Kultur, Faszination und action pur - Mecklenburger Pferde
Kultur, Faszination und action pur - Mecklenburger Pferde
Kultur, Faszination und action pur - Mecklenburger Pferde
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8 I <strong>Mecklenburger</strong> pferde – 04 I 13<br />
Erstmals wurde bei der Schweriner<br />
Horse Show auch über die Mauer<br />
<strong>Pferde</strong>-Gespanne faszinieren heute nicht nur<br />
gesprungen. Hier der Reiter Christian<br />
Fahrer, sondern auch viele Passanten auf den<br />
Glienewinkel auf Professional Aircare.<br />
Straßen unseres Landes. Eine Fahrt mit der Kutsche<br />
ist für viele ein Highlight.<br />
Foto: schröder<br />
Foto: schröder<br />
Von Jürgen Lamp <strong>und</strong> Hans-Joachim Begall<br />
128<br />
Männer <strong>und</strong> Frauen gibt es in Mecklenburg-<br />
Vorpommern, die im Turniersport auf dem<br />
Bock fest die Leinen in der Hand haben.<br />
Insgesamt wurden 158 Fahrprüfungen im vergangenen Jahr im<br />
Land durchgeführt. Das ist ein Anteil von 9,4 Prozent an den<br />
Gesamtprüfungen in MV. Damit nimmt Mecklenburg-Vorpommern<br />
einen vorderen Platz im Vergleich mit anderen Verbänden<br />
ein. Deutschlandweit sind es nur 4,3 Prozent. Am beliebtesten<br />
ist das Fahren von Kegelparcours. Wie im Springsport geht es<br />
hier um Fehler <strong>und</strong> Zeit, Action <strong>pur</strong> für Sportler <strong>und</strong> Zuschauer.<br />
Gerade ist die neunte Auflage des Hallen-Fahrer-Cups der<br />
Zweispänner zu Ende gegangen. Es siegten Manfred Groth (Alt<br />
Meteln) mit Ponys <strong>und</strong> Mathias Engelhard (Kladrum) mit seinen<br />
<strong>Pferde</strong>n. Die Vierspänner werden erst in Timmendorf auf<br />
der Insel Poel den Gesamtsieger ermitteln. (Wir werden darüber<br />
in der nächsten Ausgabe berichten.)<br />
In Redefin fand kürzlich die zweite Wertung statt. Hier dominierte<br />
Steffen Engelhard. Der 39-jährige Fahrer aus Siggelkow<br />
(RFV Kladrum) gewann mit seinen <strong>Pferde</strong>n im Landgestüt<br />
sowohl die Zwei- wie auch die Vierspänner-Prüfung der mittelschweren<br />
Klasse. Mit dem 16-jährigen Mathias Wolf aus Muchow<br />
(Lewitzer FRV) siegte einer der jüngsten Teilnehmer bei<br />
den Pony-Vierspännern. Bester im Pony-Zweispännerfahren<br />
wurde Rüdiger Schulz (Poeler SV 1923). Nur das Einspännerfahren<br />
entschied ein auswertiger Fahrer: Björn Rahlf von der<br />
FG Schleswig-Holstein/Hamburg vor Lokalmatador Kai Schicketanz,<br />
der gegenwärtig als Rettungsassistent in Stade eine<br />
Lehre absolviert, <strong>und</strong> Georg Plath (Poeler SV 1923).<br />
Mit 16 Teilnehmern waren die Zweispänner am stärksten<br />
vertreten. Hinter Steffen Engelhard <strong>und</strong> dem Prignitzer Gerald<br />
Tuppat (PSV Am Meynbach) wurde der Woldegker Christian<br />
Hornung-Petit Dritter, der sich damit in der Cup-Wertung bis<br />
Dabel an die Spitze setzte. Bei den Vierspännern verdrängte Georg<br />
Plath, Dritter in Redefin, Mario Schildt (Groß Nieköhr), der<br />
fehlte, von Platz eins.<br />
Das Highlight in der „Grünen Saison“ ist im Land der <strong>Mecklenburger</strong><br />
Fahrercup. Er wird als Kombinierte Prüfung (Dres-<br />
Fahrsport aktuell | Thema<br />
Fahrsport aktuell<br />
<strong>Kultur</strong>, <strong>Faszination</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>action</strong> <strong>pur</strong><br />
Der Fahrsport ist seit vielen Jahren im Aufwind. Er gilt als ausgesprochen vielseitig, denn er ist eine<br />
geeignete Freizeitbeschäftigung wie auch eine Basis für den Leistungssport. Diese Disziplin ist an keine<br />
Alters- oder Körpergewichtsgrenze geb<strong>und</strong>en. Das Kutschfahren bewirkt immer noch eine <strong>Faszination</strong><br />
bei <strong>Pferde</strong>sportlern <strong>und</strong> Passanten aus.<br />
sur-, Gelände- <strong>und</strong> Hindernisfahren) der Klasse M ausgetragen.<br />
In diesem Jahr können die Männer auf dem Bock - Damen fehlen<br />
noch in diesen Anspannungsarten im Land - auf Turnieren<br />
in Heidekrug (27.-28. April), Blievenstorf (3.-5. Mai/nur Vierspänner),<br />
Bollewick (10-12. Mai), Woldegk (1.-2. Juni), Dargun<br />
(10.-11. August) <strong>und</strong> Renzow (7.-8. September) wieder Punkte<br />
sammeln. Cupverteidiger sind Felix Dallmann (Friedland) bei<br />
den Pony-Zweispännern, Jörg Cröger (Schwinkendorf) bei den<br />
Zweispännern (<strong>Pferde</strong>) <strong>und</strong> Mario Schildt (Groß Nieköhr) bei<br />
den Vierspännern.<br />
In Blievenstorf wird zudem ein Fahrturnier mit Prüfungen<br />
der schweren Klasse <strong>und</strong> in Bollewick der Ländervergleich ausgetragen.<br />
Die <strong>Mecklenburger</strong> sind übrigens Titelverteidiger bei<br />
den Zweispännern.<br />
Im vergangenen Jahr legten 73 Frauen <strong>und</strong> Männer sowie<br />
Jugendliche die Prüfung zum Fahrabzeichen in zehn Vereinen<br />
ab. Wie beim Reiten gibt es auch vier Stufen. Die wenigsten der<br />
Absolventen gehen danach in den Turniersport. Für einige ist<br />
die Prüfung die Gr<strong>und</strong>lage für eine berufliche Zukunft als Gespannfahrer<br />
im Tourismus, für andere eine Selbstbestätigung<br />
für ihr Freizeitvergnügen.<br />
Fahrkultur von Werten geprägt<br />
Die <strong>Faszination</strong> des Fahrsports hat sehr viel mit Fahrkultur zu<br />
tun. Diese sollte man auch in der modernen Zeit noch bewahren<br />
<strong>und</strong> weitergeben. Die Besonderheit des Gespannfahrens hat<br />
sich im Laufe der Geschichte entwickelt <strong>und</strong> ist an der Bauweise<br />
von Kutschen <strong>und</strong> Geschirren heute noch zu erkennen. Das sind<br />
materielle Bestandteile des Sports, die bleiben. Daneben wird<br />
die Fahrkultur aber maßgeblich von ideellen Werten geprägt.<br />
Diese zu erhalten <strong>und</strong> weiter zu geben ist zwar schwierig, aber<br />
ein großes gemeinsames Ziel. Das höchste Gut im Fahrsport ist<br />
das Pferd. Dessen Bedürfnisse zu achten ist das oberste Gebot.<br />
Die Ethischen Gr<strong>und</strong>sätze der <strong>Pferde</strong>haltung geben uns dafür<br />
eine Verhaltensk<strong>und</strong>e: „5. Das Wissen um die Geschichte des<br />
04 I 13 – <strong>Mecklenburger</strong> pFerde I 9
Thema | Fahrsport aktuell<br />
Die Familie Schicketanz (im Vordergr<strong>und</strong>) hat sich ganz dem Fahrsport verschrieben.<br />
Fred (l.) <strong>und</strong> Dorit (r.) sind zwei Experten im Landgestüt Redefin.<br />
<strong>Pferde</strong>s, um seine Bedürfnisse sowie die Kenntnisse im Umgang mit<br />
dem Pferd sind kulturgeschichtliche Güter. Diese gilt es zu wahren <strong>und</strong><br />
zu vermitteln <strong>und</strong> nachfolgenden Generationen zu überliefern.“<br />
Aber der Fahrsport zeichnet sich auch durch Gesten <strong>und</strong> Verhaltensregeln<br />
aus, die meist aus der Geschichte, aus wohl überlegten Sicherheitsstandards<br />
<strong>und</strong> gesellschaftlichen Stellungen abgeleitet <strong>und</strong> überliefert<br />
wurden. So sitzt der Fahrer eines ordentlichen Gespannes auf der rechten<br />
Seite des Wagens. Er trägt immer eine Kopfbedeckung <strong>und</strong> hat die<br />
Peitsche stets in der Hand. Die Form der Peitsche ist in der aktuellen<br />
LPO (Leistungsprüfungsordnung der FN) noch einmal definiert: Eine<br />
Peitsche gilt als solche erst, wenn am Stock auch ein Peitschenschlag ist.<br />
Die Beifahrer sitzen in der Regel hinter dem Kutscher, aus Sicherheitsgründen<br />
ist immer ein Beifahrer dabei. Es sollte auch das Ziel sein, dass<br />
die <strong>Pferde</strong> zum Wagen passen, d.h. dass sie nicht zu klein oder zu groß<br />
sind, dass sie ein harmonisches Bild abgeben <strong>und</strong> dass sie einen sicheren<br />
Eindruck vermitteln. Bei Berücksichtigung von den Entwicklungen im<br />
Straßenverkehr lehnt sich die Bauweise von Kutschen immer noch sehr<br />
stark an die Bauart der Anfänge des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts an.<br />
Stadt- <strong>und</strong> Landanspannung<br />
Vom Ursprung her wurden <strong>Pferde</strong> schon früher angespannt, um Lasten<br />
zu ziehen, als dass sie geritten wurden. Die Lasten, die in der Anfangszeit<br />
zu ziehen waren können ursprünglich Schleppen oder Schlitten<br />
gewesen sein. Zu Beginn der Nutzung von <strong>Pferde</strong>n stand dann die<br />
Anspannung vor Streitwagen, später wurden Zugpferde in der Landwirt-<br />
10 I <strong>Mecklenburger</strong> pferde – 04 I 13<br />
schaft eingesetzt <strong>und</strong> im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert differenzierte sich die Stadtanspannung<br />
von der Landanspannung. Sehr konsequent hat Benno von<br />
Achenbach diese Entwicklung um 1900 beobachtet <strong>und</strong> beschrieben.<br />
Seine Reiseerfahrungen als Künstlersohn von Deutschland bis Italien<br />
oder England <strong>und</strong> die leidenden <strong>Pferde</strong> im Ersten Weltkrieg prägten bei<br />
ihm den Willen, an der Anspannung etwas zu ändern. Aus der Zeit stammen<br />
die schriftlichen Werke von ihm, die 100 Jahre die Entwicklung des<br />
Fahrsports <strong>und</strong> der Ausbildung von Fahrerinnen <strong>und</strong> Fahrern bestimmt<br />
haben. Die deutsche Fahrkultur wurde vornehmlich aus England geprägt.<br />
Daher stammt immer noch die Sitzweise auf dem Bock, wo trotz<br />
deutschem Rechts-Fahrgebot im Straßenverkehr der Kutscher rechts<br />
auf dem Bock zu sitzen hat. Benno von Achenbach hat die Stadt- <strong>und</strong> die<br />
Landanspannung beschrieben. In alten Ausgaben des Magazins „St. Georg“<br />
gibt es einen umfangreichen Schriftwechsel mit unterschiedlichen<br />
Meinungen zwischen Gespannfahrern aus Mecklenburg <strong>und</strong> Vorpommern<br />
(meist Gutsbesitzer) <strong>und</strong> dem gebürtigen Düsseldorfer. Letztendlich<br />
hat sich die Lehre von Achenbach durchgesetzt.<br />
Zur Stadtanspannung gehörte der herrschaftliche Wagen, das Kumtgeschirr,<br />
die Bogenpeitsche (Schwanenhalspeitsche), das Kopfstück mit<br />
Blendklappen (Scheuleder), Liverpool Kandare <strong>und</strong> die Achenbachleine.<br />
Viele der jetzt 100-jährigen Wagen entsprechen den damaligen<br />
Beschreibungen <strong>und</strong> sind auf Fahrertreffen mit Traditionsgespannen<br />
immer noch zu sehen. Ein Anreiz, sich mit dem Fahrsport zu beschäftigen,<br />
ist daher u.a. der Reiz der alten Kutschen auf denen man sich<br />
herrschaftlich präsentieren kann. Es dürfte fast nichts Schöneres geben,<br />
als sich mit einer 100 Jahre alten Kutsche durch die Landschaften in<br />
Mecklenburg-Vorpommern fahren zu lassen. Da es heute nur noch we-<br />
Foto: Wego<br />
Foto: Wego<br />
Mathias Wolf aus Muchow gehört zu den talentierten Nachwuchsfahrern in Mecklenburg-Vorpommern.<br />
In Redefin <strong>und</strong> Dabel konnte er mit seinem Pony-Vierspänner die Prüfungen gewinnen<br />
nig üblich ist, sich einen Kutscher zu leisten,<br />
muss der Fre<strong>und</strong> alter Kutschen sich selbst an<br />
die Leinen setzen. Diesem Ziel vorausgehend<br />
sollte eine Ausbildung in das Gespannfahren<br />
aufgenommen werden.<br />
Das deutsche Ausbildungssystem basiert<br />
auf den Ausführungen <strong>und</strong> Lernmethoden<br />
von Benno von Achenbach. Mit seinem<br />
Zweihandsystem hat er eine leicht <strong>und</strong> schematisch<br />
zu lernende Fahrweise vermittelt,<br />
mit der ein Gespann<br />
jederzeit beherrscht<br />
werden kann. Die<br />
Routine kommt aber<br />
auch damit erst beim<br />
Fahren. Der Vorteil<br />
des Achenbachsystems<br />
liegt u.a. darin,<br />
dass für alle Anspannungsarten<br />
die Leinengriffe<br />
auf den<br />
gleichen Gr<strong>und</strong>lagen<br />
aufbauen. So gelten<br />
die Griffe „Gr<strong>und</strong>haltung<br />
– Gebrauchshaltung<br />
- Arbeitshaltung“<br />
durchgängig für alle Anspannungsarten, wie<br />
Einspänner, Zweispänner oder Vierspänner<br />
<strong>und</strong> immer ist die linke Hand die Fahrhand<br />
<strong>und</strong> die rechte die Gebrauchshand! In Fahrabzeichen-Lehrgängen<br />
wird bis zum Fahrabzeichen<br />
Klasse 4 die Kunst des Fahrens<br />
so weit vermittelt, dass der Teilnehmer am<br />
Prüfungstag in der Lage sein sollte, einen Ein-<br />
oder Zweispänner sicher im Straßenverkehr<br />
zu lenken. Je nach Interesse <strong>und</strong> finanziellem<br />
Einsatz fährt man ein-, zwei- oder vierspännig.<br />
Entsprechend der Anspannungsart <strong>und</strong><br />
Foto: kellinghusen<br />
Der Marathonwagen ist das Standardgefährt<br />
in der Disziplin Geländefahren.<br />
der Bauart der Wagen differiert das zu verwendende<br />
Geschirr.<br />
Das Kumt der Stadtanspannung gibt es als<br />
Einspänner- <strong>und</strong> als Zweispännergeschirr.<br />
Der Vierspänner ist aus der Sicht der Anspannung<br />
nichts weiter als zwei Zweispänner mit<br />
kleinen Ergänzungen am Geschirr der Hinterpferde.<br />
Das Einspännergeschirr ist vom<br />
Prinzip der Funktionalität anders als das<br />
Zweispännergeschirr, da die Deichsel, die je<br />
nach Bauart des Wagens<br />
als Gabel, als<br />
Schere oder aus zwei<br />
einzelnen Londen<br />
besteht, vom Selett,<br />
d.h. über den Rücken<br />
getragen wird. Die<br />
Zweispännerdeichsel<br />
trägt sich hingegen<br />
meist selbst <strong>und</strong> ist<br />
nur durch die Aufhalter<br />
an der Deichsel-<br />
spitze relativ lose mit<br />
dem Geschirr verb<strong>und</strong>en.<br />
Die Zugkraft<br />
wird über das Kumt<br />
oder das Brustblatt <strong>und</strong> die daran befestigten<br />
Stränge auf den Wagen übertragen. Als Einspänner<br />
hat auch der einachsige Wagen seine<br />
Fre<strong>und</strong>e gef<strong>und</strong>en. Da der Einachser, wie der<br />
Sulky, die Gig oder das Tandem Cart in jedem<br />
Fall eine feste Deichsel hat, mit der das<br />
Pferd den Wagen im Gleichgewicht halten<br />
muss, soll am Rückenteil der Deichselaufhalter<br />
beweglich sein. Sonst könnte das Geschirr<br />
beim Fahren in unebenen Gelände Schmerzen<br />
beim Pferd verursachen.<br />
Bei jeder Anspannung <strong>und</strong> bei jedem täg-
Foto: Wego<br />
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Steffen Engelhard gewann in Redefin souverän die Prüfung der Zweipänner. Auch<br />
das Brückenhindernis war für den Fahrer vom RFV Kladrum kein Problem.<br />
Achenbach schon formulierte <strong>und</strong> die heute noch genauso gültig sind zu<br />
beachten: Die Anspannung muss immer sicher, zweckmäßig <strong>und</strong> pferdeschonend<br />
sein. Unter sicher ist immer auch verkehrssicher zu verstehen.<br />
Viele Kutschenunfälle passierten, weil entweder die <strong>Pferde</strong> nicht sicher,<br />
Traditionsfahren wird auf dem „Rittergut<br />
Lischow“ seit Jahren gepflegt. Am 5. Mai gibt es<br />
erneut ein Stelldichein vor dem Herrenhaus.<br />
Foto: schröder lichen Anspannen sind die drei Gr<strong>und</strong>voraussetzungen, die Benno von<br />
12 I <strong>Mecklenburger</strong> pferde – 04 I 13<br />
der Kutscher nicht sicher im Umgang oder aber die Anspannung inklusive<br />
Geschirr <strong>und</strong> Kutsche nicht sicher gewesen sind. Zur verkehrsgerechten<br />
Ausrüstung gehört heute die Bremse am Wagen, belastbares Material<br />
(nicht wurmstichig an den tragenden Teilen) <strong>und</strong> die Beleuchtung gem.<br />
Straßenverkehrszulassungsordnung, d.h. am Tage mit zwei R<strong>und</strong>en roten<br />
Rückstrahlern <strong>und</strong> je zwei gelben oder orangen Seitenreflektoren.<br />
Bei Fahrten in der Dunkelheit müssen mindestens zwei weiße aktive<br />
Lichter die Seitenbegrenzung kenntlich machen <strong>und</strong> ein rotes Rücklicht<br />
angebracht sein. Traditionell werden Kutschen im Traditionsfahrsport<br />
<strong>und</strong> auf dem Turnier in den Leistungsprüfungen auch am Tage mit Kutschenlampen<br />
ausgerüstet, die mit speziellen Kerzen bestückt sind. Dazu<br />
gehören dann die zwei großen weißen leuchtenden Lampen <strong>und</strong> die rote<br />
Rückleuchte.<br />
Das Gegenstück zur Stadtanspannung ist die Landanspannung. Die<br />
Basis dieser Anspannung ist das Brustblattgeschirr. Es unterscheidet<br />
sich vom Kumt dadurch, dass die Zugkraft des <strong>Pferde</strong>s mit dessen Brust<br />
auf die Stränge übertragen wird, wo hingegen das Kumt auf der gesamten<br />
Schulter <strong>und</strong> der Brust des <strong>Pferde</strong>s aufliegt. In Norddeutschland hat<br />
sich das Brustblattgeschirr sowohl im landwirtschaftlichen Einsatz als<br />
auch im Sport durchgesetzt. Es hat relativ viele Vorzüge dort, wo mehrere<br />
verschiedene <strong>Pferde</strong> eingespannt werden, denn es bietet wesentlich<br />
mehr Verschnallmöglichkeiten als das Kumtgeschirr. Somit kann das<br />
selbe Geschirr für verschieden kräftige <strong>Pferde</strong> immer passend verschnallt<br />
werden.<br />
Beim Verschnallen soll man nicht zu träge sein, denn je nach Bauart<br />
des Wagens kann sehr schnell die Lederstrupfe des Zweispännergeschirrs<br />
zwischen dem Kammdeckel auf dem <strong>Pferde</strong>rücken <strong>und</strong> der<br />
Strangschnalle zu kurz sein <strong>und</strong> die Last des Wagens könnte auf den<br />
Fotos: begall<br />
Rüdiger Schulz aus Neuhof (Insel Poel) gehört zu gestandenen Pony-Vierspännerfahrern (o.l.). Dagegen startete Nachwuchsfahrer Otto Schmicker (Dabel)<br />
mit seinem Vierspänner erfolgreich in seine erste Saison. Ein Routinier ist Steffen Engelhard an den Leinen der Zwei- <strong>und</strong> Vierspänner.<br />
Rücken drücken. Auch Aufhalter <strong>und</strong> Stränge sind so zu verschnallen,<br />
dass die <strong>Pferde</strong> sich relativ frei im Geschirr bewegen können, ohne dass<br />
der Wagen den <strong>Pferde</strong>n in „die Hacken“ laufen kann, bzw. der Wagen mit<br />
den Aufhaltern gezogen wird. Stilistisch gehört zum Brustblattgeschirr<br />
die Doppelringtrense oder die Postkandare. Als Peitsche war immer die<br />
Stockpeitsche vorgesehen. Im Turniersport ist mittlerweile aber auch<br />
die wirkungsvoller einsetzbare Bogenpeitsche stilistisch anerkannt.<br />
Diese vorgenannten Gr<strong>und</strong>sätze gelten schon seit Beginn der Anspannung<br />
unabhängig vom Wagentyp. Der Wagentyp hat sich mit der<br />
Möglichkeit des modernen Kutschenbaus aber doch erheblich verändert,<br />
obgleich die Variabilität der Kutschentypen um 1900 wesentlich größer<br />
war als heute. Die sehr vielen verschiedenen Wagentypen sehen wir heute<br />
nur noch, weil sie 100 <strong>und</strong> mehr Jahre überdauert haben sowie heute<br />
noch eingesetzt werden können. Die Fre<strong>und</strong>e alter Kutschen haben aber<br />
auch die Möglichkeiten sich Nachbauten mit heutigen Materialien <strong>und</strong><br />
nach heutigen Sicherheitsstandards anfertigen zu lassen. Der heutige<br />
Kutschenneubau orientiert sich an den Erfordernissen der Gesellschaft.<br />
Da stehen die wirtschaftlich orientierten Ausfahrten neben dem Fahren<br />
als Familiensport <strong>und</strong> dem ambitionierten Turnierfahrer.<br />
Der Planwagenfahrer braucht heute Wagen, die allen Sicherheitsstan-<br />
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04 I 13 – <strong>Mecklenburger</strong> pFerde I 13
Foto: schröder<br />
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Ein Hingucker ist die Postkutsche von Helmut Deutschkämer. Der Dabeler<br />
fährt am 1. Juni bis 3. Juli von der Insel Rügen bis zur Zugspitze.<br />
dards entsprechen. Diese Wagen müssen dem TÜV vorgestellt werden<br />
<strong>und</strong> regelmäßig gewartet werden. Für die Fahrerfamilie <strong>und</strong> dem Freizeitfahrer<br />
steht die beschauliche Ausfahrt im Mittelpunkt. Dafür bietet<br />
sich der luftbereifte Wagen an, der in der Ausführung als Wagonette sehr<br />
beliebt ist. Sie hat einen rückwärtigen Einstieg <strong>und</strong> seitliche Sitzbänke.<br />
Der Kutscher kann mit einem Gast vorne sitzen. Luftbereifte Wagen<br />
sind auch als Trainingswagen beliebt. Der Turnierfahrer fre<strong>und</strong>et sich<br />
aber auch schnell mit der Hartgummibereifung an, die für Leistungsprüfungen<br />
bis ins Jahr 2012 gr<strong>und</strong>sätzlich vorgeschrieben war. Wer<br />
mal einen Reifen platzen gehört hat, hat Vorstellungen davon, welche<br />
Auswirkungen die Luftbereifung haben kann. Im Turniersport unterscheidet<br />
man zwischen zwei Wagenarten, dem Marathonwagen für die<br />
Geländeprüfungen <strong>und</strong> dem Dressurwagen. Als Dressurwagen sind<br />
alle herrschaftlichen Wagentypen zugelassen, sei es als leichter Spider,<br />
als Break oder als Wagonette. Für Turniereinsteiger sind Kombitypen<br />
entwickelt worden, die als Marathonwagen geeignet sind, aber mit dem<br />
hinten angebrachten Beifahrersitz wie ein Spider in der Dressur wirken<br />
können oder hinten längere Sitzbänke haben, die der Wagonette nach zu<br />
empfinden sind.<br />
Der Fahrsport ist sehr beliebt <strong>und</strong> strahlt auf viele eine Ruhe aus, die<br />
aber nicht zum Leichtsinn führen darf. Deshalb ist zu empfehlen, dass<br />
derjenige, der gerne seine <strong>Pferde</strong> mal anspannen möchte sich zunächst<br />
Rat holt. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es über 15 ausgebildete<br />
Fahrtrainer mit einer gültigen DOSB-Lizenz. Landestrainer Jörg Cröger<br />
(Schwinkendorf) bietet regelmäßig Lehrgänge für Nachwuchs- <strong>und</strong><br />
14 I <strong>Mecklenburger</strong> pferde – 04 I 13<br />
routinierte Fahrer an. In Dabel, Ganschow, Groß Nieköhr, Heidekrug,<br />
Neustrelitz, Redefin, Viervitz, Warsow <strong>und</strong> Woldegk werden Lehrgänge<br />
zum Erwerb eines Fahrabzeichens angeboten. Mit regelmäßigen praktischen<br />
Fahrst<strong>und</strong>en, vergleichbar zu Reitst<strong>und</strong>en, kann die Praxis gefestigt<br />
werden. Auch die Versicherungen wissen um den Wert einer soliden<br />
Ausbildung <strong>und</strong> bieten für Inhaber von Fahrabzeichen häufig günstigere<br />
Tarife an, denn das Unfallrisiko lässt sich durch Fachwissen mindern.<br />
Königsdiziplin „four in hand“<br />
<strong>Pferde</strong> oder Ponys kann man nach o.g. Gr<strong>und</strong>sätzen in verschiedenster<br />
Zahl anspannen. Die Basis bildet immer der Ein- oder der Zweispänner.<br />
Die Königsdisziplin ist das Vierspännigfahren. Dabei gehen zwei <strong>Pferde</strong>paare<br />
jeweils voreinander. Jedes Paar(Vorderpferde + Hinterpferde)<br />
wird separat mit jeweils einer Leine gelenkt. Der Fahrer hat somit zwei<br />
Leinenpaare, d.h. vier Leinen in der Hand , daher heißt die Vierspänner-<br />
Disziplin auf englisch auch „four in hand“.<br />
Ähnlich in der Leinenführung ist das Tandemfahren. Dort geht nur jeweils<br />
ein Pferd (das meist etwas zierlichere Vorderpferd) vor dem anderen,<br />
dem Stangenpferd. Dieses ist stilecht dann in der Deichsel eine Tandemcart.<br />
Sie gehört zu den herrschaftlichen Fahrzeugen <strong>und</strong> ist schon aus<br />
berühmten Gemälden des 19. Jahrh<strong>und</strong>ert aus Frankreich bekannt. Eine<br />
Tandemcart hebt sich durch die großen Speichenräder hervor, die den<br />
Zweck haben, dem Kutscher die Übersicht über das Pferd zu ermöglichen.<br />
Foto: Wego<br />
Jörg Cröger (Schwinkendorf) gehört zu den erfolgreichen Zweispänner-Fahrern<br />
im Land. Der amtierende Landesmeister ist auch ein gefragter Trainer.<br />
Weitere Anspannungsarten wie Sechsspänner oder Random bauen<br />
sich auf die anderen Basisanspannungen auf. Sie werden aber nur selten<br />
auf Veranstaltungen gezeigt. Im heutigen Straßenverkehr ist ihr Einsatz<br />
auch etwas bedenklich. Die aktive Fahrerin, Richterin <strong>und</strong> Buchautorin<br />
Angelika Dreckmann-Hilken aus Hamburg hat sich der Anspannungsart<br />
ganz verschrieben <strong>und</strong> setzt sich für die Fortführung ein.<br />
Traditionsfahren<br />
Neben dem Turniersport spielt der Freizeitsport Fahren eine viel gewichtigere<br />
Rolle. Die Fahrfre<strong>und</strong>e treffen sich zu Ausfahrten durch die<br />
Landschaft. Diese Form der Freizeitgestaltung ist ein klassischer Familiensport<br />
mit einem großen Geselligkeitswert. Alle diese Veranstaltungen<br />
leben aber von dem großen ehrenamtlichen Engagement Einzelner<br />
<strong>und</strong> der Hoffnung auf Unterstützung durch die Gesetzgebung in Sachen<br />
Fahren in Feld <strong>und</strong> Wald.<br />
Auf dem „ Rittergut Lischow“ bei Wismar treffen sich beispielsweise<br />
regelmäßig Freizeit-Fahrer. Am Sonntag, 5. Mai, werden ab 10 Uhr Ein-,<br />
Zwei- <strong>und</strong> Vierspänner vor dem Herrenhaus sich ein Stelldichein geben.<br />
Bei den historischen Kutschen geht es hauptsächlich um alte Modelle <strong>und</strong><br />
Nachbauten, die „stilgerecht“ im Typ sein sollen. Alle Kutschen <strong>und</strong> dazugehörende<br />
typische Kleidung werden entsprechend bewertet <strong>und</strong> prämiert.<br />
Darüber hinaus ist das gesamte Wochenende (1.-5. Mai) in Lischow<br />
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man die Natur in Ihrer ganzen Pracht genießen.<br />
vom Gespannfahren geprägt. Auf dem Programm stehen eine zwanglose<br />
Geländefahrt auf dem Pilgerweg zum Stausee <strong>und</strong> zum Kneipenstop<br />
nach Alt Bukow, eine Fahrt an die Ostsee zum „Salzhaff“ mit Halt an der<br />
Fischerhütte, Ausfahrten nach Karte (auch im Konvoi) <strong>und</strong> der Besuch<br />
des Kutschenmuseums mit fachlichen Hinweisen auf Details von Florian<br />
Staudner (internationaler Restaurator aus Wien). Weitere Infos im<br />
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04 I 13 – <strong>Mecklenburger</strong> pFerde I 15<br />
Foto: sieltec gmbh