MITTEILUNGEN DER RESIDENZEN-KOMMISSION DER ...
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len (Architekturzeichnungen, Pläne, Ansichten, Stadtpläne, Projektpläne, Fotos) liefern. Unersetzlich<br />
für eine möglichst objektive Baugeschichtsschreibung ist auch die Berücksichtigung<br />
aller Erkenntnisse der diversen Restaurierungen.<br />
Erst auf dieser Basis können eine Reihe von interdisziplinär angelegten Fragestellungen<br />
entwickelt werden, etwa nach der Funktion der Hofburg innerhalb der städtebaulichen Entwicklung,<br />
weiters nach ihrem Bezug zur Fortifikation in einer Zeit sich radikal verändernder<br />
Wehrstrategien. Zu analysieren ist ferner das stil- und typengeschichtliche Verhältnis der<br />
Hofburg als „Hauptresidenz“ zu den anderen habsburgischen Residenzen von Wiener Neustadt<br />
bis Madrid, aber auch den anderen großen europäischen Residenzen (München, Dresden,<br />
Krakau, Salzburg etc.).<br />
Unter der Prämisse, daß die Hofburg Zentrum der habsburgischen Politik und Selbstdarstellung<br />
gewesen war, wird die Funktion und die Bedeutung der Architektur nachhaltig zu<br />
untersuchen sein. Hierzu zwei Hinweise: Die Literatur hat als eine den Ausbau der Hofburg<br />
im 18. Jahrhundert begleitende Konstante die absichtsvolle architektonische Traditionspflege<br />
festgehalten. Ist diese These vom konservierenden Umgang mit dem Überlieferten als<br />
Grundhaltung der kaiserlichen Auftraggeber und damit als Zeichen des dynastischen Traditionsbewusstseins<br />
der Habsburger auch für das 16. und 17. Jahrhundert von Gültigkeit? Wenn<br />
ja, dann ist diese baukonservative Haltung vor allem auch in Gegenüberstellung zu den innovativen<br />
kunstpolitischen Ambitionen von Ludwig XIV., dem großen Gegenspieler von Leopold<br />
I. in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, zu untersuchen.<br />
Unterschiedliche Funktionen (Versorgung, Verwaltung, Wohnung, Regierung, Repräsentation)<br />
und viele Landes- wie Reichsämter waren in der Hofburg untergebracht. Daraus resultiert<br />
die Frage, inwiefern diese vielschichtigen und vernetzten Funktionalitätsanforderungen<br />
Niederschlag auf das bauliche Konzept und seine Ausführung genommen haben.<br />
Zeitraum 1705-1835<br />
Der zeitliche Rahmen des Projektes spannt sich vom Regierungsantritt Kaiser Joseph I.<br />
(1705) bis zum Tod von Kaiser Franz II. (I.) (1835) und umfasst verschiedene Phasen der<br />
künstlerischen Entwicklung von Barock, Rokoko und Klassizismus, die im Residenzareal der<br />
Hofburg einen unterschiedlich intensiven Niederschlag gefunden haben. Während die Bearbeitung<br />
des „Baubooms“ der Zeit Karls VI. (Fischer von Erlach Vater und Sohn, J. L. von<br />
Hildebrandt) bereits auf einer gesicherten Forschungslage aufbauen kann, gilt es, für die<br />
Jahrzehnte nach 1740 zumeist Grundlagenarbeit zu leisten: Dies gilt für die groß angelegten,<br />
aber nie in Angriff genommenen Gesamtplanungen (Jean-Nicolas Jadot, Balthasar Neumann,<br />
Nicoló Pacassi) ebenso wie für die punktuellen Erneuerungen, die peu à peu realisiert worden<br />
sind. Ebenfalls bisher kaum bearbeitet wurden die Bauplanungen am Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
(Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg, Joseph Amann, Louis von Remy),<br />
die auf den Neubau des Zeremoniensaales (Louis Montoyer, 1804) bzw. die Sprengung der<br />
Burgbastei (1809) reagieren.<br />
Charakteristisch für den Zeitraum von 1705 bis 1835 sind umfangreiche, aber unrealisierte<br />
Gesamtplanungen der Hofburg; dieses Phänomen, das auf die Verregelmäßigung des seit dem<br />
13. Jahrhundert stetig gewachsenen Gebäudekonglomerats zielte, tritt erstmals in der Geschichte<br />
der Hofburg im frühen 18. Jahrhundert auf und ist im Rahmen der gesamteuropäischen<br />
Entwicklungen der Residenzarchitektur, aber auch im Zusammenhang von Idealplanungen<br />
in architekturtheoretischen Stichwerken (P. Decker 1711, L. Ch. Sturm 1718) zu<br />
sehen. Überregionale Ausblicke und Vergleiche mit bedeutenden Schloßprojekten und -bauten<br />
wie Paris, Stockholm, Berlin und Dresden werden im Rahmen der Forschungsarbeit eine<br />
wesentliche Rolle spielen.<br />
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