Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs

Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs

24.07.2013 Aufrufe

S. Schneider Die Graslandgesellschaften Luxemburgs 34 Unterschiede vor allem auf dem Wasserhaushalt (Balátová-Tuláčková et al. 1993). Untersuchungen dazu hat Balátová-Tuláčková (1978) gemacht. In Luxemburg sind die meisten Großseggenriede anthropogenen Ursprungs. Sie haben sich aus brach gefallenen oder selten noch genutzten Feucht- und Nasswiesen entwickelt und stellen Sukzessionsgesellschaften dar. Die Seggenriede sind überwiegend mit Feuchtwiesen sowie deren Brachestadien, teilweise auch mit Kleinseggenrieden, Röhrichten und Flutrasen verzahnt und liegen größtenteils innerhalb bewirtschaftetem oder nicht mehr genutztem Feuchtgrünland. Sie können sich in Folge langsam fortschreitender Sukzessionsprozesse zu Erlenbruch- und Erlensumpfwäldern entwickeln. Nur wenige Großseggen-Bestände im Gebiet siedeln auf von Natur aus waldfreien Primärstandorten. Die Primärgesellschaften sind typisch für flach überschwemmte, gelegentlich trockenfallende Verlandungszonen stehender und fließender Gewässer, die an die Röhrichte der Gewässerufer anschließen (Philippi 1974, Ellenberg 1996, Ruthsatz & Kraß 1998). Ihr natürliches Vorkommen ist nur kleinräumig und selten. Hingegen sind die von Großseggen geprägten Bestände anthropogenen Ursprungs in Luxemburg wie auch in anderen Gebieten deutlich häufiger. Mehrere Autoren der überregionalen Literatur beschreiben Großseggen- Riede als Brachestadien vernässter Standorte: Wolf (1979) aus dem Westerwald, Weißbecker (1993) aus dem Odenwald, Ruthsatz & Kraß (1998) aus dem westlichen Hunsrück und Nawrath (2005) aus dem Taunus. Um hervorzuheben, dass es sich bei vielen im Gebiet untersuchten Seggen-Beständen um Bracheausbildungen handelt, könnten die Riede als Gesellschaft und nicht als Assoziation gefasst werden. Dies wird aber in Anlehnung an die überregionale Literatur nicht vorgenommen. So beschreiben auch einige andere Autoren Großseggen-Brachen als Assoziationen nach dem bestehenden klassischen System (z. B. Schwickert 1992, Goebel 1995, Nawrath 2005). Alle Großseggen-Gesellschaften werden hier in einer Vegetationstabelle zusammengestellt (Tab. C1), da die Bestände floristisch ähnlich sind. Die Abbildung A9 zeigt die Lage der verwendeten Vegetationsaufnahmen aller Großseggenriede. Hin und wieder wird in Arbeiten aus Luxemburg das Vorkommen der stark gefährdeten Carex elata erwähnt. Diese Bestände werden in der vorlie- genden Arbeit nicht beschrieben, da noch geklärt werden muss, inwieweit es sich tatsächlich um Carex elata handelt und wie deren Verbreitung in Luxemburg ist. Dazu sind umfangreiche Nachbestimmungen, Vergleiche mit Pflanzenbelegen aus anderen Regionen oder genetische Untersuchungen erforderlich, da die Art horstig wachsenden Pflanzen von Carex nigra ähnelt. Merkmale der Großseggenriede in Luxemburg im Überblick Die Oberschicht wird von den großen Seggen sowie vereinzelt vorkommenden Hochstauden und Röhrichtpflanzen in 50 bis 140 cm Höhe gebildet. Die Mittelschicht wird u. a. von Arten der Feuchtwiesen eingenommen. Eine Unterschicht fehlt in der Regel. Für die Großseggenriede kennzeichnend ist die Ausbildung einer bis zu 5 bis 10 cm mächtigen, schwer abbaubaren Streuschicht. Horstig wachsende Seggen wie Carex paniculata bilden auffällig große Bulte und bestimmen damit ein charakteristisches Bild. Häufiger zeigen rasig wachsende Seggen wie Carex acuta wiesenähnliche Bestände. Neben der Ausbildung von Dominanzgesellschaften treten die meisten Großseggenarten häufig in noch genutzten Feuchtwiesen (Calthion) im Untersuchungsgebiet auf. Dann wachsen sie gewöhnlich als Einzel-Exemplare oder in kleineren Herden. Bei fehlender Nutzung gelangen sie aufgrund der effektiven vegetativen Ausbreitung (unterirdische Ausläufer) schnell zur Dominanz. So können unterschiedliche Sukzessionsstadien und Übergänge erfasst werden: von seggenreichen Ausbildungen der Feuchtwiesen bis hin zu Dominanzbeständen der einzelnen Seggen. Großseggenriede sind artenarm, die mittlere Artenzahl aller Aufnahmen der Großseggenriede beträgt 13. Die jeweilige Großsegge herrscht i. d. R. allein, mit hohen Deckungen (meist > 50 %) vor. Die Artenzusammensetzung der Begleitflora wird von unterschiedlichen Bedingungen beeinflusst. So wirkt sich die frühere Nutzung der brachliegenden Bestände auf das Vorkommen von Pflanzen des Wirtschaftsgrünlandes aus. In kürzlich brachgefallenen Beständen treten mehr Arten der Molinietalia auf als in bereits langjährig brachliegenden. Daneben können Pflanzen aus anderen Vegetationstypen in die Seggenriede einwandern. Somit ist auch die angrenzende Nutzung der umgebenden Flächen für die Ausbildung der Begleitflora von Ferrantia66 / 2011

S. Schneider Die Graslandgesellschaften Luxemburgs Bedeutung. Die Arten der Begleitflora erreichen zudem oft nur sehr geringe Deckungen. Kräuter kommen im Durchschnitt mit 10 bis 50 % Deckung vor, wobei Leguminosen fast ganz zurücktreten und üblicherweise weniger als 5 % bedecken. Am Aufbau der Großseggenriede sind neben der jeweils dominanten Großsegge weitere Arten des Magnocaricion und der Phragmito-Magnocaricetea beteiligt. In fast der Hälfte aller Aufnahmen kommt Galium palustre als Verbandskennart vor. Häufige (> 20 % Stetigkeit) Ordnungs- und Klassenkennarten sind Equisetum fluviatile, Iris pseudacorus und Phalaris arundinacea. Mentha aquatica, Phragmites australis, Persicaria amphibia, Lycopus europaeus und Epilobium parviflorum kommen mit Stetigkeiten bis 20 % vor. Deutlich seltener sind beispielweise Scutellaria galericulata und Typha latifolia. Es kommt eine Vielzahl an weiteren Arten der Röhrichte vor, allerdings mit weniger als 5 % Stetigkeit: z. B. Berula erecta, Sparganium erectum, Solanum dulcamara, Acorus calamus. Kennarten des Calthion-Verbandes und Arten der Molinietalia sind mit hohen Stetigkeiten und zum Teil auch hohen Deckungen verbreitet. Dieses Vorkommen zahlreicher Feucht- und Nasswiesenpflanzen belegt, dass die meisten Großseggenriede Luxemburgs Brachestadien sind. Gelegentlich treten nährstoffliebende Arten auf. Diese Nitrophyten und vor allem Arten der Röhrichte (Phragmito-Magnocaricetea) differenzieren die Großseggenriede von den Gesellschaften der Molinietalia. Die Magnocaricion- Gesellschaften zeigen floristische Ähnlichkeit mit den Feuchtbrachen-Gesellschaften des Calthion im Untersuchungsgebiet. Beispielsweise treten Nitrophyten in den nähstoffreicheren Ausbildungen der Feuchtbrachen auf, Arten der Molinietalia sind stete Begleiter der Feuchtbrachen wie auch der Großseggenriede. Die häufigsten Großseggen-Gesellschaften in Luxemburg sind die Carex acutiformis-Gesellschaft (belegt durch 25 Aufnahmen von 78 Aufnahmen des Magnocaricion) und das Caricetum gracilis. Die seltenste Großseggen-Gesellschaft ist das Caricetum paniculatae (mit 10 Aufnahmen belegt). Alle Großseggenriede sind nur kleinflächig ausgebildet. Oft sind sie nur wenige Quadratmeter groß, kommen als kleine Flecken oder als schmale Streifen im genutzten Grünland vor. Sie können durchaus auch großflächiger ausgebildet sein, vorwiegend in nicht regelmäßig genutzten Auenwiesen oder in Feuchtbrachen-Komplexen (z. B. im nördlichen Teil des Koedinger Brill bei Koedange). Großseggen- Bestände sind hauptsächlich in vernässten Mulden Ferrantia66 / 2011 oder Senken im Grasland sowie in versumpften Talniederungen ausgebildet. Sie treten aber auch auf schwach geneigten Hängen mit Hangwasser-Austritt oder Quellaustritten auf. Sehr häufig findet man sie im Auenbereich der Fließgewässer oder an Gräben, die gelegentlich über die Ufer treten. Auch im Verlandungsbereich von Stillgewässern sind sie zu finden. Die Bestände innerhalb des genutzten Graslandes werden zeitweise mit gemäht und sind etwas artenreicher. Im Gegensatz dazu stehen die schon sehr lange nicht mehr genutzten, verarmten Bestände, die oft nicht mehr als 10 Arten aufweisen. In Luxemburg treten Großseggenriede auch innerhalb von feuchten Viehweiden auf. Die hartblättrigen und rauen Blätter werden vom Vieh gemieden. Vermutlich waren Großseggenriede in Luxemburg, wie auch in anderen Gebieten früher wesentlich häufiger als heute. Entwässerungsmaßnahmen und andere Eingriffe wie Gewässerregulierungen haben zum Rückgang nasser Standorte und damit der Großseggenriede geführt. Ob dies bis in unsere Zeit durch das großflächige Brachfallen von Feucht- und Nassgrünlandflächen kompensiert werden konnte, ist hier nicht zu klären. Fest steht, dass Seggenriede in den 1970er Jahren relativ häufig in den Feuchtgebieten Luxemburgs verbreitet waren (s. Faber 1975). Aktuell sind die Mehrzahl der Großseggenriede in Luxemburg selten und gefährdet. Im Aufnahmematerial sind 20 gefährdete Arten vertreten. Alle Großseggenriede sind ab einer Mindestgröße von 100 m² nach Art. 17 des luxemburgischen Naturschutzgesetzes geschützt (Loi du 19 janvier 2004 concernant la protection de la nature et des ressources naturelles; Ministère de l'environnement 2006). Die Großseggenriede stellen sehr stabile Sukzessionsstadien dar. So konnten während des Untersuchungszeitraumes der vorliegenden Arbeit sowie in älteren Vegetationsaufnahmen kaum Gehölze beobachtet werden, nur sehr selten findet sich Jungwuchs von Weiden oder Erlen. Nach einigen Autoren (z. B. Schwickert 1992) sind die Standortbedingungen in Großseggenrieden für Gehölze zu ungünstig sowie die Konkurrenzkraft der Seggen zu hoch, sodass Gehölze kaum Fuß fassen können. Die nassesten Großseggenriede bedürfen demnach keiner Pflege, wohingegen die weniger nassen alle zwei bis vier Jahre im Herbst oder Winter gemäht und das Mahdgut abtransportiert werden soll (s. Briemle et al. 1991). Dies gilt in erster Linie für die floristisch besonders interessanten Großseggen- 35

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Unterschiede vor allem auf dem Wasserhaushalt<br />

(Balátová-Tuláčková et al. 1993). Untersuchungen<br />

dazu hat Balátová-Tuláčková (1978) gemacht.<br />

In Luxemburg sind die meisten Großseggenriede<br />

anthropogenen Ursprungs. Sie haben sich aus brach<br />

gefallenen oder selten noch genutzten Feucht- und<br />

Nasswiesen entwickelt und stellen Sukzessionsgesellschaften<br />

dar. <strong>Die</strong> Seggenriede sind überwiegend<br />

mit Feuchtwiesen sowie deren Brachestadien,<br />

teilweise auch mit Kleinseggenrieden, Röhrichten<br />

und Flutrasen verzahnt und liegen größtenteils<br />

innerhalb bewirtschaftetem oder nicht mehr<br />

genutztem Feuchtgrünland. Sie können sich in<br />

Folge langsam fortschreitender Sukzessionsprozesse<br />

zu Erlenbruch- und Erlensumpfwäldern<br />

entwickeln. Nur wenige Großseggen-Bestände im<br />

Gebiet siedeln auf von Natur aus waldfreien Primärstandorten.<br />

<strong>Die</strong> Primärgesellschaften sind typisch<br />

für flach überschwemmte, gelegentlich trockenfallende<br />

Verlandungszonen stehender und fließender<br />

Gewässer, die an die Röhrichte der Gewässerufer<br />

anschließen (Philippi 1974, Ellenberg 1996, Ruthsatz<br />

& Kraß 1998). Ihr natürliches Vorkommen ist nur<br />

kleinräumig und selten. Hingegen sind die von<br />

Großseggen geprägten Bestände anthropogenen<br />

Ursprungs in Luxemburg wie auch in anderen<br />

Gebieten deutlich häufiger. Mehrere Autoren der<br />

überregionalen Literatur beschreiben Großseggen-<br />

Riede als Brachestadien vernässter Standorte: Wolf<br />

(1979) aus dem Westerwald, Weißbecker (1993) aus<br />

dem Odenwald, Ruthsatz & Kraß (1998) aus dem<br />

westlichen Hunsrück und Nawrath (2005) aus dem<br />

Taunus.<br />

Um hervorzuheben, dass es sich bei vielen im Gebiet<br />

untersuchten Seggen-Beständen um Bracheausbildungen<br />

handelt, könnten die Riede als Gesellschaft<br />

und nicht als Assoziation gefasst werden. <strong>Die</strong>s wird<br />

aber in Anlehnung an die überregionale Literatur<br />

nicht vorgenommen. So beschreiben auch einige<br />

andere Autoren Großseggen-Brachen als Assoziationen<br />

nach dem bestehenden klassischen System<br />

(z. B. Schwickert 1992, Goebel 1995, Nawrath 2005).<br />

Alle Großseggen-Gesellschaften werden hier in<br />

einer Vegetationstabelle zusammengestellt (Tab.<br />

C1), da die Bestände floristisch ähnlich sind. <strong>Die</strong><br />

Abbildung A9 zeigt die Lage der verwendeten<br />

Vegetationsaufnahmen aller Großseggenriede.<br />

Hin und wieder wird in Arbeiten aus Luxemburg<br />

das Vorkommen der stark gefährdeten Carex elata<br />

erwähnt. <strong>Die</strong>se Bestände werden in der vorlie-<br />

genden Arbeit nicht beschrieben, da noch geklärt<br />

werden muss, inwieweit es sich tatsächlich um<br />

Carex elata handelt und wie deren Verbreitung<br />

in Luxemburg ist. Dazu sind umfangreiche<br />

Nachbestimmungen, Vergleiche mit Pflanzenbelegen<br />

aus anderen Regionen oder genetische<br />

Untersuchungen erforderlich, da die Art horstig<br />

wachsenden Pflanzen von Carex nigra ähnelt.<br />

Merkmale der Großseggenriede in Luxemburg<br />

im Überblick<br />

<strong>Die</strong> Oberschicht wird von den großen Seggen<br />

sowie vereinzelt vorkommenden Hochstauden<br />

und Röhrichtpflanzen in 50 bis 140 cm Höhe<br />

gebildet. <strong>Die</strong> Mittelschicht wird u. a. von Arten<br />

der Feuchtwiesen eingenommen. Eine Unterschicht<br />

fehlt in der Regel. Für die Großseggenriede<br />

kennzeichnend ist die Ausbildung einer<br />

bis zu 5 bis 10 cm mächtigen, schwer abbaubaren<br />

Streuschicht. Horstig wachsende Seggen wie<br />

Carex paniculata bilden auffällig große Bulte und<br />

bestimmen damit ein charakteristisches Bild.<br />

Häufiger zeigen rasig wachsende Seggen wie<br />

Carex acuta wiesenähnliche Bestände.<br />

Neben der Ausbildung von Dominanzgesellschaften<br />

treten die meisten Großseggenarten<br />

häufig in noch genutzten Feuchtwiesen (Calthion)<br />

im Untersuchungsgebiet auf. Dann wachsen sie<br />

gewöhnlich als Einzel-Exemplare oder in kleineren<br />

Herden. Bei fehlender Nutzung gelangen sie<br />

aufgrund der effektiven vegetativen Ausbreitung<br />

(unterirdische Ausläufer) schnell zur Dominanz.<br />

So können unterschiedliche Sukzessionsstadien<br />

und Übergänge erfasst werden: von seggenreichen<br />

Ausbildungen der Feuchtwiesen bis hin zu<br />

Dominanzbeständen der einzelnen Seggen.<br />

Großseggenriede sind artenarm, die mittlere<br />

Artenzahl aller Aufnahmen der Großseggenriede<br />

beträgt 13. <strong>Die</strong> jeweilige Großsegge herrscht i. d. R.<br />

allein, mit hohen Deckungen (meist > 50 %) vor.<br />

<strong>Die</strong> Artenzusammensetzung der Begleitflora wird<br />

von unterschiedlichen Bedingungen beeinflusst. So<br />

wirkt sich die frühere Nutzung der brachliegenden<br />

Bestände auf das Vorkommen von Pflanzen des<br />

Wirtschaftsgrünlandes aus. In kürzlich brachgefallenen<br />

Beständen treten mehr Arten der Molinietalia<br />

auf als in bereits langjährig brachliegenden.<br />

Daneben können Pflanzen aus anderen Vegetationstypen<br />

in die Seggenriede einwandern. Somit ist<br />

auch die angrenzende Nutzung der umgebenden<br />

Flächen für die Ausbildung der Begleitflora von<br />

<strong>Ferrantia</strong> • <strong>66</strong> / 2011

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