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Leseprobe - Rudolf Steiner Verlag

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kehren wollte, wurde – in Übereinstimmung mit Beneš –<br />

behandelt wie die Deutschen im Lande. Beneš erklärte<br />

1945, dass die Juden willige Werkzeuge der Deutschen<br />

gewesen seien und dass sie, um gleichberechtigt zu sein,<br />

für die Befreiung gekämpft haben müssten. Die deutschsprachigen<br />

Juden mussten um die tschechoslowakische<br />

Staatsbürgerschaft neu ansuchen. Sie bekamen ‹deutsche›<br />

Lebensmittelrationen und mussten Abzeichen tragen,<br />

die sie als Deutsche identifizierten. Die in der Tschechoslowakei<br />

geborene Germanistik-Professorin Wilma<br />

Abeles Iggers aus dem amerikanischen Buffalo schreibt in<br />

ihrem Buch Die Juden in Böhmen und Mähren: ‹Juden, die<br />

vor dem Krieg in deutschen oder ungarischen Turnvereinen<br />

organisatorisch tätig waren, waren von den Staatsbürgerschaftsrechten<br />

ausgeschlossen. Ausgeschlossen<br />

waren ferner auch Juden, die sich vor dem Zweiten Weltkrieg<br />

zur jüdischen Nationalität bekannt hatten.›» 19<br />

Dass immerhin die Gebäude und Einrichtungen trotz<br />

des Naziterrors gegen die jüdische Bevölkerung erhalten<br />

geblieben sind, verdankt sich dem offenbar auf Hitler<br />

selbst zurückgehenden perversen Plan, in Prag ein «Museum<br />

einer ausgestorbenen Rasse» einzurichten. Zu diesem<br />

Zweck wurden hier auch sämtliche Kultgegenstände<br />

aus den zerstörten Synagogen des übrigen Landes zusammengeführt.<br />

Der größte Teil der jüdischen Einrichtungen Prags<br />

ist heute Bestandteil des Jüdischen Museums, und die<br />

Reste der «Judenstadt» gehören zu den größten Touristenattraktionen<br />

Prags. Doch die große, jahrhundertealte<br />

Geschichte einer der bedeutendsten jüdischen Gemeinden<br />

Europas ist offenbar unwiederbringlich zu Ende. Damit<br />

ist auch ein Teil der Identität Europas verloren gegangen,<br />

woran das klarsichtige Wort des tschechischen<br />

Schriftstellers Milan Kundera erinnert: «Die Juden waren<br />

im 20. Jahrhundert das wichtigste weltbürgerliche Element,<br />

sie waren die Initiatoren Mitteleuropas.»<br />

Unter dem Dach der Altneu-Synagoge (rechts) soll Rabbi<br />

Löw den «entseelten» Körper des Golem eingeschlossen<br />

haben. – Die Thorarollen werden im steinernen Schrein an<br />

der Ostwand des Betraums aufbewahrt (linke Seite).<br />

J u d e n h a s s u n d G e n o z i d i m 2 0 . J a h r h u n d e r t · A l t n e u - S y n a g o g e<br />

Die Altneu-Synagoge, auch Altneuschul genannt, 20 hat<br />

als eines der ehrwürdigsten Gebäude der Stadt auch ihre<br />

eigenen Legenden. So sollen nach der Zerstörung des<br />

Tempels zu Jerusalem durch die Römer im Jahr 70 n. Chr.<br />

einige Steine von Engeln nach Prag gebracht worden sein,<br />

die dann in die Grundmauern dieses Bethauses eingefügt<br />

wurden. Deshalb konnte dem Bau, der stets von Engeln<br />

beschützt blieb, auch keiner der oft verheerenden Brände<br />

des Gettos etwas anhaben.<br />

Aber ganz so alt sind Prag und die Synagoge nun<br />

doch nicht, denn die Historiker sagen, dass das Gottes-<br />

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