Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs

Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs

24.07.2013 Aufrufe

S. Schneider Die Graslandgesellschaften Luxemburgs 58 häufigste Calthion-Gesellschaft im Untersuchungsgebiet. Die Bestände der Calthion-Verbandsgesellschaft sind vorwiegend durch Nutzungsänderungen an Kennarten verarmt oder einfach aus standörtlichen Gründen artenärmer. Die pflanzensoziologische Zuordnung der Calthion-Bestände ist durch den Ausfall an Kennarten oft erschwert. Insgesamt konnten 488 Vegetationsaufnahmen dem Calthion zugeordnet werden, das sind etwa 40 % des gesamten Aufnahmematerials (vgl. Abb. A8, Anhang A). Die Gesellschaften des Calthion siedeln auf dauernd feuchten bis nassen, aber nicht dauernassen Böden. Dabei reicht das Spektrum von grundwasserbeeinflussten Böden (Gleye), über Staunässe geprägte Pseudogleye bis hin zu Anmoorböden. Dauer und Grad der Vernässung sowie die Schwankungsamplitude des Grundwassers sind die entscheidenden Faktoren. Damit verbunden ist auch eine stark variierende Nährstoff- und Basenversorgung der Böden: von mesotroph bis eutroph, von basenarm bis basenreich (Dierschke & Briemle 2002, Dierschke et al. 2004). Es lassen sich zwei Gruppen von Feuchtwiesen ausgliedern: die krautreichen Feuchtwiesen auf basen- und nährstoffreichen Böden und die Wiesen mit einem höheren Anteil an Sauergräsern (Waldsimsen- und Waldbinsen-Wiesen) auf basenarmen, nassen und nährstoffärmeren Standorten (Klapp 1965, Dierschke et al. 2004). Gesellschaften des Calthion sind in Luxemburg landesweit verbreitet. Dabei sind einige eher an das Ösling gebunden, andere haben ihren Verbreitungsschwerpunkt im Gutland. Das Angelico-Cirsietum oleracei, das Bromo-Senecionetum aquatici und die Carex disticha-Gesellschaft haben ihren Schwerpunkt im Gutland, während das Crepido-Juncetum acutiflori und die Bistorta officinalis-Gesellschaft nur im Ösling vorkommen. Generell gibt es in Luxemburg recht viele großflächige, ausgedehnte Feuchtwiesengebiete (Abb. 16) (z. B. in den Naturräumen Südliches Gutland, Rebierger Gutland, Alzette-, Attert- und Mittelsauertal). Die Gesellschaften des Calthion verzahnen oft mit dem Arrhenatheretum elatioris, mit Flutrasen-Gesellschaften, Kleinseggenrieden (Caricetum nigrae) und Magnocaricion-Gesellschaften. Der Norden Luxemburgs zeigt das gesamte Spektrum an Brachestadien hinsichtlich Alter und Ausprägung. Man findet sie häufig in Bachtälern und Schutzgebieten. Die Dominanzbestände stellen größtenteils stabile Gesell- schaften dar. Gehölze können sich meist erst nach langer Zeit etablieren (Dierschke & Briemle 2002). Die Nutzung der Feuchtwiesen ist sehr unterschiedlich. Der Großteil wird ein- bis zweimal jährlich gemäht. Gelegentlich werden sie beweidet oder nach der ersten Mahd nachbeweidet (Mähweide). Die nassesten Flächen fallen heute zunehmend aus der Nutzung. Bestände, die früher mit der Sense gemäht wurden, können heute nicht mehr mit den schweren Maschinen befahren werden. Insgesamt ist die derzeitige wirtschaftliche Bedeutung der Feuchtwiesen stark rückläufig (Dierschke et al. 2004). Gefährdet sind die Calthion- Gesellschaften sowohl durch Nutzungsintensivierung als auch Nutzungsaufgabe. Entwässerungsmaßnahmen, intensive Düngung sowie häufigere und frühere Schnitttermine haben zum Rückgang der artenreichen Calthion-Gesellschaften zugunsten von Arrhenatheretalia-Gesellschaften und vor allem intensiv genutzter Ansaaten in den letzten Jahrzehnten geführt. Typische Feucht- wiesenpflanzen werden zurückgedrängt und es entwickeln sich artenarme, von wenigen Obergräsern dominierte Bestände. Der Rückgang der genutzten Feuchtwiesen zeigt sich auf der anderen Seite z. B. in vielen Bachtälern des Öslings, wo große Feuchtwiesengebiete brachliegen. Alle Feuchtwiesen und Brachestadien des Calthion sind als geschützte Biotoptypen im Art. 17 des luxemburgischen Naturschutzgesetzes verankert (Loi du 19 janvier 2004 concernant la protection de la nature et des ressources naturelles). Sie gelten erst ab einer Mindestgröße von 1000 m² und nur in ihrer besten Ausprägung als geschützt, sofern sie die für die Bewertungskategorie A erforderliche Artenzusammensetzung und Struktur haben (Ministère de l'environnement 2006, Naumann 2009). Die hier dokumentierten Brachegesellschaften zeigen große floristische Ähnlichkeit zu denen von Ruthsatz & Kraß (1998) aus dem Hunsrück sowie von Wolf (1979) aus dem Westerwald beschriebenen Feuchtgrünlandbrachen. In Luxemburg kommen noch weitere Dominanzgesellschaften vor, die hier nicht näher beschrieben sind: die Lysimachia vulgaris-Gesellschaft und die Molinia caerulea-Gesellschaft. Diese Gesellschaften treten sehr kleinflächig innerhalb von Nassbrachenkomplexen auf. Beide kennzeichnenden Arten kommen auch in anderen Vegetationseinheiten vor z. B. im Crepido-Juncetum acutiflori, in Ferrantia66 / 2011

S. Schneider Die Graslandgesellschaften Luxemburgs der Filipendula ulmaria-Gesellschaft, in der Scirpus sylvatica-Gesellschaft sowie in den Magnocaricion- Gesellschaften. In die Beschreibung der Brachestadien von Feuchtwiesen sind auch ältere Aufnahmen aus den 1970er Jahren eingeflossen. Sie stammen aus bereits zu jener Zeit bedeutenden „Feuchtgebieten“ Luxemburgs (Faber 1975). 4.3.2 Angelico-Cirsietum oleracei Tx. 1937 nom. inv. (Kohldistel- Wiese) Tab. C4, Abb. A18 Aspekt und Struktur Kohldistel-Wiesen werden durch die namensgebende Art Cirsium oleraceum (Abb. 17) charakterisiert. Die Blühaspekte werden durch eine Vielzahl an leuchtend blühenden Kräutern geprägt. Während mehrerer Geländebegehungen konnten die verschiedenen Blühphasen beobachtet werden. Zu Beginn blühen – wie in den übrigen Calthion-Gesellschaften auch – Caltha palustris und Ferrantia66 / 2011 Abb. 16: Feuchtwiesenkomplex bei Mamer. Foto: S. Schneider, 21.05.2008. Cardamine pratensis. Vor allem die Sumpfdotterblume setzt in die ansonsten noch unscheinbaren, fast homogen grünen Wiesen leuchtend gelbe Akzente. Alsbald wird dieser Aspekt durch die violetten Blüten von Dactylorhiza maculata abgelöst, zusammen mit einigen Gräsern wie Alopecurus pratensis. Besonders auf den kaum oder gar nicht gedüngten extensiv genutzten Wiesen sind sehr viele Knabenkräuter zu beobachten, speziell auf den Kohldistel-Wiesen bei Koedange (Pönn). Dann sind die ersten markanten Blätter der Kohldistel bereits zu erkennen (Abb. 18). Im späteren Verlauf kennzeichnet das Gelb von Ranunculus acris die Bestände. Im Juni werden die Wiesen von den rosaroten Blüten der Lychnis floscuculi bestimmt. Zu diesem Zeitpunkt erfolgt in einigen Fällen bereits die erste Mahd, wobei die nassen Standorte erst Mitte Juli gemäht werden. Nach der Mahd (Juli/August) bilden die Stauden – in besonderer Weise Cirsium oleraceum – den für die Assoziation bezeichnenden Blühaspekt (Abb. 19). Zwischen ihren gelb-grünen Blüten stechen die weißen Blüten von Angelica sylvestris hier und da hervor. Im späten August lassen sich dann noch die hellrosafarbenen Blüten von Colchicum autumnale entdecken. Wie Dierschke 59

S. Schneider <strong>Die</strong> <strong>Graslandgesellschaften</strong> <strong>Luxemburgs</strong><br />

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häufigste Calthion-Gesellschaft im Untersuchungsgebiet.<br />

<strong>Die</strong> Bestände der Calthion-Verbandsgesellschaft<br />

sind vorwiegend durch Nutzungsänderungen<br />

an Kennarten verarmt oder einfach aus standörtlichen<br />

Gründen artenärmer. <strong>Die</strong> pflanzensoziologische<br />

Zuordnung der Calthion-Bestände ist durch<br />

den Ausfall an Kennarten oft erschwert. Insgesamt<br />

konnten 488 Vegetationsaufnahmen dem Calthion<br />

zugeordnet werden, das sind etwa 40 % des gesamten<br />

Aufnahmematerials (vgl. Abb. A8, Anhang A).<br />

<strong>Die</strong> Gesellschaften des Calthion siedeln auf dauernd<br />

feuchten bis nassen, aber nicht dauernassen<br />

Böden. Dabei reicht das Spektrum von grundwasserbeeinflussten<br />

Böden (Gleye), über Staunässe<br />

geprägte Pseudogleye bis hin zu Anmoorböden.<br />

Dauer und Grad der Vernässung sowie die<br />

Schwankungsamplitude des Grundwassers sind<br />

die entscheidenden Faktoren. Damit verbunden<br />

ist auch eine stark variierende Nährstoff- und<br />

Basenversorgung der Böden: von mesotroph bis<br />

eutroph, von basenarm bis basenreich (<strong>Die</strong>rschke<br />

& Briemle 2002, <strong>Die</strong>rschke et al. 2004). Es lassen<br />

sich zwei Gruppen von Feuchtwiesen ausgliedern:<br />

die krautreichen Feuchtwiesen auf basen- und<br />

nährstoffreichen Böden und die Wiesen mit einem<br />

höheren Anteil an Sauergräsern (Waldsimsen-<br />

und Waldbinsen-Wiesen) auf basenarmen, nassen<br />

und nährstoffärmeren Standorten (Klapp 1965,<br />

<strong>Die</strong>rschke et al. 2004).<br />

Gesellschaften des Calthion sind in Luxemburg<br />

landesweit verbreitet. Dabei sind einige eher<br />

an das Ösling gebunden, andere haben ihren<br />

Verbreitungsschwerpunkt im Gutland. Das<br />

Angelico-Cirsietum oleracei, das Bromo-Senecionetum<br />

aquatici und die Carex disticha-Gesellschaft<br />

haben ihren Schwerpunkt im Gutland, während<br />

das Crepido-Juncetum acutiflori und die Bistorta<br />

officinalis-Gesellschaft nur im Ösling vorkommen.<br />

Generell gibt es in Luxemburg recht viele<br />

großflächige, ausgedehnte Feuchtwiesengebiete<br />

(Abb. 16) (z. B. in den Naturräumen Südliches<br />

Gutland, Rebierger Gutland, Alzette-, Attert- und<br />

Mittelsauertal). <strong>Die</strong> Gesellschaften des Calthion<br />

verzahnen oft mit dem Arrhenatheretum elatioris,<br />

mit Flutrasen-Gesellschaften, Kleinseggenrieden<br />

(Caricetum nigrae) und Magnocaricion-Gesellschaften.<br />

Der Norden <strong>Luxemburgs</strong> zeigt das<br />

gesamte Spektrum an Brachestadien hinsichtlich<br />

Alter und Ausprägung. Man findet sie häufig in<br />

Bachtälern und Schutzgebieten. <strong>Die</strong> Dominanzbestände<br />

stellen größtenteils stabile Gesell-<br />

schaften dar. Gehölze können sich meist erst nach<br />

langer Zeit etablieren (<strong>Die</strong>rschke & Briemle 2002).<br />

<strong>Die</strong> Nutzung der Feuchtwiesen ist sehr unterschiedlich.<br />

Der Großteil wird ein- bis zweimal<br />

jährlich gemäht. Gelegentlich werden sie beweidet<br />

oder nach der ersten Mahd nachbeweidet<br />

(Mähweide). <strong>Die</strong> nassesten Flächen fallen heute<br />

zunehmend aus der Nutzung. Bestände, die früher<br />

mit der Sense gemäht wurden, können heute<br />

nicht mehr mit den schweren Maschinen befahren<br />

werden. Insgesamt ist die derzeitige wirtschaftliche<br />

Bedeutung der Feuchtwiesen stark rückläufig<br />

(<strong>Die</strong>rschke et al. 2004). Gefährdet sind die Calthion-<br />

Gesellschaften sowohl durch Nutzungsintensivierung<br />

als auch Nutzungsaufgabe. Entwässerungsmaßnahmen,<br />

intensive Düngung sowie<br />

häufigere und frühere Schnitttermine haben zum<br />

Rückgang der artenreichen Calthion-Gesellschaften<br />

zugunsten von Arrhenatheretalia-Gesellschaften<br />

und vor allem intensiv genutzter Ansaaten in<br />

den letzten Jahrzehnten geführt. Typische Feucht-<br />

wiesenpflanzen werden zurückgedrängt und<br />

es entwickeln sich artenarme, von wenigen<br />

Obergräsern dominierte Bestände. Der Rückgang<br />

der genutzten Feuchtwiesen zeigt sich auf der<br />

anderen Seite z. B. in vielen Bachtälern des Öslings,<br />

wo große Feuchtwiesengebiete brachliegen.<br />

Alle Feuchtwiesen und Brachestadien des Calthion<br />

sind als geschützte Biotoptypen im Art. 17 des<br />

luxemburgischen Naturschutzgesetzes verankert<br />

(Loi du 19 janvier 2004 concernant la protection de<br />

la nature et des ressources naturelles). Sie gelten<br />

erst ab einer Mindestgröße von 1000 m² und nur in<br />

ihrer besten Ausprägung als geschützt, sofern sie die<br />

für die Bewertungskategorie A erforderliche Artenzusammensetzung<br />

und Struktur haben (Ministère<br />

de l'environnement 2006, Naumann 2009).<br />

<strong>Die</strong> hier dokumentierten Brachegesellschaften<br />

zeigen große floristische Ähnlichkeit zu denen von<br />

Ruthsatz & Kraß (1998) aus dem Hunsrück sowie<br />

von Wolf (1979) aus dem Westerwald beschriebenen<br />

Feuchtgrünlandbrachen.<br />

In Luxemburg kommen noch weitere Dominanzgesellschaften<br />

vor, die hier nicht näher beschrieben<br />

sind: die Lysimachia vulgaris-Gesellschaft und die<br />

Molinia caerulea-Gesellschaft. <strong>Die</strong>se Gesellschaften<br />

treten sehr kleinflächig innerhalb von Nassbrachenkomplexen<br />

auf. Beide kennzeichnenden<br />

Arten kommen auch in anderen Vegetationseinheiten<br />

vor z. B. im Crepido-Juncetum acutiflori, in<br />

<strong>Ferrantia</strong> • <strong>66</strong> / 2011

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