Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs

Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs

24.07.2013 Aufrufe

S. Schneider Die Graslandgesellschaften Luxemburgs Des öfteren entdeckt man – zwischen intensiv genutzten Wiesen und Weiden – sehr kleinflächige, stark verbuschte Flächen, die noch mit wenigen typischen Arten an Halbtrockenrasen erinnern. Floristisch sehr ähnliche Kalk-Halbtrockenrasen sind auf den Keuper-Scharren im Bitburger Gutland (Rheinland-Pfalz) ausgebildet. Dort gibt es noch über 20 Scharren, wovon einige als Naturschutzgebiete geschützt sind (Steiniger 1986). Aspekte des Naturschutzes Halbtrockenrasen gehören zu den wertvollsten und stark gefährdeten Gesellschaften des Graslandes von Luxemburg. Ihr enormer Artenreichtum, die Vielzahl an gefährdeten und seltenen Arten, darunter zahlreiche Orchideen-Arten sowie die große Zahl an Magerkeitszeigern, machen sie zu einem besonders schutzwürdigen Vegetationstyp. Mit 38 Arten der Roten Liste (s. Tab. A5 und A6, Anhang A) weisen die untersuchten Halbtrockenrasen die größte Anzahl an gefährdeten Arten aller Graslandgesellschaften auf. Die artenreichen Magerrasen als Lebensraum samt ihrer seltenen Pflanzen- und Tierarten haben eine große Bedeutung im Naturschutz. Halbtrockenrasen sind Lebensraum und Nahrungsquelle für eine Vielzahl an Tierarten. Dazu liegen einige lokale Untersuchungen, besonders zur Insektenfauna der Halbtrockenrasen in Luxemburg vor (z. B. Inventare von Reichling, Braunert, Meyer in Mersch & Weber 1993, Kirpach 1988, Junck et al. 1994, Hermann 1998, Gerend 2000). Auch wenn die Kalk-Halbtrockenrasen heute noch relativ häufig sind, stellen sie nur noch Restflächen ehemals weit verbreiteter Magerrasen dar. Da das Interesse an einer Nutzung dieser schwach wüchsigen Magerrasen nahezu vollständig verschwunden ist, sind sie schon vor vielen Jahrzehnten brach gefallen. Daher sind die heutigen Flächen unterschiedlich stark verfilzt, versaumt oder verbuscht (s. Artenzusammensetzung). Die Hauptgefährdungsursache besteht in der Nutzungsaufgabe und der damit einsetzenden Sukzession. In den nicht mehr genutzten oder nur sehr extensiv beweideten Halbtrockenrasen kann vor allem die Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum) vorherrschen. Saumpflanzen aus den Trifolio-Geranietea sanguinei wandern ein, Gehölze fassen rasch Fuß und es stellt sich ein Verbuschungsstadium ein. Besonders rasch 188 breiten sich Sträucher wie Prunus spinosa, Crataegus monogyna, Rosa canina sowie einige Bäume, Quercus robur, Q. petraea und Carpinus betulus aus. Aufgrund der dadurch veränderten Konkurrenzund mikroklimatischen Verhältnisse, werden die auf offene Standorte angewiesenen Magerrasenpflanzen verdrängt. Einige Flächen werden heute wieder durch Schafe beweidet, um eine vollständige Verbuschung zu verhindern. Allerdings erfolgt dies meist mit wenigen Schafen und nur für kurze Zeit. Diese Unterbeweidung kann die fortschreitende Verbuschung nicht auf Dauer aufhalten. Eine weitere Gefährdung besteht in der Umwandlung in gedüngte, intensiv genutzte Wiesen oder Viehweiden. Eine große Gefährdung stellt zudem die Eutrophierung dar. Umfangreiche Untersuchungen zu den Auswirkungen von Nährstoffeinträgen auf Halbtrockenrasen in der Kalkeifel, Moseleifel und im Bitburger Gutland hat Neitzke (1993) durchgeführt. Sie fordert bei einer direkt an einen Halbtrockenrasen angrenzenden Nutzungsfläche die Anlage eines Grünlandstreifens als Pufferzone, in der eine Düngung unbedingt unterbleiben sollte. Eines der wichtigsten Instrumente zur Erhaltung von Halbtrockenrasen ist die Ausweisung von Naturschutzgebieten. Es gibt bislang acht Naturschutzgebiete, die als „réserve naturelle pelouse sèche“ dem Schutz von Halbtrockenrasen dienen. So ist mittlerweile allgemein bekannt, dass für deren Erhaltung geeignete Bewirtschaftungsoder Pflegemaßnahmen unabdingbar sind. Dazu zählt die Wiederaufnahme einer Nutzung z. B. der Schafbeweidung oder Mahd. Die Beweidung sollte aber unbedingt regelmäßig, mäßig intensiv und über längere Zeitphasen durchgeführt werden. Zudem sollten Gehölze (Schlehen, Kiefern etc.) immer wieder entfernt werden, wenigstens auf den wertvollsten Flächen. Wanderschäferei wäre empfehlenswert, da die ziehenden Schafherden den Diasporeneintrag positiv beeinflussen können (Janßen 1992). Zahlreiche Pflege- und Entwicklungspläne für Halbtrockenrasen in Luxemburg geben geeignete Vorschläge zu Pflegemaßnahmen für ausgewählte Flächen (z. B. Weber & Mersch 1995, Colling et al. 1998, Faber et al. 2000, Krippel 2001, Naumann et al. 2004d). Steinbach (u. a. 2003) untersucht seit einigen Jahren die Auswirkungen der Beweidung auf die Vegetation der Kalk-Halbtrockenrasen im Gebiet Weimericht. Ferrantia66 / 2011

S. Schneider Die Graslandgesellschaften Luxemburgs Magerrasen sind Zeugen früherer Landnutzungsformen und sollten als Kulturdenkmal bewahrt werden. Alle Kalk-Magerrasen ab einer Mindestgröße von 100 m² sind nach Art. 17 des aktuellen Naturschutzgesetzes geschützt (Loi du 19 janvier 2004 concernant la protection de la nature et des ressources naturelles; Ministère de l'environnement 2006). Sie gehören nach Anhang I der FFH-Richtlinie zu den geschützten Lebensraumtypen (Natura 2000-Code 6210, Subtyp 6212, FFH-Richtlinie 92/43/EWG, Ssymank et al. 1998). Prioritär sind dabei besonders die orchideenreichen Bestände, wie sie auch in Luxemburg ausgeprägt sind. 4.10 Borstgrasrasen (Violion caninae) 4.10.1 Allgemeines und syntaxonomische Einordnung Die luxemburgischen Borstgrasrasen werden der Ordnung Nardetalia strictae Preising 1950 (Borstgrasrasen) innerhalb der Klasse der Calluno- Ulicetea Braun-Blanquet et Tüxen 1943 ex Klika et Hadac 1942 (Borstgrasrasen und Zwergstrauchheiden) zugeordnet. In der Literatur ist oft die Bezeichnung Nardo-Callunetea Preising 1949 gebräuchlich, die aber nach Peppler-Lisbach & Petersen (2001) nicht mehr gültig ist. Die Ordnung Nardetalia wurde nach Peppler-Lisbach & Petersen (2001) erstmals von Oberdorfer (1949) beschrieben, ihre Gültigkeit erlangte sie durch die Validierung durch Preising (1950). Den Nardetalia werden zwei Verbände untergeordnet: Violion caninae Schwickerath 1944 (Borstgrasrasen der planaren bis montanen Stufe) und Nardion strictae Br.-Bl. 1926 (Borstgrasrasen der hochmontanen bis alpinen Stufe). In Luxemburg kommen lediglich Gesellschaften des Verbandes Violion caninae Schwickerath 1944 vor. Die ersten Beschreibungen von Assoziationen des Violion caninae gehen auf Schwickerath (1944) zurück, der ein Meum athamanticum-reiches Arnicetum montanae und ein Luzuletum multiflorae aus dem Hohen Venn beschreibt (s. Schwickerath 1944, Dierschke & Vogel 1981, Peppler 1992, Peppler-Lisbach & Petersen 2001). Schwickerath (1944) weist daraufhin, dass Arnika in der ganzen Ferrantia66 / 2011 Eifel eine große Verbreitung hat und begründet damit die Benennung der Gesellschaft. Das Arnicetum montanae kommt nach Schwickerath (1944) in der Schneifel, im Hunsrück und der gesamten Eifel vor. Nach Peppler-Lisbach & Petersen (2001) u. a. ist das Arnicetum montanae Schwickerath 1944 die vermutlich älteste gültige Beschreibung dieses Typs. Der Violion-Verband wird von Peppler-Lisbach & Petersen (2001) in zwei Unterverbände unterteilt: Violenion caninae Peppler-Lisbach et Petersen 2001 (artenreiche, bodenfrische Borstgrasrasen der planaren bis montanen Stufe) und Juncenion squarrosi Oberdorfer 1957 (bodenfeuchte Borstgrasrasen der planaren bis montanen Stufe). Das Violenion ist gegenüber dem Juncenion neben einigen Kennarten durch zahlreiche Differentialarten abgetrennt. Innerhalb des Violenion-Unterverbandes werden nach Peppler-Lisbach & Petersen (2001) vier Assoziationen unterschieden. Im Untersuchungsgebiet kommt lediglich das Polygalo vulgaris- Nardetum strictae Oberdorfer 1957 nom. conserv. propos. (kurz: Polygalo-Nardetum, Kreuzblumen- Borstgrasrasen) vor. Eine weitere ist beispielsweise das Festuco rubrae-Genistelletum sagittalis Issler 1929 (Flügelginster-Borstgrasrasen). Diese beiden Assoziationen unterscheiden sich nach Peppler-Lisbach & Petersen (2001) floristisch wenig. Das Festuco rubrae-Genistelletum sagittalis ist gegenüber dem Polygalo-Nardetum lediglich durch das Vorkommen des Flügelginsters (Genistella sagittalis) positiv charakterisiert. Daher fassen einige Autoren diese beiden Assoziationen aufgrund nur einer Kennart unter einem Namen zusammen (Peppler 1992, Rennwald 2000). Das Polygalo-Nardetum bildet die Zentralassoziation des Unterverbandes Violenion und verfügt über keine eigenen Kennarten, ist also nur durch die Kennarten des Violenion charakterisiert (Dierschke 1994, Peppler-Lisbach & Petersen 2001, Waesch 2003). Die Unterverbandskennarten gelten damit gleichermaßen als Assoziationskennarten. Der Juncenion-Unterverband gliedert sich in zwei Assoziationen (Peppler-Lisbach & Petersen 2001). In Luxemburg kommt das Juncetum squarrosi Nordhagen 1922 nom. conserv. propos. vor. Häufig existieren fließende Übergänge zu anderen Syntaxa, die eine eindeutige Zuordnung schwierig machen. Zur Abgrenzung des Polygalo- Nardetum und des Juncetum squarrosi werden, nach 189

S. Schneider <strong>Die</strong> <strong>Graslandgesellschaften</strong> <strong>Luxemburgs</strong><br />

Magerrasen sind Zeugen früherer Landnutzungsformen<br />

und sollten als Kulturdenkmal<br />

bewahrt werden. Alle Kalk-Magerrasen ab einer<br />

Mindestgröße von 100 m² sind nach Art. 17 des<br />

aktuellen Naturschutzgesetzes geschützt (Loi<br />

du 19 janvier 2004 concernant la protection de la<br />

nature et des ressources naturelles; Ministère de<br />

l'environnement 2006). Sie gehören nach Anhang<br />

I der FFH-Richtlinie zu den geschützten Lebensraumtypen<br />

(Natura 2000-Code 6210, Subtyp 6212,<br />

FFH-Richtlinie 92/43/EWG, Ssymank et al. 1998).<br />

Prioritär sind dabei besonders die orchideenreichen<br />

Bestände, wie sie auch in Luxemburg<br />

ausgeprägt sind.<br />

4.10 Borstgrasrasen<br />

(Violion caninae)<br />

4.10.1 Allgemeines und syntaxonomische<br />

Einordnung<br />

<strong>Die</strong> luxemburgischen Borstgrasrasen werden der<br />

Ordnung Nardetalia strictae Preising 1950 (Borstgrasrasen)<br />

innerhalb der Klasse der Calluno-<br />

Ulicetea Braun-Blanquet et Tüxen 1943 ex Klika<br />

et Hadac 1942 (Borstgrasrasen und Zwergstrauchheiden)<br />

zugeordnet. In der Literatur ist<br />

oft die Bezeichnung Nardo-Callunetea Preising<br />

1949 gebräuchlich, die aber nach Peppler-Lisbach<br />

& Petersen (2001) nicht mehr gültig ist. <strong>Die</strong><br />

Ordnung Nardetalia wurde nach Peppler-Lisbach<br />

& Petersen (2001) erstmals von Oberdorfer (1949)<br />

beschrieben, ihre Gültigkeit erlangte sie durch die<br />

Validierung durch Preising (1950). Den Nardetalia<br />

werden zwei Verbände untergeordnet: Violion<br />

caninae Schwickerath 1944 (Borstgrasrasen der<br />

planaren bis montanen Stufe) und Nardion strictae<br />

Br.-Bl. 1926 (Borstgrasrasen der hochmontanen bis<br />

alpinen Stufe).<br />

In Luxemburg kommen lediglich Gesellschaften<br />

des Verbandes Violion caninae Schwickerath 1944<br />

vor. <strong>Die</strong> ersten Beschreibungen von Assoziationen<br />

des Violion caninae gehen auf Schwickerath<br />

(1944) zurück, der ein Meum athamanticum-reiches<br />

Arnicetum montanae und ein Luzuletum multiflorae<br />

aus dem Hohen Venn beschreibt (s. Schwickerath<br />

1944, <strong>Die</strong>rschke & Vogel 1981, Peppler 1992,<br />

Peppler-Lisbach & Petersen 2001). Schwickerath<br />

(1944) weist daraufhin, dass Arnika in der ganzen<br />

<strong>Ferrantia</strong> • <strong>66</strong> / 2011<br />

Eifel eine große Verbreitung hat und begründet<br />

damit die Benennung der Gesellschaft. Das<br />

Arnicetum montanae kommt nach Schwickerath<br />

(1944) in der Schneifel, im Hunsrück und der<br />

gesamten Eifel vor. Nach Peppler-Lisbach &<br />

Petersen (2001) u. a. ist das Arnicetum montanae<br />

Schwickerath 1944 die vermutlich älteste gültige<br />

Beschreibung dieses Typs.<br />

Der Violion-Verband wird von Peppler-Lisbach<br />

& Petersen (2001) in zwei Unterverbände unterteilt:<br />

Violenion caninae Peppler-Lisbach et Petersen<br />

2001 (artenreiche, bodenfrische Borstgrasrasen<br />

der planaren bis montanen Stufe) und Juncenion<br />

squarrosi Oberdorfer 1957 (bodenfeuchte Borstgrasrasen<br />

der planaren bis montanen Stufe).<br />

Das Violenion ist gegenüber dem Juncenion neben<br />

einigen Kennarten durch zahlreiche Differentialarten<br />

abgetrennt.<br />

Innerhalb des Violenion-Unterverbandes werden<br />

nach Peppler-Lisbach & Petersen (2001) vier<br />

Assoziationen unterschieden. Im Untersuchungsgebiet<br />

kommt lediglich das Polygalo vulgaris-<br />

Nardetum strictae Oberdorfer 1957 nom. conserv.<br />

propos. (kurz: Polygalo-Nardetum, Kreuzblumen-<br />

Borstgrasrasen) vor. Eine weitere ist beispielsweise<br />

das Festuco rubrae-Genistelletum sagittalis<br />

Issler 1929 (Flügelginster-Borstgrasrasen). <strong>Die</strong>se<br />

beiden Assoziationen unterscheiden sich nach<br />

Peppler-Lisbach & Petersen (2001) floristisch<br />

wenig. Das Festuco rubrae-Genistelletum sagittalis<br />

ist gegenüber dem Polygalo-Nardetum lediglich<br />

durch das Vorkommen des Flügelginsters<br />

(Genistella sagittalis) positiv charakterisiert. Daher<br />

fassen einige Autoren diese beiden Assoziationen<br />

aufgrund nur einer Kennart unter einem Namen<br />

zusammen (Peppler 1992, Rennwald 2000). Das<br />

Polygalo-Nardetum bildet die Zentralassoziation<br />

des Unterverbandes Violenion und verfügt über<br />

keine eigenen Kennarten, ist also nur durch die<br />

Kennarten des Violenion charakterisiert (<strong>Die</strong>rschke<br />

1994, Peppler-Lisbach & Petersen 2001, Waesch<br />

2003). <strong>Die</strong> Unterverbandskennarten gelten damit<br />

gleichermaßen als Assoziationskennarten. Der<br />

Juncenion-Unterverband gliedert sich in zwei<br />

Assoziationen (Peppler-Lisbach & Petersen 2001).<br />

In Luxemburg kommt das Juncetum squarrosi<br />

Nordhagen 1922 nom. conserv. propos. vor.<br />

Häufig existieren fließende Übergänge zu<br />

anderen Syntaxa, die eine eindeutige Zuordnung<br />

schwierig machen. Zur Abgrenzung des Polygalo-<br />

Nardetum und des Juncetum squarrosi werden, nach<br />

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