Stiften ist Weitsicht (pdf) - Deutsches Stiftungszentrum
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24 Stiftungen 2011-12<br />
Vom Aderlass bis zum<br />
Zwiebelsäckchen:<br />
Altes Wissen auf dem Prüfstand<br />
Die CarstensStiftung fördert Naturheilkunde und innovative Methoden in der Medizin<br />
„Mit einem kleinen Messer (der sogenannten Fliete)<br />
schneidet man die Blutader schräg oder in Längsrichtung<br />
an. Me<strong>ist</strong> an der Ellenbeuge oder an der<br />
Kopfader. Sobald die Fäulnis mit dem Blut ausgeflossen<br />
<strong>ist</strong>, kommt reines Blut heraus, dann muss<br />
man mit der Blutentziehung aufhören …“<br />
Dies <strong>ist</strong> keine Szene aus einem Horrorfilm, sondern<br />
so schildert Hildegard von Bingen (1098-1179)<br />
einen Aderlass, eine im Mittelalter häufig praktizierte<br />
medizinische Therapie. Die Benediktinerin beschreibt<br />
ihn als Teil ihrer Lebenskunst und empfiehlt einen<br />
Aderlass pro Jahr zur regelmäßigen Reinigung und<br />
Entgiftung des Gesamtstoffwechsels und zur Stimulation<br />
der körpereigenen Heilkräfte. Vom Mittelalter<br />
bis ins 19. Jahrhundert hinein hielt man dieses<br />
Verfahren für ein Allheilmittel gegen jedes Leiden.<br />
Und heute? Der Aderlass <strong>ist</strong> als traditionelles ausleitendes<br />
Verfahren zunehmend in Vergessenheit<br />
geraten und wird von Schulmedizinern häufig als<br />
„mittelalterlich“ abqualifiziert. Zu Unrecht findet<br />
die Karl und Veronica Carstens-Stiftung in Essen.<br />
Und dafür gibt es auch Belege: Die Stiftung hat eine<br />
Pilotstudie zum Aderlass bei metabolischem Syndrom<br />
und Bluthochdruck gefördert. Das beeindruckende<br />
Ergebnis: Bei den Patienten, die zur Ader gelassen<br />
wurden, sank der Blutdruck im Mittel um 16 mmHg<br />
systolisch. Ein so großer Effekt, der auch noch über<br />
mehrere Wochen anhielt, <strong>ist</strong> allein durch die<br />
Behandlung mit den gängigen Medikamenten der<br />
Schulmedizin nicht zu erreichen.<br />
„Sind Sie ein großer Freund des Mittelalters – oder<br />
warum betreiben Sie Studien zum Aderlass?“, diese<br />
Frage an den Vorstands-Vorsitzenden der Carstens-<br />
Stiftung, Andreas Michalsen, muss erlaubt sein. Der<br />
in Berlin forschende und lehrende Professor für<br />
klinische Naturheilkunde gehört zu den führenden<br />
Wissenschaftlern in der komplementärmedizinischen<br />
Forschung. „Für die Studie muss man kein Mittelalter-Fan<br />
sein. Denn der Aderlass gehört auch heute<br />
noch in der Naturheilkunde zu den klassischen<br />
Ausleitungsmethoden. Natürlich schneiden wir dabei<br />
niemandem mehr die Vene an, sondern nehmen<br />
das Venenblut mit einer großen Kanüle ab. Dadurch<br />
soll der Organismus entlastet werden.“ Aber <strong>ist</strong> das<br />
nicht furchtbar unmodern? „Nein, denn die medizinische<br />
Blutentnahme <strong>ist</strong> ja zunächst nichts Ungewöhnliches.<br />
Auch eine normale Blutspende stellt<br />
hinsichtlich Blutmenge und Methode eine Form<br />
des Aderlasses dar“, so Michalsen weiter. „Und vielleicht<br />
lässt sich dabei sogar das Gute für die Allgemeinheit<br />
mit dem Nützlichen für die eigene<br />
Gesundheit verbinden.“ Könnte die gewöhnliche<br />
Blutspende etwa eine Therapieoption bei Bluthochdruck<br />
sein? Genau dieser Frage geht die Carstens-Stiftung<br />
nun in einer groß angelegten Studie<br />
zusammen mit der Berliner Charité nach. Patienten<br />
mit Bluthochdruck berichten zwar immer wieder,<br />
dass sie von einer regelmäßigen Blutspende profitieren<br />
– aber systematisch erforscht wurde das<br />
bisher nie. Da keine öffentlichen oder kommerziellen<br />
Mittel für solche Studien zur Verfügung stehen, <strong>ist</strong><br />
die Hilfe der Carstens-Stiftung unentbehrlich. Sie<br />
hat die Forschung zum Blut an der Charité initiiert<br />
und finanziert sie mit insgesamt 224.000 Euro.<br />
Die Blutspende-Studie <strong>ist</strong> ein „Leuchtturmprojekt“<br />
der Stiftung im Jahr 2012. „In Deutschland nehmen<br />
vier Millionen Bluthochdruckpatienten regelmäßig<br />
Medikamente ein. Viele von ihnen wenden sich an<br />
uns und möchten wissen, ob es Alternativen oder<br />
ergänzende Behandlungsmöglichkeiten gibt. Diesem<br />
Forschungsauftrag aus der Bevölkerung haben wir<br />
uns als Stiftung angenommen“, erläutert Dr. Henning<br />
Albrecht, Geschäftsführer der Karl und Veronica<br />
Carstens-Stiftung den Auftrag.