schmitz und dem damaligen <strong>Dom</strong>organisten<br />
Helmut Peters entworfene Disposition zwar an<br />
klassischen Vorbildern der Barockzeit, ohne das für ein<br />
Instrument dieser Größenordnung obligatorische, französisch<br />
„getrimmte“ Schwellwerk zu missen. Als Besonderheit<br />
erhielt die <strong>Orgel</strong> noch ein Hochdruckwerk mit Principal,<br />
terzhaltiger Mixtur und drei Tuben englischer Bauart, das,<br />
ohne eigenes Manual, als Auxiliar an Pedal, Haupt- oder<br />
Oberwerk gekoppelt werden ka<strong>nn</strong>.<br />
Aus akustischen Gründen wurde die Chororgel im<br />
Zuge dieser Arbeiten abgesenkt und erhielt dabei eine neue<br />
Prospektfront aus massiver Eiche. Mit den aus der Turmorgel<br />
„importierten“ Pfeifenreihen sowie einiger neu hinzugekommener<br />
war die Zahl der Register nun auf 49 angewachsen.<br />
<strong>Im</strong> Gegensatz zur Turmorgel hielt man hier aber<br />
nicht nur den größten Teil des Pfeifenmaterials (nach gründlicher<br />
Überarbeitung) bei, sondern auch die elektropneumatischen<br />
Kegelladen sowie den viermanualigen Generalspieltisch<br />
von 1959.<br />
Da <strong>Dom</strong>chor und <strong>Dom</strong>kantorei seit Beendigung der<br />
<strong>Dom</strong>renovierung ihren Platz im Hochchor des <strong>Dom</strong>es haben,<br />
wurde zur besseren Begleitung und Übersicht in<br />
unmittelbarer Nähe zum Chorstandort ein weiterer, neuer<br />
Generalspieltisch installiert. Wie sein auf der Sängerempore<br />
verbliebenes Gegenstück ist auch dieser Spieltisch mit 4<br />
Manualen, Pedal, 175 Registerwippen (HR), zwei freien<br />
Kombinationen, zwei freien Pedalkombinationen, zahlreichen<br />
Spielhilfen und einer großen Setzeranlage mit 4000<br />
Kombinationen und Sequenzer ausgestattet. Diese Setzeranlage<br />
umfasst alle drei Instrumente, welche nunmehr von<br />
zwei Generalspieltischen aus angespielt werden ko<strong>nn</strong>ten.<br />
Die Tatsache, dass eine <strong>Orgel</strong>anlage dieser Größenordnung<br />
allein über drei viermanualige Spieltische (Turmorgelspieltisch,<br />
alter Generalspieltisch auf der Sängerempore und<br />
neuer Generalspieltisch im Hochchor) neben dem kleinen<br />
zweimanualigen Spieltisch der Kryptaorgel verfügt, ist einmalig.
Beauftragt mit diesen Arbeiten war die Firma Sauer,<br />
die als Nachfolgeunternehmen der einstigen <strong>Paderborn</strong>er<br />
Werkstatt Feith ihren Auftrag mit großem Respekt vor dem<br />
Werk Anton Feiths ausführte. So ko<strong>nn</strong>te die qualitativ<br />
hochwertige Substanz des bis dahin größten <strong>Orgel</strong>neubaus<br />
der Nachkriegszeit in einer deutschen Kathedrale in großem<br />
Maße gewahrt werden.<br />
Reinigungs- und Ergänzungsprojekt<br />
2004/2005 – Tradition und I<strong>nn</strong>ovation am<br />
Pulsschlag der Zeit<br />
Turmorgel 2005<br />
<strong>Im</strong> Jahr 2002 wurde vom Metropolitankapitel die Planung<br />
einer gründlichen Reinigung und Neuintonierung der Turmorgel<br />
sowie eine technische Überarbeitung der Chor- und<br />
Kryptaorgel in Angriff genommen. Nach der Verabschiedung<br />
des damals amtierenden <strong>Dom</strong>organisten sowie Auswahl<br />
und Anstellung seines Nachfolgers ließ man diesem<br />
einige Monate Zeit, sich mit der <strong>Orgel</strong>anlage und deren<br />
Einsatz in vielen verschiedenen Gottesdiensten, Gottesdienstformen<br />
und anderen liturgischen Feiern sowie Konzerten<br />
vertraut zu machen und betraute ihn da<strong>nn</strong> mit der<br />
Aufgabe, die längst geplante Reinigung und Instandsetzung<br />
der Anlage zu begleiten, zu überwachen sowie eventuell im<br />
Vorfeld mögliche Ergänzungsvorschläge zu artikulieren.<br />
Aufgrund immer wieder geäußerter Kritik, die Turmorgel<br />
kö<strong>nn</strong>e sich wegen ihrer ungünstigen Platzierung klanglich<br />
nur bedingt entfalten, erwog man zunächst, die gesamte<br />
<strong>Orgel</strong> um ein Joch nach vorne zu versetzen, um sie so<br />
näher an die (singende) Gemeinde zu rücken. Doch denkmalpflegerische<br />
Argumente sprachen letztlich ebenso dagegen<br />
wie die sicherlich in krassem Missverhältnis zum<br />
gewünschten Ergebnis stehenden Kosten. Jedoch zeigte<br />
sich, dass diese erste Überlegung schließlich der „Zündschlüssel“<br />
einer neuen Idee werden sollte: das Rückpositiv<br />
als einzig „flexibles“ Teilwerk zu erweitern, klanglich zu<br />
stärken und noch weiter nach vorne in den Raum hinein zu<br />
verlagern. Auch dies ka<strong>nn</strong> nur ein klanglicher Kompromiss,<br />
eine Verbesserungsmaßnahme, keine „perfekte Lösung“<br />
15
16<br />
sein. Nach letzterer wird man bei einer Hauptschifflänge<br />
von 104 m wohl stets vergeblich suchen. Doch hinsichtlich<br />
der Gesamtdisposition zeigt sich die jüngste Ergänzung als<br />
vorteilhaft. Ehemals „nur“ auf 4’-Basis, verfügt das Rückpositiv<br />
nun über einen Flötenprinzipal 8’, einen labialen 16’<br />
sowie mit dem neuen Krummhorn 8’ nach französischem<br />
Vorbild und der neuen Trompete 8´ in englischer Bauart neben<br />
dem bereits vorhandenen Dulcian 16´ über kräftige und<br />
klangschöne Zungen. Die ebenfalls neue hinzugefügte Unda<br />
maris eröffnet eine ganze Welt neuer Möglichkeiten, nicht<br />
nur für die romantisch-symphonische <strong>Orgel</strong>literatur, sondern<br />
ebenfalls für die Interpretation altitalienischer („Voce<br />
umana“) und süddeutscher <strong>Orgel</strong>musik. Durch diese dispositionelle<br />
und auch bauliche Ergänzung erhält die gesamte<br />
Turmorgel mit dem Rückpositiv – fast als einem zweiten<br />
Hauptwerk – mehr Gravität, Rückgrat und klangliche „Mitte“.<br />
<strong>Im</strong> Hauptwerk wurde die Lücke des Prinzipalchores<br />
durch den Neubau einer Superoctave 2´ (auf Kopfschleife)<br />
geschlossen, während im stark nach französischen Vorbildern<br />
ausgerichteten Schwellwerk der Octave 2´ ein überblasender<br />
Octavin 2´ an die Seite gestellt wurde. Durch<br />
Quintschaltung des Untersatz 32´ von C-E und zwischen<br />
Untersatz 32´ und Principal 16´ von F bis g 1 wurde im Pedal<br />
ein akustischer „Subkontrabass“ 64´ hergestellt. Statt der<br />
Mixtur erhielt das Hochdruckwerk als besonderes Register<br />
eine Clarabella 8´, bestehend aus doppelt labierten, offenen<br />
Metallflötenpfeifen (lediglich die vier tiefsten Töne bestehen<br />
aus Holzpfeifen).<br />
Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Schalenglocken<br />
erhielt die Turmorgel Röhrenglocken („Chimes“), welche<br />
in c- und cis-Anordnung i<strong>nn</strong>erhalb der beiden großen Außentürme<br />
in Rahmen direkt hinter den Prospektpfeifen angebracht<br />
sind. Diese Röhrenglocken verfügen über einen zuund<br />
abschaltbaren Dämpfer und sind spielbar von G0 – G2.<br />
Chororgel 2004/2005<br />
Die Chororgel blieb im wesentlichen unverändert. Mit<br />
einer neuen Oboe 8’ und der aus der Kryptaorgel<br />
stammenden Vox humana 8’ wurde die Zungenbatterie
des Schwellwerks vervollständigt. Das Krummhorn des<br />
II. Manuals, das in die Kryptaorgel wanderte, wurde durch<br />
Trichterdulzian aus dem Rückpositiv der Turmorgel ersetzt.<br />
Da die Chororgel in vielerlei Hinsicht ein Pendant zur<br />
Turmorgel darstellt, sollte hier mit Tuba 8’ ein Äquivalent<br />
zum Hochdruckwerk im Westen geschaffen werden. Nach<br />
reiflicher Überlegung und Antesten von Probetönen mehrerer<br />
möglicher Zungenregister bei der Firma Giesecke in<br />
Göttingen entschied man sich jedoch, zwei Hochdruckregister<br />
in der Chororgel zu installieren: Bassklarinette 16’<br />
auf 190 mm WS und Waldhorn 8´ auf 400 mm WS. Gerade<br />
hiermit verfügt die Chororgel nun über zwei Raritäten, die<br />
der Klangintention des über Jahrzehnte gewachsenen Instrumentes<br />
eine eigene, kraftvoll-sonore Nuance verleihen.<br />
Klangliche Ausrichtungen –<br />
Versuch eine orgel-typologischen Einordnung<br />
Eine Zuordnung der Turmorgel zu einem bestimmten <strong>Orgel</strong>typ<br />
gestaltet sich – glücklicherweise – als schwierig, we<strong>nn</strong><br />
nicht gar unmöglich. Sie als „Universalorgel“ zu beschreiben<br />
würde aufgrund der Negativassoziation, die diesem<br />
Begriff anhaftet, ihrem musikalisch-künstlerischen Wert<br />
nicht gerecht. Und doch liegt gerade der Reiz dieses Instrumentes<br />
in seiner stilistischen Heterogenität, ja der klaren<br />
Negation eines eindeutigen Instrumententyps. Tatsache ist,<br />
dass diese <strong>Orgel</strong> zunächst über eine reichhaltige Palette an<br />
Grundstimmen, Flöten, Streichern, Zungen, Mixturen,<br />
Aliquotfarben und sogar perkussiven Registern verfügt.<br />
Dazu kommen so außergewöhnliche Register wie die hölzerne<br />
Doppelflöte Philoméla (HW), ein historisches Register<br />
aus dem Jahr 1923, mit großer klanglicher Tragfähigkeit,<br />
die Metalldoppelflöte Clarabella oder die Klarinette<br />
(OW), deren besondere Farbgebung sich für französische<br />
wie auch deutsch-symphonisch geprägte Musik sehr variabel<br />
einsetzen lässt.<br />
Diese unendlich vielschichtige Palette ermöglicht fraglos<br />
die Interpretation von <strong>Orgel</strong>musik verschiedenster Stilrichtungen,<br />
Gattungen und Epochen, dazu bietet sie ein<br />
schier grenzenloses Arbeitsfeld für die <strong>Orgel</strong>improvisation,<br />
17
18<br />
damit zusammenhängend noch ganz zu schweigen von<br />
ihrer vornehmsten, ersten und letzten Aufgabe, nämlich der<br />
farbigen Gestaltung der täglichen feierlichen Liturgie. Als in<br />
diesem Si<strong>nn</strong>e mit dieser Disposition wirklich singulärem<br />
Klangkörper ist die Turmorgel auch nach der Ergänzung ein<br />
in sich geschlossenes Instrument, das „in viele Richtungen“<br />
zeigt, den heute sozusagen üblichen Anforderungen eines<br />
modernen Großinstrumentes gerecht wird und dabei einen<br />
ganz eigentümlichen, unverwechselbaren Charakter und<br />
auch Charme entwickelt.<br />
Dagegen präsentiert sich die Chororgel – trotz ihres<br />
für diese Eigenschaft ungewöhnlichen Baujahres – als zunächst<br />
betont deutsch-romantisches Werk, das klanglich<br />
den großen Chorraum der Kathedrale mehr als genügend<br />
füllen ka<strong>nn</strong>. Die Grundstimmen klingen kantabel und weich,<br />
haben eine hohe Verschmelzungsfähigkeit, die Zungenstimmen<br />
(vor allem im Schwellwerk) erzeugen eine angenehm<br />
verhalten, dabei jedoch keineswegs schwach erscheinende<br />
Wirkung. Und der Streicherchor ist mit Viola piccola<br />
sogar bis zum 2´ (unter Verwendung der Superkoppel II/I<br />
partiell bis zum 1´) ausgebaut. Für die besonders effiziente<br />
Mischungsfähigkeit der Grundstimmen ist in diesem Falle<br />
nicht nur das elektropneumatische Kegelladensystem<br />
(Registerkanzelle) verantwortlich, sondern auch die<br />
Mechanischer Turmorgelspieltisch auf der Westempore (1981)<br />
Platzierung der Windladen von Hauptwerk, Positiv und<br />
Pedal auf gleicher Ebene in einem relativ geschlossenen<br />
Gewölberaum.
Gerade die Interpretation etwa von Werken Regers,<br />
Reubkes und Liszts, aber auch früher Romantiker gestaltet<br />
sich hier sehr überzeugend; gleiches gilt für die gesamte<br />
Spa<strong>nn</strong>breite der französisch-romantischen Literatur der<br />
Generationen vor Widor und Vierne.<br />
Die Kryptaorgel wiederum mit ihrer begrenzten, aber<br />
geschickt überlegten Disposition lässt sich weder als ein<br />
orgelbewegtes noch als ein romantisches oder „klassisches“<br />
kleines <strong>Orgel</strong>werk einordnen. Für <strong>Orgel</strong>n dieser Größe ist<br />
das jedoch kein Einzelfall. Unter geschicktem Registrierarrangement<br />
lassen sich mit etwas Erfahrung viel mehr<br />
Werke darstellen, als man es dieser <strong>Orgel</strong> auf den ersten<br />
„Blick“ zutraut. <strong>Im</strong> großen Kirchenraum ka<strong>nn</strong> man sie, wie<br />
oben erwähnt, als Fernwerk oder Echowerk nutzen, sofern<br />
man an einem der Generalspieltische musiziert. (Dabei<br />
lassen sich Haupt- und Nebenwerk allerdings nicht wie in<br />
der Krypta tre<strong>nn</strong>en, sondern bilden ein einziges „Kryptawerk“,<br />
zu dem man allerdings auch das Pedal spielen ka<strong>nn</strong>.)<br />
Heute besitzt <strong>Paderborn</strong> eine über Jahrzehnte „gewachsene“<br />
<strong>Orgel</strong>anlage, die sicherlich punktuell von gewissen<br />
Stileinflüssen und –moden nicht unberührt blieb, sich<br />
jedoch einer eindeutigen Klassifizierung bewusst entzieht.<br />
Gerade dies macht sie für den Spieler wie Hörer interessant.<br />
Hier ist der Interpret zu adäquaten, der Literatur angemessenen<br />
Klangschöpfungen gefordert, und dem <strong>Im</strong>provisator<br />
bietet sich eine schier unerschöpflich Palette von Kombinationsmöglichkeiten,<br />
die zudem ein räumliches Klangfarbenspiel<br />
erlaubt.<br />
ANMERKUNGEN<br />
1 Geschichte des <strong>Dom</strong>es. URL: http://www.erzbistumpaderborn.de/dom.htm.<br />
Stand: 18.10.2005.<br />
2 Brockma<strong>nn</strong>, Joseph: Die <strong>Orgel</strong>n im <strong>Dom</strong> zu <strong>Paderborn</strong>.<br />
Sonderdruck aus: Alte und neue Kunst im <strong>Erzbistum</strong> <strong>Paderborn</strong>,<br />
10. Jahresgabe des Vereins für christliche Kunst im <strong>Erzbistum</strong><br />
<strong>Paderborn</strong>, <strong>Paderborn</strong> 1960, S. 1.<br />
3 Reuter, Rudolf: <strong>Orgel</strong>n in Westfalen, Kassel 1965, S. 205.<br />
4 Brockma<strong>nn</strong>, a.a.O., S. 6.<br />
5 Reuter, a.a.O., S. 201<br />
6 Ebd., S. 203f.<br />
7 Brockma<strong>nn</strong>, a.a.O., S. 8.<br />
8 Audsley, George Ashdown: The Art of Organ-Building (Vol. II).<br />
New York 1905 (Reprint Dover, 1965), S. 705ff.<br />
19
20<br />
9 Die Voit-<strong>Orgel</strong> in der Stadthalle Heidelberg, Heidelberg 1993.<br />
10 Gerhard Walcker-Mayer, News 01.2005 – 03.2005. URL: http://<br />
www.walckerorgel.de/gewalcker.de/2005_01.htm. Stand:<br />
18.10.2005.<br />
11 Busch, Herma<strong>nn</strong> J.: Zwei Generationen <strong>Orgel</strong>bau Klais 1882 –<br />
1965. In: Klais, Hans-Gerd (Hg.): Beiträge zur Geschichte und<br />
Ästhetik der <strong>Orgel</strong>, Bo<strong>nn</strong> 1983, S. 157f.<br />
12 Die größte <strong>Orgel</strong> der Welt. Historische Aufnahmen von der Sauer-<br />
<strong>Orgel</strong> in der Jahrhunderthalle zu Breslau, Dokument des Monats<br />
Oktober/November 2002. URL: http://www.dra.de/<br />
dok_1002.htm. Stand: 18.10.2005.<br />
13 Die große <strong>Orgel</strong> im Passauer <strong>Dom</strong>. Ihre Entwicklung, Technik und<br />
Verwendung, Passau 1928.<br />
14 Brockma<strong>nn</strong>, a.a.O., S. 9.<br />
15 Wegener, August: Die <strong>Orgel</strong> im <strong>Dom</strong> zu <strong>Paderborn</strong>.<br />
Ein Führer durch das neue <strong>Orgel</strong>werk, <strong>Paderborn</strong> 1926, S. 5.<br />
16 Ebd., S. 7.<br />
17 Ebd., S. 17.<br />
18 Ebd., S. 9 – 12.<br />
19 Vergl. auch: Palmer, P. <strong>Dom</strong>inicus, O.Cist.: Die neue <strong>Orgel</strong> im<br />
<strong>Dom</strong> zu <strong>Paderborn</strong>. In: Monatshefte für katholische Kirchenmusik,<br />
9.1927, S. 124 – 126.<br />
20 Hier ist wieder eine auffällige Parallele zu Passau. Beim<br />
zeitgleichen Um-/Neubau durch Eisenbarth wurden die<br />
Membranladen durch Schleifladen ersetzt. Auszugsweise kö<strong>nn</strong>en<br />
77 Register der Hauptorgel vom viermanualigen mechanischen<br />
Spielschrank aus bedient werden.<br />
21 Oehm, Hans-Joachim: Die <strong>Orgel</strong> im <strong>Dom</strong> zu <strong>Paderborn</strong>.<br />
In: Booklet zur CD „Die Große <strong>Orgel</strong> im <strong>Dom</strong> zu <strong>Paderborn</strong>“,<br />
Polyphonia, Köln o.J.
Dispositionen der <strong>Dom</strong>orgeln<br />
Turmorgel (83 / IV / HD / Ped)<br />
Hauptwerk. I. Manual C-C4 Rückpositiv. II. Manual C-C4<br />
1. Prinzipal 16 15. Quintade 16<br />
2. Octave 8 16. Flötenprinzipal 8<br />
3. Philoméla 8 17. Spitzgambe 8<br />
4. Zartgedackt 8 18. Rohrflöte 8<br />
5. Octave 4 19. Unda maris 8<br />
6. Hohlflöte 4 20. Singend Prinzipal 4<br />
7. Nasat 2 2/3 21. Querflöte 4<br />
8. Superoctave 2 22. Flachflöte 2<br />
9. Schwiegel 2 23. Quinte 1 1/3<br />
10. Kornett 5f 8 24. Sesquialtera 2f 2 2/3 + 1 3/5<br />
11. Mixtur 5-6f 2 25. Mixtur 2-4f 1 1/3<br />
12. Scharff 4f 1 26. Holzdulzian 16<br />
13. Trompete 16 27. Trompete (engl. B.) 8<br />
14. Trompete 8 28. Krummhorn (franz.) 8<br />
Tremulant Tremulant<br />
Zimbelstern<br />
Schwellwerk. III. Manual C-C4 Oberwerk. IV. Manual C-C4<br />
Pfeifenmaterial von 1958/59 (schwellbar)<br />
außer 38., 42., 44.<br />
29. Pommer 16 48. Grobgedackt 8<br />
30. Harfenprinzipal 8 49. Quintade 8<br />
31. Hohlflöte 8 50. Gambe 8<br />
32. Weidenpfeife 8 51. Fugara 4<br />
33. Schwebung 8 52. Spitzflöte 4<br />
34. Octave 4 53. Prinzipal 2<br />
35. Koppelflöte 4 54. Septime 1 1/7<br />
36. Gemsquinte 2 2/3 55. Rauschpfeife 2f 2 + 2 2/3<br />
37. Octave 2 56. Cymbel 3f _<br />
38. Octavin 2 57. Klarinette (durchschl.) 8<br />
39. Terzflöte 1 3/5 58. Vox humana 8<br />
40. Waldflöte 1 1/3 59. Geigend Regal 4<br />
41. Sifflöte 1 60. Glockenspiel (Schalen) 2<br />
42. Aetherea 4f 2 2/3 C0 – D3<br />
43. Mixtur 5-6f 1 1/3 Tremulant<br />
44. Englisch Horn 16<br />
45. Trompette<br />
harmonique 8<br />
46. Oboe 8<br />
47. Clairon 4<br />
Tremulant<br />
21
22<br />
Pedalwerk C-G1 Hochdruck-Bombardwerk C-C4<br />
(koppelbar per HD/I, HD/IV, HD/Ped)<br />
61. Subkontrabass 64 78. Prinzipal major 8<br />
(akk.)<br />
62. Untersatz 32 79. Clarabella (A – C4) 8<br />
63. Prinzipal 16 80. Tuba magna 16<br />
64. Weitgedackt 16 81. Tuba mirabilis 8<br />
65. Pommer 16 82. Tromba clarino 4<br />
66. Octave 8<br />
67. Gemshorn 8<br />
68. Choralbass 4 83. Chimes (Röhrenglocken), G0 – G2<br />
(im Pedal G – G1)<br />
69. Bassflöte 4 (koppelbar an I, IV und Ped.)<br />
70. Nachthorn 2<br />
71. Mixtur 5f 4 Koppeln: HD/I, IV/I, III/I, II/I, HD/<br />
IV, IV/III, IV/II, III/II, HD/Ped, IV/<br />
72. Bombarde 32 Ped, III/Ped, II/Ped, I/Ped, Sub IV/I<br />
73. Posaune 16<br />
74. Fagott 16<br />
75. Trompete 8<br />
76. Clarine 4<br />
77. Singend Cornet 2<br />
Tremulant<br />
Chororgel (53 / IV / Ped)<br />
Hauptwerk. I. Manual C-G3 Positiv. II. Manual C-G3<br />
1. Rohrbordun 16 12. Geigenprinzipal 8<br />
2. Principal 8 13. Salicional 8<br />
3. Dulzflöte 8 14. Rohrquintade 8<br />
4. Gedackt 8 15. Singend Prinzipal 4<br />
5. Octave 4 16. Labialklarinette 4<br />
6. Koppelflöte 4 17. Nachthorn 2<br />
7. Nasat 2 2/3 18. Viola piccola 2<br />
8. Octave 2 19. Quinte 1 1/3<br />
9. Mixtur 5-6f 2 20. Sesquialtera 2f 2 2/3 +1 3/5<br />
10. Trompete 8 21. Scharff 4f 1<br />
11. Zink 4 22. Rankett 16<br />
Tremulant 23. Trichterdulzian<br />
Tremulant<br />
Schwellwerk. III. Manual C-G3 Pedalwerk. C-F1<br />
24. Italienischer 41. Prinzipal 16<br />
Prinzipal 8<br />
25. Hohlflöte 8 42. Subbaß 16<br />
26. Gemshorn 8 43. Gedacktbaß 16<br />
27. Zartgeige 44. Quintbaß 10 2/3<br />
(schwebend) 8<br />
28. Praestant 4 45. Octavbaß 8
29. Blockflöte 4 46. Gemshorn 8<br />
30. Salizet 4 47. Cello pompose 4<br />
31. Quintflöte 1 1/3 48. Piffaro 4 + 2<br />
32. Schwiegel 2 49. Hintersatz 4f 4<br />
33. Sifflöte 1 50. Posaune 16<br />
34. Rauschpfeife 4f 2 2/3 51. Trompete 8<br />
35. Terzcymbel 3f 2/3<br />
36. Dulzian 16 Tremulant<br />
37. Trompete 8<br />
38. Oboe 8 Hochdruckwerk. IV. Manual C-G3<br />
39. Vox humana 8 52. Bass-Klarinette 16<br />
40. Schalmey 4 53. Waldhorn 8<br />
Tremulant<br />
Koppeln:<br />
III/Ped, II/Ped, I/Ped, III/I, II/I, Super II/I, Bass-Klarinette an III,<br />
an II, an I, an Ped., Waldhorn an III, an II, an I, an Ped.<br />
Spielhilfen:<br />
Handregister, 2 freie Kombinationen, zwei freie Pedalkombinationen,<br />
Tutti, Auslöser, Setzeranlage mit Sequenzer und Diskettenlaufwerk<br />
(4000 Kombinationen)<br />
Kryptaorgel (15 / II / Ped)<br />
Hauptwerk. I. Manual C-G3 Nebenwerk. II. Manual C-G3<br />
1. Holzflöte 8 7. Gedackt 8<br />
2. Trichtergambe 8 8. Blockflöte 4<br />
3. Principal 4 9. Principal 2<br />
4. Flöte 2 10. Tertian 2f 1 3/5<br />
5. Mixtur 3-4f 1 1/3 11. Krummhorn 8<br />
6. Musette 8<br />
Pedalwerk. C-F1<br />
12. Subbaß 16<br />
13. Spitzoctav 8<br />
14. Quintade 4<br />
15. Dulcian 16<br />
23
24<br />
Vitae der Autoren<br />
Wolfgang Valerius (geb. 1966) studierte Kunstgeschichte<br />
und Philosophie; zuletzt erhielt er <strong>Orgel</strong>unterricht bei dem<br />
Himmeroder Abteiorganisten Father John L. Birley. In dessen<br />
Nachfolge organisiert und leitet er seit 1999 die Internationale<br />
<strong>Orgel</strong>konzertreihe der Abtei Himmerod. Rege<br />
publizistische Tätigkeit als freier Musikjournalist, u. a. als<br />
Rezensent für organ.<br />
Helmut Peters (geb. 1938) studierte Kirchenmusik und<br />
<strong>Orgel</strong> in Düsseldorf (Konservatorium) und Köln (Hochschule<br />
für Musik); 1963 bis 1979 war er Kantor an St. Pantaleon<br />
in Köln; 1974 bis 1979 zudem Dozent am Gregoriushaus<br />
(Kirchenmusikschule) in Aachen; 1979 bis 2003 amtierte<br />
er als <strong>Dom</strong>organist am <strong>Hohen</strong> <strong>Dom</strong> zu <strong>Paderborn</strong>, Lehrbeauftragter<br />
am Erzbischöflichen Priesterseminar und<br />
Beauftragter für <strong>Orgel</strong>bau in der Erzdiözese; seit 1980 nahm<br />
er einen Lehrauftrag für <strong>Orgel</strong> an der Universität <strong>Paderborn</strong><br />
wahr. Unter Sachberatung und Mitplanung von Helmut<br />
Peters wurde 1981 die heutige <strong>Orgel</strong>anlage errichtet. Rege<br />
Konzerttätigkeit im In- und Ausland, Japan und Korea sowie<br />
zahlreiche Hörfunk-, Fernseh- und Schallplattenaufnahmen<br />
zählen zu seinen weiteren Tätigkeiten.<br />
Gereon Krahforst (geb. 1973) studierte Komposition,<br />
Kirchenmusik (A), Musikpädagogik (Diplom für Klavier und<br />
Tonsatz/Musiktheorie), Musikwissenschaft (Grundstudium)<br />
und <strong>Orgel</strong> (Konzertfach) in Köln und Frankfurt am<br />
Main. Seit 2003 ist er <strong>Dom</strong>organist am <strong>Hohen</strong> <strong>Dom</strong> zu<br />
<strong>Paderborn</strong> und Lehrbeauftragter am Erzbischöflichen<br />
Priesterseminar; seit 2004 zudem Lehrbeauftragter für <strong>Orgel</strong><br />
an der Hochschule für Musik und Theater Ha<strong>nn</strong>over.<br />
Nach seinen Entwürfen und unter seiner Begleitung wurden<br />
2004 / 2005 die <strong>Paderborn</strong>er <strong>Dom</strong>orgeln neu intoniert und<br />
erweitert. Rege Konzert- und Dozententätigkeiten im Inund<br />
Ausland (weltweit), kompositorisches Schaffen sowie<br />
gelegentliche Auftritte in Hörfunk und Fernsehen sowie CD-<br />
Einspielungen runden sein Wirken ab.<br />
Fotos: Martin Döring, Berlin (www.die-orgelseite.de)