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PDF-Format - Residenzen-Kommission - GWDG

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LINDORFER (Florenz) in ihrem Vortrag über „Adel und Kulturtransfer im 17. Jahrhundert am<br />

Beispiel spanischer Einflüsse am Kaiserhof“. Lindorfer verwies zunächst auf die deutlichen<br />

Spuren, welche die Verbindung der Habsburger mit den Spaniern in Wien hinterlassen hätten,<br />

und hob die Bedeutung der spanischen Sprache, des spanischen Theaters etc. am Wiener Hof<br />

hervor.<br />

Für ihren Vortrag erläuterte Lindorfer das Konzept des Kulturtransfers, betonte die Bedeutung<br />

von Austauschprozessen als Grundlage für jede Kultur und hinterfragte die Rolle der<br />

aristokratischen Netzwerke im Hinblick auf ihren Transferbeitrag von Spanien nach Österreich<br />

über Familienbeziehungen, Reisen und diplomatische Kontakte. Dabei führte Lindorfer<br />

am Beispiel des Gemälde- und Büchererwerbs Ferdinand Bonaventura Harrachs (1637-1706,<br />

weilte von 1673-1676 als Gesandter Leopold I. in Madrid) aus, daß nicht nur in Spanien produzierte<br />

Güter, sondern auch alle über Spanien als Mittlerinstanz laufenden Waren einem<br />

Transferprozeß unterlagen. Die Referentin charakterisierte die Aristokratie als treibende Kraft<br />

im Kulturtransfer, da der Adel mit seinem Wunsch nach Distinktion und der Konkurrenz<br />

untereinander ein wesentlicher Impulsgeber u.a. beim Erwerb von Luxusgütern war. Bianca<br />

Lindorfer entfaltete ihre Überlegungen am Beispiel der Schokolade und deren Einführung in<br />

Wien. Die Schokolade – im 16. Jahrhundert von Amerika nach Spanien gebracht und 1544<br />

erstmals als Getränk am spanischen Hof serviert – wurde von dort aus zunächst als höfisches<br />

Luxusgut in Europa verbreitet und avancierte schließlich zu einem Modegetränk des Adels.<br />

In Wien begann das „Schokoladenzeitalter“ erst unter Karl VI. (1685-1740), d.h. Anfang des<br />

18. Jahrhunderts.<br />

Zunächst existierte in Wien kein professioneller Handel für Schokolade, erst zu Beginn<br />

des 18. Jahrhunderts traten die ersten Schokoladestuben und die Zunft der Schokoladenmacher<br />

in die Öffentlichkeit. Während des gesamten 17. Jahrhunderts war man auf den Transfer<br />

der Schokolade aus Spanien angewiesen, zumal die Spanier zu diesem Zeitpunkt noch den<br />

Amerikahandel dominierten. Lindorfer legte ausführlich dar, daß der Schokoladenkonsum in<br />

Wien v.a. durch die Diplomaten, die sich in Spanien aufhielten, aufrechterhalten wurde.<br />

Die sich an den Vortrag anschließende Diskussion betonte u.a., daß der höfische Kulturtransfer<br />

nicht zwischen Spanien und Österreich, sondern zwischen deren Höfen erfolgte, d.h.<br />

mithin ein urbanes bzw. höfisches Phänomen war.<br />

In ihrem Vortrag „‚Ich habe die gnad höchstselben die hand zu küssen …‘ Beziehungsmuster<br />

des Landadels zum Münchner Hof im 18. Jahrhundert am Beispiel des Freiherrn von<br />

Pemler (1718-1772)“ erkundete Barbara KINK (München) die Beziehungsgeflechte zwischen<br />

Zentrum und Peripherie. Freiherr von Pemler, ein Vertreter des landsässigen Adels (seit 1760<br />

Hofmarksherr zu Hurlach, ab 1762 zu Leutstetten), konnte trotz seines Jurastudiums kein<br />

Hofamt erringen. Sein Alltag war daher, ohne Amt und ohne nennenswerte Geldmittel, vorrangig<br />

von Muße und Freizeit geprägt. Die Beschäftigungen des Freiherrn bestanden aus Reisen<br />

zu Verwandten, Kommunikation mit den Standesgenossen der näheren Umgebung<br />

(Spiel!), Lektüre, Jagd und künstlerischer Betätigung. Die wenigen von Pemler unternommenen<br />

Reisen gingen über einen begrenzten regionalen Umkreis nicht hinaus.<br />

Um Zugang zum Hof in München erlangen zu können, den sein Vater vernachlässigt hatte,<br />

erwarb Pemler 1763 den Kämmererschlüssel. Für diesen bezahlte er 350 Gulden und unternahm<br />

eine Hoffahrt nach München. Im Gegenzug wurde er damit einer von rund 400 Kämmerern<br />

und erlangte die Berechtigung bei Hof zu erscheinen.<br />

Als mögliche Kontaktzonen, um auf den Kurfürsten zu treffen, nannte Barbara Kink einerseits<br />

die Residenzstadt München (z.B. wenn der Fürst beim Gottesdienst oder im Theater<br />

weilte) und andererseits die Sommerresidenzen (z.B. Lichtenberg). Erst durch den Erwerb<br />

des Kämmererschlüssels konnte nun auch Freiherr von Pemler an der Sommerfrische des<br />

Kurfürsten teilnehmen und durch beinahe tägliche Fahrten nach Lichtenberg Kontakte zum<br />

Hof pflegen.<br />

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