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Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs

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S. Schneider <strong>Die</strong> <strong>Graslandgesellschaften</strong> <strong>Luxemburgs</strong><br />

120<br />

Aufgrund ihrer Artenvielfalt sowie des Vor-<br />

kommens seltener und stark gefährdeter Pflanzenarten<br />

gehören die Pfeifengraswiesen zu den<br />

kostbarsten <strong>Graslandgesellschaften</strong> in Luxemburg,<br />

deren Bestände hochgradig gefährdet sind. Sie<br />

gehören zusammen mit den Borstgrasrasen zu<br />

den am stärksten gefährdeten <strong>Graslandgesellschaften</strong><br />

<strong>Luxemburgs</strong>. Der Erhalt dieser verbliebenen<br />

Reste muss oberste Priorität im Naturschutz<br />

haben. Pfeifengraswiesen gehören zu den nach<br />

der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie besonders zu<br />

schützenden Lebensräumen (Natura 2000-Code<br />

6410, FFH-Richtlinie 92/43/EWG, Ssymank et<br />

al. 1998) und ab einer Mindestgröße von 100 m²<br />

zu den gesetzlich geschützten Biotoptypen in<br />

Luxemburg (Loi du 19 janvier 2004 concernant la<br />

protection de la nature et des ressources naturelles;<br />

Ministère de l'environnement 2006). Fast überall<br />

gehören die Molinion-Bestände zu den stark vom<br />

Aussterben bedrohten Graslandtypen (Nowak<br />

1992, <strong>Die</strong>rschke & Briemle 2002, Nowak & Schulz<br />

2002, Nowak & Fartmann 2004, Nawrath 2005). In<br />

Deutschland werden sie für das Tiefland sowie<br />

das Berg- und Hügelland als „vom Verschwinden<br />

bedroht“ in der Roten Liste eingestuft (Rennwald<br />

2000). <strong>Die</strong> in Deutschland heute noch vorhandenen<br />

Vorkommen befinden sich hauptsächlich<br />

im Alpenvorland. <strong>Die</strong> als Heuwiesen genutzten<br />

Bestände des Molinietum sind vorwiegend noch<br />

im westlichen Mittelhessen zu finden. Dort sind<br />

sie stark zurückgegangen (Nowak & Fartmann<br />

2004). Bettinger et al. (2008) nennen das Molinietum<br />

caeruleae als sehr selten in den Gaulandschaften<br />

des Saarlandes. Neben der floristischen Vielfalt<br />

besitzen Pfeifengraswiesen auch eine sehr artenreiche<br />

Tiergemeinschaft, die es zu schützen gilt<br />

(s. dazu Nowak & Fartmann 2004).<br />

Der Rückgang der Pfeifengraswiesen setzte in<br />

der Mitte des 20. Jahrhunderts ein (Nowak 2001,<br />

Nowak & Fartmann 2004). Gründe für den starken<br />

Rückgang sind in der zunehmenden Nutzungsumwandlung<br />

in Intensivgrünland oder in Äcker zu<br />

sehen, der Nutzungsintensivierung und -aufgabe.<br />

Gefährdet sind die Pfeifengraswiesen nach wie<br />

vor durch Düngung. Bereits geringe Stickstoffdüngung<br />

führt zu einem raschen Wandel der<br />

Artenzusammensetzung und der Vegetationsstruktur.<br />

Eutrophierung der Molinion-Wiesen<br />

bewirkt stets das Verschwinden der empfindlichen<br />

Kenn- und Trennarten des Verbandes.<br />

Aus den Molinion-Wiesen werden Fragment-<br />

gesellschaften, in denen die Molinion-Pflanzen<br />

und Magerkeitszeiger fehlen. Meist entstehen<br />

artenarme Molinietalia-Gesellschaften, in denen<br />

oft Alopecurus pratensis dominiert (Bergmeier<br />

1990, Nowak 2001, Nowak & Schulz 2002, Nowak<br />

& Fartmann 2004). Nach Düngung bleibt Silaum<br />

silaus als kennzeichnende Art übrig (Nowak 1992,<br />

Nowak & Schulz 2002, Nowak & Fartmann 2004).<br />

Sie kann sich auch in stärker gedüngten Wiesen<br />

noch lange behaupten (Bergmeier et al. 1984). So<br />

kann auch Silaum silaus – ähnlich wie Scorzonera<br />

humilis (s. u. und Kap. 4.3.4, Calthion-VG, magere<br />

Ausbildung) – als Indikator für ehemalige Pfeifengraswiesen<br />

verwendet werden. Da im atlantisch<br />

geprägten Untersuchungsgebiet Calthion-Arten<br />

in den Pfeifengraswiesen vorkommen und sie im<br />

Gegensatz zu den Molinion-Arten bei Nutzungsintensivierung<br />

überdauern können (s. Nowak &<br />

Fartmann 2004), ist davon auszugehen, dass sich<br />

einige der unter Kap. 4.3.4 (Calthion-VG, magere<br />

Molinion-Ausbildung) beschriebenen Feuchtwiesen<br />

des Calthion aus Pfeifengraswiesen entwickelt<br />

haben.<br />

Zu den gefährdeten Arten (Colling 2005) gehören<br />

die Niedrige Schwarzwurzel (Scorzonera humilis,<br />

Abb. 60), die Kümmel-Silge (Selinum carvifolia)<br />

und der noch etwas weiter verbreitete Teufelsabbiß<br />

(Succisa pratensis). Das Pfeifengras (Molinia<br />

caerulea) kommt in den basenreichen Pfeifengraswiesen<br />

seltener vor als im basenärmeren<br />

Crepido-Juncetum acuiflori. Scorzonera ist in den<br />

letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen und<br />

ist heute in vielen Teilen Europas eine gefährdete<br />

Art (Colling et al. 2002, Colling & Matthies 2006).<br />

Als Gründe für ihren Rückgang nennen die<br />

Autoren unter anderem Düngung und Entwässerung.<br />

Colling et al. (2002) nennen notwendige<br />

Maßnahmen, um den Fortbestand von Scorzonera-<br />

Populationen zu sichern. Danach sind besonders<br />

in Calthion-Wiesen Maßnahmen zur Reduzierung<br />

der Biomasseproduktion (Mahd mit Abtransport<br />

des Mahdguts) erforderlich. Sie räumen allerdings<br />

ein, dass die Produktiviät in Wiesen auf schweren<br />

Gleyböden, wie sie im Südwesten <strong>Luxemburgs</strong><br />

vorherrschen, nur langsam abnimmt.<br />

Pfeifengraswiesen wurden in Deutschland<br />

früher zur Streugewinnung genutzt. <strong>Die</strong> Streuwiesenwirtschaft<br />

ist aber heute bis auf wenige<br />

Reste verschwunden. Streuwiesen finden sich<br />

nur noch im Alpenvorland und den randlichen<br />

Teilen der Alpen, wo sie auch früher ihren<br />

<strong>Ferrantia</strong> • <strong>66</strong> / 2011

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