VMA-Faltblatt April07.pdf - Landkreis Passau
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Mit dem bevorstehenden bzw. drohenden „Anschluß“ Österreichs an<br />
das Deutsche Reich war auch Wien nicht mehr sicher für Hansen. So<br />
muß er 1938 nach Kopenhagen ziehen. Nach der Scheidung von<br />
der österreichischen Schauspielerin Lizzi Waldmüller, seiner ersten<br />
Frau, eröffnet Hansen mit seiner zweiten Frau Britta, die 24 Jahre<br />
jünger und schließlich Mutter seiner vier Kinder werden sollte, ein<br />
Sommertheater im Glassaal des Tivoli. Eine Theatertournee führt ihn<br />
nach Oslo, Stockholm, Helsinki, Amsterdam und in die Schweiz. Ihn<br />
Dänemark gelingt es Hansen nur durch „List“ und „Tücke“ heil<br />
durch die deutsche Besatzungszeit zu kommen: Er bezahlte einen<br />
bankrott gegangenen „arischen“ Offizier dafür, seinen Vater zu<br />
spielen und gibt ihn aus Angst vor der Enttarnung als Großvater<br />
seiner Kinder aus. Um sich wirtschaftlich über Wasser zu halten, ist<br />
er für den skandinavischen Rundfunk tätig und agiert zwischen 1939<br />
und 1951 im Schwedischen Filmgeschäft. Für die während dieser<br />
Zeit produzierten Musik-Komödien komponiert er unter dem<br />
Pseudonym „Sylvester“ Lieder. Nach Beendigung des Krieges<br />
führt ihn eine Amerika-Tournee sogar nach New York. Doch nach<br />
dem Zusammenbruch des „1000jährigen Reiches“ und der<br />
wirtschaftlichen Not der Wiederaufbaujahre gelingt es ihm nicht<br />
mehr, dort wieder Fuß zu fassen, wo seine einzigartige Karriere<br />
begonnen hatte. Nur noch für gelegentliche Bühnenengagements<br />
wird Hansen in Deutschland verpflichtet (1949 Rundfunkaufnahmen<br />
des NWDR in Hamburg, 1951 Auftritt in der „Neuen Scala“ in<br />
Berlin – in Ralph Benatzkys „Weißem Rössl“), Filmangebote bleiben<br />
aus. Als Kabarettist, Zeitkritiker und Filmakteur beschritt von<br />
nun an Wolfgang Neuss seinen Weg. Max Hansen stirbt am 13.<br />
November 1961 im Alter von nur 63 Jahren an den Folgen eines<br />
Herzinfarkts.<br />
Es muß was Wunderbares sein…<br />
Den größten Erfolg hatte Hansen zweifellos in seiner Rolle als<br />
Zahlkellner Leopold in Ralph Benatzkys Dreiakter „Im Weißen<br />
Rößl". Das Libretto des Singspiels entstand in Zusammenarbeit mit<br />
Hans Müller und Erik Charell. Die Liedtexte schrieb Robert<br />
Gilbert. Vorlage für das „Weiße Rössl“ war das gleichnamige Alt-<br />
Berliner Lustspiel von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg, die<br />
das Werk 1896 während eine Aufenthaltes im besagten Hotel in<br />
Sankt Wolfgang, das seit 1878 besteht, schrieben. Die Premiere am 8.<br />
November 1930 im Großen Schauspielhaus in unmittelbarer Nähe<br />
des Schiffbauerdamms in Berlin wurde ein überragender Erfolg für<br />
den Österreicher Ralph Benatzky (1884 – 1957). Für Max Hansen<br />
war die Uraufführung ebenso ein Glücksfall. Im ersten Akt macht er<br />
als Zahlkellner Leopold Brandmeyer seiner Wirtin, Josepha<br />
Vogelhuber, schöne Augen und umwirbt sie mit seinem Charme.<br />
Dazu singt er jene Tangomelodie, die noch bis heute in Berlin, Wien,<br />
London und New York verzaubert und u.a. auch das Repertoire der<br />
Salonkapelle des Schreinermeisters und Musikers Alois Spiegl<br />
(1900 – 1967) aus Oberbeutelsbach (er beherrschte die Instrumente<br />
Geige, Klarinette und Zither und war rege sowohl als Kapellmeister<br />
als auch solistisch als Salon-Musiker aktiv) 1930 bereicherte:<br />
„Es muß was wunderbares sein,<br />
von dir geliebt zu werden,<br />
denn meine Liebe, die ist dein,<br />
solang ich leb’ auf Erden!<br />
Ich kann nichts Schöneres mir denken,<br />
als dir mein Herz zu schenken,<br />
wenn du mir deins dafür gibst<br />
und mir sagst, dass auch du mich liebst!“ (Ki) (Abb.u. – A*)<br />
(Quellenhinweise siehe Beiblatt)<br />
Anschrift:<br />
Volksmusikarchiv des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Passau</strong><br />
Landratsamt <strong>Passau</strong> – Kulturreferat<br />
<strong>Passau</strong>er Str. 39<br />
94121 Salzweg/BRD<br />
Telefon: 0049 (0)851/949 60 – 23<br />
Fax: 0049 (0)851/41 0 43<br />
Mail: volksmusik@landkreis-passau.de<br />
Internet 1: http://www.landkreis-passau.de/kulturundsport/<br />
Internet 2: http://www.kultursponsoren.de<br />
Ihre Ansprechpartner:<br />
Dr. Achim Kirste Archivar<br />
Ulrich Seider M.A. Volkskunde<br />
Besuchszeiten:<br />
Montag – Freitag, 10.00 – 12.00 Uhr sowie nach Vereinbarung.<br />
Archivbesuche bitte nur nach vorheriger Anmeldung!<br />
Nachrichten aus dem<br />
Volksmusikarchiv<br />
des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Passau</strong><br />
Ausgabe April 2007/<br />
Nr. 10<br />
© <strong>VMA</strong> des LRA <strong>Passau</strong>/Ki/Se
1. Vorwort<br />
Sehr geehrte Freunde der Volksmusik,<br />
nach unserem Osterurlaub gehen wir wieder frisch ans Werk und<br />
präsentieren Ihnen monatlich weitere „Schmankerl“ aus unserem<br />
Archiv. Heute soll unser <strong>Faltblatt</strong> Sie noch einmal in die Welt der<br />
Operette und der „Schellacks“ entführen. Wir sind dabei stets<br />
bestrebt, Ihnen einerseits musikalische Werke, Komponisten und<br />
Interpreten in flüssigem Stil zu präsentieren, andererseits Ihnen<br />
wichtige historische Hintergrundinformationen mitzugeben, die mit<br />
unseren bereits bisher erschienenen Beiträgen in Verbindung stehen.<br />
Ferner wurde seit der Ausgabe 01/2007 das Erscheinungsbild<br />
unserer „<strong>VMA</strong>-Nachrichten“ um das sogenannte „Themenbild“ mit<br />
Titelbezeichnung unten rechts auf der Frontseite erweitert, so daß Sie<br />
bei der Durchsicht der Exemplare einzelne Beiträge schneller finden.<br />
Wir wünschen Ihnen – wie immer an dieser Stelle – viel Freude beim<br />
„Studier’n“ unserer April-Ausgabe!<br />
Dr. Wilfried Hartleb (Kulturreferent des <strong>Landkreis</strong>es <strong>Passau</strong>),<br />
Dr. Achim Kirste und Ulrich Seider M.A.<br />
2. Exponat des Monats (Abteilung Tonträger):<br />
„Komm’ mit mir nach Venedig“<br />
Max Hansen mit Orchester auf „Grammophon“<br />
oder: Der kleine Caruso – Vom Simplizissimus zu<br />
den großen Musiktheatern Europas<br />
Eine weitere Schellack-Rarität der Sammlung Kälker aus Pocking<br />
(siehe Ausgabe 02/2007) soll Ihnen,<br />
verehrter Leser, heute mit der Grammophon-Schellackaufnahme<br />
der volkstümlichen<br />
Titel „Komm’ mit mir nach<br />
Venedig“ und „Die schönsten Augen hat<br />
meine Frau“ präsentiert werden. Der<br />
Titel der A-Seite (Deutsche Grammophon-Aktiengesellschaft<br />
Berlin – Eingetragene<br />
Schutzmarke „Die Stimme seines<br />
Herrn“) trägt eine Liedkomposition<br />
von Max Hansen mit dem Titel „Komm’ mit mir nach Venedig“<br />
(Katalog-Nr. 62184 – Bestell-Nr. 19763) von 1927. Der Text hierzu<br />
stammt von Willy Prager, das Notenmaterial ist im Rondo-Verlag<br />
Berlin erschienen. Die Rückseite lässt das Foxtrot-Lied „Die<br />
schönsten Augen hat meine Frau“ (ebenfalls 1927, Katalog-Nr.<br />
62183 – Bestell-Nr. 19763) zu Gehör bringen. Die Komposition<br />
stammt von Ralph Erwin (und ist ebenso im Rondo-Musikverlag<br />
Berlin erschienen), der Text von Fritz Rotter. (Abb.o.l. – G*)<br />
Beide Titel wurden mit dem berühmten Tenor und Schauspieler Max<br />
Hansen und seinem Begleitorchester in den goldenen 20er Jahren des<br />
20. Jahrhunderts eingespielt. Die Musiktitel sind eher unbedeutend<br />
und kaum bekannt, jedoch führen sie uns auf die Spur eines<br />
meisterhaften Operettenvirtuosen, den wir in unserem Volksmusikarchiv<br />
dankenswerterweise noch akustisch per Tonträger miterleben<br />
dürfen.<br />
Max Hansen – Operettentenor, Schauspieler und Kabarettist<br />
Max Hansen wird als Max Haller am 22.<br />
Dezember 1897 als unehelicher Sohn der<br />
dänischen Schauspielerin Eva Haller (bürgerlich:<br />
Hansen) und des schwedischen Hauptmanns<br />
Schürer von Waldheim in Mannheim<br />
geboren. Er wächst bei seinen Pflegeeltern,<br />
der Familie Bögl, in München auf und<br />
erwirbt sich schon in der Schulzeit und<br />
während seiner künstlerischen Tätigkeit im<br />
Chor der Hofoper aufgrund seiner schönen<br />
und modulationsreichen Stimme einen besonderen<br />
Titel: Er wird fortan der „kleine<br />
Caruso“ genannt. Dieses Pseudonym nutzte<br />
Haller noch vor dem 1. Weltkrieg auch für seine ersten öffentlichen<br />
Auftritte in Paris, St. Petersburg und Kopenhagen. Haller erhält in<br />
Kopenhagen und München Klavier- und Gesangsunterricht und wird<br />
ab 1914 im legendären Münchener Simplizissimus als Kabarettist<br />
engagiert, wo er seine ersten selbstgeschriebenen Lieder und Texte<br />
einbringen kann. (Abb.o.l. – B*)<br />
Nachdem er seine Gesangsausbildung in München beendet hatte,<br />
startet er 1919 seine Operetten-Karriere im „Theater an der Wien“,<br />
wo er die besondere Förderung von Franz Léhar erfährt. Vor diesem<br />
Engagement hat er sein Gesangsstudium in Wien vollenden lassen.<br />
Das dortige Studium finanzierte er sich als Bänkelsänger mit<br />
Auftritten in diversen Varietés und Kabaretts. Zu dieser Zeit eignet<br />
sich Haller erstmals das Pseudonym „Max Hansen“ an, da er<br />
glaubt, dass sich ein skandinavisch klingender Name besser<br />
vermarkten lässt.<br />
Es folgt 1923 sein Debüt im Berliner Metropol-Theater in „Gräfin<br />
Maritza“, wozu ihm Hubert Marischka verhalf, der ihn im „Ronacher“,<br />
einem bekannten Wiener Varieté, als Hauptattraktion entdeckt<br />
hatte. Die Rolle des „Zsupán“ ist der eigentliche Startschuß für seine<br />
Bühnenkarriere. Max Reinhardt engagiert ihn danach für „Die schöne<br />
Helena“, Erik Charell für „Die lustige Witwe“. Seine Rolle als Kellner<br />
Leopold in der Operette „Im Weißen Rössl“ wird 1930 sein größter<br />
Erfolg.<br />
Ab 1926 waren zahlreiche Schallplattenaufnahmen auf „Beka“,<br />
„Vox“, „Derby“ und „Grammophon“ mit Max Hansen entstanden.<br />
Zunächst gestaltete er die Aufnahmen nicht mit seinem eigenen Namen,<br />
sondern als anonymer Refrainsänger. Bald jedoch wurden die<br />
Schellack-Schätze mit dem zugkräftigen Namen Max Hansen vermarktet.<br />
1927 wird Hansen zu regelmäßigen Rundfunk-Liveauftritten<br />
verpflichtet. Er ist nicht nur als Sänger und Schauspieler sehr aktiv,<br />
sondern auch als passabler Komponist, Texter und Drehbuchautor.<br />
Seine Liebe zum Kabarett ließ Hansen Ende 1924 mit Paul Morgan<br />
und Kurt Robitschek das legendäre Berliner Kabarett der Komiker<br />
gründen. Höhepunkt des damaligen Programms war seine Richard<br />
Tauber-Parodie. Charakteristisch für Hansen war seine leicht näselnde<br />
Stimme, ein Markenzeichen, das der 20er- und 30er-Jahre-<br />
Reminiszent Max Raabe übernommen hat und in der Gegenwart mit<br />
seinem Palastorchester oder solistisch mit seinem Begleiter am Piano,<br />
Christoph Israel, furiose Erfolge in aller Welt feiert.<br />
Ab 1925 spielt Hansen in populären<br />
Stummfilmen verschiedene Rollen, wie<br />
„Familie Schimeck“, „Im Weißen Rössl“<br />
und „Venus im Frack“. Seine eigentliche<br />
Karriere beginnt jedoch mit den<br />
Siegeszug des Tonfilms 1930. Zwischen<br />
1930 und 1933 entstehen nicht weniger<br />
als 12 Spielfilmproduktionen – Komödien<br />
und Singspiele, wie z.B. „Wien, du<br />
Stadt der Lieder“ (1930), „Schuberts<br />
Frühlingstraum“ (1931) oder „Glückliche<br />
Reise“ (1933), überwiegend mit der<br />
Schauspiel-Kollegin Jenny Jugo, mit<br />
der er ideal harmonierte. Der Versuch,<br />
mit Paul Morgan und Carl Jöken eine<br />
eigene Filmgesellschaft zu gründen, schlug mit der ersten Produktion<br />
„Das Kabinett des Dr. Larifari“ 1930 fehl. Der Film wurde kein<br />
kommerzieller Erfolg, obwohl Hansen sein Talent als Drehbuch-<br />
Autor, Komponist, Liedtexter und Schauspieler unter Beweis stellte.<br />
Weil er mit einer Kabarett-Parodie auf Adolf Hitler etwas zu scharfzüngig<br />
war, mußte Hansen ab 1933 ins rettende Ausland flüchten,<br />
um den Nationalsozialisten zu entgehen. (Abb.o.l. – C*)<br />
Zunächst führt ihn sein Weg nach Wien, wo er weiterhin am Theater<br />
auftreten konnte. Bei den Vorbereitungen zu „Ralph Benatzkys<br />
Revue „Axel an der Himmelstür“ sagt 1936 Greta Garbo ab. So<br />
holt Hansen die bis dahin noch unbekannte Zarah Leander als seine<br />
Partnerin an das Theater an der Wien.