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sei<strong>de</strong><br />

statt sün<strong>de</strong><br />

Feierliche Kleidung zur<br />

Vorbereitung auf <strong>de</strong>n Gottesdienst<br />

Begleitheft


sei<strong>de</strong> statt sün<strong>de</strong><br />

Bereits im Mittelalter hoben sich kirchliche Gewän<strong>de</strong>r<br />

aus prachtvollen Stoffen mit ihren satten Farben und<br />

wertvollen Besätzen von <strong>de</strong>r Alltagskleidung <strong>de</strong>r<br />

Menschen ab. Selbst die Untergewän<strong>de</strong>r waren häufig<br />

aufwendig gearbeitet und kostbar verziert. Der<br />

beson<strong>de</strong>re Reiz <strong>de</strong>r festlichen Klei<strong>de</strong>r geht über ihre<br />

schmücken<strong>de</strong> Funktion jedoch noch hinaus: Schon im<br />

9. Jahrhun<strong>de</strong>rt hatten die Liturgiker Amalarius von<br />

Metz und Hrabanus Maurus eine moralische und auf<br />

die Tugen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geistlichen ausgerichtete Symbolik<br />

<strong>de</strong>r Gewän<strong>de</strong>r eingeführt, <strong>de</strong>ren Einflüsse sich bis ins<br />

ausgehen<strong>de</strong> Mittelalter nachvollziehen lassen. Darüber<br />

hinaus war je<strong>de</strong>s einzelne Gewandstück in <strong>de</strong>r<br />

mittelalterlichen Liturgie in einen rituellen Anklei<strong>de</strong> -<br />

prozess zur Vorbereitung auf <strong>de</strong>n Gottesdienst<br />

eingebun<strong>de</strong>n.<br />

Durch das Beklei<strong>de</strong>n mit kirchlichen Gewän<strong>de</strong>rn,<br />

begleitet von Anklei<strong>de</strong>gebeten, sollten Priester und<br />

Bischöfe einen Reinigungsprozess und damit einen<br />

Übergang vom Weltlichen ins Heilige vollziehen.<br />

Die Geistlichen sollten dabei ihren Alltag mit seinen<br />

Sün<strong>de</strong>n und Versuchungen ablegen. Wer Heiliges<br />

be rührte, musste „reine Hän<strong>de</strong>“ haben. Verun reini -<br />

gen<strong>de</strong> Berührungen machten handlungsunfähig im<br />

Kult. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die vom Kölner<br />

Chronisten Caesarius von Heisterbach im 13. Jahr -<br />

hun<strong>de</strong>rt berich tete Geschichte <strong>de</strong>s Priesters Erwein aus<br />

St. Peter in Köln, <strong>de</strong>r eine öffentliche Liebschaft hatte.<br />

Eines Tages, als <strong>de</strong>r unkeusche Priester die Messe las,<br />

ver schwand auf wun<strong>de</strong>rsame Weise die Hostie vom<br />

Altar und ward nie mehr gesehen. Wie u. a. <strong>de</strong>r lange<br />

Streit um die Priesterehe zeigt, ließ sich <strong>de</strong>r Zölibat<br />

auch bis zum späten Mittelalter nicht durchsetzen.<br />

Durch die vorbereiten<strong>de</strong>n Riten sollten Priester und<br />

Bischöfe „kultische Reinheit“ erlangen. Gereinigt<br />

konnten sie anschließend als würdige Amtsträger die<br />

Feier <strong>de</strong>s Messopfers am Altar zelebrieren. Innerhalb<br />

<strong>de</strong>s sog. Rheinischen Messordo gewannen die Vorbe -<br />

reitungsriten <strong>de</strong>r Kleriker beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung und<br />

wur<strong>de</strong>n entsprechend ausgestaltet. Dieser Mess typus,<br />

<strong>de</strong>r seit <strong>de</strong>m Jahr 1000 die eucharistische Liturgie in<br />

<strong>de</strong>n Klöstern und Bischofsstädten entlang <strong>de</strong>s Rheins<br />

prägte, wur<strong>de</strong> zum Grundtypus <strong>de</strong>r mittel alterlichen<br />

Messe. Ein Exemplar <strong>de</strong>s Rheinischen Messordo aus<br />

<strong>de</strong>r Kölner Kirche St. Aposteln vom Beginn <strong>de</strong>s<br />

12. Jahrhun<strong>de</strong>rts wird in <strong>de</strong>r Ausstellung gezeigt.<br />

Anhand einer Gruppe zarter liturgischer Unter ge -<br />

wän<strong>de</strong>r, eindrucksvoller Festklei<strong>de</strong>r und Schatz kunst -<br />

objekte spürt die Ausstellung dieser spirituellen<br />

Verwandlung mittelalterlicher Kleriker beim Prozess<br />

<strong>de</strong>s Gewandwechsels nach. Sich durch das Anlegen<br />

bestimmter Kleidung auf ein Ereignis o<strong>de</strong>r eine Tätig -<br />

keit einzustimmen, ist nicht auf <strong>de</strong>n kirchlichen<br />

Bereich beschränkt, oft sehr persönlich und immer<br />

wie<strong>de</strong>r aktuell. Ausgehend vom Thema <strong>de</strong>r Aus stel -<br />

lung eröffnen die zeitgenössischen Fotografien eines<br />

Bischofs von Herlin<strong>de</strong> Koelbl eine neue Perspek tive<br />

auf <strong>de</strong>n Klei<strong>de</strong>rwechsel und regen zugleich dazu<br />

an, sich mit unseren eigenen Kleidungsritualen <strong>de</strong>s<br />

Alltags eingehen<strong>de</strong>r auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.


1<br />

Gerhard Ludwig Müller,<br />

Bischof<br />

<strong>de</strong>utschland<br />

Aus <strong>de</strong>m Werk: „Klei<strong>de</strong>r machen Leute“<br />

Fotografien von Herlin<strong>de</strong> Koelbl, 2012<br />

Digitaldruck auf Canvas<br />

Leihgabe von Herlin<strong>de</strong> Koelbl<br />

Zwei zeitgenössische Fotografien von Herlin<strong>de</strong> Koelbl<br />

aus <strong>de</strong>m Projekt „Klei<strong>de</strong>r machen Leute“ zeigen<br />

Bischof Gerhard Ludwig Müller, <strong>de</strong>r mittlerweile das<br />

Amt <strong>de</strong>s Präfekten <strong>de</strong>r Glaubenskongregation in Rom<br />

beklei<strong>de</strong>t. Einmal erscheint er ganz privat im Trainings -<br />

anzug mit weißem Hemd, dunklen Socken und<br />

bequemen Sandalen. Auf <strong>de</strong>r zweiten Fotografie prä -<br />

sentiert sich <strong>de</strong>r Geistliche in festlicher Chorkleidung,<br />

in <strong>de</strong>m liturgischen Gewand, das bei institutionellen<br />

Diensten außer <strong>de</strong>r Eucharistiefeier angelegt wird.<br />

Über einer langen Soutane trägt er ein weißes Chor -<br />

hemd, eine Mozetta (geknöpfter Schulter kragen), ein<br />

Brustkreuz und als Kopfbe <strong>de</strong>ckung ein Birett – seine<br />

Haltung hat sich verän<strong>de</strong>rt.


Gerhard Ludwig Müller:<br />

„Als ich zum ersten Mal das Priestergewand trug, war<br />

ich am Ziel meiner Wünsche angekommen. Am Anfang<br />

war ich noch ein bisschen ungelenk in <strong>de</strong>r Soutane,<br />

weil man es nicht gewohnt ist, in so langen Klei<strong>de</strong>rn<br />

zu gehen, das müssen wir als „Hosenträger“ erst<br />

lernen. Auch musste ich mich erst daran gewöhnen,<br />

dass mich die Menschen im Bischofskleid nicht als<br />

Privatperson sehen, son<strong>de</strong>rn als Priester. Die Priester -<br />

kleidung mit entsprechen<strong>de</strong>m Kragen ist wichtig, weil<br />

sich darin eine Lebensentscheidung zeigt. In ihr habe<br />

ich bewusst mehr Haltung und einen aufrechten<br />

Gang.<br />

Zu Hause am Abend trage ich gerne bequeme Klei dung,<br />

am liebsten einen Trainingsanzug. Er ist leger und<br />

muss nicht gebügelt wer<strong>de</strong>n. So ist alles ein bisschen<br />

lockerer. Und am Hals ist es offener und angenehmer<br />

als <strong>de</strong>r steife Priesterkragen. Der ist zwar schön, aber<br />

nicht bequem.“<br />

2<br />

evangelistar<br />

und Ordo missae aus<br />

st. aposteln, Köln<br />

Handschrift: Köln, um 1125–1150<br />

Pergament<br />

Einband: Köln, um 1300–1325<br />

Silberblechbeschläge, vergol<strong>de</strong>t, graviert,<br />

Eichenholz<strong>de</strong>ckel mit grünem Sei<strong>de</strong>nsamt<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. G 532<br />

In kostbare Buch<strong>de</strong>ckel mit <strong>de</strong>r vergol<strong>de</strong>ten Dar stel lung<br />

<strong>de</strong>s thronen<strong>de</strong>n Christus ist eine Handschrift <strong>de</strong>s<br />

12. Jahrhun<strong>de</strong>rts eingebun<strong>de</strong>n. Sie stammt ursprüng -<br />

lich aus <strong>de</strong>m Kirchenschatz <strong>de</strong>r Kölner Stiftskirche<br />

St. Aposteln. Der erste Teil <strong>de</strong>r Handschrift besteht<br />

aus einem Evangelistar, das Evangelienlesungen für<br />

die Messfeier an bestimmten Festtagen enthält. Den<br />

zweiten Teil bil<strong>de</strong>t ein sog. Ordo missae, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Ablauf <strong>de</strong>r liturgischen Feier schil<strong>de</strong>rt, und Gebete<br />

<strong>de</strong>s Priesters vorgibt. Er entspricht <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>s sog.<br />

Rheinischen Messordo, <strong>de</strong>r seit <strong>de</strong>m Jahr 1000 entlang<br />

<strong>de</strong>s Rheins zur Grundform mittelalterlicher Mess -<br />

liturgie wur<strong>de</strong>.<br />

Beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung kam innerhalb <strong>de</strong>s Rheinischen<br />

Messordo <strong>de</strong>m feierlichen Anklei<strong>de</strong>ritus zur Vorberei -<br />

tung auf <strong>de</strong>n Gottesdienst zu. Zum Grundbestand ge -<br />

hören die Anklei<strong>de</strong>gebete für je<strong>de</strong>s einzelne Gewand<br />

in bestimmter Reihenfolge vom Ablegen <strong>de</strong>r Alltags -<br />

kleidung, über die rituelle Hän<strong>de</strong>waschung bis zum<br />

Überziehen <strong>de</strong>s Messgewands. So sollten Priester<br />

o<strong>de</strong>r Bischöfe beim Anlegen <strong>de</strong>r festlichen Gewän<strong>de</strong>r<br />

symbolisch die Sün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Alltags ablegen, um an -<br />

schlie ßend als würdige Amtsträger die Feier <strong>de</strong>r<br />

Eucharistie zelebrieren zu können. Programmatisch<br />

für die spirituelle Verwand lung ist bereits das erste<br />

Anklei<strong>de</strong>gebet zum Ablegen <strong>de</strong>r Alltagskleidung:


Ziehe, herr, <strong>de</strong>n aLten Men schen<br />

Mit seinen taten vOn Mir aus und<br />

Ziehe <strong>de</strong>n neuen an, <strong>de</strong>r ich nach<br />

GOtt Ge schaf fen Bin in wahrer<br />

GerechtiG Keit und heiLiGKeit.<br />

Die Anklei<strong>de</strong>gebete <strong>de</strong>s Ordo missae sind in <strong>de</strong>utscher<br />

Übersetzung in <strong>de</strong>r Sound-Station zu hören.<br />

3<br />

aquamanile (Gießgefäß)<br />

in form eines Löwen<br />

Nie<strong>de</strong>rsachsen o<strong>de</strong>r Thüringen (?), um 1250–1300<br />

Bronzeguss<br />

Museum Schnütgen, Inv.- Nr. H 45<br />

schale mit szenen <strong>de</strong>r<br />

samson-Legen<strong>de</strong><br />

Rheinland, 12. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

Bronze, graviert<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. G 584<br />

Nach <strong>de</strong>m Ablegen <strong>de</strong>r Alltagskleidung folgte eine<br />

rituelle Hän<strong>de</strong>waschung. Sie war ein wesentlicher<br />

Bestandteil <strong>de</strong>r Vorbereitungszeremonie auf die Mess -<br />

feier. Das Gießgefäß in Form eines Löwen (Aquamanile<br />

von lat. aqua = Wasser, manus = Hand) diente dabei<br />

zum Ausschank <strong>de</strong>s Wassers, das <strong>de</strong>m Priester o<strong>de</strong>r<br />

Bischof über die Hän<strong>de</strong> gegossen und von einer Schale<br />

aufgefangen wur<strong>de</strong>. Zwischen <strong>de</strong>n run<strong>de</strong>n Ohren <strong>de</strong>s<br />

kraftvollen Löwen befin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r aufklappbare<br />

Deckel zum Einfüllen <strong>de</strong>s Wassers.<br />

Die Bronzeschale zeigt auf <strong>de</strong>r Innenseite Szenen<br />

aus <strong>de</strong>r alttestamen tarischen Samson-Legen<strong>de</strong>. In<br />

<strong>de</strong>n Zwickeln dazwischen sind Tiermotive eingraviert.<br />

Im Moment <strong>de</strong>s Sich-Waschens und Hineinschauens<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Betrachter so das hel<strong>de</strong>nhafte Leben<br />

Samsons vor Augen geführt.<br />

Die Hän<strong>de</strong>waschung mit kostbaren Gefäßen war nicht<br />

nur ein sinnliches Erlebnis, sie galt als Übergangsritual<br />

von unrein zu rein. Im begleiten<strong>de</strong>n Gebet wird die<br />

Ver bindung zwischen äußerlicher Waschung und


innerer Reinigung betont: Gewähre unseren<br />

sinnen, aLL Mäch ti Ger GOtt, dass wie<br />

hier die un reinheiten <strong>de</strong>r hän<strong>de</strong> aB -<br />

Ge wa schen wer<strong>de</strong>n, sO vOn dir die<br />

BefLecKun Gen <strong>de</strong>s Geistes Gerei niGt<br />

wer<strong>de</strong>n und uns die ver Meh runG <strong>de</strong>r<br />

heiLi Gen tuGen<strong>de</strong>n BLühen MöGen.<br />

4<br />

sogenannter Kamm<br />

<strong>de</strong>s hl. heribert<br />

Metz, um 850–900<br />

Elfenbein<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. B 100<br />

Das Kämmen und Ordnen <strong>de</strong>r Haare konnte in <strong>de</strong>r<br />

mittelalterlichen Liturgie die Hän<strong>de</strong>waschung ergän -<br />

zen. Der Kamm <strong>de</strong>s Hl. Heribert war sicherlich kein<br />

Alltagsgegenstand, son<strong>de</strong>rn fand nur zu beson <strong>de</strong>ren<br />

Anlässen Verwendung. Der spätkarolingische Elfen -<br />

bein kamm gehörte zum Schatz <strong>de</strong>r Abtei St. Heribert<br />

in Köln-Deutz, bevor er in musealen Besitz kam.<br />

Seit <strong>de</strong>m 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong> er mit <strong>de</strong>m Kölner<br />

Erzbischof Heribert (Ep. 999–1021), <strong>de</strong>m Grün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Abtei, in Verbindung gebracht. Die von zwei Seiten<br />

aus gearbeitete, höchst filigrane Schnitzarbeit mit<br />

durchbrochenen Rosetten zeigt auf <strong>de</strong>r einen Seite<br />

die Kreuzigung Christi zwischen zwei Medaillons mit<br />

Sonne und Mond. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wächst ein<br />

reich ausgestalteter Lebensbaum empor. Der Kamm<br />

sollte innerhalb <strong>de</strong>s Ritus nicht nur zur Glättung <strong>de</strong>r<br />

Haare dienen, mit ihm wur<strong>de</strong> auch die symbolische<br />

Ordnung <strong>de</strong>r Gedanken <strong>de</strong>s Bischofs vor <strong>de</strong>m Gottes -<br />

dienst verbun<strong>de</strong>n. Gleichzeitig führt <strong>de</strong>r Kamm <strong>de</strong>s<br />

Hl. Heribert eindrücklich das Kreuzesopfer Christi vor<br />

Augen ebenso wie die im Motiv <strong>de</strong>s Lebens baumes<br />

enthaltene Überwindung <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s im ewigen Leben.<br />

5<br />

amikt (schultertuch)<br />

Benediktinerinnenkloster Engelberg, Schweiz,<br />

um 1300–1310<br />

Weißes Leinengewebe, Leinen- und farbige<br />

Sei<strong>de</strong>nstickerei<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. P 5


Das erste Gewandstück in <strong>de</strong>r Reihenfolge <strong>de</strong>s<br />

Anklei<strong>de</strong>ritus, das noch unter <strong>de</strong>r Albe (Untergewand)<br />

getragen wur<strong>de</strong>, war das Schultertuch. Dieses hier<br />

zählt zu <strong>de</strong>n wenigen erhaltenen <strong>de</strong>s frühen 14. Jahr -<br />

hun<strong>de</strong>rts. Das rechteckige Tuch aus zartem Leinen ge -<br />

webe ist mit einem Zierbesatz in farbiger Sei<strong>de</strong>n sticke -<br />

rei geschmückt. In elf Fel<strong>de</strong>rn sind Schmuck formen<br />

wie Sterne, Bäumchen und verschie<strong>de</strong>ne sti li sierte<br />

Tiere eingestellt. Aufgrund <strong>de</strong>s Muster kanons sowie<br />

<strong>de</strong>r verwen<strong>de</strong>ten Sticktechnik lässt sich die Ent stehung<br />

<strong>de</strong>s Textils in die Schweiz lokalisieren.<br />

Der Amikt wur<strong>de</strong> zunächst schleierartig über <strong>de</strong>n Kopf<br />

gelegt, die seitlichen Bän<strong>de</strong>r verschnürte <strong>de</strong>r Geistliche<br />

vor <strong>de</strong>r Brust gekreuzt. Erst nach Anlegen von Albe<br />

und Kasel (Messgewand) wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schleier nach<br />

hinten herabgezogen und so als Kragen um <strong>de</strong>n Hals<br />

gelegt, dass <strong>de</strong>r Zierstreifen zur Geltung kam.<br />

Mit folgen<strong>de</strong>m Wortlaut appelliert das Anklei<strong>de</strong>gebet<br />

<strong>de</strong>s Rheinischen Messordo an die innere Haltung<br />

seines Trägers: Meine schuLtern <strong>de</strong>cKe<br />

Mit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s heiLiGen Geistes,<br />

herr, und uM Gürte Meine nieren,<br />

nach<strong>de</strong>M aLLe MaKeL Be seitiGt<br />

wOr<strong>de</strong>n sind, uM Zu Opfern dir, <strong>de</strong>M<br />

LeBen<strong>de</strong>n und herrschen <strong>de</strong>n in<br />

aLLe ewiG Keit. Hierin kommt anschaulich die<br />

Verbindung von konkreter Trageweise <strong>de</strong>s Kleidungs -<br />

stücks – <strong>de</strong>m Bin<strong>de</strong>n um <strong>de</strong>n Körper – und <strong>de</strong>m damit<br />

verbun<strong>de</strong>nen mora li schen I<strong>de</strong>al von Reinheit und<br />

Unschuld zum Ausdruck.<br />

Zugehörig zum Amikt ist die Albe (P 4), <strong>de</strong>r Pannisellus<br />

(P 6) und wohl auch die Stola (P 3). Alexan<strong>de</strong>r<br />

Schnütgen erwarb die Gruppe 1910 aus <strong>de</strong>r Samm -<br />

lung <strong>de</strong>s Bischofs von Rottenburg.<br />

6<br />

albe (untergewand)<br />

Benediktinerinnenkloster Engelberg, Schweiz,<br />

um 1300–1310<br />

Gewandstoff: Weißes Leinengewebe, Leinen- und<br />

Sei<strong>de</strong>nstickerei<br />

Zierbesatz (Parure): Sei<strong>de</strong>ngewebe (Lampas), Italien,<br />

13./14. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. P 4<br />

Das zweite Gewand in <strong>de</strong>r Anklei<strong>de</strong>folge ist das weiße<br />

Untergewand, die Albe. Aus <strong>de</strong>r knöchellangen Tunica<br />

talaris <strong>de</strong>r römischen Kaiserzeit entstan<strong>de</strong>n, bil<strong>de</strong>te sie<br />

sich zum liturgischen Grundgewand heraus und wur<strong>de</strong><br />

von allen Weihestufen bis hin zum Bischof getragen.<br />

Durch ihre starke Nutzung haben sich mittelalterliche<br />

Untergewän<strong>de</strong>r dieser Art nur sehr selten erhalten.<br />

Die keilförmigen Einsätze in <strong>de</strong>n Seiten geben <strong>de</strong>r<br />

bo<strong>de</strong>nlangen Albe eine enorme Weite. Zum Tragen


wur<strong>de</strong> sie von einem Gürtel (Cingulum) gehalten, und<br />

nach oben geschürzt. Im Rückenbereich schmückt ein<br />

Lebensbaum in Weißstickerei das zarte Gewebe,<br />

farbige Sei<strong>de</strong>nstickereien betonen die En<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Ärmel.<br />

Das Weiß <strong>de</strong>r Albe (lat. alba = die Weiße) hat eine<br />

starke Symbolik: Es steht für die mit ihr verbun<strong>de</strong>ne<br />

„kultische Reinheit“, die auch im begleiten<strong>de</strong>n An -<br />

klei<strong>de</strong>gebet zum Ausdruck kommt: uMGiB Mich,<br />

herr, Mit <strong>de</strong>n waffen <strong>de</strong>s GLauBens,<br />

dass vOn <strong>de</strong>n pfeiLen <strong>de</strong>r sün<strong>de</strong><br />

auf GewühLt, ich GLeich Mut und<br />

GerechtiGKeit Zu Beachten verMaG.<br />

Auch <strong>de</strong>r am unteren Saum applizierte rechteckige<br />

Zierbesatz aus kostbarer Sei<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> symbolisch ge -<br />

<strong>de</strong>utet. Er sollte auf die Fußfesseln Christi in Form von<br />

Nagelblöcken während <strong>de</strong>r Kreuztragung ver weisen<br />

und damit <strong>de</strong>n Träger <strong>de</strong>s Gewands zum Passions -<br />

gedächtnis aufrufen. Der mit <strong>de</strong>m Lebens baum ver -<br />

bun<strong>de</strong>ne Gedanke <strong>de</strong>r Überwindung <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s im<br />

ewigen Leben fügt sich passend in diese Symbolik.<br />

7<br />

stola<br />

Benediktinerinnenkloster Engelberg, Schweiz,<br />

13./14. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

Leinen mit Sei<strong>de</strong>nstickerei, Häutchengoldborte<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. P 3<br />

Über <strong>de</strong>r Albe wur<strong>de</strong> die Stola getragen. Das Umlegen<br />

<strong>de</strong>r Stola um <strong>de</strong>n Nacken – beim Bischof<br />

vorne gera<strong>de</strong> herabfallend – wur<strong>de</strong> im Rheinischen<br />

Messordo von fol gen<strong>de</strong>n Worten begleitet:<br />

Mit <strong>de</strong>r stOLa <strong>de</strong>r GerechtiGKeit<br />

uMGiB, herr, Meinen nacKen, und<br />

vOn aLLer ver<strong>de</strong>rBnis <strong>de</strong>r sün<strong>de</strong><br />

reiniGe Meinen Geist. Auch dieses Gebet<br />

appelliert an die Rein waschung von <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>.<br />

Die Stola ist aus drei Leinenpartien zusammengesetzt<br />

und flächen<strong>de</strong>ckend mit farbiger Sei<strong>de</strong> bestickt. Ihre<br />

En<strong>de</strong>n laufen trapezförmig aus und sind mit einer<br />

Borte aus Häutchengold (Fa<strong>de</strong>n aus vergol<strong>de</strong>ter Darm -<br />

membran) bestückt. In insgesamt 37 abwechselnd<br />

blau-, rot- und grüngrundigen Fel<strong>de</strong>rn wird ein Flecht -<br />

bandornament variiert, das an angelsächsische Buch -<br />

malerei erinnert. Im Inneren barg das Stück einst eine<br />

Beson<strong>de</strong>rheit: Bei einer Restaurierung wur<strong>de</strong>n Perga -<br />

mentstreifen aus <strong>de</strong>m 11. Jahrhun<strong>de</strong>rt mit einem<br />

Kommentar zu <strong>de</strong>n Petrus-Briefen gefun<strong>de</strong>n.


8<br />

pannisellus o<strong>de</strong>r velum<br />

(fahnenartiges tuch)<br />

Benediktinerinnenkloster Engelberg, Schweiz,<br />

um 1300–1310<br />

Weißes Leinen, Batist, Leinen- und Sei<strong>de</strong>nstickerei<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. P 6<br />

Das fahnenartige weiße Tuch wur<strong>de</strong> am Knauf eines<br />

Bischofs- o<strong>de</strong>r Abtstabs angebracht, wo es ursprüng -<br />

lich als Schweißtuch <strong>de</strong>s Stabträgers diente. Seit <strong>de</strong>m<br />

13. Jahrhun<strong>de</strong>rt verbreiteten sich diese Fahnentücher<br />

und blieben bis ins 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt hinein geläufig.<br />

Durch schlichtere o<strong>de</strong>r aufwendig geschmückte Tücher<br />

sollten sich Bischofs- von Abtsstäben unterschei<strong>de</strong>n<br />

lassen. Weniger verzierte waren für <strong>de</strong>n Bischofsstab<br />

bestimmt.<br />

Dieses zarte Fahnentuch setzt sich aus zwölf drei ecki gen<br />

Stoffbahnen zusammen, sein Kopfstück ist mit rautenund<br />

flechtbandförmigen Stickereien verziert, die Schau -<br />

seite wird durch einen grünen Sei<strong>de</strong>nfond betont.<br />

Mit <strong>de</strong>r geflochtenen Schnur wur<strong>de</strong> es am Stab be fes -<br />

tigt. Nur eine sehr geringe Anzahl dieser schmücken -<br />

<strong>de</strong>n „Anhängsel“ haben sich vollständig erhalten,<br />

dieses hier ist eines <strong>de</strong>r wenigen <strong>de</strong>s frühen 14. Jahr -<br />

hun<strong>de</strong>rts. Es gehört wie Albe und Schultertuch zur<br />

Gruppe <strong>de</strong>r feinen weißen Gewän<strong>de</strong>r mit schweize -<br />

rischen Stickereien.<br />

9<br />

Krümme eines<br />

Bischofs stabs mit<br />

agnus <strong>de</strong>i<br />

Nie<strong>de</strong>rrhein, um 1480<br />

Vergol<strong>de</strong>tes Silber, Steinbesatz, Inschrift<br />

in Niello-Technik<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. G 127<br />

Zu <strong>de</strong>n Insignien eines Bischofs zählt <strong>de</strong>r Krummstab,<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Rang <strong>de</strong>s Wür<strong>de</strong>nträgers anzeigt und auf sein<br />

„Hirtenamt“ verweist. An einem solchen Stab wur<strong>de</strong><br />

auch <strong>de</strong>r Pannisellus, das Schweißtuch <strong>de</strong>s Bischofs,<br />

befestigt.


Zierliches Schmuck- und Strebewerk, das an die Bau -<br />

formen spätgotischer Kathedralen erinnert, glie<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n<br />

unteren Teil <strong>de</strong>r Krümme zu einem architekto nischen<br />

Gehäuse, in das sechs Heiligen figürchen integriert<br />

sind. Aus dieser Miniaturarchitektur erwächst <strong>de</strong>r mit<br />

Blattranken besetzte, gebogene Teil <strong>de</strong>r Krüm me. Die<br />

Schauseite ist mit E<strong>de</strong>lsteinen geschmückt und trägt<br />

eine Inschrift, die auf die Darstellung im Auge <strong>de</strong>r<br />

Krümme hinweist: Das Agnus Dei, das Lamm Gottes,<br />

lässt sich als Vergegen wärtigung <strong>de</strong>s Opfer to<strong>de</strong>s Jesu<br />

in <strong>de</strong>r Feier <strong>de</strong>r Eucharistie <strong>de</strong>uten. Als Christussymbol<br />

trägt das Lamm einen Heiligen schein mit Kreuz und<br />

eine Fahne als Zeichen <strong>de</strong>s Sieges über <strong>de</strong>n Tod.<br />

10<br />

Kunibertsmesse („tauben -<br />

legen<strong>de</strong>“), auffindung<br />

<strong>de</strong>r Gebeine <strong>de</strong>r hl.ursula<br />

durch <strong>de</strong>n hl. Kunibert<br />

Köln, um 1640<br />

Ölfarbe auf Eichenholz<br />

Leihgabe aus St. Ursula, Köln<br />

Die rituelle Vorbereitung <strong>de</strong>s Priesters auf <strong>de</strong>n Gottes -<br />

dienst diente vor allem <strong>de</strong>r Einstimmung auf die Feier<br />

<strong>de</strong>r Eucharistie als <strong>de</strong>m Höhepunkt <strong>de</strong>r Liturgie. In<br />

<strong>de</strong>r zentralen Darstellung dieses barocken Gemäl<strong>de</strong>s<br />

zele briert <strong>de</strong>r Hl. Bischof Kunibert die Messfeier zum<br />

Ursulatag am 21. Oktober. Der unbekannte Maler<br />

wählte <strong>de</strong>n Moment <strong>de</strong>r Elevation <strong>de</strong>r Hostie, <strong>de</strong>m<br />

Vor weisen <strong>de</strong>s Allerheiligsten nach <strong>de</strong>r Wandlung.<br />

Kunibert trägt das Messgewand, die Kasel. Er ist um -<br />

ringt von knien<strong>de</strong>n Messdienern und zwei Diakonen<br />

in Dalmatiken. Gemeinsam bil<strong>de</strong>n die gemalten<br />

Gewän<strong>de</strong>r einen prachtvollen goldverzierten Ornat.<br />

Eine Nebenszene links im Bild zeigt Kunibert ein<br />

weiteres Mal bei <strong>de</strong>r Auffindung <strong>de</strong>r Gebeine <strong>de</strong>r<br />

Hl. Ursula. Der Legen<strong>de</strong> nach wies <strong>de</strong>r Heilige Geist<br />

in Gestalt einer Taube <strong>de</strong>m Bischof die Stelle, an <strong>de</strong>r<br />

sich das Grab <strong>de</strong>r Kölner Stadtpatronin befand.<br />

Die Tafel entstand für einen im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt neu<br />

ein gerichteten Kunibertaltar in <strong>de</strong>r Kirche St. Ursula<br />

in Köln.


11<br />

dalmatik<br />

Gewandstoff: Sei<strong>de</strong>, Samt, Italien, um 1450<br />

Besätze: Kölner Borten, um 1450<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. P 389<br />

Die Dalmatik zeichnet sich aus durch gera<strong>de</strong> geschnit -<br />

tene breite Ärmel, sie ist das Obergewand <strong>de</strong>s Diakons.<br />

Der Bischof trug sie als Bestandteil seines Bischofs -<br />

ornats über <strong>de</strong>r Albe und unter <strong>de</strong>r Kasel.<br />

Als Teil eines mittelalterlichen Ornats aus blauem<br />

Sei<strong>de</strong>nsamt stammt die Dalmatik ursprünglich aus <strong>de</strong>r<br />

ehemaligen Kölner Stiftskirche St. Andreas. Das zuge -<br />

hörige Messgewand, die Kasel, ist gleich nebenan zu<br />

sehen. Das festliche Gewand setzt sich aus mehreren,<br />

in unterschiedlichen Blautönen schattierten Partien<br />

italienischer Sei<strong>de</strong>nsamte zusammen. Aus <strong>de</strong>r gleichen<br />

Zeit wie <strong>de</strong>r Samt stammen auch die schmalen ge web -<br />

ten Besätze – sog. Kölner Borten. Sie zieren die Vor<strong>de</strong>rund<br />

Rückseite <strong>de</strong>r Dalmatik mit Inschriften und typi -<br />

schen Motiven wie Blütensterne, blühen<strong>de</strong> Zweige und<br />

Lebensbäume. Auf <strong>de</strong>r Rückseite passen die mari a ni -<br />

schen Inschriften ave regina celorum (Ave, du Himmels -<br />

königin) auf <strong>de</strong>n senkrechten Borten zur blau en Farbe<br />

<strong>de</strong>s Gewan<strong>de</strong>s, das wohl bei Marien festen getragen<br />

wur<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>n breiteren Querriegel sind die Namen <strong>de</strong>r<br />

Heiligen Johannes und Barbara eingewebt.<br />

Der Priester vertrat die Gemein<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gläubigen vor<br />

Gott und stand zugleich in <strong>de</strong>r Nachfolge Jesu Christi.<br />

Ebenso wie <strong>de</strong>r kreuzförmige Zuschnitt <strong>de</strong>s Kleidungs -<br />

stücks for<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>s Gebets zum Anklei<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Dalmatik <strong>de</strong>n Kleriker zur Nach em pfin dung <strong>de</strong>r<br />

Passion auf: Mit dieseM nach <strong>de</strong>M<br />

vOrBiLd <strong>de</strong>r früheren väter in<br />

KreuZes fOrM GeMachten, Mit<br />

purpurstreifen BesetZten Gewand<br />

BeKLei<strong>de</strong>t, Bitte ich dich <strong>de</strong>MütiG,<br />

O herr, dass ich dir durch die<br />

BeGehunG <strong>de</strong>ines Lei<strong>de</strong>ns iMMerdar<br />

wOhLGefäLLiG sein MöGe.


12<br />

Kasel (Messgewand)<br />

Gewandstoff: Sei<strong>de</strong>, Samt, Italien, 15. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

Besätze: Gold- und Sei<strong>de</strong>nstickerei auf Goldlamé,<br />

Köln, um 1525–1530<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. P 192<br />

Über allen an<strong>de</strong>ren Gewandlagen folgt als letzte die<br />

Kasel. Das Messgewand <strong>de</strong>s mittelalter lichen Ornats<br />

aus St. Andreas weist auf Kreuz und Stab als eines <strong>de</strong>r<br />

wenigen Beispiele Kölner Stickereien <strong>de</strong>r Renaissance<br />

auf. Auf <strong>de</strong>m Kreuz sind in feiner Gold- und Sei<strong>de</strong>n -<br />

stickerei auf Goldlamé (gold grundiges Ge webe) maria -<br />

nische Themen in Medaillons einge passt, die wie<strong>de</strong>r um<br />

von reicher Ornamentik umspielt sind.<br />

Die Kasel wur<strong>de</strong> in barocker Manier in die dafür typi -<br />

sche Form umgearbeitet und verkürzt. Ur sprünglich<br />

als längeres, weiteres und ringsum ge schlossenes<br />

Oberge wand sollte die Kasel wie die christ liche Liebe<br />

alle an<strong>de</strong>ren Klei<strong>de</strong>rschichten be <strong>de</strong> cken:<br />

BeKLei<strong>de</strong> Mich, herr, Mit <strong>de</strong>r Zier<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>Mut und BarMherZiG Keit und<br />

Gewähre Mir schutZ GeGen <strong>de</strong>n<br />

nachsteLLen<strong>de</strong>n feind, dass ich Mit<br />

reineM herZen und KeuscheM LeiB<br />

<strong>de</strong>inen heiLiGen naMen in ewiGKeit<br />

Zu preisen verMaG. Schon im 9. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

wur<strong>de</strong> das Messgewand mit <strong>de</strong>r Liebe verglichen, die<br />

die höchste aller Tugen<strong>de</strong>n sei, eine Deutung, die sich<br />

in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahrhun<strong>de</strong>rten fortsetzte. Auch das<br />

Anklei<strong>de</strong>gebet rekurriert auf die Liebe als Schutzschild<br />

vor <strong>de</strong>m Feind und bösen Mächten.<br />

Restauriert mit freundlicher Unterstützung <strong>de</strong>r Renate König-Stiftung<br />

13<br />

Kelch<br />

Köln, um 1350<br />

Silber, neu vergol<strong>de</strong>t, Silberschmelz (Email)<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. G 32


patene (hostienschale)<br />

Deutschland, um 1490–1500<br />

Kupfer, vergol<strong>de</strong>t<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. G 481<br />

Die bei<strong>de</strong>n vergol<strong>de</strong>ten Altargeräte – Kelch und<br />

Patene – dienten zur Aufnahme von Messwein und<br />

Hostien. Während <strong>de</strong>s zentralen Teils <strong>de</strong>r Messe, <strong>de</strong>r<br />

Feier <strong>de</strong>s Kreuzesopfers Christi (Eucharistie), wur<strong>de</strong> die<br />

Wandlung in Blut und Leib Christi mit diesen kost -<br />

baren Goldschmie<strong>de</strong>arbeiten zelebriert.<br />

Unter <strong>de</strong>r konisch zulaufen<strong>de</strong>n Kuppa <strong>de</strong>s Kelches,<br />

die <strong>de</strong>n Messwein aufnahm, ist ein Knauf mit rauten -<br />

förmigen Bildfel<strong>de</strong>rn verziert, die die Köpfe von<br />

Christus und <strong>de</strong>n Aposteln zeigen. Sternförmig läuft<br />

<strong>de</strong>r Fuß <strong>de</strong>s Kelches aus, hier sind acht Bildfel<strong>de</strong>r<br />

eingraviert, die wohl ursprünglich alle mit farbigem<br />

Glasfluss (Email) geschmückt waren. In tiefem Blau<br />

ist heute nur noch die zentrale Szene <strong>de</strong>r Kreuzigung<br />

Christi erhalten, die auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>s Kelches<br />

verweist.<br />

In die schlichte Patene ist mittig eine run<strong>de</strong> Vertiefung<br />

zur Aufnahme <strong>de</strong>r Hostien getrieben. Ein kleines<br />

graviertes Weihekreuzchen ziert <strong>de</strong>n Rand.<br />

14<br />

Kasel (Messgewand)<br />

mit Kreuzigung christi<br />

Gewandstoff: Sei<strong>de</strong>, Samt, mit Goldlahn lanciert,<br />

Florenz, um 1475<br />

Kaselkreuz: Gold- und Sei<strong>de</strong>nstickerei auf Leinen,<br />

Mittelrhein, um 1490–1500<br />

Kaselstab: Kölner Borte mit Gold- und Sei<strong>de</strong>nstickerei,<br />

Köln, um 1450–1500<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. P 176<br />

Auf gol<strong>de</strong>nem Grund wachsen satt-rote samtene<br />

Ranken empor, aus <strong>de</strong>nen sog. Granatapfelmotive<br />

erblühen. Mit ihrem prächtigen Gewandstoff ähnelt<br />

diese Kasel <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>s Hl. Kunibert bei <strong>de</strong>r Feier<br />

<strong>de</strong>r Eucharistie auf <strong>de</strong>m ausgestellten Tafelbild.<br />

Die Kreuzigungsszene in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s gestickten<br />

Besatzes verweist unmittelbar auf die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />

Eucharistiefeier: die Vergegenwärtigung <strong>de</strong>s Opfertods<br />

Christi. Wenn <strong>de</strong>r Priester, <strong>de</strong>r dieses Messgewand<br />

trug, mit <strong>de</strong>m Rücken zu <strong>de</strong>n Gläubigen nach <strong>de</strong>r<br />

Wandlung die Hostie erhob, fügten sich <strong>de</strong>r Leib Christi


in <strong>de</strong>ssen Hand und die Darstellung <strong>de</strong>s Gekreuzigten<br />

inhaltlich als Bild zusammen.<br />

Die mittelrheinische Stickerei erweitert die Szene <strong>de</strong>r<br />

Kreuzigung um weiteres Personal: Neben Maria und<br />

Johannes erscheinen Maria Salome, Longinus sowie<br />

<strong>de</strong>r Hauptmann am Fuß <strong>de</strong>s Astkreuzes. Die Verkündi -<br />

gung an Maria rahmt in <strong>de</strong>n Kreuzen<strong>de</strong>n die Szene.<br />

Johannes <strong>de</strong>r Täufer ist im oberen, Christus am Ölberg<br />

im unteren Bildfeld geschil<strong>de</strong>rt. Mit seiner Vielzahl<br />

an Figuren erinnert die Darstellung an <strong>de</strong>n Typus <strong>de</strong>s<br />

im Spätmittelalter in <strong>de</strong>r Tafelmalerei verbreiteten<br />

volk reichen Kalvarienbergs.<br />

Wie viele mittelalterliche liturgische Gewän<strong>de</strong>r in<br />

heu ti ger Überlieferung, setzt sich auch diese Kasel als<br />

textile Komposition aus verschie<strong>de</strong>nen Elementen<br />

zusammen: Gewandstoff und Zierbesätze entstammen<br />

unterschiedlichen Entstehungsorten und -zeiten.<br />

Restauriert mit freundlicher Unterstützung <strong>de</strong>r Renate König-Stiftung<br />

15<br />

Monstranz<br />

Köln, 1425–1450<br />

Vergol<strong>de</strong>tes Kupfer, Glaszylin<strong>de</strong>r<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. G 563<br />

Monstranzen (von lat. monstrare = zeigen) entstan<strong>de</strong>n<br />

im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s Fronleich -<br />

namsfestes im 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt. An diesem Kirchenfest<br />

wird die leibliche Gegenwart Christi in <strong>de</strong>r Eucharistie<br />

begangen.<br />

Charakteristisch für die hier gezeigte Turmmonstranz<br />

ist die <strong>de</strong>taillierte Nachbildung gotischer Bauformen<br />

im Miniaturformat. Über einem Schaft mit Fuß glie <strong>de</strong>rn<br />

Strebepfeiler mit filigranen Bögen und Zieraufsätzen<br />

<strong>de</strong>n turmförmigen Aufbau. Kleinteilig ausgestaltet und<br />

mit Heiligenfigürchen besetzt, umspannt das Gold -<br />

schmie<strong>de</strong>werk das eigentliche Schaugefäß im Zentrum.<br />

In einem transparenten Zylin<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r im Mittelalter<br />

auch aus einem ausgehöhlten Bergkristall bestehen<br />

konnte, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Leib Christi in Gestalt einer konse -<br />

krierten (geweihten) Hostie präsentiert, um ihn auf<br />

Fronleichnamsprozessionen mitzuführen o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m<br />

Altar zur Anbetung „auszusetzen“.


16<br />

sakramentsschranktür mit<br />

engeln und Monstranz<br />

Köln, 15. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

Tempera o<strong>de</strong>r Ölfarbe auf Holz<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. A 799<br />

Die bemalte Holztür verschloss wohl ehemals einen<br />

Sakramentsschrank in einer mittelalterlichen Kirche.<br />

Bän<strong>de</strong>r und Schloss sind auf <strong>de</strong>r inneren Seite ange -<br />

bracht, sodass die Außenseite <strong>de</strong>s Türchens als Bild -<br />

fläche genutzt wer<strong>de</strong>n konnte. In <strong>de</strong>r Darstellung<br />

knien vor rotem Grund zwei mit weißen Unterge -<br />

wän<strong>de</strong>rn (Alben) und Chormänteln beklei<strong>de</strong>te Engel.<br />

Sie prä sen tieren eine aufwendig gearbeitete gotische<br />

Monstranz, ganz ähnlich <strong>de</strong>r ebenfalls ausgestellten<br />

Goldschmie <strong>de</strong> arbeit.<br />

Die Malerei zeigt im Inneren eines Kristall- o<strong>de</strong>r Glas -<br />

körpers eine Hostie, die in eine sog. Lunula, eine Hal te -<br />

rung in Form einer Mondsichel (lat. luna = Mond),<br />

eingesetzt ist. Mit diesem Motiv verweist die kleine Tür<br />

darauf, was ursprünglich hinter ihr verbor gen wur<strong>de</strong>:<br />

Sakramentsschränke, die häufig in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Altars<br />

direkt in die Kirchenwän<strong>de</strong> einge lassen waren, ver -<br />

wahrten sowohl die geweihten Hostien als auch die<br />

für die Eucharistiefeier benötigten<br />

Altargeräte.<br />

17<br />

perlziborium<br />

Hil<strong>de</strong>sheim, um 1250–1300<br />

Holzkern, Stickerei mit Glas-, Flussperlen, Korallen<br />

und Metallappliken auf Pergament<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. N 42<br />

Diese Kostbarkeit von hohem künstlerischem Rang<br />

wur<strong>de</strong> zur Aufbewahrung <strong>de</strong>r geweihten Hostien –<br />

<strong>de</strong>s Allerheiligsten – geschaffen. Ganz beson<strong>de</strong>rs ist<br />

die Verwendung <strong>de</strong>r unterschiedlichen Materialien<br />

dieses Ziboriums, das wohl ursprünglich aus <strong>de</strong>m<br />

Hil<strong>de</strong>sheimer Dom stammt. Über einen kelchförmigen,<br />

mit Deckel verschlossenen Holzkern spannt sich


Pergament, das flächen<strong>de</strong>ckend mit aufgestickten<br />

Fluss- und Glas perlen, Korallen und Metallappliken<br />

geschmückt wird.<br />

Auf blauem Grund sind verschie<strong>de</strong>ne Szenen aus<br />

<strong>de</strong>r Heilsgeschichte zu erkennen: Die Verkündigung,<br />

die Kreuzigung mit Maria und Johannes sowie die in<br />

Medaillons eingestellte Krönung Mariens durch Christus<br />

wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r Wandung sichtbar. Die Symbole <strong>de</strong>r<br />

vier Evangelisten zieren <strong>de</strong>n unteren Teil <strong>de</strong>s Gefäßes<br />

und weiße Lilien <strong>de</strong>n Fuß. Auf <strong>de</strong>m kegelförmigen<br />

Deckel sind Szenen <strong>de</strong>r Passion aufgestickt – Geiße lung<br />

und Kreuztragung. Ein vergol<strong>de</strong>tes Kreuz bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n<br />

bekrönen<strong>de</strong>n Abschluss.<br />

Mit freundlicher Unterstützung restauriert durch die<br />

Abegg-Stiftung, Riggisberg/Schweiz<br />

18<br />

pluviale (chormantel)<br />

Venedig, um 1400–1425<br />

Sei<strong>de</strong>, Atlas mit Samt<strong>de</strong>kor und Goldbroschierung<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. P 201<br />

Dieses wür<strong>de</strong>volle Gewand besticht durch seinen<br />

prächtigen Sei<strong>de</strong>nstoff mit aufsteigen<strong>de</strong>n Palmett -<br />

blüten in rot und gold. Die reichen Ornamente <strong>de</strong>s zu<br />

Beginn <strong>de</strong>s 15. Jahrhun<strong>de</strong>rts in Venedig gewebten<br />

Gewandstoffs, gehen auf orientalische Vorbil<strong>de</strong>r<br />

zurück.<br />

Charakteristisch für <strong>de</strong>n Chormantel ist sein halbkreis -<br />

förmiger Schnitt, auf <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rseite wur<strong>de</strong> er offen<br />

getragen und oftmals im oberen Teil von einer Schließe<br />

aus E<strong>de</strong>lmetall geschmückt. Der Gebrauch <strong>de</strong>s Pluviale<br />

(von lat. pluvia = Regen), das ursprünglich eine Kapuze<br />

hatte, war nie einheitlich. Von Priestern und Bischöfen<br />

wur<strong>de</strong> es beispielsweise bei Segnungen, bei Prozessio -<br />

nen o<strong>de</strong>r Syno<strong>de</strong>n getragen – also bei feierlichen<br />

Handlungen außerhalb <strong>de</strong>r Messe. Es bil<strong>de</strong>te dann die<br />

letzte Gewandschicht über <strong>de</strong>m Untergewand (Albe)<br />

und einer Dalmatik. Auf <strong>de</strong>m bemalten Sakraments -<br />

schranktürchen sind die dargestellten Engel mit Chor -<br />

mänteln beklei<strong>de</strong>t.<br />

19<br />

portrait alexan<strong>de</strong>r<br />

schnütgens in<br />

chorkleidung<br />

Leopold Graf von Kalkreuth, 1910<br />

Ölfarbe auf Leinwand<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. M 329


Lebensgroß und starkleibig hat <strong>de</strong>r Portraitist <strong>de</strong>n<br />

betagten Alexan<strong>de</strong>r Schnütgen (1843–1918) –<br />

Sammlungsgrün<strong>de</strong>r und Namensgeber <strong>de</strong>s Museum<br />

Schnütgen – ins Bild gesetzt. Als Domkapitular am<br />

Kölner Dom erscheint er seinem Rang entsprechend in<br />

tiefvioletter Chorkleidung: Über einer langen Soutane<br />

trägt er ein weißes Chorhemd (Rochett) mit breiter<br />

Spitzenborte, darüber einen geknöpften Schulter kragen<br />

(Mozetta). Sein Chorherrenkreuz liegt an einer starken<br />

Glie<strong>de</strong>rkette auf seiner Brust.<br />

Der Geistliche steht vor einer geöffneten Tür, die <strong>de</strong>m<br />

Betrachter Einblick gibt in seine große Passion – das<br />

Sammeln von Kunstschätzen. Im gedämpften Licht <strong>de</strong>s<br />

Raumes ist <strong>de</strong>r Umfang seiner reichen Sammlung nur<br />

zu erahnen: Von Holz- und Steinskulpturen über kost -<br />

bare Goldschmie<strong>de</strong>kunst und Glasmalerei bis hin zu<br />

seltenen Elfenbeinen und Buchmalerei reichte das<br />

Spektrum von Schnütgens Schätzen. Bevor er sich je -<br />

doch für an<strong>de</strong>re Kunstgattungen interessierte, begann<br />

er lei<strong>de</strong>nschaftlich Textilien zu sammeln und legte<br />

damit <strong>de</strong>n Grundstock für die hochwertige, heute fast<br />

4000 Stücke zählen<strong>de</strong> Textilsammlung <strong>de</strong>s Museum<br />

Schnütgen.<br />

Bischofsornat<br />

Amikt (Schultertuch) Albe (Untergewand) Stola<br />

Dalmatik Kasel (Messgewand)<br />

Bischofsstab Pannisellus (fahnenartiges Schweißtuch)


Impressum<br />

Museum Schnütgen Köln<br />

2013/2014<br />

Kuratorin<br />

Saskia Werth<br />

Grafische Gestaltung<br />

Lange + Durach<br />

Abbildungen<br />

© Rheinisches Bildarchiv, Köln<br />

© Herlin<strong>de</strong> Koelbl, aus „Klei<strong>de</strong>r machen Leute“, Hatje Cantz<br />

© Simon Vogel, Köln<br />

© Thomas Zwillinger, München<br />

© Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg, 2013<br />

(Foto: Christoph von Viràg)

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