Stiften ist Weitsicht (pdf) - Deutsches Stiftungszentrum
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38 Stiftungen 2011-12<br />
Ethisches Stiftungshandeln –<br />
Verantwortung für Wirkung<br />
Stiftungshandeln hat den Charakter einer sozialen<br />
Investition – eines privaten Beitrages zum Gemeinwohl.<br />
Diesen Beitrag le<strong>ist</strong>en Stifterinnen und<br />
Stifter in Wahrnehmung ihrer Privatautonomie,<br />
also als Bürgerinnen und Bürger (und dasselbe<br />
gilt für jur<strong>ist</strong>ische Personen), die neben den Staat<br />
und andere öffentliche Hände treten, um in<br />
Wahrnehmung ihrer direkten Verantwortung<br />
und zugleich Beteiligung an der Res Publica mitzuwirken.<br />
In der Regel verbinden sie damit den<br />
Gestaltungswillen, selbst den Gegenstand ihres<br />
Engagements und ihrer Investition auszusuchen,<br />
also zu entscheiden, welcher öffentlichen Zwecksetzung<br />
oder Problemlösung, welchem Thema oder<br />
welcher Art gesellschaftlicher Benachteiligung<br />
bestimmter Menschen, kurz: welcher Aufgabe sie<br />
sich annehmen.<br />
Eine solche soziale Investition geht einerseits<br />
vom Interesse des Investors 1) an Wirkung aus.<br />
Mit einer solchen Investition erhebt der Investor<br />
andererseits einen öffentlichen Anspruch auf<br />
Geltung: Geltung eines Legitimitätsanspruches<br />
als Beitrag zum Gemeinwohl, der zum einen<br />
durch die Erfordernisse des Gemeinnützigkeitsrechts,<br />
zum anderen aber durch die Erwartungen<br />
der demokratischen Öffentlichkeit überprüft<br />
wird. Wer soziale Investitionen tätigt, muss sich<br />
diesen Legitimationsanforderungen stellen.<br />
Dies gilt zum einen in formaler Hinsicht, also, um<br />
den Anforderungen an die Legalität des eigenen<br />
Handelns zu genügen. Andererseits leiten sich im<br />
Sinne der Compliance mit gesetzlichen wie auch<br />
zusätzlichen selbst gesetzten Regeln umfassendere<br />
Notwendigkeiten ab, vor allem öffentlich formulierten<br />
Legitimationsanforderungen Rechnung zu<br />
tragen. Dieser oft freiwillige Umgang mit dem<br />
Nachweis eigener Wirksamkeit dient dem eigenen<br />
Steuerungsinteresse der Investorin, der Möglich<br />
keit, Kooperationen zu gewinnen oder zu steuern,<br />
aber auch der Erweiterung der eigenen Wirkungsmöglichkeiten,<br />
indem Öffentlichkeit und Betroffene<br />
mobilisiert und damit oft erst die Voraussetzungen<br />
dafür geschaffen werden, dass das eigene<br />
Projekt seine volle Durchschlagskraft erzielt.<br />
Die Natur der Stiftung bringt es mit sich, dass das<br />
Interesse der Stifterin an Wirksamkeit zwei<br />
grundsätzliche Dimensionen der Aufmerksamkeit<br />
nach sich zieht. Stiftungen gründen ihre<br />
Ex<strong>ist</strong>enz auf einem Stiftungskapital, dessen Verwaltung<br />
die Grundlage der finanziellen Möglichkeiten<br />
der Stiftung bildet. Sie sind aber auch<br />
durch ihren Stiftungszweck satzungsgemäß auf<br />
die Erfüllung bestimmter Aufgaben festgelegt,<br />
die ihren Gemein wohlbeitrag im engeren Sinne<br />
darstellen. Ethisches Stiftungshandeln im Sinne<br />
der Verantwortung für den eigenen Gemeinwohlbeitrag<br />
muss sich offenkundig auf beide Dimensionen<br />
beziehen. Bei näherer Betrachtung im<br />
Sinne des hier vorgeschlagenen Konzepts sozialer<br />
Investitionen – oder besser: des im Mittelpunkt<br />
stehenden privaten Gemeinwohlbeitrages – stellen<br />
sich beide Dimen sionen als nicht völlig unabhängig<br />
voneinander dar.<br />
Geht man diesem Gedanken nicht nur oberflächlich<br />
nach, etwa, indem man ethische Maßstäbe<br />
für das Anlageverhalten der Stiftung postuliert,<br />
stellt sich heraus, dass es um die Optimierung<br />
unterschiedlicher Ertragsdimensionen ein und<br />
derselben sozialen Investition geht. Diesen Gedanken<br />
möchte ich im Folgenden etwas näher<br />
ausführen 2) . Soziale Investitionen als private Gemeinwohlbeiträge<br />
erfüllen in einer sozialwissenschaftlichen<br />
Betrachtungsweise vier durchaus<br />
unterschiedliche gesellschaftliche Funktionen:<br />
die ökonomische, die soziale, die kulturelle und<br />
die politische Funktion.<br />
1) Der sprachlichen Einfachheit halber verwendet der Autor die männliche oder weibliche Sprachform abwechselnd, verzichtet jedoch auf<br />
die Schwerfälligkeit stetiger Doppelnennungen.<br />
2) Vgl. dazu ausführlich Volker Then, Konstantin Kehl, Soziale Investitionen: ein konzeptioneller Entwurf, in: Anheier, Helmut K., Schröer,<br />
Andreas, Then, Volker, Hrsg., Soziale Investitionen, Wiesbaden 2012, S. 3986.