Ferrantia 66 Die Graslandgesellschaften Luxemburgs

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24.07.2013 Aufrufe

S. Schneider Die Graslandgesellschaften Luxemburgs 106 In älteren Brachen schließen sich ruderale Hochstaudenfluren der Artemisietea vulgaris an, auf nasseren und nährstoffärmeren Standorten Juncus acutiflorus-Bestände. Die Mädesüß-Gesellschaft ist darüber hinaus im Wirtschaftsgrünland mit Feuchtwiesen und feuchten bzw. wechselfeuchten Glatthaferwiesen vergesellschaftet. Dort bildet sie Dominanzbestände von geringerer Größe aus, meistens entlang von Wegen, Wiesengrenzen oder Waldrändern. Aspekte des Naturschutzes Es besteht zur Zeit keine Gefährdung und Schutzwürdigkeit der Filipendula ulmaria-Gesellschaft in Luxemburg, da sie sehr weit verbreitet und nicht vom Rückgang betroffen ist, im Gegenteil: sie prägt ganze Landschaftsausschnitte mit ihren dichten Dominanzbeständen. Demzufolge wird sie nicht als gefährdeter Vegetationstyp eingestuft, obschon einige seltene und gefährdete Pflanzenarten in ihr vereinzelt auftreten. Auch andere Autoren sehen nur eine geringe Bedeutung solcher Hochstaudenfluren für den floristischen Artenschutz, da weder ihre dominanten Arten noch ihre Kennarten zu den gefährdeten Pflanzenarten gehören, betonen aber ihre Bedeutsamkeit als Lebensraum für Insekten, Vögel und Kleinsäuger (Briemle et al. 1991). So kommt den feuchten Hochstaudenfluren auch nach Ssymank et al. (1998) eine hohe zoologische Bedeutung für Schmetterlinge, Heuschrecken, Zweiflügler, Hautflügler, Wanzen, Zikaden, Spinnen und Vögel zu. Filipendula ulmaria dient z. B. den Raupen des Violetten Silberfalters (Brenthis ino) als Futterpflanze. Für gefährdete Kleinvogelarten wie das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) bieten gerade Filipendula-Brachen geeignete Strukturen (Kratochwil & Schwabe 2002). Die Mädesüßfluren dienen somit einer ganzen Reihe von Tierartengruppen als Rückzugsfläche, Lebensraum, Nahrungsquelle und Nistplatz. Schließlich sind sie – wie die übrigen Brachestadien auch – als Kleinstrukturen und Landschaftselemente z. B. für den Biotopverbund von Bedeutung. Die Filipendula ulmaria-Gesellschaft konnte sich auf Kosten vieler Feuchtwiesen – nach Nutzungsaufgabe oder bei einer extensiveren Bewirtschaftung – in den letzten Jahrzehnten verstärkt ausbreiten. Betroffen sind insbesondere Standorte, an denen die Bewirtschaftung erschwert ist. Darunter fallen u. a. versumpfte Wiesentäler sowie schwer zugängliche Bachtälchen. So sind einige Talauen von der Filipendula ulmaria-Gesellschaft nahezu vollständig bedeckt (s. Verbreitung). Dieses Phänomen beschreibt Nawrath (2005) auch für bachbegleitende Waldwiesentäler im Taunus. Solche mit einem Artenrückgang verbundenen Bracheentwicklungen innerhalb der letzten Jahrzehnte beschreiben zudem Amani (1980) für die Bachtäler um Suderburg (Norddeutsche Tiefebene) und Müller et al. (1992) für das Ostetal (Nordwest-Deutschland). Um dem entgegenzuwirken, müsste es nach Müller et al. (1992) durch regelmäßige Mahd gelingen, Filipendula ulmaria zurückzudrängen und so eine Regeneration zu Feuchtwiesen zu ermöglichen. So stellten Müller et al. (1992) fest, das Filipendula schon nach wenigen Jahren der Mahd in ihrer Vitalität geschwächt war und sich einige Feuchtwiesenpflanzen (z. B. Lychnis floscuculi, Senecio aquaticus) schon nach kurzer Zeit etablieren konnten. Als Vorraussetzung für eine Regeneration sehen sie den Samenvorrat der Wiesenpflanzen im Boden, der durch die günstigeren Lichtbedingungen schnell aktiviert wird (Rosenthal 1992). Müller et al. (1992) räumen aber auch ein, dass bei Fehlen von Feuchtwiesenarten und damit des Diasporenvorrates sich die Regeneration hinauszögert. Briemle et al. (1991) geben eine jährliche einmalige Mahd Ende September an, um eine Erhöhung der Artenzahl zu erreichen. Waesch (2003) stellt fest, dass bei jüngeren Brachestadien von einem bedeutsamen Regenerationspotenzial ausgegangen werden kann. Dies beruht auf der Fähigkeit der Feuchtwiesenpflanzen, eine ausdauernde Samenbank aufzubauen. Ob jedoch eine Wiederaufnahme der Nutzung und damit eine Regeneration erforderlich und sinnvoll ist, muss im Einzelfall geklärt werden. Aufgrund der hohen zoologischen Bedeutung der Mädesüßfluren sollten keine Pflege- oder Nutzungseingriffe erfolgen. Ellenberg (1996) stellt die Mädesüßfluren als eine Übergangsphase in der Sukzession zum Wald dar, in der es lange dauern kann, bis sich die ersten Pioniergehölze (Weiden, Erlen) einstellen. Ellenberg räumt jedoch ein, dass Störungen freie Stellen schaffen können, an denen Gehölze rascher aufkommen können. Auch Briemle et al. (1991) sehen sie als sehr stabile Übergangsphasen in der Sukzession. Gehölzpioniere haben in den nährstoffreichen, brachliegenden Hochstaudenfluren meist keine Chance, Fuß zu fassen. Ferrantia66 / 2011

S. Schneider Die Graslandgesellschaften Luxemburgs Es sind daher keine Pflegemaßnahmen zum Erhalt dieser Gesellschaft erforderlich (Briemle 1980, Schiefer 1983). 4.3.9 Bistorta officinalis-Gesellschaft (Schlangenknöterich-Gesellschaft) Tab. C11, Abb. A33 Aspekt und Struktur In dieser Gesellschaft werden überwiegend brachgefallene Bestände mit der Dominanz (Deckungsgrad ≥ 3) von Persicaria bistorta = Bistorta officinalis zusammengefasst. Von Mai bis Ende Juni – zur Blütezeit der namensgebenden Art – fallen die Bestände der rosaroten, dickwalzlichen Blütenähren des Schlangenknöterichs besonders auf (Abb. 55). Sie überragen die ausladenden, großen, markanten, krautigen Blätter, die schon im Frühjahr dichte, geschlossene Bestände bilden. Dieses charakteristische Aussehen und die Tendenz zu Dominanzbeständen ist der Grund dafür, sie als eigenständigen Vegetationstyp anzusehen (Dierschke et al. 2004). Die Vegetations- Ferrantia66 / 2011 Abb. 55: Schlangenknöterich-Gesellschaft bei Wahlhausen. Foto: S. Schneider, 18.06.2006. höhe dieser Bestände beträgt etwa 30 bis 70 cm, in der die Blätter eine Mittelschicht bilden. Nur wenige höherwüchsige Arten wie Cirsium palustre, Deschampsia cespitosa, Molinia caerulea, Filipendula ulmaria und Geranium sylvaticum überragen den Knöterich. Sie treten besonders im Spätsommer hervor, wenn die Blätter des Knöterichs bereits vertrocknet sind. Syntaxonomie Vom Schlangenknöterich dominierte Bestände gehören der Bistorta officinalis-Gesellschaft an. Auch wenn der in Luxemburg aktuell gültige Name Persicaria bistorta ist, folgt die Namensgebung der Gesellschaft dem in der überregionalen Literatur gebräuchlichen Namen. So wird die Gesellschaft hier als Bistorta officinalis-Gesellschaft nach Dierschke et al. (2004) benannt. Dies erfolgt vor allem aus Gründen der Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit. Für Assoziationen usw. gilt bei Änderungen der Pflanzennamen der Originalname. So sollte auch bei Gesellschaften vorgegangen werden, wenngleich dies nicht vom Nomenklaturcode geregelt ist (Dierschke, schriftliche Mitteilung). 107

S. Schneider <strong>Die</strong> <strong>Graslandgesellschaften</strong> <strong>Luxemburgs</strong><br />

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In älteren Brachen schließen sich ruderale<br />

Hochstaudenfluren der Artemisietea vulgaris an, auf<br />

nasseren und nährstoffärmeren Standorten Juncus<br />

acutiflorus-Bestände. <strong>Die</strong> Mädesüß-Gesellschaft<br />

ist darüber hinaus im Wirtschaftsgrünland mit<br />

Feuchtwiesen und feuchten bzw. wechselfeuchten<br />

Glatthaferwiesen vergesellschaftet. Dort bildet<br />

sie Dominanzbestände von geringerer Größe aus,<br />

meistens entlang von Wegen, Wiesengrenzen oder<br />

Waldrändern.<br />

Aspekte des Naturschutzes<br />

Es besteht zur Zeit keine Gefährdung und Schutzwürdigkeit<br />

der Filipendula ulmaria-Gesellschaft<br />

in Luxemburg, da sie sehr weit verbreitet und<br />

nicht vom Rückgang betroffen ist, im Gegenteil:<br />

sie prägt ganze Landschaftsausschnitte mit ihren<br />

dichten Dominanzbeständen. Demzufolge wird<br />

sie nicht als gefährdeter Vegetationstyp eingestuft,<br />

obschon einige seltene und gefährdete Pflanzenarten<br />

in ihr vereinzelt auftreten. Auch andere<br />

Autoren sehen nur eine geringe Bedeutung<br />

solcher Hochstaudenfluren für den floristischen<br />

Artenschutz, da weder ihre dominanten Arten<br />

noch ihre Kennarten zu den gefährdeten Pflanzenarten<br />

gehören, betonen aber ihre Bedeutsamkeit<br />

als Lebensraum für Insekten, Vögel und Kleinsäuger<br />

(Briemle et al. 1991). So kommt den<br />

feuchten Hochstaudenfluren auch nach Ssymank<br />

et al. (1998) eine hohe zoologische Bedeutung<br />

für Schmetterlinge, Heuschrecken, Zweiflügler,<br />

Hautflügler, Wanzen, Zikaden, Spinnen und<br />

Vögel zu. Filipendula ulmaria dient z. B. den<br />

Raupen des Violetten Silberfalters (Brenthis ino)<br />

als Futterpflanze. Für gefährdete Kleinvogelarten<br />

wie das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) bieten<br />

gerade Filipendula-Brachen geeignete Strukturen<br />

(Kratochwil & Schwabe 2002). <strong>Die</strong> Mädesüßfluren<br />

dienen somit einer ganzen Reihe von Tierartengruppen<br />

als Rückzugsfläche, Lebensraum,<br />

Nahrungsquelle und Nistplatz. Schließlich sind<br />

sie – wie die übrigen Brachestadien auch – als<br />

Kleinstrukturen und Landschaftselemente z. B. für<br />

den Biotopverbund von Bedeutung.<br />

<strong>Die</strong> Filipendula ulmaria-Gesellschaft konnte sich<br />

auf Kosten vieler Feuchtwiesen – nach Nutzungsaufgabe<br />

oder bei einer extensiveren Bewirtschaftung<br />

– in den letzten Jahrzehnten verstärkt<br />

ausbreiten. Betroffen sind insbesondere Standorte,<br />

an denen die Bewirtschaftung erschwert ist.<br />

Darunter fallen u. a. versumpfte Wiesentäler sowie<br />

schwer zugängliche Bachtälchen. So sind einige<br />

Talauen von der Filipendula ulmaria-Gesellschaft<br />

nahezu vollständig bedeckt (s. Verbreitung).<br />

<strong>Die</strong>ses Phänomen beschreibt Nawrath (2005)<br />

auch für bachbegleitende Waldwiesentäler im<br />

Taunus. Solche mit einem Artenrückgang verbundenen<br />

Bracheentwicklungen innerhalb der letzten<br />

Jahrzehnte beschreiben zudem Amani (1980)<br />

für die Bachtäler um Suderburg (Norddeutsche<br />

Tiefebene) und Müller et al. (1992) für das Ostetal<br />

(Nordwest-Deutschland).<br />

Um dem entgegenzuwirken, müsste es nach<br />

Müller et al. (1992) durch regelmäßige Mahd<br />

gelingen, Filipendula ulmaria zurückzudrängen<br />

und so eine Regeneration zu Feuchtwiesen zu<br />

ermöglichen. So stellten Müller et al. (1992) fest,<br />

das Filipendula schon nach wenigen Jahren der<br />

Mahd in ihrer Vitalität geschwächt war und sich<br />

einige Feuchtwiesenpflanzen (z. B. Lychnis floscuculi,<br />

Senecio aquaticus) schon nach kurzer Zeit<br />

etablieren konnten. Als Vorraussetzung für eine<br />

Regeneration sehen sie den Samenvorrat der<br />

Wiesenpflanzen im Boden, der durch die günstigeren<br />

Lichtbedingungen schnell aktiviert wird<br />

(Rosenthal 1992). Müller et al. (1992) räumen aber<br />

auch ein, dass bei Fehlen von Feuchtwiesenarten<br />

und damit des Diasporenvorrates sich die Regeneration<br />

hinauszögert. Briemle et al. (1991) geben<br />

eine jährliche einmalige Mahd Ende September<br />

an, um eine Erhöhung der Artenzahl zu erreichen.<br />

Waesch (2003) stellt fest, dass bei jüngeren Brachestadien<br />

von einem bedeutsamen Regenerationspotenzial<br />

ausgegangen werden kann. <strong>Die</strong>s beruht<br />

auf der Fähigkeit der Feuchtwiesenpflanzen, eine<br />

ausdauernde Samenbank aufzubauen. Ob jedoch<br />

eine Wiederaufnahme der Nutzung und damit<br />

eine Regeneration erforderlich und sinnvoll ist,<br />

muss im Einzelfall geklärt werden. Aufgrund der<br />

hohen zoologischen Bedeutung der Mädesüßfluren<br />

sollten keine Pflege- oder Nutzungseingriffe<br />

erfolgen.<br />

Ellenberg (1996) stellt die Mädesüßfluren als eine<br />

Übergangsphase in der Sukzession zum Wald<br />

dar, in der es lange dauern kann, bis sich die<br />

ersten Pioniergehölze (Weiden, Erlen) einstellen.<br />

Ellenberg räumt jedoch ein, dass Störungen<br />

freie Stellen schaffen können, an denen Gehölze<br />

rascher aufkommen können. Auch Briemle et al.<br />

(1991) sehen sie als sehr stabile Übergangsphasen<br />

in der Sukzession. Gehölzpioniere haben in den<br />

nährstoffreichen, brachliegenden Hochstaudenfluren<br />

meist keine Chance, Fuß zu fassen.<br />

<strong>Ferrantia</strong> • <strong>66</strong> / 2011

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